Zum Inhalt der Seite

Drachenjagd

Die Himmelsgöttin
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Izara

Zwei Tage war Izara zur Bettruhe verdonnert worden. Der Bergdrache zeigte keine Gnade, Kyia besuchte sie mehrmals am Tag, um sich sicher zu sein, ihre Prinzessin unter den sicheren und warmen Daunen ihres Gemaches liegen zu sehen. Die kleinste Regung brachte die Leibwächterin dazu, Izara über die schlimmen Folgen zu ermahnen und Izara selbst hatte aufgegeben, sich dagegen zu sträuben. Fortan wurde Essen ans Bett serviert, Besuch gab es nur morgens von Linnora und der Gang durch die Bäder war ohne Begleitung ihrer Zofe und gefühlt einem halben Dutzend Soldaten schier unmöglich geworden. Strikte Anweisung des Bergdrachen, den sich niemand in Frage zu stellen traute. Izara war so peinlich berührt, dass sie die meiste Zeit die Decke über den Kopf schlug oder mit feurig roten Wangen ins Leere starrte. Es fiel ihr schwer, sich zusammenzunehmen, sie fühlte sich zunehmend besser, ihr Zustand war fast so wie vor dem Unfall und die Kopfschmerzen kamen nur noch selten vor. Warum also nicht aufstehen und ein wenig den Sonnenschein auf der Gartenterrasse genießen? Nicht, dass Kyia mit sich diskutieren ließe. Immer wenn Izara von ihrer Genesung erzählte, wich der Bergdrache aus und zeigte grimmig auf Izaras Körper, der deutlich mehr gelitten hatte, als ihr anfangs bewusst gewesen war. Kampfspuren zeichneten sich von den Füßen bis zu den Schläfen ab. Die Haut schuppte sich, der Juckreiz war fast so schlimm, wie Kyias Überfürsorge und das Brennen am Rücken war auch eine Tortur. Obwohl die Verletzungen bereits am heilen waren, waren die Schürf- und Platzwunden noch deutlich zu erkennen. Ein Mahnung ihres schwachen , menschlichen Körpers. Eine weitere, derartige Verwandlung und Izara hätte sich das letzte Mal von Lydia helfen lassen.

Vorsichtig fuhr Izara mit den Fingerspitzen ihren Unterarm hinauf. Die Wunde musste tief gewesen sein, Izara spürte die Einkerbungen, trotz der dicken Bandagen, die regelmäßig an den Armen und Beinen gewechselt wurden. Seltsam, dass der Heilungsprozess so schnell von statten ging. Der menschliche Körper war empfindlich, gerade ihr Mischblut hatte immer wieder für Ärger gesorgt, dass selbst einfache Kratzer oft tagelang sichtbar blieben. Womöglich hatte ihr Kyia etwas von dem Heilmittel verabreicht, von dem immer ein kleiner Vorrat in ihrer rechten Hosentasche steckte.
 

Am Anfang hatte sie den Bergdrachen nach den Ereignissen fragen wollen. Izara war neugierig, aufgeregt und vor allem besorgt, besonders weil Kyia die Ereignisse einfach tot schwieg, statt Izara die Fragen zu beantworten, die ihr so schwer auf der Seele brannten. Doch egal ob es um die besagte Nacht, Izaras Eingreifen oder die Eier ging - Kyia ließ nicht mit sich reden. Izara verstand, dass der Bergdrache sie nur beschützen wollte. Die Angst in Kyias Augen übersah auch Izara nicht, ebenso die Schuldgefühle, mit denen sie weiterhin zu kämpfen hatte. Egal, was Izara sagte, wie sehr sie beteuerte, Kyia nicht böse zu sein - der Bergdrache blieb zerknirscht. Sich selbst zu vergeben, fiel ihr schwer und Izara gewährte ihr den Raum, Gras über die Sache wachsen zu lassen. Genau deshalb beharrte sie auch nicht länger auf die Wahrheit. Zu gegebener Zeit würde sie jemand anderen danach fragen - schließlich konnte man sie nicht ewig in Watte packen.
 

