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Stepping Forward to Realize this Wish

von

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Kapitel 8

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STEPPING FORWARD TO REALIZE THIS WISH
 

Kapitel VIII

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Demyx trat in seine Wohnung und zog die Tür hinter sich zu.
 

Wie er hierher gefunden hatte, wusste er selbst nicht genau. Die Sicht seiner Augen war den gesamten Weg über verschwommen gewesen. Aber nicht weil er geweint hatte. Nein, geweint hatte er nicht.
 

Wie auch. Weinen würde bedeuten, das Geschehene zu begreifen und damit zu beginnen, es zu verarbeiten. Das Geschehene war für Demyx jedoch in eine solch weite Ferne gerückt, dass er sich beinahe einreden konnte, es wäre nur der bittere Nachgeschmack eines längst verblassten Traumes. Eines bösen Traumes. Eines bitteren, bösen Traumes.
 

Demyx fühlte sich beinahe befreit, wie er dort hinter seiner Tür stand, zitternd und nass geschwitzt und mit geschlossenen Augen. Betäubt und berauscht und benebelt. Er stand völlig neben sich. Seine Gedanken wanderten und wanderten, umzirkelten das Wesentliche in immer weiteren Kreisen, ohne sich wirklich an etwas Bestimmtem festzuhalten.
 

Er öffnete die Augen und ließ seinen Blick in seinem Zimmer umherwandern. Draußen vor seinen Fenstern war der Himmel von grauen Regenwolken überzogen, und Demyx stellte sich vor, diese Wolkendecke könnte für einen winzigen Augenblick aufbrechen, um einem vereinzelten Sonnenstrahl zu erlauben, in sein Zimmer zu fallen.
 

Demyx durchquerte langsam den Raum. Er hatte vorgehabt, an sein Fenster zu treten und hinaus in die Ferne zu sehen, doch sein Blick blieb an einem Zettel hängen, der auf seinem Sofa lag.
 

Demyx fand das sehr seltsam. Er konnte sich nicht auf Anhieb an diesen Zettel erinnern, und auch wenn sein Bewusstsein das Geschehene noch immer einigermaßen erfolgreich zu verdrängen vermochte, so wurde sein Unterbewusstsein sofort mit der wilden, absurden Hoffnung erfüllt, dass Axel ihm eine Nachricht geschrieben und diese hierher gebracht hatte, bevor Demyx hier angekommen war. Eine Nachricht, in welcher er sich für alles entschuldigte, was er gesagt hatte, in der er gar das Gegenteil behauptete und Demyx erklärte, dass er dieselbe Sympathie für ihn hegte wie dieser für ihn und „lass uns von hier fortgehen und für immer glücklich sein.“
 

Mit zitternden Händen hob Demyx den Zettel auf und faltete ihn auseinander. Er erkannte ihn sofort.
 

Auf den Zettel geschrieben stand der Text eines Liedes. Ein Liedtext, welchen Demyx selbst gedichtet hatte, irgendwann im Laufe der vorangegangenen Woche. Vor scheinbar so unendlich langer Zeit, als er noch so naiv gewesen war zu glauben, dass Axel ihn mögen und alles besser werden würde, als er noch so ein verdammter optimistischer Narr gewesen war, der an das Gute glaubte und - und – und – Axel, warum, WARUM - - -
 

Demyx` Knie gaben nach und er brach in sich zusammen. Die Realität brach wie eine Flutwelle über ihn herein, so plötzlich und unvorbereitet, dass es ihm die Luft zum Atmen nahm.
 

Keuchend hockte er auf dem Boden, mit weit aufgerissenen Augen auf seine Hand starrend, die sich um den Zettel verkrampft hatte. Sein Atem ging unregelmäßig, seine Augäpfel zuckten in ihren Höhlen. Er befand sich auf der Schwelle einer Panikattacke.
 

Ist es nicht oftmals so... Irgend etwas Schreckliches widerfährt dir, und alles, was du tun kannst ist stumm dastehen und es über dich ergehen lassen, so als wärest du selbst nur ein Gefangener in deinem Körper, ein Außenstehender. Deine Haut wird bleich, du fängst an zu zittern, und dein seltsam passives Ich fragt sich, warum dein Körper auf diese Weise reagiert. Warum er von äußerlichen Einflüssen derart mitgenommen wird. Ist es menschlich, so zu reagieren? Aber wieso fühlst du dann nichts? Warum fühlt sich dein Inneres an wie betäubt? Lässt dich diese Situation völlig... kalt?
 

