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Fragmente

One Shot Sammlung
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Wortvorgaben: Winter-Wonderland, Geschenk, süßer Duft, Geständnis Komplett anzeigen

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Erinnerung

Eine dunkle Gestalt sitzt auf der Brüstung des Hochhauses, auf dem wir uns befinden. Noch ist nicht ganz klar um wen es sich handelt und wir gehen näher, um einen eventuellen Selbstmörder aufzuhalten. Das machen wir nicht weil wir ein guter Mensch sind, nein. Lediglich deswegen, weil unser Auto dort unten steht und wir nicht wollen, dass er, wie der Zufall es will, ausgerechnet dieses trifft. Irgendwann wollen wir immerhin wieder nach Hause.

Je näher wir kommen, umso besser erkennen wir einen jungen, dunkelhaarigen Mann, der die Beine baumeln lässt, als säße er lediglich auf einer zwei Meter hohen Mauer und nicht auf einem über 70 Meter hohen Haus.

„Hey!“, sagen wir.

„Das ist ziemlich hoch, bist du sicher, dass du da sitzen willst?“

Er ignoriert uns.

Oder zumindest sieht es so aus, da er keinerlei Reaktion zeigt.

„Hallo?“

Wir gehen noch näher an ihn heran um sicher zu gehen, dass er uns hört.

„Ich soll die Tür zum Dach abschließen, du musst hier runter!“

Wieder null Reaktion.

Vorsichtig schauen wir über den Rand hinab. Höhenangst haben wir keine, doch ab genügend Metern wollen wir auch nicht mehr sehen, wie hoch wir eigentlich sind. Schon jetzt ist jedes Auto, jeder Baum, jede Straßenlaterne und jeder Mensch dort unten viel zu winzig für unseren Geschmack.

„Setz dich und genieße die Aussicht“, hören wir ihn sagen.

„Nein, danke. Ich habe noch etwas zu erledigen. Kannst du jetzt bitte das Dach verlassen?“

Er schüttelt den Kopf.

„Wenn ich gehe, dann so wie ich gekommen bin, da brauche ich keine Treppe für.“

„Wie bitte?“

Er schaut mich an und grinst schelmisch.

„Setz dich einfach und leiste mir etwas Gesellschaft. Dann zeige ich es dir – vielleicht.“

Wir setzen uns, aber noch vor die Brüstung um auf keinen Fall hinab sehen zu können.

Er schaut schweigend in den Himmel bis er sich irgendwann uns zuwendet.
 

„Du bist nicht hier um die Tür abzuschließen! Dazu benötigt man keine Tasche wie diese“, bemerkt er.

„Was geht dich das an?“

Er zuckt mit den Schultern, widmet sich der Umgebung indem er sich nun genauer umschaut und richtet sich wieder an uns.

„Wen willst du erschießen?“

„Sehe ich aus als würde ich jemanden erschießen wollen?“

„Schade... Aber gut, dass hätte ich mir auch denken können. Wollen wir dann etwas plaudern? Wo ich doch wegen dir hier bin.“

Wir schauen wohl etwas verwirrt und zu allem Überfluss stellt sich dabei der Mund etwas auf, was noch wesentlich behämmerter ausschaut.

„Keine Angst, ich bin weder von der Polizei noch ein Arzt. Die Polizisten die ich kenne, reagieren auf diese Aussicht genauso wie du gerade. Und Ärzte kenne ich ehrlich gesagt überhaupt keine.“

„Wer bist du dann? Ein Patient?“, wollen wir wissen.

„Das ist eine lange Geschichte. Sehr, sehr lang. Wenn du wirklich etwas darüber hören willst, solltest du dir schon einmal etwas zu Trinken und zu Essen holen. Wobei ich nicht weiß, ob du es wert bist.“

„Na danke“, murmeln wir.

„Aber ... du hast Glück. Ich denke es wäre eine tolle Erfahrung mal jemandem zu erzählen was ich bin, ohne ihn danach töten zu wollen.“

Wir schütteln den Kopf und verzichten dankend auf jede weitere Unterhaltung!

Sein Grinsen wird noch eine Spur breiter und wir erkennen Zähne, die nicht aussehen wie die eines Menschen. Automatisch schlucken wir und schauen wie weit es bis zur Tür ist.

„Zu weit, wenn du vor mir fliehen willst“, merkt er seelenruhig an.

Wir überlegen. Ist es ok, wenn wir ihn erzählen lassen, in der Hoffnung das er uns wirklich gehen lässt?

Wir sind alleine auf dem Dach, wenn wir hier herunter geworfen werden, wird jeder behaupten es war Selbstmord. Dabei sind wir gar nicht der Typ dafür.

Wir sind nicht hier weil wir irgendwelche Depressionen haben und uns umbringen wollen.

Wir haben lediglich ... uns.

Aber es ist schon schlau von diesem Mann sich uns auszusuchen. Wer würde uns schon glauben?
 

„Du bist ganz schön clever.“

„Bitte?“

„Du hast es wirklich schnell herausgefunden.“

„Aber ich haben nichts gesagt!“

Wieder grinst er uns an.

„Ich sollte gehen!“

„Wieso denkst du von dir selber immer als 'wir'? Deswegen bist du hier, nicht wahr? Hab mich schon gefragt, was bei dir nicht richtig ist.“

Wir sagen nichts, stehen nur auf um zurück auf unser Zimmer zu gehen.

„Du bist mir zu unheimlich“, sagen wir noch.

„Dann werde ich weiter warten. Vielleicht kommt der ein oder andere Springer noch hier herauf. Was genau wolltest du jetzt eigentlich hier oben?“

„Wir... Ich wollte nur etwas Luft schnappen.“

„Verwirre ich dich?“

„Hör auf damit!“

„Dann bleib hier und höre zu. Oder schlaf meinetwegen, aber tu wenigstens so als würdest du zuhören.“

„Bist du so mitteilungsbedürftig?“

„Ich war fast tausend Jahre lang allein. Um zur Abwechslung also mal ehrlich zu sein, ja.“

„Such dir jemand anderen.“

„Nein. Dazu ist es zu spät.“
 

Was er mit uns tut ist unklar. Wir spüren nur jede Menge Wind.

Jetzt liegen wir auf dem Rücken und schauen in den Himmel. Alles schmerzt.

„Au...“

„Hättest du dich nicht gewehrt, hätten wir das Dach nicht wechseln müssen!“

„Was?“

Etwas hektisch schauen wir uns um und tatsächlich sieht es hier anders aus.

„Was bist du?“

„Das weißt du noch immer nicht? Schaust du keine Filme?“

Er steht über uns gebeugt, so dass wir sein Gesicht sehen können.

„Ich seh kein Fern. Normalerweise nicht. Davon bekomme ich Kopfschmerzen.“

„Oh man.. Ich bin ein Vampir. Davon hast du aber schon etwas gehört, oder?“

Wir lachen.

„Klar, ein Vampir!“

Unser Lachen verstummt als wir seinen Gesichtsausdruck sehen.

„Du meinst es ernst“, bemerken wir.

„Hast du vorhin nicht meine Zähne gesehen? Ich scherze nicht!“

Wir zittern plötzlich, ohne etwas dagegen unternehmen zu können.

„Das müssen die neuen Medikamente sein. Ich halluziniere!“

„Sind es nicht. Oder wie sonst solltest du plötzlich auf dem Gebäude gegenüber sein?“

„W ... warum willst du – was auch immer – einem Wildfremden erzählen, der es nicht einmal wissen will?“

„Weil das genau der Richtige für diesen Zweck ist.“

„Darum muss es auch jemand sein, dem niemals einer glaubt.“

„Richtig! Also hör einfach zu.“
 

-
 

Endlich hält mein unfreiwilliger Zuhörer den Mund und ich kann anfangen zu erzählen.

Gut, ich muss zugeben, dass meine Rangehensweise nicht die optimalste ist, aber die Idee kam zu spontan um gut durchdacht zu werden.

Abgesehen davon war er der Erste, der mir über den Weg lief und jetzt einfach damit leben muss. Falls er es kann. Ich habe keine Ahnung was für einen Schaden er nehmen kann. Immerhin ist er sowieso etwas wirr im Oberstübchen.

Oder ist das gemein es so zu nennen?

Ach egal.

Es soll um mich gehen und nicht um ihn.

Das hier ist meine Nacht und garantiert nicht seine.

Ist ja nicht so als habe ich ihn in einer Seitenstraße erwischt. Tz, nein, das wäre zu klischeehaft.

'Vampir überfällt armen Irren in dunkler nächtlicher Gasse'

Nein, ganz schlecht.

Er kam zu mir. Es war seine Entscheidung und ich habe kaum dabei getrickst.
 

Der Kleine hat sich nicht mehr bewegt. Scheinbar hat er jetzt wirklich schiss.

„Hier, deine Tasche. Dann liegt dein Kopf nicht so hart. Falls du liegen bleiben willst.“

Das gehörte zu meinen drei Minuten freundlich sein. Nur kein falsches Bild von mir bekommen!

Ich setze mich neben ihn.

„Es gibt viele Momente und Nächte in meinem Leben, über die ich berichten könnte. Einige davon sind erst einige Wochen her, andere bereits Jahrhunderte. Was interessiert dich am meisten? Oder soll ich 'euch' sagen?“

„Mach was du möchtest.“

Das tue ich so oder so.

„Soll ich dir erzählen wie ich geworden bin wie ich jetzt bin? Ach nein, jeder Vampir erzählt darüber. Zumindest, wenn er mal die Gelegenheit dazu hat.“

„Wie alt bist du?“, fragt er. Noch immer starrt er in den Himmel, an die Stelle wo mein Gesicht noch bis eben war.

„Ich war 23, inzwischen bin ich das seit knapp 1200 Jahren. Ganz genau kann ich es dir nicht sagen. Dazu hätte ich wohl mitzählen müssen.“

Er schweigt mich an.

Ich könnte seine Gedanken lesen. Habe aber nicht so wirklich Lust darauf.

„Wie heißt du?“

Ich schaue ihn an.

„Mein Name..“

„Ja, wie heißt du?“

Wenn ich das nur wüsste.

„Ist das wichtig? Musst du das wissen?“

„Es wäre ... einfacher.“

„Wie heißt du?“, fragte ich.

„Hast du das nicht schon in meinen Gedanken gelesen?“

„Vielleicht. Aber man kann ja nicht immer alles vorher ausspionieren.“

„Miles“, antwortet er mir nach kurzem zögern.

Ich nicke.

„Bekomme ich jetzt deinen Namen auch zu hören?“

„Ich würde ihn dir sagen, nur weiß ich ihn nicht mehr.“

„Wie vergisst man seinen eigenen Namen?“

Das ist eine berechtigte Frage.

„Irgendwo auf dem Weg zwischen hier und dort. Mein tot war ereignisreich und mein Kopf ist auch nur beschränkt aufnahmefähig.“

Er lacht.

Er lacht über mich!

Eigentlich sollte ich ihn aufhalten. Keiner lacht über mich, vor allem nicht, wenn ich gerade versuche mir meinen eigenen Namen ins Gedächtnis zurück zu rufen.

„Halt den Mund! Und nenn mich einfach wie du willst. Vielleicht höre ich ja drauf.“

Noch immer grinst er. Irgendwie fange ich an ihn zu mögen. Er traut sich was, auch wenn er Angst hat.

„Kanntest du berühmte Persönlichkeiten?“

„Wen?“

„Keine Ahnung.. Caligula?“

„Wer ist das?“

Etwas erstaunt schaut er mich an.

„Ein römischer Kaiser.“

„Keine Ahnung“, sage ich schulterzuckend. „Was interessieren mich olle Kaiser?“

„Was bist du nur für ein Vampir?“

„Einer, der dir gleich den Mund zutackert. Das soll hier keine Fragestunde werden. Und im übrigen ist der Kerl schon länger tot, als ich auf der Welt!“

„Also kennst du ihn doch, Lügner!“

„Nein, ich kenne lediglich seinen Namen.“

Dass er mich als Lügner betitelt ignorier ich einfach, ihm zuliebe.

„Na gut, lassen wir das. Wenn du unter allen umständen etwas los werden willst, dann erzähl über ... das Schlimmste was dir je passiert ist!“

„Wie kommst du denn auf diese Idee?“

Er zuckt mit den Schultern und schiebt sich die Tasche unter seinem Kopf zurecht. Er will wirklich liegen bleiben.

„Kam mir als erstes in den Sinn.“

Er lächelt mich an, trotz seiner Angst. Ich höre sein Herz, laut und deutlich und es schlägt schneller als es gesund ist.
 

Ich beobachte ihn noch eine Weile, bis es ihm wohl zu unangenehm wird und er lieber wieder in den Himmel schaut.

Also gut. Will ich ihm mal erzählen, was er wissen möchte.

„Das Schlimmste was mir je passiert ist. Das ist schon lange her. Kurz nachdem ich ein Vampir geworden bin. Gut 'kurz' ist vielleicht etwas untertrieben. Es dürften einige Jahrzente gewesen sein. Damals war ich mit einem anderen jungen Vampir unterwegs ...“
 

-
 

„Quint, leg dich nicht mit ihr an! Sie ist eine Hexe, sie hat keinerlei Skrupel jemanden zu töten, schon gar nicht, wenn derjenige bereits tot ist.“

„Du bist ein Feigling. Was soll sie uns schon tun können?“

„Das will ich gar nicht wissen. Ehrlich, sie ist brutal und gemein. Obwohl sie ein Mensch ist, ist sie schlimmer als wir. Schrecklicher als der schlimmste von uns.“

„Oh bitte. Wie viele andere Vampire kennst du, Jirko?“

Der blonde Vampir strich sich einige Haare aus dem Gesicht ehe er seinem Freund antwortete.

„Mit dir fünf. Aber das spielt keine Rolle! Es ist bekannt, dass sie keine Gnade kennt und du solltest dir wirklich überlegen, ob es das wert ist.“

„Das ist es! Überleg doch mal, wenn wir sie auf unserer Seite haben, kann uns nichts mehr aufhalten. Sie kann uns vor allem schützen.“

Quint ging weiter in den Wald. Der schmale, nur selten benutze Weg lag in tiefster Finsternis. Woran keiner der Beiden sich weiter störte.

„Sie wird uns aber nicht schützen wollen. Die Leute aus dem Dorf Gestern haben dir doch gesagt wie sie auf Dämonen reagiert und für Menschen zählen wir halt dazu. Sie wird uns etwas schreckliches antun!“

Der Dunkelhaarige drehte sich zu seinem Freund um. Er grinste, ein Zeichen dafür, dass er das Ganze nicht wirklich ernst nahm.

„Dann bleib hier. Sie wohnt dort alleine, das werde ich gerade noch schaffen.“

Jirko schüttelte den Kopf. „Und dich ihr alleine ausliefern, nein!“

Quint zuckte kurz mit den Schultern und ging weiter, während Jirko ihm folgte.

Der Weg bis zu dem Haus der Hexe, wie der Blonde sie nannte, war nicht weit und eigentlich hätten sie schon längst dort sein können, doch Quint wollte unbedingt erst nach Mitternacht ankommen.

