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Der Drachenkrieg

von

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Der Hilferuf

An den Webmaster: Ich habe möchte diesen Fanfic unter dem Pseudonym "El Jugador" veröffentlichen. Danke.
 

Mir gehören an dieser Fanfic nur der Plot und ein paar Charaktere, leider nicht VoE selbst. Über Kritik bin ich jederzeit dankbar... allerdings wird sie nur solange etwas bewirken können, bis die Geschichte fertig ist. Nun, entscheidet selbst, ob euch die Geschichte gefällt.
 


 

Der Drachenkrieg Folge 2 - Der Hilferuf
 


 

Ist es ein Traum oder ist es Wirklichkeit? Während ich auf der Erde versuche, ein normales Leben zu führen, suchen mich wieder Schreckensvisionen heim. Auch mein geliebter Van hat Sorgen, denn das mysteriöse Angebot Kayds, ihm eine unbesiegbare Armee zu verschaffen, stimmt ihn nachdenklich. Aber er ahnt nicht, dass tatsächlich eine Gefahr droht, die es sogar geschafft hat, die Ispano ohne Gegenwehr zu besiegen. Aber wer ist diese Drachenfrau? Kennt sie Van? Oder er sie? Sollte ich doch nach Gaia zurückkehren? Ich weiß es nicht.
 


 

Es war noch ziemlich früh, als Millerna, die Königin von Asturia, dem momentan mächtigsten Land Gaias, durch die Gänge des Palastes lief, der ihr Zuhause war. Die Diener, denen sie begegnete, gingen ihr überrascht aus dem Weg, als sie den Ausdruck auf ihrem Gesicht sahen. Es geschah nicht oft, dass Königin Millerna wütend war... aber wenn, dann war man besser nicht in der Nähe.
 

Millernas Ziel war an diesem Morgen das Zimmer, nein besser die Zimmerflut, die ihre letzte lebende nahe Verwandte bewohnte, Prinzessin Eries, ihre ältere Schwester. Eries und sie waren sich in vielen Dingen uneinig, aber Millerna brauchte jemanden, bei dem sie sich ausreden konnte und Dryden, ihr Mitregent, war momentan damit beschäftigt, weitere Bittsteller zu empfangen. Er nahm seine Pflichten als Herrscher von Asturia ernster, als sie es erwartet hatte, aber momentan hätte sie viel lieber unter vier Augen mit ihm geredet. Doch Eries war ihre Schwester. Sie würde ihr zuhören.
 

Millerna musste einige der Zimmer durchsuchen, bevor sie ihre Schwester fand. Eries war gerade dabei, einige Berichte des Geheimdienstes durchzusehen. Seit Millerna offiziell zur Königin von Asturia gekrönt worden war, hatte sich Eries aus den Staatsgeschäften zurückgezogen und unterstützte sie und Dryden, indem sie potentielle Unruhestifter im Auge behielt. Seit der Große Krieg zuende war, versuchten viele Adelige und andere Reiche, sich mit Schmeichelei, Bestechung und anderen unsauberen Methoden nach oben zu arbeiten und sie und Dryden konnten nicht alles im Auge behalten. Daher war es ein Segen, dass Eries sich dieses Zweiges der Regierungsgeschäfte angenommen hatte. Sie schien auch nicht weiter überrascht zu sein, als Millerna plötzlich ins Zimmer platzte.
 

"Eries! Ich muss mit dir reden! Jetzt gleich!"
 

"Ich rechnete schon damit, dass du in Kürze hier hereinstürmen würdest", entgegnete die Prinzessin sanft und legte einige Papiere zur Seite. Dann schnippte sie einem Pagen zu, der sogleich aufhorchte. "Du! Bring uns zwei Tassen Tee! Setz dich, Millerna. Du musst erst mal wieder zu Atem kommen, bevor du irgendjemandem etwas erzählen kannst."
 

"Hör auf, mich zu bemuttern, Eries", maulte Millerna, setzte sich jedoch gehorsam auf einen der bequemen, handgeschnitzten Stühle. Eries war den luxuriösen Stil gewöhnt, der für das asturische Königshaus schon seit Jahrhunderten typisch war, während Millerna zu viel Grauen gesehen hatte, um ihn noch wirklich würdigen zu können. Aber sie sagte nichts dergleichen, sondern wartete, bis der Kammerdiener den Tee gebracht und Eries ihn verabschiedet hatte. Und als sie dann den Mund aufmachen wollte, kam ihr ihre Schwester auch noch zuvor. Das Gespräch fing ja gut an.
 

"Willst du mit mir über diesen Botschafter sprechen, der gestern angekommen ist?"
 

Millerna klappte den Mund zu. Mit zusammengebissenen Zähnen knurrte sie: "Ja. Aber vermutlich weißt du ja auch bereits, was er Dryden und mir gerade vorgeschlagen hat. Du hast es ja ebenso sicher über deinen Geheimdienst erfahren wie die Dauer von Allens letzter Trainingsstunde mit Van und den Zeitpunkt, an dem Chid heute aufgewacht ist!"
 

"Sei nicht so bissig, Millerna", tadelte ihre Schwester sie sanft. Eries blieb fast immer ruhig, was Millerna mehr als einmal auf die Palme gebracht hatte. "Ich habe es nur vermutet, weil die Stunde der Bittsteller mit Sicherheit noch nicht um ist und dieser Kerl als erster an der Reihe war. Also, willst du mir erzählen, was er euch dargelegt hat oder nicht?"
 

Millerna atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. Sie war zwar bei weitem nicht so schlimm wie Van, wenn es um feuriges Temperament ging, aber dennoch musste sie etwas Haltung erlernen. Ob sie nun wollte oder nicht, sie war die Königin von Asturia und musste Ruhe und Aufmerksamkeit ausstrahlen.
 

"Entschuldige", bat sie, nun merklich sanfter. "Ich habe mich gehen lassen. Aber das Angebot dieses... Botschafters hat mich einfach völlig aus der Bahn geworfen."
 

"Unübersehbar", merkte Eries trocken an und beschenkte Millerna mit einem ihrer wenigen, wenn auch spöttischen Lächeln, während sie ihre Tasse zum Mund führte. "Nun erzähl schon. Du weißt, ich liebe Staatsgeheimnisse. Vor allem, wenn ich sie kenne."
 

