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Nebel über Hogwarts

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Zwei Seiten

Nebel über Hogwarts – Kapitel 64: Zwei Seiten
 

Wie mit jedem Ereignis, dem man mit Zittern entgegensieht, waren auch die Prüfungen schneller da als vermutet, und jede Schülerin und jeder Schüler der Abschlussklassen wünschten sich nichts sehnlicher, als noch einen Tag, einen einzigen Tag, um weiter zu lernen und die klaffenden Wissenslücken, die sich in den letzten Stunden vor den Prüfungen offenbarten, noch schließen zu können.

Für James waren die Wochen auch wie im Flug vergangen, mehr noch, weil er nicht nur lernte, sondern daneben auch noch Zeit für – konnte er es wirklich sagen? – seine neue Freundin, Lily, frei hielt, und der Abend vor dem ersten Juni, an dem ihre erste theoretische Prüfung stattfinden sollte, war da, während er noch das Gefühl hatte, dass er noch Tage zum Lernen hatte. Remus war für ein letztes Treffen mit Florence irgendwo im Schloss verschwunden, Peter und Sirius saßen da und warfen sich einen magischen Ball zu, um sich von ihrer Prüfungsvorbereitung zu erholen, Emily tat so, als würde sie lesen, sah stattdessen aber den beiden Jungen zu, und er teilte sich mit Lily eines der roten Sofas im Gemeinschaftsraum, ihr Kopf auf seine Schulter gelegt.

„Bist du nervös?“

Sie lachte, ein Laut, der eigentlich genug Antwort auf seine Frage war. „Du nicht?“

„Nein... nachdem irgendjemand, der ungenannt bleiben soll, mich im ganzen letzten Monat dazu getrieben hat, mehr zu lernen als in den ganzen sieben Jahren davor, fühle ich mich rundum gut vorbereitet.“

Sie lachte erneut und schlug ihm leicht auf den Arm, doch nun, da die Geste nicht mehr böse, sondern verspielt gemeint war, hatte er damit kein Problem mehr. „Wer dieser schreckliche Sklaventreiber wohl sein könnte? Ich habe keine Ahnung.“

Ihr unschuldiger Blick und Schmollmund täuschten niemanden im Raum, am allerwenigsten ihn, doch anstatt sich auf eine weitere, scherzhafte Diskussion mit ihr einzulassen, zog er sie stattdessen näher und küsste sie. Mit Vergnügen hätte er auch den Rest des Abends so verbracht – und wenn Lilys Reaktion irgendein Maßstab war, dann sah sie das genauso – doch irgendwann drang dann doch Sirius' Räuspern und seine Stimme zurück in seine Gedanken.

„Krone?“

James wandte sich ein wenig ungehalten um. „Was?“

„Die Kleinen starren schon – und ich meine, irgendwo gelesen zu haben, dass die Schulsprecher Vorbilder sein sollen...“

Lily lachte. „Machst du da nicht den Bock zum Gärtner, Sirius?“

Sirius riss in einem Bild der Unschuld die Augen auf, was alle seine Freunde zum Lachen brachte. „Ich? Niemals.“

„Trotz der zweifelhaften Quelle der Idee denke ich, dass wir doch langsam ins Bett sollten – ausgeschlafen schreibt es sich doch viel besser“, entgegnete Lily schließlich, und James seufzte – aber sie hatte Recht, und ihre Vernunft war einer der Gründe, wieso er sie liebte.

Seinem Hundeblick gelang es trotzdem, ihr noch einen letzten Kuss zu entlocken und dann noch einen, bevor sie sich schließlich doch mit schwerem Herzen auf den Weg nach oben machten, um sich noch ein wenig Energie für eineinhalb Wochen der schriftlichen und mündlichen Prüfungen zu holen.

Im Nachhinein gesehen war es wohl eine gute Idee gewesen, dass Lily ihn dazu getrieben hatte, zu lernen, denn der UTZ übertraf alles, was er zuvor geschrieben hatte, selbst ihre ZAGs, bei weitem, in Anspruch und Umfang. Jedes Detail aus den vorhergehenden Jahren konnte wichtig werden, und obwohl er sich darauf vorbereitet hatte, hatte er doch in manchen seiner Prüfungen, vor allem Zaubertränken, das nie sein wirklich starkes Fach gewesen war und das er nur gewählt hatte, weil er Auror werden wollte, das Gefühl, irgendetwas übersehen zu haben... etwas wichtiges.

Die praktischen Prüfungen hingegen liefen besser, vor allem in Verteidigung gegen die Dunklen Künste, wo Professor Lovejoy sie in zahllosen Duellen darauf getrimmt hatte, in jeder Situation jeden Angriff abwehren zu können, und insgesamt hatte er, als er am neunten Juni schließlich aus seinem allerletzten praktischen Examen – Verwandlung – kam, das Gefühl, nicht allzu schlecht abgeschnitten zu haben. Zu seiner Erleichterung ging es allen seinen Freunden genauso, selbst Peter, um den sie alle sich ein wenig Sorgen gemacht hatten und der vor allem vor dem praktischen Teil sehr nervös gewesen war. Doch während die anderen sich jetzt erleichtert in den Gemeinschaftsraum werfen konnten und sich eine Flasche Feuerwhiskey teilten – die letzte aus Sirius' Vorrat – konnte er sich noch nicht so recht entspannen. Auf ihn wartete noch das letzte Quidditch-Spiel des Jahres, der lange erwartete Schlager Gryffindor gegen Slytherin am nächsten Tag, und dann hätte er frei, wäre fertig mit allem, das mit Schule zu tun hatte, bis sie schließlich mit dem Hogwarts-Express nach Hause fuhren.

Die Nervosität, die während ihrer Prüfungswochen zu seinem ständigen Begleiter geworden war, verließ ihn auch nicht, während alle seine Jahrgangskollegen gemeinsam mit den Schülern aus der fünften Klasse, die gerade ihr ZAGs gemacht hatten, ausgelassen feierten. Der nächste Tag würde hart werden, und auch ohne den mahnenden Blick von Claire, ihrem Quidditch-Kapitän, wäre er früh ins Bett gegangen – nun, zumindest dachte er das. Claires Blick war wirklich... auffordernd gewesen. Mit dem Kopf in den Kissen lauschte er auf die entfernten Geräusche aus dem Gemeinschaftsraum, hörte ab und zu eine Stimme aus dem Gewirr der anderen aufsteigen, und seufzte auf – er würde Hogwarts vermissen, das wusste er jetzt schon, auch wenn er froh war, nicht mehr lernen zu müssen.

Der nächste Morgen war klar und versprach schon jetzt wundervolles Wetter und große Hitze, doch als er sich mit seiner Mannschaft auf den Weg hinunter zum Quidditch-Stadion machte, spürte er davon nichts, im Gegenteil – das Gras war noch feucht unter seinen Stiefeln. Nachdem sie sich in der Kabine umgezogen hatten und langsam hörten, wie sich die Ränge über ihnen füllten, stand Claire schließlich auf und nickte jedem von ihnen zu. „Ein schöner Tag für ein schönes Spiel, Leute – ihr alle wisst, was auf dem Programm steht. Ich will einen Sieg sehen, sonst können wir uns die Meisterschaft abschminken. Slytherin liegt nach Punkten vorne, aber alles, was wir brauchen, sind achtzig Punkte Vorsprung, dann ist das Ding geschaukelt. Falls du, Potter, also mal wieder Mist baust, ist das auch nicht so tragisch – aber Andrew, von dir brauchen wir einen Fang wie beim letzten Mal... und dann haben wir den Pokal schon in der Tasche. Klingt einfach, und ist es auch.“

James nickte – außer ihnen und Slytherin war niemand mehr im Rennen, nachdem die Ravenclaws überraschend von Hufflepuff vom Platz gefegt wurden, und er griff den Stil seines Besens fester – dies war sein letztes Jahr, und wenn er Gryffindor schon die Chance auf den Hauspokal vermiest hatte, indem er im April mit seinen Freunden erwischt worden war, die Quidditch-Trophäe wollte er in den Händen halten.

