Zum Inhalt der Seite

Drachenjagd

Die Himmelsgöttin
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Devon

Als Devon über die Schwelle schritt, fuhr ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken. Kurz hielt er inne, suchte den Flur nach möglichen Gefahren ab. Zur Bestätigung fasste er nach der heiligen Klinge. Jenes mächtige Schwert begann zu pulsieren, die Vorfahren stimmten ihm zu. Auch sie witterten etwas Mächtiges durch das Metall fahren. Ein Widerstand, den Devon nicht ganz fassen konnte. Noch hatte er nicht alle Fähigkeiten der Menschen erfahren können, und es gefiel ihm überhaupt nicht, von fremden Mächten zurückgedrängt zu werden. Noch dazu von jenen, die an der Oberfläche ruhten und bloß auf eine günstige Gelegenheit zu warten schienen.  

Der Geruch von Blut, Schweiß und anderen menschlichen Ausscheidungen ließ ihn bitter aufstoßen. Er schaute in den Flur. Winkel und Verstecke so weit es das bloße Auge zuließ - die Erbauer schienen eine Vorliebe für Hinterhalte gehabt zu haben. Kerzen erleuchteten nur spärlich den Gang, der jeden von Devons Schritten dreimal so laut widerhallen ließ. Ein Rascheln von der Seite und Devon brachte sich in Position.

"N-nicht, bitte", das Stottern kam von einem verkümmerten Blumentopfkübel. Obwohl - nicht ganz. Ein schmächtiger, alter Mann hatte beide Arme in den Himmel gestreckt. Humpelnd kam er hinter dem Kübel hervor.

Devon ließ von dem Knauf seines Schwertes und richtete sich auf. Er schien nicht die Quelle dieser eigenartigen Magie zu sein.

"Tötet mich nicht", sprach der Alte, "i-ich…ich flehe Euch an!" Er neigte sein Haupt. Dünnes, graues Haar fiel ihm über die Stirn.

"Der Großmeister", entgegnete Devon knapp.

"Oh", der Alte sah ihn ängstlich an. Ein schwaches Lächeln legte sich auf seine schmalen Lippen.

"Der Großmeister ist in der Großen Halle…wenn Ihr wollt, dass ich Euch zu ihm bringe-"

Eigentlich hatte Devon keine Lust darauf. Aber was blieb ihm anderes übrig? Nur durch den Festsaal führte eine schmale Treppe in die Verliese und genau dort musste er hin. Es brachte ja eh nichts, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Der Großmeister erwartete ihn. Seine Delegation hatte ihn bereits gebührend empfangen, jetzt lag es an Devon, den nächsten Zug zu machen.

"Zeig' mir den Weg", raunte Devon. Als wäre sein Kopf lose auf den Hals gesteckt worden, nickte der Alte.

"Hier lang", er verhakte die Hände ineinander und führte Devon durch den Gang. Der schlauchförmige Flur erwies sich als ausgetüftelter Korridor mit mehreren Abzweigungen. Immer wieder bog der Alte ab, es ging nach links, dann wieder geradeaus, rechts und noch einmal nach links.

"Wir sind gleich da", sagte der Mann, als spürte er von hinten Devons Ungeduld.

"Mensch", sprach Devon, den Blick dabei nach vorne gerichtet, "du bist kein Paladin."

"Ähm, nein, nicht mehr", antwortete der Alte, "ich bin sozusagen im Ruhestand, ja." Ein klägliches Lachen entfuhr seinem Mund. Er hätte auch genauso gut weinen können, Devon wäre es kaum aufgefallen.

"Dann müssen deine Tage schon sehr weit zurückliegen", erwiderte der König der Drachen und sog die Luft um sich herum auf.

"Äh, wie meinen?"

"Du scheinst etwas Entscheidendes vergessen zu haben", Devon ließ den Blick über seine Umgebung schweifen.

"Ich weiß leider nicht, wovon Ihr sprecht."

"Wenn du dich erinnern könntest, wüsstest du, dass ich die zwei Paladine hinter mir riechen kann. Oder auch die zwei Krieger links außen und rechts über uns."