"Dieser unmögliche Kerl hat uns nahegelegt, einen zweiten Krieg mit Zaibach vom Zaun zu brechen, stell dir vor!", sprudelte Millerna hervor. Sie wertete das Hochzucken der Augenbrauen ihres Gegenübers als ein gutes Omen und fuhr fort:" Er behauptet, er könnte uns eine Armee zur Verfügung stellen, mit deren Hilfe wir Zaibach vom Angesicht Gaias fegen könnten! Allerdings wollte er uns nicht verraten, für wen er spricht! Vorher sollten wir uns entscheiden, meinte er!"
 

"Lächerlich", kommentierte Eries, allerdings war der Ton ihrer Stimme ernst. "Wo will er denn eine so große Armee zusammenkriegen? Die Zaibacher sind in den letzten 5 Jahren mit Sicherheit auch nicht untätig gewesen. Bestimmt sind sie uns in der Armeestärke mittlerweile wieder beinahe ebenbürtig, auch wenn es noch länger dauern dürfte, bis sie auch nur annähernd wieder ihre alte Stärke erlangen."
 

"Aber?" Millerna legte den Kopf schief und verengte die Augen. "Ich kenne dich, Eries! Du willst doch noch etwas sagen!"
 

"Nun, hast du dir sein Angebot genau überlegt? Schließlich wissen wir nicht mit Sicherheit, ob Zaibach nach Kaiser Dornkirks Tod dauerhaften Frieden wünscht. Es wäre durchaus von Vorteil, einen Trumpf in der Hinterhand zu haben, um einer Invasion vorzubeugen, findest du nicht?" Sie nahm einen weiteren Schluck aus der Tasse. "Natürlich sage ich nicht, dass du Hals über Kopf auf sein Angebot eingehen sollst. Aber versuche doch ihn auszuhorchen. Vielleicht kannst du in weiteren Gesprächen mehr über ihn erfahren."
 

"Du bist die perfekte Politikerin, Eries." Millerna schnaubte. "Mir ist es ein Rätsel, warum ich den Thron Asturias besteigen musste. Du wärst eine viel bessere Königin als ich. Nun gut, ich werde versuchen, etwas mehr aus diesem Botschafter Kayd herauszubekommen. Aber glaub nicht, dass ich oder Dryden auf sein Angebot eingehen werden, egal, was dabei herauskommt! Ich habe im Großen Krieg genug Tod und Zerstörung gesehen, um ganze Generationen von Frieden gutzuheißen. Ich werde Asturia nicht in einen weiteren Konflikt verstricken."
 

"Damit hast du dein Rätsel soeben gelöst, Millerna", merkte Eries an. "Du verschreibst dich einer Sache mit deinem ganzen Herzen, wenn du dich mit ihr auseinandersetzen musst... in diesem Fall Asturia. Ich würde mit Logik und Berechnung regieren, aber du tust es mit dem Herzen. Das ist es, was die Leute an einem Herrscher gutheißen. Nimm Van zum Beispiel, oder auch Chid. Die beiden herrschen nicht wirklich, sie nehmen Anteil an den Problemen ihrer Untertanen. Deshalb seid ihr drei so beliebt beim Volk."
 

Millerna war etwas errötet. "Meinst du das ehrlich?", fragte sie unsicher. "Aber ich fühle mich immer hilflos, wenn ich die ganzen Probleme vor mir sehe."
 

"Dafür ist Dryden ja schließlich ja", meinte Eries schulterzuckend. "Er ist ein sehr praktischer Mensch, der es versteht, mit anderen Leuten umzugehen. Ihr seid das perfekte Paar, wenn es um die Regierung des Reiches geht, auch wenn du das vermutlich nicht gern hörst."
 

"Dryden und ich sind kein Paar, Eries!", brauste Millerna auf. "Wir teilen uns die Herrschaft, aber wir sind NICHT verheiratet!"
 

"Nach außen hin sieht das aber nicht so aus", bemerkte ihre Schwester weiterhin ruhig. "Aber lass uns jetzt nicht streiten. Wir haben es geschafft, uns beinahe ein ganzes Gespräch lang einig zu sein. Belassen wir es doch dabei, ja? Geh jetzt und versuche, mehr aus diesem "Botschafter" herauszukriegen."
 

"Wer von uns ist jetzt die Herrscherin?", spöttelte Millerna, während sie aufstand und ihr Kleid glattstrich. "Du kommandierst mich schon wieder herum, falls du das nicht bemerkt hast."
 

"Das war lediglich ein gutgemeinter Rat des Geheimdienstchefs, Majestät", konterte Eries und nahm ihre Papiere wieder in die Hand. "Und hier kommt ein weiterer von deiner Schwester: Versuche, weiterhin so gut mit Dryden auszukommen. Lass dich nicht mit Allen ein wie Marlene."
 

Millernas Blick wurde eiskalt. "Meine Beziehung zu Allen geht dich rein gar nichts an, Eries! Du willst doch nur, dass ich Dryden endlich heirate, damit du eine Chance bei Allen hast!"
 

Eries wandte den Blick ab, damit die wütende Millerna die Träne nicht sehen konnte, die über ihr Gesicht rann. Dennoch klang ihre Stimme normal, wenn auch etwas bitter, als sie antwortete: "Närrin! Ich weiß schon lange, dass Allen Schezar niemals Liebe für mich empfinden wird. Aber wenn du dich mit ihm einlässt, könnte das einen zweiten Chid ergeben... und wer weiß, ob Dryden dafür ebenso viel Verständnis hätte wie der verstorbene Herzog von Freid?" Sie ließ ihre Worte einen Moment lang wirken, bevor sie weitersprach: "Geh jetzt endlich, Millerna! Sonst sagt eine von uns noch etwas, das sie später wirklich bereut."
 