Erst hinterher beginnst du zu fühlen. Wenn der Schock aus deinen Gliedern gewichen ist, und all diese schrecklichen äußerlichen Einflüsse bis in dein Inneres vorgedrungen sind. Und dann wünschst du dir, du hättest nie gewollt, so zu fühlen. Du wünschst dir, du wärest aus Stein, und alles ginge einfach gleichgültig an dir vorüber. Ist es die Menschlichkeit wirklich wert, so viel Leid für sie zu ertragen? Nein, denkst du dir. Und in diesem Augenblick glaubst du all das.
 

Demyx glaubte es. Jetzt, hier, in diesem Augenblick glaubte er all das, was Axel ihm an den Kopf geworfen hatte, all diese harten und brutalen Worte, die alleine dem Zweck dienten, Demyx und sich selbst zu verletzten und zu vernichten, er glaubte sie. In diesem Moment bildeten sie für ihn das Evangelium der unumstößlichen, einzigen Wahrheit.
 

Demyx fing an zu weinen.
 

Er glaubte ihm nicht nur, es ging sogar so weit, dass er regelrecht --wusste--, dass Axel recht hatte. Er wusste, dass er selbst ein nichtsnutziger Schwächling war, eine erbärmliche Witzfigur, die sich einredete mit seinen verdrehten Moralvorstellungen diesem Schicksal entfliehen zu können.
 

Demyx` Hände ballten sich zu Fäusten, sein gesamter Körper verkrampfte sich zu heftigen Schluchzern. Er begann zu würgen, doch sein Magen war völlig leer.
 

Ha! Wie lächerlich er war, wie erbärmlich. Oh, endlich konnte Demyx sie deutlich sehen, die Lüge, die er für eine Wahrheit hielt. Nichts war ihm jemals klarer erschienen.
 

Demyx zerriss den Zettel, den er noch immer in seinen geballten Fäusten hielt, und ließ die Fetzen achtlos zu Boden fallen. Er ließ seinen Oberkörper zurücksinken, bis sein Körper vollständig auf dem Boden ausgestreckt war.
 

Er fühlte sich erschöpft, einfach durch den Tumult und die Intensität seiner Gefühle und Gedanken.
 

Er weinte noch immer, doch es waren stumme Tränen, die er kaum bemerkte während er schweigend hinauf zur Decke blickte. Und nach einiger Zeit wusste er nicht einmal mehr warum er weinte, und eine weitere gefühlte Ewigkeit später hatte er gar keine Tränen mehr übrig um all das zu beweinen, was ihm beweinenswert erschien.
 

Er fühlte sich erneut leer gebrannt und kraftlos. Betäubt. Nicht mehr ganz lebendig aber auch noch nicht tot. So als wäre er gar nicht mehr hier sondern schon so weit fort... So weit fort...
 

Es klopfte an der Tür.
 

Demyx` Körper war viel zu ausgelaugt, um noch zusammenzucken zu können. Jedoch schien es ihm, als würde ein herzähnliches Etwas in seiner Brust für einen kurzen Moment aufhören zu schlagen.
 

Sofort machte sich eine verzweifelte Hoffnung in Demyx breit. Eine Hoffnung jener Art, die er empfunden hatte, als er den Zettel auf seinem Sofa erblickt hatte, nur noch tausendmal intensiver. Denn diese Hoffnung umfing nun jede Faser seines ganzen Seins.
 

Axel...
 

Es war Axel, es war ganz sicher Axel. Axel, der sich bei ihm entschuldigen, Axel, der ihn um Verzeihung bitten würde. Axel, der ihm sagen würde, dass alles gut wird, Demyx würde schon sehen. Es war Axel, es --musste-- Axel sein. Denn wenn es nicht Axel war, dann würde Demyx an dieser Hoffnung ersticken, dann würde mit der Hoffnung auch ein wesentlicher Teil seiner Selbst zugrunde gehen, und das wollte er nicht. Das wollte er nicht...
 

