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Katharsistheorie vs. Verstärkungstheorie NSFW!, Recht , deutsches, Recht , eidgenössisches, Sexualstrafrecht

Autor:  Eru-Jiyuka


Nein, dieser Eintrag ist nicht psychologischer Natur, auch wenn man dies vom Titel her mit Fug und Recht annehmen dürfte. Zumindest letztere sollte der geneigte Leser als „Anfixtheorie“ auch aus der Politik (Zensursulas ZugErschwG...) kennen. Im Sexualstrafrecht sind diese ebenfalls omnipräsent, da sie eine wichtige Diskussionsbasis zur Strafwürdigkeit von fiktiven Darstellungen sind. Dies soll hier anhand einer Analyse eines konkreten Falls sowie der zuständigen Normen veranschaulicht werden.
(Ich versuche zwar, so weit es geht jugendfrei zu argumentieren, zur Vorkehrung für etwaige Entgleisungen und zur korrekten Deklaration habe ich aber schon mal den NSFW-Sticker (nur echt mit ohne L.^^) aufgeklebt...)

Vorausschicken muss ich allerdings, dass ich für die Analyse dieses Fall (eigentlich unkorrekt!) helvetisches Recht zu Grund lege, da mir keine Kommentare für das deutsche Sexualstrafrecht vorliegen...

Dieser Fall, der im übrigen trotz des Themas verhältnismässig wenig Kommentare hatte (bei Pronfällen gehen diese sonst meist in die dreistelligen Beträge...), war einfach ein zu guter Anreiz, das Themengebiet zu repetieren, als dass das L. sich das unkommentiert durch die Lappen gehen lassen konnte^^

Aber zuerst zu den Fakten. Als Zufallsfund (auf diesen Sachverhalt wird das L. nicht näher eingehen, es wird der Einfachheit halber aufgrund des Fehlens einer „Fruit of the posion Tree“-Doktrin mal als zulässig erachtet...) einer Hausdurchsuchung wegen eines Betäubungsmitteldelikts wurde eine Bildersammlung pornographischer Natur gefunden, welche (fiktive!) anthropomorphe Charaktere (sogenannte Furries[1]) zeigt. Aus diesem Sachverhalt kreierte eine findige Staatsanwältin einen Tatbestand des <<Besitzes von Tierpornographie>> , als Vergehen[2] gem. Art. 197 Abs. 3 (Lagerung), bzw. Abs. 3 bis (Besitz) StGB strafbar Dieser ist grundsätzlich auf auch auf realitätsferne, fiktive Werke anwendbar.[3] Jedoch bemisst sich der Begriff des Tieres an Art. 2 Abs.1 TSchG , welcher den Schutzbereich auf Wirbeltiere und bestimmte Wirbelloser Tiere festlegt.[4] Über Tierähnliche Wesen verliert der Gesetzestext keine Worte, es ist jedoch möglich sie – im Sinne der Verstärkungstheorie – als fiktive Tiere („Tierabkömmlinge“) zu sehen. Gleichwohl kann in casu schon der Tatbestand nicht erfüllt sein, da nämlich ein wichtiges Merkmal fehlt, das der „Einbeziehung des primären Geschlechtsbereiches oder Afters des Menschen(!) in die sexuelle Handlung mit Tieren“, wie es KOLLER formuliert. Selbst wenn man – in deutlich kruder Auslegung! - annehmen will, das die betroffenen anthropomorphen Wesen als eine Art „Zwitterwesen“ gleichzeitig Mensch und Tier-Äquivalent seien[5], kommt man zu keinem anderen Ergebnis, da der Akt der „Sodomie“ (besser: Zoosexualität) immer zwischen zwei verschiedenen Arten stattfinden muss – was hier nicht der Fall ist - und somit kein Rechtsschutzgrund auf der Basis von Nachahmungsgefahr existiert. Insofern erscheint die Einstellung nach §153 D-StPO (Geringfügigkeit), welche VETTER aushandelte, leicht willkürlich, eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 D-StPO (fehlender Tatverdacht) wäre dem Fall angemessener gewesen.

Und was dies alles nun mit den eingangs erwähnten Theorien zu tun hat, wird der geneigte Leser nun wohl wissen wollen. Nun, das gesamte System der Strafbarkeit fiktiver Darstellungen (worunter neben harter Pornographie[6] u.a auch Gewaltdarstellungen fallen...) beruht auf Anerkennung der Verstärkungstheorie.

