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Nebel über Hogwarts

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Vollmond

Nebel über Hogwarts – Kapitel 19: Vollmond
 

Lily Potter. Auf der Karte des Rumtreibers schien ihr Name im Mädchenschlafsaal fast zu leuchten, und James musste sich dazu zwingen, seine Augen von ihr loszureißen und sich wieder auf andere Bereiche der Karte zu konzentrieren. Remus war bereits auf dem Weg in den Krankenflügel, um von dort aus gemeinsam mit Madame Pomfrey in die Heulende Hütte zu gehen, und eigentlich war es jetzt höchste Zeit, die letzten Änderungen im Wachplan der Auroren auszuspähen und sich dann auf den Weg zu machen.

Trotzdem konnte James sich nicht so recht entschließen, endlich die Karte zusammenzurollen und aufzubrechen, seine Motivation, Unheil anzurichten, war in den letzten Tagen auf einen bedenklichen Tiefststand gefallen, der sogar Sirius bereits aufgefallen war. Die Geschichte mit Lily, Snape und dessen Liebesbrief war wie ein Lauffeuer durch die ganze Schule gegangen und hatte die Gerüchte über Remus' wütenden Auftritt im Gemeinschaftsraum verdrängt. Und James hatte – unweigerlich – einige der Auswirkungen abbekommen, denn wenn auch nur irgendeine unschuldige, zurückgezogene Erstklässlerin aus Hufflepuff nicht von seiner verzweifelten Liebe zu Lily Potter gehört hatte, dann hatte er sie noch nicht gefunden.

In den verschiedenen Varianten der Gerüchte war er entweder rasend vor Eifersucht und wollte Schniefelus so schnell wie möglich zum Duell stellen (was auch stimmte!), oder Lily betrog ihn mit Snape, oder er hatte einer Dreierbeziehung zugestimmt, oder... die Möglichkeiten nahmen kein Ende, und das Gekicher und Getuschel auf den Gängen machten ihn fast wahnsinnig. Er war es gewöhnt, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, doch diese Aufmerksamkeit mischte sich meistens nicht in sein Privatleben ein, sondern die Schüler tratschten nur darüber, wie toll denn sein letzter Streich gewesen war. Und sie hatten ihm nicht bei Lily geschadet.

Seit diesem Morgen und den ersten Gerüchten ging sie ihm noch mehr aus dem Weg als zuvor, zeigte sich auch kaum mehr im Gemeinschaftsraum, wenn er in der Nähe war, und selbst in den Stunden setzte sie sich meist ans entgegengesetzte Ende der Klasse und konzentrierte sich stur auf den Unterricht. Merkwürdigerweise schien ihr die Situation nicht so sehr zu schaffen zu machen wie ihm, aber sie war es ja auch nicht, die von allen ausgelacht wurde, weil sie es seit drei Jahren nicht schaffte, das Mädchen ihrer Träume rumzukriegen.

„Krone!“ Sirius' Stimme klang ungeduldig, als er die Vorhänge des Himmelbettes zur Seite riss und missmutig auf James hinunterstarrte. „Wenn du dich nicht beeilst, können wir ohnehin im Schlafsaal bleiben!“

James murmelte eine brummige Zustimmung und erhob sich schließlich, schwang die Beine auf den Boden und reichte die Karte des Rumtreibers an Sirius weiter.

„Wie siehts aus?“, fragte dieser und er zuckte nur mit den Schultern. „Wie immer. Sie sind auf Patrouille, aber wenn Peter sich verwandelt und wir uns unter dem Tarnumhang verstecken, sollten wir es bis zur Peitschenden Weide schaffen. Und den Wald kontrollieren sie ohnehin nicht – wir müssen es nur ungesehen hinein- und wieder hinausschaffen.“

„Nur“, schnaubte Peter und James wusste, er hatte Recht – mit einem wütenden Werwolf, der die letzten beiden Vollmonde über in einem Keller eingesperrt gewesen war, einem Hirsch und einem großen Hund in den Schutz der Bäume zu gelangen, ohne entdeckt zu werden, war keine einfache Aufgabe.