Es klopfte erneut. Demyx richtete sich auf und ging mit schnellen Schritten zur Tür. Schnell wischte er sich die Tränen aus den Augenwinkeln und strich seinen Mantel glatt. Er hoffte, dass man ihm nicht anmerkte, dass er geweint hatte.
 

Er atmete tief durch und öffnete die Tür.
 

„Hallo Demyx.“ meinte Saix gut gelaunt, und in seinen Augen blitzte es spöttisch auf. „Wie ich sehe... geht es dir nicht gut?“
 

Irgendetwas in Demyx` Innerem schien zusammen mit der Hoffnung zu sterben.
 

„Saix.“ stellte er monoton fest, sich seinem Schicksal fügend.
 

„Oh, bloß nicht so enthusiastisch, Wasserjunge.“ kam es zurück, und Demyx rollte resigniert mit den Augen.
 

„Was willst du hier?“ fragte er knapp.
 

Prompt folgte die klägliche Parodie eines schockierten Augenaufreißens. Saix schüttelte den Kopf. „Demyx, du solltest doch besser schweigen! Wenn du mit unserem Vorgesetzten so umspringen würdest -“
 

„Spuck es einfach aus und verschwinde wieder.“ unterbrach Demyx ihn, immer noch ruhig, jedoch in einer Stimmlage die erkennen ließ, wie sehr er mit seinen Nerven am Ende war.
 

Saix schenkte ihm ein dünnes Lächeln. „Ganz wie du willst.“ meinte er trocken. „Xemnas hat einen Auftrag für dich, und mir gebührt die Ehre, ihn dir zu überbringen.“ Es lag eine seltsam verdrehte Art des Hochmutes in seiner Stimme, welcher in Demyx` Eingeweiden schmerzte.
 

„Ah.“ sagte er, und runzelte die Stirn. „Hat Xemnas dir also endlich erlaubt, seinen persönlichen Sekretär zu spielen? Gratuliere, heute muss dein Glückstag sein.“
 

Saix schnaubte missbilligend, doch sein Lächeln verbreiterte sich genugtuend. „Xemnas weiß meine Bemühungen zu schätzen.“ erklärte er nachdrücklich. Demyx schüttelte den Kopf. Saix war in mancher Beziehung einfach nur widerwärtig. Immer darauf bedacht, einen guten Eindruck bei seinem Vorgesetzten zu erwecken, ganz egal auf welche Weise, und wenn er die anderen Mitglieder der Organisation auf diesem Wege ans Messer liefern konnte, war dies umso besser. Saix war eine Kreatur, der nichts und niemand heilig war.
 

Mit einer flüssigen Bewegung zog Saix eine Schriftrolle aus seiner Manteltasche hervor und überreichte sie Demyx. „Hier, dein Auftrag.“
 

Ohne eine weitere Bemerkung entrollte Demyx das Dokument und begann zu lesen. Nur um wenige Sekunden später erschrocken wieder aufzublicken. „Das... Das kann doch nicht-“
 

„Nun, Xemnas denkt das sehr wohl.“ unterbrach Saix ihn mit Nachdruck. „Was ist? Nimmst du diesen Auftrag an oder nicht?“
 

„Aber...“ Demyx Hände begannen zu zittern. „Es hieß doch... Ich meine... Wir brauchen ihn doch noch. Er hat das Schlüsselschwert und... und...“
 

„Demyx, ich warne dich. Wenn du dich nun auch noch anmaßt, Xemnas` Entscheidungsfähigkeit infrage zu stellen-“
 

„Nein!“ erwiderte Demyx schnell. „Nein, das... Das war nicht meine Absicht. Ich habe mich lediglich gewundert, warum auf einmal so plötzlich-“
 

„Demyx, bitte.“ fiel ihm Saix gereizt ins Wort und seufzte theatralisch. Langsam fuhr er fort, jedes seiner Worte genauestens berechnend. „Niemand verlangt irgendetwas von dir, weißt du... Wenn du dich nicht in der Lage dazu siehst, ein einfaches Menschenleben zu beenden, dann wird sich auch jemand anders finden, der diesen Auftrag ausführen kann.“
 

Demyx senkte seinen Blick und starrte erneut auf das Dokument. Saix` Worte hatten ihre Intention nicht verfehlt, und Demyx hasste ihn dafür umso mehr. Warum mussten sie alle nur immer so recht haben? Warum konnten sie ihn so leicht durchschauen... Warum hatte gerade er diesen verdammten Auftrag erhalten? Roxas zu töten... --Sora--, verbesserte er sich sofort, aber was für einen Unterschied machte das überhaupt? Und warum gerade er?
 

