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Augenblicke

- Kurzgeschichtensammlung -
von

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Deine Hand

„Was wäre…“ – „Was denn?“ – „Ich frage mich nur, was gewesen wäre, wenn ich dir damals nicht die Hand ausgeschlagen hätte.“ – „Dann ständen wir noch immer hier.“
 

Mit wehendem Umhang aufgrund seines federnden Schrittes ging Harry Potter, der berühmteste Zauberer in der magischen Welt, den endlos wirkenden Schulkorridor im siebten Stock entlang. An etlichen Gemälden mit schlafenden Hexen und Zauberern, einer laut schnarchenden, klappernden Rüstung vorbei, immer weiter in die Dunkelheit, die er sich nicht einmal traute mit dem Lumos-Zauber zu erhellen.
 

Aber auf der anderen Seite brauchte er seine Magie auch nicht, den Weg fand er schon mit verbundenen Augen, so oft war er ihn seit dem Vorfall im ersten Schuljahr gegangen. Damals noch zusammen mit Hermine, heute alleine.
 

Er hastete hinter einen Wandteppich und glättete mit einem Tarnzauber die Wölbungen, keine Sekunde zu früh. Ein Vertrauensschüler aus seinem Haus patrouillierte an ihm vorbei, bemerkte ihn jedoch nicht und verschwand schließlich in der Dunkelheit des Ganges. Harry atmete einmal erleichtert aus, schlich dann weiter, mit einer Hand immer an der Wand entlang um auch ja nicht den Eingang zu verpassen.
 

Er spürte eine Unebenheit in der Mauer, stellte sich davor, zückte den Zauberstab, tippte gegen den Steinquader und murmelte ein geheimes Passwort. Der Quader schob sich lautlos nach hinten, zwei drei andere folgten, bis schließlich ein kleines Loch offen stand, durch das sich der Schwarzhaarige hindurch zwang. Zu dumm nur, dass er dieses Mal seinen Tarnumhang vergessen hatte.
 

Hinter ihm glitten die Quader wieder in ihre alte Position, doch er kümmerte sich nicht darum. Hastete einige versteckte Stufen hinauf, die ihn zu einer kleinen Ebene führten, eine massive Eichentür versperrte ihm den Zugang, doch mit einem weiteren Passwort schwang sie auf und er spürte die kühle Nachtluft, die sofort nach seinem Umhang griff und seine Haare zerzauste.
 

„Ah, das ist ja scheiße kalt hier draußen“, brummte er, trat dann völlig in die dunkle Nacht und warf einen Blick in den leicht bewölkten Sternenhimmel.
 

„Wunderschön…“
 

„Hey, nimm die Nase wieder aus dem Himmel“, ertönte es da leise neben ihm und zum ersten Mal nahm Harry das leise Scharren von Schuhen auf dem leicht sandigen Steinboden war.
 

„Oh, du bist ja schon da!“, bemerkte er vollkommen überflüssiger Weise, trat auf sein Gegenüber zu und lächelte diesen freundlich an. Die blonden Haare waren vom Wind vollkommen in Unordnung gebracht, die Wangen und die Nase leicht gerötet, die Hände tief in den Taschen des schwarzen Umhangs gegraben und ein silber-grüner Schal eng um den Hals geschlungen.
 

„Ja, so wie du es vor elf Minuten hättest sein sollen.“
 

„Ein Vertrauensschüler kam mir entgegen“, wehrte Harry ab, stellte sich näher zu dem anderen, der ihn auf etwa gleicher Höhe misstrauisch beäugte. Eine Pause entstand in der sich die beiden so unterschiedlichen Jungen einfach nur ansahen.
 

„Ich hab in der Bibliothek nachgesehen, aber leider keinen Zauber gefunden der den Wind stoppen könnte. Wir müssen also sehen was wir bei schlechtem oder windigem Wetter machen“, seufzte Harry, lehnte sich an die Wand zu seiner Linken und strich sich unnötigerweise eine schwarze Strähne aus dem Gesicht.
 

„Du in der Bibliothek?“, hob der andere Junge eine Augenbraue. „Gib es zu, Harry, du hast deine dämliche Freundin gefragt.“
 

Harry grinste.
 

„Ja, aber sie ist nicht dämlich. Sie kennt jedes Buch auswendig, das sie gelesen hat.“
 

„Schon gut“, wies der andere die verdeckte Warnung von sich. „Tut mir leid.“
 

Harry lachte und war im selben Moment einfach so etwas wie unheimlich stolz auf sich. Er konnte mit Fug und Recht behaupten, dass er nicht nur Voldemort auf der Nase rumtanzte, sondern auch der einzige Mensch auf Erden war, der dem Malfoy Erben eine freiwillige Entschuldigung abringen konnte.Wenn das mal keine Leistung war, dachte er.
 

„Hör auf mich so anzusehen, Harry.“
 

„Wie sehe ich dich denn an, Draco?“
 

„Wie ein kleines Wiesel…“, brummte der Blondhaarige schwach, vergrub seine rote, triefende Nase tiefer in seinem Schal und presste die Kiefer aufeinander, damit der Gryffindor nicht auch noch hören konnte wie seine Zähne klapperten.
 

„Ach, Draco…“, seufzte der Schwarzhaarige nur und konnte das Lächeln einfach nicht aus seinem Gesicht vertreiben. Es war einfach zu köstlich, wenn Draco tatsächlich versuchte ihn zu beleidigen und doch kläglich scheiterte. Das gegenseitige beleidigen funktionierte schon seit dem dritten Schuljahr nicht mehr.
 

Zumindest nicht, wenn sie sich hier auf dem Turm trafen. Während des Unterrichts ging das immer noch sehr gut, wobei es seit dem besagten Schuljahr nur noch zur Tarnung diente. Ernst gemeint war das alles nicht mehr. Und Harry freute das ungemein.
 

„Woran denkst du?“, schaltete sich der frierende Slytherin in seine Gedanken und Harry wollte schon mit einem Kopfschütteln abwehren, entschied sich dann aber anders.
 

Erst vor kurzer Zeit hatte er Draco gebeten ehrlich mit ihm zu sein und dieses Versteckspiel abzulegen was seine Gedanken und Gefühle betraf. Und der Blonde hatte sich tatsächlich darum bemüht. Er sollte ihm das also mit gleicher Münze vergelten.
 

„An früher. Als das hier anfing.“
 

Draco nickte nur, schaute an Harry vorbei und deutete dann in die Dunkelheit hinaus, was den Gryffindor veranlasste sich umzudrehen. Ein weißer Punkt, der nur schwer zu erkennen war, flog direkt auf sie zu. Es musste Hedwig sein, die er vor einigen Wochen losgeschickt hatte. Es war ein Brief an seine Tante und seinen Onkel gewesen. Lange hatte Harry überlegt, ob er diesen Brief zum einen schreiben und zum andern abschicken sollte, es kam ihm beinahe lächerlich vor, aber er wollte es zumindest versucht haben.
 

Hedwig setzte zum Landeanflug an, was sich bei dem starken Wind als schwierig gestaltete, doch als Harry ihr entgegenkam und sie sich beinahe aus der Luft griff, hielt sie sich mit einem müden Griff an seinem Arm fest. Er streichelte ihr den Kopf und flüsterte ihr sanft ins Ohr, was sie mit einem leisen Knacken des Schnabels kommentierte. Draco musterte die Schneeeule neugierig, die ihn nicht im Geringsten beachtete, sondern ein Bein ausstreckte um Harry ihre Nachricht überbrachte.
 

„Danke Hedwig. Schaffst du es bis zum Eulenturm?“
 

Hedwig legte bestätigend den Kopf schief, schüttelte ihre Flügel, breitete diese dann aus und ließ sich von der nächsten Windböe in die Luft heben, driftete ab und verschwand in einer weiten Kurve aus dem Sichtfeld der beiden Jungen, die nun den Brief in Harrys Hand anstarrten.
 

„Der Brief deiner Verwandten?“, fragte Draco nach und Harry antwortete mit einem einfachen Nicken. Er traute sich gerade nicht den Brief zu öffnen, auch wenn er sich über dessen Inhalt fast sicher war.
 

„Mach hin, Harry, ich friere!“, schnauzte Draco schließlich entnervt, nahm dem Schwarzhaarigen den Umschlag aus der Hand, riss ihn auf und zog das kleine Stück Pergament an die frische, wenn auch kalte Luft.Dann reichte er es Harry, der es dankbar lächelnd entgegennahm.
 