„Ein Kinderspiel für die besten Rumtreiber des Schlosses.“ Sirius klang von jedem Zweifel unberührt, selbst nach der Episode mit Professor Lovejoy in der Freitagsstunde Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Manchmal fragte James sich, woher sein Freund diesen scheinbar endlosen Vorrat an Selbstbewusstsein hatte, wo doch seine Familie und seine Erziehung ihn nicht mit einem Übermaß daran ausgestattet haben konnten, aber dann war er einfach wieder froh, dass sein Freund so war, wie er war.

„Dann sollten wir uns auf den Weg machen“, meinte er und fischte den Tarnumhang aus seinem Koffer, den er ganz unten unter einigen uralten Pullovern und Hosen verborgen hatte, die er ohnehin nie trug.

„Sag ich doch.“ Manchmal nervte es aber auch einfach nur, dass Sirius das letzte Wort haben musste.
 

Der Weg durch das Schloss hinunter bis in die Eingangshalle stellte sich überraschend problemlos dar, zwar durften sie sich nicht mehr auf den Gängen aufhalten, aber mit der Karte des Rumtreibers war es nicht schwierig, sich von herumstreunenden Professoren fernzuhalten. Die wirkliche Herausforderung begann erst, als sie die großen Tore des Schlosses so vorsichtig wie möglich öffneten und in die Dunkelheit der Ländereien hinaustraten.

Sirius hatte Peter in seiner Tasche versteckt, denn zu dritt hätten sie sich kaum unter dem Tarnumhang verbergen können, wie sie es in früheren Schuljahren getan hatten. Trotzdem war es schwierig, darauf zu achten, dass der Saum nicht über ihre Schuhe und Hosenbeine hinaufrutschte und gleichzeitig die Karte des Rumtreibers auf näherkommende Auroren zu überprüfen. Immerhin kannte James keinen ernstzunehmenden Jäger dunkler Magie, den ein einzelner, unmotiviert in der Landschaft stehender Fuß nicht misstrauisch gemacht hätte.

Das Rascheln des herbstlichen Windes verschluckte das Geräusch ihrer Schritte fast vollkommen und das war auch gut so, denn Sirius war während der Sommerferien noch ein gutes Stück gewachsen, weswegen sie sich mit der Eleganz eines betrunkenen Hippogreifes bewegten. „Autsch“, murmelte James, als sein Freund ihm wieder einmal auf den Fuß trat und sein Umhang an Sirius' Uhr hängen blieb. „Ich muss auf die Karte schauen!“

„Dann mach dich dünner, Krone“, entgegnete er und James schüttelte den Kopf. Den blassen Lichtstrahl seines Zauberstabes auf das Pergament zu richten war schwierig genug, und als er schließlich – nach einigen Kollisionen seiner Ellbogen mit Sirius' Rippen – einen Blick auf die feinen Tintenpunkte werfen konnte, erstarrte er.

„Auror zwischen den Gewächshäusern.“ Seine Stimme war kaum hörbar über dem Wind, der nun auffrischte, und Sirius presste sich an ihn, um den Tarnumhang so tief wie möglich nach unten fallen zu lassen. Sie wagten kaum zu atmen, während sie angestrengt in die Dunkelheit starrten, bis sie schließlich vermeinten, einen schwarzen Umriss zwischen den Schatten der niedrigen Gebäude zu sehen.

Fast konnte James spüren, wie sich die Sekunden in die Länge zogen und er auf jedes feine Ticken des Sekundenzeigers seiner Uhr ewig warten musste, doch dann bewegte sich der Auror und er sah, wie der kleine Punkt auf der Karte des Rumtreibers wieder hinter die Gewächshäuser huschte, auf den Weg, der hinab zum Verbotenen Wald führte.

