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In the Heart

~Daily-Challenge~
von

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Pause - mausgrau - Baum - Taschentuch

☆¤*★*¤☆Nummer 12☆¤*★*¤☆
 


 

Wie sie es doch hasste.

Jeden Tag musste sie diesen Weg gehen. Jeden Tag fiel ihr jeder Schritt schwerer und schwerer. Je näher sie diesem Ort, diesem Gebäude kam, desto mehr bekam sie das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen und am liebsten umdrehen zu wollen. Weg vom lauten Gelächter, wenn sie Mitschülern begegnete. Einfach weg vom Ärger, von der Trauer, vom Gefühl, alleine zu sein und sich ausgegrenzt zu fühlen.

Doch leider hatte sie keine andere Wahl …
 

Stell dich nicht so an, hatte ihre Mutter zu ihr gesagt, während sie ihr die Jacke glatt gestrichen hatte. Sei ein großes, selbstbewusstes Kind, das sich nicht klein kriegen lässt. Mit diesen Worten hatte sie ihr den beigfarbenen Schal um den Hals gewickelt und sie zur Haustür hinausbegleitet.

Natürlich, sie versuchte es doch. Aber das war nun mal nicht so leicht, wie es sich ihre Mutter vorstellte.
 

Seufzend ging Marina weiter, die behandschuhten Hände dabei in ihren Manteltaschen vergraben. Die etwas molligere, dafür recht kleine Schwarzhaarige mit der grünen Brille auf der Nase schob mit den Füßen etwas Schnee zur Seite. Die Wolken hingen tief über dem kleinen Dorf, in dem sie lebte und in dem ihre Schule stand. Ein Ausbruch aus dieser Welt war unmöglich und doch wünschte sich die Schülerin nichts anderes.

Einmal anders sein. Einmal kein Gelächter hinter ihrem Rücken hören. Einmal so sein, wie sie es sich wünschte, ohne Lästerei, ohne Angst und Traurigkeit.

Aber das konnte sie sich nicht leisten.

Trotzig reckte sie das Kinn und prompt fand ein mürrischer, aber auch verletzter Ausdruck in ihren Augen Platz. Sie würde es ihnen schon zeigen … Irgendwann würde sie sich von allen abheben und dann würde man sie für das bewundern, was sie war.

Vor sich hinträumend ging sie weiter.

Leiser Schnee rieselte auf sie hinab und bedeckte ihre schwarze Mähne mit einer weißen Glasur aus Puderschnee. Sie liebte den Winter über alles. In der Kälte konnte man einen freien Kopf bekommen und man vergaß für ein paar Minuten; Stunden, dass man in all dem Schneetreiben alleine war.
 

Die Schule erreichte Marina viel zu schnell und doch wie immer zu spät. Das Klingeln, welches zum Beginn der Stunde ertönte, ließ sie aus den Gedanken schrecken und wie vom Donner gerührt, eilte sie ins Gebäude, auf ihre Klasse zu.

Der Lehrer war noch nicht da, doch die ersten Sprüche fanden den Weg zu ihren kalten, rot angelaufenen Ohren. Wie immer versuchte sie, sie zu ignorieren, weswegen sie schweigend und mit leerem Blick auf ihren Platz zusteuerte. Heute befand sich kein blöder Scherz darauf und doch fühlte sie sich unwohl. Es kam ihr vor, als würde sie von allen angestarrt werden in diesem plötzlich viel zu engen Raum voller Leute, die sie nicht mochte. Oder die sie nicht mochten. Der Tag begann also wie immer. Verzweifelt darüber, ihren innerlichen Gefühlen keinen Ausdruck verleihen zu können und enttäuscht, dass niemand auch nur versuchte, die wahre Person in ihr zu sehen, übte sie sich daran, ihre Ohren vor beleidigenden Worten zu schützen und dem Unterricht zu folgen, der nach fünf endlos erscheinenden Minuten endlich anfangen konnte …
 

Als die erste große Pause begann, war der Himmel mausgrau und verhangen von dunklen Wolken. Der Schneefall war stärker geworden, sodass man schon fast von einem Schneesturm reden konnte. Dennoch machte sich Marina auf den Weg nach draußen.

Egal, wie sehr ihr die Zeit zwischen den Unterrichtsstunden schwer fiel, wenn sie in den Schnee gehen konnte, genoss sie die Zeit hier und sie konnte sich sicher sein, dass sie dann für andere Luft sein würde – was ihr wesentlich lieber war.

Schnell war ihr Haar nass und mehr weiß als schwarz. Lächelnd stand sie im Hof und sah anderen Kindern zu, wie sie sich mit Schneebällen bewarfen und laut schreiend und lachend umherliefen. Sie genossen die Zeit mit ihren Freunden, solange die Pause wahrte. Wieso konnte sie selbst das nicht haben?