„Okay, Leute – seid ihr bereit?“

Nachdem von ihnen allen ein Nicken gefolgt war, wenn auch das von Andrew, ihrem Sucher, ein wenig zögerlich wirkte, machten sie sich auf den Weg hinaus auf den Platz, wo sie vom ohrenbetäubenden Geschrei der anderen Schüler empfangen wurden, von denen die allermeisten auf ihrer Seite standen. Slytherin würde mit astronomischem Vorsprung den Hauspokal gewinnen, und die Genugtuung von zwei Pokalen in einem Jahr wollten auch die Hufflepuffs und Ravenclaws den Schlangen nicht gönnen.

Claire schüttelte die Hand des Kapitäns von Slytherin, sie bestiegen ihre Besen, und auf den Klang der Pfeife hin stiegen sie alle hoch in die Luft, machten sich auf die Jagd nach dem Quaffel. Emily schien dieselbe Motivation zu spüren wie er, geboren aus der Erleichterung, dass sie ihre Prüfungen hinter sich hatten, und hängte sich sofort an den Schweif eines der Slytherin-Jäger, was den Jungen so ablenkte, dass er seinen Quaffel fallen ließ – in James' wartende Hände.

Der Weg zu den Torringen gestaltete sich als schwieriger als gedacht, mit vier Gestalten in grün, die ihm die Flugbahn versperrten, aber es gelang ihm, freie Sicht auf den rechten Torring zu bekommen, nur um einen Klatscher am Arm zu spüren. Er fluchte, aber das half nichts – der Quaffel war hinuntergefallen und Slytherin nun in Ballbesitz.

Doch auch die Offensive ihrer Gegner war so kurzlebig wie die der Gryffindors, ein voreiliger Torschuss beförderte den Quaffel sicher in die Hände von John Holcomb, ihrem Hüter, der ihn mit einem langen Pass nach vorne zur dritten Jägerin im Team, Michelle Sanders, brachte. Das Manöver überraschte die Slytherins, die sich, auch nach der ersten Aktion des Spiels, mehr auf James und Emily konzentriert hatten, und erlaubte Gryffindor, mit einem sauberen Schuss durch den linken Ring in Führung zu gehen.

Die nächsten beiden Tore folgten ebenso schnell, geschossen von Emily, während die Slytherins noch versuchten, den Schock des schnellen Rückstandes zu verdauen, doch dann wurde ihr Spiel härter und brutaler, um das unerwartete Können der Gryffindors auszugleichen. Sowohl Michelle als auch Emily waren eher auf Wendigkeit und Tempo ausgelegt als auf rohe Kraft, und nun, da die Slytherins sich weniger auf ihr eigenes fliegerisches Können verließen als auf ihren Körperbau und sie damit behinderten, wurde die Effizienz ihrer Manöver extrem eingeschränkt.

James war der einzige Jäger, der noch einigermaßen frei fliegen konnte – auch, weil der erste Versuch, ihn aus seiner Flugbahn zu drängen, dazu geführt hatte, dass der Slytherin einen wenig eleganten Salto in der Luft drehen musste – aber auch er konnte nur wenig ausrichten ohne seine Partnerinnen. Claire und ihr Treiberkollege machten gewohnt gute Arbeit und verhinderten viele gegnerische Torchancen, aber es stand nun bereits vierzig zu dreißig, und wenn das Spiel so weiterging, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis Slytherin in Führung ging.

Er fluchte unterdrückt, während er sich erneut in eine Kurve legte, einen Slytherin auf seiner Innenseite dicht auf den Fersen. Jetzt hing alles den Suchern, und auch wenn Andrew gut war, der Slytherin hatte ihm dann doch Jahre an Flug- und Quidditcherfahrung voraus... auch wenn es James schwer fiel, das über Regulus Black zu sagen.