„Uff“, machte James, ein Geräusch, das von einer erneuten Windböe fast verschluckt wurde, und sie schlichen weiter die Wiesen zur Peitschenden Weide hinab. Im Stillen fragte er sich, ob ihr gesamter Ausflug wohl so ablaufen würde, doch zu seiner Überraschung erreichten sie den Baum ohne Probleme. Seine wütenden Zweige knarzten und schlugen, als er die Nähe von Menschen bemerkte, doch Sirius hielt nur in ausreichendem Abstand an und bückte sich, um Peter nach unten zu lassen.

Die Ratte huschte durch die Dunkelheit davon, nach wenigen ihrer kleinen Trippelschritte bereits unsichtbar, bis schließlich die Zweige der mächtigen Weide erstarrten und sich nur noch leicht im Wind wiegten wie die jedes anderen Baumes. Nun wagten sich auch Sirius und James vor, duckten sich unter den tiefhängenden Ästen und bereits gelblich verfärbten Blättern hinweg, bis sie den aus der Ferne unsichtbaren Eingang des Tunnels erreichten. Sirius duckte sich unter dem Tarnumhang hervor und versteckte ihn und die Karte unter einem Stein am Fuße des Baumes, bevor er sich aufrichtete und streckte, froh, der Enge entkommen zu sein. Peter saß auf einer der Baumwurzeln, blickte aus seinen glänzend schwarzen Knopfaugen zu ihnen hoch, und James und Sirius tauschten einen Blick, bevor sie schließlich nickten.

Auch nach all den Jahren als Animagus fühlte sich die Verwandlung noch immer merkwürdig und irritierend an, wie sich sein Körper in die Länge streckte und kräftiger, muskulöser wurde, brachte ihn immer für einige Momente aus dem Konzept. Selbst als der große Hirsch den mächtigen Kopf schüttelte, um ein Gefühl für seine neuen Muskeln und Bewegungsabläufe zu bekommen, fühlte es sich fremd an, so als ob er sich selbst aus der Ferne beobachten würde.

Neben ihm schüttelte sich der große, bärengleiche Hund und nickte ihm zu, bevor er in dem engen Tunnel verschwand. James selbst war zu groß, um ihm bis zur Heulenden Hütte zu folgen, doch der Weg hatte keine Abzweigungen und anderen Öffnungen, also sollte es nicht zu schwierig sein, Remus in die richtige Richtung zu lenken.

Trotzdem konnte er dieses nagende Gefühl nicht unterdrücken, das in seinem Geist alle möglichen Unfälle und Katastrophen abspielte, die sich während der langen Minuten des Wartens in seiner Vorstellung festsetzten. Der Wolf könnte über Sirius herfallen, könnte ihnen am Ende des Tunnels entkommen und auf die Auroren losgehen, einige Schüler könnten verbotenerweise auf Wanderschaft sein...

Das Geräusch schwerer Pfoten auf felsigem Untergrund schreckte ihn auf und er nahm seine Position vor dem Tunnelausgang ein, das Geweih gesenkt, kurz bevor der große, graue Wolf hervortrat und seine Schnauze in die Luft streckte. Sirius war direkt hinter ihm, ließ ihn nicht aus den Augen, während er Witterung aufnahm, doch für den Moment schienen seine Jagdinstinkte befriedigt und er begnügte sich damit, ein markerschütterndes Heulen zum Mond zu schicken.

Für den Moment beruhigt knickte James seine langen Vorderbeine ein, bückte sich, und Peter sprang auf seinen Rücken und vergrub seine kleinen Pfoten in dem längeren Fell an seinem Halsansatz. Auch Sirius verließ nun vollständig den engen Tunnel, schob den Wolf ein wenig nach vorne, und dann jagten sie über die Ländereien los, in die Richtung des Verbotenen Waldes.