"D-das-"

Damit wirbelte Devon herum. Die Klinge des Hintermanns dabei geradeso abwehrend. Wie von einer Biene gestochen, schreckte der Alte zurück, verkroch sich zwischen einer rostigen Rüstung, hinter der ein Paladin gesprungen kam. Devon handelte schnell, nutzte den Improvisationsmoment. Die Männer waren unvorbereitet, klappernde Klingen kreuzten sein Schwert und Devon drückte sie der Reihe nach von sich. So geschmeidig wie Devon ausweichen konnte, hatten die Paladine keine Chance.

"Oh", hörte er die Stimme des Alten und schon klatschten die Paladine nacheinander auf die steinernen Dielen.

Stoisch schaute Devon zu der mickrigen Gestalt von einem Menschen hinauf. Der Alte kam zitternd aus seinem Versteck hervor. Der kurze Kampf hatte ihn um weitere zehn Jahre altern lassen.

Es bedurfte keines weiteren Wortes und stumm führte ihn der Mann bis zum Ende des Ganges. Die Statur des Alten wich immer mehr der eines buckligen Greises, und wüsste Devon nicht, dass er einst ein Paladin gewesen war, er hätte wohl Mitleid mit diesem Tattergreis verspürt.

"Hier ist es", krächzte der Alte und Devon glaubte ihm. Trotz Überraschungsangriffs, hatte er ihn näher an sein Ziel gebracht. Izaras Geruch wurde stärker. Eine ruhelose Himmelsgöttin in den Tiefen des Gewölbes. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Er sah auf die eiserne Tür. Die Klinke zur Hand riss er die Tür weit auf. Der Saal war…leer?

"Ah, der Drachenkönig", säuselte es am anderen Ende, dass Devon die Blicke seines Widersachers suchte. Devon erkannte die Augen wieder, die athletische Figur, sowie Devons kleines Andenken mi oberhalb seines rechten Ohres. Der Großmeister saß auf demselben Stuhl, der auf einer Erhöhung Platz gefunden hatte. Dahinter prangerte das gleiche Bild wie vor einem Jahr. Nicht weit daneben führte eine schmale, dunkle Treppe in das Verlies. Ein Blitzdrache in Menschengestalt stand vor der ersten Stufe. Die Hände umfassten die Brüstung. Man hatte ihn gefesselt - natürlich. Handgelenke und Hals wurden von den Ketten straff gehalten, die eng um die Brüstung gewickelt waren. Kurz huschte dessen Blick auf den Drachenkönig, der Mühe hatte, sich auf sein wahres Ziel zu konzentrieren.

Die Lippen zu einem erwartungsvollen Lächeln verzogen, erhob sich der Großmeister.

"Warum schließen Sie nicht die Tür, Holsten?"

Angesprochener ließ klappernd die Tür ins Schloss fallen.

"Großmeister, ich", begann der Alte hektisch zu erzählen, "ich hatte keine Wahl. Der Drache, er hat die Wachen ausgeschaltet, die Paladine der dritten Einheit besiegt, ich…er war unaufhaltsam, Großmeister! Ich schwöre Euch, ich hatte nie die Absicht, ihn bis zur Großen Halle vorzulassen."

"Hm, ich verstehe", sagte der Großmeister, nahm den Speer, der an seinem Stuhl lehnte und schleuderte ihn in Devons Richtung. Devon rührte sich nicht. Der Speer schoss in rasender Geschwindigkeit auf sein Ziel zu. Ein Röcheln, und der Alte hatte die Spitze tief in seiner Brust stecken. Der Großmeister hatte genau das Herz getroffen, keine Minute verging, bis das Leben des Alten erloschen war. Kurz blickte Devon zu dem Toten hinab.

"Was?", fragte der Großmeister mit aller Unschuld, die ein Mörder aufbringen konnte. "Dachtet Ihr, ich würde seinen Ungehorsam einfach so hinnehmen?"

"Ungehorsam", entgegnete Devon, "hat immer seine Gründe. Ein Oberhaupt sollte die Fehler zuerst bei sich selbst suchen, bevor er ein Urteil fällt."

