Tag X: vormittags
Inuyasha wurde also am Donnerstag entführt, vergiftet und kämpft verzweifelt um sein Leben...
Werfen wir einen Blick am Freitag, dem Tag der Übernahme, auf die anderen Personen:
10. Tag X: Vormittag
Vor der Schule trafen sich drei besorgte Jugendliche.
„Ich habe Inuyasha nicht mehr sprechen können“, sagte Kagome: „Den ganzen Abend hieß es: der Teilnehmer ist nicht zu erreichen.“
„Ja ich auch nicht. Und er ist auch immer noch nicht hier, obwohl die Schule in fünf Minuten losgeht.“ Sango blickte sich suchend um.
„Vielleicht hat er heute freibekommen, wegen der Abstimmung. Und vielleicht ist sein Handy kaputtgegangen…“ Miroku versuchte zu beruhigen
„Das wäre aber mehr als eigenartig, oder?“ Kagome rieb sich die Arme, als es sie fröstelte: „Er war gestern nach der Schule so…so verwirrt.“
„ Hoffentlich ist er nicht einfach weggelaufen“, meinte Sango: „Um sich nicht entscheiden zu müssen.“
„Doch nicht Inuyasha!“ fauchte ihre Freundin unverzüglich.
„Wann ist der Termin für die Abstimmung? Um zwölf, oder?“ erkundigte sich Miroku: „Dann sehen wir zu, dass wir ihn noch finden.“
„Wir müssen jetzt doch zu diesen Kursen…“ wandte Kagome ein.
Sango schüttelte den Kopf: „Uns wird schon keiner vermissen. Komm, gehen wir zu ihm nach Hause. Vielleicht hat er nur eine Schlaftablette genommen und darum weder das Telefon noch den Wecker gehört…Womöglich ist alles ganz harmlos.“
Diese Hoffnung blieb ihnen, bis sie vor der Wohnungstür einen kleinen Flohgeist entdeckten.
„Herr Myouga?“ meinte Kagome.
Der fuhr herum: „Oh, ihr seid doch die Freunde von Inuyasha-sama...ich mache mir große Sorgen.“
„Wir auch. Er ist nicht zur Schule gekommen und geht seit gestern Nachmittag nicht mehr an sein Handy. Haben Sie schon geklingelt?“
„Nicht nur einmal. Er hat auch gestern nicht zurückgerufen, sagte mir Sesshoumaru-sama, obwohl er mehrfach versuchte, ihn zu erreichen.“
„Das wollte er nicht“, gab sie zu: „Da stand ich neben ihm. – Er hat sich gestern um fünf mit Naraku verabredet. Das weiß ich.“
„Mit Naraku? Der Firma?“ fragte der kleine Geist verständnislos.
„Äh, Nara Kumo. Wir nennen ihn nur Naraku.“
„Er hat sich mit Kumo verabredet – und wollte mit Sesshoumaru-sama nicht einmal reden? Au weia.“ Das Lebenswerk seines Herrn! Aber wo steckte dieser dumme Junge nur? „Ich…ich werde einmal an der Hauswand, auf diesem Vorsprung entlanggehen“, beschloss er heldenmütig: „Vielleicht liegt er im Bett.“ Nur für seinen armen, verstorbenen Herrn.
Miroku öffnete das Fenster: „Hier, bitte.“
Nur drei Minuten später war Myouga zurück, sichtlich schweißgebadet.
„War es so gefährlich?“ fragte Kagome daher.
„Ja, ja…Das Bett ist unberührt!“
„Ist er doch davongelaufen….“ Sango klang sachlich.
„Oder es ist alles ganz anders“, schlug Miroku vor: „Womöglich ist er gestern nach dem Gespräch mit Naraku doch noch zu Sesshoumaru gegangen. Und sie haben sich ausgesprochen.“
„Das wäre möglich…“ Myouga seufzte: „Machen wir es so, Kinder. Ich gehe zum Taishou-Konzern und werde wohl oder übel mit Sesshoumaru-sama reden müssen. Wenn Inuyasha-sama ebenfalls dort ist…äh, kann ich eine Handynummer von euch haben?“
„Ja, meine.“ Kagome zog ihres schon aus der Tasche: „Ja, das ist gut. Dann wäre ich sehr beruhigt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er weggelaufen ist. Nicht Inuyasha, gleich, wie verwirrt er im Moment auch ist. Ich...ich rufe mal in den Krankenhäusern an. Vielleicht hatte er einen Unfall….“ Ihre Stimme zitterte.
