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Das 7. Relikt

Der Kampf der Drachen und Magier!
von

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Kapitel 1 (Aiwe)

Einst gab es ein Land das den Namen Vanaria trug und welches erfüllt war von dem Glanz und dem Licht von dem es umgeben wurde.

Das Land strahlte nur so von der Magie die es beherbergte und den Wesen die einander zwar nicht liebten, aber duldeten und somit jedes Volk in Ruhe und Frieden für sich leben konnte.

Doch wie gesagt, war dies einst.

Der Frieden herrschte so lange, bis ein mächtiger Magier seine Künste dem Dunkeln verschrieb und mit dämonischer Hilfe seine Kräfte verstärkte und in den Bergen versteckt magische Experimente an hilflosen Wesen durchführte, bis es ihm eines Tages gelang ein Wesen zu schaffen, dass den bis dahin stärksten, lebenden Wesen ebenbürtig war. Dem Drachen.

Die Wesen die der Magier erschuf nannte er Arkarr, was so viel wie Lautlose Schatten bedeutete. Und in der Tat waren sie lediglich mit einem feinen Windhauch zu vergleichen wenn sie ihre Flügel im Gleitflug ruhig hielten.

Und so kam es, dass der Magier immer mehr seiner dunklen Brut schuf und sie in den Bergen hausen lies, bis der Tag kam an dem er sie los schickte um die Drachen und Magiekundigen unter den Menschen zu töten. Denn nur er alleine wollte die Macht haben mit Magie über das Volk und das gesamte Land zu herrschen. Keiner sollte ihm entgegentreten können.

Die Arkarr folgten den Befehlen ihres Schöpfers und drangen noch in derselben Nacht in die Horte der Drachen ein und noch ehe diese wussten was geschah stürzten sich mehrere ihrer Angreifer auf sie und töteten sie erbarmungslos.

Und so geschah es auch in den Dörfern und Städten der Menschen. Dort fielen die Kazzak, üble Wesen aus den Bergen die sich der Magier mithilfe seiner schmeichelnden Zunge und hohen Versprechungen zu seinen Verbündeten gemacht hatte, massenweise über die Einwohner her und töteten jeden, der versuchte sich zu wehren.

Einen Vorteil jedoch hatten die Menschen gegenüber den Drachen: die Magiekundigen unter ihnen konnten ihre magische Kraft verbergen und fielen somit nicht weiter auf.

Auch die wenigen Drachen die dies überlebten machten sich diesen Vorteil zu nutzen und gaben ihre Körper auf um mit Hilfe ihrer mächtigen magischen Künste den Körper eines Menschen anzunehmen um darin solange zu verweilen bis sich die letzten ihrer Art zusammenfinden und den Magier vernichten würden.

Doch Jahre vergingen und mit den Jahren schwächte ihre Magie durch unnutzen ab und so suchten sie bei den menschlichen Magiern Hilfe mit dem Ziel vor Augen den Frieden des Landes irgendwann einmal zurückzuerlangen und dem Magier seine Kräfte zu entziehen und ihn zu töten.

Der Name des Magiers war Nachtarr.
 

Ein unachtsamer Moment. Ein Ohrenzucken und der Kopf schnellte witternd in die Höhe. Unruhige Hufe trippeln durchs Gras und im nächsten Moment folgt der Instinkt: Gefahr! Wie ein tosender Geröllhaufen prescht die Herde davon doch ein Tier bleibt regungslos auf dem Boden liegend zurück. Keine Anzeichen äußerlicher Gewalt sind auf dem Kadaver fest zu stellen. Schon als die ersten Krähen angeflogen kommen und sich kreischend um das frische Fleisch streiten tritt aus dem Gebüsch eine junge Frau und läuft zielstrebig auf den Kadaver zu. Die Krähen fürchten die Frau nicht und versuchen ihr gefundenes Festmahl zu verteidigen, doch ein leises Fauchen und ein scharfer Blick genügen um sie mit lauten Protesten davon flattern zu sehen.

Ohne eine Gefühlsregung oder das Gesicht zu verziehen zückt die Frau ein scharfes Jagdmesser und macht sich daran das Tier zu zerlegen wobei sie sorgfältig darauf achtete ihre Kleider nicht mit dem Blut des Tieres zu beschmutzen.

Ihre Kleidung besteht aus einer einfachen schwarzen Lederhose, sowie einem zartroten Wams und einem schwarzen Kapuzenmantel über den Schultern. Ihre dunklen Haare klebten noch nass vom letzten Regen an ihrer Schläfe und den Wangen und fallen wallend über ihre Schultern, bis zur Mitte ihres Rückens, herab.

Müsste man ihr Alter schätzen, so würde man sie nicht älter als 20 Jahre machen.

Auf dem Rücken trug sie einen Köcher mit Pfeilen und einen Bogen und an der Seite hingen an einem Gürtel ein Jagdmesser, ein Dolch und auf der anderen Seite ein Schwert in einer schwarzen Scheide mit roten Schriftzeichen darauf die das ganze recht mythisch aussehen ließen. Weiterhin trug sie eine mittelgroße Seitentasche und zwei kleine Beutel gefüllt mit Kräutern und Münzen an ihrem Gürtel.

Ihr Name war Lilith und sie gehörte zu den wenigen Magiekundigen die es wagten sich offen gegen Nácchtar zu stellen und ihn zu bekämpfen.

Die meisten agierten im Geheimen, schmiedeten waghalsige Pläne, versuchten ihre magischen Kräfte soweit zu stärken um ihm ebenbürtig zu sein oder versteckten sich einfach aus Angst getötet zu werden und somit das Wissen von Jahrhunderten Generationen zu verlieren.

„Es muss solche und solche Menschen geben“, brummte Lilith vor sich hin und begann das Fleisch unter lauten Protesten der Krähen in Bündel zu packen und ihr Jagdmesser mit einem Tuch und Erde zu säubern. Anschließend schulterte sie das an einem Stock befestigte Bündel, steckte das Jagdmesser zurück in seine vorgesehen Halterung, rollte das Fell zusammen und band es an dem Stock mit fest.

In der nächsten Stadt würde sie das Fell an einen Händler verkaufen und sich ein Pferd besorgen. Doch bis dahin war es noch ein Stück. Aus ihrer Tasche zog sie eine alte Karte hervor die bereits ziemlich mitgenommen wirkte. Mit einem Schlenker breitete sie diese auseinander und warf einen flüchtigen Blick darauf.

Noch zwei Tagesmärsche bis sie in ein kleines Dorf gelangen musste. Es war auf der Karte nicht verzeichnet, doch sie erinnerte sich auch so daran. Wozu sie die Karte brauchte wusste sie manchmal selbst nicht, denn ihr Gedächtnis funktionierte einwandfrei.
 

Es dämmerte bereits und wurde immer dunkler in dem Wald als Lilith sich einen vor der Witterung geschützten Platz suchte und dort ihre Sachen ablegte. Mit dem unterwegs bereits gesammelten Holz entzündete sie ohne Mühe ein Feuer das bald wärmend und licht spenden vor sich hinprasselte und der Wind den Geruch von gebratenem, saftigen Fleisch davon wehte, während Lilith sich daran machte Tee aus Früchten zuzubereiten die sie unterwegs sammelte und trocknete.

Bald schon stand vor ihr ein reichhaltiges Mahl aus Fleisch, getrockneten Früchten, Brot und Tee das herrlich duftete und Meilenweit weg wohl noch Neugierige Nasen anziehen musste.

Doch das störte Lil recht wenig. Als sie ihr Mahl verspeist hatte breitete sie eine Decke auf dem Boden aus und warf noch einmal Holz auf das Feuer nach.

Dann legte sie sich hin und schloss die Augen. Fast augenblicklich fiel sie in einen tiefen und doch wachsamen Schlaf, der ihren Sinnen alles verriet was um sie herum geschah.

So bekam sie mit, dass spät in der Nacht ein Fuchs um das Feuer herumschlich und vergebens nach dem Fleisch spähte, an welches er sich durch die Gegenwart der Frau nicht traute.

Die Geräusche und Tiere des Waldes störten Lilith nicht. Sie war es gewohnt. Doch früh am Morgen, die Sonne war noch nicht aufgegangen, als Lilith das Feuer löschte und ihr Lager aufräumte, drang ein Wort an ihr Ohr, so klar und deutlich als stünde jemand neben ihr.

Ridock!

Lilith erhob sich langsam auf die Füße und lauschte wo das Wort herkam. Und sie hatte Glück. Noch einmal wurde es ausgesprochen und so konnte sie die Richtung orten. Eilig packte sie ihre Sachen zusammen, schnallte sich den Gürtel mit ihren Waffen um, warf sich die Tasche über die Schulter und zog sich die Kapuze über den Kopf. Fast lautlos huschte sie durch den Wald in die Richtung aus der die Stimme gekommen war.

Leise wie eine Raubkatze schlich sie sich die letzten Meter auf das Stimmengewirr zu und verbarg sich hinter einem von Gestrüpp umwucherten Baum.

Magische Worte hörte man heutzutage nur noch selten wenn überhaupt. Und falls doch, waren es auf jeden Fall keine Worte um zu töten.

Kapitel 2 (Rae)

Sie lebten in einem Land in dem niemand frei war und wer es wagte frei zu reden musste sich um sein Leben fürchten.

Es hatte sich eine Widerstandsgruppe gebildet, die Qiuoda.

Anführer dieser Gruppe war Joel, ein alter und weißer Mann. Er beherrschte die Magie, wie die meisten der Qiuoda, auch wenn einige unter ihnen ganz normale Menschen waren. Sie agierten im Geheimen und gaben sich niemals zu erkennen, doch wusste der dunkle Herrscher von ihrer Existenz.

Joel hatte eine Enkelin Rachel, ihre Eltern waren bereits vor vielen Jahren im Kampf für ihre Sache gestorben. Schon als sie noch ganz klein war, zeigte sich, dass auch sie eine magische Begabung besaß, bereits im Kindesalter, konnte sie Dinge tun, die die Meisten Erwachsenen nicht konnte. Daher sorgte Joel dafür, dass sie die richtige Einweißung erhielt und somit weit mächtiger werden könnte, als sie es sich selbst jemals vorstellen kann. Lange Zeit ließ sie sich von ihm unterweißen, doch sie war nie wirklich von den Aktivitäten der Gruppe überzeugt. Vor einigen Jahren, seit sie alt genug war ihre Entscheidungen selbst zu treffen, hatte sie sich von den Qiuoda abgewandt.

Sie selbst sagte, dass sie nicht einsehe, warum sie immer wieder ihr Leben aufs Spiel setzen sollte, gegen Nachtarr seien sie machtlos. Sie nutze ihre Magie, denn sie war stolz darauf, doch zeigte sie sie niemals offen.

Ihr Großvater hatte ihre Entscheidung nicht akzeptieren wollen und versucht sie umzustimmen, als er jedoch feststellte, dass seine Enkelin der Meinung war, dass sie nur dann eine Chance hätten, wenn die Drachen wieder erwachen würden, war dies für ihn eine Verschwendung von Talent und eine große Enttäuschung. Er brach jeden Kontakt zu ihr ab, zu ihrem und vor allem zu Schutz der Qiuoda.

Seit diesem Tag war Rachel auf der Suche nach Verbündeten, die sich mit ihr offen gegen Nachtarr stellen würden, doch dies war nicht gerade einfach, denn wem konnte sie vertrauen? Wie sollte sie Verbündete finden, wenn sie nie länger als einige Tage an ein und demselben Ort blieb?

Sie traute sich nicht, sich jemandem anzuvertrauen, wagte es nicht länger als einige Tage mit ein und derselben Person zu verbringen, aus Angst der andere könnte zu viel über sie erfahren.

Sie versuchte so oft sie konnte ihre magischen Kräfte zu trainieren, doch war dies in einem Land, in dem jeder ein Spion sein konnte nicht gerade einfach. Oft verstecke sie sich tagelang in abgelegenen Wäldern oder Gebirgen.

Doch immer alleine zu Reisen hatte auch große Nachteile, vor allem als junge Frau. Sie hatte schon von Kindesbeinen an gelernt mit Waffen zu hantieren, mit Schwert und Bogen war sie recht gut und immer eine der besten gewesen, doch brachten diese Waffen einem nicht viel, wenn man von einer Horde Kazzaks angegriffen wird. Daher achtete Rae darauf, nicht an diese Ungeheuer zu gerate, denn dann musste sie jeden einzelnen töten, denn sie konnte es sich nicht erlauben, dass jemand herumlief, der sie an Nachtarr verraten konnte.
 

Wenn es sich vermeiden lies, machte sie auch einen großen Bogen um Städte und Dörfer, doch hin und wieder musste sie ihre Vorräte wieder auffüllen.

Sie hatte ein Karte vor sich ausgebreitet und saß um ein erlöschendes Feuer. Sie wollte gleich aufbrechen, laut ihrer Karte waren es höchstens noch eineinhalb Tagesmärsche bis zum nächsten Dorf. Da sie jedoch abseits der Wege gehen wollte, würde sie wohl länger brauchen, um es innerhalb von zwei Tagen zu schaffen, musste sie sich ranhalten.

Sie war noch keine zehn Minuten unterwegs, als sie zu ihrer rechten Kazzak Geschrei vernahm, doch zwischen dem Gegrunze dieser Tiere konnte sie auch eine Frauenstimme heraus hören. Rachel wollte sich schon wieder abwenden, Menschen zu retten war nicht gerade ihre Lieblingsbeschäftigung, aber sie konnte sie auch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.

Sie legte ihren Rucksack ab und schnappte sich Bogen und Schwert und schlich Richtung der Waldstraße.

Vom Waldrand aus beobachtet sie das Geschehen, drei Kazzaks.

Rachel überlegte kurz, dass sollte doch zu schaffen sein. Sie legte einen Pfeil an den Bogen, er traf einen der Kazzaks in den Kopf.

Erschrocken blickten sich die anderen beiden Kreaturen nach dem Schützen um, da kam auch schon der zweite Pfeil angeflogen.

Seine toten Kameraden zurücklassend, machte sich der dritte Kazzak auf und davon. Rachel holte ihren Rucksack und lief dann zu der Frau.

„Alles in Ordnung?“, fragte sie freundlich und half der Frau auf.

„Ja ja! Warum hast du das getan mein Kind? Jetzt werden sie unser Dorf überfallen! Du hättest mich sterben lassen sollen!“, wimmerte die Frau.

Warum mussten die Menschen eigentlich immer so undankbar sein?

Doch die Frau hatte Recht! Sie hätte den dritten Kazzak nicht entkommen lassen dürfen. Sie blickte die Frau nochmals an und meinte, dass sie sich keine Sorgen machen solle, dann drehte sie sich um und rannte die Straße entlang, dem Kazzak hinterher.
 

Die Kazzaks waren große muskelbepackte, grünhäutige Ungeheuer die von Geburt an in ihren Stämmen zu Krieger ausgebildet wurden und nur das Töten kannten. Sie waren Paarhufer und dadurch sehr schnell und auf ihren Köpfen prangten große Hörner. Sie trugen gewaltige Breitschwerter mit gezackten Klingen bei sich, welche die idealen Folter- und Mordwerkzeuge waren.

Rae hatte Glück, nach kaum zwei Kilometern traf sie auf das Lager der Kazzaks, anscheinend hatte ihr Freund schon Bericht erstatten, denn er trat gerade selbstgefällig aus dem größten Zelt, dass auf dem Platz stand.

Er bückte sich und hob etwas vom Boden auf, Rae konnte nicht erkennen was, doch es war ihr auch egal, mit einem gezielten Schuss, brachte sie ihn zur strecke.

Sofort brach Chaos im Lager aus, schnell lief sie, im Schutze des Waldes um das Lager herum, spannte erneut einen Pfeil, den sie entzündete und damit die Zelte der Feinde entzündete.

Sie hatte jetzt zwei Möglichkeiten, entweder sie würde hoffen, dass die Kazzaks die Warnung verstanden haben und abziehen oder sie müsste das komplette Lager und alle Kazzaks vernichten, dann müsste sie jedoch die Magie einsetzen.

Sie entschied sich für die erste Variante, wahrscheinlich hätten die Kazzaks das Dorf auch ohne ihr zutun zerstört und was gingen sie die Menschen an?

Sie hatte zwar ein schlechtes Gewissen, doch wusste sie auch, dass dieses drei Häuser Dorf keine Chance hatte, wenn sie nicht von diesem Trupp überfallen wurden, dann vom nächsten und sie konnte doch nicht für jeden den Retter spielen.

Doch kaum hatte sie einige Schritte getan, als sie jemand rief.

„Ha ein Mädchen! Ein kleines Kind macht uns so viel Ärger! … Dafür wirst du büßen!“, meinte ein Kazzak erst höhnisch und dann aggressiv.

Sie drehte sich herum und da standen vier Kazzaks.

„Tja, das werden wir noch sehen!“, konterte Rae, zog ihr Schwert und tötete eines der Ungeheuer.

Jetzt hatte sie wohl keine Wahl mehr, sie musste sich dem Kampf stellen!

Kapitel 3 (Aiwe)

Lautlos schob Lilith das Blätterwerk auseinander und bekam so freie Sicht auf das Schauspiel das sich ihr bot.

Direkt vor ihr lag ein toter Kazzak. In seiner Stirn stak einige Zentimeter tief ein Pfeil und weiter hinten konnte Lilith ein kleines Lager mit mehreren Zelten erkennen.

Rechts von ihr kam weiterer Lärm her. Gestalten brachen durch das Unterholz und schreckten massenweise Vögel auf die eilig die Flucht ergriffen. Im Schutz des Dickichts folgte Lilith den Geräuschen, immer darauf achtend ob ein weiteres Zauberwort fallen würde.

Ein weiterer lebloser Kazzakkörper tauchte vor ihr auf. In seinem Bauch klaffte ein großes Loch um welches rundherum das Fleisch verbrannt war. Der Gestank drang zu Lilith empor und angewidert lief sie weiter.

Der Lärm führte sie immer weiter in den Wald hinein und während sie dem Stimmengewirr folgte, wobei ihr dann und wann eine erneute Leiche vor den Füßen lag, versuchte sie sich vorzustellen, was hier im Gange war.

„Das nächste Dorf ist nicht all zu weit von hier entfernt. Womöglich wollten die Biester es plündern und niederbrennen. Aber wer stürzt sich heut zu tage noch offen in einen Kampf? Ein rebellierendes Dorf? Nein, dann würde es hier ganz anders aussehen…“ In Gedanken versunken blieb sie urplötzlich stehen als neben ihr ein Kazzak auftauchte.

Es dauerte nur ein paar Sekunden in denen der Kazzak überrascht in seiner Handlung inne hielt. Die Sekunden reichten aus um ihm mit einem geschmeidigen Satz lautlos die Kehle aufzuschlitzen. Erschlafft sank er zu Boden während das Blut aus seinem verstümmelten Hals spritzte. Lil wischte ihren Dolch an der Kleidung des Ungetüms sauber und richtete sich wieder auf.

„Ich muss vorsichtiger sein wenn ich unentdeckt bleiben möchte“, ermahnte sie sich selbst.

Sie schlich wenige Schritte vorwärts und stellte sich hinter einen Baum. Wachsam lugte sie um den breiten Stamm herum und konnte gerade noch sehen, wie einem der Kazzaks der Arm abgeschlagen wurde und er schmerzerfüllt und fluchend ein lautes Grölen von sich gab um kurz darauf wild tobend im Wald zu verschwinden und irgendwo einsam an seinen Blutungen zugrunde zu gehen.

Lil wagte es noch ein Stück weiter hinter dem Baum hervorzukommen, konnte nun das ganze Schauspiel betrachten und erfuhr endlich was da vor sich ging.

Zwischen zwei Bäumen stand eine junge Frau, ein Mädchen in ihren Augen, mit erhobenem Schwert und schwer atmend.

Vor ihr standen noch eine Handvoll Kazzaks von denen keiner bis jetzt auch nur annähernd soviel Kraft verbraucht hatte wie ihre Feindin.

Lil überlegte ob sie eingreifen und dem Mädchen helfen sollte, doch sie entschied sich dazu es nicht zu tun und abzuwarten. Sollte das Mädchen magische Fähigkeiten zeigen würde sie ihr zu Hilfe kommen falls sie diese benötigte, doch war es nur ein normales Menschenkind, würde sie sich lautlos zurück in den Wald schleichen und das Schicksal über das Überleben der jungen Frau entscheiden lassen. Sie konnte es nicht riskieren von Kazzaks gesehen und damit in Verbindung gebracht zu werden. Und wollte sie jedes Mal den Menschen helfen und sie retten wäre sie nie soweit gekommen wie sie heute war. Nein, das Schicksal einzelner lag nicht in ihrer Hand.

So wartete sie geduldig ab was weiter geschehen würde.

Einer der Kazzaks erhob sein Schwert und stürmte mit lautem Kampfgebrüll auf das Mädchen zu. Der zweite und der dritte folgten ihm während die anderen zwei bedacht im Hintergrund blieben. Die erste Kazzakklinge parrierte das Mädchen mit dem Schwert, unter der zweiten duckte sie sich hindurch und die dritte streifte sie an der Schulter und zerriss ihren Ärmel.

Mit einem kräftigen Hieb fuhr sie herum und stach einem ihrer Feinde ihre Klinge zwischen die Rippe. In dem Moment als der Kazzak zu Boden sackte fiel ihr Blick an ihm vorbei auf ein Gesicht das hinter einem Baum hervorblickte und sich bei ihrem Augenkontakt geschwind zurückzog.

„Verdammt…“, knurrte das Mädchen und überlegte einen Moment lang was sie nun tun sollte. Sie wurde beobachtet und wusste nicht von wem. Das hieß sie musste sowohl die Kazzaks als auch die Person hinter dem Baum ausschalten. Es spielte jetzt keine Rolle mehr vorsichtig zu sein. Jetzt ging es nur noch darum keine Überlebenden von dem Kampfplatz entkommen zu lassen. Sie wirbelte herum, erhob die Hand und rief: „Riddock!“ Ein gleißender Strahl entfuhr ihrer Hand und bohrte sich durch den Unterleib des nächst stehenden Kazzaks. Wieder stieg der Geruch von verbranntem Fleisch in die Luft.

Lilith zögerte einen Moment, dann zog sie ihr Schwert und trat hinter dem Baum hervor. Durch die plötzliche Bewegung und völlig in Rage hob das Mädchen ihr die Hand entgegen und rief noch einmal „Riddock!“

Der gleisende Strahl schoss in atemberaubender Geschwindigkeit auf Lil zu. „Corpo pex léiz.“

Wie durch eine unsichtbare Klinge geteilt schoss der todbringende Strahl rechts und links an Lil vorbei und donnerte laut krachend zu ihrer rechten Seite in den Baum hinter dem sie stand und zu ihrer linken riss er einem der hinteren beiden Kazzaks den Kopf von den Schultern. Völlig perplex und fast am Ende ihrer Kräfte starrte das Mädchen ungläubig zu Lil herüber, welche nicht weiter zögerte und mit einem Hechtsprung nach vorne eilte und dem Kazzak neben Rae ihr Schwert durch den massigen Oberkörper rammte. Keine fünf Sekunden später streckte sie auch den letzten Kazzak nieder.

Wie jedes Mal nachdem sie ihre Klinge beschmutzt hatte bückte sich Lilith und wusch sie an den Kleidern des Toten sauber.

„Wer bist du?“, fragte das Mädchen hinter ihr und hielt noch immer das Schwert in ihrer Hand.

„Das spielt keine Rolle“, antwortete Lilith knapp.

„Mein Name ist Rae. Ich gehörte einst den Qiuoda an. Und wie du sicher mitbekommen hast bin ich eine Magierin. Genau wie du! Du kannst mir also vertrauen. Es sei denn du bist eine Abtrünnige. In diesem Fall werde ich dich töten.“

„Das wirst du nicht. Du hättest in deinem jetzigen Zustand nicht einmal den Hauch einer Chance. Also sprich nicht solch hohe Töne. Und bin ich denn deiner Meinung nach eine Abtrünnige?“

Rae dachte einen Moment lang nach. „Nein, denn dann hättest du mir nicht geholfen.“

Lil antwortete nicht mehr sondern sah sie nur einen kurzen Moment schweigend an dann wandte sie sich ab und lief ohne ein weiteres Wort zurück auf ihren ursprünglichen Weg.

„Hey, jetzt warte doch!“, rief Rae und eilte ihr nach. „Wir sind beide Magier und du gehörst sicher nicht den Qiuoda an. Also wie wäre es wenn wir uns zusammen tun um gemeinsam gegen Nácchtarr zu kämpfen. Was hältst du davon… ähm… wie war dein Name noch gleich?“

„Ich habe dir meinen Namen noch nicht genannt.“

„Dann sag ihn mir doch jetzt.“

„Ich wüsste nicht wieso ich das sollte.“

„Na, dass habe ich dir doch gerade gesagt. Gemeinsam können wir einen aktiven Widerstand gegen Nácchtarr führen.“

Lil blieb so abrupt stehen das Rae erst einige Schritte weiter vorne hielt und sich umdrehen musste.

„Wie stellst du dir das vor? Zwei kleine Gestalten gegen eine ganze verdammte Armee? Nácchtarr ist mächtiger als viele annehmen. Wir hätten noch nicht mal eine Chance in seine Nähe zu kommen. Wieso also redest du davon ihn zu töten?“

„Zum einen spreche ich nicht nur von uns beiden. Natürlich reicht das nicht. Wir brauchen Hilfe, aber keine passive Hilfe wie die der Qiuoda sondern aktive. Und zum anderen ist es mir egal was dort auf mich wartet ich habe mir in den Kopf gesetzt Nácchtarr zu töten. Koste es was es wolle.“

„Und was bestärkt dich so sehr in deinem Vorhaben das du dein Leben so leicht aufs Spiel setzt?“

„Nácchtarr hat Chaos, Zerstörung und Elend gebracht. Den Menschen geht es schlecht. Sie sind am Ende! Das Land zerfällt in sich, die Tiere fliehen, die Äcker werden zunehmend trockener und Nährstoffarmer. Aber weshalb ich ihn am meisten hasse ist das er meine Eltern getötet hat. Kaltblütig hat er sie umgebracht. Und nun muss ich mich verstecken. Ich bin auf der Flucht wie ein wildes Tier das jeden Moment Angst vor einem Angriff haben muss. Ich kann nicht frei leben. Und dafür wird er mit seinem Leben bezahlen!“

In Raes Augen glühte eine Entschlossenheit die Lilith schon seit einer Ewigkeit bei keinem Menschen mehr gesehen hatte. Lil schwieg und dachte an ihre eigene zerstörte Vergangenheit. Auch daran war Nácchtarr schuld. Er hatte ihre ganze Familie ausgelöscht und ihr das Leben genommen obwohl sie nicht tot war. Diesen Schmerz zu ertragen war die schlimmste Bürde die man auf sich nehmen konnte. Und auch sie trieb der unglaubliche Hass und der Wunsch nach Vergeltung voran. Sie verstand was das junge Mädchen vor ihr meinte.

„Mein Name ist Lilith. Nenn mich Lil wenn du möchtest“, seufzte sie nachgiebig.

„Und deine Eltern? Wer sind sie?“, hakte Rae nach.

„Sie sind tot. Und damit spielt es keine Rolle mehr wer sie einmal waren oder wer ich heute bin“, antwortete Lil knapp und damit war das Gespräch fürs erste für sie beendet.

„Und wo willst du jetzt hin? Ich bin müde und erschöpft und nicht für einen langen Fußmarsch geeignet.“

Genervt musste Lil ihr Recht geben. Sie hatte soeben einen ganzen Kazzaktrupp ausgeschaltet. Es war nur natürlich das sie müde war. Doch hier konnten sie nicht bleiben. Es würde nicht lange dauern bis jemand die Leichen fand und Alarm schlug. Und dann mussten sie so weit weg wie möglich von hier sein.

„Du wirst dich jetzt noch nicht ausruhen können. Erst wenn wir weit genug entfernt sind und vorher müssen wir noch etwas erledigen. Komm mit oder setzte deinen Weg alleine fort. Es zwingt dich niemand bei mir zu bleiben.“

„Bist du verrückt? Endlich jemand von meinesgleichen der aktiv Widerstand leistet! Da werde ich jetzt bestimmt nicht davon laufen. Ich bin bereit zu was auch immer.“

Raes enormes Selbstvertrauen und ihre Stärke um ihr Ziel durchzusetzen überraschten Lil. Noch nie war sie einem Menschen begegnet der so fest an seinem Vorhaben hing wie dieses Mädchen.

Ohne darauf zu achten wie laut sie in dem sonst stillen Wald waren eilten die beiden den Weg entlang zurück zum Kazzaklager. Nach zehn Minuten waren sie dort angekommen. Lil spitzte für einen Moment die Ohren und blickte sich um ehe sie Rae mit einem Wink bedeutete ihr zu folgen.

„Was wollen wir hier?“, fragte Rae unruhig, denn sie befürchtete das jeden Moment Späher des Lagers zurückkommen und die beiden entdecken würden.

„Geh durch die Zelte und pack alles zusammen was du tragen kannst. Und jetzt frag nicht weiter sondern tu es einfach. Wenn du fertig bist versteck dich dort hinter dem Gestrüpp.“

Noch bevor Rae eine weitere Frage stellen konnte war Lil im ersten Zelt verschwunden.

Es war enorm warm unter der Plane obwohl draußen eine angenehme Temperatur herrschte. Die Luft stand unbewegt und war so stickig das Lil für einen Moment das Gefühl hatte keine Luft mehr zu bekommen. Als sie sich gesammelt hatte schritt sie nach vorne, riss die Decke von dem Feldbett und breitete sie auf dem Boden aus. Dann schmiss sie alles was sie finden konnte und was einen gewissen Wert besaß darauf, packte das Bündel zusammen und eilte zum nächsten Zelt um es dort genauso zu tun. Als sie vier Zelte hinter sich gebracht hatte war das Bündel voll und schwer.