Sie war erleichtert, als sie einige Augenblicke später die Tür ins Schloss fallen hörte - ruhig, nicht mit einem lauten Knall. Also hatten ihre Worte doch Wirkung gezeigt. Aber in einem hatte Millerna Recht gehabt: Eries hatte die Hoffnung nie aufgegeben, der Ritter des Himmels könnte sich eines Tages in sie verlieben, auch wenn sie wusste, dass dem nie so sein würde. Sie seufzte leise und las den Brief, den sie heute morgen mittels Brieftaube erhalten hatte, weiter. Er war der Grund, warum sie Millerna nahegelegt hatte, diesen seltsamen Botschafter etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
 

Er war von einem der Ratsmitglieder aus Farnelia verfasst worden, von einem gewissen Crine und war an das Königshaus von Asturia gerichtet. Dieser Mann berichtete darin von eben diesem Botschafter und seinem Angebot an Farnelia. Wenn dieser Brief echt war - und König Vans Siegel bestätigte das - dann bedeutete das, dass dieser Mann Krieg im großen Umfang anzetteln wollte. Eries beschloss, einen ihrer Agenten auf diesen Botschafter anzusetzen.
 


 

"Nein, Mutter, es geht mir gut, wirklich." Hitomi verdrehte die Augen zum Himmel. Sie hätte ihre Träume nicht ihrer Mutter gegenüber erwähnen sollen. Und dabei konnte sie noch froh sein, dass sie nur mit ihr telefonierte, ansonsten wäre sie wahrscheinlich zum Arzt geschickt worden. "Ich glaube nicht, dass die Träume etwas zu bedeuten haben."
 

"Mach mir nichts vor, Hitomi." Die Stimme ihrer Mutter klang streng. "Bisher sind deine Visionen immer in Erfüllung gegangen!"
 

Ja, und das war meine eigene Schuld, dachte Hitomi und erinnerte sich an das Gespräch mit Vans Mutter Varie im Tal der Wunder. Diese hatte Hitomi eröffnet, dass Hitomi selbst die Ursache für viele der schlimmen Dinge gewesen war, die sich auf Gaia abgespielt hatten. Viele ihrer Visionen waren nur ihre eigenen Ängste gewesen, die sich dank der Kraft von Atlantis erfüllten. Aber das teilte sie ihrer Mutter lieber nicht mit.
 

"Und wenn schon. Außerdem habe ich nicht vor, nach Gaia zurückzukehren. Zumindest noch nicht jetzt. Morgen kommen ohnehin Yukari und Amano zu Besuch und ich werde die beiden auf keinen Fall versetzen, um zum Arzt zu gehen, verstanden, Mutter?"
 

Diese seufzte. "Wie du meinst. Aber du wirst es mir doch mitteilen, wenn du weiterhin diese... schlechten Träume hast, oder? Versprich es mir, Hitomi. Ich mache mir Sorgen um dich."
 

"Oh Mutter." Nun seufzte auch Hitomi, aber sie lächelte dabei. "Ich bin jetzt erwachsen, hast du das etwa nicht mitbekommen? Ich kann auf mich selbst aufpassen."
 

"Lass einer alten Frau doch ihre vergebliche Hoffnung, ihr kleines Baby könnte sich noch einmal hilfesuchend an sie wenden."
 

Jetzt musste Hitomi wirklich lachen. "So alt bist du nun auch wieder nicht, Mutter. Na schön, ich verspreche dir, dass ich dich noch einmal anrufe, wenn ich weiterhin von dieser Sache träume. Aber rechne nicht vor Yukaris und Amanos Besuch damit. Bis dann. Und grüß die anderen von mir."
 

"Natürlich. Bis bald, mein Schatz."
 

Kopfschüttelnd legte Hitomi den Hörer auf die Gabel. Waren alle Eltern so oder nur ihre? Aber sich selbst gegenüber gab sie doch zu, dass sie ihre Visionen ebenso ernst nahm wie ihre Mutter, auch wenn sie nicht wusste, was sie bedeuten sollten. Sie schloss die Augen und ließ sich in einen Sessel fallen - und das Bild vor ihren Augen wechselte.
 

Sie stand wieder auf der verkohlten Ebene. Wieder waren von den Häusern nur die Wände wie Gerippe übriggeblieben und wieder war nicht der leiseste Hauch von Leben zu entdecken. Aber diesmal war etwas anders: Ihr war, als könnte sie viele Dinge nun genauer sehen, als hätte sie der Schlaf bisher überlagert und ihr die Details vorenthalten. Zum Beispiel war der Boden nicht überall gleich, einige Teile davon waren zu geschwärztem Glas zerschmolzen. Hitomi schauderte, wenn sie daran dachte, welche Hitze dazu gebracht wurde. Außerdem bemerkte sie an der Spiegelung in einem klar gebliebenem Stücke Glas, dass tatsächlich zwei Monde am Himmel strahlten. Sie war also auf Gaia.
 

Als sie die Gegenwart hinter sich spürte, drehte sie sich beinahe begierig um. Vielleicht konnte sie diesmal mehr erkennen. Aber so sehr sie sich auch bemühte, sie erkannte nicht, worum es sich bei diesem riesigen Monster handelte, obwohl seine Umrisse nun deutlicher zu erkennen waren. Es kam ihr vage bekannt vor, als habe sie schon einmal irgendwo etwas Ähnliches gesehen, aber sie erkannte es nicht. Doch dafür bemerkte sie etwas anderes: Auf dem Biest saß eine humanoide Gestalt, die ebenso dunkel und damit unerkennbar war wie das Monster selbst. Allerdings ließen die beiden unförmigen Auswüchse an beiden Seiten des Rückens nur einen Schluss zu: Die Gestalt besaß Flügel. Sie war diejenige, von der die Feder in der Vision stammte.
 

Dann allerdings öffnete die Bestie das Maul und das ihr entgegenschlagende Feuer beendete die Vision schlagartig. Hitomi öffnete heftig einatmend die Augen und krallte ihre Finger in die Polsterung des Sessels. Dieses Mal hatte sie sich eingebildet, dass das Feuer tatsächlich heiß gewesen war, obwohl es nur eine Vision war. Hieß das etwa, dass die Gefahr nun näher war? Und diese Gestalt, die auf der Bestie geritten war... war das Van? Nein, Unsinn. Er würde niemals derartige Verwüstung verursachen. Aber wer war sie dann?
 

Ihre Gedanken wurden abrupt unterbrochen, als das Telefon abermals klingelte. Verwundert hob sie ab. Sie erwartete doch gar keinen Anruf.
 

"Hitomi Kanzaki."
 

"Hallo, Hitomi! Ich bin's, Yukari!"
 

Hitomis Gesicht hellte sich wieder auf. "Yukari! Schön, dass du anrufst. Wann werdet du und Amano denn hier sein? Ich muss doch schließlich da sein und euch empfangen, wenn ihr kommt."
 

