Wasser - Kaffee - Termin - rot
☆¤*★*¤☆Nummer 1☆¤*★*¤☆
Es war jeden Morgen dasselbe.
Mit einer schnellen Tasse Kaffee in der einen und eine kalte Scheibe Toast in der anderen Hand, rannte ich durch die Wohnung.
Ich hasste diesen Stress am Morgen, wenn ich meinen lieben Ehemann gemütlich in der Küche sitzen hörte, wie er mit der Zeitung raschelte und noch dazu alles andere als in Eile war. Für ihn würde der Tag erst in knapp einer Stunde anfangen, wenn ich schon längst von einem Termin zum nächsten huschen musste.
Ich seufzte entnervt, als ich von meiner Frisierkommode die Fotomappe nahm, in der sich meine bisherigen Aufträge befanden. Ich spickte nur kurz hinein, doch für mehr blieb einfach keine Zeit.
Die Tasse ließ ich einfach an Ort und Stelle stehen und den Toast zermalmte ich in einer aufkommenden Hektik einfach zwischen den Zähnen und kaute den Rest herunter.
Mich noch kurz im Spiegel betrachtend, stürzte ich zur Garderobe und zog mir die recht bequemen schwarzen Stiefeletten mit den feinen Riemchen an.
Das rote Haar fiel mir dabei locker über die Schulter, auf welche mir schließlich ein Kuss auf die nackte Haut gedrückt wurde. Ich hätte kein Top anziehen sollen, schoss es mir durch den Kopf.
Ich zuckte kurz zusammen, nicht nur wegen der Tatsache, überrascht worden zu sein, sondern generell der Geste halber, die so untypisch geworden war, wie ein normaler Tag ohne Hektik und Stress.
Mein Kopf schnellte herum und somit blickte ich in das versucht liebevoll erscheinende Gesicht meines Mannes. „Du musst schon weg?“, raunte er mir zu, wodurch sich eine feine Gänsehaut auf meinen Armen ausbreitete. Mit einer nahezu zärtlichen Geste drückte ich mich etwas von ihm ab und richtete meine Haare. „Das sagte ich dir doch gestern schon“, erwiderte ich lässig, schnappte mir noch beim Sprechen meine Tasche und die Mappe und wandte mich zur Tür.
Ich sah aus den Augenwinkeln den enttäuschten Ausdruck in seinem Gesicht, doch er berührte mich nicht. Wie schon lange nicht mehr.
„Bis heute Abend“, sagte ich noch und war schließlich aus der Tür verschwunden.
Mit einem Taxi fuhr ich keine Viertelstunde später vor meiner Agentur vor.
Anscheinend war ich sogar noch pünktlich, weswegen ich dem Fahrer nur schnell ein paar Dollar in die Hand drückte und schließlich ausstieg.
Mein Agent würde mich wohl erst in fünf Minuten erwarten, genug Zeit noch, das Make-up zu prüfen und die Begegnung von vorhin zu verkraften. Würde ich es nicht besser wissen, hätte ich behauptet, Michael hätte getrunken, doch das war schwachsinnig. Also war es vielleicht doch der plötzliche Impuls, um eine kaputte Beziehung zu kämpfen.
Ich seufzte und betrat das verglaste Gebäude, durch welches bereits jetzt die ersten Sonnenstrahlen durch die hohen Fenster schienen.
„Mira, da bist du ja schon!“ Ich wandte meinen Blick Richtung Aufzug, aus dem gerade, beinahe schwebend, mein Agent auf mich zuflog. Ich konnte mir kein Grinsen verkneifen, als ich ihn freundschaftlich umarmte und ihn ansah. Er sah aus, wie frisch aus dem Ei gepellt, in einen, zu seiner Figur passendem, schwarzen Nadelstreifenanzug gekleidet, die Haare fein säuberlich gekämmt und doch kam die wilde, leidenschaftliche Seite dadurch besonders gut hervor. Ich mochte ihn und dieses Mögen ging schon beinahe darüber hinaus, was ich mittlerweile noch für meinen Mann übrig hatte.
Ich kehrte meine Gedanken zusammen und nickte schließlich auf die eben gestellte Frage.
„Der Verkehr war heute nicht ganz so furchtbar, was machen wir heute?“, erkundigte ich mich neugierig und sah mich unauffällig um, in der Hoffnung, schon vor seiner Antwort zu wissen, was mich heute erwartete.