„Das reicht.“ Eilig schritt sie auf die Büsche zu hinter denen Rae bereits mit einem ebenso großen Bündel wartete.

„Was wollen wir mit dem ganzen Kram?“

„Im Dorf verkaufen. Morgen beginnt dort der Markt. Wir können uns Proviant, Pferde und Gold für die Reise damit verdienen.“

Rae, die endlich verstanden hatte was Lil mit dem Kram wollte, lachte auf. „Das ich nicht selbst darauf gekommen bin.“

Während sie mit der geschulterten Beute zurück in den Wald liefen hörten sie weit entfernt Getrappel näher kommen.

„Wir müssen uns beeilen. Ihre Späher kommen zurück und ein weiterer Kampf wäre nicht günstig für uns.“

In stiller Übereinkunft sprachen sie nicht weiter miteinander sondern liefen so schnell es ging voran. Gegen Abend hatten sie die Hälfte der Strecke zum Dorf hinter sich gebracht. Rae war am Ende ihrer Kräfte und auch Lil war müde von der zusätzlichen Last die sie umhertrugen.

An einem geschützten Platz hielten sie an und legten die Sachen ab.

„Sie werden nach uns suchen deshalb ist es wohl besser kein Feuer zu entzünden“, sagte Rae und kramte aus ihrem Beutel etwas zu Essen heraus und holte einen Wasserschlauch hervor.

Lil nickte ihr zustimmend zu und auch sie griff in ihre Tasche um sich ihr Abendbrot heraus zu holen.

„Was ich mich frage ist, ob du bei solch einem gefährlichen und hoch gestecktem Vorhaben einen Plan hast. Wie gedenkst du gegen Nácchtarr vorzugehen? Welche Armee willst du der seinen entgegensetzten?“

Rae blickte verwundert über die Frage auf und suchte in der Dunkelheit nach Lils Gesicht. Schattenhaft nahm sie es war.

„Es mag seltsam klingen, aber ich bin davon überzeugt, dass wir nur mit einem Verbündeten eine Chance gegen Nácchtarr haben. Mit den Drachen. Mein Großvater hasst mich wegen dieser Einstellung. Er ist der Meinung ich würde mein Talent vergeuden bei dem versuch noch einen Drachen zu finden der nicht so feige ist und sich vor Nácchtarr versteckt. Das ist allerdings seine Meinung. Ich denke eher, dass es nur eine Frage der Zeit ist bis die Drachen wieder erwachen. Und wenn wir uns dann mit ihnen zusammenschließen können wir Nácchtarr und seine Bestien töten.“

„Woher willst du wissen, dass die Drachen sich mit Menschen und Magiern zusammen tun werden. Sie sind stolz! Und sicherlich verstecken sie sich nicht wie die Angsthasen der Magier!“ Rae konnte Lil nicht mehr sehen. Nur noch ihre Augen glitzerten in dem schwachen Mondlicht das durch das Blätterdach fiel, doch ihre Stimme hatte einen schneidenden Ton angenommen und Rae wusste das sie eine empfindliche Stelle getroffen haben musste.

„Nicht alle Magier sind Feiglinge. Wir beide zum Beispiel nicht! Aber gewiss gibt es auch Drachen die sich aus Angst verstecken! Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass sie Feige wären, aber dennoch verstecken sie sich vor Nácchtarr. Wenn sie sich nur wieder zeigen würden.“

„Das stimmt. Nicht alle Magier sind Feiglinge. Es gibt überall Menschen die sich von den anderen abheben und etwas Besonderes sind. Aber es sind die wenigsten. Und auf solche zu stoßen ist ein Glücksfall.“ Ein leises Rascheln lies Rae darauf schließen das Lil sich abgewandt hatte um zu schlafen und so nahm Rae die letzten Worte ihrer Weggefährtin als Kompliment und legte sich ebenfalls um. Doch während sie versuchte einzuschlafen ging ihr ständig eine Frage durch den Kopf: Wie lange konnte sie es wohl wagen mit Lil umherzuziehen? Egal welche Gefährten sie hatte. Sie hatte sie niemals lange Zeit. Wie also sollte es diesmal sein?
 

Mitten in der tiefschwarzen Nacht wurde Rae unsanft gerüttelt. Erschrocken riss sie die Augen auf und schnellte in die Höhe. Blitzschnell legte sich eine Hand auf ihren Mund und auf ihre Schulter um sie daran zu hindern aufzustehen.

„Psssst! Kazzaks!“, flüsterte Lil die neben ihr kniete und nahm langsam die Hände von Rae. Und tatsächlich. Als diese genauer hin horchte vernahm sie die polternden Schritte der Ungeheuer.

„Und jetzt?“, fragte sie nervös. Sie hatte nicht lange geschlafen und es war zu dunkel um etwas zu sehen.

„Wir müssen weiter!“ Erst jetzt viel Rae in dem spärlichen Mondlicht auf, dass Lil bereits ihre Sachen gepackt hatte und abreise bereit war. Zögernd machte sich auch Rae bereit und schulterte am Schluss ihre Beute so leise es ging um Lil zu folgen die wie ein Schatten vor ihr her schlich. Durch ihre dunkle Kleidung war sie kaum auszumachen doch da sie sich allmählich dem Waldrand näherten und die Bäume weiter auseinander standen, drang auch das Licht weiter zu ihnen und Rae konnte allmählich sehen wohin sie liefen. Aber je mehr sie sehen konnte desto unbehaglicher fühlte sie sich denn die Kazzaks würden nun auch eine bessere Sicht haben.

Gespannt und gehetzt wie so oft in ihrem Leben lief Lil durch den Wald. Immer wieder lauschend und in die Dunkelheit spähend ob ihre Verfolger ihre Spur aufgenommen hätten. Doch schon bald konnte sie die Kazzaks nicht mehr hören. Dennoch wollte sie es nicht riskieren noch einmal Rast zu machen. Sie mussten zu dem Dorf gelangen. Koste es was es wolle.

Im Morgengrauen erblickte Rae etwas das ihrem Herz einen freudigen Hüpfer verpasste. Die ersten Höfe des Dorfes kamen in sicht. Erleichtert es soweit geschafft zu haben und den Wald bald hinter sich lassen zu können schloss sie zu Lil auf und schritt mit neuer Energie voran.

„Wir werden nicht lange bleiben. Heute versorgen wir uns mit dem nötigen was wir brauchen und im Morgengrauen werden wir weiterziehen. Die Kazzaks werden sicher nicht lange brauchen um Verstärkung zu holen und dann werden sie sicher in dem Dorf auftauchen.“

Rae durchfuhr ein urplötzlicher schrecken. „Wir müssen das Dorf warnen. Wir können sie doch nicht einfach den Kazzaks überlassen!“

Daran hatte auch Lil schon gedacht, doch es war unmöglich das Dorf jetzt noch in Sicherheit zu bringen. „In dem Dorf findet der Markt statt. Das bringt Geld und Gebühren für Nácchtarr. Wenn sie Glück haben wissen die Kazzaks das und verschonen das Dorf.“

„Wenn sie Glück haben! Und wenn nicht!“

„Dann darf es nicht weiter unser Problem sein! Wie hast du denn bis jetzt überlebt wenn du verfolgt wurdest und auf andere Menschen getroffen bist?“

Rae schwieg und dachte an die Zeit ihrer Flucht zurück. Oft hatte sie versucht den Menschen zu helfen, doch manchmal war es ihr einfach nicht gelungen. Es war der Lauf der Dinge den sie nicht ändern konnte wenn sie überleben wollte.

Schweigend und mit betrübter Stimmung erreichten sie das Dorf. Es herrschte bereits reges Treiben. Vieh wurde umher getrieben, Händler priesen ihre Ware an und Mütter zogen ihre Kinder hinter sich her während sie nach den billigsten Dingen Ausschau hielten. Lil und Rae schritten durch die enge Gasse zu einem Stand mit einem alten Händler.

„Wir möchten gerne etwas verkaufen“, sagte Lil ruhig und breitete ihr Bündel vor ihm aus. Rae tat es ihr gleich und beobachtete dabei den Händler dessen Augen sich weiteten.

„Wo habt ihr das her?“

„Spielt das eine Rolle?“, fragte Rae barsch.

Der Händler schüttelte einen Moment lang perplex den Kopf dann machte er sich angesichts der Kostbarkeiten daran den Wert der Ware zu ermitteln.

„Ich gebe euch 100 Goldstücke dafür.“

„Es sind viele Kostbare Kelche dabei. Und silbernes Besteck. Dass alleine ist soviel wert. Ganz zu schweigen von dem Kettenhemd. Wir wollen 300 nicht weniger.“

„Hm… 120!“, erwiderte der Händler stur.

Während er und Lil weiter diskutierten und handelten blickte Rae sich bereits nach Ständen um wo sie ihren Lebensmittelvorrat aufbessern konnten.

Am Ende hatten sich der Händler und Lil auf 240 Goldstücke geeinigt. Lil nahm die Bündel entgegen und sie verliesen rasch den Stand.

Lil teilte das Gold und gab Rae die Hälfte davon ab. „Hier. Geh und kaufe das was du für nötig hältst. Aber komm nicht ohne ein Pferd und genug Lebensmittel zurück. Sonst werde ich alleine weiter ziehen.“

Etwas verärgert über Lils fortwährende Barschheit ihr gegenüber machte sich Rae auf. Lil ging in die andere Richtung. Sie wusste nicht wieso aber Raes Anwesenheit verstörte sie mehr als das sie sie ermutigte. Sie verdrängte die Gedanken hastig aus ihrem Kopf und kümmerte sich dann um ihren Einkauf. Nach einer halben Stunde des Handelns und Kaufens schleppte sie schwere Bündel hinter sich her und lief zu dem einzigen Verkäufer der Pferde anbot. Einige der Tiere waren schwach und abgemagert und Lil bedauerte die armen Tiere die sicher beim Schlachter enden würde. Doch aus Mitleid heraus konnte sie nicht handeln. Sie brauchte ein Pferd das stark genug war um sie bis in die nächste Stadt zu bringen. Dort war der Markt größer und sie konnte sich nach einem neuen, stattlicheren Tier umsehen als hier. So entschied sie sich am Ende für ein schweres Kaltblut. Es gefiel ihr nicht ein so großes Pferd zu reiten das soviel Aufsehen erregte und Lärm machte, doch es blieb ihr nichts anderes übrig. Die kleineren Pferde machten nicht den Anschein als würden sie die Reise mit dem Gepäck überstehen. Also kaufte Lil einen passenden Sattel und Zaumzeug so wie extra Taschen dazu. Am Ende hatte sie noch 48 Goldstücke und ein paar Silberlinge übrig die sie in ihren Beutel am Gürtel packte.

Es war bereits später Nachmittag als sie auf Rae traf. Sie hatte sich ebenfalls für eines der größeren Pferde entschieden und war über diesen Kauf genauso nachdenklich wie Lil. Und auch Rae hatte Satteltaschen voller Lebensmittel wie Brot, Trockenobst, frisches Obst, Fleisch und Käse, gefüllte Wasserschläuche, Kräuter, neue Pfeile, ein neues Gewand und zu Lils Erstaunen, einen Beutel voller Gewürze. „Wozu brauchst du die denn?“

„Glaubst du etwa im Ernst ich würde Eintopf ohne Geschmack essen? Es ist immer nützlich etwas Salz und Pfeffer und noch ein paar Kleinigkeiten dabei zu haben.“

Lil schüttelte den Kopf. „Und wie viel Gold hast du noch?“

„34 Goldstücke und 10 Silberlinge wenn du es genau wissen willst.“

Lil antwortete nichts sondern deutete zu einem kleinen Schankhaus „Dort werden wir zu Abend essen und die Nacht verbringen. Morgen früh geht es weiter.“

Die beiden nahmen sich ein Zimmer, brachten ihre Waren hinauf und gingen dann noch einmal herunter um etwas zu Essen.

Niemand sprach etwas denn jeden störte die Anwesenheit des anderen nach so langer Zeit der Einsamkeit.

Kapitel 4 (Rae)

Lil lag an diesem Abend lange wach und hing ihren Gedanken nach. Sie wusste sie musste eine Entscheidung treffen und zwar heute Nacht noch.

Auch Rae fand lange keinen schlaf. Sie grübelte über den gleichen Fragen wie Lil und doch war da etwas, dass sie verwirrte. Irgendetwas stimmte mit Lil nicht, sie hatte es gesehen, als sich ihre Blicke das erste mal getroffen hatten. Ihre Augen, sie strahlten nicht, sondern waren abgestumpft, von Traurigkeit und Bitterkeit. Dieses Mädchen musste ähnliches durchgemacht haben wie sie, wenn nicht schlimmeres, falls das möglich war. Aber da war noch etwas in ihren Augen, sie hatten eine Tiefe, die sonst nur alte Menschen haben, als trügen sie ein Geheimnis. Rae dachte lange darüber nach und machte sich ihre Gedanken und wenn sie richtig lag, mit dem was sie vermutete, dann würde das sicher noch eine ganze Menge Spaß bedeuten, aber erstmal musste sie Lil von ihrem hohen Ross runterholen, denn sie hatte keine Lust sich weiterhin wie den letzten Dreck behandeln und rumkommandieren zu lassen.
 

Als Lil am nächsten Morgen wach wurde, wollte sie ihren Augen nicht trauen, Rae war weg! Aber wieso hatte sie es nicht bemerkt? Wie hatte Rae sich aus dem Zimmer schleichen können, ohne das sie es selbst bemerkt hatte? Immer noch in Gedanken versunken begann sie ihre Sachen zusammen zu Suchen und sich ebenfalls auf den Weg zu machen, wenigstens würde sie so ihre Entscheidung bei Rae zu bleiben nicht bereuen können

Als sie zu ihrem Pferd kam, stand dieses alleine da, Lil wusste nicht wieso aber irgendwie hatte sie gehofft, Rae doch noch anzutreffen.

„Ist sowieso besser so!“, meinte sie zu sich selbst, ehe sie sich auf den Rücken ihres Pferdes schwang und sich auf den Weg machte.

Sie ritt durch Wälder auf einem Weg, der neben einem Bach verlief. Gegen Mittag rastete sie im Schatten eines Baumes, sie hatte sich gerade hingesetzt, als sie das Gefühl beschlich beobachtet zu werden.

Irgendetwas stimmte nicht und sie hatte den leisen Verdacht, dass dies alles Raes Schuld war. Sie blickte sich um, konnte aber nichts entdecken. Doch jetzt war es zu spät, sie war so unruhig, dass sie ihre Sachen wieder zusammen packte und weiter ritt.

„Wah, wenn man sich einmal auf was einlässt“, grummelte sie vor sich hin.

„Naja, dann sollte man auch dazu stehen, oder?“, bekam sie Antwort.

„Argh ich wusste doch das hier wer ist! Was machst du hier? Und überhaupt wie kommst du hier her?“, schrie Lil Rae an, die gerade aus dem Wald getreten war.

„Blöde Frage, ich bin dir gefolgt!“, erklärte Rae.

„Ja aber warum? Warum bist du einfach abgehauen? Du hättest auch einfach bis zum morgen warten können und dann wären wir zusammen los geritten, wie es der Plan war!“, meinte Lil, sprang von ihrem Pferd und lief wütend zu Rae hinüber.

„Ach ja, war das dein Plan? Du wolltest nicht selbst die Fliege machen, ohne mich? Aber selbst wenn ich, dann wären wir auch schon beim Thema, dein Plan? Meinst du etwa ich lass mich weiterhin von dir herum kommandieren, bestimmt nicht! Ich weiß du meinst das sicher nicht so, wahrscheinlich kommt es einfach daher, dass du genau wie ich solange alleine durch die Gegend gereist bist, aber das gibt dir trotzdem nicht das recht, mich wie keine Ahnung, deinen Sklaven zu behandeln!

Du glaubst vielleicht ich bin ein armes, dummes Ding, dass etwas Magie beherrscht, da irrst du dich! Ich glaub kaum, dass ich dir sonst unbemerkt hätte folgen können oder um ganz vorne anzufangen, unbemerkt dass Zimmer verlassen hätte können!“, machte Rae sich Luft und starrte Lil dann herausfordernd an.

„Ich … ähm … Ja!“, stammelte Lil, ging zurück zu ihrem Pferd schwang sich in den Sattel und ritt ohne ein weiters Wort los.

Rae stieg ebenfalls auf, dass hatte sie nicht erwartet. Sie hatte Lil nicht verärgern wollen, jetzt war sie eingeschnappt, was sollte sie nur tun?

Sie ritten bis spät in die Nacht hinein, ohne miteinander zu reden und Rae hatte den Verdacht, dass Lil einfach weiter geritten wäre, wenn sie nicht gestoppt hätte. Aber immerhin sie ist nicht ohne sie weiter geritten, wenigstens ein Lichtschimmer.
 

„Weißt du, dass ich lange über das nachgedacht habe, was du über die Menschen gesagt hast und dass sie sich alle ihrem Schicksaal fügen?“, fragte Rae vorsichtig, nachdem sie beide schweigend etwas gegessen hatte.

„Du meinst, weil es ein paar Menschen gibt, die sich wehren und du einer von denen bist, werden sich die Drachen dir anschließen?“, antwortete Lil ohne aufzublicken.

„Nein ich meine genau das ist es was das Problem ist, es gibt nur ein paar Menschen die sich wehren aber ich habe nicht von einem Drachen gehört, der Widerstand geleistet hat, du etwa? Ich mein mag sein, dass sie ihre magischen Fähigkeiten nutzen und auf diese Weiße rebellieren aber was wir brauchen sind Drachen die sich offen zu erkennen geben, denn nur dann werden sich andere Drachen anschließen!“

„Du willst also sagen, du brauchst einen Drachen der sein Leben riskiert um den Köder für andere Drachen zu spielen?“

„Nein ich bin ja nicht doof! Das wäre sinnlos, denn dann könnten wir auch gleich zu Nachtarr gehen und ihn bitten uns hinzurichten, weil wir den Gedanken hegen eine Rebellion anzuzetteln!“

„Sag ich doch!“

„Du sagst überhaupt nichts Lil! Du kommandierst nur gerne andere Leute herum, dass ist ein Unterschied! Du beschwerst dich das nicht alle Menschen kämpfen aber selbst kämpfst du nicht!“, meinte Rae, vermied jedoch Lil direkt anzusehen.

„Wenn du das sagst! Immerhin hab ich dir geholfen!“, meinte Lil nüchtern.

„Und warum? Weil ich indirekt nach Hilfe gefragt hab, als ich Magie eingesetzt habe, jeder gute Magier wird einem anderem Magier in Not helfen, aber du hättest nie auch nur in betracht gezogen mir zu Helfen oder weiter mit mir zu reißen, wenn ich ein normaler Mensch wäre!“

„Und was ist so falsch daran?“, wollte Lil herausfordernd wissen.

„Wir sind schuld an all dem Ärger, es ist ein Magier, der versucht über alle anderen zu herrschen!“

„Ja und? Das macht er schon seit einer Ewigkeit, sollen wir jetzt die Verantwortung für alle Taten unserer Vorfahren übernehmen, nur weil wir eine besondere Gabe geerbt haben? Das ist Schwachsinn und das ...!“

„Schhhhhh!“, Rae unterbrach Lil, „Da ist jemand!“

„Ich hab nichts gehört?“, meinte Lil.

„Erstens sind deine Ohren wohl noch etwas durch meinen Zauber geschwächt, sorry, und zweitens meinst du ich sitz hier einfach so im Wald herum und rede über eine Verschwörung ohne einige Schutzzauber aufzurufen? Sicher nicht!“

Lil wollte etwas erwidern, doch Rae gab ihr ein Zeichen ruhig zu sein. Jetzt, endlich, konnte auch Lil etwas hören, da kam doch tatsächlich jemand auf ihr kleines Lager zu, verdammt, warum hatten sie nur ein Feuer gemacht?

Als die Person in den Lichtschein des Feuers trat, ließen beide einen Zauber auf ihn los.

Bewegungslos stand da ein Junge in ihrem Alter vor ihnen, die Hände erhoben zum Zeichen, dass er nicht angreifen wollte.

„Na toll, was machen wir jetzt mit dem?“, fragte Lil leicht genervt.

„Seinen Kopf befreien, so dass er uns sagen kann was er will!“, meinte Rae mit einer Handbewegung.

„Rae endlich hab ich dich gefunden! Warum in Gottes Namen greifst du mich an, du wusstest doch genau das ich es bin, schließlich hab ich nicht aus versehen deinen Schutzzauber übertreten, Großvater schickt mich!“

„Und ich hab dir schon zigmal erklärt, dass du dich nicht als Bote ausnutzen lassen sollst Chris! Was will der alte denn jetzt schon wieder? Lass mich raten, ich soll zurück kommen, du kannst ihm ausrichten die Mühe kann er sich sparen, wie oft will er das noch probieren? Selbst wenn er persönlich hier auftauchen würde!“

„Sicher nicht, eben gerade hast du mir gesagt ich soll mich nicht als Bote ausnutzen lassen und im selben Atemzug willst du mich als Boten zurück schicken? Vergiss es und überhaupt du weißt genau, das er dich nicht aufspüren kann, niemand außer mir hätte dich hier finden können, schon gar nicht, jemand der nur zufällig hier vorbei kommt, dafür schützt du dich viel zu gut!“, bei diesen Worte hob Rae schuldbewusst die Hand und befreite Chris, von der Körperstarre, „Aber du brauchst ihm gar keine Antwort zukommen zu lassen. Er will dich nur wissen lassen …“

„Hey was soll das denn jetzt? Rae wer ist das?“

Lil war dem Gespräch gefolgt und versuchte aus dem schlau zu werden was Chris sagte, doch als Rae ihn aus seiner Erstarrung befreite, fühlte sie sich doch etwas übergangen, zumal Rae es wohl noch nicht mal für nötig hielt sie aufzuklären.

„Sorry! Lil das ist Chris, mein Zwillingsbruder! Zufrieden? Ich meine ist das Erklärung genug?"

Kapitel 5 (Aiwe)

Lautlos strich der Wind durch die Baumkronen und lies die Blätter sanft wogend ein leises Rascheln von sich geben. Die ersten braun-goldenen Blätter fielen bereits herab. Die Kalte Jahreszeit brach allmählich an obwohl es immer noch mild war am Tag und lediglich leicht kühl in der Nacht.

Lil fing eines der herabsegelnden Blätter auf, betrachtete es im Schein des kleinen Lagerfeuers kurz und zerdrückte es schließlich in ihrer Faust. Bereits die ganze Nacht saß sie schweigend da und starrte in die Dunkelheit. Sie hatte, mehr oder minder freiwillig, die Wache übernommen. Nachdem Chris, Raes Zwillingsbruder aufgetaucht war, wurde es ihr zu Unruhig mit den beiden, so dass sie sie kurzerhand mit einem einfachen Zauber schlafen geschickt hatte. So blieb ihr zumindest Zeit zum nachdenken ohne gestört zu werden.

Rae war mächtig, dass konnte sie fühlen. Ihre Magie war weitaus ausgeprägter und feiner als die der vielen anderen Magier. Sicherlich konnte sie nützlich sein und vielleicht hätten Sie sogar eine Chance gegen Nachtarr wenn sie sich zusammen tun würden und – nein der Gedanke war zu gefährlich. Lil konnte niemandem vertrauen und schon gar nicht irgendwelchen Möchtegern-Magiern die ihr über den Weg liefen. Und dennoch schaffte sie es nicht den Gedanken ganz zu verdrängen. Irgendetwas an Rae zog sie an.

Ein leises, kaum wahrnehmbares Rascheln lies ihre Hand blitzschnell zum Schwert an ihrer Seite fahren. Das Geräusch kam von Rae, doch für eine Schlafende war es zu leise gewesen. Sie war aufgewacht, lange bevor sie hätte dürfen.
 

Zu laut. Sie hatte sich zu laut bewegt. Lil würde wissen das sie wach war. Noch immer benebelt von dem Zauber den diese auf sie gelegt hatte verharrte sie in ihrer eingenommenen Position und versuchte ihre Gedanken zu klären. Lil hatte eine Magie angewandt die Rae bis dahin völlig unbekannt war. Mit so einer seltsamen Art von Macht war sie noch nie konfrontiert worden. Es war – ganz anders als die ihre. Dennoch hatte sie sie spüren können. Chris hingegen, davon ging Rae aus, würde erwachen und von nichts wissen. Seine Magie war nicht so stark wie Raes. Doch wer um Himmels Willen war Lil? Ihre Magie war anders, ganz anders und so mächtig. Raes Weggefährtin hatte eine starke und kräftige Aura, strahlte jedoch etwas Beängstigendes und Dunkles aus. Ihre Augen waren kalt und gefühllos und Rae konnte nichts in ihnen deuten. Sie musste sich eingestehen das Lil ihr mit ihrer Gegenwart Angst machte und sie zugleich auch beruhigte. Seit langer Zeit fühlte sich Rae Geborgen und vertraute darauf das Lil ihre Wache richtig hielt und sie in Ruhe schlafen konnte. Doch würde sie nicht darauf Wetten, dass Lil ihr im Ernstfall nicht selbst gefährlich werden konnte. Sie war eine so unberechenbare Person. Wenn Rae es schaffen würde Lils Vertrauen zu gewinnen und sie für ihre Sache zu begeistern würde sie das ihrem Ziel viel näher bringen.

Sie fasste den Beschluss gleich jetzt mit Lil zu reden, richtete sich ruckartig auf und wandte sich um.

Mit einem erstaunten Blick auf Lils Lager musste Rae jedoch feststellen, dass dieses leer war. Lil war fort.
 

Lautlos wie ein Schatten eilte Lil durch den Wald. Wie hatte sie es nur wagen können so lange bei Rae zu bleiben. Sie wollte keine Weggefährten. Oder wollte sie genau dies vielleicht doch?

Mit einem Ruck blieb Lil stehen. Der Morgen würde bald dämmern und sie musste sich mittlerweile einige hundert Meter von dem Lager entfernt haben. Aber wieso fühlte sie sich plötzlich so verlassen? Konnte es sein das ausgerechnet Rae eine Verbündete war auf die Lil fast gehofft hatte? Ihr Kopf schwirrte und verwirrt tastete sie über den Schwertgriff – das kalte Metall beruhigte sie immer wenn sie nervös war. Vielleicht wäre Rae wirklich die richtige Verbündete gewesen. Doch das würde sich nun nicht mehr feststellen lassen. Lil würde nicht mehr zum Lager zurückkehren und selbst wenn sie es täte würde sie dort wohl niemanden mehr antreffen. Nein, die Chance war vorbei. Zweimal waren sie sich über den Weg gelaufen. Ein drittes Mal würde es nicht mehr geben. Nicht wenn es einer von ihnen nicht wollte, denn Lil war sich sicher, dass Rae sich ebenso verbergen konnte wie sie.

Ein plötzlicher, kräftiger Stoss riss sie von den Füßen. Ihre antrainierten Reflexe verhinderten jedoch das der Aufprall auf dem Boden zu schmerzhaft wurde. Dennoch brannte ihr linker Arm wie Feuer als sie sich auf dem Boden herumrollte und auf die Füße sprang.

Wie konnte sie nur so leichtsinnig gewesen sein und so in Gedanken versinken das sie ihre Umgebung nicht mehr wahrnahm. Das hatte sie nun davon. Kaum wahrnehmbar kehrte der schwarze Schatten zurück und hielt direkt auf sie zu. Mit einem Hechtsprung zur Seite bewahrte sich Lil vor einem erneuten Angriff, doch schon im nächsten Moment riss es sie wieder von den Füßen.

Sie waren zu zweit!

Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Hätte sie ihre Angreifer früh genug wahrgenommen, hätte sie sich rechtzeitig wehren können. Nun stand sie in der deutlich ungünstigeren Position. Als einer der Lautlosen Schatten erneut näher kam zog sie ihr Schwert und murmelte einige fremdartige Worte. Augenblicklich fing die Klinge des Schwertes an rot zu glühen und als der schwarze Schatten näher kam und einen markerschütternden Schrei ausstieß beschrieb Lil mit ihrer Klinge einen Halbkreis der dem schwarzen Wesen den Rumpf aufriss während es über sie hinweg rauschte. Krachend schlug es auf dem Boden auf, überschlug sich einige Male und blieb dann zitternd und in Todesqualen schreiend liegen. Es waren nur einige wenige Sekunden in der Lil unachtsam war und ihrem getroffenen Feind nachschaute, doch diese genügten dem zweiten Wesen um erneut anzugreifen.

Seine reisenden Klauen schlugen auf Lils Körper auf und drückten sie mit einer Wucht zu Boden das ihr Kopf hart auf dem steinigen Untergrund aufschlug und sie benommen merkte wie ihr das Schwert aus der Hand fiel und einige Meter weit weg liegen blieb. Die Klauen der Bestie drückten sich schmerzhaft in ihren Leib und pressten ihr die Luft aus den Lungen.

Sie hatte gar keine andere Wahl mehr. Sie musste ihre Stärkste Macht einsetzten wenn sie überleben wollte. Doch ihr war immer noch schwarz vor Augen und in ihrer Benommenheit konnte sie ihre Gedanken nicht ordnen.

Ein gleißender Strahl teilte plötzlich und schmerzhaft die Dunkelheit um sie herum und traf das Biest mit voller Wucht an der Seite. Das grelle Licht erleuchtete das Schauspiel für einen Moment. Das Biest, welches Lil gefangen hielt hatte dunkle, lederne Haut. Sein Körper war pure Masse und Muskeln. Mit seiner Klaue die größer war als ein stattlicher Mann hatte er Lil unter sich begraben. Drei Vorderzehen und eine die nach hinten wuchs, alle mit scharfen Klauen versehen. Ein paar dünne, lederne Flügel waren eng an den Körper gepresst worden und hatten ihren Ansatz in der Nähe des langen, schlangenartigen Halses. Neben den vielen, wie mit Eigenleben gefüllten, peitschenden Schwänzen war jedoch der Kopf das furchterregendste. Lang gezogen wie der eines Reptils, Gelbglühende, pupillenlose Augen und ein Maul mit zwei Reihen messerscharfer, reisender Fangzähne die einzig dazu dienen mussten ihren Gegner in Fetzen zu reisen. Aus dem Hinterkopf wucherte ein langes Horn. Das Wesen war schwärzer als die Nacht und Furcht einflößend in jeder Faser seines Seins.

Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg in die Luft und an der Brust klaffte eine große, Fleischwunde aus der dunkler Rauch aufstieg. Rings um das schwarze, verbrannte Fleisch bildeten sich Brandblasen. Die Bestie schrie auf vor Schmerz und Zorn. Als ein weiterer Strahl an ihr vorbei flog breitete sie die Flügel aus und türmte in die Nacht.

Von der schweren Last befreit holte Lil tief Luft was ein schmerzhaftes Brennen in ihrer Brust hervorrief. Viel zu schnell setzte sie sich auf, bekämpfte die aufsteigende Übelkeit und griff sich mit einer Hand an den Hinterkopf. Eine warme, rötliche Flüssigkeit klebte an ihren Fingern als sie sie vor die Augen hielt. Neben ihr tauchte eine Person in der sich langsam lichtenden Dunkelheit auf.

Rae.

Ohne Kommentar streckte sie die Hände aus und zog Lil auf die Beine. In Raes Gesicht lag Schrecken und ihre Hände zitterten kaum merklich. Ein paar Schritte weiter konnte Lil Chris ausmachen welcher ihr Schwert gerade vom Boden aufhob. Mit raschen Schritten ging sie auf ihn zu und riss ihm etwas unsanft die Klinge aus den Händen. Chris sagte nichts dazu sondern bedachte sie nur mit einem missfälligen Blick.

Lil beachtete ihn nicht weiter sondern schritt zielstrebig auf den noch immer zuckenden Leib der ersten Bestie zu. Der Boden ringsherum war von schwarzem, zähflüssigem Blut getränkt.

Neben Lil zog Rae hörbar die Luft ein als sie zu der Bestie trat.

„Was ist das?“, fragte Chris, der seiner Schwester gefolgt war, mit seltsam belegter Stimme.

„Das, mein Lieber, ist eines der Wesen die Nachtarr geschaffen hat. Dies ist ein Arkarr“, beantwortete Lil seine Frage. Sie hob ihr Schwert und lies es mit einem Ruck durch den Kopf des Wesens stoßen. Der Körper bäumte sich in einem letzten Aufschrei auf bevor er reglos liegen blieb. Chris hatte sich abgewandt.

„Ich werde deine Wunde versorgen“, sagte Rae in die Stille hinein. Sie hatte nicht laut gesprochen und doch schien es im ganzen Wald widerzuhallen. Lil widersprach nicht. Und sie sagte auch dann nichts als Rae ihre Haare auf die Seite schob und eine dicke, ölige Salbe auf die blutende Stelle strich. Fast augenblicklich kühlte es die Wunde aus und minderte den Schmerz.

Lil schwieg auch dann noch, als Rae bereits fertig war und sich ihr gegenüber auf dem kalten Boden niederließ.

Rae wusste was gerade geschehen war. Es war mehr gewesen als der Schrecken der Arkarr der sie gerade gepackt hatte. Sie hatten die Grenze des Fremdseins mit einem Schlag überschritten und Rae wusste plötzlich das diese letzte, diese dritte Begegnung kein Zufall war. Von nun an würden sie ihren Weg gemeinsam gehen. Und sie konnte fühlen, dass Lil dasselbe dachte. Auf eine unerklärliche Art und Weise waren sie sich darüber im Stillen einig geworden.

„Chris hat mir erzählt das Großvater sehr schwer erkrankt sei. Es könnte sein das er stirbt. Ich muss zu ihm bevor es soweit ist“, wieder war es Rae die die Stille durchbrach.

Lil musterte sie eine Zeit lang ohne auf ihre Worte einzugehen.

„Hast du dir je überlegt wie du Nachtarr entgegentreten willst? Wie du ihn besiegen willst?“

Überrascht von der plötzlichen Frage suchte Rae für einen Moment nach den richtigen Worten. „Um ehrlich zu sein, nein. Ich habe immer darauf vertraut das die Quioda endlich aktiv werden und sich mir anschließen um die Drachen zu suchen. Und wenn wir diese erst einmal gefunden haben würde es zu einem Kampf mit Nachtarr kommen, dessen Ausgang ich nicht voraussehen kann.“

„Und wo willst du die Drachen suchen? Glaubst du etwa sie sitzen auf den Bäumen und warten nur darauf das du nach oben schaust?“

Rae unterdrückte gerade noch rechtzeitig den Impuls wirklich nach oben zu sehen. „Weshalb sollte ich denn deiner Meinung nach hier herumstreifen? Ich habe kein Ziel und keine bessere Idee. Du etwa?“

„Ja das habe ich.“

Erstaunt über Lils Antwort zog Rae die Augenbrauen hoch. Nach einem kurzen Moment fuhr Lil fort: „Ich habe sowohl ein Ziel als auch eine Idee oder besser gesagt ein Vorhaben. Als wir uns das erste Mal trafen war ich Richtung Norden unterwegs. In die Eiswüste.“

„Die Eiswüste?!“ Rae war vor Entsetzen aufgesprungen „was willst du dort? Keiner der dort war ist jemals zurückgekehrt!“

„Wenn keiner überlebt hat woher wissen wir dann das es so etwas wie die Eiswüste wirklich gibt?“, antwortete Lil ruhig und wartete geduldig bis sich Rae wieder setzte.

„Und was erhoffst du dir dort zu finden?“

„Die magischen Relikte, oder zumindest eines davon.“

„Die magischen Relikte? Ich will dich ja nicht enttäuschen, aber das sind nur Geschichten. Und selbst wenn es sie tatsächlich gäbe, glaubst du nicht das Nachtarr dann schon längst auf der Suche nach ihnen wäre? Ich meine laut Legende verleihen sie dem der sie besitzt Macht.“

„Das stimmt nur zum Teil. Sei verleihen keine pure Macht. Die Relikte wurden einst von den Magiern und Drachen geschaffen um den Bund des Friedens und der Freundschaft zu schließen. Es gibt sechs der Relikte. Drei im Besitz der Magierclans und drei im Besitzt der Drachenclans. Und sie sind keinesfalls nur Legende. Es gibt sie wirklich. Dein Großvater könnte von einem der Relikte vielleicht sogar bescheid wissen. Und Nachtarr wird bestimmt bereits auf der Suche sein.“

„Aber was bringen ihm die Relikte des Friedens und der Freundschaft?“ Rae konnte den sarkastischen Unterton nicht ganz aus ihrer Stimme verbannen. Doch wenn Lil ihn bemerkt hatte, so lies sie es sich nicht anmerken.

„Friede und Freundschaft bedeuten Nachtarr nichts. Aber was würdest du dazu sagen das die Relikte die Macht besitzen eine Zusammenkunft der Clans herbeizuführen?“

Es dauerte einen Moment ehe Rae die wirkliche Bedeutung der Worte begriff. Im selben Moment wurde ihr schlecht. Als sie sprach zitterte ihre Stimme leicht: „Er könnte alle auf einen Schlag töten.“

Lil nickte. „Aus diesem Grund versuche ich die Relikte zu finden. Wenn wir eine Zusammenkunft der sechs Clans einberufen können, haben wir eine Chance eine Streitmacht zu formieren. Also was sagst du? Noch hast du die Möglichkeit alleine weiter zu ziehen.“

Rae schwieg. Lange wie es ihr vorkam und doch konnte es nicht länger als wenige Minuten gewesen sein als sie sich selbst sprechen hörte. „Ich weiß aus Geschichten und Legenden über die Magierclans und deren Relikte bescheid. Mein Großvater wird sicherlich auch viele Informationen für uns haben. Doch was ist mit den Drachenclans? Keiner weiß genaues über Drachen.“

„Ich weis genug.“ Wieder überraschte Lils Antwort Rae, doch diesmal lies sie sich nichts anmerken. Im Gegenteil, sie hatte schon fast geahnt das Lil so antworten würde.

„Dann erzähle mir was du über die Drachen weist“, forderte Rae.

„Es gibt drei Drachenarten: Die Feuerdrachen, die Eisdrachen und die Staubdrachen. Jeder der Clans besitzt ein Relikt welches gut verborgen ist. Ich weiß wo sich diese Relikte befinden und das erste werden wir bei den Eisdrachen suchen.“

„Und was ist mit den anderen Relikten? Und woher weißt du so gut bescheid?“, drängte Rae weiter als Lil keine Anstalten mehr machte weiter zu sprechen.

„Ich werde dir mein Wissen in den richtigen Momenten mitteilen. Noch musst du dich damit zufrieden geben was ich dir soeben gesagt habe.“

Rae wollte erst auffahren, lies es aber dann sein. Es brachte nichts Lil zu etwas zu zwingen. Sie würde sich nicht zwingen lassen. Wenn Rae darüber nachdachte fiel ihr auf das sie gar nicht mal so verschieden waren. Auch Rae würde sich zu nichts zwingen lassen und nie all ihr Wissen auf einmal preisgeben.

„Alleine schaffen wir dies aber nicht. Wir brauchen Hilfe. Leute die uns Geld geben um Ausrüstung zu kaufen. Und Kämpfer die uns begleiten und unterstützen. Zu zweit sind wir zu schwach.“ Rae sah Lil auffordernd an.

„Es ist unklug zu viele Menschen in unser Vorhaben einzuweihen. Entweder wir nehmen sie unter einem falschen Vorwand mit oder sind uns sicher das wir ihnen trauen können. Aber Helfer können auch behindernd sein. Doch darüber können wir reden wenn wir bei den Quioda angekommen sind“, sagte Lil schließlich.

Ein knacken und Rascheln des Gestrüpps lies die Frauen aufblicken. Chris kam mit den Pferden zurück. Als Rae und er den Kampflärm vernommen hatten, hatten sie die Tiere gut getarnt an einem Baum festgebunden und waren zu Fuß weiter geeilt. Sie hatten auch Lils Pferd dabei.

„Nun gut. Wir sollten aufbrechen. Je eher wir ankommen, desto besser für uns“, sagte Rae laut und stand auf. Da Chris nun in ihrer Nähe war, war ihr Gespräch vorläufig beendet.

Kapitel 6 (Rae)

Rae erstaunte immer wieder darüber wie erleichtert sie jedes Mal war wenn sie das Geheime Lager erreicht, doch dies ist nun mal der Ort an dem sie aufgewachsen war, an dem sie zu Hause war. Wie lange war das jetzt schon her?

Als die Kinder sie kommen sahen, liefen sie ihnen entgegen und begrüßten Chris mit freudigen Schreien, zu Rae und Lil hielten sie jedoch abstand, Fremde sah man nur ungern hier. Rae machte dies nur wieder klar wie weit sie sich bereits von den Qioda entfernt hatte.

Sie kamen nicht weit, bereits nach wenigen Metern, stellte sich ihnen ein breitschultriger

Mann in den Weg.

„Chris was soll das? Wärst es nicht du gewesen, hätten wir euch schon viel früher aufgehalten, aber das Gesetzt gilt auch für dich! Keine Fremden!“, er hatte eine raue Stimme, welche Rae sofort als die von George erkannte, früher hatte er immer ein freundliches Lächeln im Gesicht gehabt, jetzt sah er grimmig und verschlossen aus, was jedoch für Rae kein Grund war, ihm sein Verhalten nicht übel zu nehmen.

„Also so werden hier nun alte Freunde begrüßt und das obwohl sie auf Einladung eures Anführers hier eintreffen, George?“, meinte Rae schnippisch und stieg von ihrem Pferd.

„Brauchst nicht so ein verdutztes Gesicht zu machen George, du solltest dich eher was schämen! Das ist Rae, Mann! Und jetzt lass uns gehen!“

Chris schob George unsanft zur Seite und führte Rae und Lil auf eines der Zelte zu. Lil bot an die Pferde zu versorgen und nachdem Chris ihr gezeigt hatte wo sie finden konnte was sie brauchte, lies sie Rae mit ihrem Bruder alleine.

„Sagst du mir mal was das soll?“, fragte Chris und zog Rae in eines der Zelte nachdem er sich versichert hatte, dass es leer war.

„Was soll was? Wenn du von George redest, warum hast du mir den Spass nicht gegönnt?“, meinte Rae und setzte sich auf einer der Kissen.

„Ich hab euch im Wald belauscht, schau nicht so geschockt so weit entfernt standen die Pferde nun auch wieder nicht! Aber ich fand schon interessant, dass du Lil nicht erzählt hast, dass du selbst auf der Suche nach den Relikten warst, du bereits eines besitzt!“

„Ich frag jetzt besser nicht wie du darauf kommst! Lil spielt nicht mit offenen Karten, sie weiß genauso wie ich, dass es zu gefährlich ist, sein Wissen zu früh preis zu geben! Sie verheimlicht etwas. Sie weiß zu viel und zu gut über die Drachen bescheid, dass ist schon unheimlich und ihre Magie, ihre Magie ist von einer Art die ich noch nie erlebt habe!“, meinte Rae und nahm sich einen der Äpfel die Chris ihr anbot.

„Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass sie ihre Information vielleicht von einem Drachen hat?“, fragte Christ und biss selbst in einen der Äpfel.

„Nein, ich glaube eher sie könnte ein Drache sein!“

Chris verschluckte sich an seinem Apfel, prustend spie er ihn aus und starrte dann seine Schwester an.

„Ist jetzt ja aber auch egal, Lil darf nur nicht wissen, dass ich sie verdächtige. Okay da du jetzt eh schon zu viel weißt und mit uns kommen musst, kann ich dich auch gleich in meinen Plan einbeziehen!“

„Damit kann ich leben! Da meine Bedingung gewesen wäre mitzukommen …! Okay also wie kann ich meiner Schwester helfen?“, erwartend starrte Chris Rae an.

„Sorg dafür das Lil nicht auftaucht wenn ich mit Großvater rede!“

„Warum? Ich mein du kannst doch einfach einen Zauber auf euch legen?“

„Das werde ich so oder so machen, aber meinst du nicht es wirkt verdächtig? Ich hoffe nur dass sie nicht jetzt schon vor diesem Zelt steht, denn auch dann wird sie nichts mitbekommen und ich an ihre Stelle würde mich dann fragen, was so wichtig ist, dass ich nicht will das andere es hören?“, erklärte Rae.

„Glaubst du wirklich sie kann deine Zauber spüren? Ich mein du bist ziemlich gut, nicht einmal Großvater spürt wenn du einen Zauber ausübst, wenn du nicht willst, dass er davon weiß!“

„Glaub mir selbst wenn ich mich anstrenge um den Zauber zu verbergen wird sie ihn spüren können, genauso wie ich ihre Magie spüren kann und ich konnte ihre Magie brechen, es dauerte eine Weile aber ich brach sie. Lil und ich, unsere Magie ist so unterschiedlich und doch gleich! Ich würde nicht gegen sie kämpfen wollen, denn ich glaube nicht das ich sie besiegen könnte!“

„Willst du damit sagen du denkst sie ist stärker?“, Chris blickte verdutzt zu seiner Schwester.

„Hörst du mir überhaupt zu? Ich denke wir sind gleich stark, falls man das so sagen kann. Ist jetzt aber auch egal! Ich muss mit Großvater reden und dann müssen wir sehen, was wir als nächstes tun werden!“
 

„Heißt das etwa du wusstest dies die ganze Zeit?“, verwirrt schaute Joel seine Nichte an, dann schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen, „Das erklärt natürlich einiges!“

„Darf ich jetzt mit deiner Hilfe rechnen?“, fragte Rae und erwiderte das Lächeln.

„Ich glaube nicht, dass du meine Hilfe noch brauchst! Du hast eine Gefährtin gefunden und somit den ersten Schritt auf der Suche nach den Relikten gemacht. All die Geschichten die ich dir und deinem Bruder über die Relikte erzählt habe …“

„Sind wahr!“, unterbrach Rae ihren Großvater, „So viel habe ich verstanden! Drei Stämme von Volk der Drachen und drei Stämme vom Volk der Menschen vereinigt durch sechs Relikte. … Werden alle sechs Relikte zur gleichen Zeit, an gleicher Stelle angerufen so haben sie die Macht ein Treffen aus alter Zeit einzuberufen. Doch wisse dies um die Relikte anzurufen bedarf es mehr als nur der richtigen Worte. Ein Drache und ein Mensch müssen die Magie aufrufen die Leben in die Relikte bringt! Ich denke dieser Teil ist nicht allzu bekannt, jedenfalls hab ich ihn auf meiner Reiße nie gehört, egal wie oft ich auch die Geschichte gehört habe!“, meinte Rae.

„Ja dies ist der einzige Schutz den wir haben und dieses Wissen wurde immer von Stammesältestem zu Stammesältestem weiter gegeben. Auch wenn man den Menschen nicht trauen kann, das wussten man damals schon, vertraute man doch darauf das die Drachen ein reines Herz haben. Aber ich denke darauf kann man nicht vertrauen, es gibt ebenso Verräter unter den Drachen wie unter den Menschen. Aber sag mir wie willst du einen Drachen finden?“

„Das lass meine Sorge sein! Was ich nicht weiß ist welches Relikt du besitzt?“

„Du wirst es wissen sowie du es trägst! Meine Zeit es zu schützen ist zu ende. Doch eins muss ich dir noch sagen! Deine oberste Priorität muss es sein, das Relikt das du besitzt zu schützen. Es darf dem Feind nicht gelingen alle Relikte zu sammeln!“, mit diesen Worten löste Joel eine silberne Kette von seinem Hals, er streifte sie über seinen Kopf und gab sie Rae.

Die Kette war aus einem Stück sie hatte keinen Verschluss und doch hing ein Anhänger an ihr. In dem kurzen Moment in dem ihr Großvater die Kette in Rae’s Hand fallen lies strahlte die Kugel leuchtend blau auf, doch sowie sie wieder Hautkontakt hatte erlosch das leuchten, ebenso schnell wie es erschienen war. Rae spürte sofort die Macht die von dem Objekt ausging und instinktiv verbarg sie diese.

„Macht! Du hattest das Relikt der Macht?“, fragte Rae zögernd und es kostet sie Kraft die Worte zu formen.

„Ja und heute ist das erste Mal das ich es abgelegt habe, seit mein Großvater es mir vor vielen Jahren übergeben hatte. Ich sage dir nun was er mir damals anvertraut hat und vertraue darauf, dass auch du es erst aussprichst wenn du dich von dem Relikt trennen musst. Es kostet geistige und körperliche Kraft die Magie die von dem Objekt ausgeht zu verbergen, auch wenn es mit der Zeit einfacher wird, wird es nie selbstverständlich. Sei dir dessen stets bewusst. Das Relikt schützt dich und die Menschen die dich umgeben, doch verlasse dich nicht auf den Schutz!“

„Das kannst du mir nicht geben! Was schützt denn dann das Lager?“, fuhr Rae auf und wollte ihrem Großvater die Kette zurückgeben.

„Viele weitere Zauber schützen das Lager mach dir keine Sorgen! Ich habe nicht mehr die Kraft das Relikt zu schützen, du bist die einzige der ich es anvertrauen kann, dein Herz ist rein und deine Magie ist mächtig! Du kontrollierst es und nicht es dich!“
 

„Chris wo ist Lil?“

Rae kam aus dem Zelt heraus und rannte direkt in Chris.

„Bei den Ställen! Sie war dort die ganze Zeit! Was hat Großvater gesagt?“

„Gut! Pass auf, ich brauch deine Hilfe! Wir müssen sofort aufbrechen! Ich erklär dir später mehr, geh zu Lil und sag ihr sie soll sich fertig machen! Nehmt drei Pferde und trefft mich bei der Lichtung westlich von hier! Sag ihr ich erkläre alles dort!“

„Aber hattet ihr nicht gesagt wir brauchen Leute und Vorräte? Rae was hat Großvater dir gesagt?“

„Später, ich brauch ein paar Minuten für mich alleine um meine Gedanken zu ordnen! Wir treffen uns in einer Stunde auf der Lichtung, bring mir ein Pferd mit! Und pack soviel an Vorräten ein wie du kannst!“

Mit diesen Worten drehte sich Rae herum und lief in den Wald hinein aus dem Lager heraus.

Chris machte sich auf den Weg zu Lil doch diese kam ihm bereits entgegen.

„Wo will Rae denn hin?“, fragte sie mit leicht sauerer Miene.

„Ähm, sie will das wir uns fertig machen und dann etwas außerhalb auf einer Lichtung treffen.“

„Und sie denkt, dass ich ihre Befehle einfach so hinnehme?“

„Lil, sie sagte sie erklärt alles dort! Sie sah ziemlich mitgenommen aus. Gib ihr etwas Zeit. Wie wäre es mit einem neuen Pferd?“

Kapitel 7 (Aiwe)

Mürrisch folge Lil Chris zum Stallgebäude auf der anderen Seite des Lagers. Ihr gefiel es nicht das Rae ohne ein Wort zu sagen einfach weg gegangen war. Doch nicht nur das wühlte Lil auf: seit kurzer Zeit hatte sie das Gefühl das irgendetwas nicht stimmte. Es lag förmlich in der Luft das etwas Unheilvolles geschehen würde. Dennoch unterdrückte sie ihre Unruhe und die Gedanken darüber und überlegte was sie für ihre Reise alles benötigen würden. Je schnel-ler sie weiter zogen, desto besser.

Als Chris stehen blieb und sich zu ihr wandte, waren sie im hinteren Teil des Stalls angelangt.

„Dies hier sind die Besten vier Pferde die wir haben. Der schwarze Hengst ist Nachtschatten, Raes Pferd, und der weiße mit den großen braunen Farbmustern ist Castell, mein Pferd. Du kannst dir eines der beiden anderen aussuchen.“

Lil musterte die beiden Tiere. Eines von ihnen war schneeweiß, das andere ebenfalls völlig schwarz mit einer weißen Halbmondblesse auf der Stirn.

„Ich nehme den Schwarzen und das andere Pferd kommt ebenfalls mit.“

„Was? Wieso das denn?“, fraget Chris verwundert.

„Proviant“, antwortete Lil einfach.

„Okay… nun gut. Dein Pferd heißt Schattenfeuer und das andere Corall.“

Chris lief zur Tür die in die Sattelkammer führte. Dort zeigte er Lil wo die entsprechenden Sättel, Trensen und Satteltaschen gelagert wurden. In der nächsten halben Stunde waren sie damit beschäftigt die Pferde zu putzen und zu satteln. Chris war gerade dabei die letzte Ta-sche an Castells Sattel zu befestigen als ein ohrenbetäubender Knall ertönte und ein Beben die Gebäude erzittern lies.

„Was war das?“, rief Chris Lil zu und blickte sich erschrocken um als lautes Geschrei im La-ger ertönte und der Boden leicht zu vibrieren begann. Lil rannte zum Stallfenster und spähte vorsichtig hinaus. Von der anderen Seite des Hofes kam aus dem Wald ein Stoßtrupp von mehr als 50 Kazzaks angerannt. Eines der Gebäude lag bereits in Schutt und Asche.

„Das Lager wird angegriffen. Wir müssen hier weg, schnell!“

„Was?! Von wem? Wir brauchen Proviant! Und was ist mit Großvater?“

„Der wird auf sich selbst aufpassen können! Und jetzt steig auf und nimm Raes Pferd!“

„Aber wir brauchen Proviant, das Lagerhaus ist direkt gegenüber!“

Chris wartete nicht länger und stürmte los. Lil wollte ihm schon nachsetzen, verfluchte ihn dann jedoch nur innerlich, nahm die Zügel von Schattenfeuer und Corall und eilte Chris in das Nebengebäude nach, wo dieser bereits in Eile Lebensmittel, Wasserschläuche und Decken zusammen sammelte.

„Hier, pack die Satteltaschen voll. Ich gehe die anderen Pferde holen!“

Chris nickte und Lil stürmte zurück zum Stallgebäude. Als sie auf den Hof des Lagers schau-te, konnte sie überall kämpfe zwischen den Quioda und den Kazzaks sehen. Weitere Häuser lagen bereits in Trümmer oder brannten lichterloh und der Stoßtrupp der Kazzaks kam immer näher. Im Stallgebäude angekommen hechtete sie zu Nachtschatten und Castell und führte sie hinaus. Die anderen Pferde schrieen vor Panik und traten mit aller Gewalt gegen die Boxentü-ren um der drohenden Gefahr zu entkommen. Als Lil zurück im Lagerschuppen war ver-schnürte Chris gerade die letzte Satteltasche. Gemeinsam füllten sie die restlichen Taschen der beiden anderen Pferde und rüsteten sich mit Waffen aus die sie fanden und tragen konn-ten. Die beiden reiterlosen Pferde banden sie an ihren eigenen fest und stiegen hastig in die Sättel.

„Stada!“, rief Lil mit erhobener Hand. Die Tür zum Schuppen zersprang krachend in ihre Einzelteile. Chris ritt voran blieb jedoch stehen als er das Chaos und die Zerstörung im Lager sah. „Bitte nicht…“, flüsterte er schockiert.

„Stado narva!“ Die Tür zum Stall zerbarst ebenfalls und gleichzeitig flogen die Boxentüren auf und die Pferde rannten hinaus in die Freiheit.

„Wo müssen wir hin?“, rief Lil Chris über den Lärm zu.

„Dort rüber!“ Er zeigte auf die andere Seite des Lagers. Sie mussten nicht durch die Mitte des Kampfgeschehens, konnten jedoch auch nicht ganz ausweichen. Lil lies ihr Pferd los preschen und Chris folgte in geringem Abstand. Er wollte absteigen und helfen, doch er wusste das er Wichtigeres zu tun hatte. Er musste bei seiner Schwester bleiben und ihr beistehen. Also wandte er den Blick von seinen Freunden ab und konzentrierte sich auf vorn, wo Lil ihnen mit ihrem Schwert und Magie den Weg frei machte.

Unversehrt gelangten sie in den Wald von wo an Chris die Führung übernahm und so schnell es ging entlang jagte. Er war sich sicher das sie verfolgt werden würden. Sie waren noch nicht weit gekommen als Chris Rae auf sie zu rennen sah.

„Rae! Steig auf wir müssen hier weg!“ Chris hielt an und band ihr Pferd los.

„Ich muss Großvater finden!“, rief Rae laut und rannte weiter bis sie ein gewaltiger Schlag schmerzhaft von den Füßen riss. Lil war von ihrem Pferd gesprungen und hatte sich auf sie geworfen. „Sei nicht dumm! Es sind zu viele, sie werden dich töten! Dein Großvater ist sicher längst aus dem Lager geflohen. Er hat genug Leute um sich die ihn beschützen werden.“

Rae hieb mit der Faust auf den Boden, gab Lil jedoch recht. Sie stand auf, blickte noch einmal zurück zu den Flammen, welche jetzt überall im Lager loderten, und stieg dann auf Nacht-schatten. Hinter sich konnten sie bereits ihre Verfolger kommen sehen.

Sie ritten bis tief in die Nacht hinein ohne zu rasten oder merkbar langsamer zu werden, doch schließlich liesen die Kräfte der Pferde nach und sie waren gezwungen zu halten.

Ihr Essen bestand aus Brot und abgehangenem Fleisch. Ein Feuer anzuzünden konnten sie nicht riskieren und so saßen sie im Dunkeln da. Keiner sagte etwas.

Nach einer Weile brach Lil das Schweigen: „Ich halte die erste Wache“, murmelte sie und bewegte sich ein Stück weit vom Lager fort.

Rae und Chris machten es sich so weit es ging bequem doch sofort schlafen konnte trotz des Kräftezehrenden Ritts keiner von ihnen. Zu viele Fragen danach wie ihre Feinde das Lager hatten finden können, wie sie die Schutzzauber hatten umgehen können und was aus all ihren Freunden und ihrer Familie geworden war und noch viele weitere Fragen flogen durch ihre Gedanken. So dauerte es lange bis sie in einen unruhigen Schlaf fanden.
 

Es begann gerade erst zu dämmern als sie am nächsten Morgen ihre Sachen zusammen pack-ten und weiter zogen. Von ihren Verfolgern war seit Stunden nichts mehr zu hören, was je-doch nicht bedeutete das sie nicht mehr hinter ihnen her waren, also ritten sie weiter zügig voran um ihren Vorsprung so weit es möglich war auszubauen. So führten sie schweigend ihren Weg fort, rasteten kurz zur Mittagszeit und ritten dann bis spät am Abend weiter ehe sie einen geeigneten Unterschlupf fanden wo sie übernachten konnten. Nachdem sie aus herum-liegendem Holz ein Feuer entzündet und zu Abend gegessen hatten entschied sich Rae das Schweigen zu brechen. „Lil, ich muss dir etwas erklären. Als wir im Lager der Quioda waren hat mir mein Großvater…“

„Das Relikt des Clans gegeben. Ich weis“, unterbrach Lil sie.

Verwirrt funkelte Rae Chris an, doch dieser winkte ab „Ich habe ihr nichts gesagt.“

„Aber wie…?“ Rae blickte zu Lil und erwartete eine Erklärung.

„Es war nicht nötig das er mir davon erzählte. Ich kann es spüren.“

Schlagartig wurde Rae klar was vorging und mit dieser Erkenntnis kam eine weitere hervor die sie mehr erzürnte als sie angenommen hätte. „Ein Reliktträger kann die Anwesenheit an-derer Relikte spüren! Deswegen fühle ich die ganze Zeit schon etwas Seltsames! Du besitzt auch ein Relikt!“

Lil nickte ernst als Rae in die Höhe schoss. „Warum hast du mir nichts davon erzählt? Von welchem Magierclan kommst du? Und welches Relikt besitzt du?“, fragte Rae erzürnt.

„Ich beantworte dir deine Fragen, aber alles zu seiner Zeit“, antwortete Lil ruhig.

„Nein! Lil, ich will jetzt Antworten hören!“ Rae merkte wie laut sie geworden war und atmete ein paar mal tief durch um sich zu beruhigen.

„Also gut, wenn du darauf bestehst. Ich habe dir nichts davon erzählt weil man nicht einfach so von einem Relikt spricht. Als Reliktträger bist du ständig der Gefahr ausgesetzt das es dir abhanden kommen könnte. Auch du solltest es beherzigen und zu niemandem etwas darüber sagen. Und welches Relikt ich besitze, nun…“ Lil zog ihr Schwert aus der Scheide und hielt es vor sich. „Ich besitze das Relikt der Stärke.“

„Der Stärke? Es ist kein Relikt der Magier. Es muss also eines der Drachen sein. Wie bist du an es herangekommen?“

„Diese Frage werde ich dir heute nicht beantworten!“

„Du hast gesagt du gibst mir Antworten, also tu es auch“, sagte Rae hartnäckig.

„Nein!“ Lils Augen funkelten und ihr Gesicht verzog sich vor Zorn. Rae spürte das sie einen wunden Punkt getroffen hatte und obwohl sie neugierig war beschloss sie das es besser sei es für heute gut sein zu lassen. Ohne ein weiteres Wort stand sie auf und postierte sich für die erste Nachtwache während Lil und Chris sich schlafen legten.

Kapitel 8 (Rae)

Am nächsten Morgen brachen sie, noch bevor die Sonne aufging, auf. Ohne große Worte packten sie alles zusammen und ritten Richtung Süden. Sie waren bereits einige Stunden unterwegs und ritten ohne Hast um die Pferde zu schonen.

„Wenn ich mich recht entsinne sollte hier in der Gegend ein Dorf sein, vielleicht einen weiteren Tagesritt entfernt“, meinte Rae als sie gegen Mittag rasteten.

„Ja ich meine du hast Recht!“, erwiderte Lil und zog eine Karte aus ihrer Tasche hervor.

„Woher hast du die Karte?“, warf Rae ein. Sie selbst besaß eine und sie wusste, dass dies einer ihrer wertvollsten Besitze war. Vollständige Karten waren selten, denn immer wieder entstanden neue Siedlungen oder Dörfer wurden niedergebrannt. Nachtarr achtete sehr darauf das nicht zu viele Karten angelegt wurden und war dies doch der Fall lies er die Händler umbringen und die Karten zu sich bringen um sie in seiner Festung zu horten. Es war nicht einfach eine Karte zu erstellen, es erforderte Zeit und viele Reisen.

„Familienerbstück!“, erklärte Lil während Rae zu ihr lief und ihr über die Schulter blickte.

„Und sehr vollständig! Die Siedlung hier gibt es jedoch nicht mehr, als ich das letzte Mal durch diese Gegend kam war sie niedergebrannt!“, erklärte Rae und mit einem grinsen zog sie ihre eigene Karte hervor. Diese sah genauso mitgenommen wie Lils aus.

„Irgendwann sollte ich mir mal Papier besorgen und die Karte neuanlegen.“, grinste Rae Lil an.

„Keine schlechte Idee! Aber du hast recht, ein Dorf ist nicht allzu weit weg, wir sollten spätestens Morgen Nachmittag das sein!“

„Wir müssen uns überlegen was wir machen wollen! Wir könnten sagen wir sind auf einer Such- und Rettungsaktion. Wir suchen nach unserem Vater der sich in die Eiswüste begeben hat?“, warf Chris ein.

„Gute Überlegung, aber wir haben ein anderes Problem, wie finanzieren wir das ganze?“, erwiderte Rae.

„Wir könnten hoffen auf ein Kazzaklager zu treffen, das wir plündern können, aber selbst das wäre nicht genug. Warum musste auch euer Lager angegriffen werden?“, gab Lil ihre Meinung zugute.

„Weil das Relikt der Macht es nicht mehr geschützt hat! Wir sollten sehen was sich ergibt, wer weiß ob wir in dem Dorf überhaupt finden was wir brauchen. Wir haben ja noch die Münzen von der letzten Ausbeute. Damit sollten wir einiges bekommen können. Was genau wollen wir denn?“, erwiderte Rae.

„Proviant, warme Kleidung und vielleicht noch ein, zwei weitere Männer. Zwei Frauen die nur mit einem Mann reißen, sehen verdächtig und schwach aus und werden eher angegriffen

Ich will nicht jeden Tag kämpfen müssen, das hält auf!“, meinte Lil und schob sich eine Trockenfrucht in den Mund.

Sie ritten den Rest des Tages weiter und griffen das Thema immer wieder auf, kamen jedoch nie zu einer Lösung für ihr Problem. Wenn sie nicht zufällig über einen Schatz stolperten mussten sie sich etwas einfallen lassen.

Am Abend schlugen sie ihr Lager im Schutz der Bäume auf. Rae war gelangweilt und stichelte Chris schon seit einer Weile, auf magische und nicht magische Weiße. Außerdem ging ihr die Gesellschaft der beiden anderen auf den Geist und obwohl sie sich sicher war das auch Lil sich erst wieder daran gewöhnen musste mit anderen zu reißen und sie es ihr nicht einfacher machte, konnte sie es einfach nicht lassen.

„Es reicht! Verdammt noch mal! Wenn du zuviel Energie hast, lass uns kämpfen, ich hatte lange keinen Trainingspartner mehr und ich fühl mich wesentlich besser wenn ich weiß das ich mir keine Sorgen um dich machen muss wenn wir kämpfen!“, meinte Lil irgendwann und sprang auf, ihr Schwert in der Hand.

Ein Grinsen schlich sich in Raes Gesicht und sie sprang ebenfalls auf. Nicht lange und die beiden waren an dem Punkt angekommen an dem sie mehr tanzten als kämpften.

„Du hältst dich zurück!“, meinte Rae nach einer Weile.

„Und das weist du weil du schon so oft mit mir gekämpft hast?“, antwortete Lil schneidend.

„Dein Schwert ist ein Relikt!“

„Ja aber ich nutze nicht seine Kraft!“

Grinsend, schritt Rae aus, doch Lil parierte gekonnt. Es verging fast eine Stunde, bis sie sich außer Atem auf den Boden nieder ließen.

„Das tat gut! Ich habe seit langen keinen getroffen der so gut mit dem Schwert umgehen konnte!“, komplimentierte Lil Rae.

„Und das aus deinem Munde! Aber du selbst bist auch echt gut!“

Nachdem sie gegessen hatten übernahm Chris die erste Wache und sowohl Rae als auch Lil legten sich schlafen.
 

Die Sonne war bereits über ihren Zenit geschritten als sie in das Dorf ritten. Es war größer als sie erwartet hatten, was ihnen nur gelegen kam. Sie würden nicht so auffallen und die Wahrscheinlichkeit, dass man sich an sie erinnerte war geringer. Ebenso hatten sie bessere Chancen alles zu bekommen was sie brauchten. So konnten sie sich ohne weitere Umwegen in die Eiswüste aufmachen.

Sie teilten sich auf um schnellstmöglich alles zu bekommen, dann wollten sie sich treffen und gemeinsam nach Begleitern suchen, da dies die wichtigste Aufgabe war und sowohl für Rae als auch für Lil ungewohnt war. Beide waren solange alleine gereist das es ihnen schon fast zu viel war mit dem jeweils anderen und Chris zu reisen. Doch es war unausweichlich, wenn sie so schnell wie möglich vorankommen wollten ohne aufzufallen oder leichte Beute dar zustellen.

Als sie sich trafen zählten sie was sie noch über hatten doch es war lange nicht genug um Männer anzuheuern. Sie beschlossen in einer der Tavernen zu übernachten bis sie eine Lösung für ihr Problem gefunden hatten.

„Wir könnten eine der Karten verkaufen?“, schlug Chris vor, als sie beim Essen saßen. Lil und Rae hatten hin und her überlegt und starrten jetzt, schweigend auf ihr Mahl.

„Schlechte Idee, nicht nur das es verboten ist sie an jemanden anderen als Nachtarr zu verkaufen und wir wollen ja nicht Feinden in die Hände spielen. Überleg mal ein Kazzaktrupp bekommt die Karte in die Finger?“, schnauzte Rae ihn an.

„Als ob du eine bessere Idee hättest!“, schrie Chris, gleich auf hundertachtzig, zurück.

„Haltet die Klappe, beide und zwar sofort!“, zischte Lil und deutete auf drei Männer die gerade in die Kneipe getreten waren.

Sofort gaben die drei vor als würden sie sich über den Sturm der anstand unterhalten und wundern wie sie ihre Felder am besten schützen konnten. Lil jedoch blickte immer wieder zu den Fremden und auch Rae beschlich ein Gefühl des unwohlseins. Der Mann der ihnen den Rücken zudrehte, strahlte Magie aus.

„Warum verbirgt er seine Magie nicht?“, wunderte sich Rae leise, Chris jedoch meinte das er nichts spüren konnte.

„Wir sind stärker als gewöhnliche Zauberer, selbst wenn er sie verbirgt können wir sie immer noch spüren, die Relikte machen uns ebenfalls mehr empfindlich für solche Dinge!“, erklärte Lil.

Als hätte er sie gehört, drehte sich der Mann herum und kam zu ihnen herübergelaufen.

„Ich dachte doch ich hatte dich auf den Straßen gesehen! Wie geht es dir Lilith?“

Verwundert blickte Rae von Lil zu dem Fremden und als erstes fielen ihr, dessen Augen auf. Sie waren eisblau, fast schon unnatürlich. Sie strahlten förmlich vor Magie. Eines war sich Rae sicher, der Magier vor ihr hatte Macht. Er war nicht durchschnittlich wie die meisten anderen Magier sondern äußerst begabt. Er war stark, nicht so mächtig wie sie selbst oder Lil, jedoch stark.

„Demian? Was machst du soweit von deinem zu Hause entfernt?“, fragte Lil freundlich und warf Rae einen Blick zu der bedeutete, Halt dich raus!

„Ich bin nur auf der Durchreiße. Ich muss etwas besorgen, bin jedoch auf dem Weg zurück. Ich sehe du bist in Begleitung, ein seltenes Bild. Kenne ich die Clans deiner Begleiter?“

„Sie gehören keinen Clans an. Die beiden sind Geschwister, auf der Suche nach ihrem Vater, er war Teil einer Expedition in die Eiswüste!“, erklärte Lil, etwas abweichend von der abgemachten Geschichte.

„Die Eiswüste sagst du? Mh, sag war einer von euch jemals dort?“

„Nein!“, erwiderte Rae knapp unter einem strengen Blick von Lil.

„So, so! Sag was würdet ihr zu einem weiteren Begleiter sagen?“, wandte sich Demian an Chris, in der Annahme das dieser als der Mann das sagen hatte.

„Das ist Lils Entscheidung, schließlich kennt sie dich und wir haben sie als unsere Führerin engagiert!“, warf Rae ein, bevor Chris etwas sagen konnte. Sie hatten keine Zeit dies groß zu diskutieren und sie erinnerte sich noch zu gut an Lils Misstrauen ihr gegenüber, schließlich war es gerade ein paar Tage her, und doch vertraute sie ihr.

„Die beiden haben mich bereits mit allem bezahlt was sie hatten, wenn du dich uns anschließt, wäre es auf eigene Kosten und wir behalten uns vor dich nach belieben wieder auf eigene Wege zu schicken“, erklärte Lil sachlich, jedoch erstaunt das Rae ihr einfach die Entscheidung überließ, auch wenn sie ihr Recht gab, sie kannte ihn.

„Misstrauisch und befehlshaberisch wie immer!“, erwiderte Demian, jedoch mit einem Lachen im Gesicht, „Wann geht’s los?“

Kapitel 9 (Aiwe)

Je weiter sie nach Norden zogen desto kälter wurde es, obwohl sie noch sehr weit von der Eiswüste entfernt waren. Das Gebiet durch welches sie ritten war noch gut bewachsen und spendete genügend Futter für die Pferde, doch all zu bald mussten sie sich überlegen was sie mit den Tieren machen würden. Sie mit in die tödliche Eislandschaft zu nehmen wäre unklug wenn sie danach auf den Pferden weiter ziehen wollten.

Rae quälte sich indessen mit einer weiteren Frage die sie beschäftigte: Lil und Demian saßen oft dicht beieinander und redeten schnell und so leise miteinander das Rae nichts verstand. Zu gerne wüsste sie über was die beiden sich unterhielten, denn sie konnte sich vorstellen das es aus der Zeit war über die Lil nicht sprach. Überhaupt fiel ihr auf das die beiden sich auf eine ganz andere Art und Weise nahe waren wie die anderen Menschen. Sie hatte nicht erwartet das Lil so unbeschwert mit Leuten umgehen konnte. Aber auch Rae fing an Demian gern zu haben. Anfangs verhielt sie sich etwas zögerlich und zurückhaltend in seiner Gegenwart, doch mittlerweile unterhielt sie sich gern mit dem jungen Mann. Seine Augen fesselten sie immer wieder aufs Neue wenn er ihr Geschichten von Abenteuern erzählte die er angeblich erlebt hatte.

Sie waren bereits seit einer Woche unterwegs und saßen gegen Abend in ihrem aufgeschlagenen Lager am Feuer als Rae ihre Karte ausbreitete. „Hm, ich kann auf meiner Karte sehen wo die Eiswüste anfängt. Wir werden noch mindestens drei bis vier Wochen unterwegs sein. Aber wie es dann in der Eiswüste ist kann ich nicht sagen.“

Lil überlegte einen Moment und breitete dann ihrerseits ihre Karte aus. Anders wie auf der Karte von Rae war die Eiswüste genauso detailliert aufgezeichnet wie das restliche Land Vanarias.

„Warum wundert mich das jetzt nur nicht? Und darf ich raten, wenn ich Frage wieso du das eingezeichnet hast bekomme ich keine Antwort darauf, richtig?“, seufzte Rae ergiebig und lies sich neben Lil nieder um mit auf die Karte zu schauen.

„Richtig“, antwortete Lil mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen.

„Wo fangen wir eigentlich zu suchen an wenn wir dort sind? Ich meine das Land im Norden ist riesig und endet erst am Eismeer. Wie um Himmels willen sollen wir herausfinden wo…“, Rae hielt inne. Gerade noch rechtzeitig war ihr eingefallen das sie in Gegenwart von Demian nicht über die Relikte sprachen. „Ich meine, wo glaubst du sollen wir mit der Suche nach unserem Vater beginnen?“

„Ich bin mir nicht ganz sicher, glaube aber zu wissen wo es möglich wäre. Wenn wir dort ankommen wirst du sehen.“ Lil faltete die Karte wieder zusammen und verstaute sie in ihrem Wams.

Demian war dem Gespräch aufmerksam gefolgt, hatte sich aber jedwedem Kommentar enthalten, ebenso wie Chris.

In der Nacht hielten sie abwechselnd Wache und als die Sonne aufging und sie gefrühstückt hatten sammelten sie ihre Sachen zusammen und zogen weiter. Da Demian kein eigenes Pferd bei sich hatte ritt er auf Corall.

„Wir kommen noch an zwei kleinen Städten vorbei und Sophiron, die letzte große Stadt ehe wir die Grenze der Eiswüste erreichen. Das heißt wir können unsere Vorräte noch einmal auffüllen und in Sophiron geben wir die Pferde ab. Sie würden uns erfrieren oder verhungern wenn wir sie mitnehmen würden.“

Rae und Chris nickten auch wenn die Vorstellung zu Fuß durch die Eiswüste ziehen zu müssen nicht gerade prickelnd war.
 

Allmählich machte sich der Wetterumschwung auch in der Landschaft bemerkbar. Die Pflanzen wurden kärger und der Wind immer schneidender. Zwei Wochen waren sie nun schon unterwegs und hatten eine weitere Stadt hinter sich gebracht. Ihr nächstes Ziel war ein kleines Dorf in dem sie die Nacht verbringen wollten ehe sie nach Sophiron aufbrachen. Als das Dorf in Sicht kam wunderte sich Rae weshalb so viele Feuer entfacht waren. Überall stiegen kleine Rauchfäden in die Luft. Als sie sich zu Lil und Demian umwandte bekam sie gerade noch mit wie beide die Nase rümpften und sich einen kurzen Blick zu warfen. Lils Hand ruhte auf ihrem Schwert.

„Was ist los?“, fragte Chris nervös und nahm seinen Bogen von der Schulter.

„Ich weis es nicht“, antwortete Demian und trieb Corall langsam voran.

Sie näherten sich vorsichtig dem Dorf und konnten schon bald erkennen das es nicht die Kamine waren in denen Feuer brannten, sondern die Überreste einiger Häuser die noch immer qualmten. Der Boden war überall zertrampelt und aufgewühlt und hier und da zeichneten sich dunkle Blutlachen auf dem Boden ab. Von Menschen war weit und breit nichts zu sehen.

„Vielleicht haben sich die Bewohner nach Sophiron retten können“, sagte Lil während sie zwischen den Häusern durch ritten.

„Oder sie wurden als Sklaven mit genommen“, rätselte Rae. Es war nirgends auch nur eine Leiche zu sehen was sie wunderte.

Lil beschäftigte die Frage wer dieses Unheil angerichtet haben könnte. Ob es Banditen oder vielleicht sogar Kazzak waren. Sie hatten das Dorf schon fast hinter sich gelassen als eine Bewegung in den Häusern Lils Aufmerksamkeit erweckte. Sie hielt Schattenfeuer an und versuchte durch das Fenster etwas in der Finsternis des Hauses erkennen zu können. Noch im selben Moment da sich hinter der Scheibe etwas bewegte, zersplitterte eben diese und das Holz des Hauses zerbarst in seine Einzelteile als ein Kazzak durch die Wand gebrochen kam und sich mit voller Wucht auf Lil stürzte. Diese Riss es von Schattenfeuers Rücken herunter und mit einem dumpfen Aufprall landete sie auf dem Boden. Augenblicklich war Demian zur Stelle und stieß dem Kazzak sein Schwert von hinten in den Rücken. Als er Lil auf die Beine half stürmten aus allen Seitengassen weitere Ungeheuer auf sie zu.

„Wir müssen hier weg!“, rief Chris, schoss eines der Ungetüme mit einem Pfeil nieder und gab seinem Pferd das Zeichen los zu stürmen.

Lil und Demian stiegen zurück auf ihre Pferde und preschten hinterher, doch die Kazzak versperrten ihnen bereits den einzigen Ausweg aus dem Dorf hinaus, so dass Chris und Rae ihre Pferde scharf abbremsen lassen mussten.

„Riddock!“ Rae tötete einen der Kazzak und nutzte den Moment der Verwirrung bei ihren Feinden aus um mit einem Satz über sie hinweg zu kommen. Chris tat es ihr gleich und Demian und Lil überrannten die übrigen Ungeheuer einfach. Zurück auf freiem Feld trieben sie ihre Pferde erst richtig an. Hinter ihnen brüllten die Kazzak auf und machten sich an die Verfolgung ihrer Beute. Es kam Lil vor wie eine Ewigkeit ehe die Ungeheuer ausser Sicht waren und noch länger bis sie sie nicht mehr hören konnten.

Sie trieben ihre Pferde immer wieder von neuem erbarmungslos an bis es schließlich so finster war das sie nichts mehr sehen konnten und gezwungen waren halt zu machen bis es heller wurde.

„Sie werden uns weiter verfolgen und es ist noch ein Wochenritt bis wir Sophiron erreichen“, stellte Rae fest als sie ihr Lager aufgeschlagen hatten.

„Das heißt das wir uns beeilen müssen! Sobald es hell genug ist etwas zu sehen müssen wir weiter“, sagte Chris und nahm einen Schluck aus dem Wasserschlauch.

„Was mich im Moment mehr interessiert als die Kazzak die uns verfolgen ist, wer ihr seid! Ihr habt Magie benutzt also seid ihr keine gewöhnlichen Menschen. Erklärt euch!“, forderte Demian und warf Lil einen mürrischen Seitenblick zu.

„Ich wüsste nicht weshalb wir uns vor dir rechtfertigen sollten. Schließlich wissen wir über dich genauso wenig wie du über uns. Und vielleicht ist es besser wenn dies auch so bleibt.“ Rae blickte ebenfalls zu Lil und stellte zufrieden fest das diese kaum merkbar nickte.

„Nun gut, dann lasst ihr mich eben weiter im Unklaren“, seufzte Demian ergiebig und stand auf, „ich werde die erste Wache übernehmen.“

Als er außer Hörweite war wandte sich Chris zu Rae und Lil um, „Warum sagt ihr ihm nicht wer wir sind. Nicht was wir vorhaben aber wer wir sind. Ich glaube das könnte er wissen, oder etwa nicht?“

Lil schüttelte langsam den Kopf. „Ich kenne Demian schon sehr lange und wir waren gute Freunde gewesen. Aber die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen die Menschen die man einst kannte. Demian hat sich auch verändert. Ich weis nicht ob es klug wäre ihn jetzt schon komplett einzuweihen. Und was ihr seid, weis er längst.“

„Darüber können wir ein andermal weiter diskutieren. Wir sollten uns jetzt hinlegen. Ich habe das Gefühl das wir in nächster Zeit kaum Schlaf bekommen werden.“ Rae breitete ihre Decke aus und kuschelte sich hinein. Der Boden war zwar hart und kalt, aber dennoch fand sie schnell in den Schlaf.
 

Als Lil unsanft von Demian geweckt wurde setzte sie sich auf und rieb sich den Rücken, welcher noch vom Sturz von Schattenfeuers Rücken schmerzte. Im Dunkeln konnte sie Demians Gesicht nicht ganz erkennen, doch sie sah die Eile die in seinem Blick lag.

„Kazzak?“, flüsterte sie leise. Demian nickte.

Während Lil hellwach aufsprang und die Sachen zusammenpackte weckte Demian die beiden anderen.

„Es ist noch mindestens eine Stunde vor Sonnenaufgang. Wenn wir jetzt los reiten kommen wir womöglich vom Weg ab und es dauert noch länger bis wir Sophiron erreichen“, kommentierte Chris ihren Aufbruch als sie sich in die Sättel schwangen. „Außerdem ist es noch stockfinster. Der Himmel ist so stark bewölkt und es ist Neumond, sodass kein Licht durchkommt. Ich sehe fast nichts.“

Als jedoch jemand nach seinen Zügeln griff und sich Castell in Bewegung setzte verstummte er. „Ich sehe genug um dich zu führen bis es heller wird.“ Es war Demian der sein Pferd hinter dem seinen her führte und in zügigem Tempo los ritt. Lil hatte Raes Zügel übernommen und folgte Demian und Chris.

„Lil, ich kann keine Kazzak hören! Wie kommt Demian auf die Idee das sie in der Nähe sind?“, fragte Rae in die Finsternis. Würde sie Magie einsetzten könnte sie etwas sehen, doch die Gefahr war zu groß das dann auch ihre Feinde sie erspähen konnten.

„Sie sind näher als du denkst. Es scheint als seien sie die ganze Nacht durchgelaufen während wir rasteten“, antwortete Lil und zog das Tempo noch etwas an.

„Demian war der einzige der Wache hielt! Und das fast die ganze Nacht durch. Und ich kann genauso wenig etwas von den Kazzak hören, wie das ich auch nur mehr wie einen halben Meter vor mir etwas erkennen kann. Aber allem Anschein nach können Demian und du sehr wohl etwas sehen. Und auch die Kazzak habt ihr gehört, oder zumindest Demian, der es behauptet. Ihr seid beide anders wie wir. Wer also seid ihr?“

Es war eine ganze Weile still ehe Lil antwortete. „Du wirst noch erfahren wer wir sind. Aber nicht jetzt und nicht in den nächsten Tagen. Gedulde dich!“

Rae nahm die Antwort die sie bekommen hatte erst einmal kommentarlos hin und gab sich damit zufrieden das sie nun bestätigt worden war das Lil anders war als sie.

Als die Sonne am Horizont erschien lies Lil die Zügel von Nachtschatten los und überließ Rae die Führung über ihr Pferd. Je mehr Tageslicht erschien und ihren Weg beleuchtete desto schneller wurden sie. Als es hell genug war um die Ebene überblicken zu können preschten sie über die immer karger werdende Landschaft hinweg bis die Pferde müde wurden und sie ihr Tempo ein wenig verringern mussten. Als Rae am Morgen über die Schulter geblickt hatte erschrak sie als sie am Himmel Rauchschwaden erkennen konnte. Die Kazzak waren nicht so weit von ihnen entfernt gewesen wie sie annahm.

Als es am Abend dämmerte stiegen sie von den Pferden um sie zu tränken und zu füttern und um selbst etwas herunter zu schlingen. Anschließend banden sie die Zügel von Raes und Chris Pferd an den Sätteln von Schattenfeuer und Corall fest und zogen etwas langsamer als über Tag weiter.

Irgendwann überkam Rae der Schlaf und sie nickte über dem Hals von Nachtschatten ein.

Kapitel 10 (Rae)

Langsam ging die Sonne am westlichen Horizont unter. Rae hatte zwischenzeitlich Lils Zügel übernommen und Chris die von Demian, dass dieser sich ebenfalls etwas im Sattel ausruhen konnten. Nun ritten sie alle nebeneinander her.

Sie hatten es nicht geschafft ihre Verfolger abzuhängen, doch war es ihnen gelungen den Abstand nicht kleiner werden zu lassen. Doch der lange Ritt, hatte an ihren Kräften gezehrt und vor allem die Pferde erschöpft, die letzten Stunden waren sie immer langsamer vorangekommen.

Wie es dunkler wurde konnten sie am Horizont vor sich Lichter erkennen. Sophiron war nur noch einige Stunden entfernt. Die Pferde mussten noch solange durchhalten, dann konnten sie erstmal im Schutz der Stadt untertauchen.

„Sie holen auf!“, erklärte Lil nachdem sie erneut langsamer wurden.

„Ich bin erstaunt, dass wir sie so lange auf Distanz halten konnte!“, erwiderte Rae.

Sie ließen die Pferde etwas traben, da sie die Tiere nicht zu Tode hetzen wollten.

„Meinst du wir sollen versuchen die Kazzak mit Magie aufzuhalten?“

Sie hatten bisher nicht offen über Magie gesprochen, Rae war sich nicht sicher ob sie Demian trauen konnte. Er hatte das Thema zwar nicht noch mal angesprochen, doch seine Reaktion auf ihre Enthüllung, dass sie eine Magierin war hatte ihr nicht gefallen.

Demian hatte sich als vertrauenswürdig erwiesen, sicher er hätte sie nicht wecken müssen als die Kazzak näher kamen, wenn er auf deren Seite gewesen wäre. Trotzdem war sie vorsichtig gewesen, nicht noch einmal Magie zu benutzen, doch ihr war bewusst das ihm klar sein musste das sie stärker war als sie vorgab, denn wie sonst sollte er sich erklären das sie ihre Magie vor ihm hatte verbergen können?

„Willst du sie wirklich darauf hinweißen, dass wir so stark sind?“

„Ich mein nur irgendetwas an der Sache ist faul. Wir haben Magie gegen sie eingesetzt, doch das sie deswegen eine Hetzjagd veranstalten ist untypisch. Es ist wie du sagst, es war kein mächtiger Zauber und dennoch verfolgen sie uns so hartnäckig. Dabei wissen sie gar nicht wie stark wir wirklich sind. Warum geben sie nicht auf?“

„Vielleicht haben wir einen der ihren umgebracht der ihnen wichtig war?“, schlug Demian vor.

„Ich habe schon oft gegen Kazzak gekämpft und viele getötet aber ich habe bei ihnen noch nie das Verlangen nach Rache bemerkt. Und jemand wichtiges bei den Fußsoldaten? Glaub ich nicht! Wenn wir eine Gelegenheit haben, sollten wir versuchen herauszufinden was los ist!“

Lil stimmte Rae zu. Es waren berechtigte Fragen und jetzt wo Rae es aufwarf und sie drüber nachdachte hatte auch sie dieses Verhalten noch nie bei Kazzaks gesehen.

Was also waren die Befehle ihrer Verfolger? Wusste Nachtarr etwa das sich eines der Relikte in der Eiswüste befand? Sollten sie einfach nur jeden gefangen nehmen der sich nach Norden aufmachte? Das war unlogisch schließlich lag eine der wichtigsten Handelsstätte dieser Gegend vor ihnen und viele reisten zur letzten Stadt im Norden.

Oder waren es Chris und Rae, hatten sie sie vielleicht verraten? Sie vertraute Rae und doch was wusste sie schon über diese?

Rae hatte ähnliche Gedanken auch sie wunderte sich was vor sich ging und ob Lil sie doch verraten hatte. Sollte sie sich wirklich so in ihr geirrt haben? Sie dachte nicht das Demian sie verraten würde, denn er wusste ja eigentlich nicht wer sie waren und was der Zweck ihrer Reise war.

Als sie an den ersten Ausläufern der Stadt vorbeikamen stoppte Lil plötzlich und drehte sich im Sattel herum.

„Sie werden langsamer! Ich glaube wir haben es geschafft! Sicher können wir erst sein wenn wir die Stadtgrenzen erreicht haben, aber ich glaube nicht das sie sich in den Parameter der Stadt hineinwagen.“, erklärte sie.

„Dann lass uns weiterreiten! Es sollte höchstens noch eine Stunde sein!“, meinte Demian.
 

Sie hatten sich eine Herberge gesucht, als sie die Stadt erreichten und noch bevor die Sonne aufging legten sie sich schlafen.

Als sie einige Stunden später erwachten, packten sie ihre Sachen zusammen und fragten den Barmann wo sie Schlittenhunde und zugehörige Ausrüstung bekommen konnten.

Es dunkelte bereits als sie durch die dunklen Straßen liefen und nur noch wenige Menschen waren unterwegs, eingeschüchtert von den Soldaten die in der Stadt patrouillierten.