*
 

Als Kyia ihren Anstandsbesuch beendete und endlich zu ihren Dutzend anderen Pflichten zurückkehrte, wagte sich Izara aus dem Bett. Erst wackelig, weil sie kaum einen Tag ohne Kyias Stütze hatte stehen dürfen, gewöhnten sich ihre Beine nur langsam an die Anstrengung. Schlagartig setzte ein Schwindelgefühl ein, der sie erschöpft zu dem Tischchen greifen ließ. Izara knirschte mit den Zähnen. Sie hasste es, schwach und hilfsbedürftig zu sein. Einen tiefen Atemzug getätigt, probierte sie es auf ein Neues. Immer wieder. Bis die Beine ihr gehorchten. Schritt für Schritt ging es voran - als wäre sie ein Baby, das seine ersten Gehversuche wagte. Und es fühlte sich befreiend an, als sie das Fenster erreicht hatte und durch die Vorhänge spähte. Ein breites Grinsen legte sich auf ihr Gesicht. Sie kam sich wirklich wie ein kleines Kind vor, voller Stolz auf sich und seine näher rückende Selbstständigkeit.  

Das Fenster war ein Stück offen, eine warme Brise umarmte Izara. Glücklich stützte sie sich am Fensterbrett ab, der kleine Erfolg fühlte sich wie ein Meilenstein an und mit strahlenden Augen empfing Izara die letzten Sonnenstrahlen des Tages.
 

*

Schon am darauffolgenden Tag fühlte sich Izara deutlich besser. Ihr Körper erlangte allmählich seine ursprüngliche Fitness zurück, Bewegungen waren wieder so natürlich wie das Atmen und ihre Beine könnten jetzt auch ein paar Kilometer zurücklegen. Selbst Kyia würde sie nicht mehr davon abhalten, ihren morgendlichen Rundgang durch den Schlossgarten anzutreten. Das Essen schmeckte einfach besser, wenn man zwischen weichen Grashalmen und wilden bunten Sommerblumen saß. Vor ihrer Abreise nach Whalla hatte sie sich fest vorgenommen, öfter die Außenanlagen zu nutzen und auch die umliegenden Landschaften wollte sie in den nächsten Tagen erkunden.
 

Die Finger durch die Haare gezogen, entwirrte sie die letzten kleinen Knötchen und rappelte sich aus dem Bett. Einmal den Körper gedehnt, gab er ein leises Knacksen, Izara seufzte erleuchtert auf und machte sich an den Frisiertisch. Heute würde sie schneller als Linnora und ihre Zofe sein. Sie beugte sich zu dem Spiegel herunter und betrachtete ihr Gesicht. Hinter dem Ohr und an der rechten Schläfe waren die Überbleibsel ihrer Verletzungen zu sehen, aber sonst war sie ganz zufrieden mit sich. Vielleicht würde man ihr erlauben, die Bandagen abzunehmen. Natürlich nur mit Kyias Zustimmung!

Kopfschüttelnd enfuhr ihr ein Lächeln.
 

Und danach würde sie der Bibliothek einen Besuch abstatten. Linnora hatte ihr gestern ein Päckchen vorbeigebracht. Fürstin Maygrit Hallswejf war so liebenswürdig gewesen und hatte ihr ein paar Souvenirs aus Whalla zukommen lassen. Ein herzlicher Brief und einige Malutensilien, mit denen sich Izara die Zeit vertreiben konnte, waren ebenfalls verpackt gewesen. Izara konnte sich nicht erinnern, je Post bekommen zu haben - und dann auch noch mit Geschenken versehen. Unsicher, ob sie gerührt oder überfordert sein sollte, hatte sie den halben Tag damit verbracht, über eine angemessene Antwort nachzudenken. Da sie weder wusste, wie man einen formellen Brief verfasste oder der Gattin eines Fürsten schrieb, hatte sie die Nacht nicht schlafen können. Kyia war leider auch keine große Hilfe und auch Linnora kannte sich nur bedingt mit den Etiketten des menschlichen Adels aus. Nur ein Buch würde sie jetzt noch retten können. Gedanklich überflog sie die Zeilen, welche die Gräfin in fein säuberlicher Handschrift verfasst hatte. Wenn sie sich doch auch so gewählt ausdrücken könnte! Oder wenn sie jemanden in ihrer Nähe wüsste, der sich mit Formalien bestens auskannte… jemand wie…Nein! Izara schüttelte den Kopf. Auf den König würde sie nicht warten. Allein der Gedanke an ihn, ließen Kummer und Schmerz von Neuem aufflammen und sie wollte noch nicht mit ihren Empfindungen auf Konfrontationskurs gehen.