„Rufe Herrn Shiai an, den vom Jugendamt. Wenn Inuyasha etwas zugestoßen ist, müsste er es doch wissen, “ schlug Sango vor.
Myouga hatte sich die Nummer notiert: „Ja, wenn ihr etwas wisst, sagt ihr mir Bescheid, ja? Oh, ich mache mir solche Sorgen….“ Er sprang weg.
Miroku hatte überlegt: „Denken wir mal ruhig nach. Wenn Herr Shiai nichts weiß und Inuyasha auch nicht bei seinem Halbbruder ist, sollten wir einen Plan B haben.“
„Ich rufe gleich an…“ Kagome telefonierte bereits mit der Auskunft.
Nur wenige Minuten später war klar, dass auch Herr Shiai nichts gehört hatte – und nun ebenfalls besorgt war. Er versprach, die Krankenhäuser abzutelefonieren.
Sango nickte etwas: „Dann wäre unser Hauptverdächtiger Naraku, denn das ist der letzte Platz von dem wir wissen, dass unser Freund hingegangen ist. Wenn wir nicht annehmen wollen, dass Inuyasha einfach weggelaufen ist, um sich nicht entscheiden zu müssen.“
„Naraku? Aber wieso…“ Kagome erstarrte: „Inuyasha wäre ehrlich genug, es ihm zu sagen, wenn er gegen ihn stimmen will.“
„Es reicht, wenn er um zwölf bei der Abstimmung nicht da ist, meinte der Abt.“ Miroku verschränkte die Arme: „Ja, auch in diesem Fall hätte Naraku gewonnen. Ein guter Grund, ihn irgendwo einzusperren. Aber wo?“
„Ich werde meinen Vater informieren. Wahrscheinlich kann man auf Grund solch vager Ideen nicht gerade Naraku Enterprises oder die Wohnung durchsuchen, aber womöglich hat er eine Idee…“
„Er wäre doch dumm, ihn bei sich zu haben. Ich meine, Inuyasha könnte doch nachher erzählen, wo er war, die Abstimmung anfechten…“ Kagome brach ab.
„Es gibt unglücklicherweise eine recht einfache Methode, dafür zu sorgen, dass er nicht reden kann.“ Sango dachte nach: „Also, ich telefoniere mit Vater. Miroku, du gehst ins Kloster zu deinem Computerfreund. Er hatte uns doch alle möglichen Geschäftsbeziehungen von Naraku ausgedruckt. Womöglich findet sich da ein Haus oder so, das ihm gehört, aber nicht so offensichtlich, wie es seine Privatwohnung wäre. Ein Ferienhaus oder so etwas.“ Das war mehr als vage, aber es lag ihr nicht, nichts zu tun.
Sesshoumaru stand am Fenster und blickte hinaus. Seine Haltung war ebenso ruhig wie seine Miene, obwohl in ihm ein Sturm an Gefühlen tobte. Inuyasha hatte nicht auf seine, sich mühsam abgerungene, Bitte zurückgerufen, ja, laut Myouga und Bokuseno wirkte er verbittert. Und er konnte sich vorstellen, wie der Bastard abstimmen würde, wenn er käme. Ja. Das war das nächste. Noch immer war er nicht eingetroffen, obwohl es schon elf Uhr war. Natürlich war die Abstimmung erst um zwölf, aber….
„Sesshoumaru-sama…“ Jakens Stimme ließ ihn sich nicht umdrehen. Er hatte sich doch jedwede Störung, gleich ob telefonisch oder direkt verbeten: „Jemand will Sie dringend sprechen…“
„Inu…“ Er wandte sich um – und brach ab, als er Myouga hereinkommen sah. Was war geschehen? „Was ist mit Inuyasha?“
„Das frage ich Sie!“ gab der kleine Flohgeist zurück, obwohl ihm bei dieser Bemerkung der Schweiß ausbrach. Also war der Junge auch nicht hier….
Sesshoumaru musterte ihn: „Was soll das heißen? Ist der Bastard verschwunden? Vor seiner Verantwortung davongelaufen?“
Myouga sah den Konzernleiter an: „Woher soll ich wissen, dass Sie nichts mit Inuyasha-samas Verschwinden zu tun haben?“
Sesshoumaru wollte dem idiotischen Flohgeist am liebsten den Hals umdrehen, sagte aber nur: „Denk mal nach. Ist er nicht da, gelten seine Anteile als Stimmenthaltung. Damit sinken meine Chancen, den Konzern zu erhalten. Wäre er da, bestünden immerhin doch die Möglichkeit, dass er nicht zu Naraku Enterprises hält.“
„Das mag stimmen, aber nach all dem, was damals passiert ist…“
„Was ist damals passiert?“
Myouga fand sich plötzlich zwischen scharfen Krallen wieder, ohne dass er überhaupt gesehen hätte, dass sich Sesshoumaru bewegt hatte: „Ich meine….“ brachte er hervor: „ Beim Tod Ihres verehrten Vaters…“
„Als du und Izayoi verschwunden seid. Nun gut. Was ist da passiert? – Es war kein Unfall?“ Das klang nach - und war - eine plötzliche Erkenntnis.
„Nein, haben Sie das je geglaubt?“
„Was war es dann? Myouga, du Narr.“
Der Flohgeist seufzte: „Sie scheinen es wirklich nicht zu wissen. Nun gut. Vielleicht haben wir uns damals auch getäuscht….“
Sesshoumarus Blick wurde eisig: „Habt ihr etwa geglaubt, ich hätte etwas mit dem Tod meines verehrten Vaters zu tun? Wie kamt ihr denn auf diese verrückte Idee? Erzähle jetzt endlich. Ich habe noch eine knappe Stunde, dann muss ich hinüber gehen und mich Nara Kumo stellen. Und wenn Inuyasha nicht kommt und für mich stimmt, bin ich diese Firma los. Meine Laune ist daher nicht die beste.“
„Ja, ich weiß, Sesshoumaru-sama. Ich erzähle ja….“ Myouga hatte beschlossen, dass es so oder so riskant für ihn war. Aber noch wurde er so fest gehalten: „An dem Tag…ja, wir fuhren hinaus zu dem Wochenendhaus. Der Herr fuhr selbst, wie eigentlich immer, wenn er frei hatte. Wie Sie sich vielleicht erinnern, führte die Strecke ein Stück durch die Berge. Es ist eine schmale Strasse, und auf der einen Seite geht es steil bergauf, auf der anderen ebenso hinunter. Auf einmal tauchte vor uns ein Auto auf, das extrem langsam fuhr. Der Herr wartete einen Moment, ehe er auf dieser langen, geraden Strecke überholte. Ja, und da passierte es. Der Fahrer des überholten Autos riss es auf einmal nach links, auf uns zu, um uns…also, den Herrn in den Abgrund zu drängen.“
Sesshoumaru verengte die Augen: „Ein Attentat? Aber…davon hörte ich nie…“
„Der Herr war ein sehr guter Fahrer und reagierte sofort, steuerte gegen. Ich…ich saß ja auf dem Beifahrersitz. Es war schrecklich, beide drückten die Wagen aneinander, das war ein Quietschen und…“ Myouga schauderte.