„Wo sind nur alle Menschen? Ich dachte dies ist eine Handelsstadt?“, fragte Chris nach einer Weile als sie an einem fast leeren Markt vorbeikamen.

Lil und Rae warfen sich einen kurzen Blick zu, denn dieses Bild fand sich fast überall. Angst vor Überfällen und der Willkür der Soldaten und Statthalter.

„Es ist Nachtarrs Werk. Selbst Krieg hält Menschen nicht so zu Hause wie sein Regime. Er ist der Untergang Vanarias. Die Menschen trauen sich nicht mehr nach draußen wenn es dunkel wird!“, flüsterte Lil und gab ihm dann zu verstehen das Thema nicht weiter zu verfolgen da es zu gefährlich war. Es mussten nur die Falschen Ohren zuhören und sie würden am nächsten Tag am Galgen hängen.

Zuerst tauschten sie ihre Pferde gegen Schlittenhunde ein. Wenn sie aus der Eiswüste zurückkamen und wieder in Sophiron waren würden sie die Hunde zu ihrem Herrn zurück bringen und dafür ihre Pferde wieder bekommen.

Der Mascher, bei dem sie sich erkundigten war gar nicht begeistert als er hörte, dass sie sich in die Eiswüste aufmachen wollten. Dabei hatten sie ihm nicht anvertraut, wie weit sie in diese vordringen wollten.

Erneut hatten sie ihre Geschichte nach dem verschollenen Vater als Erklärung angegeben und gesagt sie würden am Rand der Eiswüste nach ihm Suchen gehen.

Zwei der Hunde kamen angelaufen und schwänzelten um die Ankömmlinge.

Er machte sich große Sorge um seine Tiere, doch als er sah wie diese auf Rae und Lil reagierten, lies er sich doch überreden ihnen seine kostbaren Hunde anzuvertrauen.

Am Ende stellte er ihnen zwei Hundeschlitten zur Verfügung, sie würden diese je zu zweit führen.

Alles würde am nächsten Morgen bereit sein, dank einigen extra Goldstücken. Demian hatte für alles bezahlt. Rae hatte ihm versprochen ihn zu entschädigen so wie sie die Möglichkeit hatte, doch er lehnte es ab. „Ihr lasst mich mit euch reisen und ich habe für unsere Reisemöglichkeit gezahlt. Damit wären wir Quitt.“

Wenn er so wollte, würden sie und Lil sich keinen Kopf mehr darüber machen.

Das Wetter sah gar nicht gut aus. Erneut war es extrem dunkel geworden, daher entschieden sie sich eine weitere Herberge aufzusuchen und nachdem sie etwas zu Abend gegessen hatten gingen sie zu Bett. Sie mussten so oder so bis zum Morgen warten also konnten sie auch noch einmal Kräfte sammeln für die bevorstehende Reise.
 

Doch auch in dieser Nacht fanden sie nur wenig schlaf. Kurz nach Mitternacht setzte ein Schneesturm ein, der sie alle weckte. Die ganze Stadt schien auf den Beinen zu sein. Wachen liefen durch die Gassen und immer wieder hörte man Geschrei. Die vier entschieden sich drin zu bleiben und ihre einzige Hoffnung war das der Sturm mit der aufgehenden Sonne nachlassen würde, so dass sie aufbrechen konnten.

Es wäre riskant eine weitere Nacht in Sophiron zu verbringen. Die Kazzak hatten sicher dem Statthalter Bericht erstattet.

„Wir sollten aufbrechen, egal wie das Wetter ist. Sobald wir weit genug nördlich sind können wir uns mit Hilfe der Magie vor dem Schlimmsten schützen!“, meinte Rae. Sie diskutierten bereits seit einer halben Stunde hin und her was sie tun sollten.

„Die Eiswüste ist unbekanntes Gebiet, wer weis was dort haust und willst du es wirklich mit Magie anlocken?“, warf Demian ein.

„Magie kann man verbergen!“, schnauzte Rae ihn an. Alles was sie vorgeschlagen hatte wurde von Demian angefochten. Sie wollte wieder alleine unterwegs sein, alles war einfacher gewesen, sie musste sich nach niemandem richten, sie musste sich vor niemanden rechtfertigen. Doch sie wusste alleine würde sie nie ihr Ziel erreichen.

„Rae hat recht! Wir können nicht länger hier bleiben, als unbedingt notwendig. Wir sollten versuchen morgen früh aufzubrechen, dann werden wir ja sehen wie weit wir ohne Magie kommen und dann können wir immer noch entscheiden was wir tun werden.“, beendete Lil das Gespräch.

Später während sie alle versuchten wenigstens etwas zu schlaf, bekamen sie beide noch mit wie sich Demian aus dem Zimmer schlich. Er kam etwa eine Stunden später wieder, doch dachten sich weder Lil noch Rae etwas dabei.
 

Früh am nächsten morgen waren sie aufgebrochen. Der Sturm hatte etwas nachgelassen gehabt und sie kamen zuerst relativ gut voran.

Nach wenigen Stunden jedoch, gerade als sie die Grenzen der Stadt erreicht hatten, fing ein eisiger Wind an ihnen in die Gesichter zu wehen. Und als ob das nicht ausreichen würde, erneut hatten sie die Kazzak auf den Fersen.

„Ich kann nicht glauben das diese Viecher schon wieder hinter uns sind, wie haben sie uns gefunden?“, meckerte Chris, welcher eingemummelt im Schlitten saß, während Rae hinter ihm stand und die Richtung hielt.

„Sie müssen Späher rund um Sophiron aufgestellt haben.“, erklärte Lil, welche sich mit Demian den Schlitten teilte.

„Ich wusste gar nicht, dass die Kazzak sich in die Eiswüste trauen. Ich dachte immer das wäre Niemandsland, in dass sich keiner reintraut?“, wunderte sich Rae und blickte Lil an, da sie sich dachte diese wusste bestimmt mehr darüber.

„Andere Frage wie sollen wir nach eurem Vater suchen, wenn wir die Kazzak direkt hinter uns haben?“, warf Lil ein, dabei warf sie einen Blick auf Demian, welcher vor ihr im Schlitten saß.

Daran hatte Rae nicht mehr gedacht. Demian war teil ihrer Gruppe geworden und sie hatte total vergessen, das er den wahren Grund ihrer Reiße nicht kannte.
 

Sie waren bereits über zwei Wochen unterwegs. Die Kazzak schienen nicht darauf aus zu sein sie einzuholen, denn wann immer sie rasteten, taten diese das gleiche.

Diese Verhalten verwirrte nicht nur Lil und Rae, selbst Chris viel es auf und er fand es höchst seltsam.

„Sie halten den Abstand weiterhin?“, fragte Chris, Lil nun bereits zum wiederholtem mal.

„Jap aber das ist gerade unser kleinstes Problem, habt ihr gemerkt wie sich der Untergrund verändert?“, stellte sie eine Gegenfrage.

„Der Schnee wird immer mehr zu Eis?“, vermutete Rae.
 

Wenige Tage später hatten sie den Schnee ganz hinter sich gelassen, sie waren nun offiziell in der Eiswüste, kein Grenzland mehr.

Die Kazzak hatten das Tempo etwas angezogen doch nicht zu sehr, als das sie den Abstand verringern würden, gerade genug um Lil und Rae an die Grenzen der Hunde gehen zu lassen.

Dafür war jedoch endlich das Wetter besser geworden, kein Wind wehte mehr und sie kamen gut voran.

Sie hatten gerade Pause gemacht und Plätze getauscht, Chris und Demian hatten sich erneut in die Schlitten eingemummelt, als sie ein lautes Knacken hörten. Sofort hielten sie die Hunde wieder an und lauschten.

„Das hörte sich gar nicht gut an!“, meinte Chris überflüssig.

„Ach wirklich? Ich dachte das wäre das Zeichen das wir endlich aus dieser verdammten Kälte raus sind!“, erwiderte Rae genervt, als es erneut knackte.

Diesmal blickten sie alle auf den Boden. Im Eis hatten sich Risse gebildet. Lil blickte Rae an und diese nickte. Ganz langsam bewegten sie sich vorwärts, einer nach dem anderen, nie gleichzeitig.

Sie dachten bereits sie hätten es geschafft, von der brüchigen Eisschicht herunter zu gelangen, als mit einem erneuten Knarren das Eis nachgab und unter ihren Füßen einbrach.

„Carpea aerum“

Ohne groß nachzudenken fing Rae den Sturz mit Magie ab und sie landeten in einem Regen aus Eissplittern.

„Das war knapp!“, schnaufte Chris und befreite sich aus dem Harnich, das ihn im Schlitten hielt.

„Wir hätten mal schon eher daran denken sollen Magie einzusetzen, um das Eis vor dem einbrechen zu schützen!“, meinte Lil und half Demian ebenfalls aus dem Harnich.

„Ich frage mich …“, wunderte sich Rae mit einem Blick nach oben. Sie murmelte erneut Magische Worte und das Loch in der Eisschicht über ihnen schloss sich wieder.

„Zumindest sind wir jetzt die Kazzak los!“, grinste Rae und begann sich umzusehen.

Sie schienen in einer Höhle aus Eis zu sein. Durch die Eisdecke schien Licht hindurch, und lies alles in einem grauen blauton erscheinen. Die Wände waren spiegelglatt und wurden nach obenhin enger.

Sie schienen in einer Art unter irdischem Tunnelsystem gelandet zu sein.

„Wollen wir mal hoffen das es irgendwo einen Ausgang gibt.“, grummelte Lil und begann die Hunde zu entwirren.

Kapitel 11 (Aiwe)

Überall in den Tunneln glitzerte es wie aus tausenden und abertausenden Diamanten. Die Wände waren spiegelglatt und gute dreißig Meter hoch. In den Gängen durch die sie liefen konnten sie bequem nebeneinander laufen ohne den anderen auf die Pelle zu rücken. Es war ein gigantisches Naturbauwerk in dem sie sich befanden und hätten sie nicht andere Gedanken und Sorgen im Kopf wären sie aus dem Staunen gar nicht mehr herausgekommen.

Über ihnen schwang sich die Decke elegant in einem Halbbogen entlang und offenbarte Ansammlungen von gigantischen Eiszapfen, von welchen sie nur hoffen konnten das sie nicht herab stürzten.

Seit ihrem Sturz in diese fremde Welt wussten sie nicht mehr wie viel Zeit vergangen war, geschweige denn ob es Nacht oder Tag war. Sie liefen bis sie müde waren und ruhten sich aus bis sie weiter ziehen konnten.

Obwohl sie es sich nicht anmerken lies hatte Lil die meisten Probleme mit der Kälte. Es war nicht so das sie viel mehr fror als die andern, aber das körperliche und seelische Unbehagen in ihr übertraf das der anderen bei weitem. Sie wünschte sich nichts sehnlicher als endlich die Eiswüste zu verlassen und zurück nach Sophiron zu kehren um dann ihren weiteren Weg zu planen. Aber noch hatten sie die Eisdrachen nicht gefunden und das Relikt lag weiter irgendwo im Eis und Schnee versteckt. Zudem bahnte sich des Weiteren das Problem eines Ausganges an. Sie suchten die Wände, die Decke und sogar den Boden genau ab während sie entlang gingen, doch konnten sie nichts finden was darauf schließen lies das sie wieder an die Oberfläche kamen.

Als sie wieder einmal vor einer Gabelung standen und nicht wussten wo sie lang sollten breiteten sie ihre Decken auf dem Boden aus und beschlossen etwas zu essen und sich in dieser Zeit zu beraten.

„An der letzten Gabelung sind wir nach rechts gegangen. Ich finde dann sollten wir diesmal nach links“, schlug Chris vor.

„Ich wäre wieder für rechts“, antwortete Demian ruhig.

„Rechts, links, dass ist doch alles egal. Es sieht überall gleich aus. Wir hätten am besten versucht aus dem Loch wieder raus zu kommen. Kazzak hin oder Kazzak her“, murrte Lil übel gelaunt.

„Ich schlage vor…“, noch während Rae ansetzte verschlug es ihr die Sprache als ein gigantischer Schatten im linken Tunnel auftauchte. Das Licht reichte nicht aus um das Wesen komplett zu erhellen, doch die goldenen Augen die aus der Finsternis stachen reichten aus um ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagen zu lassen. Mit einem Ruck war sie auf den Beinen und zog ihr Schwert. Die anderen sprangen ebenfalls kommentarlos hoch und zogen die Waffen.

„Was ist los?“, fragte Lil angespannt.

Es waren nur zwei Sekunden gewesen in denen Rae weg gesehen hatte, doch als sie wieder in den Tunnel blickte war der Schatten verschwunden.

„Da war etwas im Tunnel“, antwortete Rae.

„Gut, wir nehmen den rechten Gang“, beschloss Demian gebieterisch, räumte die Sachen zusammen und lief los ohne weiter auf Antworten zu warten. Die anderen folgten ihm schweigend.
 

Es kam ihnen vor als wären sie tagelang dem Gang gefolgt. An einer weiteren Gabelung erschienen erneut die goldenen Augen des Ungetüms und zwangen sie weiter nach rechts zu gehen. Seitdem gab es keine weitere Weggabelung mehr und sie hatten das Gefühl das sie immer tiefer unter die Erde drangen, auch wenn der Weg scheinbar gerade war. Die Stille die in ihrem Gefängnis aus Eis herrschte war bedrückend, doch noch bedrückender war die Kälte. Lil und Rae’s Haarspitzen waren bereits mit Eis überzogen und trotz der Bewegung die sie hatten, war ihnen bitterkalt. Wenn sie bald keinen Ausweg finden würden mussten sie versuchen mit Magie an die Oberfläche zurück zu gelangen, da der Rückweg zu lange war. Sollte ihnen das nicht gelingen würden sie erfrieren oder verhungern, denn allmählich gingen auch ihre Vorräte zur neige.

Als Lil schon fast die Hoffnung aufgab und zur letzten Möglichkeit die sie aufbringen konnte greifen wollte ertönte vor ihnen im Gang ein leises Summen. Augenblicklich erstarrten Demian und Lil und warfen sich einen viel sagenden Blick zu.

Rae und Chris standen ratlos daneben. Das Summen erklang erneut und lies die Wände leicht vibrieren.

„Was ist das?“, fragte Chris verwirrt.

„Wir sind fast da“, antwortete Lil erleichtert und lief mit neuer Energie los.

„Woher weist du das?“, fragte Rae und setzte ihr nach während Demian und Chris die Hunde hinter sich her führten.

„Das was du soeben gehört hast, war ein Drache. Und er heißt uns willkommen.“

„Ist das dein Ernst?“

Lil nickte mit einem freudigen Lächeln auf den Lippen und beobachtete Rae die aufgeregt die Hand ans Schwert legte.

Das Summen ertönte nicht noch einmal und schon bald glaubte Rae das sie anfingen verrückt zu werden. Stunden um Stunden vergingen während sie immer weiter liefen und schon bald waren sie alle erschöpft und müde und dachten bereits über eine Rast nach als Demian nach vorne deutete. „Seht nur!“

Vor ihnen schien helles Licht um eine weitere Kurve des Tunnels und lies das Eis glitzern und strahlen. Als sie dem Weg folgten und um die Ecke bogen öffnete sich der Tunnel mit einem Mal vor ihnen und erstreckte sich in eine Höhle mit so gigantischen Ausmaßen das sie stehen bleiben und die Eindrücke verarbeiten mussten.

Überall funkelte und glitzerte es in der Höhle, ganz so als wäre sie aus Millionen und Abermillionen Diamanten entstanden. Eiszapfen noch größer als die, die sie bereits gesehen hatten, hingen von der Decke herab, welche Kilometerweit über ihre Köpfe reichte. Weitere gigantische Tunnel gingen von der Höhle in verschiedene Richtungen ab und führten wohl bis tief unter die Eiswüste. Das Dach über ihren Köpfen war so geformt und vereist, dass es eine Kuppel bildete und Sonnenlicht hindurch lies. Von oben musste es aussehen wie ein weiterer Schneeberg unter vielen, wenn man geblendet vom Weiß des Schnees zufällig vorbei lief. Chris stand der Mund offen bis Rae ihn mit dem Ellbogen in die Seite stieß.

Und dann sah sie es. Ein golden funkelndes Augenpaar direkt im Tunnel vor ihnen. Reflexartig zog Rae ihr Schwert, doch Demian legte ihr beschwichtigend eine Hand auf den Arm und schüttelte sanft den Kopf. Widerwillig steckte Rae ihre Waffe zurück in die Schwertscheide.

Der Boden vibrierte sanft als sich das Augenpaar in Bewegung setzte. Kurz bevor das Wesen ins Licht der Höhle trat zwinkerte es kurz und das Augenpaar verschwand. Angespannt warteten die Gefährten ab was geschah, bis eine junge Frau ins Licht trat. Ihre Haare waren schneeweiß und sie trug ein langes, himmelblaues Kleid das sich perfekt an ihren schlanken Körper anschmiegte. Mit schnellen Schritten kam sie näher und blieb schließlich mit einem zarten lächeln auf den Lippen vor ihnen stehen. Ihre Augen waren golden.

„Willkommen im Reich der Eisdrachen. Unser Anführer Soulfly erwartet euch bereits. Mein Name ist Seraphina. Folgt mir.“

Die junge Frau wandte sich um und eilte mit einer Anmut davon die Chris den Atem raubte.

Begeistert folgte er ihr und nach ihm Demian. Lil und Rae bildeten mit den Hunden den Schluss.

„Ist das ein Drache?“, fragte Rae skeptisch.

Lil nickte.

„Warum zeigt sie sich dann nicht offen?“

„Weil sie nicht unter ihres gleichen ist wenn wir bei ihr sind. Die Drachen sind sehr vorsichtig damit geworden wem sie ihre wahre Gestalt offenbaren und wem nicht.“

Rae wollte noch weitere Fragen stellen, beschloss dann jedoch es fürs erste gut sein zu lassen. Sie folgten Seraphina durch ein Gewirr ineinander laufender Tunnel die alle so gigantisch waren wie die aus denen sie kamen. Als sie vor Erschöpfung kaum noch einen Schritt vor den anderen setzen konnten blieb Seraphina schließlich vor einem großen Tor stehen, welches auf atemberaubende Weise aus Eis gefertigt war.

„In diesen Hallen wartet Soulfly auf euch. Ich weis ihr seid müde und erschöpft, denn der Weg hier her war sehr lange und doch möchte ich euch bitten noch einen Moment durchzuhalten. Unser Clanführer wird euch willkommen heißen und dann dürft ihr in eure Gemächer euch ausruhen.“

Wie auf Befehl öffneten sich die riesigen Torflügel lautlos und offenbarten eine noch eindrucksvollere und größere Halle als die vorige in welcher sie Seraphina getroffen hatten. Säulen aus Eis erstreckten sich Meterweit eindrucksvoll bis an die Decke hinauf, die ebenfalls gewölbt war und das Sonnenlicht hineinschienen lies. An den Wänden hingen Fackeln die das Licht der Flammen im Eis widerspiegelten und sonderbare Formen und Muster in die Höhle warfen. Am anderen Ende der Halle stand auf einem großen, erhobenen Podest ein Mann gehobenen Alters. Seine Haare waren silbrig und er trug einen seidenen Marineblauen Mantel. Als sie näher kamen ruhten seine grauen Augen sanftmütig auf ihnen und zum Gruß hob er die Arme und streckte sie auseinander als wolle er die Fremden umarmen.

„Willkommen in den Hallen der Eisdrachen, mein Name ist Soulfly. Ihr seid die ersten seit sehr langer Zeit die unsere Hallen betreten dürfen. Bevor ihr mir nun sagt aus welchem Grund ihr uns aufgesucht und euch soweit in die Eiswüste begeben habt, nennt mir bitte eure Namen.“

„Das sind die Zwillinge Rae und Chris, dies ist Lilith und ich bin Demian.“ Bei seinem eigenen Namen zögerte Demian ein wenig und die Art wie er es aussprach verwirrte Rae. Schnell spähte sie zu Soulfly hinauf doch seine Züge waren unverändert. Vielleicht hatte Rae sich auch nur eingebildet etwas aus der Art und Weise wie Demian gesprochen hatte herauszuhören.

„Nun gut. Da ich nun eure Namen kenne, nennt mir euer Anliegen.“

Diesmal trat Lil vor, „Wir sind auf der Suche nach den sechs Relikten. Eines davon befindet sich in eurem Besitz. Wir möchten euch bitten es uns anzuvertrauen, denn nur so ist es uns möglich etwas gegen Nachtarr zu unternehmen und unserer Welt wieder Frieden zu schenken.“

Demians Kiefer verkrampfte sich und er warf einen schnellen Seitenblick zu Lil. Soulfly blieb weiterhin ungerührt, doch seine Augen hatten sich verändert. Sie hatten einen harten Ausdruck angenommen und sich zu Schlitzen verengt. Er musterte Lil eingehend und starrte sie eine halbe Ewigkeit lang an, bis er schließlich den Blick zu Seraphina gleiten lies.

„Meine Liebe, bringe unsere Gäste bitte auf ihre Gemächer. Wir werden unsere Unterredung fortführen wenn sie ausgeruht und gesättigt sind. Bis dahin ziehe ich mich zurück. Ich muss mich mit den anderen unseres Clans bereden.“

Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um und verschwand im Schatten des Podestes. Seraphina trat vor und nickte den Gefährten zu. „Folgt mir.“

„War es klug Demian die Wahrheit zu erzählen?“, flüsterte Rae Lil zu als sie Seraphina folgten.

„Ich glaube er dachte es sich bereits. Die Lüge mit eurem Vater hat er uns nicht geglaubt.“

Seraphina blieb vor vier Türen stehen und drehte sich zu ihren Gästen um. „Bitte, hier könnt ihr euch ausruhen. Essen und Wasser stehen für euch bereit. Ich werde nach euch schicken lassen wenn Soulfly und die anderen Weisen einen Beschluss gefasst haben.“ Sie nickte kurz zum Abschied und verschwand dann mit eleganten Schritten.

Rae und Chris gingen schulterzuckend auf ihre Zimmer und als Lil es ihnen gleich tun wollte hielt Demian sie am Arm fest. „Ihr sucht also die Relikte. Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?“

„Du wusstest es doch bereits. Demian, ich kenne dich. Spätestens als wir eingebrochen sind und nicht versucht haben wieder nach oben zu gelangen muss dir klar geworden sein das wir nicht nach einem Vermissten suchen. Doch verzeih mir bitte das ich dich nicht gleich eingeweiht habe.“ Lil senkte betreten den Kopf.

Demian seufzte ergeben und nahm ihr Kinn zwischen seine Finger um ihren Kopf anzuheben. „Es gibt nichts was ich verzeihen müsste. Du hast gehandelt wie man es heut zu tage erwarten sollte bei jemandem der versucht zu überleben. Aber ich bitte dich mir ab sofort die Wahrheit anzuvertrauen wenn ich euch weiterhin begleiten soll. Denke daran, wenn ich bei euch bin, bist du nicht alleine.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und verschwand in einem der letzten beiden freien Zimmer.

Kapitel 12 (Rae)

Unsanft wurde Lil wach gerüttelt, aus Reflex griff sie nach ihrem Schwert doch im nächsten Moment realisierte sie, das es Rae war die da an ihrem Bett stand.

„Wah, was weckst du mich? Ich hätte dir beinahe den Kopf abgehauen.“, gähnte sie und wollte sich wieder auf die andere Seite drehen und weiter schlafen.

„Du schuldest mir ein paar Antworten!“, meinte Rae und zog Lils Decke weg.

„Kann das nicht bis morgen warten?“, nuschelte diese und rollte sich ein.

„Nein, verdammt noch mal! Du erkennst einen Drachen, der Clanführer akzeptiert einfach, dass du das Relikt haben willst und ich hab noch gar nicht mit Demian angefangen. Ich mag ihn, das steht außer Frage aber woher weiß er soviel über Drachen? Ich mein hast du gesehen wie der Soulfly angesprochen hat und sein Ton und überhaupt er nimmt einfach hin, dass wir plötzlich nicht mehr auf der Suche nach meinem und Chris Vater sind? Was geht hier vor sich?“

Rae raste. Sie hatte einfach keinen schlaf finden können, zu viele Fragen hielten sie wach, trotz ihrer Erschöpfung. Und es gefielt ihr nicht, irgendetwas stimmte nicht.

„Rae, … Ich hatte versprochen dir Antworten zu geben, aber hier und jetzt? Es tut mir leid, kannst du dich noch gedulden bis wir aus der Eiswüste wieder heraus sind? Ich verspreche, dann werde ich reinen Tisch machen“, Lil schaute Rae direkt an, doch sah sie, dass diese nicht so einfach aufgeben würde.

„Wie kann ich dir trauen? Die Kazzak sind uns auf den Fersen und ich hab keinen Plan warum und wie sie uns erneut finden konnten. Woher weiß ich, dass ich dir trauen kann? Wir sind hier her aufgebrochen aber ich habe immer mehr das Gefühl dich nicht zu kennen, … mich in dir geirrt zu haben!“, die letzten Worte flüsterte Rae nur, doch Lil verstand sie klar und deutlich und sie taten weh.

„Ich, … Rae, ich…“ Lil wusste nicht was sie sagen sollte. Sie drehte Rae den Rücken zu und nach einer Weile hörte sie wie diese aufstand und den Raum verließ.
 

Lil hatte keinen Schlaf mehr gefunden. Als Seraphina wenige Stunden später kam um sie zu wecken, wartete sie bereits angezogen auf einem der Stühle in ihrem Zimmer.

„Konntest du nicht schlafen?“, fragte Seraphina freundlich und wartete auf Lil.

„Etwas, aber es ist viel zu kalt hier für meinen Geschmack“, grummelte diese.

Sie trafen die anderen auf dem Weg zurück zur Halle. „Soulfly erwartet euch!“

Erneut traten sie durch die Eistore, dieses mal war die Halle gefüllt mit Menschen, oder zumindest sahen sie alle aus wie Menschen.

„Ich hoffe ihr hattet genug Zeit um euch auszuruhen?“, fragte er freundlich und wies auf Stühle die bei ihm standen, „Nehmt Platz. Wir haben eine Menge zu bereden.“

Rae und Lil setzten sich an die jeweiligen Enden, während sich Chris und Demian dazwischen setzten.

„Ich muss zugeben eure Bitte kam etwas unerwartet gestern. Wir haben uns die ganze Nacht beraten und einen Entschluss gefasst. Natürlich können wir nicht einfach auf euere Wort vertrauen. Wir haben noch einige Fragen und die erste habt ihr schon halbwegs beantwortet. Warum wollt ihr das Relikt?“

Noch bevor Rae etwas sagen konnte, fing Lil bereits an zu reden. „Wir wollen ein Treffen der Clans einberufen und versuchen diese dazu zu bringen sich zusammen zu schließen und Nachtarr anzugreifen.“

„Woher können wir wissen, dass ihr die Relikte nicht gegen uns einsetzt? Sie sind der letzte Schutz den wir haben.“, führte Soulfly seine Fragen fort.

Diesmal ergriff Rae das Wort und lies Lil zurückstecken. „Wir haben Familie und Freunde an Nachtarr verloren. Wir haben nichts mehr zu verlieren außer unserem Stolz und würden wir euch verraten, wäre das der Preis, den wir zahlen müssten. Niemals könnte ich mit mir Leben, sollte dies passieren. Ich würde lieber sterben als Nachtarr zu helfen!“

„Das sind große Worte. Doch kannst du nicht für deine Begleiter sprechen!“, erwiderte Soulfly und blickte Demain, Chris und Lil erwartungsvoll an.

Lil warf Rae einen langen Blick zu und erklärte dann ebenfalls, das nichts in der Welt sie dazu bringen könnte sich Nachtarr anzuschließen. Und auch Chris schloss sich dem an.

Als Demian anfing zu sprechen blickten ihn die anderen drei erwartungsvoll an. Sie hatten mit ihm nicht darüber gesprochen und hatten selbst keine Ahnung was er sagen würde.

„Sollte mein Leben eines der Relikte schützen können so soll es sein. Ich habe mich Lil und Rae angeschlossen in dem Wissen was auf dem Spiel steht und sollten sie scheitern, so scheitere auch ich!“

„So ein Schwachsinn! Bis wir hier ankamen hatten wir Demian nicht einmal anvertraut weswegen wir uns in der Eiswüste befinden. Ich weiß nicht was er vermutet hat, aber ich will ehrlich sein, ich hatte nicht erwartet, dass er es vermutet und das er es so leicht nimmt erst recht nicht“, erklärte Rae und blickte Soulfly dabei direkt an.

„Ich selbst besitze eins der Relikte der Drachen. Und nichts könnte mich dazu bringen es gegen die Drachen und Menschen einzusetzen.“, erklärte Lil

Soulfly blickte Lil erstaunt an, als diese das Relikt der Stärke hervorholte. Für einen kurzen Augenblick lies sie dessen Macht frei auf den Drachenclanführer einwirken, ehe sie diese wieder verbarg.

„Ich bin beeindruckt von eurer Ehrlichkeit und eurer Verschriebenheit. Wir werden euch das Relikt anvertrauen, jedoch müsst ihr es finden. Zwei von euch werde ich in die Höhle der Anmut geleiten, seit ihr Fähig das Relikt zu erkennen, so ist es das eure!“

„Was fast unmöglich ist. Nur ein Drache kann das Relikt erkennen.“, ergänzte Seraphina.

Rae warf Lil einen skeptischen Blick zu, sie konnte Lil eindeutig als Reliktträgerin fühlen, sollten sie nicht auch fähig sein das Relikt zu erspüren?

„Demian und ich werden gehen!“, kündigte Lil an.

Rae war sofort auf hundertachtzig, was dachte sich Lil nur? Doch Rae hatte keine Zeit zu widersprechen, bevor sie auch nur ein Wort sagen konnte, waren Lil und Demian mit Soulfly durch eine Tür auf der linken Seite der Halle verschwunden.