Die Verstärkungstheorie besagt, dass zwischen den Eindrücken von Realität und Fiktion hinsichtlich der Verarbeitung des Geschehens keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Insofern werden nicht nur direkte Wirkungen der Fiktion auf die Realität bejaht, es wird auch davon ausgegangen, dass Grundrichtungen des Verhaltens durch Fiktion verstärkt werden. (Deshalb Verstärkungstheorie) Von diesen Grundlagen ausgehend, ist die konkret-abstrakte „Gefahr“ positiver und negativer Nachahmungstaten in logischer Folge gegeben. Insofern dürfe Fiktion schon aus Rechtgütersschutzgründen (Dies wird gerne mit Art. 10 Abs. 2 BV (Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit) bzw. Art. 5 Abs. 2 GG (Verfassungsimmanente Schranke der Meinungsfreiheit -> „Jugendschutz“) begründet) keine Sachverhalte darstellen, dessen Nachahmung in der Realität strafbar ist. Dies würde nämlich vermehrt zu realen Straftaten führen.

Dieser Argumentation folgten etwa die Schweiz oder Deutschland in ihrem Sexualstrafrecht sowie bei Fällen von Gewaltdarstellungen (FSK, USK! Ein wunderschönes Beispiel für erzwungene Freiwilligkeit -.- Vom Prinzip her vergleichbar mit dem Monitoring bei Chemikalien...)

Ausgerechnet die „prüde“ USA regelt den Sachverhalt bei wirklichkeitsfernem Material deutlich liberaler!
Seit dem berühmten Prozesses <<ASHCROFT vs. THE FREE SPEECH COALITION>>[7] sind diese unter den der Katharsistheorie zugrunde liegenden Überlegungen als Kunst angesehen und demzufolge legalisiert (Kunst wird vom ersten Verfassungszusatz geschützt? *Das mal in <<Boston Legal>> gehört hat, daher keine Gewähr für die Korrektheit geben kann*) Jedoch hat das L. hat dies auch nur angeführt, um die Theorie diskutieren zu können^^

Die Katharsistheorie (von. gr. κάθαρσις „Reinigung“) ist als absolutes Gegenteil der Verstärkungstheorie zu sehen. Sie verneint den behaupteten verstärkenden Effekt der Fiktion nicht alleine, sonder findet darüber hinaus einen gegenteiligen Effekt. Sie sieht im Fiktiven (durch Ersatzhandlung) ein Ventil zur Endladung von Stress, Aggression sowie unerfüllten oder (in Realität) unerfüllbaren Sehnsüchten. Diese sind dadurch „gesättigt“ und sollen in Realität keine negativen Auswirkungen zeigen. Von diesen Grundlagen ausgehend, ist die konkret-abstrakte „Gefahr“ positiver und negativer Nachahmungstaten nicht gegeben. Insofern müsse Fiktion schon aus Rechtsgüterschutzgründen (Hier wird mit Abs.10 Art. 2 (Persönliche Freiheit) i.V. mit Art. 16 BV (Meinungs- und Informationsfreiheit) bzw. mit Art. 2 (Allgemeine Handlungsfreiheit) i.V. Art. 5 Abs. 3 GG (Kunstfreiheit) argumentiert) auch (und gerade!) Sachverhalte zeigen dürfen, deren Nachahmung in der Realität strafbar ist.[8]

Letztendlich ist und bleibt die Frage, welche Theorie Recht hat ein Glaubenskrieg und weil das L. diese nicht ausstehen kann, schliesst es mit den weisen Worten GOLENIAS:

Es ist seit Anbeginn der Zeit Usus,
dass Menschen dumme Dinge machen,
wenn sie glauben,
statt zu denken...


(*Findet, der Eintrag ist dem L. doch recht sachlich gelungen*)

Edit: Mal wieder das Recht der Helvetik mit eidgenössischem Recht verwechselt. Ist geändert...

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[1] Im engeren Sinne (Furry = fellig) gibt es natürlich auch Abgrenzungsprobleme zwischen <<Furry>> und <<anthropomorphen Lebewesen>>, die ich aus blosser Willkür aber hier unterschlage *fies lacht*^^
Wer immer noch nicht weiss, wie Furrys aussehen, möge wahlweise hier oder hier nachschlagen, von „härterem“ wird der geneigte Leser an dieser Stelle verschont.
(Wer googelt ist selbst schuld^^)

[2] Exkurs: Vergehen sind strafbare Verhaltensweisen zweiten Grades. Legaldefiniert sind sie in Art. 10 Abs. 3 StGB als Taten, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht sind. Sie sind strikt von den schwerer wiegenden Verbrechen (strafbare Verhaltensweise dritten Grades, legaldefiniert in Art. 10 Abs. 2 StGB als Taten, die mit Freiheitsstrafe von mehr als 3 Jahren bedroht sind -> Mindestfreiheitsstrafe! ) sowie den weniger schwer wiegenden Übertretungen (strafbare Verhaltensweisen ersten Grades, legaldefiniert in Art. 103 StGB als Taten, die mit Busse bedroht sind -> diese „Geldstrafen“ wiederum sind gem. Art. 106 Abs. 1 grundsätzlich auf 10'000 Franken beschränkt, die Ausnahmen spart das L. an dieser Stelle aus^^)
zu trennen!

[3] KOLLER, Daniel, S.226 <<Cybersex, die strafrechtliche Beurteilung von weicher und harter Pornographie im Internet unter Berücksichtigung der Gewaltdarstellungen>>, 2007, Bern: Schulthess Verlag

[4] KOLLER, S. 225 spricht fälschlicherweise von einem Art. 1 Abs. 2 TSchG, den es zumindest in derzeitiger Fassung nicht gibt. (Zum überprüfen: http://www.admin.ch/ch/d/sr/455/ )

[5] Dies träfe zumindest optisch beispielsweise auf Zentaurn zu.

[6] Die Begriffe <<harte>> und <<weiche>> Pornographie bitte nicht mit <<Soft-Core>> bzw. <<Hard-Core>> verwechseln. Diesen – fatalen! - Fehler begeht auch KOLLER als er auf S. 84 Hentai als Sammelbegriff für gezeichnete harte Pornographie definiert. Im Gegensatz zu <<Soft bzw. Hard-Core>>, welche unterschiedliche Stufen bezeichnen, wobei unter Soft-Core weniger „explizite“, noch stark an die Erotik grenzende Pornographie verstanden wird (die Übergänge zur „expliziten“ Pornographie, dem Hard-Core, sind fliessend...), ist die Unterscheidung in <<weiche bzw. harte Pornographie>> eine rein juristische.
Unter dem Begriff harte Pornographie werden alle Arten zusammengefasst, welche von Gesetzeswegen mindestens einem absoluten Verbreitungsverbot unterliegen. Weiche Pornographie bezeichnet diejenigen Arten, welche von Gesetzeswegen erlaubt und/oder geduldet sind. Ein (häufig anzutreffendes) relatives Verbreitungsverbot steht dieser Klassifizierung nicht entgegen.

Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Softcore_pornography ;
http://en.wikipedia.org/wiki/Hardcore_pornography ;
http://de.wikipedia.org/wiki/Pornografie#Harte_Pornografie
Für das eidgenössische Recht http://www.admin.ch/ch/d/sr/311_0/a197.html
Für das deutsche Recht http://dejure.org/gesetze/StGB/184.html ff.

Da fällt dem L. gerade auf, das er in Fussnote 429 Wikipedia zitiert – dies gilt leider noch immer als Todsünde in wissenschaftlichen Arbeiten – und ist auch der Grund, warum das L. ausschliesslich in den nur für das Netz bestimmten Artikeln – dort dafür gerne und oft^^ - auf das Wiki verweist...

[7] Urteilsvolltext unter: http://www.law.cornell.edu/supct/html/00-795.ZO.html Logischerweise auf Englisch, weshalb das L. es sich aus Gründen personeller Inkompetenz hinsichtlich Sprachenwissen bisher weder komplett durchlesen noch verstehen konnte. *sein Gerichts-Englisch reicht, um Ace Attorney zu spielen, hört aber leider genau dahinter wieder auf...* Falls sich jemand erfolgreich an einer Übersetzung davon versuchen sollte, darf er mir das Ergebnis gerne zusenden^^

[8] Man erinnere sich an Tucholskys <<Satire darf alles!>>
Nachzulesen unter http://www.tucholsky-gesellschaft.de/KT/Texte/satire.htm


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