Das Modelbusiness war aufregend, das hatte ich schon früh herausgefunden und besonders, wenn man bereits Mitte zwanzig war, brauchte man jeden Auftrag, den man kriegen konnte.
Mein Agent räusperte sich kurz und zog meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn, dabei leicht grinsend. „Also?“, hakte ich nach und erfuhr so schließlich – oder lediglich – dass der Van in ein paar Minuten hier sein würde.
Fasziniert beobachtete ich die Visagisten und die Stylisten, die Minuten später mit etlichen Kleidern, Anzügen, verschiedenen Kosmetikkoffern und sonstigem Schnickschnack bepackt, der Reihe nach aus dem Gebäude traten. Sie schienen beste Laune zu haben, wenn man das Stimmengewirr richtig deutete, das die Lobby erfüllte.
Ein Schmunzeln legte sich auf meine gepuderten Wangen, ehe ich mich bei meinem Nebenmann einhakte und mit ihm nach draußen ging.
„Joshua, wieso sagst du mir nicht, wo es heute hingeht?“
Ich merkte erst Sekunden später, dass meine Stimme einen trotzigen Ton angekommen hatte, doch den Angesprochenen schien das nicht zu stören. „Wart’s ab“, raunte er mir liebevoll ins Ohr, sodass sich meine Nackenhaare für den Bruchteil einer Sekunde aufstellten. Das aufkeimende Gefühl war atemberaubend und doch zu kurz, um es länger zu genießen, als wir schließlich in den bereits vorgefahrenen, beladenden Wagen stiegen.
Die Fahrt verlief schweigsam und als wir mitten in der Wildnis schließlich auf einen Waldweg fuhren, schwante mir nicht im leisesten, was das werden sollte.
Ich war es gewohnt, in edlen Umgebungen schöne Fotos zu machen und ich konnte mir bei Gott nicht vorstellen, hier irgendwo ein Fotostudio zu finden, das den normalen Bedingungen nachkam. Ich warf einen kurzen Blick zu Josh neben mir, doch der grinste nur wie ein Honigkuchenpferd, als er meinen Blick einfing.
Er schien sich zumindest seiner Sache sicher zu sein, was mich seufzen ließ.
Den nächsten Blick aus dem Fenster wiederholte ich ruckartig ein zweites Mal, denn das, was sich nun vor mir auftat, wischte alle Zweifel weg. Der See, der in der Sonne glitzerte, ließ meine Augen weiten und ohne ein Wort des Protestes, rollte der Van auf dem Kiesweg weiter und blieb schließlich stehen.
Schwungvoll öffnete ich die Wagentür und trat ins Freie, dabei dennoch darauf achtend, meine Schuhe nicht zu ruinieren. „Wunderschön“, brachte ich heraus und bemerkte augenblicklich die Anwesenheit meines Agenten, der neben mich getreten war.
„Das dachte ich mir, dass du so reagierst.“ Er schenkte mir ein sanftes Lächeln, was mein Herz kurz schneller schlagen ließ. „Ein Modekatalog hat dich für die nächste Bademode bei ihnen gebucht“, fügte er noch an und deutete dem anderen Wagen an, der gerade einfuhr, die Kleidung und das Make-up auszupacken. „Und heute Nachmittag haben wir noch einen Termin in der Stadt, aber bis dahin solltest du diesen hier genießen.“ Er grinste noch mal und wandte sich dann dem Team zu, das begonnen hatte, auszuladen.
Ich sah ihn noch eine Weile an, lächelte dabei unbewusst.
Er war jemand, den man einfach mögen musste, befand ich und trat dann näher ans Ufer des großen Sees. Das Wasser war klar und ich konnte sogar noch in Meter Entfernung auf den Boden sehen. Ein paar Fische schwammen umher und das erste Mal seit Tagen, in denen ich Stress und Streit ausgesetzt gewesen war, fühlte ich mich frei und unabhängig.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, mich für diesen Auftrag bei Josh bedanken zu müssen. Er schien wie ein offenes Buch in mir lesen zu können und trotz fehlendem Mitleid – das ich auch nicht haben wollte oder gar brauchte – oder Ausdruck der Hilfe, schien er genau zu wissen, was mich beschäftigte und besser – wie er mir beistehen konnte. Es wurde wohl Zeit, dass ich einen Schlussstrich unter alles zog, was mich belastete.