Der schrille Pfiff von Madame Hoochs Pfeife ließ ihn und seinen Verfolger inne halten, ein besonders dreistes Foul an Michelle, die sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Arm hielt, hatte die Schiedsrichterin nun doch zum Eingreifen bewegt, und sie sprach Gryffindor einen Strafstoß zu. Nach einem kurzen Blick zu ihm und einem Nicken seinerseits machte sich Emily auf den Weg zu den Torringen der Slytherins, begierig, einen der wenigen unbehinderten Schüsse zu nutzen, und sie verwandelte souverän. Fünfzig zu dreißig.

Das Raunen der Menge erreichte ihn im Sturzflug, als er, Schulter an Schulter, mit einem Jäger der Slytherins um den Quaffel stritt, aber er unterdrückte seine Neugier und behielt seinen Kurs bei, bis er spürte, dass sein Gegner seine Seite verließ, wahrscheinlich, um den Kampf der Sucher zu verfolgen. Erst als er den Ball sicher in Händen hielt und sah, dass alle Slytherins nach oben starrten, wagte er es, ihrem Blick zu folgen, und ihm stockte der Atem. Andrew sauste in steilem Winkel nach unten, der Sucher der Slytherins, Regulus Black, nur Zentimeter hinter ihm am Schweif seines Besens, immer auf den Schnatz zu... sein Vorsprung wuchs mit jedem Meter... und der Slytherin streckte seine Hand aus und griff in die Zweige von Andrews Besen.

James hielt den Atem an, als sein Sucher das Gleichgewicht verlor und sein Besen ins Trudeln kam, aber es gab nichts, das er tun konnte – er war zu weit weg und Andrew zu nahe am Boden, als dass er ihn noch erreichen konnte, bevor er aufschlug. Der Junge traf den Grund des Stadions in einer Staubwolke, aufgewirbelt durch seinen schnellen Flug und den trockenen Boden, und James zuckte zusammen, als er das dumpfe Geräusch hörte. Abgelenkt wie er war hatte er dem plötzlichen Angriff des Slytherin-Jägers, der sich wieder auf seine eigentliche Aufgabe besonnen hatte, nichts entgegen zu setzen, doch gerade als der Quaffel aus seinen Händen gerissen wurde, hörte er Madame Hoochs Pfeife schrillen, die das Spiel unterbrach.

Gemeinsam mit fünf anderen, besorgten Gryffindors landete er in der Nähe seines Teamkollegen, der sich – Merlin sei dank! – mittlerweile aufgerichtet hatte und sich ein wenig bedröppelt umsah. „Warum seht ihr mich alle so an?“, fragte er schließlich verwirrt, die Worte langsam und undeutlich. „Ich hab ihn doch.“

Erst da bemerkte James die kleinen, goldenen Flügelchen, die aus Andrews geschlossener Faust herausragten und matt gegen seine Finger schlugen – und einen Moment später begriff er, was das bedeutete. Sie hatten gewonnen. Gewonnen! Nicht nur das Spiel, sondern den ganzen verdammten Pokal!

Claires erstickter Schrei und die Art, wie sie sich an den Hals fasste, war die letzte Bestätigung, die er brauchte, und während sie sich alle auf dem Spielfeld in den Armen lagen, drangen die Neuigkeiten auch langsam hoch auf die Tribünen, zu den wartenden Gryffindors, während der Stadionsprecher das Ergebnis verkündete, bis seine Stimme heiser wurde. „Zweihundert zu dreißig. Gryffindor hat den Pokal! Gryffindor! GRYFFINDOR!“
 

Die Party im Gemeinschaftsraum der Gryffindors an diesem Abend übertraf die vom Vortag in Ausgelassenheit, Länge und Anzahl der Teilnehmer bei weitem, und diesmal stand das Quidditch-Team im Zentrum der Aufmerksamkeit. Jeder Spielzug wurde nachvollzogen und besprochen, jeder Spieler gelobt, der Pokal herumgereicht und geküsst (Claire ging sogar so weit, zu erklären, dass sie ihn mit ins Bett nehmen würde, was Gelächter bei allen Umstehenden hervorrief), und schließlich wandte sich die Diskussion der Frage zu, ob Gryffindor jemals wieder ein so ausgezeichnetes Team haben würde und wer James und Emily im nächsten Jahr ersetzen könnte.