Das Klopfen an der Tür ließ sie erschrocken hochfahren. Das war doch nicht etwa…ihr Herz machte einen Hüpfer, bevor der Verstand in ihre Phantasien krätschte.

"Komm' rein, Kyia", seufzte Izara und stützte sich an dem Stuhl gegenüber des Frisiertisches ab. Diese unpassenden Gefühle machten sie noch ganz kirre.

"Verzeiht, Prinzessin", drang Kyias Stimme am anderen Ende des Raumes zu ihr durch. Unter dem Türrahmen stand sie, die Haltung stramm und gehorsam, die Miene unergründlich. "Es gäbe da jemanden, der Euch sehen möchte." Kyia räusperte sich und bevor sich Izara über das seltsame Verhalten ihrer Leibwächterin wundern konnte, erschien bereits der neue Gast. Überrascht starrte Izara auf die schwarzhaarige Lóng. Sila wirkte erschöpft. Die langen glatten Haare waren sporadisch zu einem Zopf geflochten - nichts, das ihrer sonst so stolz anmutenden Grazie in die Karten spielte. In ihren Augen fehlte das Feuer. Jene Leidenschaft, mit der Izara tagtäglich schonungslos konfrontiert worden war.

"Wenn Ihr Euch nicht gut fühlt-", murmelte Kyia, sichtlich beunruhigt bei dem Anblick der beiden Weibchen.

"Schon gut, Kyia", beschwichtigte Izara und hob eine Hand. Mit einer Verbeugung entfernte sich die Leibwächterin, wobei sie den Blick zu ihrem Hintermann schweifen ließ und ein paar letzte stumme Worte entsandte.

Leise fiel die Tür ins Schloss. Izara und Sila sahen einander wortlos in die Augen. In Izara ging ein Wellenbad von Gefühlen, ihr Herz hämmerte so heftig, dass sie ihre Worte nicht zügeln konnte, selbst wenn sie gewollt hätte.

"Wie geht es den Eiern?", die Augen weit aufgerissen, fasste die Frage all ihre Sorgen und Ängste zusammen. Die Lòng wandte den Blick ab.

"Die meisten haben überlebt", murmelte sie kaum hörbar. Doch Izara hatte sie verstanden.

"Das tut mir leid", hauchte sie. Izara wusste, wie wenig ihre Worte nutzten - besonders Sila.

"Nein", schüttelte Sila den Kopf und tat im selben Moment etwas völlig Unerwartetes. Die Lóng ging auf die Knie. Die Stirn auf den Boden gedrückt, stützte sie sich mit den Händen ab und ging in die unterwürfigste Haltung, die Izara je gesehen hatte.

"Ich muss um Vergebung bitten", brach es aus der Lóng heraus. Nicht sichtbar waren ihre Tränen, jedoch in jedem einzelnen ihrer Worte hörbar. Izara durchfuhr ein Schauer. Die schrecklichen Ereignisse flogen durch ihren Kopf, dass sie selbst mit den Tränen kämpfte. Die Hände vor den Schoß gelegt, ließ sie Sila ihren Kummer ausleben. Minuten verstrichen. Nur langsam kehrte die Stimme zurück, Sila war weit davon entfernt, gefasst zu klingen, doch statt Trauer dominierte nun Wut ihren Tonfall.

"Es ist meine Schuld", sagte sie, "ich dachte wirklich, ich könnte sie beschützen. Es war anmaßend, auch nur daran zu denken, dass ich über sie wachen, sie leiten könnte. Und nun zahle ich den Preis meiner Arroganz."