Als Reaktion gab es ein amüsiertes Lächeln.

"Sieh sich einer das an", raunte der Großmeister. "Eure Aussprache hat sich seit unserer letzten Begegnung verbessert. Wollt Ihr etwa Euer Weibchen beeindrucken?"

Devon antwortete nicht.

"Nennt mir Euren Preis", entgegnete er stattdessen, "ich bin bereit zu verhandeln."

"Das glaube ich Euch, Drachenkönig", der Großmeister zeigte seine Zähne, "und dass Ihr hier seid - alleine! - rechne ich Euch hoch an. Was ist Euer Pfand? Wärd Ihr bereit, Euch selbst zu opfern? Oder das Leben Eurer Untertanen? Verlockend, wirklich." Er legte seinen Mantel ab, das schwere Leder hing er über die Stuhllehne. Ein langes Schwert baumelte an seiner Hüfte, der Mantel hatte es gut verbergen können, aber Devon war darauf gefasst gewesen.

"Ich bewundere Eure Entschlossenheit", sagte das Oberhaupt der Paladinschaft, "aber ich fürchte, wir werden nicht zu einer Übereinkunft kommen. Das Mädchen ist wertvoll. Zu wertvoll, als dass Ihr Euer Leben für sie austauschen könntet."

Geradeso unterdrückte Devon ein Knurren.

"Egal, was Ihr vorhabt, ich werde sie Euch nicht überlassen."

"Ich bin mir dessen sehr wohl bewusst." Neugierig beäugte er Devons Schwert. Die Himmelsklinge baumelte an seiner Hüfte, Zeigefinger und Daumen schwebten direkt über dem Knauf - jederzeit bereit, zu zuschnappen.

"Ich respektiere Euren Tatendrang, Drachenkönig", sagte der Großmeister, während er die Ärmel seines Hemdes hochkrempelte, "wir beide - wir sind uns ähnlich. Zwei Oberhäupter - geboren, um zu führen…aber nicht zu regieren. Wenn es drauf ankommt, verlassen wir uns nur auf uns selbst. Wir regeln die Angelegenheit alleine, weil wir nun einmal nicht anders können."

"Ich bezweifle, dass wir uns ähnlich sind", erwiderte Devon und schaute zu der Leiche hinunter. Der Großmeister lachte auf.

"Und genau deshalb ist Eure Rasse dem Untergang geweiht. Und Ihr, Drachenkönig, werdet als erster untergehen."

Daraufhin zog Devon sein Schwert aus der Scheide. Die Klinge fiepte, stieß einen Klagelaut aus, dass Devon sich anstrengen musste, um sie ordentlich festzuhalten. Etwas hatte an der Macht des Himmelsblutes gekratzt. Es schien, als würde das Schwert Schmerzen erleiden. Devon spürte es auch. In seinen Knochen drückte sich etwas von innen nach außen, das ihn wahnsinnig machte.

"Ein magisches Schwert", stellte der Großmeister fest und betrachtete mit leuchtenden Augen Devons Himmelsklinge. Auch er hatte es in den Ohren klingeln gehört. "Ein Himmlisches, nehme ich an? Die Macht, die von Eurem Schwert ausgeht, lässt sogar den Boden aufseufzen. Ich nehme an, es gehorcht nur Euch? Wie schade, dass es Euch nichts bringen wird."

"Was für ein Zauber steckt in diesen Wänden?"

"Ihr habt es also bemerkt. Ein überaus Effektiver, will ich sagen", entgegnete der Großmeister amüsiert, "Ihr müsst doch selbst wissen, dass übliche Paladinmagie nicht mehr ausreicht. Nicht bei einer Himmelsgöttin."

"Was habt Ihr getan?" Devon fixierte seinen Gegner, der noch breiter zu grinsen anfing.