"Ach, wir werden irgendwann morgen im Laufe des Nachmittags kommen, wenn dir das recht ist. Amano freut sich sehr darauf dich wiederzusehen... und ich natürlich auch." Eine kurze Pause folgte. "Sag mal, ist mit dir alles in Ordnung? Du hast dich irgendwie nervös angehört."
 

Einen Moment lang überlegte Hitomi wirklich, ob sie sich ihrer Freundin anvertrauen sollte, aber dann entschied sie sich dagegen. Sie wollte diesen Besuch ihrer Freunde nicht mit ihren Visionen überschatten. "Nein, alles in Ordnung", log sie also. "Ich bin nur ein bisschen im Stress, weil ich noch nicht einkaufen war. So wie ich euch kenne, muss ich noch einige Flaschen Champagner kaufen, oder?"
 

"Da kannst du Gift drauf nehmen!", bestätigte Yukari fröhlich. Sie schien sich seit ihrem letzten Besuch nicht verändert zu haben. "Amano ist bei seinem letzten Bewerb in Europa 2. geworden, stell dir vor! Das müssen wir ausgiebig begießen." Der nächste Satz war kaum zu verstehen, anscheinend flüsterte Yukari ihn in die Hörmuschel. Allerdings rechtfertigte der Inhalt die Heimlichtuerei. Hitomi stellten sich die Haare auf. "Und es gibt noch etwas anderes zu feiern. Ich... ich glaube, ich bin schwanger!"
 

Einen Moment lang konnte Hitomi nicht antworten vor Überraschung. "Yukari!", rief sie ebenso perplex wie aufgeregt. "Bist du dir sicher?"
 

"Ziemlich sicher", meinte ihre Freundin aufgekratzt. "Meine Monatsblutung ist nun schon lang überfällig und ich habe auch schon einen Test gemacht. Stell dir vor, Hitomi, ich bekomme ein Baby! Ich bin so aufgeregt!"
 

"Wann ist es denn soweit? Und weiß Amano schon davon?" Die Fragen schossen Hitomi durch den Kopf wie Gewehrkugeln.
 

"Keine Bange, man sieht noch nichts. Sieben oder acht Monate wird's schon noch dauern. Und nein, ich habe es Amano noch nicht gesagt. Ich möchte, dass er es selbst merkt. Du wirst ihm doch nichts sagen?"
 

"Wofür hältst du mich?", entgegnete Hitomi entrüstet. "Er erfährt kein Sterbenswörtchen von mir! Ich glaube, ich muss mein Konto plündern! Heute mache ich einen Großeinkauf!"
 

"Lieber nicht", wehrte Yukari lachend ab. "Sonst ahnt Amano am Ende noch frühzeitig etwas. Belass es lieber bei deinen Flaschen Champagner. Bis morgen, Hitomi. Ich freue mich schon darauf, dich endlich wiederzusehen."
 

"Ich auch, Yukari. Oh, ich freue mich so für dich! Alles Gute! Ich kann's kaum erwarten! Bis morgen."
 

Als Hitomi dieses Mal auflegte, hatte sie ihre Visionen völlig vergessen. Yukari... schwanger? Dieser Gedanke geisterte durch ihren Kopf und ließ keinen anderen aufkommen. Völlig außer sich vollführte Hitomi einige wilde Drehungen und ließ sich dann lachend auf die Couch fallen. Jetzt war sie sich ganz sicher, dass morgen ein unvergesslicher Tag werden würde. Und sie ahnte nicht, wie recht sie damit hatte.
 


 

"Nichts!" Millerna war außer sich. An diesem Tag ging echt alles schief! "Dieser Kerl ist glatt wie ein Aal! Nichts hat er preisgegeben!"
 

"Sag das nicht, meine Liebe", widersprach Dryden, der nachdenklich neben ihr in der Zeremonienhalle von Asturia saß. Er trug dieselbe Art Anzug, den er bei ihrer verhinderten Hochzeit getragen hatte und sah darin unbestreitbar herrschaftlich aus, besonders, seit er sich rasiert hatte. "Einige Dinge hat er unbewusst trotzdem verraten."
 

Millerna hatte Dryden gebeten, den Botschafter nach den anderen Bittstellern noch einmal herzubestellen, um Genaueres aus ihm herauszubekommen. Allerdings hatte er auf keine Frage eine Antwort gegeben, die Millerna etwas über das Wesen dieser Armee oder die Identität seines Herrn verraten hätte. Erstaunt sah sie Dryden an.
 

"Worauf wartest du noch?", fragte sie. "Rede! Was meinst du damit?"
 

"Nur die Ruhe", meinte Dryden und stützte sein Kinn mit der Hand ab. "Er sagte doch, sein Auftraggeber wäre eine "Herrin", nicht wahr?" Er wartete nicht ab, ob Millerna zustimmte oder nicht, sondern sprach sofort weiter. "Das lässt mich darauf schließen, dass diese Armee vermutlich nicht aus Guymelefs besteht. Versteh das bitte nicht falsch, Millerna, aber solche Kampfmaschinen werden normalerweise von Männern hergestellt. Im Allgemeinen interessieren sich hochgestellte Frauen nicht für solche Wunder der Technik, ganz zu schweigen davon, dass nach dem Großen Krieg kaum ein Staat das Geld hätte, eine Armee aus diesen Monstern zu bauen."
 

Dryden machte eine Pause und blickte Millerna herausfordernd an. Diese gab es nicht gern zu, aber sie musste seinen Schlussfolgerungen zustimmen. Dennoch nickte sie nur kurz und ihre Augen übermittelten die Botschaft, er solle schnell weiterreden. Dryden schien etwas enttäuscht, aber immerhin fuhr er fort.
 

"Nun, außerdem gibt es noch einige Dinge, die an ihm seltsam sind. Zum Beispiel scheint er schnell reisen zu können, denn in seinem Zimmer befindet sich kein einziger Gepäckskoffer. Dennoch hat ihn niemand mit einem Luftschiff landen oder mit dem Schiff einlaufen sehen."
 

Millerna zog die Augenbraue hoch. "Du hast sein Zimmer durchsuchen lassen?"
 

