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Die Hexen von Asunquarth

Die Chroniken der Weltenwandler - Erdmagie
von

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Die Medizinerin

Kapitel 07: Die Medizinerin
 

Während Yur und Unin auf dem Weg zur Heilerin waren, begann das Mädchen sich immer mehr zu fragen, wie weit ihre Füße sie noch tragen würden, da sich ihre Beine mehr als nur wackelig anfühlten.

Trotzdem beschwerte sie sich nicht und ging weiter, einen Fuß vor den anderen setzend.

An sich war das kleine Haus der Heilerin nicht sehr weit von der Taverne entfernt, wenngleich es auch nicht weit vom Rand der riesigen Höhle gelegen war, in der die Stadt Nazsukam lag. Doch Yur kam es wie eine Tagesreise war, weshalb sie erleichtert war, als die Tür des runden Hauses geöffnet wurde.

„Ich habe schon gewartet, Unin“, lächelte sie eine Frau an.

In dem Moment wo sie die Heilerin sah, konnte das Mädchen die Augen nicht mehr von ihr lassen. Nicht, weil sie außerordentlich hübsch oder hässlich war, aber die Schuppen, die ihr größtenteils menschliches Gesicht zierten, waren ihr so bekannt, als würde sie in einen Spiegel blicken. Scheinbar verfilztes grünliches Haar hing über ihre Schultern.

Konnte das sein?

Irgendwo in ihrem Unterbewusstsein, hatte sie wahrgenommen, dass der Elf zuvor als er mit Shanuk sprach einen Namen genannt hatte. Ker… Wie war er noch gewesen? Konnte es etwa sein, dass man hier wusste, was sie war?

Die Frau lächelte sie an. „Wer hätte das gedacht“, meinte sie. „Sie hatten also Recht.“

„Was…“, stotterte Yur.

„Komm erst einmal rein, Kind“, erwiderte die Frau. „Mein Name ist Malan.“

Die Erdmagierin nickte nur leicht und ließ sich von der Älteren die Hand auf die Schulter legen und durch die Tür ins Haus ziehen. Sie wäre ohnehin zu müde gewesen, um sich wirklich zu wehren.

„Willst du vielleicht auch noch einen Tee mit uns trinken, Unin?“, fragte die echsenhäutige Frau an den Elfen gewand, welcher daraufhin den Kopf schüttelte.

„Ich werde euch morgen besuchen, aber Shanuk wird mit mir noch über die Sache reden wollen. Ich habe für die beiden gebürgt“, antwortete er und lächelte Yur noch einmal zu. „Daher werde ich besser gehen. Er ist nicht gerade für seine Geduld bekannt.“

Das beantwortete die Frau mit einem Nicken, ehe sie die Tür schloss. „Komm mit“, sagte sie zur Yur und griff nach ihrer Hand, so dass dem Mädchen, das ihr nur bis knapp unter die Brust reichte, nichts anderes übrig blieb, als ihr zu folgen.

Sie schaffte es kaum, den Blick von der Haut der fremden Frau, die in ein rötliches, scheinbar gewebtes Gewand gekleidet war, abzuwenden. So viele Fragen stiegen gleichzeitig in ihr auf und wollten durch ihren Mund nach draußen preschen. Doch so viel sie auf einmal fragen wollte, so wenig kam doch heraus. Nicht mehr als ein leises völlig unartikuliertes Stottern verließ ihre Lippen, als sie mit der Frau zusammen eine Art Wohnraum betrat, auf dessen Boden einige Decken ausgebreitet waren.

„Setz dich“, forderte die Fremde sie freundlich auf und drückte sie leicht auf den Boden.

Hektisch versuchte das Mädchen ihre Gedanken zu ordnen. „Kyssan“, brachte sie schließlich hervor. „Wo ist Kyssan?“

„Der Sanbok?“, erwiderte die Heilerin Malan. „Er ist noch immer ohnmächtig, aber ich werde mein Bestes für ihn tun.“ Während sie sprach, füllte sie einen Lehmbecher mit einer scheinbar heißen Flüssigkeit aus einem Kessel. „Möchtest du Tee?“

Ein schwaches Nicken folgte von Yur, die die Medizinerin noch immer verwirrt ansah und es schließlich, als diese ihr gerade einen weiteren Lehmbecher in die Hand drückte, eine Frage zu Stande zu bekommen: „Was seid Ihr?“

Malan sah sie an. „Du weißt nicht, was du bist?“, erwiderte sie, da sie den Hintergrund der Frage scheinbar sofort verstand. „Wir sind Kegarth.“

„Kegarth…“, murmelte Yur. Diesen Namen hatte vorher Unin auch genannt. Also kannte man ihre Rasse hier tatsächlich! „Kegarth“, wiederholte sie. „Kegarth…“

„Wie kommt es, dass du nicht einmal weißt, welcher Rasse du angehörst?“, fragte die Heilerin nach einer Weile, in der das Mädchen den Becher in seinen Händen angestarrt hatte, und sah sie mit ihren gelben Augen an.

Die junge Erdmagierin erwiderte den Blick und überlegte erneut, ob sie der Fremden wirklich vertrauen konnte, aber allein durch die Tatsache, dass sie nun endlich jemanden gefunden hatte, der so war, wie sie, begann sie schließlich zu erzählen. Sie erzählte der Frau, die nicht viel größer war als sie, von Verur und den anderen Jungen und von der Unruhe der letzten Zeit, bis sie schließlich erneut in Tränen ausbrach.

All das nahm die Heilerin ruhig und nickend auf, bis sie das weinende Mädchen, nachdem es seine Erzählung beendet hatte, schließlich in einen kleinen anliegenden Raum brachte, dessen Boden fast komplett mit Kissen bedeckt war.

„Du solltest dich erst einmal ausruhen“, meinte sie sanft zu Yur. „Du hast viel hinter dir.“

Erneute Unsicherheit befiel sie, doch Malan sah sie an.

„Du brauchst Ruhe, Yur“, sagte sie. „Es wird dir nichts passieren, wenn du schläfst. Du bist hier sicher. Der Rat kennt diesen Ort nicht.“ Damit drückte sie sie erneut mit sanfter Gewalt zu Boden. „Schlaf, Mädchen, Schlaf…“

Noch einmal schenkte die Jüngere ihr einen beunruhigten Blick, doch sie konnte nicht verleugnen, dass sich die Kissen verführerisch weich anfühlten. Sie schaffte es nicht mehr noch länger gegen ihren ausgelaugten Körper anzukämpfen, der sich momentan nichts mehr ersehnte als Schlaf.

So dauerte es auch nicht lange – kaum hatte die Heilerin die hölzerne Tür zu dem kleinen Zimmer geschlossen – bis das Mädchen in einen tiefen, glücklicher Weise traumlosen Schlaf verfiel.
 

Als Yur aufwachte, fühlte sich ihr Körper wie gerädert an. Jeder einzelne Muskel und Knochen schien zu Schmerzen und sie brauchte eine Weile, um sich an das, was geschehen war, zu erinnern. Ja, sie war in der Stadt Nazsukam, erinnerte sie sich. Die Heilerin Malan, die wie sie eine Kegarth war.

Mühsam schluckte das Mädchen, da sich ihr Mund schon wieder furchtbar trocken anfühlte.

Wie lange hatte sie wohl geschlafen?

In dem Zimmer, in dem sie sich befand, war es nun, wo die Tür geschlossen war, beinahe stockfinster. Nur durch einen kleinen Spalt zwischen Holz und Wand, drang etwas trübes Licht herein, doch es reichte, um zumindest ein wenig zu erkennen.

Noch immer fühlte sie sich ausgelaugt, doch etwas besser als vor dem Schlaf. Sie hatte die Ruhe wirklich gebraucht, doch während sie hier nun saß, begann etwas anderes ihr Herz zu erfüllen: Sorge.

Mühsam kämpfte sie sich auf und verließ den Raum mit immer noch wackeligen Beinen. Im Wohnraum – zumindest nahm sie das an, da sie hier gestern mit der Heilerin Tee getrunken hatte und der Raum wohl das größte Zimmer des Hauses war – war niemand zu sehen.

Sie schluckte, um ihren Mund etwas zu befeuchten, ehe sie nach der Kegarth rief: „Malan?“ Ihre Stimme klang dabei doch noch sehr unsicher, während sie unbewusst aus der Fensteröffnung des steinernen Hauses sah, in die Stadt, in der es noch immer hell war. Wobei sie sich nicht sicher war, ob es in dieser Stadt mit den magischen Lichtern jemals dunkel wurde.

„Malan?“, wiederholte sie, kurz bevor am anderen Ende des rundlich geformten Raumes, an dessen Decke Bündel verschiedener getrockneter Pflanzen hingen, eine weitere kleine Tür öffnete und die Heilerin sich zeigte.

„Oh, du bist endlich aufgewacht“, meinte sie, als sie in den Raum kroch.

Verwirrt erwiderte die Jüngere ihren Blick. „Wie lange habe ich geschlafen?“

„Etwas mehr als einen Tag“, antwortete Malan. „Willst du etwas essen oder trinken?“

Stumm und etwas beschämt wegen der Gutmütigkeit, die gegenüber ihr hier aufgebracht wurde, nickte das Mädchen. „Danke“, murmelte sie und setzte sich dieses Mal unaufgefordert auf eine der bunten Decken. Dann erinnerte sie sich jedoch daran, warum sie aufgestanden war. „Wie geht es Kyssan?“

Die erwachsene Frau seufzte. „Ich kann nicht viel sagen, aber er ist bisher nicht aufgewacht und sein Fieber ist auch nicht zurückgegangen.“ Sie warf einen Blick in die Richtung des Raumes, aus dem sie gerade gekommen war. „Ich habe mich gerade um ihn gekümmert, doch ich kann nicht viel tun.“

„Was hat er?“, fragte Yur, in der Zeit, in der Malan erneut Tee in einen der Becher einschenkte und etwas Brot aus einem Schrank, der scheinbar aus demselben Material gemacht war, wie das Haus, holte und aufschnitt.

„Ich weiß es nicht“, erwiderte die Frau, als sie dem Mädchen den Becher in die Hand drückte und den Teller vor die im Schneidersitz überschlagenen Beine stellte. „Jedenfalls nicht genau. Das Fieber ist für einen Sanbok ungewöhnlich und er krampft im Schlaf…“

Um etwas antworten zu können schluckte das Mädchen schnell, fing dann aber an zu husten und goss schnell etwas Tee hinterher. „Wird es ihm wieder besser gehen?“

„Das werden wir sehen.“ Malan seufzte leise und setzte sich ihr gegenüber auf den Boden, von wo aus sie Yur schweigend beim Essen zusah.

Trotz aller Sorge um den Echsenjungen, war der Appetit des Mädchens nicht geringer geworden, da sie durch den langen Schlaf schon wieder seit einiger Zeit nichts mehr gegessen hatte, was ihren ohnehin schon nicht sonderlich freundlich gesonnenen Magen noch böser gestimmt hatte. Auch wenn jeder Bissen Erleichterung brachte zog er sich immer wieder schmerzhaft zusammen.

„Du bist also eine Erdmagierin?“, stellte Malan schließlich fest, denn Yur hatte ihr dies bereits am Tag zuvor erzählt, als sie von dem Kloster sprach.

Die Angesprochene beantwortete die Frage nur mit einem Nicken, da sie noch immer mit Kauen beschäftigt war.

Auch die Heilerin schwieg daraufhin wieder und schien nachzudenken, bis die Jüngere sie schließlich zwischen zwei Bissen fragte: „Wieso fragt Ihr?“

Daraufhin schenkte ihr die Ältere wieder ein Lächeln. „Du musst mich nicht so formal ansprechen“, meinte sie und schwieg erneut für eine Weile, ehe sie erklärte: „Du sagtest, dass deine Magie anders sei, als die der anderen im Kloster, wo du aufgewachsen warst.“

„Dort waren kaum Erdmagier“, murmelte das Mädchen, nachdem es endlich geschluckt hatte. „Ich war der einzige Tade – Schüler – der Erdmagie beherrschte.“ Ihre Stimme war leise, da sie erneut an die verlorenen Freunde dachte. „Man sagte mir, dass es nur noch wenige Erdmagier gibt.“

„Das stimmt“, erwiderte die Frau. „In den letzten Jahren sind es überall immer weniger geworden.“

„Warum?“

„Das weiß wohl niemand.“ Malan schüttelte den Kopf und sah zu dem Fenster hinüber. „Manche denken, dass es mit dem Verschwinden des Schlüssels zur Zeit zu tun hat. Aber ich denke eher, dass sich manche Dinge einfach mit der Zeit ändern. Denn das ist das einzige Gesetzt, dem die Zeit folgt: Sie verändert…“ Für einen kurzen Moment senkte sich ein Schatten über das Gesicht der Heilerin, ehe sie seufzte und wieder zu dem Mädchen sah.

Dieses überlegte eine Weile, doch dann stellte sie eine weitere der Fragen, die sie die ganze Zeit quälten. „Was ist dieser Schlüssel? Ich habe davon nie etwas gehört, bis Kyssan in das Kloster kam.“

„Viel mehr als du weiß ich wahrscheinlich auch nicht darüber“, antwortete Malan. „Der Schlüssel zur Zeit ist angeblich das letzte Wesen, dass Zeitmagie beherrscht.“

„Wesen? Dann ist der Schlüssel lebendig?“

Die Heilerin nickte. „Jedenfalls habe ich von einigen Leuten solche Geschichten gehört.“ Kurz schwieg sie. „Da, woher ich kam, war diese Geschichte auch unbekannt, aber hier wird sie des Öfteren erzählt.“

„Was ist das für ein Wesen?“, fragte das Mädchen weiter.

„Ich sagte doch, ich weiß nicht viel. Gesagt wurde mir nur, dass der Schlüssel wiedergeboren wird, nachdem er einmal gestorben ist. Und man wusste lange nichts davon, dass er noch existiert“, sagte Malan. „Genau deswegen denke ich auch nicht, dass das Verschwinden der Magie mit ihm zu tun hat.“

„Dann ist er wieder aufgetaucht“, schlussfolgerte Yur. „Wenn man sagt, dass er verschwunden sei.“

„Ja“, erwiderte die Ältere. „Angeblich war eine Magierin des Rates der Schlüssel, doch nachdem sie die Zeitmagie beherrschte ist sie verschwunden. Jedenfalls sagten das einige, die dem alten Rat angehörten.“

„Der alte Rat?“, harkte Yur nach, der sich mit allem was die Heilerin erzählte neue Fragen ergaben, so dass sie kaum wusste, in welcher Reihenfolge sie diese stellen sollte. Sie fühlte sich so unendlich dumm, sich all diese Dinge erklären lassen zu müssen, die so viele Leute scheinbar wussten.

„Das war bevor du lebtest, denke ich“, meinte die Heilerin. „Doch früher war der Rat der Welten dafür da das Gleichgewicht zu erhalten. Es war wohl zur Zeit als der Schlüssel erwachte, dass ein neuer Rat gewählt wurde, wie es in Kore wohl in bestimmten Abständen üblich war… Und der neue Rat, also der aktuelle, begann Rassen und Stämme, die sich ihm widersetzten auszulöschen. Aber dann verschwand wohl auch der Schlüssel… Genaues weiß ich nicht darüber.“

Erneut schwieg die junge Magierin, während sie versuchte sich das, was ihr gerade erzählt worden war, vorzustellen. Allein die Tatsache, dass dieser ominöse Schlüssel tatsächlich ein lebendes Wesen war, erschien ihr als merkwürdig, wenngleich es einige andere Sachen klarer erscheinen ließ. Aber Zeitmagie… Davon hatte sich schon öfter gehört, doch diese Art der Magie galt schon lange als ausgestorben. Was musste es für eine Macht bedeuten die Zeit kontrollieren zu können! Aber wieso suchte der Rat dann nach diesem Schlüssel? Wollten sie ihn töten?

Diese Fragen schienen sich auf ihrem Gesicht abzuzeichnen. „Ich denke der Rat will den Schlüssel für sich benutzen. Jedenfalls wenn es stimmt, dass sie nach ihm suchen. Die Anwesenheit des Sanboks scheint das allerdings zu beweisen.“

Genau! Eine weitere Frage, die sie schon vorher hatte stellen wollen, kam ihr in den Sinn. „Was bedeutet es, dass er ein Seher ist?“

„Seher sind Wesen die mit dem Meer der Zeit verbunden sind“, antwortete Malan. „Zumindest sagen das die, die an die Existenz dieses Ortes glauben.“

Yur nickte, um ihr zu zeigen, dass sie verstand was sie meinte, hatte man auch ihr einen anderen Glauben gelernt. Trotzdem wusste sie zumindest von den Geschichten über das Meer.

„Jedenfalls können sie Dinge sehen, bei denen sie nicht dabei sind oder waren“, fuhr die Heilerin daraufhin fort. „Oder manchmal auch kommende Dinge.“

„Und sie können den Schlüssel sehen?“, fragte daraufhin das Mädchen.

„Das weiß ich nicht.“ Malan schüttelte den Kopf. „Ich zweifle daran, da die meisten Seher wohl nicht fähig sind, ihre Visionen zu kontrollieren. Aber der Rat scheint drauf zu hoffen, wenn er die Seher jagt.“

Daraufhin wanderte Yurs Blick zur Tür, hinter der Kyssan lag. Er musste sicher schon eine Menge durchgemacht haben, so wie er in Verur reagierte, als sie ihn berühren wollte.

„Willst du dich ein wenig um ihn kümmern?“, fragte die Heilerin schließlich. „Ich möchte noch Sachen zum Essen holen …“

Das Mädchen nickte bloß erneut. „Danke“, flüsterte sie dann.

„Wieso?“

„Weil Ihr Euch um uns kümmert“, murmelte Yur.

Da stand die Frau auf und tätschelte den kurzhaarigen Kopf des Mädchens. „Es gibt viele Leute, denen es schlecht geht und was sollte man tun, wenn man sich nicht gegenseitig hilft?“
 

Eine Weile später saß Yur neben dem weiterhin schlafenden und fiebernden Kyssan, der auf einem Bett in einem kleinen Zimmer lag. Eine Kerze auf dem Tisch neben ihr beschien sein immer wieder zuckendes Gesicht, während das Mädchen nicht umhin konnte, seine Hand zu halten. Dabei kannte sie ihn nicht, doch so wie er da lag, hatte sie Mitleid mit ihm. Sie hätte zu gerne etwas für ihn getan, aber sie wusste nichts, was ihr möglich gewesen wäre.

Daher saß sie einfach nur da und hielt die dreifingrige Hand, welche, wie auch der Rest des Körpers, immer wieder zuckte.

Ob er gerade wohl eine Vision hatte? Konnte das vielleicht ein Grund für seine Ohnmacht sein?

Auch das konnte das Mädchen nicht sagen. Zu gerne hätte sie gewusst, warum er zuvor so abweisend reagiert? Sie hatte gemerkt, dass er über das Thema Familie nicht sprechen wollte und ahnte, dass sich dahinter mehr verbarg. Vielleicht bildete sie sich das aber auch nur ein.

Was hatte Tänon noch gesagt? Wenn er ihn zurückbrachte würde man Kyssan töten. Die Frage war, ob die Welt, von der der Elf gesprochen hatte, die Heimatwelt von dem Sanbok war. Wenn ja könnte das heißen, dass seine Familie ihn töten wollte.

Vermutungen!

Sie hätte gerne mit ihm darüber gesprochen, doch selbst wenn er wach gewesen wäre – das wusste sie – hätte er ihr wohl kaum darüber erzählt.

Ein merkwürdiges Gefühl erfüllte Yur. War es, weil sie endlich wusste, was sie war?

Aber was würde jetzt weiter werden? Sollte sie hier in dieser Welt bleiben oder würde sie irgendwann weiterziehen? Noch immer hatte sie nur Teile von dem, was in den Welten vorging verstanden. Sie wusste jetzt, dass es da draußen wohl eine Art Krieg gab, dass Leute verfolgt und getötet wurden. Sie wusste auch, dass die Instanz, die ursprünglich alle geschützt hatte, die Wesen, die Yur geliebt hatte, getötet hatte. Doch nun?

Wie würde es für sie weitergehen?

Außerdem fragte sie sich noch immer, warum sie bisher nie auch nur etwas von den Kegarth gehört hatte. Auf der anderen Seite hatte sie hier in der Stadt allein einige Rassen gesehen, von denen sie ihm Kloster nichts gefunden hatte. Keine Zeichnungen in irgendwelchen Büchern oder Beschreibungen. Gar nichts.

Aber es war wahrscheinlich auch unmöglich über alle Rassen ein Verzeichnis zu führen. Es gab in den anderen Welten sicher unendlich viele…

Da ließ ein Klopfen sie aus ihren Gedanken hochschrecken und sie sah zur offenen Tür zum Hauptraum. Erneut wurde geklopft und sie begann sich zu fragen, ob es wohl in Ordnung wäre, wenn sie an die Tür ginge um nachzusehen.

„Malan?“, fragte dann eine Stimme von draußen, die dem Mädchen bekannt vorkam. Jedoch brauchte sie eine Weile um zu erkennen, dass es die des Elfen war.

Daher stand sie schließlich auf und schlich zur Tür. „Malan ist nicht da“, sagte sie durch den Türspalt, da sie nicht wusste wie weit die die Tür aufmachen durfte. Immerhin wusste sie nicht einmal wie es war in einem Haus – allein – zu leben.

„Ah, Yur“, begrüßte der Elf sie. „Es geht dir augenscheinlich besser.“

„Ja“, bestätigte sie. „Dank Euch und Malan.“

„Wo ist sie?“, harkte Unin nach.

„Sie wollte etwas zu Essen besorgen“, erwiderte sie. „Jedenfalls sagte sie das, als sie ging.“

„Nun“, meinte der Elf mit einem leisen Seufzen. „Ich wollte ohnehin eigentlich schauen, wie es dir geht.“

„Momentan fühlte ich mich eigentlich ganz gut“, antwortete sie. „Danke für Eure Besorgnis.“

Lachend winkte der Mann ab. „Du musst mich nicht so ansprechen. Ein ‚Du’ reicht vollkommen.“

Betreten sah sie zu Boden.

„Und wie geht es deinem Freund?“, fragte Unin schließlich, woraufhin Yur den Kopf schüttelte.

„Nicht besser“, erwiderte sie. „Er hat noch immer Fieber und Krämpfe. Ich mache mir Sorgen um ihn.“

„Dabei kennst du ihn noch nicht lange“, stellte er fest.

„Ja“, antwortete sie. „Aber… Die anderen in Verur… Sie sind für ihn gestorben. Deshalb darf er nicht sterben.“

Der Elf nickte. „Das kann ich verstehen. Du bist ein gutes Mädchen.“ Erneut schenkte er ihr ein freundliches Lächeln.

„Danke“, murmelte sie daraufhin erneut.

„Kann ich reinkommen?“, fragte er schließlich, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatte.

„Ich weiß nicht“, stotterte sie. „Ich weiß nicht ob ich Euch…“ Sie erinnerte sich daran, worum der Elf sie gebeten hatte. „Ob ich… Ob ich euch einlassen darf. Ich weiß nicht wie Malan…“

„Malan hat immer eine offene Tür“, antwortete Unin. „Hätte sie keine Gäste hätte ich wohl nicht einmal geklopft.“

Yur zögerte. War das wirklich in Ordnung? Würde die Heilerin auch wirklich nicht sauer sein?

Schließlich trat sie jedoch zur Seite und ließ ihn ein.

Tatsächlich schien er sich ganz gut auszukennen, jedenfalls schloss sie das aus seinen sicheren Bewegungen, als er als erstes zur Tür zum Zimmer des Sanboks ging und hineinsah, ehe er sich mit einem weiteren Seufzen abwandte.

„Ich hoffe für euch, dass es ihm bald besser geht“, meinte er.

„Danke“, erwiderte sie und seufzte.

„Eigentlich bin ich auch hergekommen, weil ich dachte, dass du noch ein paar Fragen hast über die Stadt“, sagte er nachdem erneut kurzes Schweigen geherrscht hatte. „Ich hätte dich auch rumgeführt, aber ich denke, du wirst jetzt wohl bei dem Sanbok bleiben wollen.“

„Das habe ich versprochen“, antwortete sie.

„Du bist ein gutes Mädchen“, meinte der Elf daraufhin wieder und wieder schwiegen sie danach, bis Yur schließlich die Stimme erhob.

„Ich habe bisher nicht gewusst, dass es noch jemanden so gibt wie mich“, murmelte sie. „Ich wusste ja nicht einmal was ich bin in diesem Kloster und mir sagen wollte es niemand.“

„Aber jetzt weiß du es“, stellte Unin fest, woraufhin sie nickte.

Im Moment war sie froh, dass sie hier war und noch lebte. Doch auch während sie mit dem Elfen sprach, ließ sie die Frage über die Zukunft nicht los. Was sollte sie jetzt machen?



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: Futuhiro
2010-01-23T22:49:12+00:00 23.01.2010 23:49
Der Elf scheint cool zu sein, den mag ich. Auch wenn ich´s bissl komisch finde, daß der einfach in Häusern ein und aus geht, wenn der Hausbewohner gar nicht da ist. Hat irgendwie was freches an sich.
Okay, das Kapitel hatte jetzt etwas wenig Action, eigentlich auch ziemlich wenig Handlung. Aber manche Sachen kann man einfach nur in Dialogen ausdrücken. (Ich weis das. In einer meiner Geschichten musste ich mich auch in seitenlange Dialoge retten, weil es in keine sinnvolle Handlung passen wollte.)
Tja, was noch? Ich hab gerade keine Ahnung, wie es weitergehen könnte. Daher les ich einfach mal und lass mich überraschen. ^^
Von: abgemeldet
2009-05-04T19:48:09+00:00 04.05.2009 21:48
Das mit dem Schlüssel ist ja mal eine interessante Wendung-
hoffentlich gibts aber keine Mary Sue >////<

Das neue Kapitel ist wie gewohnt spannend und ohne überflüssiges "Fett",
die Heilerin und Unin- sind die ein Paar? XDDDD
*gleich mit so einer peinlichen Fan-Frage kommt*
Es knistert doch insgeheim X///D

O_o eine sache die mir noch aufgefallen ist!
Da ich ja weiß, dass du sonst seehr auf einhaltung von einem Jargon/Sprachstil/niveau bedacht bist, wundert mich das "die Heilerin war hoffentlich nicht sauer" auf seite 2 unten.
Das ist doch Jugendsprache...
XD ich meine- man könnts ja mit Yurs Alter erklären und stören tuts nicht wirklich, aber es sticht hervor.
Von:  Taroru
2009-04-05T21:10:31+00:00 05.04.2009 23:10
das ist eine gute frage XD
was wird mit der zukunft? was macht sie jetzt? XD
es ist sehr gut geschrieben ^^
ich mag malan ^^ und yur gefällt mir auch immer mehr XD
die art und weiße wie sich alles entwickelt ist gut geschrieben ^^
die stränge sind gut durch dacht, finde ich ^^ es macht alles irgendwo sinn ^^
was mit dem sanbok ist, das würde mich auch interessieren XD



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