Warum genau der Dunkelhaarige sich in den Kopf gesetzt hatte diese Frau heimzusuchen um sie dazu zu bringen ihnen zu helfen und sich verwandeln zu lassen, wusste Jirko nicht. Er hielt es für eine dumme Idee. Auch wenn es zuerst noch sehr vielversprechend klang. Nachdem sie die Bewohner dieser Gegend nach ihr befragt hatten, war seine Meinung zu diesem Plan sehr tief gesunken.

„Pass auf. Ich habe mir überlegt, das ich wirklich alleine zu ihr gehe. Ich mein, wenn du vollkommen verlassen im Wald wohnen würdest und plötzlich, mitten in der Nacht, zwei unbekannte Männer auftauchen, wärst du auch misstrauisch, oder?“

„Das auf jeden Fall. Aber sie wohnt nicht umsonst alleine im Wald.“

„Wie kommt es eigentlich, dass du so ängstlich bist?“

„Ich bin nicht ängstlich. Lediglich etwas vorsichtiger als du.“

Wieder grinste Quint.

„Wir sind so gut wie unsterblich, sie kann nichts machen!“

„Ich befürchte du unterschätzt sie.“

„Und ich befürchte du überschätzt sie! Sie ist nur ein Mensch auch wenn sie diese Kräfte hat.“

Jirko blieb stehen und lauschte in den Wald hinein.

„Geh ohne mich. Wirklich! Ich habe keine Lust wegen dir eine Hexe als Feind zu haben.“

„Feigling“, nuschelte Quint leise.

„Denk daran, dass ich dich hören kann.“

„Uh, wie konnte ich das vergessen? Ich schätze mal morgen Nacht bin ich wieder da.“

Jikro nickte einmal und verschwand in der Dunkelheit.

„Und du bist doch ein Feigling!“, wiederholte Quint.
 

Das Haus der Frau, Quint mochte es nicht sie Hexe zu nennen, stand auf einer kleinen Lichtung. Der Vampir schaute in den Himmel. Die Nacht war, bis auf wenige Wolken Sternenklar und der Mond nur eine winzige Sichel. Es hätte ihm sehr gut gefallen, wenn es stürmen würde. Das hätte seinen Auftritt irgendwie spannender gemacht. Jetzt würde das ganze keinen Spaß machen, also machte er kurzerhand eine Planänderung und klopfte ganz normal an.

Zuerst blieb alles ruhig, so wie er es vermutet hatte. Normale Leute schliefen um diese Tageszeit ja auch für gewöhnlich.

Er klopfte erneut und dieses Mal hörte er von drinnen einige Geräusche. Bis endlich jemand erschien, dauerte es jedoch noch etwas.

Die Tür wurde nur einen Spalt breit geöffnet und eine Frau, die Quint garantiert nie als Hexe bezeichnet hätte, schaute zu ihm.

„Es ist spät!“, merkte sie an. „Was gibt es dringendes?“

Der Vampir war etwas verwirrt. Sie sah nicht so aus, wie die Leute sie beschrieben hatten. Aber falsch war er auf keinen Fall, immerhin gab es nur dieses Häuschen hier.

„Ich habe mich nur etwas verlaufen. Könnte ich reinkommen und mich etwas ausruhen? Ich bin auch sicher vor Sonnenaufgang wieder verschwunden.“

Die Hexe schwieg und schloss die Tür wieder. Quint war etwas verwirrt, hörte jedoch wie sie drinnen umherging und letzlich wieder zur Tür zurück kam.

Hatte sie ihn schon durchschaut und einen Pflock geholt?

Er hoffte nicht.

„So, jetzt kannst du herein kommen.“ Mit diesen Worten öffnete sie die Tür erneut und ließ Quint herein. Er war noch nie in dem Haus einer Kräuterfrau, so wurden 'Hexen' in seinem Dorf genannt, umso neugieriger schaute er sich um. Auf den ersten Blick nichts ungewöhnliches. Trocknende Kräuter und Blumen an der Decke, einige kunstvoll zu einem Gesteck gebunden, Behälter mit ihm unbekantem Inhalt auf einem Regal weiter hinten und ein offener Kamin, an dem in einem kleinen Stöfchen einige Kräuter verbrannten. Der dadurch erzeugte Geruch brannte in seiner Nase, obwohl er nicht einmal regelmäßig atmete. Die Hexe schien es nicht weiter zu stören. Vermutlich war sie es einfach schon gewohnt. Sie hatte eine Decke um sich geschlungen und war barfuß, vermutlich hatte sie darum noch einmal die Tür geschlossen.

„Es ist kein schwieriger Weg, aber bei Nacht leicht zu übersehen“, erklärte sie freundlich. „Hast du Hunger? Oder Durst?“

Quint schüttelte den Kopf.

„Nein, ich möchte keine Umstände bereiten.“

Er rieb sich die Augen, als diese langsam anfingen zu tränen. Wenn er ehrlich zu sich selber sein würde, waren diese Kräuter das abartigste was er je gerochen hatte. Ihm wurde sogar etwas schlecht, was vollkommen unnatürlich war.

Wie konnte sie in diesem Dunst nur leben?

Anscheinend bemerkte sie es nicht, oder ignorierte es einfach. Freundlich lächelnd musterte sie ihn und ging langsam um ihn herum. Was ihm nicht sonderlich auffällig vorkam, da er zu sehr mit sich beschäftigt war. Der Rauch machte ihm zu schaffen.

„Was machst du so spät noch im Wald?“

„Ich ...“

Das hätte er sich vielleicht auch noch ausdenken sollen.

„Naja, eigentlich wollte ich lediglich etwas jagen. Nur dann, hab ich den Rückweg nicht gefunden.“

„Jagen? Ohne Waffen?“

„Oh ich habe Waffen! Ich dachte nur ich lasse sie draußen, damit ich dich nicht erschrecke.“

Sie schmunzelte als er sich wieder über die Augen strich. Seine Arme fühlte sich so schwer an.

„Was hast du?“, fragte sie besorgt.

„Ich weiß nicht. Anscheinend vertrage ich diesen Rauch nicht.“

„Kein Wunder. Er ist gegen Vampire.“

Quint schaute sie an und konnte beobachten wie sich ihr freundliches Lächeln in ein fieses Grinsen verwandelte. Jegliches Mitgefühl und jede Wärme war aus ihrer Stimme verschwunden.

„Was willst du von mir?“, fragte sie streng. Dabei kam sie ihm so nahe, wie er niemanden freiwillig heranlassen würde.

„Ich ...“

„Red nicht weiter!“, unterbrach sie ihn direkt wieder.

Quint schwieg. Seine Augen tränten noch immer und er versuchte den Rauch aus seiner Nase zu halten um das Brennen los zu werden.

„Setz dich lieber, solange du es noch alleine kannst.“

„Was?“

„Mach schon. Ich werde dich nicht auf einen Stuhl hieven wenn du dein Gleichgewicht erst einmal verloren hast.“

Erst als er versuchte sich zu bewegen, fiel ihm auf, dass ihm wirklich schwindelig war. Dieser merkwürdige Rauch war scheinbar so etwas wie eine Wunderwaffe.

„Was ist das?“, wollte er wissen.

Eine Antwort bekam er nicht. Stattdessen spürte er ihre Hand auf seiner Brust und wie sie ihn mit leichtem Druck zu einem Stuhl schob. Er ließ sich einfach darauf fallen.

Unter normalen Umständen würde er sich nicht so herum schieben lassen. Was auch immer diese Kräutermischung ausmachte, sie war schwer zu ertragen und verhinderte jegliche Aktion seinerseits.

Die Hexe setzte sich auf seinen Schoß und lehnte ihre Ellbogen auf seine Schultern.

„Also noch einmal die Frage: Was willst du von mir?“

„Deine Hilfe. Ich brauche deine Hilfe.“

„Natürlich. So ein Dämon wie du, braucht ausgerechnet von mir eine Hilfestellung. Lüg mich nicht an!“

Quint schluckte und blinzelte einige Male um seine Sicht zu verbessern. Er wollte ihr in die Augen sehen, doch es war zu verschwommen.

„Deine Macht, gepaart mit der Unsterblichkeit eines Vampires. Wir könnten viel erreichen.“

Sie machte einen abfälligen Laut und schüttelte den Kopf.

„Ich bin unsterblich, Dummerchen! Wie alt bist du? 100 ... 200 Jahre? Ich bin doppelt so alt! Ganz ohne die negativen Seiten des Vampirdaseins. Kein Blutdurst, kein verbrennen bei Sonnenlicht ... Du musst verstehen. Ich liebe die Sonne. Ohne sie wäre ich nicht lebensfähig. Hast du jemals deine Geliebte mit auf eine Lichtung genommen und sie so lange verwöhnt, bis ihr beide nichts mehr konntet außer daliegen und das leichte prickeln auf der Haut zu spüren?“

Genießerisch schloss sie die Augen und schien sich an jenes Ereignis zu erinnern.

„Die warme Luft um einen herum, die Blumen, die ihren vollen Duft nur tagsüber abgeben...“

Quint seufzte in die Erläuterung der Hexe und riss sie damit aus ihrer Erinnerung.

„Oh... jetzt verstehe ich“, flüsterte sie.

Ohne jede Vorsicht strich sie dem Vampir die Feuchtigkeit aus den Augen und sah ihn an. Quint konnte nun endlich in die Augen der Hexe sehen. Hätte er das vorher getan, hätte er ihr wahres Alter vielleicht erkannt. Denn auch wenn sie aussah wie mitte Dreißig, ihre Augen zeigten ein völlig anderes Alter.

Beinahe liebevoll strich sie ihm über die Wange.

„Der Vampir vermisst die Sonne. Oder zumindest jemanden den du mit ihr in Verbindung bringst. Wer ist es? Deine Geliebte? Deine Frau? Oder bist du einer von denen, die ihr eigenes Geschlecht bevorzugen?“

Er knirschte mit den Zähnen. Darauf musste er nicht antworten!

Die Hexe lächelte wieder ihr, in keinster Weise, freundliches Lächeln.

„Wie niedlich.“

Grob stieß sie sich von ihm ab, als sie aufstand um einmal um ihn herum zugehen.

„Ich werde dir zeigen was passieren wird, wenn du die Sonne das nächste Mal siehst.“ Sie nahm ein Seil und fesselte die Hände des Vampirs, der es nicht schaffte sich dagegen zu wehren. Die Kräutermischung, die sie selber im laufe der Jahre entdeckt und perfektioniert hatte, ließ die Verbindung des dämonischen Geistes auf den toten Körper schwächer werden. Im besten Falle war er vollkommen hilflos und konnte nichts dagegen unternehmen.

„Ich werde dir zeigen wie deine Zukunft aussieht!“
 

Langsam fiel es Quint sogar schwer die Augen offen zu halten. Was kaum tragisch war, da sich schon wieder genügend Tränen gebildet hatten, dass er nur verschwommen sah.

Er musste hier raus, irgendwie an die frische Luft um diesem Rauch zu entkommen. Leider sah es nicht so aus, als würde es dazu kommen.

Seit sie seine Hände gefesselt hatte, war sie nicht wieder in sein Sichtfeld getreten. Er hörte nur wie sie etwas verrieb und leise irgendwelche Dinge vor sich hin murmelte.

Es waren wohl einige Minuten vergangen, so genau konnte der Vampir das nicht mehr einschätzen, als sie wieder zu ihm kam und sich erneut auf seinen Schoß setzte.

„Trink!“, befahl sie.

Quint schüttelte schwach den Kopf und versuchte dem Becher auszuweichen, doch es kostete erstaunlich viel Kraft, die er einfach derzeit nicht besaß.

„Trink!“, wiederholte sie während sie ihn unsanft am Kinn festhielt und den Becher mit Gewalt gegen seine Lippen presste.

„Ich will nicht, dass du mir den Wald zusammen schreist. Also trink gefälligst!“

Mit einem kurzen Griff an seinem Kiefer bekam sie ihn dazu etwas der Flüssigkeit im Mund zu lassen. Sie hob sein Kinn an, damit er das wenige was er getrunken hatte nicht wieder ausspucken konnte. Dennoch weigerte er sich es zu schlucken.

„Glaub ja nicht, dass dir das hilft. Es reicht wenn es lange genug in deinem Mund war.“

Langsam summte sie, bis einige Minuten vergangen waren, und ließ ihn dann los um aufzustehen und die getrockneten Blumen und Kräuter, die über ihm an der Decke hingen, zu entfernen.
 

Quint versuchte das ekelige Gebräu wieder los zu werden, dazu ließ er es einfach aus seinem Mund rinnen. Seit diesem, es war wohl ein Tee, fühlte es sich an, als habe er etwas im Hals, das er nicht durch räuspern beseitigen konnte.

Er beobachtete, so gut es ging, was die Hexe tat und wunderte sich darüber, das sie ihn scheinbar mitten in ihrem Haus anzünden wollte.

Wobei ihm der Ort ja eigentlich ganz egal sein konnte.

Die Hexe fing an etwas auf ihm zu verteilen. Durch den Rauch konnte er nicht riechen was es war aber er hatte eine böse Vorahnung.

„Ich hoffe du magst deinen kleinen Vorgeschmack“, flüsterte sie ihm ins Ohr, bevor sie einen brennenden Holzscheit auf seinen Schoß legte und selber einige Schritte zurück wich.

„Viel Spaß!“, wünschte sie ihm mit einem gehässigen Ton.
 

Die Hitze die ihn erfasste, verursachte Schmerzen die er mit nichts bisherigem vergleichen konnte. Das Feuer fraß sich über seinen Körper und verbrannte gierig alles was es erreichen konnte. Jedes züngeln der Flammen raubte Quint nicht nur den Verstand sondern auch etwas seines Bewusstseins. Schon im ersten Moment hatte er gehofft das es schnell gehen würde. Doch das war ein Wunschtraum. Auch wenn es an zu vielen Stellen und zu stark schmerzte, weigerten sein Körper und sein Geist sich aufzugeben.

Als das alles verschlingede Feuer sein Gesicht erreichte, war das schmerzhafteste, als es sich seiner Augen bemächtigte.

Der tiefe Atemzug, den er automatisch machte um zu schreien, brannte in seiner Lunge. Der Schrei, den er seit dem ersten stechenden Schmerz einfach nur herausbrüllen wollte, kam nicht. Kein Ton kam über seine weit aufgerissenen Lippen.

Nur gut, dass es ihm in diesem Moment gleichgültig sein konnte. Es hätte ihm so oder so nicht weiter geholfen.
 

Wasser traf ihn, eiskalt, was ihn genauso quälte wie das Feuer.

Sein Körper zitterte und er konnte kaum erwarten, dass die Heilung einsetzen würde. Solange musste er aushalten. Lange würde es nicht dauern, hauptsache die Schmerzen würden verschwinden, und dann könnte er es dieser Hexe zeigen. Ja, das trieb ihn an, das half ihm diese Situation zu überleben und am Ende als Sieger da zustehen.

Wenn er es sich nur lange genug einredete.

Solange er noch konnte.

Die Zähne fest aufeinander gebissen wartete er ab und verfluchte die Hexe in Gedanken auf das tödlichste.

Die Heilung setzte für ihn nicht schnell genug ein.

Als erstes verging der Schmerz, was ihn sichtlich entspannen ließ. Quint versuchte zu ihr zu sehen. Es war schwer etwas zu erkennen, aber am Ende trafen sich ihre Blicke.

Sie grinste ein unheilvolles, breites Lächeln, das Quint sagte, dass sie noch lange nicht fertig mit ihm war.

„Den letzten, armen Menschen hast du Gestern getötet, nicht wahr? Darum heilst du so schnell. Aber glaube mir, das wird sich bis zum Sonnenaufgang geändert haben.“

Wieder verteilte sie diese zähflüssige Masse auf ihm, von der er nicht genau sagen konnte was es war. So stark wie es brannte musste es irgendein Harz sein. Doch sicher war er sich bei der Vermutung nicht. Sie hatte sichtlich Spaß dabei, was sich darin äußerte, dass sie beinahe zärtlich das Zeug auf ihm verteilte.

„Jetzt bist du wenigstens warm“, hauchte sie ihm entgegen, als sie seinen Blick bemerkte.
 

Kaum das sie fertig war, zündete sie ihn erneut an und wieder traf ihn der Schmerz, den er eben erst hinter sich gelassen hatte.

Dieses Mal behielt er die Zähne zusammen gebissen. Er versuchte den Schrei zu unterdrücken, was nicht sehr lange gelang. Noch bevor er die Augen schloss um sich dem laut- und sinnlosen Ausdruck seines Leidens zu widmen, sah er sie. Die Hexe setzte sich auf den Boden und genoß sichtlich was sie sah.
 

Es dauerte immer länger bis sie ihn löschte und je öfter sie diese Prozedur wiederholte um so schwerer fiel es ihm zu ertragen was mit seinem Körper geschah. Dazu kam, dass, dadurch das er sich immer wieder heilte, sein Durst in ungeahntem Maße anstieg.

Die Frage war nun, würde ihm die Qual oder der Durst den letzten Funken Verstand rauben?

Die Hexe wusste genau wie es ihm ging und sie hatte recht behalten, denn inzwischen heilte so gut wie nichts mehr an ihm.

„Bald ist Sonnenaufgang. Freust du dich schon?“

Irgendwann hatte sie die Decke gegen ein Kleid gewechselt, was er nicht sehen konnte und auch nicht weiter interessierte.

„Vorher habe ich aber noch eine kleine Überraschung für dich. Als kleines Geschenk so zusagen.“

Quint wollte den Kopf schütteln, war jedoch nicht in der Lage dazu.

Das nächste was er wahrnahm war der beste Duft der ihm jemals in die Nase gestiegen war.

Blut.

Ihr Blut und er konnte regelrecht spüren wie sein Körper zu der Quelle des Glücks wollte. Egal wie viel Kraft es kostete und Schmerzen bereitete, sein Körper machte sich selbstständig. Nur kam er nicht weit, da er noch immer an den Stuhl gefesselt war und sie hatte wirklich penibel darauf geachtet, dass weder der Stuhl allzu großen Schaden nahm, noch die Fesseln sich lösten.

Die Hexe lachte. Ihr gefiel wohl der Anblick eines verzweifelten, verbrannten Vampires, der versuchte an ihren Lebenssaft zu kommen. Was er nicht tun könnte, wenn das Kräutergemisch noch wirken würde. Doch das war seit Stunden aus.
 

„Du bekommst ein paar Tropfen. Ich will ja, dass du die Sonne sehen kannst, oder zumindest den blauen Himmel. Das letzte was du je sehen wirst! Abgesehen davon musst du schon selber hinaus gehen.“

Quint war es egal. Alles was zählte war ihr Blut. Er wollte ihr Blut.

Jetzt! Sofort!

Auf der Stelle!

Und das bekam er. Zwar wirklich nur einige Tropfen, die sie auf sein Gesicht und in seinen Mund tropfen ließ, aber er würde schon einen Weg finden an noch mehr zu kommen.

Irgendwie!
 

Die Hexe öffnete ihre Tür und die frische, morgendliche Briese wehte herein. Quint spürte den kühlen Wind auf sich. Er hätte gezuckt, wenn nicht alle verbliebenen Sinne auf die Hexe gerichtet gewesen wären.

„Nun komm.. du willst dich doch rächen, oder? Dann komm auch und zeig mir was für ein Dämon du bist“, hörte er sie sagen.

Seine Arme waren so wund und taub, dass er nicht einmal bemerkt hatte, dass sie seine Fesseln beseitigte.

Noch immer kam kein Ton über seine Lippen. Ansonsten hätte die Hexe ein Knurren hören können.

Seine Augen funktionierten noch immer nicht, aber seine Nase und ein Sinn von dem er nicht sagen konnte wie er hieß, wiesen ihm den Weg.

Sie lockte ihn auf eine kleine Wiese hinter ihrem Haus auf der Lichtung.

Auch wenn er ein übernatürliches Wesen und unter normalen Umständen schneller und stärker war, kicherte sie. Sie tänzelte ohne jede Sorge, ließ den Vampir jedoch nicht aus den Augen.

Er kam näher, jedoch eher langsam. Die Verbrennungen und die Tageszeit machten es ihm schwer. Das wenige was vom Morgengrauen zu sehen war, brannte schon zu genüge auf seinem geschundenen Fleisch.
 

Was dann geschah, war außerhalb seiner Wahrnehmung. Er spürte einen anderen Vampir, einen den er kannte, der jedoch gar nicht da sein sollte.

Das Nächste was er wirklich wahrnahm, war wie er mitsamt der Hexe auf dem feuchten Rasen lag. Quint ließ sich diese Chance nicht entgehen und biss zu.

Sie wehrte sich, kam gegen den festen Griff ihres Opfers jedoch nicht an.

Erst als sie sich nicht mehr bewegte löste er den Griff und schubste sie von sich.

Das frische Blut wirkte sofort.

Er erkannte die Äste über sich und sah wie sie langsam schärfer wurden. Der Wind bewegte die Blätter und erzeugte so ein leises Rauschen.

Gebannt schaute Quint in den Himmel. Die Bäume schienen sich zu bewegen und er fühlte sich, als sei er Teil eines riesigen Mobile.

Wann konnte man von hier die Sonne sehen?
 

Er spürte die Hände des anderen Vampirs, die ihn in die sichere Dunkelheit zogen.

„Jirko...“, hauchte Quint. Noch immer war seine Stimme nicht sonderlich gut zu hören.

„Du bist ein Idiot. Ein dummer, hirnloser Idiot!“

„Ich hab dich auch vermisst.“

„Sie hätte dich getötet!“

„Aber ich lebe noch, anders als sie.“

„Glaub mir, sie ist nicht tot. Darum sollten wir auch so schnell wie möglich von hier weg. Meinst du, dass du schnell genug bist? Es wird sonst ziemlich knapp.“

Quint nickte. „Mir geht es blendend.“

„Sieht man. Das blühende Leben. Jetzt komm, ich will hier nicht länger bleiben!“
 

-
 

„Wir kamen noch rechtzeitig in eine verlassene Höhle. Die nächsten zwei Nächte war ich damit beschäftigt wieder ich selber zu werden.“

Das war es, jetzt wusste er es.

Ich sehe zu Miles. Seine Augen sind geschlossen. Der Mistkerl ist wirklich eingeschlafen!

„Du kennst deinen Namen doch noch“, nuschelt er.

„Was meinst du?“

„Der eine Vampir hieß Quint, der andere Jirko. Da es dein schlimmstes Erlebnis war, musst du Quint sein.“

„Ja, das bin ich...“

Das dieser Name damals schon kein richtiger war, erwähne ich einfacher halber mal nicht. Aber es war einer meiner Namen und er war ok.

Miles sieht nicht so aus, als habe er viel mitbekommen, vielleicht besser so.

Was soll ich jetzt noch sagen?
 

Der Tag ist bis jetzt nur ein etwas hellerer Streifen am Horizont. Noch nicht weiter nennenswert. Es ist also noch Zeit bis zu meinem geordneten Rückzug.

„Quintus“, nuschelte Miles.

„Du und die Römer..“

Er grinst und blinzelt zu mir.

Ich lehne mich auf die Ellbogen und schaue in den Himmel.

Eine Frage habe ich dann doch.

„Warum bist du mit einer Tasche auf das Dach gekommen?“

„Ein Geschenk.“

„Was hattest du vor?“

„Ich habe jemandem versprochen seinen Bildern fliegen beizubringen.“

„Was?“

„Na, weißt du was ein Scherenschnitt ist?“

„Ja, doch.. Hab ich mal was von gehört.“

„Einer in der Klinik macht den ganzen Tag nichts anderes. Lauter Schmetterlinge, Libellen, Enten. Ich glaube es war auch ein Schwan dabei. Auf jeden Fall liebt er alles was mit fliegen zutun und Flügel hat und ich habe ihm versprochen, das ich seinen Bildern das Fliegen beibringe.“

„Interessant. Was hast du vor?“

„Ich habe aus Taschentüchern kleine Fallschirme gebaut. Ich hoffe das reicht ihm.“

Jetzt lache ich.

„Das ist nicht nett!“

Oh doch, das ist es. Von ihm, diesem anderen Irren gegenüber.

„Die Idee ist toll, aber wieso willst du sie Nachts fallen lassen? Da sieht er sie doch gar nicht.“

„Sonst komme ich doch nicht auf das Dach.“

Ich schüttel den Kopf. Wie kommt man auf so eine Idee?

„Pass auf. Ich dachte mir, wenn du mir schon, mehr oder weniger freiwillig, zuhörst, dann könnte ich auch etwas für dich tun.“

„Wirklich?“

Etwas überrascht schaut er auf und setzt sich.

„Das würdest du machen?“

„Klar. Du gehst den Kerl wecken und ich werf die Dinger runter, dann kann er sie auch sehen.“

„Das wäre... nett.“

Eigentlich viel zu nett. Ich bin zu alt um nett zu sein!

„Aber erst muss ich dich wieder auf das richtige Dach bringen.“

„Können wir da einfach gehen? Mir ist noch schlecht vom Weg hierhin.“

„Dann erkläre mir, wie du ungesehen rein gehen willst.“

„Da fällt mir schon was ein. Nur würd ich wirklich lieber gehen. Außerdem gibt es da unten einen guten Laden, da könnte ich was Frühstücken. Ich habe nämlich Hunger.“

„Hunger für zwei, was?“

„Für drei.“

Ich muss grinsen, genauso wie er.

„Na gut, dann gehen wir halt ganz normal. Wie Menschen.“

„Ich bin ein Mensch.“

„Als ob ich das nicht wüsste.“

„Kannst du anderes trinken als Blut?“

„Wieso?“

„Ich will dich einladen.“

„Nein. Lieber nicht. Abgesehen davon, dass du höchst wahrscheinlich nicht einmal Geld dabei hast. Beim letzten Versuch habe ich mich tagelang schlecht gefühlt. Aber du kannst gerne Frühstücken. Ich warte solange.“

„Oh, stimmt ja. Mein Geld ist in meinem Schrank. Dann hat sich das erledigt.“

Ich stehe auf und reiche ihm eine Hand.

„Ich bezahl schon.“

„Danke“, erwidert er fröhlich. „Sag mal, ist es nicht unglaublich dämlich, dass du nur dabei sitzen kannst?“

Er nimmt meine Hand und lässt sich hochziehen. So war das nicht geplant. Aber ich habe heute scheinbar eine sentimentale Nacht und benehme mich nur zur Hälfte wie ich selbst.

„Man gewöhnt sich daran.“
 

Ich bezweifle, dass die Leute in dem 'Laden' nicht erkennen woher er stammt. Er trägt immerhin einen klinikeigenen Schlafanzug und ein kleines Bändchen am Handgelenk, mit irgendwelchen Daten darauf. Aber das erwähne ich einfach mal nicht. Er ist immerhin nicht dumm.

Tatsächlich holt er eine Jacke aus seiner Tasche, von der ich mich frage, wieso er sie nicht schon eher angezogen hat. Für einen Menschen müsste es schon recht kühl hier oben sein.

„Können wir?“, frage ich.

„Aber klar. Solange es durch das Treppenhaus geht.“

Ich nicke. Nehmen wir halt die Treppe.
 

-
 

Wir sitzen hier nicht das erste mal. Nur die Uhrzeit ist eine vollkommen Andere als sonst. Die Bedienungen kennen uns noch nicht. Was in anbetracht unseres Begleiters vielleicht auch ganz gut ist. Der Laden ist noch fast leer. Nur ein Polizist in Uniform und ein Pärchen sind sonst noch hier.

Noch ist unser Essen nicht da. Nur der heiße Kaffee steht vor uns. Auch Quint hat einen bestellt. Zur Tarnung, wie er uns sagt.

Schweigend schütten wir Unmengen von Milch und Zucker in das dunkle Getränk. Sonst ist es zu bitter und das mögen wir nicht.

„Hast du dich beruhigt, weil du geschlafen oder weil du dich an mich gewöhnt hast?“, fragt er.

„Ich habe nicht geschlafen... Naja, vielleicht ein wenig gedöst an einigen Stellen.“

Wir hoffen, dass er uns nicht böse ist. Er selber hatte gesagt, dass es reicht wenn wir nur so tun als würden wir zuhören. Wir haben zugehört, solange es ging.

Er schmunzelt und rührt unnützerweise in dem Kaffee den er sowieso nicht trinken wird.

„Darf ich etwas fragen?“

„Du hast vorher auch nicht nach einer Erlaubnis gefragt, also nur raus damit.“

„Wenn du ... uns ... zu einem Vampir machen würdest, was würde passieren?“

Es ist schwer zuzugeben, dass wir selbst mit Tabletten nicht ganz alleine in unserem Kopf sind. Selbst jemandem, der es schon weiß.

Quint schaut uns an.

„Vermutlich nichts weiter“, antwortet er. „Es gäbe drei Möglichkeiten. Die Wahrscheinlichste ist, dass du einfach du selber bleibst. Oder in deinem Fall ihr selber. Das nächste, was öfters passiert wenn schon ein psychischer Defekt vorliegt – dir somit auch passieren könnte – wäre das du vollkommen deinen Verstand verlierst. Meistens leben diese Vampire allerdings nicht lange. Das letzte und Unwahrscheinlichste ist, dass du plötzlich alleine in deinem Kopf bist.“

Interessiert nicken wir.

Das Essen kommt und die Bedienung fragt Quint erneut ob er nicht doch etwas haben will. Er lehnt ab, während wir etwas beleidigt sind, da sie netter zu ihm als zu uns ist.

„Ich würde dich aber nicht zu meinesgleichen machen“, sagt er nachdem die Blondine weg ist.

„Das will ich auch gar nicht. War nur neugierig.“

Wir fangen an zu essen und schauen ab und an zu ihm.

Er achtet nicht auf uns sondern schaut nach draußen. Es wird heller.

Wir wollen nicht, dass er wegen uns zu spät wegkommt.

„Das Geschenk kann bis Morgen warten“, sagen wir darum.

Jetzt sieht er uns an ohne ein Wort zu sagen und ohne das wir raten können was er denkt.

„Vermisst du noch immer die Sonne?“, fragen wir deshalb.

Ein trauriges Lächeln.

„Ich vermisse nicht die Sonne. Nur eine Person. Eine einzige Person...“

Wir fragen lieber nicht um wen es sich handelt sondern essen weiter.

„Morgen nach Sonnenuntergang auf dem Dach!“, sagt er plötzlich.

Die Traurigkeit ist nicht mehr zu erkennen als wir ihn ansehen.

„Morgen Abend!“, bestätigen wir seinen Vorschlag.

„Dann lass es dir schmecken und pass auf, dass sie dich nicht erwischen.“

Quint legt Geld auf den Tisch, steht auf und geht. Er nimmt seinen vollen Kaffeebecher mit und wirft ihn in den Abfall.

Wir schauen ihm hinterher, mit dem Gefühl ihn nicht wieder zu sehen.

„Lassen wir uns überraschen!“

Geschenk

Miles saß auf dem Dach und beobachtete den Sonnenuntergang.

Eigentlich sollte er nicht hier oben sein. Die Aktion das er ungemeldet weg gegangen war, hatte ihm etwas Ärger eingebrockt, jedoch war er freiwillig hier in der Klinik, also konnten sie ihm nicht wirklich etwas.

Er war sich nicht sicher, ob der, auf den er wartete, wirklich kommen würde. Wenn er seinem Gefühl traute, dann wäre das Warten wohl vergebens. Doch sicher sein konnte er sich nicht, also saß er hier oben.

Hoffentlich würde keiner herauf kommen. Er wäre nicht der erste, der dieses Dach als Sprungbrett missbrauchen könnte. Und auch wenn er so gar keine Lust auf Selbstmord hatte, war die Frage, ob sie ihm das auch glauben würden.

Langsam versank die Sonne und mit der Dunkelheit, wuchsen seine Zweifel.

„Er wird bestimmt nicht kommen“, nuschelte Miles zu sich. „Er hatte was er wollte. Warum sollte er dann noch einmal herkommen?“

Er schloss einen Moment lang die Augen und versuchte sich an die Geschichte zu erinnern, die ihm der Vampir in der letzten Nacht erzählt hatte.

Warum war er nur eingeschlafen?

Jetzt wüsste er gerne was Quint noch alles gesagt hatte. Doch er konnte sich nur noch an einige Zeilen erinnern, den größten Teil hatte er tatsächlich verschlafen.

„Du solltest es nicht zur Angewohnheit werden lassen, ein Dach als dein Bett zu benutzen. Im Moment ist das Wetter schön, aber bald schon, wird es anfangen zu regnen und dann?“

Erschrocken riss Miles die Augen auf und erkannte sofort den Vampir auf der Brüstung sitzen.

„Woher weißt du das es regnen wird?“

„Wetterbericht! Auch wenn ich tot bin, ab und an höre und sehe ich Fern - anders als du.“

„Ich würd ja, aber ich kann nun einmal nicht!“, verteidigte sich Miles während er aufstand. Ganz bis zu dem Vampir ging er nicht, was mehr daran lag, dass dieser sich wieder einmal viel zu nah am Rand des Daches befand.

Quint grinste ihn an. „Glaub mir, du verpasst nichts!“

Miles zuckte mit den Schultern. „Es wäre aber schon ganz nett ab und an mal mit Freunden ins Kino zu gehen.“

„Dann mach es doch. Vermutlich liegt es doch an dem was du siehst, oder? Mach einfach die Augen zu. Dann hast du wenigstens den Abend mit deinen Freunden und ein nettes Hörspiel.“

„Ja, super. So will ich natürlich einen Abend verbringen“, nuschelte Miles wenig begeistert von dem Plan.

Der Vampir stand von der Brüstung auf und kam langsam auf Miles zu. „Besser als auf einem Dach rumzulungern!“

„Hey, das ist deine Idee gewesen.“

„Ich weiß, ich weiß.“ Quint streckte sich ausgiebig. „Also wollen wir anfangen, oder musst du noch Bescheid geben?“

„Er weiß Bescheid. Aber vielleicht sollte ich ihm trotzdem sagen, dass es gleich los geht.“

„Gut“, sagte Quint nickend. „Dann gibt mir die komischen Teile und beeil dich.“

„Das sind keine komischen Teile! Das sind Scherenschnitte!“

„Ja, was auch immer...“
 

Miles reichte Quint den Rucksack und verschwand dann Richtung Tür. Der Vampir machte sich wieder auf zu seinem Lieblingsplatz und setzte sich auf die Brüstung. Er musste jetzt so oder so erst einmal auf Miles warten.

Wobei 'warten' im Moment nicht das gesündeste für ihn war. Es gab Dinge an die er dachte, die ihn tiefer hinunter zogen als es ein Fall von diesem Hochhaus konnte. Freunde mit denen er sehr gerne seine Zeit verbrachte und die nun einer nach dem anderen endgültig aus seiner Existenz verschwunden waren.

Gebannt von den Lichtern der Straße schaute Quint hinab und hing diesen Erinnerungen und unschönen Gedanken nach.
 

Lange brauchte Miles zum Glück nicht, dann stürmte er auch schon wieder durch die Tür.

Wirklich nah traute er sich nicht heran. Hatte wohl doch Höhenangst der Kleine, dachte der Vampir.

„Und du wolltest das alleine machen, ja? Wie denn wenn du dich nicht einmal neben mich traust?“

„Dann hätte ich mich eben zusammenreißen müssen.“

„Was du jetzt glücklicherweise nicht machen musst, weil du ja mich hast.“

Miles grinste. „Genau!“

„Hast du ein Glück.. Wo müssen die denn jetzt runter? Nicht das ich das Fenster verfehle.“

„Oh, ehm..“ Der junge Mann überlegte kurz und zeichnete die Raumaufteilung in die Luft. „Dort!“

Er zeigte einige Meter nach Links.

„Gut!“, erklärte der Vampir und stellte sich auf die äußerste Kante. Miles wurde beim Anblick schon ganz anders.

„Meinst du, dass es so eine gute Idee ist dich da hinzustellen?“

„Natürlich! Ich muss wissen wie der Wind weht, sonst fliegt dein Geschenk vorbei!“

„Oh..“ Daran hatte der junge Mann gar nicht gedacht. „Das hätte ich jetzt vollkommen falsch gemacht“, gab er darum zu.

„Siehst du, noch ein Grund warum ich das jetzt mache.“

Miles grinste, was der Vampir nicht sehen konnte.
 

„Quint?“

Kurz drehte sich der Untote um. „Ja?“

„Woher kommst du eigentlich? Das hast du mir noch gar nicht erzählt.“

„Natürlich wie jeder gute Vampir aus Rumänien!“, antwortete Quint mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

„Wirklich? Dann stammen Vampire wirklich von diesem komischen Vlad Dracul ab?“

„Also ... Nein. Mit dem Namen der Gegend aus meiner Zeit, kannst du vermutlich so oder so nichts anfangen. Es wäre also unnötig ihn dir zu sagen. Und was den Komiker angeht, der sich Sohn des Drachen nannte: Ich bin älter! Also stammen Vampire eindeutig nicht von ihm ab.“

„Oh, na gut. Aber kannst du mir denn sagen, wie es heute heißt? Also die Gegend aus der du kommst, ursprünglich.“

„Hm, die nächste, bekannte Stadt wäre heutzutage Tallinn.“

Miles schaute verwirrt. Eine Stadt mit dem Namen kannte er nicht.