"Sag nicht, du hättest nicht dasselbe getan." Er schenkte ihr eins seiner schrägen Lächeln. "Ich bin der Regent von Asturia. Ich muss wissen, mit wem ich mich unterhalte und dieser Typ war mir nicht geheuer. Natürlich habe ich ihn überprüfen lassen. Und ein weiteres Detail: Er hat keinen Preis genannt. So, als wäre er sich sicher, dass wir ihn akzeptieren würden. Das gibt mir zu denken. Er will uns eine unbesiegbare Armee zu einem niedrigen Preis überlassen. Warum? Was erhofft er sich davon?" Wieder sah er nachdenklich zu Boden.
 

"Vielleicht Asturias Unterstützung?", mutmaßte Millerna. Drydens Menschenkenntnis und Beobachtungsgabe machten sie ärgerlich. Sie wollte ebenfalls etwas beitragen. "Vielleicht braucht seine Herrin Verbündete?"
 

"Wenn sie eine unbesiegbare Armee hat? Kaum." Der Kaufmann runzelte die Stirn. "Wieso sollte sie die überhaupt hergeben? Das ergibt alles überhaupt keinen Sinn."
 

"Und wie wirst du dich entschließen?", fragte Millerna mitten in seine Überlegungen hinein. "Wirst du sein Angebot befürworten? Schließlich wird man deinem Wort mehr Gewicht beimessen als meinem."
 

"Was für eine Frage", schnaubte Dryden. "Natürlich werde ich ablehnen. Ich bin doch nicht verrückt und kaufe die Katze im Sack! Bei einem Geschäft, von dem man so gut wie nichts weiß, kann man eigentlich nur verlieren. Ganz zu schweigen davon, was hätten wir von einem weiteren Krieg gegen Zaibach? Möglicherweise würden wir ihn sogar verlieren und auch unsere Alliierten würden uns kaum unterstützen. Schließlich ist ihnen noch gut im Gedächtnis, dass es Asturier waren, welche die Dämonenwaffe gezündet haben." Er verzog schmerzlich das Gesicht. "Vielleicht würden uns Van und Chid beistehen, aber nicht einmal das ist sicher. Es ist viel zu gefährlich, außerdem haben die Zaibacher seit dem großen Krieg kein aggressives Verhalten gezeigt."
 

"Gut", sagte Millerna zufrieden. "Ganz meine Meinung. Aber was sollen wir jetzt mit diesem Kerl machen? Sollen wir ihn festhalten und weiter befragen?"
 

Dryden schien einige Zeit darüber nachzudenken. "Nein", entschied er schließlich. "Ich glaube, das ist nicht nötig. Die meisten Staaten, denen er dieses Angebot noch unterbreiten könnte, können sich keine Armee leisten, egal, wie billig sie ist. Außerdem wird keiner so töricht sein, Zaibach alleine anzugreifen. Wir sollten ihn einfach ziehen lassen. Er wird nirgendwo Gehör finden."
 

"Hoffen wir, dass du Recht hast", meinte Millerna, nicht völlig überzeugt. "Aber sollten wir uns nicht mit unseren Verbündeten absprechen? Wenn diese Herrin, wer immer sie auch ist, tatsächlich eine unbesiegbare Armee hat, dann sollten wir darauf gefasst sein, dass sie uns möglicherweise angreift."
 

"Wenn sie das vorhätte, hätte sie uns nicht vorgewarnt", widersprach Dryden. "Aber es kann nicht schaden, zumindest Brieftauben zu schicken. Würdest du das bitte veranlassen, Millerna? Ich habe leider noch ziemlich viel zu tun."
 

"Womit denn?"
 

"Nun, es ist nicht grade einfach, gleichzeitig ein Reich zu regieren und ein Handelsimperium zu führen", erklärte Dryden lächelnd. "So was geht an die Substanz, sogar an meine. Aber vor allem möchte ich einige Händler genauer im Auge behalten, die anscheinend ein Kartell gebildet haben, um andere aus dem Geschäft zu drängen." Er runzelte die Stirn. "Diese Kerle mögen es nicht, wenn sich ein Herrscher in ihre Angelegenheiten mischt, so wie ich. Aber ich werde nicht zulassen, dass sie die Schwächeren ausnehmen. Weißt du, wir sind ihnen schon lange ein Dorn im Auge."
 

"Überlass das doch Eries", bot Millerna an und stand auf. "Sie kümmert sich doch ohnehin um solche Dinge. Du solltest auch einmal an dich denken."
 

"Ich schätze, sie kümmert sich bereits darum, aber diese Händler behalte ich dennoch im Auge. Sie sind sehr reich, was sie gefährlich macht." Dryden seufzte und senkte den Kopf. "Als ich selbst nur Kaufmann war, hatte ich nicht so viele Feinde. Wenn ich gewusst hätte, was es heißt, ein Reich zu führen, dann wäre ich irgendwo untergetaucht."
 

Er sah so schwermütig aus, dass Millerna lächeln musste. Nun, es würde seinem Ego ganz gut tun, dass es Aufgaben gab, die auch ihn mit der Zeit überforderten. Dennoch sah er ziemlich elend aus. Sie wusste selbst nicht, warum sie es tat, aber auf einmal lag ihre Hand auf seinem Kopf und strich sein unordentliches Haar zurück. Er blickte verwundert auf.
 

"Sieh es doch einfach als neue Herausforderung", schlug sie lächelnd vor. "Als Händler hast du doch schon alles erreicht. Außerdem bin ich ja da, um dich zu unterstützen, oder?"
 

"Ja, in der Tat." Er ergriff ihre Hand und führte sie zum Mund. "Wenn das nicht der Fall wäre, hätte ich niemals so lange durchgehalten." Der Blick, den er ihr zuwarf, war so voller Sehnsucht, dass er ihr unangenehm war. Hastig entzog sie ihm die Hand und wandte sich um. "Ich werde jetzt die Nachrichten aufsetzen. Überarbeite dich nicht, Dryden, ja? Es sieht nicht gut aus, wenn der König auf einmal auf dem Thron einschläft."
 

Dann verließ sie rasch den Saal, sodass sie nicht mehr hörte, wie der Kaufmann "Du hast gut reden" knurrte. Aber der Blick, den er ihr nachwarf, zeigte, dass er den Satz nicht ernst meinte.
 


 

"Hervorragend", kommentierte Allen, während er einen auf seine Schulter gezielten Hieb mit dem Schwert abwehrte, um die eigene Achse wirbelte und seinerseits angriff. "Du wirst immer besser, Van, und was noch schlimmer ist, du wirst auch noch stärker. Wenn das so weitergeht, wirst du mich bald mühelos besiegen."
 