Rae kam es vor als würde sie Stunden warten, doch bereits nach etwa einer halben Stunde kamen sie wieder zurück.

Lil lief zu Rae und hielt ihre Hand offen, darin lag ein tränenförmiger Kristall. Lil strahlte sie an und im nächsten Moment löste sich das Relikt auf.

„Was hast du gemacht?“, fragte Rae erstaunt und vergas für einen Moment ihren Ärger.

„Das Relikt ist aus Eis, ich habe es geschmolzen um es zu verbergen.“, grinste diese fröhlich und wand sich dann erneut Soulfly zu.

„Ihr habt was ihr wolltet, gebt gut Acht darauf! Doch seit euch bewusst solltet ihr unser Vertrauen verraten, werden wir euch für immer jagen! Ihr solltet euch jetzt nochmals ausruhen. Eine lange Reise wartet auf euch. Wir werden euch mit allem versorgen was ihr braucht um an die Grenze unseres Landes zu kommen.“

Damit verabschiedete Soulfly sich von ihnen und sie sahen ihn nicht wieder.
 

Am nächsten Morgen war alles für sie bereit. Sie hatten am Vortag noch mit Seraphina besprochen was sie alles brauchen würden. Diese hatte über Nacht alles organisiert. Die Hunde waren in neue Schlitten eingespannt worden.

Die Eisdrachen hatten ihnen erlaubt, erneut einen Teil ihres Weges durch die unterirdischen Eishöhlen zu nehmen. Dies würde sie vor schlechtem Wetter schützen. Auch würden sie nie sagen können wo das Lager der Drachen ist. Seraphina begleitete sie. Als sie jedoch, nach einigen Tagen, den Ausgang erreichten, war es Zeit sich zu verabschieden.

„Danke, für alles!“, meinte Rae und umarmte Seraphina zum Abschied.

„Vielleicht werden wir uns ja irgendwann wieder sehen! Passt gut auf euch auf. Ihr seit unsere letzte Hoffnung!“

„Bloß kein Druck!“, nuschelte Lil zu Rae und umarmte Seraphina ebenfalls und fügte dann laut hinzu, „Bis ins nächste Leben!“

Seraphina zeigte ihnen noch auf Lils Karte wo sie sich nun befanden und verschwand dann wieder den Weg den sie gekommen waren. Nach wenigen Sekunden hörten sie erneut das Fauchen, das sie vor einigen Tagen willkommen geheißen hatte und als Rae sich herum drehte sah sie erneut die Augen.
 

Nach wenigen Stunden an der Oberfläche, gerieten sie bereits in einen Schneesturm.

„Na toll!“, grummelte Rae und kuschelte sich tiefer in den Schlitten.

„Glaub mir ich bin auch froh wenn wir aus dieser verdammten Kälte heraus sind!“, rief Lil vom anderen Schlitten aus.

„Als ob wir gerne hier wären!“, motze Rae schlecht gelaunt.

„Naja in einigen Tagen sollten wir ja hier raus sein!“, erklärte Lil mit einem Blick auf die Karte, „Wir haben ein gutes Stück in den Tunneln zurück gelegt!“

„Meinst du wir schaffen es in zwei vielleicht drei Tagen?“, fragte Chris hoffnungsvoll.

„Ja ich denke schon, wir sind jetzt etwa hier.“, erklärte sie und zeigte auf die Karte.

„Als ob wir das von hier aus sehen können!“, zankte Rae, „Chris warum hältst du nicht an, dann können wir tauschen, ich habe lange genug gesessen!“

Sie hielten und aßen auch gleich etwas. Der Schneesturm hatte etwas nachgelassen, als sie sich etwa eine Stunde später wieder auf den Weg machten.

Ihr Weg führte sie direkt nach Süden. Es war der schnellste Weg heraus, sie würden zwar etwas westlich von Sophiron aus der Eiswüste kommen, aber das nahmen sie gerne in kauf.

Rae trieb ihre Hunde etwas stärker an und nach einige Stunden hatte sie einen Abstand zwischen sich und Lil gebracht.

„Was ist denn mit Rae los?“, frage Demian und drehte sich etwas zu Lil herum.

„Sie will Antworten. Antworten die ich ihr nicht geben kann, noch nicht!“, erklärte Lil und trieb ihre Hunde ebenfalls an, um den Abstand nicht noch größer werden zu lassen.

„Aber vielleicht hast du Glück, wir laufen gerade direkt auf einen Trupp Kazzaks zu! RAE“, schrie Demian am Ende.

Rae war jedoch zu weit voraus um ihn zu hören. Lil blickte sich hektisch um, sie hatte die Kazzak im selben Moment wahrgenommen wie Demian und wusste es wäre Rae und Chris Ende, würden diese in die Kazzaks laufen. Es gab keine Möglichkeit sich im Weiß des Eises zu verstecken, die Kazzak hielten direkt auf sie zu, daher war es unnötig keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

„Eastra le!“, schrie Lil mit ausgestreckter Hand. Ein Feuerball schoss aus der Handfläche hervor und hielt direkt auf Rae und Chris zu.

Rae hörte den Feuerball kommen und drehte sich herum. Es wäre zu spät gewesen um zu reagieren, im Rauschen des Windes hatte sie den Angriff zu spät wahrgenommen und auch ihre magischen Schutzbarrieren hatte er umgangen. Doch bereits im nächsten Moment realisierte sie das es kein Angriff sonder eine Warnung war. Lils Stimme ertönte, als der Feuerball die Form eines Drachens annahm.

„Kazzaks direkt vor euch!“

Kapitel 13 (Aiwe)

Schlitternd und den Schnee vor sich herschiebend kam der Schlitten viel zu langsam zum Stillstand. Zwanzig Meter weiter vorne hätte sich Raes Gespann beim Haltemanöver beinahe überschlagen. Die Kazzaks standen in einer langen Doppelreihe vor ihnen als hätten sie sie bereits erwartet. Wütendes Gebrüll und Kampfgeschrei wurden durch den immer noch leichten Schneesturm etwas gedämpft. Selbst als die Ungetüme ihre Waffen zogen und auf sie zustürmten wirkte es eher wie ein grotesker Tanz als wie ein Angriff.

Lil beobachtete wie Rae und Chris vom Schlitten sprangen und ihren Feinden die ersten magischen Angriffsworte entgegen schleuderten ehe sie die Waffen zogen.

Auch Demian war vom Schlitten gesprungen und legte seine Hand auf Lils Schulter „Wir müssen ihnen helfen! Los komm“, er zog sie ein kurzes Stück mit ehe sie seinen Arm abschüttelte, ihr Schwert zog und in den bereits begonnenen Kampf rannte.

Als Lil an Raes Seite kam fühlte diese sich gleich besser. Gemeinsam wehrten sie die heranstürmenden Kazzak ab. Als Demian es schaffte näher zu ihnen zu gelangen suchte er Lils Blick. Diese war jedoch so sehr mit einem der Ungeheuer beschäftigt, dass sie nicht einmal ihren freien Rücken bemerkte und den Kazzak der diese Schwäche auszunutzen versuchte. Demian machte einen Hechtsprung und stürzte sich auf den verwirrten Kazzak. Ehe dieser Begriff was er auf dem Rücken hatte spritzte sein dunkles Blut schon aus seiner offenen Kehle und färbte den Schnee zu seinen Füßen rot.

Lil wirbelte angriffsbereit herum und erstarrte als Demian so nah vor ihr stand das sie seinen kalten Atem auf ihren Wangen fühlen konnte. „Gib mir die Relikte, ich werde sie in Sicherheit bringen!“

Verwirrt über Demians Forderung hielt sie inne und bekam nicht einmal mit das er nach ihrer freien Hand griff. „Gib sie mir Lil! Ich bitte dich.“

Demian starrte sie aus seinen Eisblauen Augen flehend an und hielt ihren Blick darin gefangen. Nur aus den Augenwinkel heraus nahm Lil wahr, dass die Kazzak einen kaum merklichen Bogen um sie schlugen und nur noch Rae und Chris im Visier hatten. Ganz so als gäbe es Lil und Demian gar nicht. Es war seltsam. Irgendetwas stimmte nicht.

Ruckartig riss sie sich los. „Nein! Bei mir sind sie sicher und jetzt lass uns Rae und Chris helfen ehe es zu spät ist!“ Als Lil sich abwenden wollte packte Demian sie erneut am Handgelenk. Fester diesmal.

„Lass mich sofort los, Demian. Ich warne dich!“, zischte Lil boshaft und ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen.

„Erst wenn du mir die Relikte gibst!“

„Lil!“ Raes Schrei zerriss das Rauschen des Schneesturms. Sie brauchte Hilfe und zwar schnell.

„Ich weis nicht was dein Problem ist, aber ich muss Rae helfen und das solltest du auch tun.“ Sie riss sich mit einer kraftvollen Bewegung los und eilte zu ihrer Freundin die bereits umzingelt war. Doch mitten im Lauf griff ihr von hinten jemand um den Hals und keuchend stürzte sie zu Boden als sie die Wucht ihrer Geschwindigkeit und der muskulöse Arm an der Kehle trafen. Als sie benommen aufschaute beugte Demian sich über sie und griff nach ihrem Schwert. Wutentbrannt zog Lil die Beine an und trat Demian mit einem so wuchtigen Tritt in den Laib das er in hohem bogen davon geschleudert wurde und einen halben Meter weit weg mit einem dumpfen Schlag im Schnee landete.

Neben Lil tauchten erst Chris und dann Rae auf die ihr wieder auf die Beine halfen. „Alles okay? Was ist passiert?“

Lil musterte Chris Arm der aus einer lang gezogenen Fleischwunde blutete. „Bei mir ist alles okay. Nur Demian verhält sich seltsam.“

Wie um ihre Worte zu bestätigen sammelten sich die Kazzaks und liefen auf Demian zu.

„Nein! Demian pass auf!“, rief Rae erschrocken und wollte vor springen als eines der Ungeheuer Demian aufhelfen wollte.

„Nimm deine dreckigen Finger von mir!“, schnaubte dieser den Kazzak boshaft an und stand in einer fliesenden Bewegung auf.

„Was soll das Demian?“, fauchte Lil ihn an.

„Ich bin hinter den Relikten her genau wie ihr“, antwortete er ruhig und klopfte sich den Schnee von den Kleidern.

„In wessen Auftrag?“

„In Nachtarrs.“

Rae stöhnte auf, Chris hob seine Waffe und gab einen Wutschrei von sich und Lil versteifte sich als sie den Namen ihres erbittertsten Feindes vernahm.

„Warum?“ Es war nur ein Flüstern das Lil herausbrachte. Sie fühlte sich wackelig auf den Beinen und verraten.

„Weil ich überleben will, Lilith! Ich will auf der RICHTIGEN Seite überleben, nicht gedemütigt, gefoltert oder in Sklaverei. Nachtarr verhilft mir dazu. Ob du es nun glauben willst oder nicht, aber er wird siegen! Und ich stehe nun mal ungern auf der Seite der Verlierer. Auch du solltest darüber nachdenken. Komm auf meine Seite, meine kleine Lil! Ich will dir nicht wehtun müssen und noch weniger möchte ich zu sehen müssen wie er dich töten lässt. Bitte Lil, komm zu mir!“ Sein bitten klang fast flehend so sehr wünschte er sich Lil an seiner Seite, doch der brodelnde Zorn über diesen schändlichen Verrat hatte sie kaum mehr die letzten Worte verstehen lassen.

Als sie nicht antwortete trat Rae vor und brüllte Demian mit so hasserfüllter Wut an das dieser fast zusammenzuckte. „Niemals, ich wiederhole NIEMALS werden wir uns auf diese erniedrigende Weise herablassen unser Leben zu sichern! Lieber sterbe ich als unter Nachtarr zu dienen! Und ich bin mir sicher das ich dabei auch für Lil und Chris spreche.“

Ein dunkler Schatten huschte über Demians Gesicht. „Nun gut. Ihr habt es so gewollt. Das war euer Todesurteil. Ich werde mir die Relikte auch so aneignen.“

„Pah, mit ihm und seinen Kazzak-Freunden werden wir locker fertig“, schnaubte Chris und schwang herausfordernd sein Schwert. Erst als Demian plötzlich in blauem Licht zu stehen schien hielt er inne und starrte ungläubig zu ihm hinüber. „Was tut er da? Ist das ein Zauber?“

„Ich weis es nicht“, antwortete Rae.

Das Licht wurde heller und wirbelte den umliegenden Schnee zu einem Chaos an weisen Flocken auf während die Kazzaks die Demian am nächsten gestanden hatten verunsichert zurück wischen. Es geschah im Bruchteil einer Sekunde in der das blaue Licht in einem gleisenden Strahl explodierte und alle Umstehenden blendete und in ein Schneegestöber hüllte. Als sich dieses legte und sie wieder etwas sehen konnten stockte Rae der Atem. Ihre Glieder wurden zittrig und ein unnatürlicher Schrecken überkam sie. Neben ihr fiel Chris Schwert in den Schnee.

Wo vor wenigen Sekunden noch Demian gestanden hatte stand nun ein gut 15 Meter hohes Ungetüm. Der massige, muskulöse Körper war mit eisblauen Schuppen bedeckt. Sein kraftvoller Schwanz schlug unruhig hin und her und traf dabei ein paar Kazzak die vor Schmerzen aufschrieen als sie davon geschleudert wurden. Auf seinem schlangenartigen Hals saß sein schlanker, Kopf dessen Maul soweit geöffnet war das seine scharfen Reiszähne zu erkennen waren. Auf dem Hals bis zum Rücken konnte man etwas erkennen das im ersten Moment wie eine wunderschöne Mähne aussah, aber beim zweiten betrachten so fest wie Stahl wirkte. Zwei lange, geschwungene Hörner ragten aus seinem Schädel heraus. Seine Flügel hatte er weit ausgebreitet und ihre schimmernde silberne Innenseite reflektierte den Schnee so sehr das sie geblendet wurden. Die kräftigen, tödlichen Klauen hatten sich tief in den Schnee gegraben. Seine silbernen Augen starrten sie boshaft an und aus seiner Kehle entrang sich ein tiefes Knurren. Vor ihnen stand ein wahrhaftiger Drache.

„Oh mein Gott. Wir sind tot…“, keuchte Rae und versuchte so schnell es ging einen Zauber zu finden der etwas gegen dieses Monster ausrichten konnte, doch ihr wollte keiner einfallen. So hatte sie sich ihre erste Begegnung mit einem Drachen nicht vorgestellt. Aber sie wollte auch nicht kampflos aufgeben. Sie würde ihr Relikt bis in den Tod verteidigen. Chris neben ihr spürte die Entschlossenheit die seine Zwillingsschwester gepackt hatte, bückte sich und hob kampfbereit sein Schwert wieder auf. Nur Lil rührte sich immer noch nicht.

Und selbst als der Drache sich duckte und sprungbereit auf dem Boden kauerte starrte sie noch immer starr vor sich hin.

„Seid ihr bereit?“, flüsterte Rae angespannt.

„Ja. Ich bin bei dir Schwester!“, antwortete Chris ihr.

Mit einem kräftigen Flügelschlag war Demian in der Luft und schoss wie eine Gewehrkugel auf sie zu. Und dann geschahen mehrere Dinge innerhalb einer einzigen Sekunde zugleich.

Demian raste auf sie zu, Lil zuckte und schwarzer Nebel stieg auf. Finsternis umhüllte sie alle für einen Moment und dann ertönte ein ohrenbetäubendes Bersten von zwei Körpern die mit voller Wucht und Rüstung aufeinander schlugen, dass es Rae und Chris von den Füßen hieb.

Vor ihnen türmte sich ein zweites Ungeheuer auf. Es war nur ein kleines Stück kleiner als Demian. Seine Schuppen waren schwarz wie die Nacht. Große, mähnenartige Zacken wuchsen elegant am Nacken bis zum Rücken hinab. An den Flügeln befanden sich weitere scharfe Klauen und an der Schwanzspitze, sowie an der Seite des Kopfes, der Brust und der vorderen Läufe sah es fast so aus wie bei Demian, als wäre dort eine wunderschön geschwungene Mähne. Die Hörner die aus dem Schädel wuchsen waren eleganter geschwungen und nicht ganz so lange wie die des blauen Drachens. Die Augen des schwarzen Drachens waren blutrot wie auch die Innenseiten seiner Flügel und auf der Brust zog sich eine Schwertlange Narbe entlang die ebenso rot schimmerte.

Demian war mit voller Wucht gegen den schwarzen Drachen geprallt und zurück geschleudert worden. Bedrohlich richtete er sich nun wieder vor ihnen auf. Die Kazzak hinter ihm erwachten aus ihrem Schrecken und ein paar von ihnen rannten so schnell sie konnten davon.

Rae war verwirrt. Wobei verwirrt noch untertrieben war: Sie verstand die Welt nicht mehr. Lil war verschwunden, doch sie wusste genau wo Lil war. Die ganze Zeit hatte sie ihr Ziel, wofür sie all die langen Jahre einsam umher gewandert war, bei sich gehabt. Es war so nah gewesen und doch nicht greifbar. Bis jetzt!

Als eine wutentbrannte Stimme wie ein Hammerschlag in ihren Köpfen ertönte schraken Rae und Chris zusammen „Du elender Verräter! Du bringst Schande über die Drachen. Wie konntest du es wagen dich Nachtarr anzuschließen nach allem was er unserer Rasse angetan hat?! Ich werde dich in Stücke reisen, DEMIAN!“ Ein ohrenbetäubendes Brüllen ertönte und lies den Boden erzittern. Mit einem mächtigen Flügelschlag der Schnee und Eis aufwirbelte, erhob sich der schwarze Drache vom Boden und stürzte sich mit voller Wucht auf den Eisdrachen. Der Aufprall glich einem erneuten Donnerschlag. Rae war unfähig sich zu bewegen und konnte nur starr auf die ineinander verkeilten Drachen schauen. Chris neben ihr erging es nicht im Geringsten anders. Lil versuchte Demian in den Hals zu beißen während dieser ihren Kopf mit beiden Klauen von sich weg drückte. Mit wildem Flügelschlagen entfernten sie sich wieder voneinander. Diesmal griff Demian an und stürzte sich mit seinem vollen Körpergewicht auf Lil die ihn mit einer ihrer Pranken abwehrte. Erst jetzt fiel Rae auf das sie die andere um etwas geschlossen hielt. Und allem Anschein nach wollte Demian genau an diese geschlossene Pranke heran gelangen.

Lil brüllte wütend auf als Demian ihr mit seinen scharfen Klauen an der Seite die Schuppen aufriss. Er wusste das sie in ihrer linken Klaue das Relikt der Eisdrachen verschlossen hielt und er würde ihr wenn nötig die Pranke abreisen um es zu erlangen. Demian war in seinem Element, was sein klarer Vorteil war, doch Lil würde nicht kampflos aufgeben. Sie hieb mit ihrer rechten nach ihm, lies direkt darauf ihren Kopf vorschnellen und riss ihm mit ihren scharfen Zähnen die Lefze blutig. Demian brüllte zornig auf und hieb mit seinem Schwanz nach ihr. Donnernd traf er ihre Seite was einen unangenehmen Druck verursachte. Lil spannte die Flügel auf, blähte ihre Brust und spie einen Schwall glühendes Feuer in Demians Gesicht. Dieser brüllte nun vor Schmerz und lies von ihr ab. Lil nutzte die Gelegenheit um mit ihrem Schwanz in seine Seite zu hieben und traf ihn an einer empfindlichen Stelle. Als sie erneut Feuer speien wollte kam er ihr zuvor und ein fast durchsichtiger Strahl Eis brach aus seinem Rachen und traf Lil genau an der Brust. Die Kälte lähmte sie fast augenblicklich für wenige Sekunden die Demian nutzte um sie mit einem gewaltigen Schlag auf den Boden zu stürzen. Er spie einen weiteren Eisstrahl nach ihr und traf ihren Flügel. Als er sich auf sie stürzen wollte wehrte sie ihn mit ihrem Schwanz ab, doch im nächsten Moment war er schon wieder über ihr und biss ihr wuchtig in ihren linken Vorderlauf. Lil brüllte und versuchte sich zu wehren als er ihre Pranke aufriss und ein fürchterliches Krachen die Schneeebene erfüllte. Demian griff nach dem Relikt und baute sich zufrieden über dem schwarzen Drachen auf. Auf seiner Stirn glitzerte nun etwas Silbernes in Tränenform.

„Wie du siehst Lil bin ich nun im Besitz des Reliktes der Eisdrachen! Und gleich werde ich dich töten um mir das Relikt der Feuerdrachen anzueignen. Danach wird es ein leichtes sein auch an das Relikt der Magierin zu gelangen.“

„Du unterschätzt Rae! Und das Relikt der Eisdrachen steht dir nicht zu! Du bist ein Abtrünniger und hast nicht mehr das Recht diese Ehre zu tragen!“, brüllte Lil von neuer Wut erfüllt und ein gewaltiger Flammenstrahl hüllte Demian ein. Der schwarze Drache wuchtete sich auf die Beine und schwang sich in die Lüfte. Mit atemberaubender Geschwindigkeit flog sie auf Rae und Chris zu und packte diese mit ihren gewaltigen Klauen. In einer scharfen Kurve flog sie über die Hundeschlitten hinweg und hob auch diese in die Lüfte.

Das winseln der Hunde ging im Rauschen des Windes unter. Rae konnte sich nicht erinnern jemals so schnell gewesen zu sein. Die Landschaft unter ihnen verschwamm zu undefinierbaren Schemen. Das leise auf und ab der Schwingen war kaum zu hören dafür war der eisige Wind umso schlimmer. Zwar wärmte die unnatürlich heiße Körpertemperatur des Drachen doch durch den Schnee der in der Luft lag und die Geschwindigkeit nahm die Kälte weiterhin zu und bald fühlte sich Rae völlig erstarrt. Doch es schien nicht so als würde sich ihr Flug bald dem Ende neigen.

Kapitel 14 (Rae)

Rae wusste nicht wie lange sie bereits unterwegs waren. Die Erde flog weiß unter ihr davon. Alles sah gleich aus, es gab nichts woran man sich orientieren konnte. Nachdem die Sonne untergegangen war, hätte Rae nicht einmal mehr sagen können ob sie geradeaus oder im Kreis flogen.

Ihr tat alles weh, sie fror und wollte nur noch schlafen, doch wusste sie das sie nirgends schlafen würde können. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, versuchten sich um die Ereignisse des heutigen Tages zu winden. Sicher, sie hatte vermutet das Lil ein Drache war, doch hatte sie nicht wirklich dran geglaubt, es sich selbst nicht erlaubt daran zu glauben.

Rae war sich nicht ganz sicher wie viel Zeit vergangen war. Lichter waren am Horizont aufgetaucht und Lil begab sich langsam in einen Sinkflug.
 

Etwa zwei Meter über dem Boden lies Lil ihre Lasten fallen. Die Hunde, welche in ihren Geschirren gehangen hatten, jaulten auf. Chris schrie, während Rae es gerade noch schaffte sich abzufangen.

Lil flog einige Meter weiter um gefahrlos landen zu können. Graziös setzte sie erst mit den Hinterbeinen auf. Noch während sie ihre Flügel einfaltet, begann sich ihr Körper zu verändern. Die schwarze Schuppenhaut schien sich zu verflüssigen, umgaben Lils Körper wie eine zweite Haut. Das schwarz strahlte auf und zog sich zusammen, wurde zu Kleidung.

Sie hielt ihre Hand offen, eine Flamme leuchtete auf und formte sich zum Relikt der Stärke.

„Rae?“, Lil drehte sich suchend herum, während sie ihr Schwert in der Scheide verstaute die an ihrem Gürtel hing.

Chris lag bewusstlos am Boden, Rae stand über ihm gebeugt und murmelte vor sich hin.

„Oh nein! Ist er okay? Was kann ich tun um zu helfen?“, fragte Lil erschrocken und rannte zu Rae.

„Komm ja nicht näher!“, zischte Rae, mit Hass in ihrer Stimme, ohne aufzublicken.

„Rae?!“, Lil klang unsicher und verletzt, als sie ihre Schritte verlangsamte, hielt jedoch weiterhin auf Chris und Rae zu.

„Ich sagte, komm nicht näher!“, zischte Rae erneut. diesmal hob sie ihren Blick und erschrocken blieb Lil stehen.

Tief luftholend kam Chris wieder zu Bewusstsein. „Lil du bist wieder du, ich dachte schon du würdest ewig Drache bleiben. Also was ist unser Plan?“

Lil blickte von Chris zu Rae und wieder zurück. Sie stand immer noch einige Schritte von den beiden entfernt, unschlüssig was sie tun sollte.

Rae stand auf, entfernte sich einige Schritte von ihrem Bruder und brachte mehr Distanz zwischen sich und Lil.

„Leute was ist los? Rae du bist doch nicht etwa wirklich sauer? Du selbst hattest zu mir gemeint das du vermutest, dass Lil ein Drache ist. Also was ist dein Problem?“

„Chris halt dich raus, das ist eine Sache zwischen ihr und mir!“, fauchte Rae, zur Seite tretend, so das nichts zwischen ihr und Lil stand.

„Rae?“, vorwurfsvoll schaute Lil zu Rae.

„Ach willst du mir jetzt sagen das ich falsch lag? Oder willst du wissen warum ich dich nicht darauf angesporchen habe? Warte, du würdest nie die Unverschämtheit besitzen dies zu fragen, nachdem du mich belogen hast?“

„Nicht gut. Gar nicht gut!“, nervös Blickte sich Chris um. Er kannte seine Schwester gut genug um zu wissen, dass sie mehr als nur sauer war. „Rae?“

Chris stand langsam auf und lief rückwärts zu Lil, um sich wieder zwischen die beiden zu stellen.

„Niena!“, flüsterte Rae und eine blaue Energiekugel entstand in ihrer ausgestreckten Hand. „Chris bleib stehen! Wer weis wie gefährlich sie ist!“

Lil sprach den gleichen Zauber, eine rote Energieball erschien in ihrer Hand. „Rae, ich verstehe absolut das du sauer bist, aber verdammt noch mal reis dich zusammen! Wir sind alle auf der gleichen Seite. Oder sind für dich jetzt alle Drachen Verräter?“

„Ha!“, lachte Rae auf, „Das hat doch damit nichts zu tun! Nachtarr hat vor über hundert Jahren die Macht übernommen, wer weis wie oft du dich gewagt hast zwischenzeitlich deine wahre Gestalt anzunehmen. Da so ziemlich alles was du mir über dich persönlich gesagt hast gelogen war, woher kann ich wissen das du wirklich du selbst bist? Woher weis ich das du nicht deinen Verstand verloren hast?“

„Meinst du wirklich ich könnt mich so mit dir Unterhalten wenn ich durchgedreht wäre? Ich glaub eher du hast Probleme zu verarbeiten was heute passiert ist!“, erwiederte Lil, ihr Blick auf Raes Energiekugel gerichtet.

Im Bruchteil einer Sekunde passierten mehrer Dinge auf einmal. Rae war offensichtlich der Faden gerissen. Ohne Vorwarnung schoss sie auf Lil, welche sofort reagierte und ebenfalls feuerte.

„Ladea“, schrie Chris und beide Geschosse lösten sich auf, noch bevor sie sich trafen. „Ihr führt euch auf wie zweijährige! Lil du bist verletzt, Rae du bist so müde du kannst kaum noch stehen und wenn ihr mir nicht glauben wollt das ihr geschwächt seid: glaubt ihr wirklich im Normalfall könnte ich eure Zauber aufheben? Beide, hinlegen, schlafen! Morgen könnt ihr weitermachen!“, befahl Chris.

„Ach das wir ausgeruht sind und mehr schaden anrichten können? Sehr intelligent Chris!“, schnautzte Rae.

„Ja, Chris echt schlau!“, gab Lil ihren Senf dazu und wandte sich wieder Rae zu.

„Macht doch was ihr wollt! Ich schau nach den Hunden und geh zu Bett. Mal sehen wer morgen in noch schlechterer Verfassung als jetzt ist!“, grummelnd drehte er sich herum. Chris schritt auf die Hunde zu, die ersteinmal einige Schritte von ihm zurück wichen. Er entschied sich ihnen erstmal etwas Zeit zu geben und nahm nur von den Schlitten was er brauchte.

„Vielleicht hat er recht!“, meinte Lil und ging einige Schritte auf Rae zu.

„Komm mir nicht zu nahe!“, zischte Rae und starrte Lil an.

„Was ist dein Problem! Ich verstehe das du sauer bist! Aber ganz ehrlich was hätte ich anders machen können? Ich kann nicht ändern das ich es dir nicht früher erzählt habe. Das ist nun mal nicht etwas womit man gleich rausrückt!“, versuchte Lil zu beschwichtigen.

„Was mein Problem ist? Vielleicht, dass der erste Mensch dem ich seit Jahren vertraut habe, kein Mensch ist? Ich weis nicht was ich denken soll!“, erklärte Rae sauer.

„Was du denken sollst? Ich könnte ebenso sauer sein, du hast mich unter verdacht gehabt und nichts gesagt! Verdammt noch mal Rae! Warst du nicht jahrelang auf der Suche nach einem Verbündeten gewesen? Jetzt hast du einen und es ist dir nicht recht? Was kann ich sagen um es dir recht zu machen?“

„Nichts, Lil das ist das Problem, nichts was du sagst kann es mir recht machen! Wie kann ich dir weiterhin trauen?“, fauchte Rae enttäuscht.

„Wir stehen beide auf der gleichen Seite, dass muss wohl erstmal reichen!”, sagte Lil ebenfalls enttäuscht und wandte sich ab.

„Lil? Warte!“, meinte Rae und griff Lils Schulter, mit der Absicht sie herumzudrehen (Hilfe: der Satz klingt doof, weis aber nich wie ich den anders schreiben könnt)

„Au!“, schrie Lil auf, fuhr herum und schlug Rae die Faust ihrer anderen Hand ins Gesicht. „Uh, sorry Rae! Ich glaub meine Schulter ist ausgekugelt. Reflexhandlung!“ Schnell wich Lil zurück. In der Annahme das Rae ihre Handlung falsch verstanden hatte, nicht als puren Reflex sondern als Bestätigung was sie die ganze Zeit vermutet hatte, dass Lil nicht sie selbst war.