Erst als sie den Schatten der Peitschenden Weide verließen, in das silbrige Licht eintauchten, sah James, dass das graue Fell des Wolfes von roten Schlieren durchzogen war und dass an manchen Stellen ganze Haarbüschel fehlten. Er hatte gewusst, dass sie Remus nicht vor seiner Verwandlung erreichen konnten, dafür war der Mond heute viel zu früh aufgegangen, aber dass er seine Wut so früh gegen sich selbst richten würde, hatte er nicht gedacht. Vielleicht waren es die beiden Nächte gewesen, die er eingesperrt im Keller seines Elternhauses verbracht hatte, die ihn so viel wütender und unruhiger machten, aber das würden sie jetzt ändern.

James und Sirius hielten auf den Verbotenen Wald zu, und obwohl der Wolf einige Male innehielt und schnüffelte, vielleicht auf der Spur eines Auroren, erreichten sie das schützende Blätterdach ohne größeren Zwischenfall und James fühlte, wie die Erleichterung in ihm hochstieg. Trotz seiner und Sirius' großmäuliger, beruhigender Worte war er nervös gewesen, unruhig, was ihren nächtlichen Ausflug anging, zu viel konnte passieren, während Auroren über das Schlossgelände schwärmten.

Auch der große, schwarze Hund wirkte zufrieden und selbst der Wolf schien sich damit abgefunden zu haben, kleineres Wild zu jagen als einen Mitarbeiter des Ministeriums, denn er trottete auf einen Pfad zu, der in die Tiefen des Waldes führte.
 

Sie kehrten erst im Morgengrauen in ihren Schlafsaal zurück, müde, erschöpft und mit schmerzenden Muskeln, zerschlagen, mit Kratzern und Bisswunden übersät. Ob es die plötzliche Freiheit nach zwei Nächten des Eingesperrtseins gewesen war oder die Anwesenheit der Auroren, die er trotz der Gerüche des Waldes wahrgenommen hatte, der Wolf war in dieser Nacht unruhiger gewesen, unkontrollierbarer als je zuvor.

Mehrere Male hatten er und Sirius sich mit aller Kraft gegen ihn werfen müssen, Bisse, Tritte und Schläge austeilen, um ihn davon abzuhalten, auf die Ländereien zurückzukehren, und nun, im blassen Licht der Dämmerung, zahlten sie den Preis für ihren Einsatz.

Trotzdem konnte James nicht verhindern, dass ihn dieses merkwürdige, erschöpfte Hochgefühl durchflutete, das immer mit einer mit seinen Freunden durchwachten Nacht einherging, und Sirius und Peter schien es ihren leuchtenden Augen nach zu urteilen nicht anders zu gehen.

„Es ist ein Glück, dass wir alleine im Schlafsaal sind“, meinte Peter, der es sich am Fußende seines Bettes bequem gemacht hatte und seine weniger vom Glück begünstigten Gefährten beobachtete. Er war als einziger von ihnen unverletzt geblieben und beobachtete nun, wie Sirius seine Wunden mit Diptam verschloss und James die Löcher und Schrammen in seiner Schuluniform ausbesserte. „Stellt euch vor, jemand würde uns so sehen!“

Sirius lachte auf, ein Laut, der allerdings gleich darauf von einem schmerzvollen Zischen verschluckt wurde. „Oh ja... Wo wart ihr denn? - Ach, wir sind gerade mit einem Werwolf durch den Wald gelaufen! Und jetzt muss ich leider dein Gedächtnis verändern!

„Als ob du das kannst!“ James schnaubte und schloss die letzte Naht an seinem Umhang, bevor er sich zurück auf das Bett fallen ließ.

„Nein.“ Sirius grinste. „Aber du musst zugeben, alleine der Satz ist cool – fast schon Grund genug, um Vergissmich zu werden!“

Noch einmal lachte James auf, bevor er seinen Blick auf den Himmel seines Bettes richtete und einschlief, ohne dass er es wirklich bemerkte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  rikku1987
2014-01-30T08:26:22+00:00 30.01.2014 09:26
Schön, mal zu lesen, wie das mit den Verhandlungen hätte ablaufen können. Wieder ein schönes Kapitel.


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