"Ihr seid nicht der einzige, der eine Schutzbarriere errichten kann." Er stampfte auf dem Boden. Es klapperte und schallte. "Es ist ein Schutzwall, der Magie abwehren soll. Als Magie den Kontinent besiedelte, haben die Könige einen Weg finden müssen, diesen Naturgewalten Herr zu werden…und nun, das ist das Ergebnis. Eine Barriere, die selbst Himmelsblut zu Fall bringen kann. Weil meine Halsbänder Eurer Himmelsgöttin nichts anhaben können, musste ich dafür sorgen, dass sie keine Chance bekommt, ihr Himmelsblut überhaupt erst einzusetzen - außer sie will eines qualvollen Todes sterben."

Devon versteifte sich. Izara. Wenn der Großmeister ihr etwas angetan hatte-

"Dasselbe gilt für Euch", sagte der Großmeister und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf sich selbst, "sobald Ihr in diesen Mauern Magie anwendet, wird Euch das teuer zu stehen kommen. Der Wall reagiert auf sämtliche Einflüsse, die magischer Herkunft sind und lassen es den Anwender teuer zu stehen kommen. Eure Schmerzen werden so grausam sein, und am Ende werdet Ihr von innen verbluten. Ein grauenvoller Tod, findet Ihr nicht? Wenn Blutgefäße platzen, die Wunde durch Eure Speiseröhre, Euren Magen wandert…ich muss schon zugeben, ich war erstaunt, wie selbstverständlich Ihr Eure Magie vor meinen Untergebenen angewendet habt. Der Schutzwall wirkt zwar erst innerhalb des Gebäudes, aber auch Ihr werdet Veränderungen an Euch bemerkt haben müssen. Selbst meine Männer waren nicht in der Lage gewesen, Magie zu wirken - obwohl sie weit genug entfernt waren."

Devon erinnerte sich an das eigenartige Gefühl, an die Erschöpfung und dem Verlangen, seine Kräfte nicht auszureizen. Auch jetzt kribbelten es ihm in den Fingernspitzen. Die Klinge ächzte. Ihre Kräfte konnten nicht unterdrückt werden. Wie lange das Schwert durchhielt, war ungewiss. Ein fester Händedruck und Devon setzte alles Vertrauen, alles an Hoffnung auf das Schwert. Und das Schwert nickte ihm geistig zu. Sie würden es gemeinsam durchstehen - oder zusammen fallen.

"Nun, Drachenkönig", raunte der Großmeister, "Ihr seht, ich habe mich auf Eure Ankunft vorbereitet."

"Eure Leute sind gestorben, weil Ihr Euch vorbereitet habt." Devon würde diesen Mann niemals verstehen.

"Wenn meine Krieger nicht fähig sind, einen Drachenkönig bei Laune zu halten-" Der Großmeister zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf.

"Sie sollten es als Übung ansehen. Stattdessen haben sie sich blindlings in Eure Klinge gestürzt. Bei so einem dummen Haufen darf es kein Mitleid geben.

Jeder von ihnen wusste, was sie erwartete, wenn sie sich der Gemeinschaft anschließen. Drachenkönig", die Augen des Großmeisters wurden zu kleinen Schlitzen, "auf diese Gelegenheit habe ich schon lange gewartet. Ihr und ich - Mann gegen Drache", sein linker Mundwinkel zuckte, "Ihr habt Glück. Auch ich bin nicht fähig, Magie anzuwenden. Das heißt, nur wir und unsere Schwerter." Daraufhin zog er sein Schwert aus der Scheide. Die Abnutzungsspuren sah Devon sogar von weitem. Das war eine Klinge, die eine Geschichte hatte. Wohl keine erfreuliche - aber welches Schwert konnte das schon von sich behaupten?

"Besiegt mich und die Drachenprinzessin ist Euer", sagte der Großmeister und prüfte das Schwert auf sein Gewicht, "verliert Ihr, werde ich überlegen, ob ich Euch gleich töte oder", die Faust umfasste den Knauf, dass das Weiß seiner Knöchel hervorstach, "oder ob ich doch ein paar Experimente an Euch durchführen sollte…»die Geschichte vom ersten Himmelsdrachen, der unterworfen wurde«, ein netter Gedanke."

"Dann kommt her, und versucht Euer Glück."

"Mit dem größten Vergnügen."

Der Kampf war eröffnet.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück