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천국을 찾아라... (cheongukeul chajala...)

Suche den Himmel...
von

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Kapitel 11

Wenn er eines fuer den Rest seines Lebens nicht vergessen wuerde, dann war es Ji-Yongs Anblick dort im Scheinwerferlicht. Dieses Bild hatte sich in seinen Kopf gebrannt und wuerde diesen nie wieder verlassen.

Dae-Sung oeffnete die Augen.

Es war still im Wagen. Niemand sprach. Nicht einmal ein lauter Atemzug tat sich. Seung-Hyun sass ihm gegenueber und hatte sein Gesicht in die Haende gelegt. Seit Minuten schon zog er sich zurueck und der Juengere wollte gern wissen, was nun in diesem vorging. Noch immer schienen die Arme des Aeltesten zu beben, gerade so als koennten sie das Gewicht ihres Anfuehrers noch spueren.

Seung-Hyun war es gewesen, der den bewusstlosen Ji-Yong hinter die Buehne gebracht hatte. Sie alle hatten mehrere Sekunden gebraucht, um ihre Starre zu ueberwinden, doch die Schreie aus den Zuschauerreihen waren zahlreicher geworden und sie mussten handeln. So hatten sie sich um den Koerper ihres Anfuehrers gescharrt, um ihn vor neugierigen Blicken zu schuetzen. Seung-Ri hatte versucht, ihn anzusprechen, hatte nahezu gefleht, doch Ji-Yong war nicht erwacht. Erst als Seung-Hyun die Arme um diesen gelegt und sich bemueht hatte, ihn anzuheben, war der Gruppe endlich bewusst geworden, was geschehen war und dass ihr Auftritt sein Ende gefunden hatte.

Nun befanden sie sich auf dem Weg ins Krankenhaus und Dae-Sung war sich ploetzlich sicher zu wissen, was sein Gegenueber beschaeftigte. Er konnte nicht bei Ji-Yong sein. Der Aelteste hatte darum gebeten, im Wagen des Notarztes mitfahren zu duerfen, aber es war ihm versagt worden. Stattdessen war es Praesident Yang gewesen, der einstieg, die Hand ihres machtlosen Anfuehrers nahm und ihn auf der Fahrt begleitete. Dem Juengeren war es noch immer eine Raetsel, welchen Groll Seung-Hyun gegen diesen hegte. Gewaltiger Zorn schien beinah hoerbar in ihm aufzulodern, wenn er ihm begegnete. Nachdem der Praesident sich in den Krankenwagen begeben hatte, war er aschfahl geworden und geflohen. Sie hatten ihn erst wieder zu Gesicht bekommen, als ihr Wagen vorfuhr, um sie in ihr Apartment zu bringen. Aber Seung-Hyun hatte sich geweigert, seelenruhig nach hause zu fahren, ohne zu wissen, wie es um ihren Freund stand. Und Dae-Sung selbst war froh darueber, denn auch er hatte nicht warten wollen. Genauso wie Young-Bae und Seung-Ri, welche sich gegenueber sassen, jeder in seinen Schoss starrend und leise vor sich hinbruetend. Wenn sie nur eine geringe Ahnung davon haetten, was mit ihrem Anfuehrer geschehen war, was diesen wirklich zusammenbrechen liess. Der Einzige von ihnen jedoch, der etwas zu wissen schien, schwieg beharrlich und es blieb ihnen keine Wahl, als abzuwarten. Dass sie ihre Antwort sehr bald erhalten wuerden, konnten sie natuerlich jetzt noch nicht erraten.
 

Mit einer unerwartet harten Bremsung kam der Wagen zum stehen. Der Ruck liess die Gruppe aus ihren duesteren Vorstellungen erwachen und sie betraten, nervoese Blicke austauschend, das Gebaeude. Das grelle Neonlicht der Flurlampen brannte in ihren Augen, vor allem nach der hinter ihnen liegenden Dunkelheit.

Zu ihrem Vorteil war es dank der spaeten Stunde auf den Gaengen und in den Warteraeumen sehr leer, sodass sie unbehelligt die Theke erreichen konnten. Ihr Manager, welcher auch ihr Fahrer gewesen war, wandte sich an die dahinter sitzende Schwester, um die Zimmernummer ihres Anfuehrers zu erfragen.
 

„Herr Kwon Ji-Yong?“, fragte sie noch einmal nach und blaetterte in diversen Akten.

„Ja, Herr Kwon ist bereits behandelt worden und liegt nun auf der Inneren. Rechter Seitenfluegel, dritter Stock, Zimmer 307.“
 

„Und gab es bereits eine Diagnose?“
 

„Mh, soweit der behandelnde Arzt vermerkt hat, ist eine leichte Gehirnerschuetterung festgestellt worden...“
 

Nicht nur ihr Manager stutzte bei dieser Antwort. Er wandte sich zu ihnen um und blickte voller Fragen in das Gesicht eines jeden. Doch nur aus drei von vier Mienen sprach vollkommene Ratlosigkeit. Seung-Hyun, welchen er als Letzten musterte, schien seinen Blick nicht einmal zu bemerken. Der Aelteste war mit seinen Gedanken wiedereinmal an einem anderen Ort.
 

„Seung-Hyun Hyung? Hyung!“, hoerte dieser Seung-Ri ploetzlich rufen. Er schuettelte den Kopf und sah sich nach den anderen um. Sie hatten bereits den kurzen Gang zum Westfluegel durchquert, bevor sie bemerkten, dass er ihnen nicht folgte.

„Jetzt komm schon!“
 

Erst jetzt, da sie den Grund fuer Ji-Yongs Zusammenbruch erfahren hatten, holten den Aeltesten seine Befuerchtungen erneut ein. In seiner Vorstellung formte sich das Bild seines Feundes gemeinsam mit dem Praesidenten. Unbewusst beschleunigten sich seine Schritte und er lief zuegig voran, bis er die anderen ueberholt und die richtige Zimmertuer als Erster erreicht hatte. Ohne weiteres Zoegern stiess er diese auf. Er durfte nicht noch einmal zu spaet kommen. Zu spaet, um Ji-Yong der Hand zu entreissen, welche soeben zaertlich durch dessen Haar glitt.

Praesident Yang stand am Bett ihres Freundes und beugte sich ueber ihn. Dieser war noch immer bewusstlos, wehrlos gegenueber den schmutzigen Pranken, welche Seung-Hyun nun wieder an ihm zu sehen gezwungen war. Er brachte es nicht fertig zu handeln. In seiner Phantasie stuerzte er sich auf diesen Mann, dieses Monster, das er so sehr verabscheute und brach ihm das Genick. Doch die Realitaet sah arm aus.

Yang wandte sich ihm zu. Er war nur maessig ueberrascht, weshalb er erst von dem Jungen abliess, als auch der Rest der Gruppe das Zimmer betrat. Seung-Hyun waren die Haende gebunden. Aber auch wenn der Aelteste nichts tat, was seine Gedanken verraten haette, so schlugen diese sich trotzdem in der Atmosphaere des Zimmers nieder, sodass die Blicke aller zwischen ihrem leblosen Anfuehrer und dem Praesidenten hin und her zu wandern begannen. Niemand wagte es naeher zu treten. Niemand ausser Seung-Ri, welcher sich wie fremdgeleitet an Seung-Hyuns Seite begab. Die Stimmung zwischen diesem und ihrem Mentor war bedrohlich.

Den Mund Yangs allerdings zierte nun ein verschlagenes Schmunzeln, waehrend er das Verhalten des Juengsten beobachtete. Die Blicke Seung-Hyuns, so scharf sie auch sein mochten, konnten ihn nicht bezwingen und schienen es doch zu versuchen, was ihn sehr belustigte. Bedauerlicher Weise kam er nicht dazu, einen weiteren Kampf mit diesem auszutragen, da der Manager seiner Schuetzlinge sie unterbrach.
 

„Praesident! Sie sind hier! Gott sei Dank, dann war Ji-Yong nicht allein.“
 

Yangs Blick, seine gesamte Haltung, veraenderte sich. Mit einem Mal wirkte er schlaff und erschoepft, gepraegt von Sorge.
 

„Natuerlich. Ich konnte doch nicht untaetig bleiben.“
 

Ihr Manager trat nun an Ji-Yongs Bett und beugte sich ueber dessen blasse Gestalt, die flach atmend unter einer weissen Decke begraben lag. Der Praesident machte ihm Platz indem er sich seinen restlichen Schuetzlingen zuwandte, die am Fussende standen und ihren Anfuehrer betreten musterten.
 

„Wie ist das nur passiert? Ich dachte mein Herz bleibt stehen, als er ploetzlich auf der Buehne lag. Haben Sie mit dem Arzt gesprochen?“, hoerte Yang den Mann die Frage an ihn richten. Dass dieser hier war, begann bereits seine Nerven zu strapazieren. Er verschraenkte die Finger ineinander, bis seine Knoechel weiss wurden. Seine Miene jedoch blieb unbewegt.
 

„Ja, das habe ich. Die Diagnose ist eine Gehirnerschuetterung.“
 

Bei dieser Antwort schaltete Seung-Hyun sich ein.
 

„Das hat uns bereits die Schwester gesagt. Aber was hat sie verursacht?“, stellte er die Frage in lauerndem Tonfall. Er hatte zwar nicht gesehen, was Ji-Yong vom Praesidenten angetan worden war, doch dass dieser den Zustand ihres Freundes zu verschulden hatte, erahnte er nicht nur. Er wusste es. Yangs Blick schnitt den seinen scharf, waehrend sich aller Augenpaare auf diesen richteten. Er zoegerte einen Moment, dann brach er seinen stillen Kampf mit dem aufmuepfigen Jungen, wenn auch nur ungern. Fuer heute, dies war offensichtlich, musste er die Waffen niederlegen.
 

„Die Ursache ist wohl eine Platzwunde am Hinterkopf...“

Er wandte sich wieder dem Bett zu und bedachte Ji-Yong mit einem nahezu wehmuetigen Blick.

„...aber woher sie kommt...“

Seine Augen wanderten zurueck zu den anderen.

„...das kann ich nicht sagen.“
 

Seung-Hyun schauderte es bei der Unverfrorenheit, mit welcher dieser seine Luegen ueber die Lippen brachte. Ihr Manager sah zu ihnen herueber, wobei sich dessen Augenbrauen erwartungsvoll hoben.
 

„Jungs, ihr muesst doch irgendwas gesehen haben. Oder habt ihr euch wieder in der Garderobe gepruegelt?“

Diese Befuerchtung war gerechtfertigt, auch wenn ihre 'Pruegeleien' nie aus negativen Gruenden stattfanden und daher eher als 'Balgereien' bezeichnet werden sollten. Trotzdem verneinten sie alle mit einem Kopfschuetteln.
 

„Hyung“, richtete Dae-Sung da das Wort an ihren Aeltesten, „du warst doch mit Ji-Yong Hyung zusammen, als ihr nicht in der Garderobe wart, oder?“
 

„Ja...aber nicht die gesamte Zeit. Ich kam frueher zurueck, das weisst du doch.“
 

„Was auch immer passiert ist, ich will nicht, dass es noch einmal vorkommt. Wenn ihr unbeaufsichtigt seid, kann euch einfach zu viel zustossen. Und das...“

Der Praesident naeherte sich Seung-Ri, welcher ihn unsicher beobachtete. Seine Hand streckte sich nach dem Juengsten aus, wollte diesen zu seinem neuen Opfer machen.

„...das wollen wir doch nicht, oder?“

Seine Fingerspitzen hatten den Hals des Jungen fast erreicht, da trat Seung-Hyun in seinen Weg. Der Aelteste schob sich zwischen die beiden und baute sich so bedrohlich wie moeglich vor Yang auf, wobei er dessen schmierige Hand beiseite stiess.
 

„Nein, das wollen wir nicht.“, zischte er ihm entgegen und griff hinter sich, um den Juengeren, der nicht verstand, was vor sich ging, noch weiter zurueckzuschieben.

Da durchbrach ploetzlich Young-Baes Stimme die unangenehme Spannung, die sie umgab. Die Blicke richteten sich auf ihn und er spuerte, dass er Seung-Hyun und den Praesidenten auseinanderbringen musste. Auf der Stelle.
 

„Koennten wir vielleicht kurz mit Ji-Yong allein sein? Der Abend war ziemlich aufregend und ich denke, wir muessen alle mal Luft holen.“

Bittend sah er zu ihrem Manager herueber, welcher sogleich zustimmend nickte.
 

„Du hast recht. Wir sollten sowieso noch etwas mit dem Arzt klaeren.“
 

„Ja, sicher.“, antwortete Yang daraufhin. Die Situation wurde unsicher. Er konnte ihren Ausgang nicht vorhersehen. Konnte nicht kalkulieren, ob der Aelteste seiner Schuetzlinge sich genuegend unter Kontrolle hatte. Aus diesem Grund verliess er den Raum ohne Widerstand. Auch wenn das Beduerfnis, Seung-Hyun endueltig auf den ihm zustehenden Platz zu verweisen, uebermaechtig wurde.

Nachdem die Tuer sich geschlossen hatte, atmete eben dieser hoerbar auf und liess von Seung-Ri ab.
 

„Alles Ok?“, fragt er ihn. Doch der Juengere antwortete nicht. Blickte ihn stattdessen argwoehnisch an.
 

„Hyung, was ist los? Warum verhaelst du dich so?“, stellte er aufgebracht die Gegenfragen, waehrend er ihn genau musterte, als wollte er in seinen Gedanken lesen. Und Seung-Hyun wollte antworten. Ehrlich antworten, um niemanden mehr im Dunkeln zu lassen. Er ging hinueber zum Bett, um Ji-Yong nah zu sein. Dessen Gesicht war bleich und eingefallen, seine Augen schwarz unterlaufen. Waere er nur bei ihm geblieben, dann haette er es verhindern koennen. Aber diesen Fehler wuerde er nicht noch einmal begehen. Es war an der Zeit zu handeln.

Seine Lippen betteten sich auf der Stirn seines geliebten Freundes und er schloss die Augen. Stumm entschuldigte er sich bereits jetzt fuer das, was er ohne dessen Einwilligung tun wuerde. Als er den Kopf wieder hob, stand er den anderen gegenueber, die ebenfalls naeher gerueckt waren. Sie betrachteten ihn eindringlich, doch niemand wirkte ueberrascht oder irritiert gegenueber seiner ungewoehnlich engen Beziehung zu ihrem Anfuehrer. Seine Freunde wussten und ahnten mehr, als Seung-Hyun glaubte. Sie hatten es verdient, die Wahrheit zu erfahren und er wuerde sie ihnen offenbaren. Seine Hand ergriff die Ji-Yongs und klammerte sich daran, waehrend er seine Gedanken sammelte. Es wuerde nicht leicht werden. Fuer sie alle.
 

„Ich muss euch etwas erzaehlen.“
 

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Unangenehme Stille drueckte auf seine Ohren, als er langsam wieder zu sich kam. Ji-Yongs Haende zuckten und griffen ins Leere. Alles an ihm war taub. Er hob die Arme und tastete nach dem Verband, der seinen Kopf umwickelte. Das Gefuehl von Uebelkeit, welches er auf der Buehne gespuert hatte, war verschwunden. Aber er hatte nicht vergessen, was geschehen war. Die anderen wuerden sich sorgen. Er sollte zu ihnen gehen und sie davon ueberzeugen, dass dies nicht von Belang war. Nur ein kleiner Zusammbruch, verursacht durch den Stress der letzten Wochen. Dann fiel ihm sein Versprechen gegenueber Seung-Hyun wieder ein. Dieser wuerde darauf bestehen, dass er nun endlich gestand. Er wuerde ihn nicht mehr hinhalten koennen.

Als grelles Licht durch seine Augenlider drang, stoehnte er. Trotz des Schmerzes, den es verursachte, zwang er sich aber, sie zu oeffnen. In die verschwommene Helligkeit, welche ihm das Sehen erschwerte, trat gleich darauf ein dunkler Schatten. Dieser schien zu sprechen, doch er hatte Probleme ihn zu verstehen. Er loeste seine linke Hand von seinem Kopf und bewegte sie in Richtung der Gestalt. Sie wurde sofort ergriffen. Ein angenehmes Gefuehl von Vertrautheit durchstroehmte seinen Koerper von den Fingerspitzen her und floesste ihm Ruhe ein.
 

„Hyung, du bist es.“, fluesterte Ji-Yong leise und laechelte. Seung-Hyun umklammerte die Hand des Juengeren wie seine letzte Verbindung zu ihm und lehnte seine Stirn dagegen. Vier Stunden waren seit ihres geplatzten Auftrittes vergangen. Zwei davon hatte der Aelteste hier gewacht, allein.

In dieser Zeit spielte sich das Gespraech zwischen ihm und den anderen stetig vor seinem inneren Auge ab. Er spuerte Schuldgefuehle in sich aufkommen, wenn er an ihre entsetzten Gesichter dachte und sich der Tatsache bewusst wurde, dass er Ji-Yong keine Chance gelassen hatte, zu seiner Verteidigung zu sprechen. Es war ihm schwer gefallen, all die schrecklichen Dinge ueber die Lippen zu bringen und noch unmoeglicher schien es fuer seine Freunde gewesen zu sein, ihm Glauben zu schenken. Doch letztlich, nachdem sie die Indizien fuer das auffällige Verhalten ihres Anfuehrers nicht mehr hatten leugnen koennen, mussten sie es einsehen. Seung-Hyun hatte versucht sie zu schonen. Besonders Seung-Ri, welcher am Ende die wichtigste Rolle in den Entwicklungen spielte, ohne es geahnt oder ueberhaupt gewollt zu haben.

Wie sollte er seinem Freund nur beibringen, dass er ihn uebergangen hatte? In seinem Zustand sollte er ihn nicht aufregen, aber beluegen wollte er ihn ebenfalls nicht. Er richtete sich wieder auf und sah ihm in die Augen. Sie waren nun weiter geoeffnet. Klarer.

Ji-Yong bemerkte, dass seine Sicht sich verbesserte. Er konnte jetzt das Gesicht seines Gegenuebers erkennen. Dieses und die Kuemmernis, welche sich darin abzeichnete. Der Aeltere fuerchtete sich davor, etwas Bestimmtes auszusprechen. Etwas, von dem er sicher war, zu wissen, was es war. Er nahm seine Hand wieder an sich und versuchte seinen Koerper im Bett nach oben zu stemmen. Seung-Hyun widerstrebte es, seinen kranken Freund dabei zu beobachten. Lieber wollte er ihn zurueck ins Kissen druecken, um ihn davon abzuhalten, sich zu ueberanstrengen. Doch da das schlechte Gewissen zu sehr auf seiner Brust wog, griff er dem Juengeren unter die Arme, anstatt ihn zurechtzuweisen.
 

„Ich weiss, was du sagen willst.“, eroeffnete dieser, als er es geschafft hatte, sich aufzusetzen. Seung-Hyun musste hart schlucken. Woher konnte er es wissen?
 

„Ji-Yonga, es tut mir leid-“
 

„Nein, du hast recht. Ich...ich muss es ihnen endlich sagen.“
 

Er war zu ueberrascht, um seinen Freund zu unterbrechen. Beobachtete den anderen nur dabei, wie er darum kaempfte, sich aufrecht zu halten. Wie er sich ueberwandte endlich zuzugeben, was er lang hinausgezoegert hatte.
 

„Es war falsch, noch weiter zu luegen. Und fuer dich war es auch nicht leicht. Also...danke, dass du so geduldig warst.“, schloss der Juengere leise und atmete tief durch. Seine Blicke hafteten an der Bettdecke, welche weiss und glatt ueber seinen Beinen lag. Er musste sein Versprechen erfuellen, das war er seinem Freund schuldig. Und auch er selbst wollte sich von seinem Geheimnis befreien.

„Sobald ich hier raus komme, werde ich es ihnen sagen.“
 

„...Ji-Yonga...das...das ist nicht mehr noetig.“

Seung-Hyun hatte seine Stimme wiedergefunden und so drangen die Worte stockend an das Ohr Ji-Yongs. Dieser merkte auf und sah den Aelteren das erste Mal fest an. Dessen Augen wichen nicht aus. Sie zeigten sich ihm offen und unverfaelscht. Er erkannte die Schuld darin. Schuld, die er nicht verstand.

Unruhe wallte in ihm auf.
 

„Sie wissen es schon.“ stellte er bestuerzte fest, wobei sein Blick in die Ferne wanderte.

„Wie-“
 

„Ich hab es ihnen erzaehlt.“

Er konnte nicht luegen, sich nicht verstellen.

Sein Gegenueber blieb stumm. Dessen Reaktion auf sein Gestaendnis war nicht auszumachen. Er wollte seine Hand erneut auf Ji-Yongs legen, doch dieser entriss sie ihm sogleich. Ruckartig schlang er die Arme um sich, als wuerde ihn ein starkes Froesteln ereilen. Die Frage, die er stellen wollte, blieb ihm im Halse stecken. Aber letztlich musste er sie aussprechen.
 

„Wie haben sie reagiert?“, fragte er mit heiserer Stimme und erschrak selbst ueber ihren Klang.

Seung-Hyun ueberlegte. Wie konnte er bei der Wahrheit bleiben und zur gleichen Zeit nicht zu hart zu seinem geschwaechten Freund sein? Schnell jedoch traf ihm die Erkenntnis, dass ihm beides nicht gelingen wuerde.
 

„Was denkst du? Sie haben mir nicht geglaubt. Erst als ich sie...naja...auf dein seltsames Benehmen hingewiesen habe. Auf die Luegen... haben sie es eingesehen.“

Er schluckte, um seinen trockenen Hals zu befeuchten. Seine Kehle fuehlte sich an wie Papier.

„Ich hab keine Ahnung, wie sie es aufgenommen haben. Sie haben mir keine Fragen gestellt...eigentlich haben sie ueberhaupt nichts gesagt.“
 

Anstatt der erhofften Erleichterung brachten Ji-Yong die unverschoenten Informationen nur weitere Steine, die seine Brust zusammenpressten und ihn in sich zusammenfallen liessen. Er dachte an ihre Gesichter, wie sie geschockt starrten, von Ekel verstellt, jetzt, wo sie die Wahrheit kannten.

Wie sollte er nur nach hause zurueckgehen?

Wie konnte er Seung-Ri gegenuebertreten?
 

„Hyung...“, sagte er leise und hob den Blick, um den anderen beinah veraengstigt anzusehen.

Der Aeltere sah die Unterlippe seines Freundes beben. Er wirkte, als wuerde er in Traenen ausbrechen.

„Was ist mit Seung-Ri?“

Angespannt hielt Ji-Yong den Atem an.

Doch er brauchte sich keine Sorgen zu machen. Denn letztlich war Seung-Hyun bewusst, dass er es nicht verantworten konnte, auch ihren Juengsten zu belasten. Sein Hand fand ihren Weg zum Kopf des anderen. Er beobachtete, wie sich dessen braunes Haar zwischen seinen Fingerspitzen teilte und sich widerspenstig in alle Richtungen legte. Dann wanderte den Blick in die Ferne.
 

„Um ihn musst du dir keine Gedanken machen. Ich habe ihnen nicht alles erzaehlt. Es geht ihm gut und du solltest jetzt schlafen.“

Mit dieser letzten Aufforderung setzte er einen Kuss in das weiche Haar seines Freundes und versuchte ihn zurueck in das Kissen zu druecken. Aber Ji-Yong wehrte sich.
 

„Ich will zurueck.“
 

„Zurueck wohin?“
 

„Ins Apartment. Ich muss mit den anderen sprechen.“

Der Juengere schob seine Beine aus dem Bett, ohne auf die Proteste Seung-Hyuns zu reagieren, welcher ihn verwirrt am Arm packte, um ihn zurueckzuhalten.
 

„Ji-Yong, sei vernuenftig. Du hast eine Gehirnerschuetterung. Du kannst nicht einfach losrennen. Ausserdem werden sie dich in deinem Zustand nie entlassen.“
 

„Das weiss ich.“, fluesterte er daraufhin und hielt einen Augenblick lang inne. Er dachte nach. Angestrengt die Stirn runzelnd ergriff er den ihn zurueckhaltenden Arm. Dann blickte er wieder in die dunklen Pupillen des anderen.

„Hyung“, setzte Ji-Yong an. Zwischen seinen fein geschwungenen Augenbrauen bildete sich eine Falte.

„Ich bitte dich, mir zu helfen. Bitte, bring mich nach hause.“
 

Seung-Hyun seufzte erschoepft.
 

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Das Zuhause, in das Ji-Yong zurueckkehren wollte, war zu dem Zeitpunkt, als Seung-Hyun diesen durchs Krankenhaus schmuggelte, lautlos und dunkel, aber nicht verlassen. Niemand hatte daran gedacht, viel Licht zu entzuenden und niemand sprach ein Wort. Nicht mehr.

Nachdem sie in ihrem Apartment angekommen waren, hatte Young-Bae versucht, zu akzeptieren, dass er nun die Wahrheit kannte. Eine unangenehme Wahrheit, sicher, aber sie hatten sie hoeren wollen. Doch nun, wo ihr Wunsch in Erfuellung gegangen war, mussten sie erkennen, dass ihre Situation sich nicht zum Besseren gewendet hatte.

Gern haette er als Aeltester von allen Dreien gewusst, was zu tun war. Seung-Ri und Dae-Sung gesagt, wie sie sich gegenueber ihrem Anfuehrer verhalten sollten, um diesem das Gefuehl zu geben, dass sie ihn nicht verurteilten. Jedoch hatte er nicht die geringste Ahnung, auf welchem Weg dies moeglich waere und zudem waere es eine Luege. Denn wenn er ehrlich mit sich war, dann verurteilte er Ji-Yong. Wie sollte er ihn mit jenem eingebrannten Gedanken vor den beiden Juengeren verteidigen? Es war Young-Bae ein Raetsel, wie Seung-Hyun es fertig gebracht hatte, derartig lang zu schweigen. Und als dieser endlich begonnen hatte, zu berichten, hatte er seine Worte mit soviel Bedacht gewaehlt, dass es wirkte, als haette er sie sich seit einiger Zeit zurecht gelegt. Es war ihm dabei nicht entgangen, wie bemueht der Aelteste darum gewesen war, gewisse Dinge im Unklaren zu lassen. Dinge, die ihm auf der Zunge brennen mussten, die er aber nicht wagte, auszusprechen.

Vielleicht war dies der Grund fuer seine Verurteilung. Noch immer wussten sie nichts ueber Ji-Yongs wahre Gruende. Er konnte es einfach nicht verstehen und so wanderte er unruhig durch die leeren Zimmer, bis ein von Wut erfuellter Schrei und ein lautes Klirren ihn in Richtung Kueche lenkten. Dae-Sung stand bereits in der Tuer, als Young-Bae sie erreichte, aber er schien sich nicht hineinzutrauen.
 

„Seung-Riya! Hoer auf! Beruhige dich!“
 

„Nein!“, schrie der Juengste seinen Freund an. Young-Bae streckte seinen Kopf durch den Tuerrahmen, um den Grund fuer das Geschrei erkennen zu koennen, zog ihn jedoch sogleich zurueck, als er sah, wie Seung-Ri, welcher auf der anderen Seite des Raumes stand, ausholte. Eine Tasse segelte im naechsten Moment durch die Luft und zerschellte an der Wand neben ihnen. Ihr Scherben gesellten sich zu denen einer anderen, welche bereits den Boden und die Stuehle neben dem Kuechentisch bedeckten.

Es wurde wieder still. Zu hoeren war lediglich der schwere Atem des Juengeren, der sich kaum wieder unter Kontrolle bekommen konnte. Seine Augen flimmerten, waehrend er sich erregt umsah, um noch etwas zu finden, das sich zerstoeren liess. Gerade als sein Blick auf einen benutzten Teller fiel, stellte sich Young-Bae ihm in den Weg. Seung-Ri holte angestrengt Luft und starrte ihn zornig an. Doch er wich nicht von der Stelle.
 

„Ich denke, es reicht jetzt.“
 

„Ach ja? Ich aber nicht!“, bekam er die trotzige Antwort, in welcher bereits ein Anflug von Traenen zu vernehmen war. Die Haende des Juengsten ballten sich, bis blaeuliche Adern auf seinen Unterarmen hervortraten. Es kostete ihn viel Selbstbeherrschung, nicht auf den anderen loszugehen, um an ihm auszulassen, was er nicht ertragen konnte zu wissen.

„Hyung, geh mir aus dem Weg.“, presste er verkrampft durch seine aufeinanderbeissenden Zaehne.
 

„Nein.“

Sein Gegenueber schuettelte langsam den Kopf und trat einen Schritt auf ihn zu. Seung-Ri wich zurueck.

„Lass mich allein!“
 

Doch Young-Bae kam naeher. Das Herz des Juengeren begann zu rasen, bis er spuerte, dass er dem Druck nicht mehr standhalten konnte.
 

„Scheisse! Verschwinde endlich!“, bruellte er ihn an, seine Haende mit aller Gewalt vor dessen Brust stossend. Young-Bae wurde zurueckgeworfen und prallte gegen den Kuechentisch. Er riss die Arme abwehrend vor das Gesicht, ein weiterer Schlag aber blieb aus.
 

„Seung-Ri! Ya! Hoer auf!“, hoerte er Dae-Sungs Stimme ploetzlich rufen und oeffnete die Augen. Dieser hatte sich dem anderen entgegengeworfen und seine Arme um dessen Oberkoerper geschlungen. Sie rangelten verbissen miteinander. Der Juengste wollte sich losreissen. Traenen der Wut liefen ueber seine Wangen und er schleuderte sie Young-Bae entgegen.
 

„Wie kannst du nur so ruhig sein!!!“, schrie er, „Warum?! Warum bist du nicht wuetend?! Ist dir denn alles egal?“

Er starrte den Aelteren an, in der Hoffnung auf eine Reaktion, doch dieser senkte lediglich den Kopf und lief zur Spuele herueber. Dass er ihn auf diese Weise nur mehr in Rage brachte, schien ihn nicht zu interessieren. Seung-Ri schrie auf und riss sich aus Dae-Sungs Armen los, welcher zurueckstolperte, aber sofort wieder zugriff, um Schlimmeres zu verhindern.
 

„Seung-Riya, das bringt doch nichts-“
 

„Verdammt, lass mich los! Lass mich gehen, Dae-Sung!!!“
 

„Nein-“
 

„RUHE JETZT!“

Mit einem Knall landete der Teller, der soeben noch neben der Spuele gestanden hatte, vor den beiden Streitenden auf den Fliesen und liess seine Scherben ueber ihre Fuesse regnen. Zu Tode erschrocken ob des unerwarteten Geschehens sprangen sie zurueck und vergassen dabei, was sie eben im Begriff waren zu tun. Entgeistert lagen ihrer beider Augen auf Young-Bae, der schwer atmend vor ihnen stand und sie abwechselnd ansah. Nach einigen Sekunden, in denen niemand etwas sagte oder sich auch nur regte, hob er unvermittelt die Hand und fuhr sich, scheinbar erschoepft ueber die Augen. Dann entliess er ein Seufzen.

„Natuerlich bin ich auch wuetend. Aber – wie Dae-Sung gesagt hat – das bringt uns nicht weiter.“
 

Bei diesen Worten loeste sich Seung-Ri langsam aus dem Griff seines Freundes, sodass dieser ihn gehen liess. Er lief auf Young-Bae zu. In seinen Augen flimmerten Hilflosigkeit und Verzweiflung gleichermassen und sie verliessen ihn nicht mehr. Wurden groesser und draengten ihn immer staerker dazu, etwas unternehmen zu wollen, um beide zu vertreiben. Er musste das eliminieren, das verantwortlich war fuer ihr Unglueck und die Qualen. Aber er wusste nicht, wie. Seine Haende packten die Schultern des Aelteren, der ihn fragend ansah.
 

„Und was sollen wir dann tun, Hyung? Sag es mir. Was koennen wir tun, um Ji-Yong zu helfen?“
 

Young-Baes Lippen schmaelerten sich wortlos. Jede Farbe sickerte aus ihnen, sodass er Seung-Ri seltsam kalt erschien.
 

„Woher soll ich das wissen? Sags mir? Ich weiss ja nicht mal, warum das alles passiert ist.“
 

Warum? Warum? Warum das alles passiert ist?

Es wiederholte sich im Kopf des Juengsten, wehte darin herum und legte einen einzelnen Gedanken frei. Einen Gedanken an den Praesidenten. Er spuerte erneut Jaehzorn, der einen Kloss in seinem Hals bildete.
 

„Ich muss raus.“
 

„Was?“
 

„Ich gehe aufs Dach. Allein.“

Dies sprach er mit Nachdruck. Dann entliess er den Aelteren aus seinem Griff und war im Flur verschwunden. In diesem Moment wich alle Anspannung aus Young-Baes Koerper und er sank auf einen Stuhl hinter sich nieder. Den Kopf in die Haende gelegt wollte er in der Schwaerze vor sich verdraengen, was er gehoert hatte. Neue Vorwuerfe wallten in seiner Brust. Weder konnte er seine Gedanken und Gefuehle gegenueber Ji-Yong kontrollieren, noch Seung-Ri, welcher geradezu um seinen Rat und seine Staerke flehte, eines von beidem geben. So sah er auf, hinueber zu Dae-Sung, dessen leise Schritte seine Aufmerksamkeit erregten. Der Juengere war ans Fenster getreten. Ihm den Ruecken zugewandt blickte er hinaus in die Nacht und erschien Young-Bae dabei ungewoehnlich ausgeglichen.

Aber diese Annahme war falsch. Er konnte nicht sehen, wie Dae-Sungs Gesicht sich unter der Anstrengung, keinen Laut zu entlassen, verhaertete und dessen Adamsapfel hektisch auf und ab sprang, waehrend er seine Traenen herunterzuschlucken versuchte. In der Ferne fand sein Blick keinen Halt und so fiel er zurueck auf das Fensterglas, in welchem sich die zusammengesunkene Gestalt des Aelteren doppelt spiegelte. Sowie Seung-Ris war es auch seine Hoffnung gewesen, dass Young-Bae wieder die richtigen Worte finden, ihnen eine Loesung praesentieren wuerde. Wie es frueher oft war, wenn es Ji-Yong selbst als ihrem Anfuehrer nicht gelang. Nun jedoch war der Groschen gefallen. Er konnte ihnen nicht helfen. Er konnte niemandem helfen, denn er war genauso hilflos wie jeder von ihnen.

An wen koennten sie sich wenden? An Seung-Hyun, der ihnen noch immer etwas verschwieg? Der sich nicht ueberwand, ihnen die gesamte Wahrheit anzuvertrauen? Oder sollten sie auf ihren Anfuehrer vertrauen, der sie die gesamte Zeit belogen hatte?

Sie waren verloren.
 

Haette Ji-Yong Dae-Sungs Gedanken vernommen, als er das Treppenhaus ihres Apartmentblocks betrat, waere er vielleicht wieder umgekehrt und geflohen. Geflohen vor der Konfrontation mit den Freunden, welche den Glauben an ihn verloren hatten.

Aber er kannte sie nicht und so blieb ihm die Hoffnung, dass sie ihn anhoeren wuerden. Auch wenn er nichts zu seiner Verteidigung hervorzubringen hatte. Welche Argumente koennten das Geschehene rechtfertigen? Seung-Hyun hatte Recht behalten: er war dumm gewesen und musste nun einen hohen Preis dafuer zahlen.

Auf ihrem stummen Weg nach oben beschaeftigte ihn noch immer die Frage, ob der Aelteste richtig gehandelt hatte, ihn zu uebergehen. Aber wahrscheinlich ging es nicht darum, ob es richtig oder falsch war. Es war seine einzige Moeglichkeit gewesen. Dessen war sich Ji-Yong nun sicher und es durchstroehmte ihn auch ein gewisses Gefuehl der Erleichterung. Nun war er gezwungen, es zu beenden. Und dies war das Einzige, was ihm helfen konnte.
 

Im Apartment angekommen dachte der Anfuehrer nicht einmal daran, sich seiner Schuhe oder der vom Regen nassen Jacke zu entledigen. Nahezu gehetzt sah er sich um. Nur in einem der Zimmer am Ende des Flurs brannte Licht und teilte ihm mit, wo er zu suchen hatte. Kurz bevor er an die Tuer gelangte, huschte ein Schatten ueber den Kuechenboden und unterbrach den Strahl, der in den Gang hinausfiel. Es war Young-Baes, welcher sich endlich dazu durchgerungen hatte, aufzustehen und auf Dae-Sung zuzugehen. Der Juengere hatte kein Wort mehr gesagt, seit Seung-Ri die Wohnung verlassen hatte. Dieses Verhalten beunruhigte ihn sehr. Er ging auf ihn zu, um ihn wenigstens zum Reden zu bringen, doch soweit kam er nicht. Bevor seine Hand dessen Schulter erreichte, vernahmen beide schnelle Schritte auf dem Flur und dann stand er vor ihnen, Ji-Yong. Sie offen ansehend. Zum ersten Mal seit Langem. Das unerwartete Wiedersehen verschlug ihnen die Sprache, hatten sie doch geglaubt, dass dieser Tag endgueltig vorbei waere. Und niemand sagte ein Wort, bis Seung-Hyun auftauchte. Da brach Dae-Sung die unangenehme Stille.
 

„Hyung, was...was macht ihr hier?“, fragte er stockend, als wuerde er aus tiefem Schlaf erwachen. Er betrachtete die beiden Aelteren im Tuerrahmen unglaeubig, aber trat nicht naeher, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich da waren. Seung-Hyun wusste nicht, ob er antworten sollte. Es erschien ihm als ob die Frage nicht an ihn gerichtet war, weshalb sein Blick zu Young-Bae wanderte, an dessen erwartungsvollen Augen fuer den Bruchteil einer Sekunde haengen blieb, um sich danach auf Ji-Yongs Hinterkopf zu legen.

Mit viel Muehe hielt dieser den pruefenden Mienen seiner Freunde stand. Ihm war klar, dass er ihr Vertrauen nur zurueckgewinnen konnte, wenn er nicht auswich und ehrlich auf sie zuging.
 

„Ich-“, setzte er endlich an und brach sofort wieder ab. Seine eigene Stimme erklang heiser und tief, was ihn erschrak. Er schluckte hart und raeusperte sich. Dann trat er einen Schritt in den Raum. Die anderen bewegten sich nicht. Starrten ihn nur weiter an. Schienen es ihm mit Absicht zu erschweren. Vielleicht hatte er es auch verdient, aber es war kaum zu ertragen. Ihr Starren zwang ihn, seinen Blick zu senken und endlich auszusprechen, was er ihnen sagen musste.
 

„Es tut mir leid.“

Diese wenigen Worte kosteten ihn hier und jetzt mehr Ueberwindung als an jedem anderen Punkt seines Lebens. Denn er befuerchtete, dass sie nicht genuegen wuerden. Befuerchtete, dass die anderen taub fuer sie waeren.

Aber er irrte sich.

Sie waren mehr als genug.

Sie waren alles, was es gebraucht hatte.

Keine Ausfluechte und schwammigen Erklaerungen. Nur eine aufrichtige Entschuldigung. Dies wurde ihm klar, als mehrere Arme sich um seinen bebenden Koerper schlangen und ihn fest einschlossen. Die Spannung, welche in jeder Brust gesessen hatte, entlud sich auf einen Schlag. Sie sickerte aus ihnen heraus, wie jeder Zweifel, der sie vergiftet hatte. Traenen schossen ihnen in die Augen, als das Gefuehl der Erleichterung ueberhand nahm. Ji-Yong vergub sein nasses Gesicht an Dae-Sungs Schulter und seine Finger krallten sich in die Ruecken seiner beiden Freunde. Ihre Zuneigung ueberschwemmte seine duesteren Aengste. Sie war anders, als jene, die Seung-Hyun fuer ihn empfand, jedoch nicht weniger stark oder wichtig.
 

„Danke.“, presste er hervor und beide noch fester an sich.

Young-Bae konnte es sich nicht erklaeren. Der Augenblick, in welchem Ji-Yong vor sie getreten war, hatte jeden Vorwurf vertrieben, den er ihm hatte machen wollen. Was konnte er anderes tun, als ihm zu vergeben? Etwas, das Dae-Sung bereits getan hatte und froh war, es ihrem Anfuehrer zeigen zu koennen. Niemals sollte dieser glauben, sie wuerden ihn verachten.

Erst als das Gefuehl in ihnen aufkam, jeden Zweifel beseitigt zu haben und die Kraft ihre Arme verliess, loesten sie sich voneinander. Noch fuer kurze Zeit herrschte Schweigen, dann bewegte sich Young-Bae an den beiden Juengeren vorbei, nicht ohne ihnen noch einmal bruederlich eine Hand auf die Schulter zu legen und lief auf Seung-Hyun zu. Dieser hatte am Tuerrahmen gelehnt und die Szene gemischter Gefuehle beobachtet. Noch mussten einige Geheimnisse aufgedeckt und das Problem richtig angegangen werden. Wie auch immer sie dies handhaben sollten. Fuers Erste jedoch sollte diese Versoehnung genuegen.

Als Young-Bae ihm gegenueber trat und ihn genau musterte, stiess der Aeltere sich vom Holz des Rahmens ab, wodurch sein Gegenueber zu einem Schluss zu kommen schien. Er sah auf und begann zu laecheln, jedoch ohne den Ernst zu verlieren.
 

„Und bei dir ist alles ist Ordnung?“
 

Seung-Hyun blinzelte einige Male ueberrascht, dann nickte er unsicher.
 

„Ja...“, entkam es seinen Lippen, was ihn beinah noch mehr verdutzte. Der Juengere nickte schwach und wandte sich wieder den anderen beiden zu, welche Seite an Seite zu ihnen hinueber sahen.
 

„Sag mal“, setzte da Dae-Sung an, waehrend er Ji-Yongs Profil betrachtete, „wie seid ihr eigentlich aus dem Krankenhaus gekommen, Hyung? Sie haben dich doch bestimmt nicht entlassen...“
 

Auf diese Frage hin tauschten der Anfuehrer und der Aelteste verschwoererische Blicke aus, wobei beide zeitgleich eine Hand durch den Nacken fahren liessen.
 

„Wir mussten uns gewissermassen rausschleichen.“, gab Ji-Yong kleinlaut zu, ohne seine Freunde direkt anzusehen.

„Aber ich konnte nicht warten. Auf morgen. Ich konnte nicht so lang herumliegen und wissen, dass ihr...es wisst...“

Er wurde immer leiser und erneut verbreitete sich eines Schweigen zwischen ihnen. Doch ehe es zu lang andauern konnte, nahm der Anfuehrer wahr, was in der Kueche fehlte. Wer fehlte.

„Wo ist Seung-Ri?“

Durch den Druck, der in ihm geherrscht und sich beim Anblick seiner Freunde so ploetzlich entladen hatte, war ihm nicht aufgefallen, dass der Juengste nicht bei ihnen war. Auch schien es Young-Bae und Dae-Sung nicht zu behagen, dass er nun nach ihm fragte. Sie raeusperten sich und blickten zu Boden, auf welchem noch immer all die Scherben lagen, die von ihm erst jetzt bemerkt wurden. Ji-Yong ging daraufhin in die Hocke, um einige von ihnen aufzulesen. Dann hielt er sie Young-Bae ins Gesicht.
 

„Was ist passiert?“

Seine Stimme zitterte, waehrend seine Hand nach dem T-shirt des anderen griff und daran zerrte.

„Sag es mir.“
 

„Ji-Yonga, er...ist fertig mit den Nerven. Sowie wir alle.“, erklaerte dieser so behutsam wie moeglich. Aber er koennte den anderen nicht beruhigen.
 

„Hat er sich was angetan?“
 

„Nein. Er ist nur etwas ausgerastet und wollte dann allein sein.“
 

„Allein sein? Wo?“

Ji-Yong sprach hoeher, fast hysterisch, wobei sich ein hektisches Flimmern in seine Pupillen schlich. Sein Griff an Young-Baes Kleidung wurde fester. Warum geriet er derart in Panik?
 

„Er-er sagte, er wolle aufs Dach gehen.“

Noch waehrend er die Antwort aussprach, liess der Juengere von ihm ab. Niemanden noch eines Blickes wuerdigend stuerzte er an Seung-Hyun vorbei, welcher seinen Arm verfehlte und ihn nicht aufhalten konnte. Ehe sie begriffen hatten, was in ihm vorging, war ihr Anfuehrer bereits aus der Wohnungstuer heraus auf dem Weg zum Dach. Das Geraeusch seiner gehetzten Schritte befand sich bereits zwei Stockwerke ueber ihnen, als es ihnen endlich gelang, ihm zu folgen.
 

„Ji-Yonga! Warte! Ji-Yonga!“, hallten Seung-Hyuns Rufe durch das Treppenhaus. Er fuerchtete, dass dieser wieder zusammenbrechen koennte. Es war verantwortunglos gewesen, ihn hierher zu bringen. Er rannte schneller, die beiden anderen hinter sich lassen. Jedoch bevor er die Tuer zum Dach erreicht hatte, vernahm er jemanden die Treppe herunterkommen.

Auf dem naechsten Absatz stolperte ihm Ji-Yong bereits wieder entgegen, das Gesicht verzerrt und von Panik erfuellt. Er prallte auf ihn und der Aeltere musste ihn festhalten, um ihn vor einem Sturz zu bewahren.
 

„Er ist nicht da!“, keuchte er hilflos und wollte bereits weiterrennen. Aber diesmal verfehlte Seung-Hyun ihn nicht.
 

„Ji-Yonga, bleib stehen! Sonst bringst du dich noch um!“
 

„Aber-“, drehte dieser sich stuermisch herum, „er ist nicht da!“

Diese Tatsache schrie der Juengere ihm entgegen, als wuerde sie all sein Handeln rechtfertigen. Als wuerde Seung-Hyun nicht begreifen, was sie zu bedeuten hatte.
 

„Wie? Er ist nicht da?“, hoerten sie da Young-Bae erregt und ausser Atem fragen. Er und Dae-Sung hatten die beiden nun erreicht.

„Hast du ihn nicht gefunden?“
 

„Nein!“

Ji-Yong schuettelte hastig den Kopf, was erneute Sorge in ihrer aller Zuege trieb. Dae-Sung schluckte.
 

„Aber wo ist er hingegangen? Er wollte doch allein sein.“
 

„Er hat gelogen, verdammt!“, fluchte der Anfuehrer und vergass in diesem Moment alles, was am Abend vorgefallen war. Es war unwichtig Er musste ihn finden!

„Warum habt ihr ihn ueberhaupt gehen lassen? Er koennte ueberall hingerannt sein. Er koennte-!“

Ji-Yong stockte. Er schien eine Idee zu haben und gleichzeitig Schwierigkeiten, sie auszusprechen. Die anderen Drei tauschten ungeduldige Blicke. Da hob er ruckartig den Kopf. Die Augen weit aufgerissen starrte er Young-Bae an.

„Ich weiss, wo er ist!“

Daraufhin stuerzte er los, seinen Freunden keine andere Wahl lassend, als ihm zu folgen.
 

Anstatt aber in ihr Apartment zurueckzulaufen, stuermte der Anfuehrer weiter nach unten. Er lief ihnen davon und wieder ergriff Seung-Hyun ein ungutes Gefuehl dabei, ihn aus den Augen zu verlieren. Er rannte schneller, flog die Stufen beinahe nach unten.

Ausserhalb des Hauses schlug ihnen ein eisiger Wind entgegen. Ein Sturm hatte sich erhoben und er wurde von Sekunde zu Sekunde unberechenbarer.

Dae-Sung legte einen Arm ueber seine Augen, um sie vor dem Sand zu schuetzen, welcher durch die Luft peitschte. Er trat als Letzter nach draussen und hatte es schwer, die anderen im Wirrwarr der Menschenmassen auszumachen. Seine Freunde waren bereits am Strassenrand angelangt und bestiegen ein Taxi. Young-Bae wandte sich suchend um und winkte ihn ungeduldig zu sich, als er ihn entdeckte. Der Juengere kaempfte sich zu ihm herueber, um sofort von diesem am Arm auf die Rueckbank gezogen zu werden.
 

„YG-Entertainment Hauptgebaeude.“, hoerte er Ji-Yong vom Beifahrersitz her hektisch die Anweisung geben, bevor der Fahrer aufs Gas stieg und in den Stadtverkehr eintauchte. Vom Ruecksitz her konnten die Drei lediglich seinen Hinterkopf sowie den Verband, welcher diesen umspannte ausmachen. Er hatte ihnen nicht gesagt, wo genau er Seung-Ri vermutete und trotzdem ahnten sie es bereits.
 

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Mit einem Ausdruck voll von unterdruecktem Zorn stand der verschwundene Freund dort, wo auch Ji-Yong so viele Male hatte ausharren muessen. Ohne, dass es ihm bewusst war. Doch ganz im Gegensatz zu seinem grossen Bruder, hatte er keine Angst. Zuviel Wut brannte in ihm, die jede Furcht vertrieb. Loderte so hell, dass der Raum zu brennen schien. Und in seiner Mitte sass Luzifer in eisiger Ruhe, gerade so als wuerde er die Flammen nicht bemerken.

Der Teufel in Gestalt des Praesidenten hatte sich waehrend Seung-Ris ploetzlichem Ueberfall kaum geregt. Der Juengste war zur Tuer hereingestuermt und beutelte ihn nun ueber den Schreibtisch hinweg.
 

„Wie konnten Sie ihm das antun?! Sie perverses Schwein?!“
 

Speichel benetzte sein Gesicht, doch seine Miene entglitt nur fuer den Bruchteil einer Sekunde, dann entspannte es sich wieder. Die Hand Yangs griff in seine Hosentasche, um ein Taschentuch hervorzuziehen. Waehrend dieser sich saeuberte, wandte er sein Gesicht nicht von seinem in Rage geratenen Gegenueber. Derart wild hatte er den Jungen noch nie erlebt. Jedoch schuechterte ihn dessen bitterboeses Verhalten nicht ein. Eher amuesierte es ihn und so musterte er diesen voller Hohn, welcher den Juengeren nur noch mehr erregte.
 

„Scheisse, hoeren Sie auf zu grinsen!“

Die hoehnisch angehobenen Mundwinkel machten ihn rasend und liessen ihn die Kontrolle ueber sich verlieren. Wie von selbst holte er aus, um Yang seine Faust in die abstossende Fratze zu rammen. Dessen bestaendige Selbstsicherheit aber liess ihn zweifeln.

Was war es, was diesen glauben liess, unantastbar zu sein? Was hatte diese Abgruende erschaffen, die sie bis jetzt nicht gekannt hatten?

Seine Hand wurde langsamer, zoegerte und konnte von Yang abgefangen werden. Dieser befreite sich mit einem Ruck aus seinem Griff und packte zu. Nun war Seung-Ri der Gefangene.
 

„Du solltest mir gegenueber nicht einen solchen Ton anschlagen, kleiner Seung-Ri. Das wuerde dir nicht bekommen.“

Die Stimme des Praesidenten klang tief, gezwungen ruhig. Die Drohung, welche in seinen Worten mitschwang, unterstrich er, indem er die immer noch so duennen und schwaechlichen Finger seines Schutezlings langsam zusammendrueckte. Das Blut wich sehr schnell daraus, waehrend er sie unnachgiebig in der eigenen Hand zerquetschte. Seung-Ri versuchte unter groesster Anstrengung, den Scherz zu ignorieren. Er presste die Zaehne zusammen, um kein Anzeichen davon in seinen Zuegen erkennen zu lassen. Yang jedoch war erbarmungslos. Er beugte sich zu dem Juengeren herueber und riss diesen an den Haaren zu sich heran.

„Verstehst du, wovon ich rede?“, zischte er ihm kalt ins Ohr. Sein Opfer wimmerte leise, sodass er es von sich stiess. Hilflos stolperte es vom Schreibtisch weg, rang noch einige Augenblicke mit seinem Gleichgewicht und ging dann endgueltig zu Boden.

So hatte Seung-Ri es nicht geplant. Er hatte Ji-Yong, raechen wollen. Denjenigen bestrafen, der ihn quaelte. Nun jedoch lag er zu dessen Fuessen, wurde selbst zum Gequaelten. Erneut.

Yang bewegte sich gemaechlich auf ihn zu, naeherte sich bedrohlich.

Warum gelang es ihm nicht, sich zu erheben, dachte der Juengere verkrampft, waehrend sich der Praesident zu ihm herunterkniete. Er stemmte seinen Oberkoerper hoch, um sich wehren zu koennen, da legte sich eine Hand auf seine Wange. Verwirrt zuckte sein Blick in ihre Richtung und wanderte dann den Arm hinauf, der sich ihr anschloss, bis er es wagte, in Yangs Gesicht zu sehen. Der Ausdruck, welcher darin stand jedoch, aengstigte ihn mehr als die Geste und jede Drohung. Der eisige Zorn war jener vaeterlich liebevollen Miene gewichen, welche dieser ihnen immer dann praesentierte, wenn er sich um sie sorgte. Vielleicht haette es ihn beruhigen sollen, dies zu sehen. Stattdessen aber aengstigte es ihn umso mehr. Es war nicht echt. Nur ein Schauspiel. Schon immer gewesen.

Was fuer ein Monster war das?
 

„Seung-Riya, ich denke, du bist etwas durcheinander. Komm, ich helfe dir auf.“

Auch seine Stimme klang weicher, anschmiegsamer. Als der Praesident ihm seine andere Hand entgegenstreckte, packte er automatisch zu, um es bereits im naechsten Moment zu bereuen. Kaum, dass er die widerlich verschwitzte Pranke ergriffen hatte, wurde er kraftvoll nach oben gezerrt und unsanft am kurzen Haar gepackt. Seung-Ri tastete verzweifelt danach, wollte die Finger Yangs loesen, da gab dieser ihm einen Stoss, der ihn auf das wohlbekannte Ledersofa schleuderte. Unter einem erschrockenen Laut fing er sich ab und fuhr herum. Er musste sich aufrappeln, um sich diesem Mann entgegenzustellen. Dass er schon laengst nicht mehr in der Position dazu war, wurde ihm erst in dem Augenblick bewusst, den der Praesident dazu benoetigte, seine Kehle ruede zu ergreifen und ihn auf die Sitzflaeche zu draengen. Dessen Koeper schob sich ueber den des Jungen, welchen er bereits seit Jahren beobachtet hatte.

Durch die Abmachung mit Kwon Ji-Yong erschien er eine Zeit lang unerreichbar. Er, dieser naive, arglose, unschuldige Junge. Und nun war er zu ihm gekommen. Von ganz allein.

Schleichend drueckten seine Haende dessen Kehle zu. Stueck fuer Stueck.

Ein Bein Yangs schob sich zwischen die seinen, welche hilflos strampelten. Seine Haende packten verzweifelt dessen Handgelenke. Er rang mit ihm. Seung-Ri kaempfte mit aller Macht, um sich zu befreien. Doch die Arme, die er beruehrte, an denen er zerrte, schienen hart wie Stein und genauso unbeweglich. Sein Gegenueber begann zu verschwimmen, aber noch konnte er die von tiefster Zufriedenheit erfuellten Zuege erkennen.

Der Praesident bemerkte, wie die Anstrengungen seines Schuetzlings nachliessen. Immer schwaecher wurden seine Tritte, bis seine Beine letztlich still auf dem Polster zum erliegen kamen und die Finger kraftlos von seinen Handgelenken rutschten. Allmaehlich begannen sie eine graeuliche Faerbung anzunehmen, wie es auch mit dem Gesicht des Jungen geschah. Mit zunehmendem Verlangen beobachtete er, wie das Blut daraus wich, waehrend dessen Augenlider zu flattern begannen. Auch Ji-Yong hatte er an gewissen Tagen an diesen Punkt getrieben, aber in letzter Zeit hatte sich dieser nicht mehr gewehrt, weshalb das Spiel seinen Reiz verloren hatte. Dank einer gluecklichen Fuegung jedoch war ihm nun diese Freude vergoennt. Kaum konnte er beschreiben, wie sehr es ihn erfrischte und wieder aufleben liess.

Yang stiess einen tiefen Seufzer aus, dann nahm er die Haende vom Hals seines Opfers.
 

„Suesser kleiner Seung-Ri...“, fluesterte er, waehrend sein Zeigefinger ueber die schmale Unterlippe des Juengeren glitt, „Wie lang hab ich schon auf dich gewartet...“
 

Seung-Ris Mund oeffnete sich nur einen Spalt breit. Sauerstoff drang wieder in seine Lungen und lueftete den Schleier, der sich fuer einen kurzen Moment ueber ihn gelegt hatte. Er spuerte, dass der Koerper des Praesidenten sich noch immer auf dem seinen befand. Dessen Stimme klang nur dumpf in seinen Ohren, als waeren sie mit Watte gefuellt. Seine Arme waren schwer. Es war ihm unmoeglich, sie zu heben, um sich zu befreien. Das Gesicht des anderen naeherte sich dem seinen. Er nahm es wie einen verschwommenen Schatten wahr, der sich an ihm vorbei bewegte, bis feuchte Lippen seine Ohrmuschel erreichten. Sie legten sich dicht daran. Hauchten hinein.
 

„Hoer zu,“, saeuselte der Praesident, „es gibt einen Weg, wie du Ji-Yong helfen kannst. Und das moechtest du doch...“

Die Hand, welche bis zu jenem Augenblick seine Wange beruehrt hatte, wanderte nun an seiner Kehle herunter. Sie bewegte sich ueber seine Brust, die sich unter seinem flachen Atem kaum hob. Doch dort verweilte sie nicht, denn ihr Ziel befand sich an seiner Huefte. An dieser angelangt schluepfte sie unter sein Oberteil, um warme Haut zu ertasten und sich sogleich ein Stueck hoeher zu schieben. Seung-Ri durchfuhr ein Schauer des Ekels, als die klammen Finger seinen Bauch erkundeten. Sie sollten verschwinden, diese unnatuerlich kalten Haende. Genauso wie der widerlich feuchte Atem, der sich noch immer in sein Ohr legte.

Allerdings liessen die Worte Yangs ihn noch einmal aufhorchen, lenkten ihn ab und so langsam begann er endgueltig zu begreifen.
 

„Wenn du deinen grossen Bruder wirklich retten willst, dann musst du nur seinen Platz einnehmen. Hast du verstanden?“
 

Er wollte antworten, aber der Praesident wartete nicht. Dieser leckte bereits den Weg seinen blaeulich angelaufenen Hals herunter.

Er wollte antworten und ihm dabei die Zunge rausreissen. Aber er brachte es kaum fertig, ein Roecheln durch seine zerquetschte Kehle zu pressen. Angewidert schloss er seine Augen und glaubte sich bereits verloren. Er war sich sicher, dass es nun kein Entkommen mehr gab. Da verschwand mit einem Mal das Gewicht des fremden Koerpers. Er vernahm einen entsetzten Schrei und dann rief jemand seinen Namen.
 

„Seung-Riya! Oh Gott!“

Es war Young-Bae. Seine Lider oeffneten sich und er sah diesen vor sich. Besorgnis zeichnete sich in den Augen des Aelteren ab. Besorgnis, die seine Hand zittern liess, als er sie auf dem Kopf seines Freundes bettete.

„Sag doch was.“, flehte er und sein Gegenueber bewegte die Lippen.
 

„Hyung...“, rang es sich aus dessen Mund. Young-Bae war den Traenen nahe. Er wollte den Juengeren packen und fest in seine Arme schliessen, aber lautes Rufen lenkte seine Aufmerksamkeit den anderen zu.
 

„Ji-Yong! Ji-Yonga, hoer auf!“

Seung-Hyun stand neben ihrem Anfuehrer und beobachtete schockiert dessen Tun. Sie beide waren als Erste im Buero ihres Mentor angelangt und hatten diesen unter einem gemeinsamen Aufschrei des Entsetzen von ihrem scheinbar bewusstlosen Freund heruntergezerrt. Seung-Ri so zu sehen, nach allem, was er geopfert hatte, um diesen zu beschuetzen, hatte anscheinend Ji-Yongs Verstand aussetzen lassen. Kaum dass der Praesident zu Boden gegangen war, hatte er begonnen, auf ihn einzutreten. Mit aller Kraft rammte er seinen Fuss in dessen Rippen und Magen, traf ihn sogar einige Male am Kopf. Er war nicht mehr zu bremsen. Rasend vor Wut schrie er Yang Verwuenschungen entgegen und maltretierte diesen auch dann noch, als er sich schon nicht mehr wehrte. Dae-Sung, der ebenfalls versuchte, ihn anzusprechen, wich nun angsterfuellt vor seiner steigenden Raserei zurueck und stolperte auf den Aeltesten zu.
 

„Jetzt tu doch etwas! Sonst bringt er ihn noch um!“, schrie er diesen an.
 

„Ich wuenschte, er wuerde es tun.“, murmelte Seung-Hyun unverstaendlich.
 

„Was?“
 

Er antwortete nicht mehr. Mit entschlossener Mine trat er von hinten an Ji-Yong heran, um dessen Oberarme zu packen und ihn an sich zu ziehen. Er war gezwungen, seine gesamte Kraft aufzubringen, bis er es endlich schaffte, den Juengeren vom leblosen Koerper ihres Mentor fortzureissen.
 

„Nein! Lass mich! Ich bring das Arschloch um!“, begann er wie wahnsinnig zu kreischen, aber der andere war unerbittlich. Er umschlang seinen Oberkoerper mit beiden Armen und hielt ihm letztlich sogar den Mund zu. Noch einige Sekunden lang zappelte sein Freund in seinem Griff, wobei erstickte schreie aus seiner Kehle traten, dann wurde er endlich ruhig.

Unterdessen war Dae-Sung an den Praesidenten herangetreten und hatte ihn auf den Ruecken gedreht. Zoegerlich legt er zwei Finger auf dessen Halsschlagader, um seinen Puls zu fuehlen, Danach wandte er sich den anderen zu, welche ihn, bis auf Seung-Ri, gespannt ansahen.
 

„Er ist bewusstlos.“
 

„Scheisse! Warum ist er nicht tot?“, stiess Ji-Yong auf diese Erklaerung hin hervor und riss sich von dem Aelteren los. Dieser wollte nochmals zugreifen, doch es war nicht mehr noetig. Ihr Anfuehrer hatte sich abreagiert. Dessen Blick war nun erneut auf ihren Juengsten gefallen und sofort wurde sein Zorn nichtig.
 

„Seung-Ri...“

Befangen wankte er auf das Sofa zu, von welchem sich der andere noch immer nicht erheben konnte. Im vollen Bewusstsein, von seinen Freunden beobachtet zu werden, sank der Anfuehrer auf die Knie. Seine Haende strichen bebend ueber die schmalen Schultern Seung-Ris hinweg, um sich mit Bedacht unter dessen Oberkoerper zu schieben. Um ihn fest zu umschliessen und sich dicht an die schwache Gestalt zu druecken, waehrend seine Traenen zu fliessen begannen. Der Juengere konnte sie spueren. Sie trafen auf seine Haut auf und benetzten sie in grosser Zahl. Dass sein grosser Bruder seinetwegen weinte, obwohl er sein Unglueck selbst verschuldet hatte, machte ihn traurig. So erwiederte er die Umarmung mit der gesamten Kraft, die er aufbringen konnte.
 

„Es tut mir leid.“, fluesterte er und auch unter seinen Lidern sammelte sich Fluessigkeit. Als der Aeltere sich jedoch auf die entschuldigenden Worte hin von ihm loeste und ihn in einer Mischung von Schmerz und Sorge betrachtete, draengte er sie zurueck.
 

„Warum? Warum bist zu zu ihm gegangen, obwohl du weisst...was er getan hat...?“

Ji-Yong konnte es nicht verstehen.
 

„Ich-“

Seung-Ri schluckte schwer.

„Ich wollte dir helfen. Ich wollte dich...retten.“

Zum Ende hin wurde er sehr leise und wandte den Blick ab. Wie dumm sein Vorhaben klang, als er es aussprach. Letztlich war er derjenige, der gerettet werden musste. Nie haetter er geahnt, dass es so ausgehen wuerde. Ji-Yong schuettelte resignierend den Kopf und wischte seine Traenen fort. Dann packte er den anderen und half ihm, sich aufzusetzen. Um es zu schaffen benoetigte der Juengere einigen Schwung, sodass sich dessen Oberkoerper abrupt hob und sein Gesicht erst kurz vor dem des Aelteren zum stehen kam. Einen Augenblick lang sahen sie sich an, doch der Kontakt brach, indem Ji-Yong seine Stirn an die seines Gegenuebers lehnte.
 

„Mach das nie wieder.“, sagte er nicht ohne Dank in der Stimme.
 

„Ahm, ich will nicht stoeren, aber was machen wir jetzt mit ihm?“

Waehrend der letzten Minuten hatte sich der Praesident ab und an geringfuegig geregt. Eine Tatsache, welche Dae-Sung mit wachsender Nervositaet zur Kenntnis genommen hatte.

Ihr Anfuehrer entfernte sich von Seung-Ri und stand auf. Er liess ein paar Sekunden verstreichen, in welchen er Yang verechtlich betrachtete.
 

„Wir rufen die Polizei und zeigen ihn an.“
 

Young-Bae tauschte einen erstaunten Blick mit Seung-Hyun, woraufhin dieser sich vergewisserte.
 

„Und was genau willst du ihnen erzaehlen?“
 

„Alles.“, war die knappe Antwort, welche keine Wiederworte zuliess. Er wandte sich ab und ging auf die Tuer zu.

„Sie muessen alles wissen.“
 

Seung-Hyun zoegerte nur noch einen kurzen Moment, dann zog er sein Handy hervor und waehlte den Notruf.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Smiloda_VIP
2011-07-21T23:44:37+00:00 22.07.2011 01:44
Diese FF ist einfach... wow... unglaublich!!
Wie hast du es geschafft, dass ich hier vor meinen Laptop fast ausgeflippt wäre und mit Sachen um mich geworfen hätte o_O ...
Ich war kurz davor mich in den nächsten Flieger zu setzten und den Präsident zu ermorden xDD ...
Auf jeden Fall grandios geschrieben und du hast die Emotionen so gut rüber gebracht!
Auch wenn ich die Story nicht mag xDD
Du kannst doch nicht meinen GD Schatz vergewaltigt werden lassen ô__O T_T
Kein Wunder das du stolz auf die FF bist sie ist unglaublich
LG SmilodaVIP :3
Von:  Kyungil
2011-04-11T14:57:28+00:00 11.04.2011 16:57
Also da hast du mir was angetan! öö
Ich war beim Lesen in richtiger Krawallstimmung! xD
Erst wollte ich meine Kaffeetasse durch die Welt feuern, dann wollte ich meinen Nachbarn zusammentreten... xDDD

Ok, Scherz bei Seite, ich liebe auch das Kapitel wieder.
Du schaffst irgendwie immer alles so detailliert zu beschreiben, dass ich mich in die Situation reinversetzt fühle und trotzdem nicht mit unnötig langem Text überladen werde.
Von: abgemeldet
2011-04-03T20:27:51+00:00 03.04.2011 22:27
Oh man, armer Ji-Yong.
Bevor ich mit dem Kommentar richtig anfange will ich sagen, danke, dass du wieder so schnell geschrieben hast. Die 25 Seiten gefallen mir auch, nahah.
Ich kann die Mitglieder echt verstehen.
Zu sehen, wie so ein Monster noch frei rumläuft.. und sie können nicht mal etwas dagegen tun. Ich finde Seung-Hyuns Charakter in dieser Geschichte echt zu niedlich.. Er sorgt sich echt gut um GD und den anderen.
Der Ausraster von Seung-Ri war auch echt unendlich traurig.
Ich finde aber, dass du die Szene echt gut geschrieben hast. Ich hab' mir wirklich alles bildlich vorstellen können.
Als ich gelesen habe, dass Seung-Ri nicht mehr aufm Dach war.. Oh mein Gott: Ich dachte er hat sich umgebracht oder so.. Man.. Aber die zweite Sache war auch nicht gerade berauschend.. Jetzt auch nicht Seung-Ri.
So ein .. perverses Schwein, eh. >_<
Ich fand dieses Kapitel so .. dramatisch aber widerum echt toll.
Ich mag deinen Schreibstil echt gerne und freue mich auf das nächste Kapitel. :)
LG. <3



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