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Der Fall Caitlin: Gefährliche Leidenschaften

Eine Navy CIS-FF [letztes Kap&Epilog lädt]
von

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Kein Tag mit Schutzumschlag

~I wish I could touch you again

I wish I could still call you a friend

I’d give anything~ (Pink, “Who knew”)
 

„Ziva, könntest du die Güte haben, mir was zu erklären? Es gibt da etwas, das ich nicht ganz verstehe.“

Tonys Stimme hatte einen merkwürdig hohlen Klang, der Ziva bereits alarmierte, noch bevor sie wusste, warum. Dann fiel ihr auf, was ihr Kollege in den Händen hielt, sie konnte zwar nicht erkennen, was auf dem Foto abgebildet war, aber DiNozzos zitternde Hand, die es hielt, sprach Bände, auch, dass er die andere zur Faust ballte.

„Ich bilde mir ein, du hättest mal gesagt, du würdest die Ehrlichkeit schätzen, die wir dir entgegen bringen. Mich würde allerdings mal interessieren, wie es mit DEINER Ehrlichkeit UNS Gegenüber aussieht. Ich hoffe, du hast das hier nicht vermisst.“

Er hielt ihr das Foto jetzt direkt vor die Nase und bestätigte somit die schlimmsten Befürchtungen der Israelin. Es war das Bild, auf dem sie direkt vor ihrer Schule stand, einer jener „Privatschulen, die unter der Schirmherrschaft religiöser und internationaler Organisationen arbeiteten“, wie sie sich nur wenige leisten konnten und hielt stolz ihre Prüfungsergebnisse in die Kamera, die sie zur Oberstufe zulassen würden, in der man dann zwischen eine akademischen, technologischen, agrarwissenschaftlichen oder militärischen Fachrichtung wählen konnte. Direkt hinter ihrem 17-jährigen selbst stand die Person, die ihr immer mehr zu einer Art Ersatzvater geworden war – Ari.

Aber das letzte, was Tony wohl vermuten würde, war, dass es sich hier um ein Geschwisterpaar handelte.

„Tony, ich...“

„Wirst du uns wohl auch fallen lassen wie heiße Kartoffeln, wenn wir dir lästig werden?“

Plötzlich riss Gibbs Geduldsfaden. „DiNozzo, RAUS! SOFORT!“

„Boss, sie...“

„ICH SAGTE RAUS! DAS KLÄREN WIR SPÄTER!“

McGee sah total verschüchtert zu, wie ein stinkwütender Special Agent die Büroräume verließ, das Foto wütend auf Gibbs Schreibtisch knallend und die Tür hinter sich zu schmeißend. Der Ältere hingegen zuckte nicht mal mit der Wimper, oder warf einen Blick auf das Bild, als er zu Zivas Tisch lief.

„Boss, soll ich auch...“, hakte McGee ganz kleinlaut nach.

„Nein, Tony steht derzeit etwas neben sich und was auch immer er sagen würde, wären falsche Schlüsse. Du bleibst hier. Zu Ihnen, Ziva: Sie haben es ihm nicht gesagt?“

Die Angesprochene ließ schweigend den Kopf sinken und schüttelte selbigen nur ganz leicht. „Ich habe es niemandem gesagt. Ich wollte erst... Gras über die Sache wachsen lassen. Sie haben doch selbst gesehen, wie er reagiert hat und dabei ist IHR Tod schon einen Monat her. Mit ihm zu reden ist sinnlos, bei dem Schmerz, den Tony empfinden muss.“ Die Israelin hob den Blick und fixierte dabei ihren Vorgesetzten eindringlich, bevor sie so leise flüsterte, dass der Dritte im Bunde es nicht verstehen konnte: „Immerhin hat er die Liebe seines Lebens verloren.“

Gibbs war nach Kates Tod zu demselben Schluss gekommen, aber es noch einmal so konkret aus Zivas Mund zu hören war irgendwie grotesk. Sie, die noch immer etwas unbeholfen wie ein frisch geschlüpftes Küken hin und wieder aneckte, hatte eine Beziehung durchschaut, deren sie selbst nie Zeuge gewesen war.

„Hören Sie, Sie müssten heute ja eigentlich nicht hier sein, daher denke ich, dass es an der Zeit ist, die Arbeit für heute ruhen zu lassen. Schnappen Sie sich Dorothea und feiern Sie meinetwegen den Sabbat mit ihr, ich meine, den Davidstern an ihrem Hals tragen Sie ja bestimmt nicht nur wegen Ihrem Nachnamen. Die Sachen der Kleinen habe ich ihr schon gegeben, eine rote Sporttasche.“

Sie nickte verstehend und lief langsam zu Abbys Labor, um Kate abzuholen. Zwar war Ziva weder orthodox noch gehörte sie den Chassidim an, also nahm sie es mit den jüdischen Feiertagen nicht ganz so genau, aber sie verstand, was ihr Chef ihr sagen wollte: Selbst wenn er DiNozzo jetzt aufklärte, bestand nur geringe Hoffnung, dass er Ziva nicht doch an die Gurgel springen würde. Dummerweise hatte Gibbs sich aber auch selbst verraten: Er hatte die Tochter ihres Opfers nicht einmal mit ihrem Rufnamen erwähnt, sondern sich für ihren ersten Vornamen entschieden. Es musste weh tun, ein niedliches Kind um sich zu haben, das Agent Todd fast wie aus dem Gesicht geschnitten schien, sah man mal von der Augenfarbe ab. Sie hatte Fotos von Caitlin Todd gesehen, daher musste die Agentin feststellen, dass tatsächlich eine immense Ähnlichkeit zwischen den Beiden bestand. Die junge Frau blieb noch einmal stehen, um sich umzudrehen. Wahrscheinlich war es Selbstmord, ihn jetzt, danach zu fragen, aber...

„Boss? Ihnen ging es genauso, nicht wahr?“

Sie wartete nicht einmal die Antwort ab, sondern ging weiter und ließ zwei irritierte Special Agents mit der Frage allein. McGee fragte sich nur, was sich eigentlich genau gerade in diesem Raum abgespielt hatte.
 

~*+*~

Für einen Außenstehenden mochte es so aussehen, als sei ’wieder alles beim alten’, als Jethro Gibbs nachdem Ziva gegangen war, seine gesamte Mannschaft in der Pathologie um sich versammelt hatte. Vorausgesetzt man nahm an, dass Kate gerade beim Kaffee holen oder ähnlichem war.

Wenn schon sein Team davon erfahren musste, dann war es besser, wenn es alle auch von ihm hörten. Er wollte sich nicht einmal ihre Reaktion ausmalen; jeder von ihnen hatte Kate gemocht, aber Ziva hatte recht: keiner von ihnen hatte sie so geliebt wie er und Tony. Natürlich würde keiner der Beiden das wirklich zugeben, aber er hatte es so im Gefühl, dass sie nicht noch einmal danach fragen würde.

„Es gibt da etwas, was ihr wissen solltet, aber bevor ich auch nur ein Wort darüber verliere, möchte ich euch alle darum bitten, objektiv an die Sache heran zu gehen und mich vor allem ausreden zu lassen, weil sonst einige...“ – Gibbs warnender Blick richtete sich auf Tony – „... voreilige Schlüsse ziehen könnten. Die Einzigen, die bis jetzt ins Vertrauen gezogen wurden, waren ich und Director Shepard. Wie ihr alle wisst, war Ziva die dienstleitende Offizierin von Ari Haswari und ja, sie hat versucht, ihn vor unseren Ermittlungen zu schützen, aber ich möchte betonen, dass sie ihn unter keinen Umständen gedeckt hat. Sie handelte aus der Überzeugung heraus, dass er unschuldig war.“

Alles zuckte zusammen, als Tony plötzlich fest mit der Faust gegen eines der Metallfächer schlug, die die Leichen beherbergten. Er musste wirklich wahnsinnig sein, wenn er sich auf solch aggressive Art mit Gibbs anlegte. „Niemand, der diesen Bastard lange genug gekannt hat, hätte ihn für unschuldig halten können. Die Ausrede zählt nicht, erst recht nicht bei ihr.“

Zu dem großen Erstaunen des restlichen NCIS-Teams schnauzte Jethro seinen Agenten diesmal nicht zusammen sondern redete einfach in dem gleichen sachlichen Tonfall weiter, als sei nichts gewesen. „... diese Überzeugung rührt vor allem daher, dass die Beiden außer der beruflichen noch eine zwischenmenschliche Beziehung verband. Sie ist seine Halbschwester.“

„Krass,“ bemerkte Abby überrascht, allerdings nicht sonderlich schockiert. Auch die Entrüstung bei Ducky und McGee hielt sich in Grenzen. Dem Jüngeren schien auf einmal vieles etwas klarer zu sein und Dr. Mallard reagierte wohl genau so, wie Ziva es erhofft haben muss: ihm war es gleichgültig. Zwar war noch längst kein ’Gras über die Sache gewachsen’, wie sie es bezeichnet hatte, aber Ari war endlich tot und was konnte sie für ihre Blutbande?

Nur bei Tony hatte sich eine Bestürzung in die nächste umgewandelt.

„Und jetzt, da ihr das wisst, will ich, dass ihr das schnellstens wieder vergesst. Es sollte keine Rolle spielen, für keinen von uns. Man kann sich seine Familie nicht aussuchen und Ziva wird dadurch nicht zu einem besseren oder schlechteren Mensch, also behandelt sie weder wie eine Aussätzige, noch fasst sie mit Samthandschühchen an. Sie ist in erster Linie eure Arbeitskollegin und sie hat wie jeder von Euch mein vollstes Vertrauen. Wem das nicht passt, der soll das gefälligst mit mir klären. Hat damit irgendjemand ein Problem?“

DiNozzo offensichtlich. Denn selbst wenn er nichts erwiderte, so verließ der Agent doch ungefragt die Pathologie. Sein Blut brodelte heißer als die Lava des Vesuvs während eines Ausbruchs und er musste sich erst mal wieder abreagieren, am besten mit irgendeiner stumpfsinnigen Arbeit. Wie gut, dass an seinem Computer noch eine ellenlange Liste an Personalien war, die er durcharbeiten musste. Dann würde vielleicht auch die kleine Stimme in seinem Hinterkopf an Kraft gewinnen, die ihn immer wieder fragte, warum er all seinen Hass ausgerechnet auf Ziva gelenkt hatte. Sie hatte ihm nie etwas getan, er hatte sich immer mit ihr verstanden. War es ihm wirklich auf einmal so vollkommen egal, dass er seine Freundschaft mit ihr aufs Spiel setzte?

Aber an seinem Platz angekommen gab es etwas, das weit verlockender aussah, als ein Computer voll langweiliger Lebensläufe. Das Telefon. Tony schnappte sich den Hörer und wählte eine Nummer, die ihm schon seit längerer Zeit im Gedächtnis schwirrte, weil er fast jeden Tag auf den Zettel an seinem Kühlschrank starrte, wo sie aufgeschrieben war. Es war an der Zeit aufzuhören, mit sich selbst zu hadern.

Es tutete drei Mal, bis sich eine Frauenstimme meldete.

„Ja? Hier Cassidy.“
 

~*+*~

Kate hüpfte aus Langeweile in ihren Socken auf Zivas Bett herum, weil die jetzt schon seit einer halben Stunde mit einer gewissen ’Director Shepard’ sprach. Das Telefon hatte bereits geklingelt, als sie zur Tür rein gekommen waren. Endlich – als die Ordnung auf dem Bett längst dahin war – legte die Israelin auf und ließ sich ohne weitere Umschweife auf die Matratze knallen, wobei sie Caitlin beinahe umgerissen hätte. Ziva wirkte arg matt.

„Wer war denn das?“

„Eine Freundin.“

„Gibt es Ärger?“

„Nicht mit ihr. Familiensache.“

„Macht dein Daddy dir Ärger?“

Ziva stöhnte nur auf und vergrub ihr Gesicht in den Kissen. „Woher weißt du denn das?“

„Ich verkriech mich auch immer in meinem Bett, wenn ich wütend auf meinen Daddy bin. Einfach so ohne mich in den Urlaub zu fahren, wie gemein. Was ist denn mit deinem Daddy?“

„Warum fragst du mich?“

„Weil du dir alles aus der Nase ziehen lässt.“

Die Ältere blickte wieder auf und deutete drohend auf das Kind. „Hey, meine Nase und mein Privatleben gehen dich nen feuchten... die gehen dich gar nichts an, klar.“ Sie musste mit Redewendungen etwas haushalten, da sie nicht nur nicht vergessen durfte, dass sie immerhin ein Kind vor sich hatte, sondern auch besonders bei Redewendungen sich ziemlich schnell versprach. Caitlin schwieg und setzte sich schmollend auf die Bettkante.

„... Kate? Was tust du denn noch so, wenn du auf deinen Vater wütend bist?“

„Ich gehe zu Cathy. Sie wohnt gleich nebenan und dann spielen wir zusammen oder gucken uns Filme an.“

Das war klar. Sie suchte ihren Halt in anderen Menschen, die ihr wichtig waren. Aber Ziva musste feststellen, dass sie fast niemanden hatte. Ihre Arbeit füllte ihr Leben voll aus und hatte sich nie beschwert. Männer lernte sie kaum kennen, weil sie es auch nur halbherzig versuchte, denn tief in ihrem Herzen wollte sie auch keinen kennen lernen. Immerhin gab es da ja schon jemanden, ganz in ihrer Nähe... Und Freundinnen? Sie hatte außer Jenny Shepard keine einzige Bekannte in den Staaten.

Dann blieb nur eines. Es war vielleicht die dümmste und undurchdachteste Idee, die sie je gehabt hatte, aber es gab wirklich nur diesen einen Menschen, in dessen Nähe sie sich geborgen genug fühlte, um den Konflikt mit ihrem Vater vergessen zu können.
 

~*+*~

Gibbs wollte sich gerade wieder runter in seinen Bootskeller begeben, als es klingelte. Kaum war man mal ganze zehn Minuten wieder zu Hause, wurde man bedrängt! Besuch war etwas Lästiges. Andererseits war Besuch aber auch etwas, was Jethro Gibbs nie bekam, also wer störte ihn und vor allem: warum?

Sein Erstaunen war groß, als er die Tür öffnete und zwei fast vollkommen durchnässte Gestalten vor ihm standen. Er hatte gar nicht bemerkt, dass es angefangen hatte zu regnen.

„Hi, Boss.“ Ziva grinste leicht nervös unter der kurzen Krempe ihres Stoffhuts – es war derselbe, den sie auch an dem Tag aufhatte, als sie zu spät gekommen war – hervor. Ihre Hände waren beladen mit einer dieser vollkommen nutzlosen braunen Papiertüten, die es in jedem amerikanischen Supermarkt gab. Entsprechend dem Wetter war sie natürlich durchweicht und konnte jeden Moment reißen oder in sich zusammen fallen.

Klein-Kate patschte mit knallgelben Gummistiefeln und einem Regenmantel in derselben Farbe gerade in einer Pfütze herum. Man hätte sie fast für eine überdimensionale Gummiente halte können.

„Ziva, was tun Sie hier?“

Ja, über die Frage hatte sie auch schon lange nachgedacht, weil sie eine passende Antwort dafür ausdenken musste. Letztendlich hatte sie den perfekten Vorwand gefunden.

„Tja, Kate wollte unbedingt Videos angucken, aber ich habe keinen Videorecorder und da ihre Adresse die einzige ist, die ich kenne, bin ich hierher gekommen.“

Er verkniff sich die Frage, woher sie wissen wollte, dass er ein solches Gerät besaß. Immerhin war sie bereits einmal bei ihm gewesen, wenn auch unter weit weniger erfreulichen Umständen und bei ihrem Erinnerungsvermögen hätte allein ein kurzer Blick auf sein Wohnzimmer genügt.

„Und was soll die Tüte?“

„Ich wollte nicht wie ein Schmarotzer dastehen, deshalb hab ich was zu Essen eingekauft. Ich dachte mir, während die Kleine fernsieht, kann ich ja was kochen, damit ich ihnen nicht auf den Wecker falle.“

„Sie wollen mich bestechen?“

„So kann man es auch nennen. Funktioniert es wenigstens? Ich mein’, ich wäre ja auch im Negligee gekommen, aber dafür war’s mir dann doch zu kalt.“

Gibbs drehte sich um und ging wieder rein, ließ aber die Tür offen. Zu einer wärmeren Willkommensgeste war er nicht imstande, aber er konnte sie ja auch schlecht draußen stehen lassen, oder?

„Ähm, Boss, das Letzte mit den Negligee war ein...“

„Scherz. Ich weiß. Allerdings sollten sie eine solche Aussage DiNozzo gegenüber vermeiden, der würde das glatt als Vorschlag ansehen.“

Die junge Frau trat ein, nicht ohne sich sorgfältigst die Schuhe abzuputzen und bat Kate, ihre mittlerweile Schmutzverkrusteten Stiefel noch vor der Türschwelle auszuziehen, vorausgesetzt natürlich, sie wolle ihren Kopf behalten, während sie ihren Hut absetzte und den Mantel auszog.

Gibbs’ Heim sah immer noch so akkurat sauber aus, wie bei ihrem ersten Besuch hier. Gut, eine Junggesellenbude hatte sie nun auch nicht erwartet bei einem Ex-Marine, aber woher nahm er sich nur die Zeit zum aufräumen? In der Küche sah es genauso reinlich aus. Was aber wahrscheinlich daran lag, dass sie fast nie benutzt wurde.

Ziva stellte die Tüte neben der Spüle ab und begann, auszupacken, wobei sie bei Gelegenheit auch gleich die Videokassetten, die sie aus der Bibliothek ausgeliehen hatte (Kate hatte einen entsprechenden Ausweis), an das kleine Mädchen weiter gab, die damit wie mit einem Weihnachtsgeschenk freudig zum Wohnzimmer rannte. Da man von Flur aus alle wichtigen Zimmer gut im Blick hatte, war es kein Problem, sich zurecht zu finden.

„Wann haben sie eigentlich das letzte Mal was Anständiges gegessen, Boss?“

„Das ist nicht wichtig.“

„Also wissen sie es nicht mehr. Auch gut.“

Wie schaffte es Ziva nur immer, hinter jede noch so kleine Aussage zu blicken? Im Beruf mochte ihr das unheimliche Vorteile bringen, aber Jethro ärgerte es, dass sie sich dabei selbst so in Schweigen hüllen konnte. Er wusste fast nichts über sie, aber fragen wollte er nun auch wieder nicht. Stolz konnte sehr schnell zu einer Bürde werden...

Deshalb ließ er sich es auch so einfach gefallen, wenn sie redete wie ein Wasserfall, auch wenn er dann jedes Mal so tun musste, als würde es ihn nicht interessieren. Es hatte ihn ja auch nicht zu interessieren, jedenfalls nicht während des Dienstes und sich mit ihr privat zu treffen, wäre... zu verräterisch.

Und jetzt stand sie vollkommen unerwartet in seiner Küche, holte Töpfe und Messer heraus, als hätte sie nie etwas anderes getan, als gehöre sie hierher... Gut, der Gedanke war wirklich lächerlich. Trotzdem war sie in seiner Nähe. Wirklich ’notgedrungen’ oder am Ende doch freiwillig?

„Ziva, könnten Sie mir einen Gefallen tun? Nennen sie mich nicht ’Boss’, wenn sie schon privat bei mir herum laufen.“

„Sie haben ein Privatleben? Das ist ja ganz was Neues. Ich dachte, ihre Arbeit ist ihr Leben.“ Das Erstaunen in ihrer Stimme war nicht einmal groß gespielt, als sie gerade eine Pfanne auf den elektrischen Herd stellte und etwas Speiseöl erhitzte. Sobald es ihr heiß genug war, schüttete sie eine Ladung Pilze auf das Teflon und ein angenehm würziger Geruch breitete sich aus und verdrängte langsam den frischen Duft von Regen, den die Beiden angekommenen hinterlassen hatten.

„Wirklich witzig. Genau deswegen hänge ich mein Privatleben auch nicht so an die große Glocke.“

„Was für einer Glocke? Hab’ ich etwas nicht mitbekommen?“ Jetzt war Zivas Blick wirklich so verdutzt, dass Gibbs schon wieder lachen musste. Das war jetzt schon das zweite Mal innerhalb von zwei Tagen. Vielleicht war Ziva wirklich ein Sonnenstrahl oder zumindest hatte sie das Licht und die Wärme ihres Landes mitgebracht. Offenbar war sie aber nicht so begeistert, dass er lachen musste. Die Israelin hatte schon wieder das Gefühl, etwas fürchterlich Dummes gesagt zu haben, ohne es zu wollen. Sie verfluchte ihre Wissenslücken bezüglich der englischen Sprache, wenn ihr das wenigstens in Tonys Gegenwart passiert wäre, aber nein, es musste ja unbedingt bei Gibbs passieren.

„Onkel Jethro?“ Kates Stimme riss Ziva wieder in die Realität zurück. Das Kind stand im Türrahmen und war den Tränen nahe. „Ich finde die Fernbedienung einfach nicht.“

„Ich hol’ sie, wenn du aufhörst, mich so zu nennen.“

„Wie soll ich dich denn dann nennen?“

„Gibbs, einfach nur Gibbs.“

„Wenn es sein muss...“

Ziva musste lächeln, als die beiden rüber ins Wohnzimmer gingen. Kates Begeisterung für Gibbs war ihr ein Rätsel, besonders, da auch er nicht viel mit dem Mädchen anfangen konnte, vielleicht noch weniger als sie... Er war eben einfach ein Frauenmagnet, wie auch immer er das anstellte. Und niemand litt darunter mehr als Ziva.

Jedes Mal, wenn seine merkwürdige ’Bekannte’ (oder wie Tony sie bezeichnete: die mysteriöse Rothaarige) auftauchte um ihn abzuholen oder aus dem fadenscheinigen Grund ihm seine Brille bringen zu wollen, die er bei ihr vergessen habe, versetzte das der Israelin einen Stich, zumal sie nicht einmal gewusst hatte, dass ihr Boss eine Brille brauchte.

Anfangs war es nur ein Unbehagen gewesen, bei dem sie sich einredete, sie mache sich nur Sorgen um Jenny Shepard. Dass die wiederum stockeifersüchtig und depressiv noch dazu wurde, sobald Jethros rothaariges Betthäschen (denn das war sie doch letzten Endes, oder nicht?) auftauchte, war nicht zu übersehen. Aber dann wurde es immer schlimmer; erst am vorigen Tag war ihr richtiggehend schlecht geworden. Zu gerne hätte sie es verdrängt, aber die Wahrheit trat immer stärker ins Licht: Sie hatte sich in Gibbs verliebt. Ausgerechnet in ihn, ihren Vorgesetzten, den Mann, der niemanden an sich heran ließ. Zivas Übelkeit wuchs bei dem Gedanken, was wohl geschah, wenn Director Shepard davon erfuhr.

Aber dieser Gedanke war eigentlich überflüssig, denn soweit würde es gar nicht erst kommen und selbst wenn, spielte die Israelin damit nur ihrem Vater in die Hände. Denn Jenny würde in diesem Fall dafür sorgen, dass Ziva von Gibbs weg versetzt würde und was sollte sie denn dann anderes tun als dem Drängen ihres Vaters nachgeben?

Und dann würde sie Jethro Gibbs nie wieder sehen.
 

Jethro hingegen hatte es nach Minuten schwerster Überlegungen endlich geschafft, den Videorecorder anzuschalten und den Videokanal seines Fernsehers zu finden. Warum er überhaupt so ein Gerät besaß, war ihm selbst schleierhaft, schließlich benutzte er es ja so gut wie nie. Wenn er überhaupt den Fernseher anschaltete, dann sah er nur CNN um auf dem Laufenden zu bleiben, für mehr fehlte ihm die Zeit.

Caitlin saß begeistert auf dem Sofa und himmelte den Älteren regelrecht an. Er versuchte, das Kind nicht zu sehr zu mögen, allerdings nahm er ihr die Wasserflecke auf seinem Teppich auch nicht gerade übel. Kurzum, er wusste nicht, was er von ihr halten sollte. Aber bei dem unwiderstehlichen Essensgeruch aus der Küche wanderten seine Gedanken automatisch wieder zurück zu der reizenden Agentin, die dort verweilte.

Warum war sie zu ihm gekommen? Gut, die Sache mit dem Kind klang einigermaßen plausibel, aber gab es da nicht noch andere Gründe? Oder wollte er einfach nur, dass es so war?

Gibbs beschloss, nach ihr zu sehen, da das Kind ja nicht mehr ansprechbar war, seit „The Wizard of OZ“ begonnen hatte.
 

Er hatte Ziva noch nie Tränen vergießen sehen, im Gegenteil: sie war stets die Stärke in Person gewesen. Sie jetzt schluchzen zu hören erschütterte ihn regelrecht. Sie weinte? Warum? Es musste schon einiges dazu gehören, sie so weit zu bringen und Gibbs hätte jetzt zu gerne den Verantwortlichen dafür gesehen, er hätte ihn ohne Umschweife erwürgt. Aber hier waren nun mal nur sie beide und seine Wut ging unter in dem Bedürfnis die junge Frau zu trösten. Er wollte nicht, dass sie so verletzlich war, sie sollte wieder sie selbst sein, couragiert, resolut, heiter... und vor allem an seiner Seite.

„Ziva? Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“

Sie blickte zunächst erschrocken drein und lächelte, als sei nichts, als würden nicht gerade ihre Wangen von Tränen benetzt. Die Jüngere legte das Messer aus der Hand und wischte sie mit ihren Handgelenken weg und Gibbs erkannte auch warum: Sie war gerade dabei gewesen, Zwiebeln zu schneiden. Also nur falscher Alarm.

„Sicher. Ich muss schon sagen, diese Zwiebeln brennen ganz schön in den Augen.

„Sie müssen nur die Messerklinge etwas erhitzen.“

„Na ja, jetzt bin ich ja auch fertig damit“ – sie schmiss die Stückchen in die Pfanne zu den Pilzen – „aber danke für den Tipp.“ In Wahrheit wusste Ziva sehr wohl, wie man verhindern konnte, dass einem beim Zwiebelschneiden die Tränen kamen, aber sie wollte es einfach nicht. Tränen waren nichts anderes als gelöster Schmerz und das war die einzige Gelegenheit, in der sie solche Schwäche sich selbst gegenüber tolerieren konnte. Es war sozusagen ihr Ventil. Aber dass ER es auch noch gesehen hatte... Gott wollte ihr das letzte bisschen Würde anscheinend auch noch nehmen.

Apropos Würde verlieren...

„Da fällt mir ein, ich habe ja noch etwas für Sie, Bo... Gibbs.“ Raschelnd fiel sie wieder über die Tüte her und holte eine Pflanze im Blumentopf heraus, deren Laubblätter angeordnet waren wie die Blütenblätter eine Rose. Des weiteren besaß sie keinen sichtbaren Stängel und die dickeren, fleischigen Blätter waren überzogen von einer hellen bläulichen Wachsschicht. „Mir ist aufgefallen, dass sie gar keine Pflanzen in der Wohnung haben und dann habe ich die hier gesehen und musste spontan an Sie denken, weil sie so robust ist und auch längere Zeit ohne Wasser auskommt. Ich weiß nicht, wie sie heißt, aber ich nenne sie in Gedanken immer Wüstenrose, weil sie einfach nach einer Rose aussieht und es ist eine Trockenpflanze, weshalb sie nicht so viel Arbeit macht und da Sie ja schon fast in der Zentrale wohnen... Gibbs?“

Ziva war etwas irritiert, weil der Angesprochene mittlerweile den Kopf auf die Handfläche gestützt hatte und sie die ganze Zeit kommentarlos anblickte. Sie wusste ja, dass sie die ganze Zeit Schrott daher laberte (Gibbs mit einer Pflanze zu vergleichen, allein die Idee war schon lächerlich!), aber normalerweise machte er in solchen Situationen ja dicht und ignorierte sie komplett.

Jethro raste gerade der Gedanke durch den Kopf, dass sie auch über Staubsauger hätte reden können, ohne dass es ihm langweilig wurde, solange sie es nur mit einer solchen Begeisterung tat. Jedes Mal wenn sie sprach, nahm er plötzlich den Rest des Raumes gar nicht mehr wahr.

Er musste einfach krank sein. Verrückt. Schizophren. Das war nicht mehr normal, was die Jüngere bei ihm auslöste. Besonders wenn sie ihn so fragend ansah, schien sie so vollkommen unschuldig, gleichzeitig konnte sie unendlich verführerisch wirken, besonders wenn sie versuchte, ihn zu provozieren, da sie dann meistens so nah bei ihm stand, als wüsste sie, was in ihm vorging und als verhöhnte sie dabei unwissentlich, dass er das nichtstuend hinnahm. Sein Verlangen, sie zu küssen stieg in solchen Momenten ins Unendliche.

Nicht zu fassen, dass sie so tödlich sein konnte, wenn sie es musste.

„Ziva, warum sind sie wirklich hier? Sie wollen sich doch nicht nur bei mir einkratzen, oder?“ Wieder sah sie ihn unverständlich an und Gibbs schwor sich, in Zukunft in ihrer Nähe so wenige Floskeln wie möglich zu verwenden, um sie nicht ständig so peinlich auflaufen zu lassen, was eigentlich nie seine Absicht war.

„Oh, Sie meinen einschmeicheln! Um ehrlich zu sein, ist das hier eine Entschuldigung, weil Sie heute so viel Stress meinetwegen hatten und gleichzeitig ist es auch eine Dankeschön, weil Sie sich so für mich eingesetzt haben.“

„Das ist mein Job, meine Agenten aus dem Dreck zu ziehen, in den sie sich befördert haben. Und Sie müssen sich gar keine Hoffnungen machen, Sie sind da noch meine geringste Sorge.“

/Zu schade.../, dachte die Jüngere bei sich, /aber es ist wohl wirklich zu viel verlangt, von ihm zu erwarten, dass er es nicht nur getan hat, weil es eine Verpflichtung war, sondern mir zuliebe. Ich meine, warum sollte ihm auch ausgerechnet an mir etwas liegen? Ich gehe ihm doch bestimmt den ganzen Tag lang entsetzlich auf die Nerven.../

„Ich... wie hat Tony darauf reagiert?“

„Den Umständen entsprechend. DiNozzo wird sich schon wieder einfangen, Sie kennen ihn ja. Und was die anderen betrifft...“

„MOMENT! Sie haben es dem Rest von Team AUCH erzählt?“ Zivas Gemütszustand wechselte explosionsartig von betreten zu schockiert und fassungslos bis hin zu wütend. Aber zu ihrem Unglück und Gibbs Glück kochte genau in dem Moment ein Topf mit Wasser über, sodass Zivas Wut sich mehr gegen das unschuldige Emaille-Produkt wandte als gegen ihren Vorgesetzten. „Gibbs, haben Sie auch nur die leiseste Vorstellung, was für Folgen das haben wird?“

„Ich habe es extra noch betont, dass das nichts an deren Verhalten Ihnen gegenüber verändern sollte.“

„TOLL! Das ist wie als würde der Lehrer vor der gesamten Klasse verkünden: ’Ach übrigens, die Eltern eurer Mitschülerin haben sich scheiden lassen, also macht euch nicht über sie lustig, aber heuchelt auch kein Mitleid.’ Ich bin so GELIEFERT.“

„Seit wann kümmert es Sie, was andere von Ihnen denken?“

Jetzt war sie regelrecht sprachlos. Ziva hatte immer gewusst, dass es ihr wichtig war, was Gibbs von ihr hielt, aber ihre anderen Kollegen? Die Arbeit im NCIS hatte sie mehr verändert, als sie gedacht hatte. Vielleicht... lag es ja daran, dass sie sie weniger als Arbeitskollegen sah, sondern eher als Familie...

Die Schwarzhaarige schaltete die Herdplatte, auf der der übergekochte Topf gestanden hatte, auf die niedrigste Stufe und stellte drei Reisbeutel in das Wasser, während sie versuchte, nicht daran zu denken, dass Gibbs direkt hinter ihr stand, jeden ihrer Schritte überwachte und eine Antwort von ihr erwartete. Es gab noch so viel, dass sie ihm sagen musste, aber nicht jetzt. Noch wollte sie ihr Glück, ihm überhaupt so nahe zu sein, nicht zerstören durch die Hiobsbotschaften, die ihr noch auf der Seele lagen.

Jethro ahnte, dass sie wohl keine Lust mehr hatte, dass noch weiter nachgebohrt wurde und das respektierte er. Was ihn störte, war jedoch sein Bauchgefühl, dass ihm sagte, dass irgendetwas nicht stimmte. Etwas, das mit der Pflanze zu tun hatte.

Er schätzte Ziva einfach nicht als den Typ ein, der wegen einer solchen Lappalie gleich mit einem Geschenk angerannt kam. Und sie hatte ihm mal gesagt, sie verstehe den Rummel um Halbjahrestage nicht, also war es auch kein kleines Präsent anlässlich der ersten sechs Wochen, die sie hier war (War es wirklich nur so wenig? Dem ehemaligen Marine kam es so viel mehr vor...).

Wahrscheinlich war es wirklich ein Spontankauf gewesen, aber warum hatte er dann so ein Gefühl als würde ein Abschied bevorstehen?

Es war ihre Besessenheit. Die Jüngere schien sich immer mehr in jeden Fall hineinzusteigern, wie um zu beweisen, dass sie wirklich unentbehrlich für das Team war. Als gäbe es da etwas oder jemanden, der ihr Druck machte.

*****

So, das ist Kapitel 5. Ich persönlich finde ja, dass es nicht so besonders war, das heißt ich fand die Idee zwar niedlich, denke aber, dass ich in der Umsetzung versagt habe.

Ich sehe auch seit kurzem auch immer regelmäßiger „Magnum, p.i.“ auf ’Das Vierte’ und wie zu erwarten ist die Serie auch von demselben Produzenten wie Navy CIS. Der Kerl macht für sich selbst Werbung!!! (Erinnert mich irgendwie an Stephen King...)



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2006-06-20T11:17:54+00:00 20.06.2006 13:17
Jethrow Gibbs die Trockenpflanze…*weghau*
Genial Schwesterherz ich mag das Kapitel
Und überhaupt…
Also...was ich noch sagen wollte...hab ich vergessen^.^
Schreib einfach schön weiter(und lies bei mir schön weiter^^)
*knudd*
Dein Keks


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