Ganz in meinem Element rekelte ich mich im Wasser umher, während das monotone Klicken der Kamera zu meinem Spielfeld wurde. Professionell brachte ich mich in Pose, den hellblauen Zweiteiler dabei so betonend, dass er einfach gekauft werden musste, wäre der Katalog erst einmal erschienen.
Das war das Gute an meinem Job, ich trug dazu bei, dass sich Menschen, ganz besonders Frauen, wohl fühlten, wenn sie ihren Kaufrausch auslebten. Und das war etwas, mit dem ich mich auskannte.
„Reicht!“, rief mir jemand zu, sodass ich mich seufzend auf die Knie setzte und mir das Wasser aus dem Gesicht wischte. Der leitende Fotograf gab mir ein Zeichen, das mir andeutete, dass er zufrieden mit meiner Arbeit war und mit einem Blick zu Josh wurde mir das noch einmal bestätigt.
Er stand lässig an einen Baum gelehnt, rauchte seine Zigarette, wie jedes Mal, wenn ich ihn sah, doch dieses Mal war es irgendwie anders. Ich wusste auch nicht, was heute mit mir los war, aber immer, wenn mein Blick ihn streifte, bekam ich Herzflattern. Dabei war mir das noch nie passiert. Vielleicht lag es auch an seinem warmen Lächeln, das er mir zuteil werden ließ.
Sekunden später erhob ich mich und trat aus dem Wasser. Ich hatte noch ein wenig was zu tun heute, sodass ich mich schnell in den nächsten Badeaufzug werfen musste.
Lachend legte ich den Kopf in den Nacken.
Der zweite Termin war mindestens genauso gut gewesen wie der erste, und meine Laune hatte sich im Laufe des Tages mehr und mehr gehoben.
Zusammen mit Josh saß ich im Taxi und grinste bis über beide Ohren, sodass ich meine Muskeln im Gesicht schon ganz genau spüren konnte. Ich hatte selten so viel Spaß an einem Tag gehabt und umso belebter fühlte ich mich – gar nicht dazu bereit, schon nach Hause zu fahren und den Abend mit einem Mann zu verbringen, den ich nicht mehr liebte.
Das war mir heute irgendwie klar geworden, denn immer, wenn ich lachte, musste ich überlegen, wann ich es das letzte Mal in Gegenwart von Michael getan hatte. Ich hatte keine Antwort gefunden und mittlerweile sollte es mir egal sein.
„Josh?“, fragte ich zögerlich an, nachdem mein Lachen verklungen war und ich mich ansatzweise wieder beruhigt hatte. Der Angesprochene wandte seinen Blick zu mir, auch in seinem Gesicht konnte man das Lachen nachhaltig sehen. Dieser Anblick beruhigte mich.
„Hm?“, war seine Reaktion auf die Frage, doch sie schien nicht so zu sein, dass ich zögern müsste, ihm zu antworten. „Gehen wir noch einen trinken? Ich möchte noch nicht nach Hause“, lächelte ich zuckersüß und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht, die sich gerade selbstständig gemacht hatte.
Ich sah das Zögern in seinen Augen, sodass ich dem direkt Einhalt bot. „Ich weiß, mein Mann“, erwiderte ich schließlich, schwieg dann für einen Moment. Vielleicht sah er meine Verzweiflung oder die Idee fand Anklang, ich konnte es nicht sagen, doch als er schließlich zustimmte, strahlte ich übers ganze Gesicht.
„Danke!“, grinste ich und drückte ihm spontan einen Kuss auf die Wange, was mein Herz wieder kurz aufflattern ließ. Was machte ich da?
Eine Wärme durchflutete mich, als er seine Arme um mich legte und an sich drückte. Meine Augen hatten sich geweitet, ohne, dass ich es mitbekommen hatte, doch ich wagte es nicht, mich von ihm zu lösen. Schweigend verharrte ich und schloss letzten Endes die Augen. Bei ihm fühlte ich mich am wohlsten, wenn ich mir ins Gedächtnis rief, wie es normalerweise war. Michael war schon lange niemand mehr für mich, der Ehering lag zu Hause in einer Schublade und außer dem Nachnamen verband mich nichts mehr mit ihm. Das wusste ich schon lange, aber dann kam Josh.
„Ich glaube, wir haben heute noch einen Termin“, hörte ich ihn sagen, sodass ich fragend eine Augenbraue hob. „Ach?“ Ich spürte das Grinsen förmlich. „Ja, bei einem Glas Champagner.“ Ich lächelte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er es gerade schaffte, mich von meinem Mann zu lösen. „Du bist der Boss.“