„Demyx, was ist jetzt? Nimmst du den Auftrag an oder tust du es nicht?“ Saix` Stimme drang wie aus weiter Ferne an sein Ohr.
 

Höchstwahrscheinlich taten sie das nur, um ihn loszuwerden. Welche Chance hatte er schon gegen Sora und seine kleinen Gehilfen. Sie konnten Saix schicken, Xigbar... Sie hatten all diese großen Kämpfer zur Verfügung, und doch schickten sie ihn, das sinnbildlich schwächste Glied in der Kette.
 

Natürlich wollten sie ihn loswerden. Wenn selbst Xaldin gegen Sora verloren hatte, wie konnte dann jemand wie er auch nur den Hauch einer Chance haben? Also warum hatte er den Auftrag nicht schon längst abgelehnt?
 

> Weil du ihm beweisen könntest, dass du mehr bist als nur ein Schwächling. < sagte eine Stimme in seinem Inneren.
 

Demyx schüttelte den Kopf. Er könnte sterben. Es war sogar sehr wahrscheinlich, dass er auf dieser Mission starb, und wem würde er dann letztendlich etwas beweisen?
 

Niemandem. Aber wieso erfüllte ihn der Gedanke an seinen Tod nicht mit blankem Entsetzen? Warum wirkte er beinahe tröstlich? Und warum fühlte sich sein Inneres erneut so leer und gleichgültig an...
 

Axel...
 

Axel war der Einzige, der seinem Leben einen Sinn gegeben hatte. Axel, und die symbolische Bedeutung, die ihre Freundschaft für ihn gehabt hatte. Axel war die Zukunft gewesen. Die Zukunft für seinen Traum.
 

„Demyx! Hör auf, Löcher in den Boden zu starren und antworte endlich! Nimmst du den Auftrag jetzt an?!“
 

Der Traum war aus. Das Kristall war zerbrochen und lag in Scherben vor ihm.
 

Demyx hob seinen Blick und schaute Saix aus seltsam unempfindsamen Augen an.
 

„Ja.“ sagte er. „Ja, das tue ich.“
 

Saix grinste diabolisch. „Na bitte, es geht doch!“
 

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Axel schreckte aus seinem Traum hoch.
 

Nass geschwitzt und keuchend in seinem Bett sitzend war er für einen Augenblick tatsächlich der Überzeugung, dass sein Traum der Realität entsprach. Das fühlte sich furchtbar an. Absolut grässlich.
 

Demyx war in seinem Traum gestorben und hatte ihn selbst zurück gelassen, vollkommen allein und im Dunkeln. Es war fürchterlich gewesen, das hilflose Gefühl nichts tun zu können, nicht helfen zu können, und die quälende Überzeugung, ganz alleine für Demyx` Tod verantwortlich zu sein.
 

Demyx... Demyx war tot. Und Axel hatte all diese schrecklichen Dinge zu ihm gesagt-
 

Ein nagendes Schuldgefühl machte sich in seinem Körper breit, und es verging auch nicht, nachdem die Überreste des Traumes schon längst verblasst waren.
 

Demyx war nicht tot. Natürlich nicht. Es war nur ein dummer Traum gewesen, kein Grund zur Panik... Aber das alles änderte nichts daran, dass Axel diese Worte gesagt hatte, diese Worte, die Demyx unglaublich verletzen sollten und ihr Ziel gewiss nicht verfehlt hatten.
 

Axel vergrub sein Gesicht in seinen Händen und stöhnte gequält auf.
 

Warum? Warum konnte er sich nie beherrschen? Seine selbstzerstörerische Art, all seine Launen bis zu ihrem Maximum auszuleben, hatte ihn mal wieder in eine ganz gehörige Schieflage gebracht. Und dabei war er so schlecht darin, sich zu entschuldigen. Aber das musste er. Ja... Er war vielleicht ein wenig zu hart zu Demyx gewesen...
 