Obwohl James es genoss, wieder einmal im Zentrum aller Aufmerksamkeit zu stehen – und das nicht, wie im April, auf eine negative Art und Weise – nutzte er doch gegen Mitternacht, als die meisten der jüngeren Schüler sich langsam auf in ihre Schlafsäle machten, die Gelegenheit, sich ebenfalls davonzustehlen. So viel war passiert in den letzten Monaten, dass er jetzt, wo er schließlich die Muße dazu hatte, weniger Lust auf Party hatte als auf einen ruhigen Moment oder zwei, um einmal darüber nachzudenken und die Trauer, die ihn während des Abends plötzlich wieder erfasst hatte, aus seinem Kopf zu verbannen.

Langsam erklomm er die Stufen zu seinem Schlafsaal und trat ein, öffnete dann das Fenster, um über die ruhigen, nächtlichen Ländereien hinauszustarren. Er hatte seinen Abschluss in der Tasche, hatte den Quidditch-Pokal gewonnen und war mit Lily zusammen, dem Mädchen, das er schon seit dem ersten Tag, als er sie im Hogwarts-Express gesehen hatte, vergötterte. Alles könnte so perfekt sein... wenn sich nicht ein größenwahnsinniger Irrer dazu entschlossen hätte, seine Eltern kaltblütig zu töten, nur weil sie ihre Nachbarn beschützen wollten. James biss die Zähne zusammen. Wie sehr wünschte er sich Rache... aber sein Verstand schritt schnell ein, bevor er diesen Gedanken weiterführen wollte. Ein junger Mann, gerade mit der Schule fertig, sollte den größten dunklen Magier aller Zeiten besiegen sollen? Unmöglich. Er würde sich nur selbst umbringen – und seine Freunde und Lily alleine zurücklassen. Das konnte er nicht... und das wollte er nicht.

Eine Bewegung unten auf den Ländereien, am Rande des Verbotenen Waldes, erregte seine Aufmerksamkeit, und er kniff die Augen zusammen und spähte in die Dunkelheit hinaus. In diesen Tagen des Krieges konnte jede Kleinigkeit gefährlich werden, das hatte er während des Todesesserangriffs auf Hogwarts begriffen, und so blickte er nun hinunter – aber er hatte keine Chance, zu erkennen, wer oder was sich dort unten bewegte. Er wusste nicht einmal, ob es sich um einen Menschen oder doch nur um eines der zahllosen Tiere des Waldes handelte!

Kurz überlegte er, doch dann beschloss er, dass das Risiko, den Eindringling aus den Augen zu verlieren, die Chance wert war, und drehte sich um, griff nach dem Zauberstab, der auf seinem Nachttisch lag. „Accio.

Die Karte des Rumtreibers bahnte sich ihren Weg durch die Bücher, Socken und Umhänge, unter denen er sie versteckt hatte, und flatterte in seine wartende Hand. „Ich schwöre feierlich, ein Tunichtgut zu sein.“

Tinte breitete sich auf dem Pergament aus wie ein Spinnennetz, während er sich wieder zum Fenster umwandte und einen kurzen Blick hinaus in die Nacht warf; der Schatten war noch immer da. „Na... wo versteckst du dich denn?“, murmelte er, während er die Karte absuchte, und schließlich stieß er einen kurzen Pfiff aus, als er den richtigen Namen am Rande des Verbotenen Waldes entdeckte. Severus Snape.

Langsam runzelte er die Stirn, während er die Karte wieder in ihr Versteck zurücklegte. Selbst im Taumel seiner Freude war er nicht blind – er wusste, dass Lily und Snape befreundet waren, oder zumindest gewesen waren... und er war sich sehr sicher, dass Lily am Tag nach ihrem ersten Kuss deswegen so aufgebracht gewesen war, weil sie sich mit ihm gestritten hatte. Snapes betonte Ablehnung ihrer Beziehung, die Art, wie sie sich manchmal über die Haustische hinweg anstarrten, die beißenden Kommentare in den wenigen Unterrichtsstunden, die sie gemeinsam hatten... alles sprach für einen endgültigen Bruch in ihrer Freundschaft, und James wusste nicht so recht, was er davon halten sollte.

So viele Jahre hatte sie dafür gekämpft, dass er ihren Freund besser behandelte, und jetzt, wo er sich endlich dazu durchgerungen hatte, hatte sie sich so sehr mit ihm gestritten, dass es nicht mehr wichtig war – nein, jetzt war sie es, die sich manchmal nicht mit ihren bissigen Kommentaren zurückhalten konnte. James konnte nur raten, was zwischen den beiden vorgefallen war, aber es musste wirklich übel gewesen sein, schlimmer als ihr Streit am Ende ihres fünften Jahres, um eine solche, plötzliche Wut auf beiden Seiten zu rechtfertigen. Und nachfragen... nein, fragen wollte er Lily nicht – und wenn er wirklich ehrlich zu sich selbst war, war er froh, dass sie nicht mehr befreundet waren. Es hätte nur zu merkwürdigen Situationen und Komplikationen geführt, dessen war er sich sicher.

„Hey.“ Die sanfte Stimme hätte er unter Tausenden erkannt, und seine düsteren Gedanken waren vergessen, als er Lily hinter sich in der Tür zu seinem Schlafsaal stehen sah.

„Hey.“

„Dachtest du wirklich, du könntest dich so einfach davonstehlen?“

Er grinste schelmisch und streckte die Arme aus. „Natürlich nicht.“

Ohne zu zögern trat sie zu ihm, schmiegte sich an seine Brust und er zog sie näher, drückte sie fest an sich, während er die Nase in ihrem roten Haar vergrub.

„Dir ist nicht nach feiern zumute, oder?“, fragte sie in den Stoff seiner Schuluniform hinein und er schüttelte den Kopf, eine Geste, die sie wahrscheinlich mehr spürte als sah.

„Deine Eltern?“

Zu nicken war einfacher als ihr von seiner Besorgnis wegen Severus Snape zu erzählen, also tat er das – und eigentlich war er auch wirklich hierher verschwunden, weil er über seine Mutter und seinen Vater nachdenken wollte. „Ich... ich weiß nicht. Ich bin mit der Schule fertig, ich habe alles, was ich wollte... und ich hab immer gedacht, sie würden da sein, wenn ich Hogwarts abschließe, würden stolz in King's Cross auf mich warten, mich in den Arm nehmen, vielleicht ein paar Tage auf Urlaub fahren... ich dachte, ich könnte noch ein paar Tage lang jung sein, bevor der Ernst des Lebens anfängt. Jetzt stehe ich hier, und alles ist vorbei, und irgendwie weiß ich nicht, wohin ich soll...“

Sie machte einen halben Schritt zurück und sah zu ihm auf, lächelnd. „Das hier ist doch nicht nur das Ende, James. Es ist doch auch ein neuer Anfang... und nicht nur der Anfang dieses verdammten Krieges... und ich bin sicher, deine Eltern wären stolz auf dich, auch wenn sie nicht da sind, um dir das zu sagen.“

Er seufzte, doch in diesem Moment konnte auch ihr offenes, frohes Gesicht ihn nicht ablenken. „Ich wünschte nur, ich könnte dich ihnen noch vorstellen... ihnen sagen, dass ich jemanden gefunden habe, den...“ Er hielt inne, schluckte die Tränen hinunter, die er in seinem Hals aufsteigen fühlte und die er nicht ausgerechnet vor ihr vergießen wollte, dann holte er Luft. „... den ich liebe.“

Nun war es an ihr, heftig zu blinzeln, bevor sie sich nach vorne in seine Arme stürzte. „Ich dich auch, James... ich dich auch.“



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