Epilog
„Du musst nicht gehen“, sagte Logan und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Türe der Kutsche, um mich daran zu hindern einzusteigen.
Ich überreichte dem alten Kutscher, der sich als einziger bereit erklärt hatte, mich mitten in der Nacht durch das ‚Gebiet der Albträume’ – wie die Menschen das Grundstück der Vampire gerne nannten – zu fahren, meinen einzigen Koffer.
Ich lächelte und strich ihm mit einer Hand über die Wange. „Doch, ich muss. Ich gehöre nicht zu euch, habe es nie getan. Es wird Zeit für mich zu gehen.“
Logan legte seine Hand auf meine und schloss mit gerunzelter Stirn die Augen. Er wirkte in dem hellen Licht des Halbmondes gequält und verletzt. Mir war klar, wie grausam und undankbar ich ihm vorkommen musste, nachdem er mich Monate lang gepflegt hatte, nur um scheinbar eines unbedachten Moments erneut spurlos zu verschwinden.
Dieses Mal hatte er mich schneller gefunden und war auch überaus wütend gewesen, doch nachdem er mich und Oleen mit dem Koffer gesehen hatte, musste ihm klar gewesen sein, dass er nichts mehr tun konnte. Er kam zu spät; ich hatte meine Entscheidung getroffen.
„Du kommst zurück“, sagte er bestimmt, als wäre es ein Befehl und keine Bitte.
Ich zog meine Hand zurück und drückte sie mir an die Brust. „Natürlich“, erwiderte ich mit gebrochener Stimme, aber uns war beiden klar, dass ich log. Das ich einfach nicht zurück kommen konnte, nach allem was geschehen war. Für mich war ein Verschwinden der letzte Ausweg um dem Wahnsinn zu entkommen, der die Vampire heimsuchte, die meiner Schwester im Blute nahe gestanden hatten. Und da Leonore und ich zur selben Blutlinie angehörten, traf mich ihr Tod umso härter, auch wenn ich keinen Funken Mitleid mit ihr verspürte. Sie hatte solch ein Ende verdient.
Der Kutscher räusperte sich Lautstark, als er sich demonstrativ auf seinen Platz setzte und die Zügel der Pferde in die alten Hände nahm.
„Wohin fährst du?“, fragte Logan und trat einen Schritt von den beunruhigt wiehernden Pferden fort.
Ich zuckte mit den Schultern. Das hatte ich eigentlich noch gar nicht geplant – ich wollte einfach nur weg. „Zunächst einmal der Küste entlang. Es wäre auch Möglich, dass ich Philippe besuchen werde.“
„Meinst du diesen Blutsauger, der –“
„Ja, diesen Vampire meine ich“, korrigierte ich mit untertonigem Tadel in der Stimme. „Er versteht am besten, wie man sich als Ausgestoßener fühlt.“
Logan zuckte zusammen, als hätte ich ihn geschlagen und lehnte anschließend seine Stirn reumütig an meine. „Geh nicht“, bat er erneut. „Es ist mir egal, was das Rudel davon hält, ich will nur, dass du bei mir bleibst.“
Tränen sammelten sich in meinen Augen, so viel Schmerz verspürte ich bei seinen Worten, doch ich schaffte es noch rechtzeitig sie vorzublinzeln, um ihn nicht erkennen zu lassen, dass ich es ebenfalls kaum ertragen konnte, von ihm getrennt zu sein. Doch das war nun einmal leider der Preis für seine Sicherheit und die seiner Familie, sobald sich Leonores Gefolgschaft soweit erholt hatte um sich an mir zu rächen. Und sobald sich die Nachricht von meinen Taten erst einmal in aller Winde zerstreuten, würden die Königsschlächter nicht lange warten um nach mir jagt zu machen.
Ich nahm Logans ausgemergeltes Gesicht in die Hände und drückte es soweit zu mir runter, bis ich ihm einen letzten, liebevollen Kuss gab, der ihm zeigen sollte, dass es für mich niemals möglich sein würde, ihn zu vergessen. „Wenn der Zufall es so will“, hauchte ich an seine warmen Lippen, „dann sehen wir uns wieder.“
„Ich glaube nicht an Zufälle.“
Ich lachte leise, als ich mich von ihm löste und in die Kutsche stieg, in der Oleen bereits geduldig gewartet hatte, bis ich mich von dem düster dreinblickenden Werwolf verabschiedet hatte. „Dann wäre jetzt doch sicherlich ein guter Zeitpunkt, um damit anzufangen.“
Ich warf ihm kokett eine Kusshand zu und sah erfreut, wie sich seine Mundwinkel schwach nach oben zogen, ehe ich dem Kutscher ein Zeichen gab, dass er losfahren konnte.
Ruckelnd setzten sich die Pferde in Bewegung und es dauerte nicht mehr lange, bis ich nicht mehr imstande war, Logans Gesicht zu erkennen und mich stattdessen in meinen Sitz zurück lehnte und versuchte in den schwarzen Himmel zu blicken. Während unseres Weges, bildete ich mich manchmal ein, dass schwarze Gestalten vorbeihuschten und das türkise Augen uns beobachteten, doch nach einer Weile verschwanden auch sie und mir wurde erneut schmerzlich bewusst, wie sehr ich diesen grummelnden Werwolf vermisste.
Oleen hatte die ganze Zeit erfolgreich geschwiegen und mich meiner Melancholie überlassen, doch nichts desto trotz war auch sie neugierig, wohin unsere Reise führte. Ursprünglich war ebenfalls geplant gewesen Evelyn mitzunehmen, doch die kleine Hexe schien nach Leonores Tod wie vom Erdboden verschluckt. Ich konnte nur hoffen, dass sie sich in irgendein sonniges Plätzchen verkrochen hatte um zu sterben, und mir nicht weiterhin Probleme bereiten würde.
„Mylady, was hab Ihr nun vor?“, flüsterte die Blondine und ihre Augen leuchteten blau vor Neugierde. Sie kannte mich einfach zu gut um zu wissen, dass ich nicht einfach tatenlos warten würde, bis die Königsfamilien mich zur Rechenschaft zogen, ihnen ihre einzige Chance auf ein weiterführen der königlichen Blutlinie genommen hatte.
Meine Fangzähne fuhren aus, als ich meiner Gefährtin ein breites Lächeln schenkte und meine nun roten Augen gefährlich zu funkeln begangen. Ich konnte selbst kaum glauben, dass diese Worte jemals über meine Lippen kamen, wo ich meiner Schwester doch geschworen hatte, es niemals jemandem zu verraten. Jedoch war das gewesen, bevor sie den Verstand verloren hatte, und es war schließlich nicht so, als ob ich jetzt noch eine Wahl hätte.
„Wir werden Leonores Tochter suchen.“
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Es ist ein bisschen traurig, dass die Geschichte zu Ende geht ... und ich noch nicht sicher bin, ob ich überhaupt eine Fortsetzung mache. Aus diesem Grund habe ich auch ein mehr oder weniger offenes Ende gelassen, damit sich jeder seinen Teil dazu denken kann, und ich eventuell die Kaft aufbringe noch einen weiteren Teil zu schreiben.^^
Trotzdem. Es war ein tolles Gefühl Kaltherzig zu schreiben. :)
Vielen lieben Dank, an meine treuen LeserInnen. <3