Rae verzog schmerzhaft das Gesicht und hielt ihre Nase. Zum Glück war Lil genauso geschwächt wie sie, Lil hatte nicht wirklich Schaden angerichtet. (is das zu viel das ich hier noch mal aufs geschwächtsein eingehe?)

„Vergiss es!“, meinte Rae und wandte sich ab.

„Kannst du mir helfen die Schulter wieder einzukugeln und vielleicht das Handgelenkt schienen??“
 

Als sie am nächsten morgen aufwachten waren alle in wesentlich besserer Stimmung. Ausgeruht und mit der Aussicht auf ein warmes Bett am Abend machten sie sich wortlos auf den Weg.

„Wir müssen uns überlegen wo wir als nächsten hinwollen!“, meinte Rae während sie die Hunde fertig machten, um die letzten Wegstunden zurück nach Sophiron zurückzulegen. Die Hunde waren immer noch unruhig vom Flug am Vortag, liesen sich nach einer guten Mahlzeit jedoch wieder einigermaßen beherrschen. (bitte schreibst um xD)

„Was ist mit dem Relikt der Eisdrachen? Wir müssen dieses auf jedenfall wiederbekommen! Das schulden wir ihnen!“, warf Chris ein, froh dass Rae und Lil ihren Streit erstmal nicht wieder aufgenommen hatten. Ihre Drohungen, dass sie nun wieder Stärker waren, standen im noch zu gut vor Augen.

„Demian ist weiterhin auf der Suche nach Relikten, er wird uns schon irgendwann über den Weg laufen! Ich glaube wir brauchen uns vorrest nicht auch noch Gedanken darüber zu machen wie wir ihn finden!“, erklärte Lil, als sie losfuhren.

„Es ist das Relikt seines Elementes, es ist also nie in Greifbarerform, richtig? Wie können wir es ihm da abnehmen?“, fragte Rae, unsicher ob sie eine Antwort wollte.

„Wir töten ihn!“, meinte Lil sachlich.

Wie Rae vermutet hatte und das passte ihr gar nicht.

„Er ist einer der wenigen Drachen die noch leben, gibt es keine andere Möglichkeit?“, frage sie vorsichtig.

„Es gibt mehr Drachen als du denkst, schau dir doch nur die Eisdrachen an, nur weil wir im Verborgen leben, heißt das noch lange nicht das wir am aussterben sind! Demian ist ein Verräter und verdient nichts anderes als einen grausamen Tod!“, entüsstet sich Lil.

„Es geht mir trotzdem gegen den Strich ein anderes Wesen zu töten, aber ich denke du hast Recht, lebendig ist er nur eine Gefahr!“, gab Rae nach.

Für eine Weile schwiegen sie, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Gegen Mittag machten sie rast, sie schätzten dass sie noch etwa einen Stunden hatten, bis sie in der Stadt ankommen würden. Sie aßen schweigend und packten wieder zusammen. Dann machten sie sich auf die letzte Hürde ihres Weges.

„Also wohin als nächstes?“, fragte Chris.

„Ich nehme an Lil weis wo die Staubdrachen sind? Sollten wir dorthin als nächstes?“, fragte Rae.

„Ganz im Süden am Ende der Turnac Wüste. Es wäre jedoch unklug das ganze Land zu durchqueren wenn wir wissen, die anderen Relikte sind irgenwo dazwischen. Auch der Verlust des Relikts der Anmut, wirft nicht gerade ein gutes Licht auf uns. Ich denke wir sollten uns fürs erste auf die Relikte der Menschen konzentrieren!“, erklärte Lil und blickte erwartungsvoll zu Rae.

„Ich weis was die Relikte sind, aber nicht wo sie sind! Jedoch hab ich überlegt, ich kann dein Relikt spüren, sollten wir dann nicht auch fähig sein die anderen Relikte zu erspüren? Vielleicht könnten wir einen Zauber finden der uns zu den Trägern führt!“

„Das würde eine große Menge an Energie erfordern, für einen Magier alleine könnte das den Tod bedeuten, zusammen vielleicht! Aber einen Zauber dieser Art, man muss dem jeweils anderem voll und ganz vertrauen. Die Energie der Relikt muss ungehindert hin und her fliesen!“, erklärte Lil und schaute zu Rae.

„Ich hab ja nur mal so nachgedacht, wir können vielleicht auch einen anderen Weg finden!“

Rae wollte Lil vertrauen, wollte den Zauber ausprobieren, doch war ihr bewusst, das es momentan vielleicht nicht das klügste wäre. Sie würden nur ihr Leben riskieren.

„Ja wir finden bestimmt einen Weg!“, warf Chris ein, der die Spannung die plötzlich in der Luft lag, nicht ertragen konnte.

„Lass uns einfach sehen was in Sophiron wird, irgendetwas ergibt sich bestimmt!“, sagte er gut gelaunt.

Im nächsten Moment war selbst Chris gute Laune verfloge. Sie erreichten die Kuppe des Hügels der ihnen den Blick auf Sophiron versperrt hatte. Ins Tal vor ihnen hinabblickend verschlug es ihnen die Sprache. Sophiron war zerstört. Ein Feld aus schwarzer Asche und glühenden Kohlen breitete sich vor ihnen aus. Rauch stieg auf, hier und da flammten Holzpfähle, die vor einigen Stunden noch Häuser gehalten hatten. Die Lichter die sie am Vortag aus der Ferne gesehen hatten, waren Flammen gewesen. Der Himmel war schwarz und nicht ein lebendes Wesen war zu sehen. Nicht ein Mensch.

„Demian!“, knurrte Lil.

Kapitel 15 (Aiwe)

Sophiron war ein einziger Trümmerhaufen. Aus der einst so prachtvollen Stadt war eine schwarze Landschaft aus Asche entstanden die sich grausam deutlich von ihrer sonst weißen Umgebung abhob. Hier und da glühten noch die Überreste von einst aus Stein erbauten, prachtvollen Häusern. Viele von ihnen waren zu bizarren Skulpturen geschmolzen und liesen das ganze schreckliche Szenario noch finsterer erscheinen. Der Boden war teilweise noch so sehr vom Feuer und dem geschmolzenen Gestein erhitzt das sie einen anderen Weg durch das Trümmerfeld suchen mussten.

Nirgends konnte man die Überreste von Bewohnern liegen sehen, doch als sie an einer halb intakten Hauswand vorbei liefen war deutlich die eingebrannte Schattierung zweier Menschen zu erkennen. Einer der Schatten war sehr klein – ein Kind.

Chris hatte vor Wut und Trauer aufgeschrieen und Rae musste ihn weiterziehen damit er nicht stehen blieb.

Sie waren nun schon fast drei Stunden unterwegs und hatten noch nicht einmal die Hälfte der zerstörten Stadt durchquert. Ständig waren sie gezwungen einen anderen Weg zu suchen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen oder darüber zu klettern. Manchmal brauchten sie Magie um überhaupt voran zu kommen.

Und in all der Zeit in der sie sich ihren Weg bahnten war nicht ein Zeichen von Leben zu erkennen.

Als sie schließlich ein noch einigermaßen intaktes Dach fanden luden sie ihre Sachen ab und ließen sich für eine Rast nieder.

Da sie ihre Vorräte in Sophiron wieder auffrischen wollten, hatten sie kaum noch etwas zu essen bei sich und so musste sich jeder mit einem trockenen Stück Brot und etwas Dörrfleisch zufrieden geben.

Obwohl ihre Umgebung verwüstet war und alles in ihnen danach drängte weiter zu ziehen blieben sie nach dem kargen Mahl sitzen. Die Strapazen der letzten Tage forderten ihren Tribut. Sie waren müde und ausgelaugt.

Schweigend verging die Zeit bis Chris nach einer Weile das Wort ergriff: „Meint ihr es gibt Überlebende?“

Rae schwieg und es dauerte lange bis Lil ohne aufzuschauen antwortete: „Drachen nehmen keine Gefangenen.“

Chris wurde noch bleicher als er bereits war und umklammerte zitternd seinen Schwertgriff.

„Wir sollten weiter ziehen. Je eher wir ein Dorf oder eine Stadt erreichen desto besser. Wir brauchen Nahrung und Pferde.“

„Und jemand der die Hunde aufnimmt“, fügte Lil hinzu.

„Und wie wollen wir das alles bezahlen? Ich habe kein Geld mehr und ihr beiden auch nicht. Es sei denn ich habe etwas verpasst“, Rae seufzte und lehnte sich zurück an die warme Hauswand.

„Ich habe genug Geld. Als wir bei den Eisdrachen waren habe ich Demians Münzen mit unseren restlichen in einem Beutel verstaut. Er war damit einverstanden und ich dachte er würde weiter mit uns reisen und…“ Lils Stimme erstarb und ihr Körper bebte leicht als sie sich an Demians Verrat erinnerte, „wir werden ihn finden und dann wird er die gerechte Strafe für seine Taten erhalten.“

„Lil, was ist eigentlich mit deinem Handgelenk? Willst du es nicht heilen?“ Chris blickte auf das gebrochene Handgelenk. Nach dem Kampf mit Demian und dem langen Flug hatte keiner von ihnen die Kraft gehabt einen Zauber zu wirken. Hätte Demian hier in Sophiron auf sie gelauert hätte er sie mit Leichtigkeit töten können.

Lil starrte einen Moment lang mit leerem Blick auf ihre verletzte Hand, hob dann die gesunde und hielt sie wenige Zentimeter darüber während sie heilende Worte flüsterte, „Kaly Gelf“

Rae konnte zusehen wie sich Lils Handgelenk seltsam bewegte und verschob. Als es fertig war bewegte Lil ihre Hand als wäre sie niemals gebrochen gewesen.

„Ich glaube wir können weiter“, sagte Chris und stand auf. Er wollte um jeden Preis endlich aus diesem Trümmerfeld heraus. Schweigend sammelten sie ihre Sachen ein und machten sich weiter auf den mühseligen Weg.

Es dauerte fast den ganzen restlichen Tag bis sie die zerstörte Stadtmauer erreichten und die Überreste von Sophiron verliesen. Da sie nicht wussten in welche Richtung sie als nächstes ziehen sollten schlugen sie den Weg ein der zur nächstgelegen, größere Stadt führte. Sie mussten dringend ihre Vorräte auffrischen und Pferde kaufen wenn sie schnell vorankommen wollten.

Die Stadt, welche sie ansteuerten, lag einen Tagesmarsch von Sophiron entfernt. Sie hofften das sie nicht auch von Demian zerstört worden war. Müde und erschöpft schlugen sie ihr Lager in einer geschützten Mulde im Wald auf und legten sich schlafen. Mit den ersten Sonnenstrahlen die erschienen teilten sie ihren restlichen Proviant für ein Frühstück auf und zogen betrübt weiter.

„Könnten wir nicht mit dir fliegen? Dann kämen wir viel schneller voran?“, fragte Chris seufzend. Lil warf ihm als Antwort einen viel sagenden Blick zu und erneut seufzend marschierte Chris weiter.

Gegend Abend kamen endlich die Lichter der Stadt in Sicht und mit neuer Motivation zogen sie ihr Tempo an. Gerade noch rechtzeitig passierten sie die kleine Stadtmauer bevor diese zum Schutz gegen Wölfe geschlossen wurde. Die Straßen waren eng und schmutzig im Gegensatz zu Sophirons breiten Wegen. Die Häuse standen dicht beieinander und waren teilweise schon vom Verfall der Jahrzehnte gezeichnet. Zerlumpte Gestalten tummelten sich im Zwielicht der Gassen. Ziemlich in der Mitte der Straße angelangt erreichten sie ein altes Gasthaus das den Namen „Biberbau“ trug. Das Schild wackelte im sanften Wind quietschend hin und her. „Dort werden wir zu Abend essen und über Nacht bleiben“, murmelte Lil und öffnete die Tür zum Gasthaus. Drinnen war es voll, laut und stickig. Fast alle Tische waren besetzt und erst in einer abgelegenen Ecke fanden sie einen kleinen freien Tisch. Sie quetschten sich um die abgenutzte Tischplatte und setzten sich auf drei wackelige Stühle. Die Hunde legten sich müde ins Eck und beobachteten angespannt die vielen Männer die sich in der Schanke befanden. „Ich werde uns was zu trinken holen.“ Chris stand auf und drängte sich durch die Menge. Drei Schritte weiter war er nicht mehr zu sehen.

„Ich hoffe das wenigstens die Zimmer angenehmer sind“, seufzte Rae und beobachtete eine Ratte die quer durch den Raum schoss und in einem Loch der Mauer verschwand. Lil lächelte.

Es dauerte ziemlich lange ehe Chris mit drei Krügen zurück an den Tisch getaumelt kam. Er blickte grimmig drein, setzte sich und nahm einen tiefen Schluck. „Alles Zwielichte Gestalten hier. Räuber, Banditen, Söldner. Wir sollten heute Nacht wachsam bleiben wenn wir unser Hab und Gut behalten wollen. Ein Zimmer hätten wir und das Essen sollte auch bald da sein.“

Schweigend und geduldig warteten sie bis die Bedienung kam und eine große Pfanne mit Bratkartoffeln vor ihnen abstellte. Lil rümpfte die Nase als sie das Essen betrachtete was Chris nicht verborgen blieb. Entschuldigend zuckte er mit den Schultern „Das war das einzige was sie auf der Karte hatten.“

Resigniert griff Lil nach einer Gabel und stocherte im Essen herum. Nach drei Bissen legte sie sie wieder auf die Seite und rümpfte angewidert die Nase. „Das schmeckt furchtbar.“

„Ich finde es fehlt Salz. Ich gehe welches holen“, Rae stand auf und verschwand zwischen den Tischen und den pöbelnden Männern.

„Lil, weist du das ich Morgen Geburtstag habe?“, fragte Chris und grinste schelmisch. Lil schaute auf und wusste das er ihr damit etwas anderes sagen wollte.

„Das freut mich, ich werde dir zu angemessener Zeit natürlich gratulieren“, antwortete Lil und nahm einen weiteren Schluck von dem Met das Chris geholt hatte. Es war nicht das Beste, aber man konnte es trinken. Im nächsten Moment erschien auch Rae schon wieder mit einem kleinen Salzstreuer in der Hand. Mit einem gewaltigen Schlenker schüttete sie etwas über das Essen, dann nahm sie die Gabel und probierte etwas. Sie kaute einen Moment lang auf der Kartoffel herum und schüttelte dann den Kopf. Noch einmal streute sie Salz darüber und erschrak als der Deckel des Streuers herunter fiel und der gesamte Inhalt auf die Kartoffeln kippte. Einen Augenblick starrten alle drei auf das nun völlige versalzene Essen und lachten dann lauthals los.

„Ich glaube viel ruiniert haben wir nicht“, keuchte Chris als er sich beruhigte. Er stand auf und nahm die Pfanne vom Tisch „die werde ich mal weg bringen. Ich glaube ein Laib Brot schmeckt mir heute Abend besser.“

Grinsend erhob er sich und drängte sich zurück Richtung Theke. Als er unterwegs an einer angetrunkenen Gruppe Männer vorbei kam stellte sich ihm einer von ihnen breitbeinig in den Weg. „Hey, was soll das? Ich weis ja nicht wo du her kommst aber hier wird kein Essen zurück gegeben!“

„Es schmeckt aber nicht“, antwortete Chris höflich und versuchte an dem Mann vorbei zu kommen, doch dieser machte einen Schritt zur Seite und schlug Chris die Pfanne aus der Hand. Laut scheppernd fiel sie zu Boden und verteilte ihren Inhalt in der Schänke. Von einer Sekunde auf die nächste war es völlig still im Gasthaus und alle Blicke waren auf Chris und die Männer gerichtet. „Es schmeckt dir also nicht! Weist du was wir hier mit so verwöhnten Bengeln wie dir machen?“ Der Kerl zückte ein kleines Messer aus der Tasche und hielt es empor „wir erziehen sie!“ Lauter Tumult ertönte von seinen Kameraden und einigen anderen.

Bevor er jedoch noch einen Schritt auf Chris zumachen konnte stand eine schmale Gestalt mit einer tief im Gesicht hängenden Kapuze vor ihm und hob ihm eine rot leuchtende Schwertspitze direkt an die Kehle. Weiter hinten stand Rae kampfbereit am Tisch und hatte die Hand zu einem Zauber erhoben.

„An deiner Stelle würde ich das Messer wieder weg packen, deinen Krug leeren und nach Hause gehen“, zischte Lil drohend.

Schweißperlen traten auf die Stirn des Mannes und zögernd packte er das Messer zurück in den Gürtel. „Hey, hey, immer mit der Ruhe. Wir wollen keinen Streit. Fremde sind hier willkommen“, rief er verunsichert aus und Hob beschwichtigend die Hände in die Höhe. Rae war mit den Hunden hinter Lil getreten die ihr Schwert runter nahm aber nicht einsteckte. Gemeinsam liefen sie durch die Schänke und stiegen die Treppe zu den Gästezimmern empor. Erst als sie die Tür ihres Zimmer hinter sich verriegelt und mit Schutzzaubern ausgestattet hatten steckte Lil ihr Schwert zurück in die Scheide und nahm die Kapuze ab. „Es ist jedes Mal das selbe mit diesem Pack“, knurrte sie genervt und schmiss ihren Rucksack auf einen vermoderten Stuhl. In dem kleinen, schäbigen Zimmer standen zwei Betten mit alten, verlegenen Matratzen und ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. An der Wand hing ein zerbrochener Spiegel über einer zerbeulten Waschschüssel die schon sehr lange nicht mehr genutzt worden war, betrachtete man das verflochten gewobene Spinnennetz das sich darin befand.

„Es gibt nur zwei Betten“, stellte Chris erschöpft fest.

„Ich kann auf dem Boden schlafen“, antwortete Lil und breitete ihre Decke auf den knarrenden Dielen aus und legte sich darauf. Chris und Rae begaben sich zu den Betten und legten sich hinein. Es dauerte nicht lange ehe sie alle drei eingeschlafen waren.
 

Es war mitten in der Nacht als etwas Leichtes auf Raes Bett landete und sie vorsichtig angestupst wurde. Rae öffnete verschlafen die Augen und Blickte sich im dunklen Zimmer um. Als sie nichts erkennen konnte murmelte sie einen Zauber und auf ihrer Handfläche erschien eine kleine Lichtkugel die ihr Umfeld erleuchtete. Lil stand vor ihrem Bett und war fertig angezogen. „Zieh dir das über. Wir gehen jagen“, flüsterte sie leise und deutete auf den schwarzen Kapuzenumhang den sie Rae aufs Bett geworfen hatte.

Geduldig wartete sie bis Rae sich angekleidet hatte und Bogen und Köcher von Chris an sich nahm. „Wieso willst du um diese Uhrzeit auf die Jagd?“, fragte Rae gähnend. Sie bezweifelte das das Gasthaus noch für so späte Unternehmungen geöffnet hatte.

„Weil ich um diese Zeit richtig jagen kann ohne entdeckt zu werden. Außerdem dachte ich mir könnte es dir gefallen.“ Lil grinste verwegen und öffnete das Fenster, „nach dir!“

Rae trat an die Scheibe und flüsterte „Claskeri“, vorsichtig schwebte sie auf den Boden hinab und landete lautlos wie eine Feder. Lil tat es ihr gleich und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Stadtmauer. Dort angekommen wiederholten sie den Zauber und schlichen vorsichtig davon. Als sie den kleinen Wald erreichten aus dem sie am vorigen Tag gekommen waren bedeutete Lil Rae stehen zu bleiben und lief noch einige Schritte weiter ehe auch sie hielt. Rae spürte es als die Finsternis vor ihr noch mehr zunahm und doch konnte sie es nicht ganz verhindern als sie vor dem riesigen Drachen vor sich zurück zuckte.

Nun komm schon. Steig auf, wir haben nicht viel Zeit!

Zuerst zögernd dann sicherer trat Rae auf Lil zu und kletterte vorsichtig an ihrem Hinterlauf auf den Rücken und zog sich dort an den Zacken bis hinauf zu den Schultern, wo sie sich zwischen zwei Zacken hinsetzen konnte. Am vorderen hielt sie sich fest während der Hintere ihren Rücken stütze. Nervös klammerte sie sich an den Rückenzacken vor sich und wartete darauf was geschah. Mit einem kräftigen Satz stieß sich der schwarze Drache vom Boden und erhob sich mit ein paar kräftigen Flügelschlägen weit in den Himmel empor.

Raes Magen machte einen Hüpfer doch sie unterdrückte das mulmige Gefühl das sich in ihr bildete so gut es ging und konzentrierte sich auf die Sterne über sich die in dieser Höhe noch berauschender aussahen. Nach einer Weile fand sie gefallen daran so weit über der Erde zu fliegen. Der Wind rauschte ihr um die Ohren und zerzauste ihre Haare während sie sich so frei wie noch nie fühlte.

Gefällt es dir?

„Es ist wunderbar!“, schrie Rae gegen den Flugwind an. Ein seltsames Beben erfasste Lils massigen Körper und ein lautes Brummen entfuhr ihrer Kehle. Sie lachte.

Der Flug kam Rae fiel zu kurz vor als sie sich schon wieder dem Erdboden nährten und der Drache schließlich landete. Rae kletterte von Lils Rücken und starrte auf die bleich erleuchtete Lichtung vor ihnen. Dort graste eine Herde Waldhirsche friedlich ohne den Drachen gewittert zu haben. Rae schlich sich vorsichtig an, legte einen Pfeil auf und schoss. Als die Herde auseinander stob erhob sich Lil wieder empor und schoss Blitzschnell hinter einem der Tiere hinterher. Ehe sich der Hirsch versah wurde er von ihren messerscharfen Reiszähnen gepackt und hob vom Boden ab. Rae lief zu ihrem erlegten Tier während Lil am Rande der Lichtung ihre Beute verschlang. Als sie fertig war kam sie stampfend zu Rae zurück gelaufen, lies sie aufsteigen, packte das Tier mit ihren Klauen und stieß sich vom Boden ab gen Himmel. Zufrieden flog sie Richtung Stadt zurück.

Hrhrhr, ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag.

Rae zuckte zusammen, „Woher weist du… Chris?!“ Ein erneutes Brummen ertönte und unweigerlich musste Rae mit einstimmen.

„Wieso hast du dich verwandelt? Ich dachte es sei zu gefährlich!“

Es ist finstere Nacht. Der Mond ist kaum noch eine Handbreite Sichel am Sternenhimmel. Die Menschen haben keine so gute Augen um meine schwarze Schuppen vom schwarz des Himmels zu unterscheiden. Sie können mich nicht sehen.

„Und Demian?“ Rae spürte wie sich der Körper unter ihr anspannte.

Demian wird sich nicht mehr in der Nähe befinden.

„Woher willst du das wissen?“

Wäre er noch hier stünde die Stadt nicht mehr.

„Könnte er dich sehen?“

Lil schwieg einen Moment ehe sie antwortete, Wir Drachen haben sehr gute Augen und sehen viel was euch verborgen bleibt. Aber einen schwarzen Drachen vor einem schwarzen Himmel zu sehen ist auch für Drachen schwer.

Rae dachte eine Weile darüber nach und musste feststellen das sie die Drachen immer faszinierender fand. Als sie sich in den Sinkflug begaben landeten sie mitten in dem kleinen Wäldchen. Wir sollten das Reh hier ausnehmen und braten. In der Stadt würden sie sich nur fragen woher es kommt und noch mehr Aufsehen sollten wir nicht erregen.

Rae nickte und begann das Tier auszunehmen während Lil sich zurück verwandelte. Den Rest der Nacht verbrachten sie lachend an einem kleinen Feuer und gegen Morgengrauen schlichen sie sich zurück in das Gasthaus wo sie die letzten Stunden noch schliefen und Chris am frühen Morgen mit frischem, saftigen Rehbraten überraschten.

Kapitel 16 (Rae)

Chris hatte das Fleisch schneller verschlungen, als Rae es erlegt hatte und schaute Rae, welche ihn angrinste, dann erwartungsvoll an.

„Alles Gute zum Geburtstag!“, meinten sie dann beide gleichzeitig.

„Ihr seid doch beide doof!“, grinste Lil, schmiss sich dann auf eines der Betten, verschränkte ihre Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen.

„Wir sollten versuchen Pferde zu erwerben und dann die Stadt schnellst möglich hinter uns lassen. Mir gefällt die Stimmung hier nicht und ich will ungern noch mehr Aufmerksamkeit auf uns ziehen, als wir bereits haben.“, erklärte Rae und fing an Sachen aufzulesen, „Erstaunlich wie viel sich doch in nur ein paar Stunden schlaf verstreuen lässt.“

„Und wohin dann? Wir wissen wo zwei Relikte sind aber von den anderen beiden haben wir nicht den leisesten Schimmer wo sie sein könnten!“, meinte Chris genervt.

„Eins nach dem anderen.“, meinte Rae zuversichtlich und blickte dann zu Lil, welche sich wieder von dem Bett erhoben hatte.

„Dann mal los“, meinte sie munter.

Rae, immer noch in den dunklen Mantel von Lil gehüllt, lief den anderen beiden voran. Sie kam die Treppe hinunter und blieb abrupt stehen.

Vor ihr stand ein ganzer Trupp Männer, allen voran der Typ von letzter Nacht, er schien die Gruppe zu führen. Blitzschnell nahm sie ihre Umgebung in sich auf, als auch schon Lil und Chris hinter ihr auftauchten.

„Das darf doch nicht war sein!“, fluchte Chris und Lil zog ihr Schwert.

„Was willst du?“, sprach Rae den Anführer an.

„Nicht Ansässige die aufmüpfig sind, werden hier nicht gern gesehen!“, grunzte er.

„Gut, dass wir auf dem Weg aus der Stadt sind!“, versuchte Rae die Situation unter Kontrolle zu bringen und versuchte an den Männern vorbei zu treten.

„Nicht so schnell!“, sprach einer seiner Kumpane und streckte seinen Arm in Raes Weg, um diese davon abzuhalten weiterzugehen. Im nächsten Moment lag er auf dem Rücken und blickte zu seinen Kumpels auf.

„Noch jemand der ein Problem hat?“, fragte Rae wütend und blickte sich herausfordernd um.

„Weib, dir scheint nicht klar zu sein wo deine Stelle ist! Wenn ein Mann dir etwas sagt, hast du zu gehorchen!“, schnauzte der immer noch namenslose Anführer.

Wütend ging Rae auf ihn zu und lehnte sich zu ihm hin bis nur noch wenige Zentimeter zwischen ihnen waren.

„Du liegst falsch, wenn du denkst ich lass mich auch nur im Geringsten von dir einschüchtern. Wenn du wenigstens etwas Stolz behalten willst, verschwindest du besser auf der Stelle, Weib!“, Rae knurrte das letzte, hob ihr Knie und rammte es ihm zwischen die Beine.

Perplex blickte Chris seiner Schwester nach, als diese erneut auf die Männer zulief. Diesmal jedoch wischen sie zur Seite und ließen sie passieren.

„Komm schon!“, meinte Lil und zerrte Chris am Ärmel mit sich aus dem Biberbau hinaus.

„Soviel zu keine Aufmerksamkeit erregen!“, grinste Lil, als sie zu Rae aufholten.

„Tut mir leid, wenn ich solchen Idioten begegne kann ich mich einfach nicht zurück halten! Bekommen einfach nicht genug! Und das eine Frau ihnen widerspricht oder gar das eine Frau für sich selbst denkt, können sie einfach nicht einsehen. Denken das sie das intelligentere Geschlecht sind!“, fluchte Rae, immer noch in Rage.

„Er hat verdient was er bekommen hat und jetzt beruhig dich wieder!“, sagte Lil als sie die Straße entlang liefen.

„Wir sollten so schnell wie möglich aus der Stadt raus! Ich wette die Kazzak wurden gewarnt auf einen Mann der in Begleitung zweier Frauen reist zu achten und wenn auch nur ein Wort zu ihnen gelangt über drei Unruhestifter, werden sie sich direkt auf die Jagd machen!“, erklärte Rae.

„Was machen wir mit den Hunden?“, fragte Chris als sie in die nächste Gasse einbogen.

Sie rümpften die Nasen als der von Heu und Pferdemist in der Luft lag.

„Ich will sie nur ungern hier lassen! Wir haben ihrem Herren versprochen gut auf sie zu achten und das sie hier gut untergebracht wären glaube ich kaum.“, erwiderte Lil.

„Sollten wir jedoch verfolgt werden, könnten sie uns zum Verhängnis werden. Wir sollten sehen ob wir jemanden finden dem wir sie anvertrauen können, wenn nicht hier, spätestens in der nächsten Stadt.“, erklärte Rae und lief hinter Lil in eine der Stallungen hinein.
 

Sie hatten drei recht gute Pferde gefunden. Nachdem sie den Halter bezahlt hatten, machten sie sich daran ihre Vorräte aufzufüllen und am Nachmittag wollten sie die Tiere abholen und sich auf den Weg machen.

Sie verließen gerade den Gerber, dem sie das Rehfell verkauft hatten, als sie einen Tumult in einer der Gassen vernahmen. Neugierig liefen sie, wie viele Andere, auf das Geschehen zu.

Zwei Männer standen sich mit gezogenen Schwertern gegenüber und schreiend tanzten sie umeinander herum.

„Bill, du hattest eine Aufgabe, eine kleine Aufgabe! Aber offensichtlich ist es zu viel verlangt, dass du zwei Mädchen tötest, ihnen jegliche Waffen und Schmuck abnimmst und zurückkommst!“, knurrte der eine Mann. Rae verstand nicht was er sagt, Lil jedoch hatte es gehört und zog nun Chris und Rae zur Seite.