"Nicht so bescheiden, Allen", entgegnete Van, der wie immer mit völliger Konzentration kämpfte. Die beiden Schwerter der Kontrahenten klirrten nun schon seit Minuten gegeneinander, ohne dass einer von ihnen wirklich im Vorteil wäre. "Noch bist du mir zumindest ebenbürtig. Außerdem hattest du im Gegensatz zu mir die Möglichkeit, dein Training mit Wargas abzuschließen." Er wehrte Allens spielerischen Angriff mit der Breitseite des Schwerts ab und wich einen Schritt zurück, um einem weiteren Hieb zu entgehen. Er packte das Schwert fest mit beiden Händen.
 

"Das ist wahr", stimmte Allen zu. "Aber das heißt nur, dass du einige Feinheiten des Kendo noch nicht kennst. In den letzten Jahren hast du die meisten davon ohnehin schon entdeckt." Allen sprang nach hinten, als Vans Klinge nach seinen Beinen züngelte. "Hopp! Ich gebe mir noch längstens zwei Jahre, dann werde ich dich nicht mehr besiegen können. Dann wirst du der gefürchtetste Schwertkämpfer von ganz Gaia sein."
 

Motiviert von Allens Komplimenten setzte Van nach und versuchte, Allens Schwerthand zu treffen. Dieser allerdings grinste plötzlich und Van begriff zu spät, dass er in eine Falle gelaufen war. Allen warf das Schwert hoch und fing es mit der anderen Hand auf. Bevor Van seine eigene Klinge herumreißen konnte, zielte Allens Schwert bereits auf seinen Brustkorb.
 

"Zumindest, wenn du nicht alles für bare Münze nimmst, was dir dein Gegner im Kampf sagt", vervollständigte Allen noch immer grinsend den letzten Satz. "So ganz gehöre ich auch noch nicht zum alten Eisen."
 

"Wohl wahr", knirschte Van. Er ließ das Königsschwert von Farnelia fallen. "Und ich dachte, heute könnte ich dich endlich wieder einmal besiegen."
 

"Am Können liegt es nicht", versicherte ihm Allen und steckte sein eigenes Schwert in seine Scheide. "Und an der Konzentration im Grund auch nicht. Du kämpfst wie immer." Allen sah ihn abschätzend an. "Allerdings vermute ich, dass du wegen irgendetwas bedrückt bist. Du bist nicht motiviert genug, um bis zum Äußersten zu gehen. Denkst du schon wieder an Hitomi, Van?"
 

"An wen sonst?", fragte der junge König und hob sein Schwert auf. Sein Gesicht war bitter. "Merle kann dir bestätigen, dass ich die letzten Nächte zur Hälfte damit verbracht habe, zum Mond der Illusionen hinaufzusehen. Ich hätte nicht gedacht, dass sie so lange fortbleiben würde, Allen."
 

"Aber du hättest damit rechnen müssen, als du sie gehen ließest", entgegnete der Ritter, während er seinen Freund musterte. Auch in seinem Leben hatte Hitomis Heimkehr zur Erde eine Lücke hinterlassen, die sich auch mit Serenas Rückkehr nicht vollständig geschlossen hatte. Aber für Van, der nichts anderes auch nur annähernd so sehr begehrte wie das Mädchen vom Mond der Illusionen, war es noch viel schlimmer. "Dort unten lebt ihre Familie und ihre Freunde von früher. Vielleicht ist sie dort unten glücklich, Van."
 

"Das ist auch der einzige Grund, warum ich noch nicht Escaflowne reaktiviert und dorthin geflogen bin", bestätigte Van mürrisch und setzte sich. "Weißt du, dass ich sogar schon mit dem Gedanken gespielt habe, Farnelia zu verlassen, um zu ihr auf die Erde zu gehen?" Er vergrub sein Gesicht zwischen den Händen. "Ich werde noch verrückt, Allen! Alle um mich reden davon, dass ich mir eine Frau suchen soll, aber die einzige, die ich will, kommt nicht zu mir zurück! Was soll ich nur machen?"
 

Allen wusste keine Antwort und so legte er einfach nur seine Hand auf die Schulter seines Freundes. "Ich weiß es nicht, Van. Aber wenn es so weitergeht, wirst du gar keine andere Wahl haben, als sie aufzusuchen. Sonst wirst du über kurz oder lang an nichts anderes mehr denken können."
 

"Und was ist... wenn sie jemand anderen gefunden hat, Allen?"
 

"An so einen Unsinn darfst du gar nicht erst denken, Majestät!", erklang eine kräftige Stimme energisch zu ihnen herüber. Beide Männer blickten auf und erkannten Merle, die anscheinend schon seit einer Weile vor der Tür des Raumes hockte, auf den ersten Blick. Das Katzenmädchen sah verstimmt aus. "Wenn Hitomi dich hören würde, würde sie dir vermutlich eine runterhauen, dass es noch drei Tage lang in deinen Ohren klingeln würde! Sie liebt dich, Van!"
 

"Aber wieso kommt sie dann nicht zurück, Merle?"
 

"War es denn leicht für dich, deine Familie zu verlieren, Van? Oder Farnelia?" Plötzlich war die Stimme des Mädchens sanft geworden. Sie tappte näher und hängte sich an Vans Arm, so wie in alten Zeiten. "Hitomi braucht einfach Zeit, um sich vom Mond der Illusionen zu lösen. Lass ihr doch noch etwas davon."
 

Allen war beeindruckt. Derartige Weisheit hätte er dem quirligen Katzenmädchen gar nicht zugetraut. "Ich denke, Merle hat Recht, Van", stimmte er zu. "Abschied zu nehmen ist immer schwer. Aber du darfst auf keinen Fall das Vertrauen in Hitomi verlieren. Hat sie dich denn schon einmal im Stich gelassen?"
 

"Nein." Van seufzte. "Ihr habt ja Recht. Aber ich hätte niemals gedacht, dass mein Leben so leer sein könnte, wenn sie nicht da ist."
 

"Du bist nicht der einzige, der sie vermisst, Van", warf Allen leise ein. "Wir alle haben etwas Wichtiges verloren, als sie uns verließ. Du und ich ebenso wie Merle, Millerna und alle anderen."
 

Van lächelte kurz und wuschelte Merle durchs lange, rosa Haar. "Stimmt das, Merle?", fragte er sie neckend. "Vermisst du Hitomi auch? Obwohl sie mich dir wegnehmen wird, wenn sie wiederkommt?"
 

Ärger blitzte in den Katzenaugen auf, aber dann machte der Ausdruck einen kurzen Moment lang Heimtücke Platz. Schließlich wechselte der Blick zu dem tief verletzter Gefühle. Merle schlang ihre überraschend kräftigen Arme um den König von Farnelia und rief halb lachend, halb klagend: "Du darfst mich nicht verlassen, Majestät, nein, bitte lass mich nicht zurück, ich möchte bei dir bleiben, bitte schick mich nicht weg, bittebittebitte..."
 

Das brachte sogar Allen und den deprimierten Van wieder zum Lachen. "Genug, Merle", stieß Allen schließlich hervor, als das Katzenmädchen sich mit ihren Klagen zu wiederholen begann. "Sonst lachen wir uns noch tot. Ich glaube, Van geht es wieder gut."
 

Merle sah mit großen Katzenaugen zu Van auf und setzte einen unschuldigen Ausdruck auf. "Nicht mehr traurig, Majestät?"
 

Das verlängerte die allgemeine Heiterkeit noch mal um ein paar Sekunden.
 

"Wo ist eigentlich Serena, Merle?", fragte Allen schließlich.
 

Merle zog eine Schnute und ihre Miene wurde wieder griesgrämig. "Es scheint, als ob heute irgendwo auf dem Weg von Farnelia bis Freid ein Sturm tobt", erklärte sie missmutig. "Das heißt, der Crusado wird bis morgen warten, bis er herfliegt. Sie werden erst morgen Nachmittag hier eintreffen. Das ist so gemein!", maulte sie.
 

"Schade", bedauerte auch Allen. "Ich hatte den Tag schon so gut geplant. Nun, aber Serenas Sicherheit geht natürlich vor. Oder möchtest du lieber, dass sie abstürzt, Merle?"
 

"Natürlich nicht!", brauste diese auf. "Aber ich..."
 

Van hörte dem Disput der beiden nicht mehr zu, stattdessen griff er unter sein Hemd und fischte etwas heraus, das ihn kratzte. Erst dann erkannte er, dass es sich um Hitomis Anhänger handelte, den sie ihm bei ihrem letzten Treffen geschenkt hatte. Er wusste, dass er aus Atlantis stammte und Wünsche erfüllen konnte, wenn sie nur fest genug waren. Er schloss die Hand um den Anhänger.
 

Wo du auch immer bist, Hitomi, dachte er. Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt. Genieße es. Ich werde auf dich warten, auch wenn es mir mit jedem Tag schwerer fällt.
 

Van!
 

Vor Schreck ließ er den Anhänger beinahe fallen. Seine Augen traten hervor. Das war Hitomis Stimme gewesen, ganz sicher!
 

"Hitomi?", flüsterte er. Sofort verstummten Allens und Merles Gespräche und die beiden drehten die Köpfe zu ihm um. Verwundert blickten sie erst ihn, dann den Anhänger an.
 

Van, hilf mir!
 

Van konnte ganz deutlich die Panik aus ihrer Stimme heraushören. Adrenalin floss in feurigen Bahnen durch seine Adern. Hitomi! Sie war in Gefahr! Sie brauchte seine Hilfe!
 

"Van, was ist los?", wollte Merle ungeduldig wissen. "Geht's dir nicht gut?"
 

Aber als sie seine Stirn mit der Hand berühren wollte, stand der junge König ruckartig auf und verließ im Laufschritt den Raum. Einen Augenblick waren Merle und Allen zu verblüfft, um zu reagieren, aber dann sahen sie sich an und zuckten mit den Schultern. Allen stand auf und rannte los, während Merle auf allen vieren bereits bei der Tür war. Van war bereits am Ende des Ganges. Er rannte wie ein Besessener und warf beinahe einen der Bediensteten um, der um die Ecke kam. Dieser konnte noch im letzten Augenblick beiseite springen. Er hatte sich noch kaum gefangen, als auch Allen und Merle angelaufen kamen und sich an ihm vorbeidrängten.
 

Sie folgten Van aus dem Palast hinaus, durch die momentan fast wie ausgestorbenen Straßen von Farnelia und passierten noch immer nicht langsamer das Stadttor. Merle hing bereits die Zunge heraus und auch Allen atmete heftig. Van musste völlig besessen sein, wenn er derartige Energien freisetzen konnte. Die beiden riefen nach ihm, aber er hörte sie entweder nicht oder er kümmerte sich nicht darum. Er führte die beiden Verfolger ohne Gnade direkt durch den Wald auf die Lichtung zu, wo er Escaflowne zurückgelassen hatte. Merle und Allen kamen in dem Augenblick dort an, als Van gerade seine Hand auf den Energiestein des Drachen legen wollte.
 

"Van", brachte Allen unter heftigen Atemzügen hervor, während Merle schlicht und einfach zusammenbrach. "Was zur Hölle... machst du da?"
 

"Ich muss zu Hitomi!", antwortete der Junge, ohne sich umzusehen. Der Energiestein erglühte und das Visier des Drachen öffnete sich. "Sie ist in Gefahr!"
 

"In Gefahr?", japste Merle. "Woher... weißt du das?"
 

"Der Anhänger", erklärte Van, während er in den Steuerbereich des Mechs kletterte. "Ich habe Hitomis Stimme gehört. Sie hat mich zu Hilfe gerufen!"
 

"Van, nun warte doch einmal", versuchte Allen ihn zu beruhigen, während er sich mit den Händen auf den Knien abstützte. "Bist du dir sicher, dass du... dir das nicht nur einbildest?"
 

"Ich spinne nicht, Allen!", entgegnete der schwarzhaarige Junge gereizt. "Hitomi hat panische Angst! Ich muss ihr helfen!"
 

"Van, Hitomi konnte mit dem Anhänger... in die Zukunft sehen", warf Merle ein. "Vielleicht... hast du auch gerade... die Zukunft gehört."
 

Das ließ Van innehalten. Nachdenklich starrte er den rosa glühenden Anhänger an. Das nutzte Allen, um weiter auf ihn einzureden.
 

"Merle könnte Recht haben, Van. Außerdem hast du selbst zugegeben, wie sehr du Hitomi vermisst. Du könntest dir diesen Hilferuf einfach nur eingebildet haben."
 

"Das habe ich NICHT, Allen, zum letzten Mal!", rief Van wütend aus. "Sie hat mich gerufen und ich werde sie nicht im Stich lassen!"
 

Im selben Augenblick, als Van das Visier von Escaflowne schließen wollte, brach ein vollkommen erschöpfter Soldat durchs Unterholz. Es war eine der Palastwachen von Farnelia. Sie hob abwehrend die Hand, als sie Vans Absicht erkannte.
 

"Majestät", keuchte sie mit letzter Kraft. "Ihr werdet beim Palast gebraucht. Ein junger... Hitzkopf und seine Freunde... haben sich bewaffnet und wollen in den Rat eindringen! Sie wollen... dass Ihr mit Ihnen gegen Zaibach zieht. Wir könnten... sie mit Gewalt zurückhalten, aber Master Crine befahl mir... Euch zu holen. Auf Euch... werden sie vielleicht hören."
 

"Ich kann jetzt nicht zurück!", rief Van, aber er wirkte unentschlossen. "Ich muss Hitomi retten! Allen!"
 

"Auf mich werden sie nicht hören, Van", entgegnete der Ritter. "DU bist ihr König. Du musst ihnen wieder Vernunft einhämmern, sonst werden sie sich wieder gegen dich auflehnen. Und zwar jetzt!"
 

"Aber ich muss..."
 

"Van!", schaltete sich nun auch Merle ein. "Würde Hitomi wollen, dass du wegen ihr dein Königreich im Stich lässt?"
 

Vans Gesicht war eine Maske der puren Qual. Allen war sich langsam nicht mehr so sicher, ob sein Freund sich Hitomis Stimme nur eingebildet hatte. Dann kam ihm eine Idee.
 

"Van, du musst zurück nach Farnelia! Aber wenn Hitomi wirklich in Gefahr ist, dann schick mich zum Mond der Illusionen! Du kannst dann später selbst nachkommen, wenn du diese Halbstarken in deiner Stadt unter Kontrolle hast."
 

Einen Moment lang war der junge König noch unentschlossen, aber ein Blick auf den wartenden Gardisten besiegelte seine Entscheidung. "Gut", entschloss er sich widerwillig und stieg aus Escaflowne aus. "Dann komm her, Allen! Schnell! Vielleicht kommt Hitomis Hilferuf ja wirklich aus der Zukunft, aber wir wissen nicht, wie weit. Jede Sekunde zählt. Leg deine Hand auf den Energiestein..."
 

Währenddessen sah Merle den beiden Männern zu und hatte ihre Hände gefaltet. "Ihr höheren Mächte", betete sie still. "Bitte lasst das alles nur eine Täuschung und Hitomi wohlauf sein. Mein Van könnte ihren Tod nicht ertragen." Aber wenn sich Van nicht irrte und Allen trotz allem zu spät kam... was würde Van dann tun? Zum ersten Mal seit langem machte sich im Herz des Katzenmädchens wahre Angst breit.
 


 

In der nächsten Folge...
 

Hitomi trifft Yukari und Amano und hat plötzlich eine Vorahnung von Van, der Escaflowne besteigt... ein Drache mit einem Katzenmenschen als Reiter, der die drei Freunde ein weiteres Mal angreift... Amano, der Yukaris leblosen Körper in den Armen hält und ihren Namen ruft... Allen, der den Drachen bekämpft und es sehr schwer dabei hat...
 


 

Titel: Die Rückkehr nach Gaia



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2004-10-03T09:42:08+00:00 03.10.2004 11:42
Wow, wieder ein total schönes Kapitel!
Am besten gefällt mir ja, dass der Van deiner Geschichte noch genauso impulsiv ist, wie in der Serie^^
Bin echt gespannt, wie's weiter geht^^
Bis dann bei Kapitel 3...
Von: abgemeldet
2002-08-31T17:45:48+00:00 31.08.2002 19:45
Zu den Fragen:
Ich glaube, dass es Vans Mutter war, die im Tal der Wunder Hitomi davor gewarnt hat, dass sie ihre Ängste heraufbeschwört. Das hab ich gemeint. Danach ist Hitomis Großmutter gekommen und hat Hitomi ermahnt, Van zu vertrauen.
Ich hab das Fest gemeint, das danach von den Zaibachern (Narya und Eriya) gesprengt worden ist. Schließlich hat Dryden Millerna ganz am Ende ja einen Ring zurückgegeben.
Ich habe die Waffe gemeint, mit der das gesamte Zaibacher Heer vernichtet wurde. Ein Zaibacher Krieger faselt danach ja von "Macht der Dämonen".
Wenn du jetzt schon fiese Gefühle entdeckst, wird das kleine Missverständnis, das ich noch einbaue, herzerquickend für dich sein. Ich weiß, ich kann die beiden eben nicht wunschlos glücklich sein lassen, sie müssen einfach noch ein bisschen leiden...
Von:  Koraja
2002-08-31T15:26:41+00:00 31.08.2002 17:26
Hallöchen! Teil 2 ebenfalls durchgelesen!
Hat mir wieder gut gefallen, nur jetzt hab ich einige kleine Fragen:
War das Vans Mutter die von dem Anhänger erzählt hat und nicht Hitomis Großmutter? Welche verhinderte Hochzeit von Dryden und Milerna? Dämonenwaffe von den Asturiern abgefeuert? Welche Waffe? Also endweder bin ich bei Escaflowne eingeschlafen, ich versteh was nicht oder ich muss mir alles nochmal angucken. Es wäre sehr nett wenn du mir da helfen könntest!
Van kann einem ja richtig Leid tun. Nicht nur weil er Hitomi vermisst, nein auch weil alle ihm eine Frau andrehen wollen. Der umgerannte Bedienstete war auch cool und Merle und Allen sollten mal Fitnesstraining machen wenn sie nach so einen kleinen Dauerlauf schon völlig außer Atem sind!^-^
Ich weiß das ich gerade wieder ziemlich fies bin, aber ich fand es einfach nur cool.
Also werd ich mich jetzt auch nich an den nächsten Teil dransetzen!
Bye Koraja


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