Axel gähnte herzzerreißend und ließ seinen Oberkörper erneut nach hinten sinken.
 

Er würde sich bei Demyx entschuldigen... Nachdem er sich noch ein paar Stündchen Schlaf gegönnt hatte.
 

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Und hier stand Demyx nun, am sprichwörtlichen Ende der Welt. Auf einem Platz am Rande Hollow Bastions.
 

Der Platz war groß, und die dunkelblauen Pflastersteine glänzten im Schein der Sonne mit einer nahezu surreal wirkenden Intensität. Ein schöner Platz zum Sterben, fand Demyx.
 

Er brauchte nicht lange zu warten. Schneller als ihm vielleicht lieb war drangen ihre Stimmen an sein Ohr, und wenige Augenblicke später rannte das goldene Trio hinaus auf den Platz.
 

Demyx atmete einmal tief durch und drehte sich dann herum, gerade rechtzeitig, um Sora, Donald und Goofy ihre Waffen ziehen zu sehen. Mit grimmiger Entschlossenheit blickten sie ihm entgegen, und für einen Augenblick wünschte sich Demyx, die Rollen wären vertauscht.
 

Wenn er nur wirklich der Überzeugung wäre, dass er auf der richtigen Seite stand, wäre alles so viel einfacher. Dann hätte er kämpfen können. Dann hätte er etwas gehabt, wofür er kämpfen konnte. Doch er hatte nichts dergleichen. Ihm fehlte all das, was diese drei Kämpfer der Gerechtigkeit als selbstverständlich betrachteten, und das... das machte ihn wütend.
 

„Hey, dich kenn ich doch!“ brach Sora das Schweigen, und richtete einen anklagenden Finger auf Demyx. „Dich haben wir in der Unterwelt getroffen! Wie hat es so ein Schwächling wie du eigentlich in die Organisation Dreizehn geschafft?“
 

Demyx schnaubte. Er blickte Sora mit harten Augen an, und dieser blickte mit ebenbürtiger Härte zurück. Wie konnte dieser Junge es wagen... Für ihn war Demyx nur ein Hindernis, das überwunden werden musste, nicht mehr... Nicht mehr, nein... Roxas schien keinerlei Macht über diesen Körper zu besitzen.
 

„Ich wette, du kannst nicht mal kämpfen!“ fuhr Sora fort.
 

Demyx ballte seine Hände zu Fäusten. Was sollte das? Wollte Sora ihn provozieren? Oder einfach nur verletzen? Hatten sich alle gegen ihn verschworen, heimlich zu einer Tasse Tee getroffen und beschlossen, heute mal ganz ausgesprochen gemein zu Demyx zu sein?
 

„Ja, aber wir können es!“ schloss Donald an Soras vorangegangenen Kommentar an und fuchtelte wild mit seinem Zauberstab in der Luft herum.
 

Das reichte. Mit einer flüssigen Bewegung beschwor Demyx seine Sitar.
 

„Ihr solltet niemanden nach seinem Äußeren beurteilen!“ rief er, und zu seinem eigenen Entsetzen klang seine Stimme trotzig. Er zuckte leicht zusammen und schüttelte den Kopf. Warum er? Warum nicht Saix oder Xigbar, oder gar Luxord?
 

„Wer ist dieser Verrückte?“ wollte Sora von seinen Freunden wissen, und Demyx schoss die Zornesröte ins Gesicht.
 

„Sei still, du verdammter Verräter!“ rief er, während er einen Akkord auf seiner Sitar anstimmte und eine riesige Wasserwelle erschuf.
 

Mit all der Kraft die in ihm steckte ließ er sie auf Sora und seine Mitstreiter niedersausen, doch Donald konnte mit einem schnell gesprochenen Feuerzauber parieren. Demyx wurde von einer Druckwelle erfasst und einige Meter nach hinten geschleudert.
 

Sofort fing er sich wieder und stimmte eine andere Melodie an. Bitte, sie wollten es nicht anders!
 

„Tanz Wasser, tanz!“ rief er mit schriller Stimme und erschuf einige Wasserklone, die sich sofort auf seine Feinde stürzten. Mit fliegenden Fingern bediente Demyx die Saiten seiner Sitar, seine Klone mit unsichtbaren Fäden lenkend.
 

