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Bora, Stein der Winde

von

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Beginn

„Noch ein letzter Schlag, dann habe ich ihn...”, nuschelte Justin vor sich hin und zermarterte wie ein Besessener den Kontroller seiner Konsole. Er hackte auf ihr herum, als ginge es um sein Leben. Dann, plötzlich, schrie er auf, wie ein verwundetes Tier.

„Nein! Das kann doch nicht wahr sein, das geht doch nicht!”, quiekte er, als auf dem Bildschirm groß die Worte „Game Over” zu lesen waren. Verstört betrachtete er ihn, als auf der Treppe schnelle Schritte zu hören waren. Die Tür zu seinem Zimmer wurde aufgestoßen und seine Schwester kam wie ein Wirbelsturm herein gerauscht, ihr braunes Haar flatterte um sie herum und verlieh ihr ein wildes Aussehen.

„Justin! Was schreist du denn hier schon wieder so, als ob du Abgestochen wirst?”, keifte sie ihren Bruder wütend an.

„Ach Gottchen, Helenchen, reg dich doch nicht so auf! Außerdem: Was geht’s denn dich an, was ich in meinem Zimmer mache?”, zickte Justin und stellte sich so vor dem Bildschirm, das seine Schwester nicht sehen konnte, was darauf ablief.

„Sehr viel, Fuchsie, denn ich versuche gerade Hausaufgaben zu machen, das geht aber nicht, wenn du alle fünf Minuten schreist wie am Spieß “, antwortete das Mädchen mit gefährlich gesenkter Stimme.

Abermals näherten sich Schritte.

„Was ist denn hier wieder los?”, wollte Ginny wissen, als sie herein kam.

„Helene nervt!”, beschwerte sich Justin sofort.

„Stimmt doch gar nicht! Du machst doch hier Terror, während ich Hausaufgaben machen will!”, widersprach seine Schwester entrüstet.

„Helen, Justin, mich interessiert nicht im Ansatz, wer von euch angefangen hat, oder auch nicht, ich will, dass ihr beide ruhig seid! Überhaupt, Helen, du bist ganze acht Jahre älter, du solltest dich über die Eskapaden deines Bruders hinweg setzten können”, fand Ginny.

Justin nutzte seinen kleinen Sieg in diesem, wohl ewig währenden, Geschwisterkampf und streckte seiner Schwester die Zunge heraus.

„Und du, mein Kleiner, du solltest ein wenig Rücksicht auf deine Schwester nehmen!”, meinte seine Mutter daraufhin streng.

„Genau Fuchsie! Nimm mal endlich Rücksicht auf andere!”, triumphierte Helen.

„Halt deine Klappe, Helenchen “, fauchte Justin.

„Nein, Helen! Nenne ihn doch nicht immer Fuchsie und Justin, deine Schwester heißt auch nicht Helenchen! Mein Gott, warum könnt ihr euch nicht endlich mal vertragen, ihr seid doch Geschwister!”, fand Ginny.

„Das musst du der sagen, nicht mir!”, verteidigte sich Justin.

„Ich sage es euch beiden!”

„Die Kuh muss doch nur endlich mal ausziehen! Mit dreiundzwanzig noch immer zu Hause wohnen! Gibt es etwas dümmeres?!”, wollte Justin wissen.

„Nun, da muss ich dir ausnahmsweise recht geben. Ich in deinem Alter Helen, war schon ausgezogen und durfte mich um dich kümmern...”, meinte Ginny.

„Hey, jetzt lenkt doch nicht vom Thema ab!”, erboste sich Helen.

„Ach genau, stimmt ja. Hast du heute eigentlich keinen Nachmittagsunterricht?”, wollte Ginny von Justin wissen.

„Doch, klar habe ich, aber ist doch noch viel zu früh, ich habe bestimmt noch...”, Justins Blick war auf die Uhr gefallen, die auf seinem Schreibtisch stand und er hatte festgestellt, das er nur noch zehn Minuten hatte, bevor der Unterricht begann.

Er stürzte zur Tür, die Treppe hinab, stieß die Haustür auf und rannte, als seien tausend Teufel hinter ihm her. Justin war auch alles andere als unsportlich, aber auch für einen Hochleistungsläufer wäre es wohl nahezu unmöglich gewesen, noch rechtzeitig in der Schule zu sein.

Und doch schaffte er es vor dem Klingeln. Damit hörte seine Glückssträhne jedoch auf, denn vor der Schultür stand seine Nachbarin Sally und schien ihn schon zu erwarten.

„Hey Juss! Da bist du ja endlich, ich muss dir was ganz wichtiges erzählen! Weist du, was die Carmen aus der 6.6 gemacht hat?! Das glaubst du mir nicht, die hat...”, fing das blonde Mädchen sofort zu plappern an.

„Tut mir leid, Sal, aber ich habe gerade keine Zeit, um mit dir zu sprechen, ich muss in die Klasse, bevor es zur Stunde...”, die Schulglocke unterbrach ihn.

„Okay, ich bin zu spät...”, seufzte er.

„Oh, ich komme ja auch zu spät!”, bemerkte Sally und ging mit solcher Seelenruhe davon, als hätte sie alle Zeit der Welt, während Justin die Gänge und Treppen zu seinem Klassenraum entlang rannte. Als er bei seiner Klasse angekommen war, klopfte er nicht erst vorher an, sondern stieß gleich die Tür auf und blieb keuchend stehen.

„Entschuldigen sie, Frau Chang, ich wurde aufgehalten...”, erklärte er schwer atmend.

„Nun, Herr Malek, schön, dass sie mal wieder die Unterrichtszeiten selbst definieren”, antwortete seine Lehrerin sarkastisch.

„Aber das lag doch nicht an mir, sondern Sally aus der Zwei hat mich aufgehalten!”, verteidigte sich Justin.

„Das ist mir egal. Du hast die Verantwortung zu tragen, wenn du zu spät kommst. Jetzt setz dich und sei still”, befahl Frau Chang.

Der Rotschopf murrte etwas unverständliches, setzte sich dann aber brav hin. Eine Weile folgten alle dem Unterricht, denn fragte sein Tischnachbar Timo aus dem Mundwinkel: „Warum warst du denn so spät? Ich meine, Sally tut dich doch sonst nur kurz aufhalten. Kannst sie ja mittlerweile ganz gut abwimmeln.“

„Ich habe noch 'Dragons World' gezockt. Ich hätte beinahe den Endboss besiegt... “, flüsterte Justin zurück.

Timo warf ihm einen kurzen, aber sehr erstaunten Blick zu.

„Wie hast du denn das geschafft?”, wollte nun einer der Jungen vor ihm wissen.

„Ganz einfach, Rob, ich habe solange gespielt, bis ich so weit war. Hat zwar eine ganze Weile gedauert, aber na ja. Ich hätte ihn auf jeden fall fast besiegt, ein Schlag hat mir noch gefehlt”, antwortete Justin flüsternd nach vorne.

„Gut, dann kannst du mir bestimmt weiter helfen, oder?”, fragte ein anderer Junge neben ihm.

„Klar. Ich habe beide Wege gespielt, mit beiden Charakteren. Wo brauchst du denn Hilfe, Luke?”, wollte er wissen.

„Kurz nachdem man zwischen der Lichtseite und der Dunkelseite wählen kann. Da kommt doch so ein Rätsel, und das kann ich nicht lösen”, antwortete Luke.

„Welche Seite hast du denn gewählt? Die Rätsel sind nämlich unterschiedliche”, antwortete Justin.

„Ich habe die Lichtseite gewählt. Das Rätsel ist voll schwer”, beschwerte sich Luke.

„Nein, das ist ganz leicht. Zumindest, wenn man „Herr der Ringe“ oder „Der kleine Hobbit“ gelesen hat. „Sagt euren Namen und tritt ein” heißt es ja. Du musst aber nicht den Namen deines Charakters eingeben, sondern du musst „euren Namen” eingeben”, war die einfache Erklärung.

„Und wenn man die Schattenseite gewählt hat? Was ist dann die Lösung? Da komme ich nämlich nicht weiter”, meldete sich ein weiterer Junge von vorne.

„Ganz einfach, Leo. Des Rätsels Lösung ist Mensch”, antwortete Justin.

„Hä? Aber warum? Seid wann haben Menschen drei Beine?”, erkundigte sich Leo.

„Ganz einfach. Der Morgen des Tages ist die frühste Kindheit, wo die Babys noch auf allen vieren krabbeln. Der Tag ist etwa unser Alter, wo wir eben auf zwei Beinen gehen. Und der Abend ist der Lebensabend, wo die Alten auf einem Stock gestützt durch das Leben springen”, erklärte er.

„Eigentlich voll logisch... Das ich nicht von selbst darauf gekommen bin, ist ja echt...”, antwortete Leo.

„Tja, ich bin eben besser als du, in dem Spiel. Aber Leute, ich bin geschockt. Ihr seid ja noch ganz am Anfang. Das wird alles noch viel, viel schwerer”, meinte Justin.