„Aber Vater konnte sich befreien?“
„Ja, nach einer Weile. Dazwischen meinte er zu mir: Myouga, hör zu: wenn das hier schief geht, sag der Polizei, es war Ryoukottusei.“
„Der andere Fahrer?“
„Ja. Später entdeckte ich, dass er ein Berufsmörder war. Jemand hatte ihn wohl angestellt, um den Herrn zu ermorden. Ich...ich weiß nicht, was genau dann geschah. Unser Auto kam ins schleudern, das andere auch. Und dann stürzte der andere in den Abgrund und wir schlugen gegen die Felswand. – Der Herr war verletzt, er hatte Prellungen und sich den Arm gebrochen, auch einige andere Dinge. Aber er meinte nur, das würde schon heilen. Ja, und dann erstarrte er. Das Haus, sagte er nur und verwandelte sich. Das hatte ich seit langen Jahren nicht mehr gesehen. Ich konnte mich gerade noch an seinem Fell festhalten, als er losrannte.“
„Er hatte gewittert, dass das Haus brannte.“
„Ja, Sesshoumaru-sama. Als wir ankamen, war der gesamte Nebentrakt schon eingeäschert, das Haupthaus brannte auch. Der Herr verwandelte sich zurück und lief hinein, schrie immer wieder nach Izayoi-sama.“
Sesshoumaru gab den kleinen Flohgeist frei: „Aber, Moment mal. Du sagst, nur Vater und du waren in dem Auto?“
„Ja.“
„Und der Leibwächter?“
„Das war es ja, Sesshoumaru-sama. Als wir in das Wohnzimmer kamen, fanden wir Izaoi-sama und Takemaru. Sie...sie wehrte sich mit einem Stuhl gegen ihn. Er hatte ein Schwert. Als sie den Herrn sah, schrie sie, dass Takemaru sie töten wollte. Er hatte auch das Haus in Brand gesteckt. Der Herr nahm ein Schwert von der Wand, Sie wissen schon, das alte Familienschwert, das dort hing. Takemaru war anscheinend völlig verrückt geworden. Er meinte, dann würde er eben das Monster zuerst töten, sich rächen. Es war schrecklich. Alles um uns brannte schon. Der Herr schrie mir zu, ich solle Izayoi-sama hinausbringen und auf sie aufpassen. – Das tat ich.“
„Bis sie starb. Ich verstehe. Das war der letzte Befehl, den du von meinem verehrten Vater bekamst.“
„Ja.“ Myouga seufzte: „Ich brachte sie erst einmal zu einem Freund von mir. Als wir dann erfuhren, dass der Herr…dass der Herr tot war, brach sie zusammen. Ich glaube, in diesem Moment brach ihr Herz. Aber sie erzählte, dass Takemaru zu ihr gesagt hatte, er habe den Auftrag bekommen, sie zu töten.“
„Und daraufhin habt ihr euch beide versteckt. Ihr Narren habt tatsächlich angenommen, dass ich meinen eigenen Vater töten wollte?“
„Es ging mehr um Izayoi-sama. Ich hätte nie angenommen, dass Sie dem Herrn etwas antun wollten. Ich...ich dachte, dass mit Ryoukottsusei sei Zufall. Aber Izayoi-sama war ja schwanger und entweder Sie oder Ihre Frau Mutter….“
Sesshoumaru hob die Hand. Jetzt verstand er. Darum hatte sich Izayoi versteckt, nie Geld oder das Erbteil eingefordert. Sie hatte angenommen, damit ihren Sohn und sich zu schützen, das Leben zu retten. Aber: wer war tatsächlich der Auftraggeber gewesen? Wer hatte den Leibwächter dazu gebracht, seinen Vater zu töten, dessen Geliebte töten zu wollen? Wer hatte einen Berufsmörder auf Vater gehetzt? Denn zwei unabhängig voneinander ablaufende Mordkomplotte an einem Tag waren eindeutig zuviel, egal, was sich dieser törichte Flohgeist gedacht hatte. „Etwas anderes ist nun wichtig. Ich muss mich jetzt Nara Kumo stellen, gleich, ob Inuyasha nun noch kommt oder nicht.“
„Ich bin mir im Klaren darüber, was es für diese Firma bedeutet, wenn er nicht kommt. Aber auch seine Freunde haben nicht angerufen, ihn also nicht gefunden.“
„Menschen.“
„In der Tat. Aber sie sind seine Freunde.“
Sesshoumaru beschloss, nicht darauf zu antworten. Das war jetzt wirklich sein geringstes Problem, mit wem dieser Bastard herumhing. Ohne weiteres Wort ging er zu seinem Schreibtisch und nahm die Unterlagen, die Stimmvollmachten, die ihm gesandt worden waren. Aber er war eigentlich sicher, dass es nicht reichen würde. Naraku Enterprises würde Vaters Konzern übernehmen. Und er hatte jämmerlich versagt. Er würde noch mit aller ihm zu Gebote stehenden Würde handeln. Danach blieb ihm nur noch eine Möglichkeit, immerhin seine Ehre zu retten, ein ritueller Selbstmord. Dann könnte er Vater in der anderen Welt wenigstens gegenübertreten.
Myouga beobachtete ihn Er kannte den Hundedämon seit dessen Geburt und ihm war klar, dass dieser davon ausging, die Firma nicht mehr retten zu können. Aber sein Gesicht war ruhig und sein Gang elegant wie je, als er zur Tür schritt. Und der Flohgeist wusste, dass sich Sesshoumaru in diesem Moment wie der Verurteilte auf dem Henkerskarren fühlen musste: es gab nichts mehr, auf das er sich stützen konnte, außer dem eigenen Stolz.
Nara Kumo wartete bereits in dem Besprechungszimmer, in das er gebeten worden war. Wohlweislich hatte er nichts von den bereitstehenden Getränken genommen, zu klug, um die Fehler seiner Gegner zu wiederholen. Vor ihm auf dem Tisch lag eine Dokumentenmappe. Höflich erhob er sich, als Sesshoumaru das Zimmer betrat.
„Einen wunderschönen guten Tag, mein lieber Herr Taishou.“
„Wie ich sehe, sind Sie guter Laune, Herr Kumo. So sicher, zu gewinnen?“ Der Hundedämon legte seine Unterlagen auf die entgegengesetzte Seite des Tisches.
„Aber natürlich. Ich gewinne immer, das hätten Sie bedenken sollen. Nun, es ist halb zwölf. Wir können den Übernahmevertrag auch gleich unterschreiben.“
Sesshoumaru stutzte unmerklich. Hatte dieser dumme Bastard etwa eine Vollmacht für Naraku Enterprises abgegeben? Irgendwie hatte er doch noch gehofft, dass sich Inuyasha nicht von seiner Abneigung gegen ihn leiten lassen würde. „Was denken Sie denn, wie viele Stimmen Sie haben?“
„Genug. – Und es sieht nicht so aus, als ob der gute Inuyasha uns noch Gesellschaft leisten wird, nicht wahr?“
Also hatte er dessen Vollmacht noch nicht. „Es ist noch nicht zwölf. Erst dann läuft die Frist aus.“ Wo steckte der Junge nur? War er doch davongelaufen? Aus Angst vor der Verantwortung? Nun gut, er gab zu, dass das eben wirklich nur ein Junge war, noch fast ein Kind. Er hätte ihn wohl ein wenig vorsichtiger behandeln sollen. Obwohl er eigentlich gedacht hatte, es zu tun.
„Sie wollen sich also wirklich eine Hoffnung bis zum Ende bewahren? Wie ungemein...menschlich. Ich hätte nicht gedacht, Sesshoumaru Taishou einmal zu sehen, wie er sich an einen Strohhalm klammert.“ Nara Kumo war amüsiert. Nun, Inuyasha würde nicht kommen, eher wohl schon im Verließ der alten Burg gestorben sein. Das Nervengift war eigens für Dämonen entwickelt worden. Nur die stärksten würden es überhaupt einige Stunden durchhalten. Erstaunlich, dass ausgerechnet das Halbblut noch bis zur Burg am Leben gewesen war.
Sesshoumaru trat an das Fenster und blickte hinaus. Leider hatte der Mistkerl Recht. Er klammerte sich an eine winzige Hoffnung, einen Strohhalm namens Inuyasha, er, Sesshoumaru! Aber es war die einzige Möglichkeit, die er noch hatte, den Konzern seines Vaters zu retten, seine Ehre zu retten – und am Leben zu bleiben. Verdammt, dachte er: wo immer du auch steckst, Inuyasha: denk an Vater!
Es gab nichts, über was er sich mit Nara Kumo hätte unterhalten wollen. Am liebsten hätte er ihn umgebracht, aber dann würde er ins Gefängnis kommen – und der Konzern eben anderweitig zerschlagen werden. Auch dies war leider keine Option.
Rin…hoffentlich würde Naraku Enterprises sich auch um das Waisenhaus kümmern. Er hatte dann nicht mehr viel, mit dem er sie unterstützen konnte, ihr helfen konnte, sah man von dem lächerlichen Abfindungsbetrag ab, den Kumo zu zahlen bereit war. Er wollte ihr doch ein sorgenfreies Leben ermöglichen – dem einzigen Wesen, das ihn angelächelt hatte, obwohl sie nicht wusste, wer oder was er war, das einzige Wesen, bei dem er Wärme spüren konnte…
Er konnte fast körperlich fühlen, wie die Minuten verrannen, schneller, als er es sich gewünscht hätte.
Nur noch zehn Minuten, dann musste er seinen Namen unter den Übernahmevertrag setzen.
Nur noch neun Minuten, dann war für die ganze Welt klar, dass er das Erbe seines Vaters nicht hatte bewahren können, dass er ein Versager war.
Dort auf der Strasse standen Reporterteams, die natürlich aus erster Hand wissen wollten, ob die Übernahme abgewehrt oder gelungen war….und niemand wusste, dass er in acht Minuten sein eigenes Todesurteil unterschreiben würde.
Inuyasha…wo war er nur? Wirklich davon gelaufen? Obwohl er nur ein halber Dämon war, nur ein Bastard, hätte er es ihm eigentlich nicht zugetraut. Immerhin war er doch auch Vaters Sohn….
Noch sieben Minuten…
Was sollte es. Inuyasha würde nicht mehr kommen und es war sinnlos, ja, seiner unwürdig, das Ende noch hinauszuzögern. Hubschrauberlärm machte ihm klar, dass die Reporter wohl auch versuchten, Livebilder der Unterschrift zu bekommen.
Nein.
Wenigstens diese Schande sollte er sich ersparen. Er griff nach der Stange und schloss die Schattierungen. ehe er sich im Halbdunkel umdrehte.
Nara Kumo lächelte ein wenig und schob den Vertrag auf dem Tisch näher zu ihm, legte einen Stift darauf.
Sesshoumaru machte langsam einen Schritt darauf zu. Nur eine Unterschrift. Die anschließende Pressekonferenz würde Nara Kumo bereits allein führen. Er selbst würde in sein Büro gehen und das Schwert nehmen, das ihm sein Vater einst gegeben hatte.
Er fuhr herum, als die Tür aufgestoßen wurde. Männer in Uniformen stürzten herein, stellten sich an den Wänden auf. Und im offenen Eingang stand…
Inuyasha!
Aber wie sah der Junge aus? Vollkommen erschöpft, zerschrammt, Handschellen mit abgerissenen Kettengliedern an den Armen. „Was…“ war alles, was der gewöhnlich so selbstbeherrschte Hundedämon hervorbrachte.
Der Halbdämon hatte einen Zettel in der Hand, den er mit einer ungeschickten Bewegung auf den Tisch warf: „Das ist für dich“, sagte er müde: „Und, Herr Kumo…da wollen sich ein paar Leute mit Ihnen unterhalten...“
Während Sesshoumaru fast behutsam das Schreiben nahm, stand Nara Kumo langsam auf. Wie war das nur möglich? Wie war es diesem Jungen gelungen, nicht nur das Nervengift zu überleben, sondern sich auch noch zu befreien und rechtzeitig hierher zu kommen? In Begleitung von Polizei? Und wer war der Mann, der hereinkam?
„Herr Kumo? Sie sind verhaftet wegen Entführung, versuchten Mordes, Körperverletzung und Freiheitsberaubung an Inuyasha Namura, sowie Mordaufträgen an Inu Taishou und Izayoi Namura. Bitte kommen Sie mit.“
„Einen Moment. Ich muss unterschreiben – und natürlich meine Anwälte anrufen.“ Er klang kühl.
Sesshoumaru dagegen sah von ihm zu Inuyasha und zurück, unfähig, ein Wort zu sagen. Er hatte nie zuvor gewusst, dass ihn Gefühle so überschwemmen konnten.
Der Halbdämon schüttelte den Kopf: „Wenn man ein Mordgeständnis ablegt, sollte man aufpassen, dass es der andere wirklich nicht hört. Ganz schön dämlich, so was. – Du weißt sicher, was du machen musst, Sesshoumaru.“ Er drehte sich um.
Der fand endlich Worte: „Inuyasha...wo willst du hin?“
Ohne sich umzublicken meinte sein Halbbruder: „Ins Krankenhaus. – Oh, und du brauchst nicht zu fürchten, mich noch mal zu sehen. Meine Erlebnisse in der Finanzwelt in den letzten Tagen reichen mir in alle Ewigkeit…“ Er ging.
Draußen warteten seine Freunde, Kagome, Sango, Miroku und Myouga. Sie alle hatten nie daran gezweifelt, dass ihm etwas zugestoßen sein musste, nie daran geglaubt, dass er sich drücken würde. Er war so froh, sie zu haben.
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Im nächsten, und letzten, Kapitel erfahrt ihr, warum Inuyasha noch rechtzeitig auftauchen konnte - und was Sesshoumaru nun vorhat.
bye
hotep