Sie hatten es so gewollt! So und nicht anders! Ha, er würde seiner Organisation beweisen, was er wert war, was in ihm steckte! Sora hatte ja keine Ahnung! Sora, der Goldjunge. Sora, der alles hatte, was Demyx sich immer gewünscht hatte und niemals bekommen würde. Er hatte ein Herz, er lebte im Licht, er stand nicht wie Demyx alleine da. Sora wusste doch gar nicht, was es bedeutete, alleine zu sein!
 

„Tanz Wasser, TANZ!“ Mehr als die Hälfte seiner Klone waren besiegt, und Sora schien nicht einmal einen Kratzer zu haben. Verbissen verstärkte Demyx den Griff seiner Sitar.
 

War er wirklich so schwach, wie sie alle behaupteten?
 

Höchstwahrscheinlich war er das. Aber wie konnte er es auch schaffen, stark zu sein, wenn er nichts zu beschützen hatte? Wie stellten sie sich das alle vor, was erwarteten sie von ihm? Sora hatte das Schlüsselschwert, Sora war frei. Demyx hatte niemals die Chance gehabt, sein Schicksal selbst zu bestimmen!
 

Der letzte Klon war besiegt, und sofort warf sich Sora auf Demyx, sein Schwert in einem gefährlichen Winkel auf ihn herunter schwingend. Das Schwert prallte an einer Wand von Wasser ab, und Demyx erschuf schnell ein paar weitere Klone, die er Donald und Goofy auf den Hals hetzte.
 

Auch die nächste Attacke Soras konnte Demyx parieren. Mit einer schnellen Bewegung gelang es ihm, hinter Soras Rücken zu gelangen, und mit einem triumphalen Aufschrei rammte er ihm seine Sitar zwischen die Schulterblätter.
 

Soras Körper taumelte nach vorne... Und löste sich in einer Wolke weißen Dampfes auf. Demyx keuchte überrascht. Was...?! Er hatte gegen ein Abbild Soras gekämpft?! Aber wo war-
 

Das stumpfe Ende des Schlüsselschwertes erwischte ihn an der Schläfe. Der Schwung des Aufschlags riss Demyx von den Füßen und schleuderte ihn quer über den Platz. Er kam unglücklich auf seinem Rücken auf, und die Härte des Aufschlages ließ ihn für einen Augenblick Sterne sehen.
 

Keuchend und stöhnend rappelte er sich wieder auf. Ein metallener Geschmack füllte seinen Mund aus, und Demyx verzog angewidert das Gesicht. Er spuckte Blut.
 

Er schaffte es erneut, Soras Angriff auszuweichen, doch sein Rücken protestierte schmerzhaft bei jeder Bewegung. Demyx hustete, seine Lungen fühlten sich an wie Feuer.
 

Erneut erschuf er eine Wand aus Wasser, die er auf Sora zurasen ließ. Doch sie war zu langsam, Sora hatte keine Schwierigkeiten, zu parieren. Auch Donald und Goofy hatten sich ihrer Gegner entledigt und machten Anstalten, ihrem Freund erneut zur Hilfe zu eilen.
 

Demyx wich zurück. Es sah nicht gut für ihn aus. Überhaupt nicht gut. Es mangelte ihm an Kampfesgeist, sein Gegner war zu stark, er war ganz eindeutig in der Unterzahl, und sein Körper schmerzte wie verrückt.
 

Mit großen Augen blickte er Sora entgegen, welcher unbeweglich dastand, das Schlüsselschwert bedrohlich auf ihn gerichtet.
 

„Gibst du etwa schon auf?“ fragte er spöttisch.
 

Zornestränen stiegen in Demyx Augen auf und vernebelten ihm die Sicht. Es war gemein, es war so gemein! Und zu allem Überfluss zitterten seine Hände wie Espenlaub und sein Pulsschlag pochte wie wild in seinem Kopf.
 

Eine eiskalte Hand legte sich um das herzähnliche Etwas in seiner Brust. Er hatte Angst. Eine Form der Angst, die er niemals zuvor gespürt hatte, und die ihm die Luft zum Atmen nahm. Todesangst. Doch noch gab Demyx sich nicht geschlagen.
 