"Was ist passiert, Sila?" Izara versuchte ruhig zu bleiben, aber die Angst ließ auch ihre Stimme zittern.

"Der Paladin - ihm muss es irgendwie gelungen sein, sich in die Hauptstadt zu schmuggeln", Knochen knackten, Silas Hände ballten sich zu Fäusten.

"Aber der Bürgermeister", rief Izara und wurde augenblicklich leiser, "ich kannte den Mann…auch wenn er ganz anders aussah als ich ihn in Erinnerung hatte."

"Ich kann Euch sagen, wieso", knurrte Sila, "der Bastard steckte im falschen Körper. Paladine können ihre Seele von ihrem Körper abkoppeln. Ihre Magie ist feige und grausam. Er hat sich einen Wyvern gekrallt. Die Wesen sind vielleicht schlau, aber körperlich sind sie so schwach wie Menschen. Ich weiß nicht, wie mir das die ganze Zeit entgangen sein konnte…Man hat das Männchen überfallen, ihm lebendig die Haut abgezogen und daraus eine Marionette geformt."

"Wie grausam", allein die Vorstellung ließ Übelkeit in Izara aufsteigen. Sie kannte die furchtbaren Methoden, aber das stellte Sämtliches in den Schatten.

"Doch leider effektiv", fügte Sila zerknirscht hinzu, "dadurch hat er sich unbemerkt zum Schloss schleichen können. Das Gebäude mag geschützt sein, das gilt aber nicht für die Brutstätte." Sila zog scharf die Luft ein, die Emotionen drohten erneut, sich zu überschlagen. "Die Schlucht ist der einzige Ort, an dem die Schutzmauern inaktiv sind. Es geht nicht anders. Wenn die Eier schlüpfen, brauchen sie einen direkten Bezug zum Himmel. Eine magische Barriere diesen Ausmaßes gewährleistet das nicht. Außerdem…außerdem sind sie durch meine Magie und die der anderen Weibchen hinreichend geschützt gewesen…das dachte ich zumindest", fügte Sila geknickt hinzu.

Ein weiteres Mal herrschte Schweigen, bis Sila flüsternd fortfuhr: "Prinzessin, ich weiß, meine Torheit ist kaum zu überbieten. An diesem Abend hätte ich sterben müssen, nicht sie."

"Sag' das nicht", hauchte Izara.

"Doch, Prinzessin! Wenn ich Euch nur ein wenig Vertrauen entgegen gebracht hätte…wenn ich auf die anderen gehört hätte…aber ich? Ich war so stur, so dumm! Mein Handeln hat uns alle in Gefahr gebracht. Wärd ihr nicht gewesen…", die Stimme brach, "Vergebt mir, Prinzessin! Ich hätte es besser wissen müssen. Ihr seid die rechtmäßige Erbin, das Oberhaupt aller weiblichen Drachen - nicht ich."

Sila… Izara schüttelte den Kopf. "Steh' auf, Sila. Bitte", sagte sie so selbstsicher wie es ihr in dieser Situation möglich war.

Nur langsam gehorchte die Lóng. Sie straffte die Schultern, hob ihr Kinn an und blickte ihrem Schicksal entgegen. Jedes Urteil hätte sie hingenommen, ihr resignierter Blick verrieten Izara all ihre Gedanken und zum ersten Mal verstand sie, was in Silas Kopf vorging.

"Du hattest recht, Sila", begann Izara und wandte sich dem Boden zu ihren Füßen zu, "als wir uns das erste Mal trafen, da war ich…nicht bereit. Ich hatte Angst, dass man zu viel von mir erwarten würde. Ich wollte keine Prinzessin sein, und schon gar nicht das Oberhaupt von irgendjemandem." Schwer atmete sie aus. "Jetzt weiß ich, wie egoistisch ich war. Ich habe mich so sehr vor der Wahrheit gefürchtet - vor dem, was ich bin! -, dass ich nicht daran gedacht habe, wie es euch ergangen sein muss.

Ich verurteile dich nicht, Sila, du hast getan, was du konntest." Und jetzt ist es Zeit, dass ich tue, was ich tun muss, dachte Izara weiter und fasste einen Entschluss.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück