Zum Inhalt der Seite

Die Hexen von Asunquarth

Die Chroniken der Weltenwandler - Erdmagie
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Echsen

Kapitel 02: Echsen
 

Ein weiteres Jahr verging in Verur und mittlerweile war Yur vierzehn, wenngleich sie noch immer nicht mehr über die Magie, ihre Rasse, ihre Herkunft oder die anderen Welten wusste. Und noch immer war kein Weltenwandler in diese Welt gekommen. Es war, als wären sie völlig von den anderen Welten abgeschnitten. So, als würden sie oder die anderen nicht existieren.

Auch hatte sich an Yurs Zustand nicht viel geändert. Sie war nicht menschlicher geworden, eher im Gegenteil. Die Schuppen ihrer Haut waren glatter geworden, aber gleichzeitig deutlicher zu erkennen. Außerdem standen die Knochen an ihren Gelenken nun merkwürdig spitz hervor.

Ja, selbst ihre Magie- oder Schwertkampfkenntnisse hatten sich nicht in die Richtung verändert, in die sie es sich wünschte, wenngleich ihre Kraft zugenommen hatte. Doch dadurch war ihr Kampfstil noch unbeherrschter geworden und es war für die geschickten anderen Jungen ein Leichtes geworden, sie mit wenigen Schlägen zu besiegen.

Allerdings war es auch nicht der Schwertkampf, den sie nun weiter übte, sondern der waffenlose Kampf, da ihr Körper sich langsam in eine völlig andere Richtung entwickelte als sie angenommen hatte. Obwohl er durch die nervorstehenden Knochen so eckig und ungelenk aussah, konnte sie sich auf die merkwürdigsten Arten verbiegen und kletterte immer geschickter Bäume, aber auch Wände hinauf, solange diese nicht zu glatt waren.

„Da ist ja unser Echsenkind wieder“, hörte sie die Stimme von Zik hinter sich, die verkündete, dass er und die beiden Lycantropen Gozan und Mur sich näherten. Keigoth hatte mittlerweile aufgeben müssen, an dem Mädchen, das er für einen Jungen hielt, zu kleben wie eine Fliege, um sie, beziehungsweise ihn aufzuziehen, da er zu einem der Wächter der Türme ernannt war, die draußen im Wald standen, denn die Sicherheitsmaßnahmen um das Kloster herum waren im letzten halben Jahr verschärft worden. Daher sah er sie bei weitem nicht mehr häufig genug, um sie wegen irgendwelcher Dinge aufzuziehen, was ihr wiederum nur Recht war.

„Wo will das Echsenkind denn hin?“, fragte Gozan, der selbst halb Ratte war, und lehnte sich vor ihr gegen die Wand.

„Das geht dich nichts an, Rattenjunge“, erwiderte sie spitz, als ich auch Mur, der ein Jahr jüngere Bruder Gozans, den Weg versperrte.

Die beiden relativ kräftig gebauten Jungen von siebzehn und sechzehn Jahren reichten um den gesamten schmalen Gang zu versperren, während der nicht so kräftige Zik sich hinter ihr aufbaute.

„Jetzt sag schon, Echsenjunge“, meinte er. „Sei doch nicht so unfreundlich.“

„Ich frage mich nur, wer unfreundlich ist“, erwiderte sie, ohne sich zu ihm umzudrehen und blieb einen halben Meter von den beiden Lycantropen entfernt stehen.

„Tse, ganz schön frech für einen Außenseiter.“ Mur grinste sie breit an und zeigte dabei seine sehr authentischen Rattenzähne, während er die Arme vor dem Körper verschränkt hatte.

Sie zuckte nur mit den Schultern. „Denkt doch, was ihr wollt, aber lasst mich vorbei.“

„Aber, aber“, begann Zik.

„Kein Aber“, erwiderte sie. „Ihr dürft mich nicht angreifen, also lasst mich in Ruhe.“

„Wie wär’s mit einem kleinen Kampf?“ Der älteste der drei Jungen hinter ihr legte ihr die Hand auf die ebenfalls ziemlich spitze Schulter, woraufhin sie ihn doch über seinen Arm hinweg ansah.

„Was für einen Kampf?“, fragte sie.

„Egal, ich werde dich überall schlagen, Schwächling“, antwortete er.

„Aber ich muss mich auf nichts einlassen.“ Sie wollte sich von seiner Hand befreien, doch er drückte noch fester zu, woraufhin sie ihn anfauchte. „Lass mich ihn Ruhe, Zik, du handelst dir nur wieder Ärger ein.“

„Willst du petzen, Feigling?“

Da begann Gozan zu kichern. „Ach, du kennst unseren Yur doch. Ein kleines, hässliches, feiges, schwaches Echsenkind.“

„Kein Wunder, dass du hier allein bist“, meinte Zik bestätigend.

„Halt’s Maul!“, rief sie, bei weitem nicht mehr so beherrscht, wie sie es noch ein Jahr vorher war. Da hatte sie diese Worte ignorieren können, doch die Unruhe in ihr hatte immer mehr zugenommen – nahm beinahe mit jedem Tag zu.

„Was?“, fragte er und grinste sie an. „Du kennst keine Familie. Wahrscheinlich wurdest du ausgesetzt, hmm? Vielleicht bist du aber auch verflucht – wüsste nicht, was du sonst sein solltest, Echsenkind!“

Im nächsten Moment flog er rückwärts durch den Gang und schlug schließlich hart auf dem Boden auf, ehe Yur die Wand hinauf und dann die Decke entlang flüchtete. Ein paar Schritte hinter den Rattenmenschen ließ sie sich auf den Boden fallen und rannte dann auch schon weiter, in Richtung des Hauptganges, der in die steinerne Halle führte – die Eingangshalle des Klosters.

Sie war ohnehin auf dem Weg dorthin gewesen, da sie sich in letzter Zeit viel ihrer freien Zeit, die sie sich auch manchmal nahm, im Dschungel verbrachte. Dort war sie meist allein, musste sich nicht verstellen und wurde in Ruhe gelassen. Außerdem konnte sie sich dort freier bewegen, als im engen Inneren der Pyramide. Es war so einfach die Bäume hinauf zu klettern und zwischen den Gipfeln, deren Äste oft ineinander übergingen, hin und her zu springen.

Die Jungen verfolgten sie nicht, auch wenn sie jetzt schon wusste, dass sie für den Angriff auf Zik würde später büßen müssen. Da ihr das Sammeln leicht fiel, wahrscheinlich mit zusätzlichem Training oder der Jagd.

Auch deswegen war es besser, sich im Dickicht des Dschungels für eine Weile in Sicherheit zu bringen.

Doch soweit kam sie nicht, denn schon als sie sich der steinernen Halle näherte, hörte sie die aufgeregten Rufe, die, wie sie einen Moment später erkannte, von einem der Elfenmeister kamen. Dieser war schon seit einiger Zeit verschwunden gewesen und man hatte gesagt, dass er in einer anderen Welt war, immerhin besaß er die Fähigkeiten eines Wandlers. Aber erst als sie das Wesen auf seinem Rücken erkannte, wurde ihr klar, was das bedeutete.

Meister Miras war der erste der anderen Meister, der zur Stelle war und den Fremden, den der Elf Tänon hatte gerade zu Boden gleiten lassen, begutachtete.

„Er scheint etwas Fieber zu haben“, hörte Yur ihren Lehrer sagen, da sie mittlerweile nur noch wenige Schritt von ihnen entfernt stand, was sie jedoch erst bemerkte, als Miras sie ansah und herwinkte.

„Yur“, sagte er. „Lauf zu Jiranu. Sag ihm, er soll kommen und welche seiner Schützlinge mitbringen. Ein Sanbok braucht seine Hilfe.“

Das Mädchen verstand nicht, hinterfragte den Auftrag aber auch nicht, sondern lief los. Sie konnte es allerdings nicht lassen noch einmal einen genauen Blick auf das fremde Wesen zu werfen, das noch mehr Ähnlichkeit mit einer Echse hatte, als sie selbst. Dann rannte sie los.

Jiranu, ein Halbblut und der zweite Erdmeister des Klosters, war der oberste Heiler und leitete eine Art Krankenstation, wo er alles von Trainingsblessuren, über Vergiftungen, hin zu Krankheiten behandelte, auch wenn sich die meisten Sachen nach kurzer Zeit erledigt hatten. Zu seinem großen Wehleiden war unter den Tades kein anderer Erdelementar, von Yur abgesehen, und diese konnte nicht heilen. So war seine einzige Unterstützung ein Menschlicher Ausbilder, der ebenfalls die Erde kontrollierte und einige Tades, die sich halbwegs auf Heilungsmagie verstanden.

„Meister Jiranu“, keuchte Yur, als sie bei den um einiges unter der Eingangshalle und am äußeren Rand der Pyramide gelegenen Pflegezimmern ankam und den Heiler erblickte.

Seufzend drehte sich der ältere Mann mit den Dämonenaugen, um. „Was hast du, Kind?“

Die Vierzehnjährige brauchte etwas, um ihre Gedanken zu ordnen, ehe sie erklärte. „In der steinernen Halle. Tänon ist zurück und er hat einen Fremden bei sich. Meister Miras sagte ein Sanbok. Sie sollen ihm helfen. Der Meister sagte, er hätte Fieber.“

Daraufhin rieb sich der Halbblütige am Kinn. „Ein Sanbok…“, murmelte er, ehe er sich zwei ihrer Gehilfen, beide Tades, zu sich rief und sich mit ihnen auf den Weg zur Eingangshalle machte.

Yur zögerte. Sollte sie mitgehen? Eigentlich ging die Sache sie ja nichts an, doch das fremde Geschöpft hatte sie neugierig gemacht. Die braunorangene grobschuppige Haut, die ihr um so viele ähnlicher war, als die Haut aller anderen hier im Kloster. Aber Yur wollte nicht als neugierig oder aufdringlich gelten. Sie würde ohnehin nur im Weg sein, wenn sie die Echse hinab brachten. Ja, sie würden ihn – oder war es eine sie? – hierher bringen.

Also konnte sie auch hier warten.

So setzte sie sich, wie gelernt, im Schneidersitze in einer Ecke auf den Boden und wartete darauf, dass sich die Schritte, die erst vor kurzem verklungen waren, wieder näherten.

Zumindest drang hier durch die Öffnungen in der Wand das Licht von draußen hinein, was die Räume um einiges freundlicher erscheinen ließ, als die inneren Räume des Gebäudes. Auch war die Luft um einiges besser; sogar die süßen Düfte des Obstes auf den Bäumen, wurden vom Wind hinein geweht.

Sie fragte sich, was der Fremde genau war. Sanbok… Das Wort hatte sie nie gehört, jedenfalls konnte sie sich nicht daran erinnern.

Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis sie endlich hörte, wie sich fünf Paar Füße, wenn sie nicht irrte, näherten. Vorsichtig stand sie auf, und sah, wie man die auf einer Trage liegende Echse in den benachbarten Raum brauchte, und ging, als niemand hinaus kam, vorsichtig zur Tür.

Gerade in dem Moment stob ein Halbelf, einer der beiden Tades, die den Echsen getragen hatten, hinaus – scheinbar um etwas zu holen.

„Was machst du hier?“, fuhr er sie an, als er sie entdeckte.

Sie rang um Worte, doch dann erklang Miras Stimme aus dem Raum. „Lass sie zu mir“, befahl er dem Jungen, woraufhin dieser nur mit der Schulter zuckte und in dem Raum, in dem Yur zuvor gewartet hatte, verschwand.

So trat das Mädchen in den Raum, wo Tänon, Jiranu und Miras um das merkwürdige Wesen herum saßen und der Heiler es untersuchte.

„Der Junge steht unter Schock“, stellte er fest und zuckte mit den Schultern. „Aber er schläft nur. Das Fieber ist nicht hoch. Es wird ihm sicher schnell wieder besser gehen, wenn er nur ein paar Tage Ruhe bekommt.“

„Gut.“ Tänon schien beruhigt und seufzte.

„Was ist mit ihm eigentlich geschehen?“, fragte der Heiler nun, woraufhin der Elf einen Blick zu den beiden Tades – der zuvor gegangene war gerade zurückgekehrt – und Yur warf.

„Das sollten wir woanders besprechen“, meinte er.

Die anderen beiden nickten daraufhin nur.

Schließlich winkte der Halbdämon den elfischen Tade zu sich und ließ sich von ihm das Pulver reichen, das er gerade geholt hatte. Dieses gab er in eine bereits bereitstehende Wasserkaraffe, wo es sich schnell und mit einem hörbaren Zischen auflöste.

„Yur“, begann Miras.

Sie nickte. „Ja, Meister?“

„Kümmer’ dich um den Jungen, solange er noch ohnmächtig ist“, beauftragte sie ihr Lehrer.

„Aber…“ Sie wollte widersprechen. „Ich gehöre nicht zu den Heilern.“ Es wäre rechtens gewesen, wenn einer der Gehilfen Jiranus sich um den Echsen kümmerte, auch wenn sie es gerne gemacht hätte.

„Doch ich bitte dich darum“, erwiderte ihr Meister, was von einem Nicken des Heilers unterstützt wurde, der gerade versuchte mit einem Glas etwas der Flüssigkeit ins Maul des Echsen zu füllen.

Daraufhin verbeugte sich das Mädchen. „In Ordnung.“

„Gut.“ Halb seufzend, halb stöhnend richtete sich ihr Meister auf und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Dann verließ er das Zimmer, vom Elfen gefolgt.

Eine Handbewegung des Heilers vertrieb auch die beiden wartenden Tades, ehe sich Jiranu noch einmal ihr zuwandte. „Sag bescheid, wenn er aufwacht oder sein Fieber doch steigen sollte.“

Gehorsam nickte sie.

„Ansonsten möchte ich, dass du ihm wenn es dämmert noch einmal eine Tasse des Trankes zu trinken gibst.“ Damit zeigte er auf die Karaffe, was die Erdmagierin erneut mit einem Nicken beantwortete.

„Ich kann mich auf dich verlassen, Yur?“, fragte Jiranu, als er aufstand.

„Sehr wohl, Meister“, erwiderte das Mädchen und verbeugte sich erneut.

„Gut…“, murmelte der Halbdämon und verließ schließlich ebenfalls den türlosen Raum, ließ Yur mit dem Fremden allein.

Sie verstand nicht, was das sollte, auch wenn sie ahnte, dass ihr Meister ihre Neugierde bemerkt hatte und sie deshalb mit dem Sanbok hatte alleine lassen wollen. Dem ersten Wesen, das zumindest entfernt Ähnlichkeit mit ihr hatte.

Seufzend setzte sie sich auf den Schemel neben der hölzernen Liege, auf der man das Wesen abgelegt hatte, und starrte es an. Sie hatten von diesem Wesen als einen „er“ gesprochen, also war es wohl ein Junge.

Aber was genau war ein Sanbok?

Vom Äußeren gehörte er nicht derselben Rasse an wie sie. Die Haut war heller und noch unnatürlicher gefärbt und sein Gesicht war im Gegensatz zu ihrem nicht annährend Menschlich. Er hatte eine Art längliche, spitzzulaufende Schnauze, wobei der obere Teil etwas größer schien, als der Unterkiefer. An der Spitze waren zwei Atemlöcher zu erkennen, während die Schuppen hier noch horniger waren, als im restlichen Gesicht. Die Augen waren geschlossen und so zwei längliche Schlitze, während der hinten etwas rundlichere Kopf scheinbar keine Ohren besaß. Allerdings hingen einige breitere Hautstücke wie Haare locker am Hinterkopf herum, vier davon solang, dass sie zusammen gebunden waren. Der restliche Körperbau war ebenfalls nicht sehr menschlich. Seine Arme waren sehr breit, wurden zu den Händen hin sogar noch breiter, während an diesen nur jeweils drei hornige Finger zu erkennen waren. Auch unterschieden sich die Hände nicht großartig von den Füßen, während seine Beine merkwürdig gebogen waren. Neben dem Körper hing ein längerer Schwanz hinab, an dem die Schuppen dicker zu sein schienen, als am restlichen Körper.

Nein, so ein Wesen hatte auch Yur noch nie gesehen. Doch irgendwie fühlte sie sich mit ihm verbunden.

Vorsichtig griff sie mit ihrer Hand nach seinen hornigen Fingern. Obwohl er angeblich Fieber hatte, fühlte er sich führ sie eher gespenstisch kühl an. Aber vielleicht lag seine Körpertemperatur normal weit unter der von Menschen?

Weiter starrte sie ihn an. Warum war er hier?

Würde es ihr Meister ihr verraten, wenn sie ihn fragte? Wohl eher nicht, sonst wären die Lehrmeister nicht gegangen, um zu reden. Doch warum?

Er gehörte genau so wenig hierher, wie sie…
 

Einige Zeit verging und erst, als das Licht um sie nun gänzlich verschwunden war, wurde Yur wach und sah sich um. Sie musste eingeschlafen sein.

Etwas benommen sortierte sie ihre Gedanken, als der ohnmächtige Echsenjunge vor ihr sie Erinnerungen zurückholte. Ja, sie sollte sich um ihn kümmern. Sie hatte ihm eigentlich in der Dämmerung etwas von dem Trank, den Jiranu gebraut hatte, geben sollen.

Hastig füllte sie etwas von dem dickflüssigem, aber durchsichtigem Gebräu in den Lehmbecher, den der Heiler auf dieselbe steinerne Fläche gestellt hatte, wie die Karaffe, und wollte es in das Maul des Sanbok flößen, als er den Kopf auf einmal bewegte, so dass sie in ihrem Schreck den Becher fallen ließ.

Er begann zu zucken und murmelte etwas vor sich hin, doch sie verstand die Sprache nicht.

Was sollte sie jetzt tun?

Verschreckt wich sie zur Tür zurück, als sie weitere Stimmen von draußen hörte. Die Meister waren hier wahrscheinlich noch irgendwo! Am besten würde sie Tänon oder Jiranu holen. Sie wussten zumindest, was mit dem Jungen los war.

Also rannte sie aus dem Zimmer, den Gang entlang, in sie Richtung, aus der die Stimmen kamen, dem nächsten Gang, der in das Innere des Klosters hinein führte. Es gab hier so viele Räume, die nie oder wenig genutzt wurden…

Aus einem Raum, dessen Eingang mit Tüchern verhängt war, wie man es meist auch bei den Krankenzimmern tat, war der schwache Schimmer vieler Fackeln oder eines großen Feuers zu erkennen und von hier kamen auch die Stimmen, die zugegebener Maßen ziemlich aufgebracht klangen.

„… raushalten“, war der erste Fetzen den sie verstand.

„Wenn sie den Schlüssel finden, wird alles noch viel schlimmer, als es jetzt ist“, erkannte sie dann Tänons Stimme.

„Wenn…“, erwiderte jemand anderes.

Noch eine andere Stimme war zu vernehmen: „Wir haben solange überlebt, weil wir auf keiner Seite stehen.“

„Das ist dem Rat mittlerweile egal“, antwortete ein wieder anderer, an dessen Aussprache man jedoch erahnen konnte, dass es ein Dämon war, da er die Konsonanten besonders betonte, wie es sich diese oft angewöhnt hatten.

„Wir sollten ihn nicht weiter provozieren.“

„Sie hätten den Jungen ausgenutzt, wie auch die anderen Seher“, verteidigte sich Tänon nun, als Yur Schritte im Gang hörte.

Nun war ihr zumindest klar, dass sie über den Echsenjungen sprachen, sonst wäre es nicht Tänon der sich verteidigen müsste. Aber was sollte das heißen – ein „Seher“?

Die Schritte kamen näher und bogen aus der anderen Richtung in den Gang ein, so dass das schuppenhäutige Mädchen sich gerade noch rechtzeitig die Wand hinaufziehen konnte und im relativen Schatten an der Decke verschwand, nur hoffen, dass man ihren Umriss vor der leuchtenden Wand nicht bemerkte.

Doch tatsächlich ging der ältere Tade, der aus der anderen Richtung kam, einfach unter ihr hinweg, ohne ihr auch nur die Spur von Aufmerksamkeit zu schenken, so dass sie sich wieder dem Gespräch im Raum widmen konnte. Dabei gehörte sie normal nicht zu denen, die lauschten. Dachte sie zumindest.

„… kann nicht hier bleiben“, fuhr einer der Ankläger fort.

„Was sollen wir sonst tun?“, erwiderte der Elf. „Bringen wir ihn zurück nach Zjetu, wird man ihn töten. In den anderen Welten wird er sehr wahrscheinlich in die Hände des Rates fallen.“

„Und wenn schon.“ Jemand räusperte sich gewichtig. „Ich zweifle ohnehin, dass der Schlüssel noch existiert. Wie erklärt Ihr euch sonst das Chaos, das in letzter Zeit entstanden ist? Sollte der Schlüssel das nicht ordnen?“

„Vielleicht gibt es dieses Chaos auch, weil der Schlüssel erwacht ist?“

„Wie sollte das sein?“

Yur verstand nicht wirklich, wovon sie redeten, doch trotzdem lauschte sie gespannt noch immer unter der Decke hängend. Was war das für ein Schlüssel von dem sie da sprachen? Und wie konnte ein Schlüssel erwachen? Nein, sie hatte kaum eine Ahnung, weshalb sich die Meister stritten.

„Das steht jetzt nicht zur Debatte“, beendete der Dämon, dessen Stimme das Mädchen schon vorher gehört hatte, die Diskussion. „Wir sollten uns jetzt nur überlege, was wir mit dem Jungen machen. Kyssan war sein Name?“

Da horchte die Erdmagierin auf. „Kyssan?“, flüsterte sie. Das war also der Name des Jungens. Noch aufmerksamer als zuvor spitzte sie die Ohren, als sie ein kleiner Stein an der Hüfte traf und sie erschrocken von der Decke plumpste und im nächsten Moment in die Augen Miras’ sah.

„Du hast gelauscht, Yur?“, fragte er ernst, woraufhin sie unbewusst den Kopf einzog.

„Ich…“, begann sie und wollte sich eine Ausrede einfallen lassen.

Daraufhin schüttelte ihr Meister den Kopf. „Du solltest bei dem Jungen bleiben.“

„Ja“, murmelte sie. „Ja, genau… Ich, der Junge hat im Schlaf begonnen zu zucken und sich zu bewegen, daher wollte ich Meister Jiranu holen.“

„Und hast dann gelauscht, als du das Gespräch gehört hast“, beendete der Erdmagier.

„I-Ich“, stotterte sie, senkte dann aber den Kopf. „Ja… Es tut mir leid. Aber er…“

Der alte Menschenmann schüttelte den Kopf und packte sie bei der Schulter. „Geh zu dem Jungen zurück. Wir werden später darüber reden.“ Er seufzte. „Was ist los mit dir, in letzter Zeit? Du verschwindest, greifst andere Tade an und lauscht… Früher hast du dich besser als irgendwer an die Regeln gehalten.“

„Es tut mir leid, Meister“, murmelte sie nur bedrückt und rannte schließlich zu dem Krankenzimmer zurück, wo sie, als sie zur Liege sah, in ein paar vollkommen schwarzer Augen blickte.

Der Echsenjunge saß aufrecht auf der Liege und starrte sie mit einem Ausdruck auf seinen schuppigen Gesichtszügen an, den sie nicht deuten konnte. Sein Körper zitterte und er atmete noch etwas unregelmäßig, doch er war aufgewacht.

„Wer bissst du?“, zischelte er und wich ein Stück vor ihr zurück, so dass er mit dem rundlichen Rücken ganz an der Wand saß.

Überrascht wie sie war, brauchte Yur etwas, bis sie eine Antwort zu Stande bekam. „Mein Name ist Yur.“

„Wass willssst du?“ Weiterhin misstrauisch zog er sich noch etwas weiter zurück.

„Nichts“, erwiderte sie und schüttelte den Kopf, ehe sie vorsichtig auf ihn zuging. „Ich… Ich sollte mich um dich kümmern. Du hattest Fieber“, sagte sie unsicher. „Das hat man mir gesagt… Ich… Geht es dir wieder besser?“

Etwas an seinem Gesicht wurde unsicher. „Fieber?“, fragte er und wandte den Blick ab, um sich um Raum umzusehen, was er wahrscheinlich auch schon gemacht hatte, bevor sie gekommen war.

„Das sagte man mir.“ Erneut ging sie ein Stück auf ihn zu und stellte sich schließlich unsicher neben die Liege. „Glaub mir, ich will dir nicht tun… Ich meine… Warum sollte ich?“

Diese Frage zog längeres Schweigen nach sich, ehe er schließlich tief ein und ausatmete. „Wo bin ich hier?“

„Im Kloster der Magier von Verur“, antwortete sie. „Du bist hier sicher…“, fügte sie dann noch hinzu, auch wenn sie selbst nicht wirklich wusste, ob das stimmte. Nachdem was sie gehört hatte, gab es zumindest Gründe daran zu zweifeln.

Lange Zeit sah er sie mit seinen länglichen, wirklich komplett schwarzen Augen an, bevor er sich wieder vorsichtig hinlegte und ihr ohne ein weiteres Wort den Rücken zuwandte.

„Was…“, begann sie vorsichtig, doch er schien wieder zu schlafen, zeigte jedenfalls keinerlei Reaktion als sie ihn leicht an der Schulter berührte.

Seufzend sank sie auf den Schemel zurück und sah auf seinen Rücken. Er schien verängstigt zu sein, so dass sie zu gerne gewusst hätte, was mit ihm zuvor passiert war, auch wenn es sicherlich mehr als unfreundlich war danach zu fragen.

Sie erinnerte sich an Tanöns Worte. Wenn man ihn zurück bringt nach… Irgendein Name, vielleicht der Name der Welt oder des Landes, aus dem der Echse kam… Wenn man ihn dorthin zurück brachte, würde man ihn töten. Aber wieso sollte man so etwas tun? Hatte dieser Junge, Kyssan, irgendetwas verbrochen? Was sollte es sonst für einen Grund geben ihm das Leben zu nehmen?

Und der Rat von dem sie gesprochen hatten… War damit der Rat der Weltenwandler gemeint? Sie hatte in einem der Bücher von dessen Existenz gelesen, auch wenn sie nicht genau wusste, was das war.

„Was ist mit ihm?“, fragte nun Jiranu, der herein kam.

Erschrocken sah das Mädchen zu ihm auf. „Er ist kurz aufgewacht“, murmelte sie. „Aber jetzt schläft er wieder.“

„Das sehe ich“, erwiderte der Halbdämon unfreundlich und beugte sich über den Sanbok. „Geh zu Miras, Yur“, befahl er ihr dann. „Er will mit dir reden.“

Sie senkte den Kopf. „Sehr wohl“, murmelte sie und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum, um zur Terrasse zu gehen, wo ihr Meister am wahrscheinlichsten auf sie wartete. Sie wusste, dass sie ziemlichen Ärger bekommen würde, zumal ihr Lehrer von dem Angriff auf Zik zu wissen schien. Aber das konnte sie jetzt nicht mehr ungeschehen machen, auch wenn es sie traurig machte, den gutmütigen alten Miras enttäuscht zu haben. Es gab Dinge, die sie einfach wissen wollte – wissen musste – und die ihr niemand erklärte. Sie konnte nicht ewig dumm in diesem Kloster warten, bis sich die Dinge von selbst klärten, auch wenn sie das lange gedacht hatte. So würde sie nie erfahren, was sie war. Oder?

Die Unsicherheit in ihr war noch immer da.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Caliburn
2014-02-03T20:26:35+00:00 03.02.2014 21:26
Dahaha! Der Rattenjunge ist ein schönes Beispiel für einen klassischen Bully. Versucht eigene Defizite zu verstecke indem man andere ärgert. An manchen Stellen dachte ich mir echt: "Musst du gerade sagen." xD

Kyssan ist mir jetzt schon sympathisch - das langgezogene 's'. x3 Ja, das mochte ich schon bei den Bangaas so sehr. Was es ansonsten mit ihm auf sich hat, werde ich ja demnächst lesen, von daher.
Antwort von:  Alaiya
03.02.2014 21:27
Ja, das wird noch vorkommen :3 Hihi, da kannst du noch miträtseln und so.
Von: Futuhiro
2010-01-04T18:17:09+00:00 04.01.2010 19:17
Ich fand das Kapitel stellenweise etwas langgezogen. (Okay, lassen wir das Thema mit den Absätzen ... ^^ )
Viel von der Informationsflut war notwenig um weitere Ereignisse ins Laufen bringen zu können. Ein paar Infos fand ich aber auch verfrüht. Ich denke, über die Herkunft und Fähigkeiten des Echsenjungen hätte man sich jetzt noch nicht so ausführlich auslassen brauchen.

Trotzdem ein schönes Kapitel, das Lust auf mehr macht.
Von:  Silver-DragonX
2009-05-04T12:11:31+00:00 04.05.2009 14:11
hat mir sehr gut gefallen. vor allem diese anderartigkeit von yur wird richtig deutlich. der rattentyp muss zudem lustig aussehen.
es is richtig toll geschrieben und ich kanns kaum erwarten, die zeit zu finden um weiter zu lesen

grüßle -SDX-
Von: abgemeldet
2009-03-08T21:19:55+00:00 08.03.2009 22:19
Die Kapitel-Gliederung ist überzeugend, der Lese/Erzählfluss optimal.
Es ist eine Freude, Asunquarth zu lesen, auch wie du die vermutlich einsetzende Pubertät von Yur andeutest.
Ich finde es klasse, dass du ihr diese "echsigkeiten"-stärken gegeben hast, das macht sie noch einzigartiger-
der indirekte Konflikt mit Miras ist wie Vater-Tocher XD
uuund Kyssan ist ein klasse neuer Chara!

Ich fands toll, dass du mehr Fragen gestellt, aber auch welche beantwortet hast mit dem Gespräch, das Yur belauscht.
Wirklich - ich gehe hier als sehr sehr sehr zufriedene Leserin raus :D
Von:  Taroru
2009-03-06T16:08:44+00:00 06.03.2009 17:08
was ist denn jetzt nun mit ihm?
was ist mit ihm passiert?
du kannst doch jetzt nicht einfach aufhören! das geht doch nicht XD

es ist wieder richtig spannend geschrieben ^^ freu mich schon drauf weiter zu lesen ^^


Zurück