„Was ist los?“, fragte Rae gereizt und blickte sich hektisch um.

„Sei ruhig! Bill hatte den Auftrag uns zu töten! Wir sollten so schnell wie möglich Deckung suchen und dann versuchen herauszufinden woher dieser Auftrag kam!“, erklärte Lil und zog die beiden anderen in eine dunkle Ecke, aus den Augen der vorbeihuschenden Menge.

„Bill? Wer ist das denn nun?“, fragte Chris leicht irritiert.

„Unser Freund aus dem Gasthaus! Ich werde versuchen ihn alleine zu erwischen, während ihr die Pferde holen geht. Wir treffen uns außerhalb der Stadtmauer wieder!“, erklärte Lil und noch bevor ihr jemand widersprechen konnte war sie verschwunden.

„Verdammt Lil! Sie macht das aber auch immer wieder!“, fluchte Rae und machte sich auf die Pferde zu holen.
 

Wie verabredet hatten sie sich außerhalb der Stadtmauern mit Lil getroffen. Rae hatte ihr erst einmal eine Standpauke gehalten, dass sie zwar verstehe das Lil es gewohnt sei Entscheidungen alleine zu treffen und das sie selbst es auch so gewohnt gewesen wäre wenn es Jahrhunderte so war. Sicherlich hätte sie dann auch Probleme sich wieder umzugewöhnen. Aber da sich Lil nun nicht mehr alleine auf Reisen begab, müsse sie sich endlich mal darauf einlassen, das sie eben nicht alleine dastand.

„Zwei!“, erwiderte Lil nur, als Rae sich wieder einigermaßen beruhigt hatte und endlich schwieg.

„Zwei was?“, fragte Rae immer noch gereizt.

„Zwei Jahrhundert, ich bin gerade mal Zweihundertfünfunddreißig“, grinste Lil und wich Rae aus die auf sie losging. „Willst du wissen was Bill gesagt hat oder nicht?“

Rae blieb stehen und tat so als würde sie wirklich angestrengt darüber nachdenken müssen, „Okay rede!“

„Er meinte das vorletzte Nacht ein Trupp Kazzak durch die Stadt zog und Befehle da lies das Nachtarr auf der Suche nach zwei Frauen in Begleitung eines Mannes sei und das der, der sie tötet und all ihre Waffen und Schmuck zu ihm zu bringt hoch belohnt werden solle!“

„Das klingt gar nicht gut! Wir sollten versuchen außer Sicht zu bleiben! Hat er was gesagt wohin sie Waffen und Schmuck schicken sollten?“, fragte Chris nach.

„Das war das Seltsame daran. Ich hätte erwartet das sie die Gegenstände nach Skull-Thuzad bringen sollten, die Befehle lauten jedoch sie nach Blikara zu bringen.“

„Dann haben wir unser Ziel.“

Sie machten sich auf in Richtung der Stadt die etwa acht bis zehn Tage von ihrem jetzigem Standort entfernt war. Blikara lag südwestlich des ehemaligen Lagers der Quioda und Rae bestand darauf, zu sehen ob es das Lager noch gab.

„Es könnte eine Falle sein. Selbst wenn sie nicht wissen, das wir kommen, könnten sie vorsichtshalber einfach auf uns warten!“, erklärte Lil.

„Wenn jedoch mein Großvater noch am Leben ist, kann er uns vielleicht helfen die anderen beiden Relikte der Menschen aufzuspüren!“, hielt Rae fest.

„Dein Großvater! Ha!“

„Was willst du denn jetzt damit sagen?“, fuhr Rae Lil an, als diese das Wort „Großvater“ richtig doppeldeutig aussprach.

„Nichts! Wie du willst, lass uns nachschauen, aber erstmal müssen wir los! Wer weis was uns unterwegs passiert!“
 

Lils Vorhersage schien sich nicht zu bewahrheiten. Sie waren bereits mehrer Tage unterwegs und bisher auf keine Hindernisse jeglicher Art getroffen. Ihr einziges Problem momentan war das ihr Wasser knapp wurde, da sie schon seit geraumer Zeit an keinem Fluss mehr vorbeigekommen waren, aber es gab Schlimmeres und dies zählte wohlweislich nicht zu einem wirklichen Problem. Sie waren bereits im Grenzgebiet der Quioda. Sowohl Rae als auch Chris waren hier aufgewachsen und kannte sich gut aus. Sie wussten das der nächste Fluss direkt vor ihnen lag.

Die Gruppe rastete eine Weile als sie am Gewässer ankam und machte sich dann auf die letzte Strecke des Weges zum Lager der Quioda. Die Wälder um sie herum waren immer Dichter geworden und Lil schien sich unwohl zu fühlen.

„Gibt es keinen lichteren Weg?“, fragte sie nach einer Weile.

„Was ist dein Problem? Es sind nur Bäume!“, fragte Rae mit einem grinsen.

„Ich hab kein Problem! Aber sollten wir in eine Falle laufen würde ich gerne wenigstens etwas Vorwarnung haben!“, erklärte Lil mürrisch als sie von den Pferden abstiegen um diese durch die enge zu führen. Es passte ihr immer noch nicht Halt bei Raes Clan einzulegen.

„Magie lässt die Bäume so dicht beieinander stehen. Wenn wir weit genug vorgedrungen sind, wird der Wald wieder lichter!“, meinte Rae.
 

Wenige Schritte später fand sich Rae einem Speer gegenüber. Ihr blick folgte der Lanze und fand das Gesicht eines ihr unbekannten, jungen Mannes.

Lil blickte zu Rae hinüber, mit einem Blick der eindeutig sagte: „Ich hab es dir gesagt!“

„Wer seid ihr und was wollt ihr hier?“, fragte er und blickte von einem zum anderem.

„Gegenfrage, wie kommst du auf die Idee, dass wir uns von einem Knirps wie dir aufhalten lassen?“, fragte Rae, „Es steht drei gegen einen! Nicht das wir Probleme machen wollen!“

Rae gab vor unwissend zu sein, sie hatte längst gespürt, dass mindestens zwei schwächere Magiekundige sie umgaben und sie vermutete das weitere Grenzwachen bereits herbeigeeilt waren.

„Er ist nicht alleine!“, wurde Rae bestätigt als sich ein weiterer junger Mann neben den Speerträger stellte.

„Ihr seht nicht aus als würdet ihr für Nachtarr kämpfen, doch dies könntet ihr auch nur Vorgeben! Also nennt uns eurer Namen und warum ihr in diesen Wäldern herum wandelt!“

„Wir haben uns verlaufen!“, meinte Chris schlicht, „Habt ihr gesehen wie eng die Bäume hier stehen? Es gibt nicht einmal einen Weg!“

„Ihr seid unerwünscht hier! Wir begleiten euch aus dem Wald hinaus, wenn eure Geschichte stimmt!“

„Ich glaube da werdet ihr Probleme haben, denn eigentlich wollen wir nicht aus dem Wald heraus. Aber vielleicht wollt ihr uns mal sagen wer ihr seid?“, grinste Lil und ging herausfordern einen Schritt auf ihre Gegenüber zu.

„Cogito“, flüstere Rae, ein Zauber um eine gedankliche Nachricht zu schicken

Wir müssen sie dazu bringen uns gefangen zu nehmen. Sie werden uns nie trauen, doch ich bin mir sicher sie sind Quioda!

„Aus welchem Grund wollt ihr nicht, dass wir den Wald durchqueren?“, fragte Chris.

„Ihr habt genug unsere Zeit verschwendet, tretet aus dem Weg oder wir werden euch zwingen den Weg frei zu geben!“

Speerträger gab ein Zeichen, jedoch nicht um sie passieren zu lassen, weitere Wachen erschienen zwischen den Bäumen.

„Tut mir leid, das ist leider keine Option! Eure letzte Chance, wählt euch von uns aus dem Wald führen zu lassen oder wir müssen andere Maßnahmen ergreifen!“

„Danke, wir finden auch alleine wieder heraus!“, erwiderte Rae und schritt auf die Männer zu.

Im nächsten Moment spürte sie alle drei wie ein Zauber auf sie gelegt wurde. Es war ein Schlafzauber, ein schwacher Zauber den selbst Chris abwehren konnte.

Sie gaben vor das Bewusstsein zu verlieren und ließen sich auf den Boden sinken. Ihre Gegenüber fingen sie jedoch auf, bevor sie hinfielen. Man fesselte ihnen die Hände und im nächsten Moment wurden sie wieder auf die Pferde gelegt und davon geführt.

Kapitel 17 (Aiwe)

Kapitel 17
 

Es kam Lil wie eine Ewigkeit vor in der sie nun schon von den Männern durch den Wald geführt wurden. Allmählich wurde ihr langweilig und ihr Rücken begann zu schmerzen. Sie waren quer über die Sättel der Pferde gelegt worden was eine sehr unangenehme Wanderung zur Folge hatte.

Wo führen sie uns hin? Ich werde allmählich ungeduldig, fragte Lil Rae in Gedanken und wartete dann ab bis Rae ihren Zauber zum antworten geflüstert hatte – so leise das nur Lil es mit ihrem geschärften Gehör wahrnehmen konnte.

Um ehrlich zu sein weis ich es nicht. Wir hätten schon längst da sein müssen. Vielleicht haben sie aber auch an einem anderen Ort ihr neues Lager aufgeschlagen.

Oder du hast dich geirrt und es sind keine Quioda.

Rae wollte gerade zu einer Entgegnung ansetzen als ein lauter, panischer Schrei ertönte. Sofort riss Lil die Augen auf und lies sich geschmeidig und flink vom Pferd gleiten. Am Anfang des kleinen Trupps war hektischer Tumult los gebrochen und mittendrin stand ein Kazzak und leckte mit seiner schwarzen Zunge über sein blutbesudeltes Schwert.

Auf dem Boden vor seinen Füßen lag ein enthaupteter Leichnam. Rechts und links neben dem Kazzak tauchten 7 weitere auf.

Die jungen Krieger sammelten sich und traten den Bestien mit gezückten Schwertern, Pfeil und Bogen und Speeren entgegen. Dafür das ihre Gefangenen aufgewacht waren hatte niemand ein Auge.

Die Kazzak stürmten los. Entschlossen hoben die Männer ihre Waffen gegen ihren überlegenen Feind und Lil konnte spüren wie sie mit Magie versuchten ihren Gegner unschädlich zu machen. Eines der Ungeheuer kippte tatsächlich benommen um doch die anderen rannten unbeirrt weiter.

Das alles geschah in wenigen Sekunden und gerade als der erste Kazzak seine Waffe erhob lies Rae einen magischen Schutzwall vor den Männern entstehen. Mit einem seltsamen Geräusch prallte die Waffe an einer beim Aufprall sichtbar werdenden, blauen Wand ab.

Rae zuckte bei dem heftigen Schlag zusammen während die Kazzak und Männer gleichermaßen verwundert dreischauten.

Das war das Zeichen für die Gefährten anzugreifen. Chris brach mit seinem Pferd nach links weg um die Kazzak von der Seite zu attackieren. Rae machte das selbe mit einem flotten Sprint auf der rechten Seite, während Lil geradewegs mit einem mächtigen Satz über die Männer vor ihr hinweg setzte, sich mit einem lauten Schrei auf einen der Kazzak stürzte und ihm mit ihrem Schwert den Schädel spaltete.

Chris hatte in der Zwischenzeit einem der Ungeheuer den Schwertarm abgeschlagen und bezwang es nun mit Magie. Der Kazzak sackte mit weit aufgerissenen Augen auf den Boden und griff sich dabei an die Kehle. Rae lieferte sich mit zwei der monströsen Krieger ein heftiges Schwertduell. Auf dem Boden vor ihren Füßen lag ein verkokelter Leichnam.

Die zwei verbleibenden Kazzak stürmten mit erhobenen Schwertern auf Lil ein. Diese parierte die Angriffe der beiden Krieger geschickt und drängte sie zurück. Als sie die Kazzak mit einem kräftigen Schlag zwei Sätze zurück weichen lies hob sie ihr Schwert seitlich von sich und rief „Cyra!“ Die Klinge des Schwertes ging in Flammen auf und mit einem kräftigen Schwung nach vorne zog sie mit ihrem Schwert einen Halbkreis. Die Flammen lösten sich von der Klinge und schossen geradewegs auf die Ungeheuer zu und teilte diese in der Mitte.

Im selben Moment bezwang Rae einen der Urgals mit dem Schwert und streckte den anderen mit Hilfe von Magie nieder.

Als sich der bewusstlose Kazzak am Boden rührte rammte Chris ihm sein Schwert ins Herz. Die Krieger die sei gefangen genommen hatten standen mit schreckgeweiteten Blicken und aschfahlen Gesichtern da und starrten die drei Kämpfer an. Ihre Waffen hatten sie noch immer kampfbereit erhoben.

„W… wer seid ihr? Was wollt ihr hier?“, fragte einer der Männer zögernd.

„Mich würde es eher interessieren wer ihr seid. Seid ihr von den Quioda?“, stellte Chris eine Gegenfrage. Der Mann schluckte nervös, überwand sich dann jedoch und antwortete: „Mein Name ist Evan und meine Männer und ich sind von den Karee. Wir wurden geschickt um die Quioda im Kampf zu unterstützen.“

„Kampf? Was für ein Kampf?“, rief Rae erschrocken und trat einen Schritt nach vorne.

„Die Quioda wurden von Kazzak und Arrkar überfallen und das gesamte Dorf wurde zerstört. Mitten im Wald befindet sich ein Lager von ihnen doch auch dieses wird unermüdlich von den Feinden angegriffen.“

„Könnt ihr uns dorthin bringen? Wir sind Quioda und waren auf Reisen. Wir haben vieles nicht mit bekommen was in der Zwischenzeit passiert ist.“

„Ah, natürlich. Hättet ihr das doch nur gleich gesagt. Folgt uns, es ist nicht mehr all zu weit. Die Kazzak waren der beste Beweis das wir uns dem Lager nähern.“

Sie stiegen zurück auf die Pferde und ritten los. Jetzt da die drei Freunde wach waren ging es wesentlich zügiger voran und schon bald konnten sie Rauchschwaden über den Bäumen aufsteigen sehen. Die Geräusche einer großen Menschenmenge drang zu ihnen herüber und der Geruch von frisch gebratenem Fleisch wehte mit dem Wind heran. Als sie sich dem Lager immer weiter näherten wurden die Bäume immer kahler und weniger bis letztendlich kein Baum mehr stand. Sie ritten das letzte Stück über eine Lichtung von so gewaltigem Ausmaß das man eine Stadt wie Sofiron hätte darin erbauen können. Am anderen Ende der Lichtung lag ein weiteres Lager. Es gab kaum Zelte aber dafür einen umso erschreckenderen Schutzwall drum herum und es stiegen fast dreifach so viele Rauchsäulen empor wie beim Lager der Quioda. Als sie sich dem Schutzwall aus massiven Baumstämmen näherten wurde ein provisorisches Tor aufgezogen und sie ritten ins innere. Überall standen Zelte und bewaffnete Männer liefen eilig umher.

„Könnt ihr mich zu Joel bringen? Dem Führer der Quioda?“, fragte Rae und Evan nickte während er sie mit einer Geste aufforderte zu folgen.

Die Pferde gaben sie an einem Pferch ab wo sie von zwei Frauen entgegen genommen und versorgt wurden. Zu fuß liefen sie zwischen den Zelten im Zick Zack durch das Lager und ab und an erkannte Rae ein vertrautes Gesicht, doch viele der Menschen waren ihr fremd und sie fragte sich ob sie schon immer zu den Quioda gehört hatten.

Als sie an einem großen, weißen Zelt ankamen stoppte Evan und verabschiedete sich. Er verschwand zwischen einer weiteren Zeltreihe. Die Wachen am Zelteingang liesen Rae und Chris passieren, wollten Lil jedoch mit überkreuzten Schwertern aufhalten. Als diese sie wütend anfunkelte und Rae ihnen befahl sie durch zu lassen steckten sie ihre Schwerter zurück in die Hülle.

Im Innern des Zeltes stand ein großer Tisch mit neun Stühlen, sowie ein provisorisches Bett und eine Waschschüssel. Joel saß mit zwei kräftigen Männern am Tisch und studierte gerade eine Karte als er den Blick hob und seine zwei Enkel erblickte.

„Ihr lebt! Gott sei Dank ihr seid wohl auf“, er stürmte vom Stuhl empor und umarmte die zwei bis ihm einfiel welche Position er vertrat und sie schnell wieder los lies.

„Großvater was ist hier los?“, fragte Chris und musterte Joel eingehend.

„Die Kazzak haben unser ganzes Dorf zerstört. Zuerst sind wir geflohen, doch dann haben wir entschieden das es ein für allemal ein Ende haben muss. Wir können uns nicht ewig verstecken! Wir haben beschlossen uns zur Wehr zu setzen und die anderen Magierclans um Hilfe gebeten. Bisher haben jedoch leider nur die Karre Hilfe gesandt und auch nur spärlich. Sie sind sich nicht sicher ob sie so weit sind und sich dieser Gefahr aussetzen. Wir können jedoch nicht länger auf die Drachen warten. Wahrscheinlich wird sich nie einer zu erkennen geben und uns unterstützen, oder sie trauen sich endlich wenn sie merken das wir den ersten Schlag getan haben. Ich weis es nicht.“

„Woher der Sinneswandel?“, fragte Rae verwundert.

Joel seufzte, „Ich kann nicht ewig warten bis die Situation sich verbessert. Wir müssen selbst agieren und die Menschen davon überzeugen uns zu unterstützen. Ich habe lange genug da gesessen und dabei zu gesehen wie die Welt für die nächste Generation immer grausamer wurde. Wie sollen wir heute noch mit ruhigem Gewissen Kinder groß ziehen wenn sie in wenigen Jahren versklavt werden, Hunger leiden oder gar getötet werden?“ Auf einmal wirkte Joel sehr alt. Er setzte sich und faltete gedankenverloren die Hände vor der Stirn.

„Wie ist die jetzige Lage?“, lenkte Chris ein um sein Großvater etwas von seinen Gedanken abzulenken. Es wirkte denn Joel schaute eifrig auf. „Nicht schlecht. Wir konnten sie zurück treiben und in Schach halten, doch wenn noch mehr dieser widerlichen Arrkar hier auftauchen sieht es schlecht für uns aus. Viel länger können wir hier nicht verweilen. Wir müssen einen tödlichen Schlag ausüben und das ganze Lager dieser Ausgeburten der Hölle auf einmal zerschmettern. Wenn wir nur mehr Krieger hätten… dann sähe die Sache besser aus.“

In den nächsten Stunden verbrachten sie die Zeit damit sich von Joel in das bisherige Geschehen einweisen zu lassen und seine Taktiken anzuhören. Als es draußen dunkel wurde lies Joel ihnen etwas zu essen bringen.

Lil hatte die ganze Zeit über geschwiegen und als sie fertig waren mit essen erhob sie sich, zückte ihr Schwert und schmetterte es mit voller Wucht in den Holztisch so dass es zitternd stecken blieb. Die anderen zuckten erschrocken zusammen und von draußen kamen die Soldaten rein gestürmt und starrten grimmig zu Lil bereit sie zu töten falls es sein musste.

„Geht zurück auf eure Plätze es ist alles in Ordnung!“, rief Rae wobei sie sich jedoch nicht sicher war ob das wirklich stimmte. „Cyra ba thund!“, sagte Lil mit zischender Stimme und auf der rubinroten Klinge kamen goldene Schriftzeichen und blutrote Verzierungen zum Vorschein.

Joel starrte mit weit aufgerissenen Augen auf das Schwert und langsam wich die Lebensfarbe aus seinem Gesicht. „Das kann nicht sein! Wo hast du dieses Schwert her? Wo hast du es gestohlen! Weist du überhaupt was es darstellt?!“

„Gestohlen? Ich habe ihn nicht gestohlen! Und sicher weis ich was er darstellt, schließlich habe ich ihn von meinem Vater erhalten!“, knurrte Lil bedrohlich und starrte Joel mit ihren schwarzen Augen so durchdringend an das Rae glaubte sie würde ihn mit ihrem Blick töten wenn er zuckte.

„Aber das ist unmöglich. Das ist absolut unmöglich. Dieses Schwert ist das Heiligtum der Feuerdrachen! Es ist Cyra, das Flammende Schwert, der Inbegriff des Feuers. Nur ein Drache adliger Herkunft unter den flammenden Kriegern darf dieses Relikt tragen! Das Relikt der Stärke. Ich kann nicht glauben das du ein Drache bist!“

Rae hatte nervös zu gehört doch jetzt das sie verstand was Lil mit dem zur Schau stellen des Schwertes bezwecken wollte, wusste sie das Lil es absichtlich gezeigt hatte. Sie zeigte Joel ihre wahre Identität und sicherte ihm somit ihre Unterstützung zu.

„Die Feuerdrachen werden auf eurer Seite kämpfen wenn die Zeit gekommen ist. Doch zuvor haben wir etwas Wichtigeres zu erledigen!“, flüsterte Lil energisch und das Schwert nahm sein ursprüngliches Aussehen wieder an.

Joel wandte sich verwirrt an Rae. „Was hat das zu bedeuten?“

„Großvater, wir suchen die Relikte. Ich traf Lil auf der Reise hier her und habe erst vor kurzem erfahren was sie wirklich ist. Wir hatten bereits das Relikt der Eisdrachen in unserem Besitz doch dann wurde es uns von einem eben dieser Drachen gestohlen. Er hat sich gegen uns gewandt.“

Joel erbleichte noch mehr und sah nun aus als würde er im sterben liegen. „Heißt das es gibt Drachen die sich gegen uns stellen?“

„Nur diesen einen. Bis jetzt… Doch es gibt Hoffnung. Lil hat sich unserer Sache angeschlossen. Sie hasst Nachtarr ebenso sehr wie wir und will um jeden Preis seinen Untergang besiegeln. Deswegen müssen wir die Magier Clans und die Drachen Clans zusammen rufen. Nur so haben wir eine Chance.“

Joel wollte gerade etwas erwidern als von draußen laute Schreie herein drangen. Einer der Wachen kam ins Zelt geeilt und rief: „Sie greifen an! Kazzak und Arcarr greifen uns an!“

Sofort waren die vier im Zelt auf den Beinen und eilten nach draußen. Sie stürmten zur Barriere des Lagers und nahmen dort Pferde entgegen. Lil lehnte ab. „Wenn wirklich Arcarr mit im Spiel sind reichen Krieger auf Pferden nicht aus!“

Als das Tor geöffnet wurde kamen ihnen bereits die ersten Kazzak über die Lichtung entgegen gestürmt. „Angriff!“, donnerte Joels Stimme durch das Lager und die Quioda ritten ihrem Anführer kampfbereit hinterher.

Rae und Chris ritten dich bei ihrem Großvater um ihn zu schützen sollte er in Gefahr sein. Als die ersten Kazzak deutlich sichtbar wurden setzten die Quioda Magie ein und die erste Reihe der Kazzak fiel. Als über Rae ein dunkler Schatten hinweg rauschte glaubte sie zuerst sich geirrt zu haben doch plötzlich durchrissen Totesschreie die Nacht als hinter ihr drei Männer und ihre Pferde von einem der Arcarr zerstampft und in Stücke gerissen wurden. Rae wollte herum wirbeln und den Arcarr bekämpfen als ein zweiter, noch gewaltigerer Schatten über dem Monstrum auftauchte. Zwei gigantische Pranken schlossen sich um die Schultern des Arcarr und zogen ihn mühelos in den Nachthimmel hinauf. Der Arcarr schrie fürchterlich, schlug wild mit den Flügeln um sich und versuchte mit seinem Kopf herum zu kommen und seinen Angreifer zu verletzen, doch er schaffte es nicht. Das Geschrei des Ungeheuers wurde immer schriller als es auf die Erde zu schoss und dort mit einem ohrenbetäubenden Krachen in den Boden geschmettert wurde. Auf dem Leichnam thronte ein schwarzer Drachen der mit einem lauten Brüllen die Luft zum vibrieren brachte. Rae musste lächeln als sie Lil so majestätisch und angsteinflößend zugleich sah. Dann wirbelte sie mit ihrem Pferd herum und eilte zur Front wo Joel und Chris bereits gegen die Kazzak kämpften.

Lil schlug kräftig mit den Flügeln und stieß sich in den Himmel ab. Sie konnte spüren das es drei weitere Arcarr gab und sie würden alle sterben. Mit ihren Drachenaugen konnte sie gestochen scharf sehen obwohl es Nacht war. Vor ihr schoss ein schwarzer Schatten in den Himmel auf und sofort nahm sie die Verfolgung auf. Der Wind rauschte an ihren Schuppen entlang als sie ihrem Feind immer höher folgte. Als sie durch eine Wolkendecke brach schwebte der Arcarr plötzlich genau über ihr und stürzte sich mit lautem Geschrei auf sie. Seine Krallen bohrten sich durch ihre Schuppen hindurch in ihre Schultern. Wütend schnappte sie nach dem Arcarr und riss ihm ein Stück Fleisch aus dem Hals. Mit ihrem Schwanz hieb sie von der Seite auf ihn ein und zerstümmelte ihm dabei die Membran seines rechten Flügels, doch der Arcarr lies nicht los. Mit einem gewaltigen Feuerstrahl schaffte sie es schließlich ihn zu töten und den leblosen Körper von sich zu reisen. Keine Sekunde zu früh denn schon waren die beiden anderen Kreaturen unter ihr. Mit atemberaubender Geschwindigkeit schoss sie durch die Wolken davon und auf die Erde zu. Mit einer scharfen links Kurve konnte sie eines der Wesen abhängen. Sie drehte ihren Kopf nach hinten und schickte dem anderen Arcarr einen Flammenstoß entgegen der ihn zwang auszuweichen. Lil klappte ihren rechten Flügel ein und rauschte fast im Sturzflug unter dem Arcarr hindurch und auf das zweite Ungeheuer zu. Von unten stieß sie empor und schlug ihm ihre gewaltigen Klauen gegen den ungeschützten Bauch. Die Krallen schnitten mühelos durch das Fleisch des Feindes und riss ihm die Hälfte der Bauchdecke auf. Mit würgenden Geräuschen stürzte auch der zweite Arcarr zur Erde hinab. Nun war nur noch einer übrig.
 

Rae war schweißgebadet als sie einem weiteren Kazzak die Kehle aufschnitt. Sie hatten ihre Feinde weit zurück drängen können doch allmählich waren sie erschöpft. Die Kazzak hingegen waren immer noch gestärkt und attackierten sie unablässig mit derselben Kraft wie zu Beginn der Schlacht. Es dauerte für Raes Empfinden eine Ewigkeit ehe es immer weniger der Angreifer wurden. Ihr Schwertarm fühlte sich bleiern an und wollte ihr den Dienst versagen wenn sie sich nicht mit allen Mitteln gezwungen hätte weiter zu kämpfen. Was sie anfangs mit der Waffe vollbracht hatte, tat sie jetzt immer öfter mit Magie, was sie zusätzlich zwar enorm schwächte aber weitaus effektiver war als weiterhin mit dem Schwert zu kämpfen.

Es dämmerte bereits leicht als nur noch drei Dutzend der Feind übrig waren. Doch auch auf Seiten der Quioda gab es etliche Verluste zu beklagen und die Nacht war noch nicht gänzlich vorüber. Rae atmete schwer als sich die letzten Kazzak vor ihnen aufbauten.

„Gleich haben wir es geschafft“, dachte sie benommen. Die Kazzak brüllten laut, hoben ihre Krummschwerter in die Luft und stürmten los. Doch im gleichen Augenblick wie sie los stürmten fiel vom Himmel einer der Arcarr herab und zerschmetterte bei seinem Aufprall sieben der Kazzak. Mit einem lauten Donnern landete der schwarze Drache auf dem Arcarr und wirbelte brüllend mit dem Kopf zu den Kazzak herum. Ein Flammeninferno stieß aus dem Rachen des Drachen hervor und tötete die restlichen Ungeheuer. Ihre Schreie verstummten nur wenige Sekunden nachdem das Feuer sie erreichte. Danach war es völlig still auf dem Schlachtfeld.

„Siehst du, Rae, so macht man das!“, brüllte Lil freudig und neckisch in Raes Gedanken.

Als schließlich die ersten Sonnenstrahlen durch die Bäume um sie herum brachen glitzerten Lils Schuppen wie schwarze Diamanten mit einem hauch zarten rot Schimmer. Die Quioda starrten sie lange Minuten an, dann brachen sie in Jubelrufe aus.

Ein Drache zeigte sich und half ihnen im Kampf. Und Rae wusste nun das sie all die Jahre auf dem richtigen Weg gewesen war. Sie hatte als einzige daran geglaubt und nun tatsächlich geschafft einen Drachen zu finden der ihnen half.

Und der ihr eine gute Freundin werden würde.



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  moonlightborealis
2009-04-06T05:26:33+00:00 06.04.2009 07:26
ui

gefällt mir sehr gut ^^
setzt ich doch gleich mal auf fave das ichs auch wieder finde
bin ja mal gespannt wie es weitergeht
Von:  Mismar
2009-02-28T09:36:22+00:00 28.02.2009 10:36
Ich muss zugeben, dass der Schreibstil gut ist, es passt super ins Mittelalterschema ^^ Und auch die Wortwahl ist an manchen Stellen sehr passend.
Fehler habe ich wenige gefunden, dennoch wurden an einigen Stellen die Kommatas "falsch" oder gar nicht gesetzt. Zudem ist mir aufgefallen, dass das "und" zuoft gebraucht wird, manchmal gab es das in einem Satz 3mal.
Aber ansonsten war es gut, die Vorgeschichte passte sehr gut rein, aber leider kann ich inhaltlich nicht viel sagen, weil in vielen Geschichten fängt die Handlung teilweise so an. Also Drachen und Magier scheinen zumindest sehr begehrt zu sein.
Aber vllt kommt das Besondere und Einzigartige der Story erst im Verlauf der Geschichte ;D


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