„Schon Wünsche was du später mal werden möchtest? Könntest mein persönlicher Briefträger und Brieföffner werden.“
 

„Nein, danke.“
 

„Nicht? Du würdest dich sicherlich hervorragend auf meinem Schreibtisch machen.“
 

„Das bezweifle ich keine Sekunde lang, Harry. Und jetzt lies den verdammten Brief“, ranzte Draco, hauchte seine Fingerspitzen an, ehe er sie wieder in seinen Taschen verschwinden ließ. Harry lächelte milde und überflog das Pergament, das alles in allem das aussagte was er angenommen hatte.
 

„Nun?“
 

„Wie erwartet. Ich bin nicht länger willkommen.“
 

Draco brummte, trat näher an Harry heran und brachte dann den kläglichen Versuch eines ehrlich gemeinten Lächelns zustande, was das Herz des Gryffindors sofort erwärmte.
 

„Du kannst jederzeit auf mein Angebot zurückgreifen. Das weißt du.“
 

„Ja“, hauchte Harry leise und blinzelte einige aufsteigende Tränen weg, denn er wusste, dass der Blonde es nicht mochte, wenn Harry weinte. Nur ein einziges Mal hatte er es dem Schwarzhaarigen gestattet offen vor ihm zu weinen. Und das war im vierten Schuljahr gewesen. Nach Cedric Diggorys Tod.
 

Die Erinnerung an seinen ehemaligen Kameraden schmerzte ihn und so wandte sich Harry einen Moment lang ab. Wohl wissend, dass Draco dieses Zeichen genaustens verstand. Sowie beinahe alles was den Helden der Zaubererwelt betraf.
 

„Weißt du, Draco, ich…“, er brach ab, sah zur Seite, strich sich wieder durch die Haare und rang mit sich selbst. Diese Frage lag ihm schon seit längerer Zeit auf der Zunge, aber er konnte sie einfach nicht aussprechen.
 

„Ja?“, hakte Draco ungeduldig nach, doch Harry schwieg wieder.
 

Ungeduldig trat der Slytherin von einem Fuß auf den anderen, seufzte leise und warf einen Blick nach oben. In einem der Türme brannte noch Licht, man konnte undeutliche Silhouetten erkennen, doch der Zauber, der sie von neugierigen Blicken abschirmte, verhinderte auch, dass sie genau erkennen konnten, wer sich ihnen näherte.
 

„Was wäre…“
 

„Was denn?“, fragte Draco nun leicht gereizt nach, bemerkte jedoch die Anspannung des anderen, der die Hände zu Fäusten geballt hatte und angestrengt drein sah, ehe er den Blick hob und auf den Blonden fixierte, der noch immer von einem Fuß zum anderen trippelte.
 

„Ich frage mich nur, was gewesen wäre, wenn ich dir damals nicht die Hand ausgeschlagen hätte“, flüsterte Harry leise, dachte an seine erste Fahrt im Hogwarts-Express, sein erstes Treffen mit Ron und Hermine und… Draco.
 

Der Slytherin hatte ihm damals die Hand gereicht, als Angebot sein Freund zu werden, sich in Dracos Kreisen zu bewegen und er hatte es ausgeschlagen.
 

Natürlich war Draco damals gemein und widerwärtig gewesen und schließlich hatte er ja auch Hermine und Ron dafür bekommen und natürlich auch seine anderen Freunde, aber manchmal fragte er sich ernsthaft was gewesen wäre, wenn er zum einen Dracos Hand und zum anderen die Entscheidung des sprechenden Hutes – ihn nach Slytherin zu schicken – angenommen hätte. Zweimal hatte ihn der Hut in das verhasste Haus geschickt, bei der Einschulungszeremonie und dann in seinem zweiten Jahr, nach dem Kampf gegen den Basilisken.
 

Doch er hatte sich gesträubt, hatte seinen eigenen Weg eingeschlagen und – zweifelte seither daran. Keinen seiner Schritte hatte er bisher nicht hinterfragt. Es war jedoch viel zu spät um jetzt noch etwas ändern zu können.
 

„Dann ständen wir noch immer hier“, drangen Dracos Worte zu ihm und überrascht blickte er auf. Draco sah merkwürdig ernst aus. Nicht so herablassend oder gelangweilt, sondern ernst, als ob ihm diese Sache wirklich durch den Kopf gegangen war.
 

„Wie meinst du das?“
 

Draco trat einen Schritt auf den Gryffindor zu und berührte mit kalten Fingerspitzen Harrys blitzförmige Narbe, ein Andenken an sein erstes Zusammentreffen mit Voldemorts tödlicher Macht.
 

