Zum Inhalt der Seite

Fragmente

One Shot Sammlung
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Lange nicht gesehen

Quint konnte genau den Zeitpunkt festmachen, an dem Miles Flugzeug abhob, ohne das er selber dabei war. Er spürte es einfach, während er in seinem Bett lag und eigentlich den Tag verschlafen sollte. An Schlaf war nur leider nicht zu denken.

So lange hatte er sich jetzt an seine selbst erlegten Regeln gehalten. Es war nicht immer leicht, aber dennoch hilfreich. Menschenleben waren einfach zu kurz und in einigen Zeitabschnitten waren selbst die wenigen Jahre auf ein Minimum geschrumpft.

Wie sehr er es hasste, jemanden sterben zu sehen, den er mochte. Oft genug wäre er lieber an der Stelle der - oder desjenigen gewesen, der eigentlich auf dem Sterbebett lag – oder wo auch immer die letzten Minuten ihr Opfer ereilten.

Wie schwer es ihm diejenigen machen konnten, die wussten was er war und ihn anflehten ihr Leben zu retten...

Sicher hassten sie ihn in ihren letzten Momenten, für seinen Egoismus. So einfach könnte er sie retten und doch tat er es nicht. Die Meisten hatten es tatsächlich so gesehen, das er es tat, weil er alleine so besonders sein wollte. Die Wenigen, bei denen er – aus welchen Gründen auch immer – nicht auf seine Regeln hören wollte, hassten ihn dafür, das er es getan hatte. Es ging so weit, das sie ihn dafür umbringen wollten. Dabei hatten sie es doch genauso gewollt.

Dieses Leben, das keines mehr war.

In den Jahren, die er nun auf der Welt unterwegs war, hatte er allen, die sich an ihm Rächen wollten, das Leben, das sie von ihm bekamen, auch wieder genommen.

Deswegen gab es nun striktere Regeln!

Und Miles war die Ausnahme, der die Mauern einriss, die Quint noch immer nicht so vollständig aufgebaut hatte, wie er es gerne getan hätte.

An dem Abend, an dem sie sich kennenlernten, war er besonders schwach gewesen. Im Grunde genommen war er es immer, wenn er bei Miles war, weswegen er sich gern möglichst weit weg aufhalten würde, doch es zog ihn auch immer wieder zu dem jungen Mann.

Jahre ging das jetzt bereits und im lauf der Zeit hatte er langsam aber sicher aufgehört sich dagegen zu wehren. Das war der Grund, wegen dem er nicht aufgehört hatte, als er in der Vergangenen Nacht bei Miles lag. Der Grund, wegen dem er jetzt nicht einfach wieder einen Rückzieher machen könnte, sobald Miles zurück war. Zwar war nicht viel passiert, aber es war das, was Miles gebraucht hatte. Und wenn er ehrlich war, er auch.
 

~
 

Tage vergingen aus denen Wochen wurden, die schließlich in Monate übergingen. Die ganze Zeit über hörte er nichts von Miles. Zwar hatte er ab und an Kontakt zu dem Doktor, aber der sagte immer nur, das alles gut lief, Miles jedoch seine Abgeschiedenheit brauchen würde.

Abgeschiedenheit von seinem alten Leben – in das er früher oder später wieder zurückkehren würde.

Aber wann?

Die Zeit kam ihm so lange vor, wie die letzten zweihundert Jahre zusammen.

Quint stürzte sich in seine Arbeit, die eigentlich nicht als solche zu bezeichnen war. Er liebte es einfach sich um Musiker zu kümmern. Ihnen zu helfen Fuß zu fassen und so zu sehen, wie sie erfolgreich in die Welt hinaus gingen. Dabei produzierte er keine Superstars. Aber die Musiker unter seinen Fittichen konnten alle gut von ihren Einnahmen leben und füllten angenehm große Bars und kleine Hallen, wenn sie Konzerte gaben.

Und von denen plante er derzeit sehr viele. Hauptsache er hatte jeden Tag der Woche genug zu tun, um keine Zeit für andere Gedanken zu haben. Das er beinahe fanatisch versuchte jede freie Minute mit einer Aktivität zu füllen bemerkte er selbst bereits gar nicht mehr. Es hatte sich so ergeben und so dachte er wenigstens nicht immer an ein und dasselbe... denselben...
 

„Wir wollten die Gegend unsicher machen, hast du das etwa vergessen?“

Gen klang nicht sehr glücklich, als sie es endlich in Quints Büro geschafft hatte. Er hatte es ihr nicht einfach gemacht, waren doch tatsächlich alle Türen auf ihrem Weg abgeschlossen gewesen. Aber sie ließ sich von dergleichen nicht so einfach aufhalten. Bislang hatte sie noch jedes Türschloss geknackt, ob es sie nun aus - oder einsperren sollte.

Quint sah auf und war sichtlich verwirrt. „Hab ich da wirklich zugestimmt?“

„Naja“, druckste Gen kurz und hob die Schultern. „Du hattest da eine leicht andere Nuance im Unterton eines deiner 'Mhmhm's, das sehr leicht als ein Ja zu interpretieren war. Also... ja!“

Quints Blick sprach Bände darüber, das es garantiert kein zustimmendes Geräusch gewesen war, aber Gen ignorierte das gerne. Es kam selten vor, das sie sich trafen, auch wenn sie es gerne anders hätte, aber das war der Grund wegen dem sie jetzt auf keinen Fall so schnell aufgeben würde. Quint war das bewusst und überlegte, ob ihm etwas einfallen würde, womit er Gen loswurde, ohne das sie sich lange dagegen wehrte aber alles hatte er schon einmal probiert und so konnte er, nach all den Jahrhunderten die sie zusammen verbracht hatten, sicher sein, dass sie jeden seiner Tricks schon kannte. Er wusste von ihren jedoch nur eine Handvoll, was vermutlich hieß, das er wesentlich einfacher zu überreden war. Er sollte sich dringend neueres ausdenken.

„Okay, wie hast du dir das vorgestellt?“, wollte er wissen, als er den Deckel auf seinen Stift befestigte. Weitere Termine würde er heute wohl nicht mehr auf dem Kalender eintragen.

„Ich dachte mir, wir gehen zur Gypsy Bar und danach ins Rise und … anschließend könnten wir zu mir gehen und da den Abend ausklingen lassen.“

Ohne groß zu überlegen schüttelte Quint den Kopf. „Wir können in ein paar kleinere Clubs gehen und dann getrennte Wege.“

Gen lehnte sich an den Schreibtisch, der sie von Quint trennte. „Du warst schon ewig nicht mehr bei mir. Meine Kleinen würden sich freuen dich mal wieder zu sehen und ein paar kennst du noch gar nicht. Sie sind so klein und knuddelig...“

Quint hob fragend eine Augenbraue. Wann Gen angefangen hatte Katzen zu halten war an ihm vorbeigegangen, aber das es inzwischen mehr waren, als es gesund sein sollte, das war ihm aufgefallen. Beim letzten Mal hatte er bereits geglaubt, es gab mehr Katzen als Teppich.

„Wie viele Katzen sind es inzwischen, Gen?“

„Ehm...“, sie zählte nach und brauchte eine ganze Weile dafür. „17 und zwei sind schwanger, da kommen also bald wieder kleine, süße, knuddelige...“

„Gen, das sind zu viele.“

„Sagt der Mann, der in einer Höhle auf einer einsamen Insel leben würde, wenn er es nur könnte. Es ist doch wohl meine Sache, wie vielen Tieren ich meine Wohnung überlasse, oder? Und darum geht es auch überhaupt nicht. Lass uns ausgehen!“

Quint seufzte. „Alte, verwirrte Katzenlady...“, nuschelte er und stand auf. Sie war alt genug und sollte entsprechend wissen, was sie tut. Auch wenn er derzeit daran zweifelte „Ich werde nicht mit zu dir kommen, solange da mehr als fünf Katzen sind. Aber in einen Club können wir gehen.“

Gen presste die Lippen aufeinander, als Quint versuchte in ihr Leben zu fuschen. Sonst interessierte er sich für nichts, aber da wollte er jetzt ein Mitspracherecht haben. Doch sie wusste am besten, wie sie es ihm heimzahlen konnte. „Dann entscheide ich, in welchen Club wir gehen.“
 

Von den unzähligen Clubs und Bars hatte es das Paradise sein müssen. Gen vergnügte sich prächtig, aber Quint … nicht so. Er hatte das Gefühl das sich eine Schlange gebildet hatte, von Leuten, die ihn allesamt fragten, ob er tanzen wollte. Bei jedem gab es die gleiche Antwort: Nein, er wollte nicht tanzen. Die Musik gefiel ihm nicht und es erinnerte ihn an Miles. Und selbst mit dem hatte er noch nie getanzt.

Miles und tanzen...

Die Leute von der Street Dance Gruppe, die Miles regelmäßig besucht hatte, bevor er geflogen war, hatten sich ab und an bei ihm gemeldet, um zu erfahren, ob es bereits etwas neues gab, aber da hatte er leider keine Informationen geben können. Auch Miles Eltern wussten von nichts und wurden immer angespannter deswegen. Vermutlich schmiedeten sie alle bereits Rachepläne, falls Miles irgendetwas passieren sollte. Aber Quint war der festen Überzeugung, das alles in Ordnung war, solange sie keinen Brief oder Anruf bekamen.

Wobei er sich langsam auch Sorgen machte. Mehr als einmal hatte er darüber nachgedacht einfach hin zufliegen und nach dem rechten zu sehen. Aber das konnte er nicht tun. Sollte er nicht...

„Oh Gott, Quint. Wie kann man in einem Club nur so träge herumsitzen und nen Gesicht ziehen, als wäre vorgestern die Welt untergegangen?!“ Gen lehnte sich mit einer Hand auf den Tisch und beugte sich so weit vor, wie es nötig war, um auf Quints Augenhöhe zu sein. In der anderen Hand hielt sie ihr Mobiltelefon, wie er mit einem Seitenblick bemerkte.

„Was willst du Gen?“, fragte er und lehnte sich nach hinten, um nicht so nah an ihrem Gesicht zu sein. Gen grummelte leise. „Weißt du, du bist nicht der Einzige, der ihn vermisst.“

„Gen...“

Gen mich nicht! Ich mein es ernst. Er wird wiederkommen. Denk daran was du bist. Irgendwann wird der Tag kommen, an dem er nicht zurück kommt, willst du dann den Rest deines Lebens auch so verbringen? Weil... ernsthaft – dann verschwende nicht die Zeit, die ihr haben könntet!“
 

~
 

Gen hatte sich seit dem Trip ins Paradise nicht mehr gemeldet. Vielleicht hatte es an seinem Blick gelegen, von dem er selbst nichts mitbekommen hatte, aber der neben ihm sitzende hatte ihn darauf angesprochen, ob er immer so einen 'Mörder-blick' zur Schau stellen würde.

Würde ihm nicht stehen...

Daraufhin war er gegangen und hatte Gen wie auch seinen Sitznachbarn zurückgelassen. Für letzten war es sicherlich egal, der wendete sich einfach zur anderen Seite, seinen eigenen Freunden zu. Gen hingegen hasste es, wortlos alleine gelassen zu werden. Auch wenn 'alleine' in diesem Fall hieß, das sie umgeben von einer ganzen Menge Männern war.

Quint seufzte und ließ seinen Blick über die nächtliche Stadt gleiten. Hier oben war es windig, was die meisten Töne des späten Nachtlebens mit sich davon trug und dem Vampir etwas Ruhe bescherte. Die frische, kalte Luft ließ seine Gedanken klarer werden.

Diese Nacht würde er nichts mehr tun, als hier zu stehen und zu warten, bis die Sonne aufging. Je nachdem wie der Tag dann würde, könnte er vielleicht noch ein wenig hier bleiben. Ansonsten müsste er dann sehen, wie er nach Hause kam. Oder wenigstens irgendwo hin, wo es dunkel genug war.

„Hallo“, grüßte ihn eine wohlbekannte Stimme. Die Schritte hatte er bereits gehört, genauso wie das Geräusch, das Des' Fell und seine Flügel machten, wenn er sich bewegte. Er hatte gehofft Des würde weg fliegen. Seine Flügel weiter trainieren, statt hier zu bleiben und den depressiven Vampir zu grüßen. Aber eigentlich hätte er es besser wissen müssen. Es war nun einmal Des. Der war in seinem Kopf genauso zuhause, wie in seinem eigenen. Was hieß, das es niemanden gab, der Quint besser kannte als Des.

„Hi.“ Nur kurz sah er zu der Riesenfledermaus. Von dem, wie er es einschätzen konnte, sah er gut aus. Selbst die letzten Narben wurden inzwischen von dichtem, glänzendem Fell verdeckt und der Bruch der Des am fliegen gehindert hatte, war nur noch als ein kleiner Knubbel zu erkennen. Ein Schönheitsfehler, der die Funktionalität des Flügels nicht einschränkte. Wie es dazu kam, das die Verletzungen, die Des gehabt hatte, so schnell heilten, die restlichen Spuren davon jedoch so unglaublich lange gebraucht hatten, bis sie auch nicht mehr sichtbar waren, wusste Quint nicht. Vielleicht lag es daran, das er trotz seines hohen Alters noch immer lebte.

„Du machst dir über die falschen Dinge Gedanken.“

Da hatte Des wohl recht. Nur machte er sich lieber darüber Gedanken, als über anderes.

„Es dauert nicht mehr lange, weißt du.“ Das ließ Quint aufhorchen. „Was meinst du, Des?“, fragte er, einfach um sicher zu gehen, das die Fledermaus das so meinte, wie er es verstand.

„Miles wird bald zurück kommen. Ich kann es schon spüren, weißt du.“

Es war beängstigend, was die Riesenfledermaus so konnte und das vermutlich niemand sagen konnte, was da noch für verborgene Talente brüteten. Aber jetzt dachte Quint wirklich nicht daran.

„Wie kannst du das spüren?“

Des leckte sich langsam über die Lippen und sah hoch in den Himmel. Was er dort sah, wusste Quint nicht. Die Augen des Anderen arbeiteten noch immer nicht so, wie sie sollten. Aber wenigstens sah er wieder mehr, als nur die Schemen anderer Leute und Gegenstände.

„Ich habe von ihm einen Tropfen Blut bekommen, damit ich sagen kann wo er ist“, erklärte Des. „Aber bevor du jetzt böse darauf reagierst – es war, als du mir gesagt hast, das ich auf ihn aufpassen soll und er hielt es für eine gute Idee.“

Wirklich gefallen tat Quint diese Aussage nicht.

„Ich sollte auf ihn aufpassen...“, wiederholte Des deswegen. „Nur dafür habe ich es gemacht und auch nur das genommen, was als Minimum nötig war.“

Quint seufzte. Er reagierte hier eindeutig zu streng. Des würde niemals jemandem etwas tun. Schon gar nicht denen, die er mochte und er verstand sich wunderbar mit Miles. Vielleicht hatte er darum auch ein Interesse daran, das dieser zurück kam. Ihr letztes Treffen war auch vor dem Abflug schon eine Weile her und Miles hatte sich nur über einen Brief verabschieden können.

Einen, den Quint vorgelesen hatte.

„Kannst du auch sagen, wie lange es noch dauern wird?“, fragte Quint neugierig. Doch dieses Mal schüttelte Des den Kopf. „Nein, das nicht. Aber es dauert nicht mehr lange.“

Eine Weile war es ruhig zwischen den beiden, bis der Vampir sich in Bewegung setzte.

„Quint...“, sagte Des, um seine Aufmerksamkeit noch einmal zu bekommen. „Ich bin froh, das du dich dafür entschieden hast. Er wartet schon sehr lange darauf.“
 

~
 

Die Sonne strahlte ihm entgegen, als er aus dem Flugzeug ausstieg. Miles blinzelte und hielt schließlich die Hand so zwischen die Sonne und sich, das er wenigstens nicht in jemanden hineinlaufen würde. So sehr er es mochte vom Sonnenschein in Empfang genommen zu werden, so ungut war die Vorahnung, was das über die Anwesenheit einer gewissen Person versprach. Quint hatte für ihn schon einmal im Tageslicht gestanden, ob er das hier noch einmal erwarten konnte, war fraglich. Es wäre aber auch zu schön, ihn unter seinen Freunden stehen zu haben, wenn er da gleich aus dem Ausgang gehen würde. Er hatte vor seinem Abflug angerufen und er wusste, das seine Eltern ihn abholten. Auch einige seiner Freunde hatten sich angemeldet – zumindest laut seiner Mutter. Aber Quint würde sicher nicht dazu gehören.

Miles zog also seinen Koffer hinter sich her und die Türen zum öffentlichen Teil des Flughafens öffneten sich vor ihm. Da war ein kleiner Pulk an Menschen, nur für ihn. Sie hielten ein großes Schild in die Höhe und seine Mutter hatte Tränen in den Augen, kaum das sie ihren einzigen Sohn sah. Miles grinste und beeilte sich zu denen zu kommen, die da auf ihn warteten. Bei den Tränen seiner Mutter blieben seine Augen jedoch auch nicht lange trocken. So lange war er noch nie alleine auf einer Reise gewesen und so weit weg von zuhause schon gar nicht. Entsprechend erleichtert war er auch, das seine Familie und seine Freunde hier waren. Seine größte Angst war es gewesen, das niemand da wäre. Davon hatte er sogar vor seinem Abflug geträumt.

Obwohl er dachte, das der erste Weg ihn zu seinen Eltern bringen würde, fuhren diese direkt zu ihm. Chloe hatte eigentlich schon immer einen Schlüssel und hatte sich um seine Pflanzen gekümmert, während er weg war. Sie war es nun auch, die ihm in die Arme fiel, kaum das er seine Tür aufschließen wollte. Als hätte sie davor gelauert, um ihn so begrüßen zu können. Als ihre feste Umarmung sich endlich lockerte, gab sie ihm einen Kuss auf die Wange und zog ihn direkt weiter in die Wohnung. „Ich bin so froh, das du wieder da bist. Ohne dich ist es wirklich nicht das selbe.“ Sie drückte ihn noch einmal und öffnete dann die Tür in sein Wohnzimmer. Sofort fing seine versammelte Tanzgruppe an zu jubeln und jeder prasselte mit Unmengen Fragen auf Miles ein, der vor Freude einfach nur breit grinste und alles versuchte zu beantworten. Es war so viel und alles auf einmal. Ein wenig Besorgnis konnte er in den Blicken seiner Eltern entdecken, als er sie in dem vollgestopften Zimmer endlich mal länger zu Gesicht bekam, aber er lächelte sie nur bereit an und zeigte ihnen einen Daumen hoch. Es ging ihm gut. Besser, als jemals zuvor und diese gute Laune konnte nicht einmal der Fakt zerschmettern, das Quint tatsächlich nicht da war. Miles hatte es befürchtet und es war eingetroffen. Aber die versammelte Mannschaft seiner Freund hier zu haben, war im Moment eh kaum zu überbieten.

Und so vergingen die nächsten Stunden mit jeder Menge Fragen über Afrika und über die Leute, bei denen er nun so lange gewohnt hatte. Es gab viel zu erzählen und Miles zeigte sogar ein Tattoo, das er sich dort hatte stechen lassen. Es war nicht groß und wohl kaum einer, außer den Anwesenden, würde es jemals zu Gesicht bekommen. Aber die Bedeutung war es was zählte und sie gefiel ihm. So wie er fand, das Afrika ein wunderschönes Land war, von dem er nur ein winziges Stückchen hatte erleben können.

„Würdest du wieder fahren?“, kam darum auch die Frage und Miles nickte sofort.

„Auf jeden Fall. Es war fantastisch. Die Leute, die Gegend, das Essen – einfach alles!“ Er schwärmte. Was die meisten jedoch vergaßen, oder gar nicht wussten, Miles war nicht einfach nur im Urlaub. Diejenigen, die über diese Tatsache Bescheid wussten, waren auch die, die bis zum Ende blieben. Sie wollten ihm auch seine Ruhe gönnen, aber vorher wollten sie auch wissen, ob es ihm gut ging.

„Miles, Schatz...“ War es darum seine Mutter, als sie die Tür hörten, als sich die letzten der Tanzrunde verabschiedet hatten. „Wie geht es dir?“ Sie umarmte ihren Jungen, was sie am liebsten den ganzen Abend immer wieder getan hätte, aber vor seinen Freunden, hatte sie das dann doch nicht übertreiben wollen.

„Es geht mir gut, Mum. Es ist leise in meinem Kopf und ich habe seit Monaten keine Tabletten mehr genommen.“

„Darum siehst du so gut aus, hm?“ Chloe grinste. Miles sah tatsächlich gesund aus. Nicht so blass und abgemagert, wie er es dank den Nebenwirkungen oft gewesen war. Außerdem hatte ihn das afrikanische Wetter auch ganz gut getan. So viel Farbe hatten sie alle selten in seinem Gesicht gesehen. Miles grinste und zwinkerte sie an.

„Das war das gute Essen. Oh, da fällt mir was ein!“ Miles befreite sich aus der Umarmung seiner Mutter und ging zu seinem Gepäck, das noch immer im Flur stand. Der große Koffer war so voll, wie er nur sein konnte und als Miles den Reißverschluss öffnete, hätte man meinen können, der Inhalt würde gleich heraus platzen. Aber das tat er nicht. Miles hatte also ganz offensichtlich sehr gut gepackt.

„Das ist für dich, Mum.“ Es war ein Notizbuch gefüllt mit Miles Handschrift und alles was sie da sah, waren Rezepte. Einige hatten ein Bild vom fertigen Produkt andere hatten dazu noch eines mit den Zutaten, wie sie vor dem kochen auf dem Tisch standen.

„Ich hab das selbst gemacht, weil es nur meine Lieblingsgerichte beinhaltet und von dem ich glaube, das es dir auch gefallen würde“, erklärte er. Zwischen den Rezepten waren auch immer wieder so einige Bilder. Scheinbar die Leute bei denen Miles gewesen war. Unter die Bilder hatte er die Namen der Personen geschrieben, auch wenn seine Mutter bei einigen Probleme hatte, sie auszusprechen. Miles sprach es einige Male aus, um ihr zu zeigen, wie es gesagt wurde, aber seine Eltern gaben dann doch auf. Nur Chloe nicht. Die es schließlich sogar schaffte

„Und für dich hab ich das hier.“ Er reichte Chloe eine kleine Schachtel, in der eine Kette und ein passendes Armband lagen. „Die hab ich selbst gemacht. Gab einige komische Blicke, als der 'pinke Junge' sich zu den Frauen gesetzt hat, die damit beschäftigt waren.“

„Das wäre nicht nötig gewesen, Miles.“ Sie hatte schon immer etwas von ihm bekommen, wenn er im Urlaub oder länger in der Klinik gewesen war. Immer hatte er sich was einfallen lassen und sie war nie an auch nur ansatzweise an den Einfallsreichtum heran gekommen.

„Es hat mir Spaß gemacht.“ Und es war ein wundervoller Nachmittag mit den Frauen dort gewesen. Er hatte vieles erfahren und an dem Tag war er auch auf die Idee gekommen, das Kochbuch für seine Mutter zu schreiben.

Miles schaute auf den Berg Wäsche, der sich ansonsten im Koffer befand und fühlte sich plötzlich einfach nur müde.

„Ich glaub um das Chaos kümmere ich mich morgen“, erklärte er und die wenigen Besucher die er noch hatte stimmten der Idee zu.

„Ruh dich aus. Soll ich morgen vorbei schauen und dir ein wenig helfen?“, fragten Chloe und seine Mutter beinahe gleichzeitig und sie sahen sich daraufhin überrascht an. Miles lachte und ihm fiel auf, wie ihm das gefehlt hatte.

„Nein, das geht schon. Ich wer mich um die Wäsche kümmern und ein wenig faulenzen...“

Von jedem bekam er eine weitere Umarmung, bevor sie gingen und Miles winkte ihnen hinterher, als sie zu ihren Autos gingen.

Danach herrschte Ruhe.

Fast schon beängstigende Ruhe.

Miles lauschte auf die Geräusche seiner Wohnung. Den Wasserboiler, das surren des Kühlschranks, den seine Eltern am Vortag noch wieder eingeschaltet und gefüllt hatten, die Heizung...

Das war alles so vertraut und kam ihm im Moment doch so merkwürdig vor. Vielleicht lag es daran, das er es nun ein wenig anders wahrnahm. Ohne die Stimmen in seinem Kopf. Ohne das Wirrwarr in seinen Gedanken.

Einfach nur pure Einsamkeit.

Es war das erste Mal seit langem, das er sich so fühlte.
 

Einsam und verlassen stand er auf seinem Flur, während er sich überlegte, ob er sich vielleicht ein Haustier anschaffen sollte. Vielleicht eine Katze, die dann möglicherweise ein wenig mehr Leben hier herein bringen könnte. Aber würde er gut genug für sie sorgen?

Miles seufzte und schaute noch einmal auf den Koffer. Sich um den jetzt noch zu kümmern, war wirklich nicht in seinem Sinn. Darum nahm er nur das nötigste raus und brachte es in die Küche und ins Bad.

Danach zog er sein Langarmshirt aus und warf es auf den geöffneten Koffer, bevor er seine Schlafzimmertür öffnete. Noch im Türrahmen blieb er stehen. Da stand eine einzelne Kerze auf dem Schränkchen neben dem Bett und sie brannte ruhig vor sich hin. Daneben lag ein Briefumschlag. Er öffnete ihn und fand zwei Zettel darin. Einer war voll mit seinem Namen. Einmal in geschwungener Schönschrift dann wieder in grausig gekritzelt. Als habe jemand sämtliche Möglichkeiten probiert seinen Namen zu schreiben. Auf dem anderen war nur eine kleine Notiz.
 

'Das ist eine Seite aus Quints Kalender. Nur für den Fall das er ein Idiot ist und nicht auftaucht.

Ich werd leider nicht in der Stadt sein, aber wir sehen uns, sobald ich zurück bin.

Kuss

Gen'
 

Miles lächelte breit. Er war sich nicht sicher welcher der beiden Zettel ihm besser gefiel.

„Der von Gen“, hörte er eine Stimme hinter sich und wäre beinahe zusammengezuckt, als ihm in den Sinn kam, das es gar nicht nötig war. Er kannte die Stimme. Er kannte den dazugehörigen Vampir.

„Quint!“ Und tatsächlich stand er da. Unverändert, so wie er ihn in Erinnerung hatte. Sein Quint! Da hielt ihn auch nichts mehr neben dem Bett. Er fiel dem Untoten um den Hals und drückte ihn so fest er konnte. Obwohl er sich ganz klar an das erinnerte, was zwischen ihnen in der Nacht vor seiner Abreise passiert war, überraschte es Miles, das Quint ihn umarmte. Ein wenig fester als normal. Sehr viel länger als nötig.

„Ich hab dich vermisst“, gestand der Vampir, noch bevor Miles es tun konnte.

„Ich dich auch“, kam es leise von ihm und er drückte sein Gesicht in Quints Halsbeuge. Dabei fiel ihm auf, das sich Quint nicht so kühl anfühlte, wie er es beim letzten Mal noch gewesen war. Zuerst hielt er es für Einbildung, doch als er sich endlich soweit von dem Anderen trennen konnte, das er ihm ins Gesicht sehen konnte, bemerkte er auch die gesunde Färbung auf dessen Wangen. Aber Miles war nicht alleine damit sein Gegenüber zu mustern.

„Du siehst so selbstsicher und erwachsen aus.“

„Das haben heute schon viele gesagt. Aber bis auf die Ruhe in meinem Kopf, fühl ich mich kaum anders“, gestand Miles.

„Jeder, der von einer Reise wiederkommt, ist verändert. Wenn man neue Dinge gesehen und erlebt hat. Neue Freundschaften geschlossen... Das ändert immer das Auftreten, auch wenn man es selbst vielleicht nicht so bemerkt.“

Miles nickte nur und legte eine Hand auf Quints Wange, um zu testen ob er sich die Wärme nicht doch nur einbildete.

„Du... bist warm“, hauchte er als es sich als wahr herausstellte. „Und du bist nicht so blass. Wie kann das sein?“ Bislang hatte er immer angenommen Quint könnte gar nicht anders aussehen.

Der Vampir lächelte und schob Miles Richtung Bett. „Du weißt genau, wie das sein kann. Nur habe ich Pläne für uns heute Nacht und … naja. Das geht nicht, wenn ich nur das absolute Minimum zu mir nehme.“

„Hast du jemanden getötet?“ Miles sah ihn mit großen Augen an und Quint wusste, das der Kleinere es ihm übel nehmen würde, wenn er ein Leben genommen hätte. Aber das war nicht nötig. Selbst bei der Menge nicht.

„Nein“, antwortete er darum wahrheitsgemäß. „Allen von denen ich getrunken habe geht es gut und sie wissen nichts von dem, was passiert ist. Ihnen fehlt vielleicht eine halbe Stunde in ihrer Erinnerung und eben etwas ihres Blutes, aber ansonsten sind sie alle in bester Verfassung.“

Das beruhigte Miles und er ließ sich entspannt auf dem Bett nieder. Allerdings zog er Quint mit sich, damit der nicht auf den Gedanken kam sich weiter weg als nötig zu setzen.

„Und was sind das für Pläne?“, fragte er weiter und hoffte auf eine Wiederholung dessen, was Quint ihm als Abschiedsgeschenk gegeben hatte, aber so weit wollte er lieber gar nicht denken. Er wusste schließlich noch immer nicht, wie es mit ihnen beiden nun tatsächlich weiter gehen würde.

„Das kommt gleich, keine Sorge. Aber erst: Wie war es dort?“

Miles biss sich auf die Unterlippe. Er wollte wirklich gerne wissen, was da auf ihn wartete, aber Quint hatte offenbar tatsächlich vor sich von Afrika erzählen zu lassen. Dabei wusste er doch sicher schon alles aus den nun so klar vor sich ausgebreiteten Gedankengängen, die ihn jetzt in Miles Kopf erwarteten. Miles wollte das anmerken, aber Quint sah ihn so erwartungsvoll an, das er lieber anfing von seinen Erlebnissen zu erzählen.

Obwohl er zuerst gar nicht hatte reden wollen, plätscherten kurz darauf die Worte nur so aus ihm heraus und Quint hörte ihm zu. Das war es auch, was er vermisst hatte. Miles Energie. Die Art wie er mit ganzem Körpereinsatz seine Erlebnisse schilderte. Es war einfach wunderbar und Quint genoss jedes Wort und jede Geste, die da kam, bis er es nicht mehr aushielt und Miles wieder in den Arm nahm. Dieses Mal blieb es jedoch nicht dabei und Miles hatte nicht vor etwas dagegen zu tun, als sich ihre Lippen endlich trafen. Im Gegenteil waren seine Hände die ersten, die sich in Quints Haaren wiederfanden und er zog den anderen mit sich, weiter auf die Matratze.
 

So lagen sie auf dem Bett, küssten und hielten sich ohne das ihre Hände den Weg unter ihre Kleidung fanden. Es war ihre Art ihr Wiedersehen zu feiern und auch wenn Quint spüren konnte, das Miles Körper bereits darauf reagierte, wollte er seinen nächsten Schritt nicht zu früh gehen. Er würde sich erklären müssen und wie genau er das tun wollte, hatte er noch nicht entschieden. Sollte er es vorher tun oder lieber erst danach? Alles Dinge, die er einfach nicht entschieden hatte. Miles spielte dabei auch eine große Rolle und dessen Reaktionen hatte er nur ahnen können.

Erst als Miles Finger an Quints Pulli nestelten löste dieser widerwillig seine Lippen von denen des Jüngeren. Er sah ihn an, während Miles Probleme hatte seine Augen auf zu bekommen.

„Du weißt noch, wie ich dir erzählt habe, wie mein Körper funktioniert?“

Miles nickte und blinzelte. Seine Finger waren inzwischen unter dem Pullover und er genoss es Wärme zu spüren, wo sonst keine gewesen war.

„Und auch... das es gefährlich für dich sein könnte, wenn zu viel meines Blutes auf dich übertragen wird?!“

Miles blinzelte erneut, schaute Quint nach wenigen Versuchen jedoch auch wirklich an. „Quint“, hauchte er mehr, als das er es sagte. „Du weißt das ich dir vertraue. Dir mehr als jedem anderen. Also was auch immer du vorhast, es ist okay!“

Doch statt einem weiteren Kuss, den Miles erhofft hatte, spürte er nur, wie sich Quint von ihm weg drückte und aufstand. Zuerst glaubte er, er hätte das falsche gesagt und den Vampir damit vergrault, doch als er sich ebenfalls aufsetzte, konnte er dabei zusehen, wie der andere seine Jacke absuchte. Es dauerte nicht lange und Quint schien zu finden, was er haben wollte. Was auch immer es war hielt er in der Hand, als er sich zurück auf das Bett setzte und zu Miles grinste.

„Das wird verhindern, das dir was passiert!“ Ganz stolz zeigte er das Kondom und Miles schaute zwischen Quint und der kleinen Packung hin und her. „Ein Kondom...“

„Oh, du kennst das?“ Der Wandel auf Quints Gesicht war zu komisch. Er sah aus, als hätte sich seine neuste Erkenntnis in Luft aufgelöst.

„Natürlich. Wir haben früher in der Schule über Verhütungsmittel und Sicherheit vor übertragbaren Krankheiten gesprochen, da kamen die auch vor.“

„Hm...“

Miles fiel es wirklich schwer sich ein Lachen zu verkneifen, also entschied er, das er sich einfach wieder auf andere Gedanken bringen würde. Darum schob er sich auf die Knie und nahm Quint das Kondom ab, um es erst einmal zur Seite zu legen.

„Aber weißt du, ich weiß aus sicherer Quelle, das man das erst später braucht.“

„Später?“, fragte Quint ehrlich verwirrt.

„Ja. Wir haben eindeutig zu viel Kleidung an, als das uns das kleine Utensil weiterhelfen könnte.“

Wieder musste sich Miles ein Lachen verkneifen, als Quint einen Moment brauchte, bis er das verstand, aber er grinste selbst und schnipste als kleine Rache nur sanft gegen Miles Nase.

„Verarsch einen armen, alten Mann doch nicht.“

„Wenn der es mir doch so einfach macht“, verteidigte sich Miles und grinste breit als er seine Hände wieder unter Quints Pulli schob, um diesen endlich loszuwerden. Die Andeutung auf das, was Quint vorhatte war ja nun auch nicht an ihm vorbeigegangen und er war neugierig. Es hatte nur ein einziges Mal gegeben, bei dem Chloe und er beinahe diesen Schritt gemacht hätten, aber noch während sie dabei gewesen waren sich auszuziehen, war ihnen der Mut abhanden gekommen. Zwar hatten sie dann nackt eine Weile nebeneinander gelegen und sich gestreichelt, aber mehr war da nicht passiert. Vielleicht hatten er an dem Tag festgestellt, das seine Gefühle für Chloe anderer Natur waren. Sicher sagen konnte er das nicht mehr, das war eindeutig schon zu lange her. Bei dem was hier passieren würde, war das aber auch eher nebensächlich denn es wäre vollkommen neu. Sogar noch neuer, als das, was Quint beim letzten Mal getan hatte.

„Du bist dir sicher?“, fragte Quint leise, als der Pullover auf den Boden fiel und auch er anfing Miles Oberteil höher und über dessen Kopf zu schieben.

„Natürlich bin ich das.“ Schließlich wartete er darauf bereits seit Jahren. Er hatte es sich vorgestellt, davon geträumt, sich Gedanken gemacht wie das mit Quint laufen könnte.

Ob überhaupt...

Daher war er auch über ein paar Dinge informiert. So wie es aussah, jedoch nicht über alles. Solange Quint jedoch sicher war, wusste Miles einfach, das er sich keine Gedanken machen musste. Vielleicht war das naiv, aber er kannte den Vampir jetzt bereits so lange, das er es einfach so sah.

Miles folgte dem sanften Druck von Quints Hand, der ihn auf der Matratze zum liegen kommen ließ. Die Hände des Vampirs waren so angenehm warm, als sie über den Gänsehaut-gespickten Oberkörper strichen.

„Kalt?“

„Aufregung“, hauchte Miles und sah dabei zu, wie gekonnt seine Hose geöffnet wurde und wie wenig Aufwand es für Quint war, Miles Beine aus der Jeans zu befreien.

„Das ist neu“, fiel Quint auf, als er das Tattoo sah. Langsam fuhr er mit dem Finger drum herum und zeichnete es langsam nach.

„Ja. Es gefiel mir und es passte und darum...“

„Was bedeutet es?“

Einen kurzen Moment überlegte Miles. „Odo Nnyew Fie Kwan“, sagte er dann.

„Und was heißt das?“, wollte Quint wissen. Miles grinste wieder und Quint rutschte ein Stück höher, um ihn direkt ansehen zu können.

„Eine Sprache, die du nicht kannst?“

Der Vampir zuckte mit den Schultern. „Ich kann nicht alles aber vieles erfahre ich einfach aus den Gedanken.“

„Warum das nicht auch?“

Quint schnaubte leise und nutzte seine Position, um Miles zu küssen.

„Na los. Verrate es mir“, hauchte Miles, kaum das sich ihre Lippen trennten.

„Weil ich dich reden hören will. Du bist so lange weg gewesen...“ Musste er denn noch einmal erklären, das er Miles vermisst hatte? Nein, Blödsinn. Er zeigte es ihm einfach auf die bestmögliche Weise, die er kannte und hoffte, das er nicht vollkommen eingerostet war. Sein letztes Mal war immerhin auch schon einige hundert Jahre her. Dennoch sollten sie das Reden endlich lassen. Er konnte sich wesentlich besseres Vorstellen, womit sie ihre Münder beschäftigt bekamen. Darum senkte er seine Lippen auch wieder auf die von Miles. Damit konnte er ihn ablenken, während seine Hand über den Bauch streichelte und von dort hinab zur Hüfte, am neuen Tattoo vorbei und tiefer, um Miles auf das vorzubereiten, was kommen würde. Sanft und gewissenhaft so wie es bei ihm nie jemand getan hatte, aber das waren andere Zeiten und es war gut, das es lange vorbei war. So hatte er sich jetzt ausführlich beraten lassen und war sicher noch heute eine Lachnummer bei den Angestellten des Ladens, in dem er der Bedienung Löcher in den Bauch gefragt hatte. Dorthin ging er lieber nicht mehr. Dafür hatte er alles dabei, was er brauchen würde.
 

~
 

Miles war noch schläfrig, als er die Augen langsam wieder versuchte zu öffnen. Draußen war es hell, aber er hatte keinerlei Lust darauf aufzustehen. Die lange Reise steckte ihm in den Knochen und das ungewöhnliche Willkommen, was Quint ihm da bereitet hatte, ebenfalls. Das es jemals dazu kommen würde, hatte Miles inzwischen beinahe als einen Wunschtraum abgetan, der eh nie passieren würden. Der Vampir hatte ihn entsprechend überrascht.

Auch das er noch immer hier lag und Miles wärmte.

Das war noch nie passiert. Normal war Quint immer eisig und Miles wärmte ihn. Zur Abwechslung war es anders herum und so kuschelte er sich fester an den Untoten, um das zu genießen, solange es nur ging.

Nachdem er sich bewegt hatte, spürte er wie Quints Finger langsam über seinen Rücken streichelten und dessen Lippen sanft auf Miles Stirn einen Kuss hinterließen.

„Du bist wach?“, nuschelte Miles und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. Es gelang ihm nicht.

„Natürlich. Ich muss doch schauen, was sich sonst noch so alles an dir geändert hat.“

Die Träume, die Gedanken... Sie waren anders, aber noch immer ganz eindeutig Miles.

„Danke, das du noch hier bist“, murmelte Miles. Er war kurz davor erneut einzuschlafen, aber das er jetzt wusste, das Quint gar nicht schlief, hinderte ihn daran.

„Ich habe nicht vor so schnell wieder zu gehen.“

„Nein?“

Da richtete er doch wenigstens seinen Kopf soweit auf, das er Quint ansehen konnte.

„Meinst du das ernst? Du bleibst?“

„Eine Weile. Meine Wohnung ist auf Dauer sicherer, aber … die nächsten paar Tage werde ich ganz sicher nicht gehen.“

Miles strahlte bis über beide Ohren. Dafür hatte er eine halbe Weltreise machen müssen, aber es hatte sich gleich in so vielerlei Hinsicht gelohnt.

„Oh... oh... ich muss dir was zeigen.“ Miles trennte sich nur ungern von Quint, aber er musste an seinen Rucksack, um endlich sein Handy wieder einzuschalten und auch direkt ans Laden zu hängen.

„Als ich mit den Schamanen ein Ritual durchgeführt habe, habe ich das hier gesagt. Sie haben es aufgenommen, was ganz gut war, denn ich habe absolut keine Ahnung, was es heißen soll.“

Miles erklärte das alles und kam zurück ins Bett, wo er das Kabel über Quint drapierte, damit er weiter das Handy bedienen konnte. Er startete die Aufnahme.

Da war einiges zu hören. Die anderen Männer, das Knistern von Feuer und schließlich auch Miles Stimme, die in einer für Quint wohlbekannten Sprache etwas von sich gab.

Einer toten Sprache – oder zumindest hatte der Vampir seit gut tausend Jahren niemanden mehr so sprechen gehört. Außerdem war sein Name gefallen.

Als es abgespielt war, legte Miles sein Handy erst einmal wieder weg und sah erwartungsvoll zu Quint.

„Hast du es verstanden?“, fragte er neugierig. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er sagen, Quint war kreidebleich. Aber das war eigentlich nichts neues für den Vampir. Wobei er schon ein wenig mehr Farbe im Gesicht gehabt hatte, als er hier angekommen war. Da legte Miles seine Stirn doch in Falten und musterte den Untoten genauer, während der den Kopf schüttelte.

„Nein. Das sagt mir nichts“, kam es schließlich von ihm.

„Sicher? Ich meine da war was, das klang wie dein Name und darum dachte ich, es wäre eine Sprache, die du kannst.“

„Tut mir leid, Miles.“ Der kuschelte sich wieder an und zog die Decke höher. Miles war noch immer Müde und sicher, das er noch ein paar Stunden Schlaf brauchen würde.

„Das ist schon okay... Hauptsache, du bist jetzt hier.“

Quint versuchte sich ebenfalls zu entspannen und über die Nachricht hinweg zu kommen. Über diesen Weg noch einmal von ihr zu hören...

Damit hatte er nicht gerechnet.

„Odo Nnyew Fie Kwan“, hörte er leise Miles sagen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Odo Nnyew Fie Kwan = "Love never loses its way home" Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: Puria
2015-05-04T09:12:41+00:00 04.05.2015 11:12
6000 gloreiche Worte! Endlich. *_*
Mei, was hab ich mir das Grinsen verkneifen müssen, als Quint die ersten Abschnitte ... ja, eigentlich schon etwas geschmachtet hat. Und gut so!
Denn umso süßer das Wiedersehen - Und was für eines!
Hätte nicht viel gefehlt und ich hätte beizeiten Miles Gäste eigenhändig mit den Fingern aus der Wohnung gezupft.
 
Ist ein sehr schöne Kapitel geworden!
Nur dass Quint die Sprache von der Aufnahme nicht verstanden hat kauf ich ihm so gar nicht ab. Hoffe, dass da noch mehr kommt und du uns nicht auf dem Mysterium sitzen lässt. ;)
Antwort von:  SamAzo
04.05.2015 14:11
Oh, das hat er verstanden. Jedes einzelne Wort. xD
Weiß nur nicht, ob das auch mal rauskommen wird. Vielleicht, wenn Miles das auch mal Gen vorspielt.


Zurück