„Noch schwerer? Das geht doch kaum noch!”, zischte Luke.

„Oh doch, das wird noch richtig heftig. Und wenn ich das so sage, dann meine ich das auch so, das wisst ihr ja”, antwortete er.

„Schön, dass sie nicht nur die Unterrichtszeiten selbst definieren, sondern auch das Fach, Herr Malek”, unterbrach Frau Chang das Gespräch.

„Nein”, nuschelte er genervt und verdrehte die Augen, „jetzt macht sie mich alle...”

„Ab vor die Tür. Dort schreibst du... sagen wir mal… dreihundertmal Ich darf im Unterricht nicht reden . Los, Abmarsch “, knurrte die Lehrerin.

Wortlos stand der Rotschopf auf und ging vor die Tür, wo er den Rest des Unterrichtes verbrachte und seine Strafarbeit machte, doch irgendwann war die Schule aus und wie üblich ging er mit Timo, Sally, Nadja, seine Ex-Freundin, und Charly, eine andere sehr gute Freundin, nach Hause.

„So Leute, wer kommt mit mir zum Reiten?”, wollte Nadja sogleich wissen.

„Sorry, aber dann bin ich erst um zehn oder elf Uhr zu Hause und ich habe noch zu tun”, erklärte Timo.

„Tja, du hast dir halt die falschen Eltern ausgesucht. Du hättest welche nehmen sollen, die hier in der Gegend wohnen, wie wir alle. Außer Nadja meine ich jetzt, aber einen Reitstall hier in der Gegend zu errichten wäre auch ein wenig dumm, weil hier nicht so viel Platz ist“, fand Charly.

„Kommst du mit?”, wollte Nadja sogleich von der Brünette wissen.

„Nein, tut mir Leid, aber ich muss heute Babysitten gehen. Der beste Babysitter Job, den ich bisher hatte, ich kriege einen ganzen Zehner pro angefangene Stunde!”, freute sich das Mädchen.

„Sally? Justin? Was ist mit euch?”, fragte Nadja, hatte jedoch keine großen Hoffnungen mehr.

„Ich habe keine Lust. Ein andermal vielleicht”, antwortete Sally.

Das blonde Mädchen schaute Justin bittend an.

„Tut mir Leid, aber du solltest eigentlich wissen, dass ich Donnerstag nach dem Nachmittagsunterricht grundsätzlich nie Zeit habe. Dann muss ich nämlich zu Swena. Sonst aber jeden anderen Tag liebend gerne”, antwortete der.

„Hä? Du sitzt noch immer beim Psychiater rum? Ich meine, das ist doch schon fast zwei Jahre her, mittlerweile solltest du das aber überwunden haben”, fand Timo.

Justin schaute seinen Freund traurig an, dann wurde er wütend, über diese unbedachten Worte.

„Timo, halt deine Klappe! Ich weiß nämlich nicht, was dich meine Probleme angehen! Und nur weil du Frederyc nicht mochtest, heißt das noch lange nicht, dass alle Menschen deiner Meinung sind! Du verstehst so was einfach nicht, weil dir so was doch noch nie passiert ist! Also warte, bis eben dies der Fall ist, und dann kannst du noch mal so was sagen, verstanden?!”, fuhr er seinen Kumpel an.

Seine Freunde schauten ihn verblüfft an und Justin rauschte ohne ein Wort des Abschieds einfach davon.

„Was war das denn?”, fragte Timo perplex.

„Volltrottel”, kommentierte Sally.

„Hä? Wieso?”, wollte der Junge verwirrt wissen.

„Weil du mittlerweile wissen solltest, dass er bei diesem Thema sehr Empfindlich ist”, erklärte Nadja seufzend.

„Ja, aber nach fast zwei Jahren noch? Ist das nicht ein bisschen übertrieben?”, fragte Timo.

„Nein, nicht mal im Ansatz. Immerhin hat er Marina und Frederyc sehr gern gehabt. Die Beiden waren seine besten Freunde. Stell dir mal vor, du musst mit ansehen, wie deine besten Freunde überfahren werden? Das würdest du auch nicht so schnell verkraften“, meinte Nadja erklärend.

„Wahrscheinlich wird er das nie ganz überwinden. Deswegen, das war von dir verdammt rücksichtslos”, meinte Charly.

„Ja, genau, macht mich her alle nur fertig, ist schon gut so”, knurrte Timo.

Dann trottete er den Weg hinab zur Bushaltestelle, ließ die anderen schlicht stehen. Nadja folgte langsam.



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