Mit ungeschickten Fingern strich er über die Saiten seiner Sitar und stürzte sich wie blind auf seine Gegner. Wasserfontänen schossen an ihm vorüber und umschlangen schützend seinen Körper.
 

„Tanz Wasser, tanz!“ Oh wie er es hasste. Wie er sie alle hasste. Wie er sich wünschte, sie hassen zu können.
 

Eine Wasserwelle ergriff Goofy und schwemmte ihn fort. Wenn er sie doch hassen könnte! Wenn er doch aufhören könnte, sie zu beneiden!
 

Ein Wasserwirbel erfasste Donald und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Sein Zauberstab glitt ihm aus seinen Händen und blieb harmlos auf dem Boden liegen.
 

Ja, ja, JA! Immer schneller und schneller, solange er nur schnell genug kämpfte, konnte er seinen inneren Dämonen entkommen. Vielleicht konnte er ja zusammen mit seinen Feinden sein schlechtes Gewissen und all seine Selbstzweifel besiegen! Wenn er sich nur oft genug einredete, dass seine Seite die richtige war, würde es ihm bestimmt irgendwann gelingen, es zu glauben, und dann würde Axel ihn gern haben und alles würde besser werden und-
 

Soras Schlüsselschwert erfasste ihn frontal, und haltlos flog Demyx über den Platz.
 

Verdammt, er hatte nicht aufgepasst...
 

Hart wurde sein Körper gegen eine Felswand geschmettert, und alle Luft entwich seinen Lungen. Für einen Augenblick sah er rot.
 

Wie ein Stein fiel er zu Boden, und der wilde Schmerz, der seinen Körper durchzuckte, flimmerte in seinem Kopf wie ein gleißendes Licht.
 

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„Was machst du denn so den ganzen Tag lang?“

„... Nichts Besonderes. Ich vertreibe mir die Zeit...

Natürlich kämpfe ich auch ab und zu, wider Erwarten!“

„Tatsächlich? Du erstaunst mich, Demyx. Das sind ja ganz neue Seiten an dir.“

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Demyx blieb zusammen gekrümmt liegen, verzweifelt darum kämpfend, bei Bewusstsein zu bleiben. Das war jedoch leichter gesagt als getan. Die Ohnmacht lockte mit ihrer wohltuenden Leere, und Demyx war beinahe geneigt ihr nachzugeben, sich einfach fallen zu lassen...
 

Vergessen...
 

Sich selbst vergessen...
 

Einfach... aufhören zu existieren. Das war leicht...
 

So leicht...
 


 

> „Ich bin froh, dass wir uns so gut verstehen…“ <
 


 

Nein.
 

Demyx, nein.
 

Er konnte nicht einschlafen...
 

So verlockend der Gedanke auch war, er durfte es nicht tun...
 

Denn wenn er jetzt einschlief, würde er wahrscheinlich niemals wieder erwachen. Und das wollte er nicht. Oh Himmel nein... nein...
 

Alles nur das nicht...
 

Demyx wollte nicht sterben, er wollte es nicht. Er kämpfte verbissen gegen die Ohnmacht an und drängte sie aus seinem Bewusstsein zurück. Die Furcht vor seinem nahenden Tod gab ihm eine schier unermessliche Willenskraft.
 

Oh bitte... Bitte... Sie sollten ihn am Leben lassen, sie sollten ihn laufen lassen, er würde ihnen auch niemals wieder in die Quere kommen, er würde alles tun was sie von ihm verlangten...
 

Demyx war ein Feigling... Ja, ein Feigling wie er im Buche stand, doch es war ihm egal. Er stand dazu. Wenn er ein Feigling sein musste um zu überleben, dann wollte er für den Rest seines Lebens ein Feigling sein. Er wollte sie anflehen, ihn am Leben zu lassen, erbarmungswürdig würde er vor ihren Füßen kriechen, es machte ihm nichts aus...
 

Doch kein Wort entwich seinen Lippen. Alles was Demyx tun konnte war keuchen und würgen und husten und darum kämpfen, bei Bewusstsein zu bleiben.
 

Aus halb geöffneten Augen blickte er Sora entgegen, der mit erhobenem Schlüsselschwert langsam auf ihn zukam.
 

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TBC



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