Unglücklich verschränkte Marina die Arme vor der Brust und lehnte sich an einen Baum, der neben einem kleinen Unterdach stand.

Ihre Mutter hatte ihr gesagt, dass sie nicht immer so ein Gesicht machen sollte. Mit einem Lächeln auf den Lippen war das Leben viel leichter auszuhalten, aber was wusste sie denn schon? Sie bekam ja nicht mit, wie unglücklich die Schwarzhaarige war. Und Gehör konnte sie sich unter diesen Umständen auch nicht schaffen. Wahrscheinlich war sie einfach dazu verdammt, alleine zu sein. Damit konnte sie umgehen. Sie musste nur herausfinden, wie es am leichtesten war.
 

„Vorsicht!“ Die Stimme, die ihr anscheinend gerade eine Warnung aussprechen wollte, kam leider zu spät. Im nächsten Augenblick hatte Marina schon einen Schneeball im Gesicht. Ihre Brille, die ihr von der Nase rutschte, landete dabei im Schnee.

„Es tut mir Leid, hast du dir was getan?“

Wieder ertönte die Stimme, dieses Mal war sie näher. Doch Marinas schlechte Augen ließen ihr keine Möglichkeit, zu erspähen, wer sie denn da gerade abgeworfen hatte.

„Nein …“, murmelte sie deswegen und bückte sich in dem Versuch, ihre Brille wieder zu finden. Die Arbeit wurde ihr dabei jedoch abgenommen.

„Hier …“ Verlegen kratzte sich der Junge an der Wange und hielt der Schwarzhaarigen, die wieder aufgestanden war, die Brille hin. Dankend nahm sie sie an, doch stellte sie auch so fest, dass sie selbst mit dem besten Willen nicht mehr durch die nassen Gläser gucken konnte. „Hast du vielleicht …“ Sie beendete ihren Satz nicht, da hatte sie bereits ein Taschentuch vor der Nase.

Unweigerlich musste sie schmunzeln.

Die schüchterne Schülerin hatte bisher so gut wie keinen Kontakt mit Jungen gehabt und dass dieser hier sogar mitdachte und sie ohne Beendigung ihres Satzes verstand, überraschte und freute sie.

„Danke …“

Kurze Zeit später saß die saubere und wieder trockene Brille wieder auf der Nase des jungen Mädchens, das sich ihr Gegenüber nun mal etwas genauer ansah.

„Du bist doch aus meiner Parallelklasse … Joshua, oder?“, fragte sie nach und wunderte sich dabei über ihr sicheres Auftreten. Für gewöhnlich wäre sie jetzt rot angelaufen und redete nur noch Unsinn … Dieser etwas andere Umstand lag wohl noch am Schock, dass sie überhaupt von einem Jungen angesprochen worden war – wenn auch nicht ganz freiwillig.

Joshua nickte auf die Frage und grinste sie leicht an.

„Ich wollte dich nicht abwerfen … Marina?“ Als sie nickte, fuhr er fort, wenn auch etwas verlegender. „Dabei wollte ich dich mal auf die nettere Art und Weise ansprechen … Ich hab nämlich beobachtet, wie du immer von anderen nieder gemacht wirst. Aber die haben sowieso nichts im Kopf.“

Ihre Augen weiteten sich etwas. „Meinst … Meinst du das ernst?“ Wieso sollte er sich dafür interessieren, wie andere Leute über sie dachten?

Dennoch nickte er und ließ schließlich die Arme wieder hängen.

„’Türlich … Ich find dich übrigens nett.“ Er schmunzelte nun. „Kommst du mit? Wir wollen noch ein paar Schneebälle werfen, ehe wir von der Pausenaufsicht erwischt werden.“

Grinsend nahm er sich einfach ihre Hand und zog sie mit sich mit.

Marina, viel zu geschockt, als dass sie sich wehren oder etwas sagen konnte, ließ es geschehen. Und noch ehe sie sich versah, befand sie sich mitten im Kriegsgebiet von ein paar Jungen sowie Mädchen, die sich gegenseitig mit Schneebällen abwarfen.

Doch darauf achtete die Schwarzhaarige kaum, eher bedachte sie Joshua mit einem lächelnden Blick.

Dass er sie einfach so aufgenommen hatte, bedeutete ihr mehr als dass sie es in Worte fassen konnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Misses-Law
2014-04-15T21:39:28+00:00 15.04.2014 23:39
Von den ganzes One-Shots die du geschrieben hast, ist das die beste. Sie ist total süß und ich freu mich für Marina, dass sie jemand akzeptiert wie sie ist. Ein hoch auf die Menschen, die noch wert auf Charakter legen :)


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