„Weil du das hier mitbekommen hast.“
 

„Meine Narbe?“
 

„Nicht deine Narbe“, schüttelte der Blonde missbilligend über Harrys offensichtliches Unverständnis den Kopf. „Die Narbe als Symbol für das Leben das dir genommen wurde, das dich aber bis heute prägt. Eine Erinnerung an das letzte Geschenk deiner Mutter“, hauchte der Blonde leise, sah in die grüne Augen des berühmten Zauberers und seufzte noch einmal vernehmlich.
 

„Du bist ein Kind deiner Eltern. Der Slytherin schlummert nicht in dir, sondern im dunklen Lord. Die Entscheidung des sprechenden Hutes war absolut falsch. Du hast sie korrigiert und das hättest du auch, wenn du mein Angebot angenommen hättest. Es wäre trotz allem so gekommen. Ich habe dich allein deswegen gehasst, weil du ein Gryffindor geworden bist.“
 

Eine lange Zeit herrschte eine Pause zwischen den beiden jungen Zauberern, doch keiner von beiden achtete nun noch groß auf die Kälte und den pfeifenden Wind um sie herum. Harry trat langsam an Draco heran, breitete die Arme aus und zog den Blonden hinein, umschlang ihn und vergrub sein Gesicht in dem fremden Schal.
 

„Danke“, raunte er leise, zitterte nun vor einer unterdrückten Freude und Erleichterung. Draco hatte ihm seine ewige Angst mit seinen einfachen Worten aus dem Kopf getrieben. Er war kein Slytherin, auch wenn er sich prima mit einem verstand.
 

„Dafür bin ich da“, gab der Blonde beinahe ungerührt zurück, doch seine Hände auf Harrys Schultern verrieten seine wirklichen Gedanken hinter diesem Satz.
 

Ehrlichkeit.
 

Und der Gryffindor war dankbar dafür. So dankbar. Die Worte seiner Freunde waren nie so wirklich zu ihm durchgedrungen, denn Freunde sahen doch meistens nur das Gute in einem. Aber Draco, sein ehemaliger Erzfeind, nahm keine Rücksicht auf ihn, war immer ehrlich zu ihm und genau deswegen konnte Harry ihm so vertrauen. Draco würde es niemals wagen ihn anzulügen. Und wenn Draco der Meinung war, dass in Harry kein ‚böses’ Slytherinblut floss, dann glaubte er ihm.
 

„Es tut mir trotzdem leid, Draco“, sagte Harry nach einer Ewigkeit. Ihre Umarmung hatten sie nicht gelöst, denn Draco zitterte noch immer. In dieser Hinsicht war er zarter besaitet als Harry, der sich dauernd draußen aufgehalten hatte. Und sei es auch nur, weil er sich vor Dudleys Bande hatte verstecken müssen.
 

„Das braucht es nicht. Ich habe dich ein Jahr lang gehasst, Harry, dass entschädigt mich“, gab Draco gelassen zurück, vergrub seine Hände im Umhang des anderen und trat einen halben Schritt zurück.
 

„Aber ich wäre froh, wenn du mir jetzt deine Hand geben würdest“, flüsterte er und Harry verstand ihn augenblicklich. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht zurück und er ging wieder auf Draco zu, zog seine Hände zu sich und ließ sie gemeinsam mit seinen in seine Taschen verschwinden.
 

„Du bekommst sogar beide.“
 

„Wie großzügig“, bemerkte Draco trocken, schmunzelte jedoch, während Harry sich sein Lachen nicht verkneifen konnte, als er feste die kalten Hände des Slytherins umfasste, sie drückte und mit seinen eigenen, dauerwarmen Händen aufzutauen begann.
 

Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2009-10-29T11:51:14+00:00 29.10.2009 12:51
*breit grins*
also das finde ich jetzt mal richtig cool!!
die beiden sind einfach klasse zusammen und ich kann mir das alles so richitg gut vorstellen!! <3

Von: abgemeldet
2009-05-27T15:49:48+00:00 27.05.2009 17:49
hi...xD
also, ich finde deinen os total toll, aber
irgendwie ist mir nihct wirklich klar geworden,
ob das nun shonen-ai ist oder nur normale
freundschaft...ich bitte dich mir die antwort
zu schreiben...xD
es gibt sooooooooooo unendlich viele shonen-ai
storys mit harry und draco, und ich wollte ma ne
normale fanfic, wo sie nur normale freunde sin...mmh
naaaaaaja...auf jeden fall tolle fic
mach weiter so...
vlg


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