„Wo liegt das?“, wollte er wissen.

„Das ist die Hauptstadt von Estland“, erklärte Quint während er sich so weit wie es ging hinaus lehnte. „Wenn du genaueres wissen willst, schnapp dir 'nen Buch!“

Schweigend schaute Miles zu wie der Vampir die ersten Scherenschnitte hinab warf. Irgendwie fand er die Idee selber jetzt nicht mehr so gut. Dennoch würde er das nun nicht mehr abbrechen, immerhin hatte er es versprochen. Auch wenn Quint nun die ausführende Kraft war.

„Hey, das funktioniert sogar“, hörte der Miles den Vampir sagen.

Miles musste schmunzeln, da der Untote ehrlich überrascht klang.

„Nun ich hab lange genug darüber nachgedacht. Wäre enttäuschend wenn es nicht ginge.“

Von Quint kam keine Reaktion. Er schaute das Haus hinab und beobachtete die kleinen Fallschirme.
 

„Quint?“, versuchte Miles wieder Aufmerksamkeit zu bekommen. „Ich hab mich gefragt, was du schon so alles gesehen hast. Was für Länder und Orte? Bis auf ein paar Ausnahmen kenne ich nur diese Stadt.“

„Ehm, ich war eigentlich schon überall. Gut die meisten Wüsten habe ich gemieden! Zu wenig zu sehen und zu viel Sonnenschein. Nur in Ägypten war ich mal. Tagsüber hab ich in einigen Grabkammern verbracht. Das dumme an dem Land ist nur, dass sie dauernd versuchen ihre Geschichte auszubuddeln und wenn man dabei gefunden wird nimmt das kein gutes Ende!“

„Aber es ist dir nicht passiert!“

„Ja, da hatte ich wohl Glück. Ansonsten wäre ich jetzt wohl in irgendeinem Labor als besterhaltene Mumie, die je gefunden wurde.“

„Wäre nicht so gut. Wer würde mir dann helfen?“

„Genau! Sag mal, willst du nicht auch mal ein oder zwei runter werfen. Ich zeig dir auch wo, damit sie genau vor dem Fenster runtergehen.“

„Oooh nein!“

„Ach komm schon, sei kein Frosch. Ich halte dich auch fest. Du kannst nicht fallen, nicht mit mir!“

„Nein, lieber nicht.“

„Vertraust du mir etwa nicht?“

„Ich soll einem Vampir vertrauen? Weißt du, ich habe vielleicht ein Problem mit meinem Kopf, aber so groß ist es dann doch nicht!“

„Danke, ich kann dich auch gut leiden.“

Miles fing den Rucksack auf, der ihm zugeworfen wurde, sobald kein Scherenschnitt mehr darin war da auch der letzte seinen Weg durch die Lüfte antrat. Der Vampir drehte sich zu dem jungen Mann um.

„Fertig! Das Aufsammeln wirst du dann wohl übernehmen. Davon war immerhin nicht die Rede.“

Etwas baff wurde er angesehen.

„Aber...“

„Aber?“

Unentschlossen starrte Miles auf den leeren Rucksack. Die Nacht war noch jung, nicht wahr?

Was sollte er jetzt noch tun, wo er so gar keine Lust mehr hatte schlafen zu gehen?

Wohl kaum die Scherenschnitte einsammeln. Nein, das war so gar nicht in seinem Sinn.

Nur fiel ihm jetzt nichts ein, was er erwiedern könnte. Vor allem nicht, nachdem er eben gesagt hatte, dass er dem Untoten nicht vertrauen würde.

„Ich würd dich noch runter bringen, aber du magst meine Art der Fortbewegung ja nicht. Also dann... Bin ich mal weg!“

Quint machte einen kleinen Schritt nach hinten und war augenblicklich verschwunden. Miles hingegen war mit einem Satz an der Brüstung und schaute hinunter.

„Nein, warte..“, rief er ihm hinterher, selbst wenn er nicht sagen konnte wohin der Vampir verschwunden war.

Doch es gab keine Antwort.

Wieso sollte es das auch?

Miles wich wieder von der Kante zurück. Es war einfach zu hoch für seinen Geschmack.

Aus irgendeinem Grund wartete der junge Mann noch einige Minuten auf dem Dach. Doch als auch weiterhin niemand auftauchte, machte er sich auf den Weg zurück zur Tür um dann zum Eingang hinunter zu fahren. Es gab noch einige Scherenschnitte einzusammeln.

Aber zuerst würde er bei seinem Freund vorbeischauen. Bei dem Mann, für den das ganze Theater überhaupt veranstaltet worden war.
 

Noch auf dem Gang, wurde er aufgehalten. Die Tür zu jenem Freund war offen und er hörte die Stimmen einiger Schwestern.

Etwas war passiert, nur was?

Miles ging weiter, so als wolle er lediglich zu seinem Zimmer, und versuchte dabei einen Blick in den Raum zu werfen. Doch es ging nicht, irgendjemand stand immer im Weg.

Ein anderer Patient hielt den jungen Mann einige Meter später erneut auf.

„Er ist plötzlich ganz ausgerastet“, flüsterte er hastig.

„Was? Wie meinst du das?“

„Na, zuerst jubelte er und dann wurde er plötzlich panisch und schrie das jemand fliegt.“

„Fliegt?“

Mit hefigem Nicken wurde Miles Frage bejaht.

Aber es war niemand auf das Dach gekommen, also gingen sie nicht von einem Selbstmord aus. Dennoch bekam Miles einen Kloß im Hals. Er war nicht ganz unschuldig an dem Zustand seines Freundes.

Warum hatte er an so etwas nicht gedacht?

Es war einfach zu viel für den Mann gewesen.

„Warum wirst du so blass?“, wollte der andere Patient wissen.

„Nichts... Ich muss nur... nur.. ehm...“

„Deine Spuren beseitigen?“

Miles zuckte zusammen und drehte sich in die Richtung aus der die Stimme gehört hatte. Doch da war niemand.

Sofort wurde er noch eine Spur blasser und lehnte sich an die Wand.

„He, alles OK?“, fragte der Andere, der scheinbar die Stimme nicht gehört hatte.

„Ja, gut. Alles gut.“

Ohne weiter auf die Aufregung in dem Raum oder den Patienten neben sich zu achten, verkroch sich Miles in sein Zimmer. Sofort warf er den Rucksack in eine Ecke und ließ er sich auf sein Bett fallen.

Die Tabletten hatten so gut gewirkt, wieso hatte er das jetzt hören müssen?

Woher war diese Stimme gekommen? Diese bekannte, warme Stimme mit einem leichten spöttischen Unterton.

„Na, wer könnte das wohl gewesen sein?“

Miles schreckte hoch und schaute sich um, doch auch dieses Mal war niemand anwesend.

„Oh, nicht aufregen. Du weißt wer ich bin und wo kann ich dir auch sagen, wenn du es wissen willst.“

Der Angesprochene schüttelte den Kopf.

„Nein, nein, nein! Raus aus meinem Kopf. Sofort!“

„Bist du wirklich so empfindlich?“

Miles hielt sich die Ohren zu, presste die Augenlieder fest zusammen und schüttelte weiter den Kopf.

„Hey, Junge. Du regst dich viel zu schnell auf.“

„Halt den Mund!“, rief er laut.

„Mach die Augen auf!“

Der junge Mann wollte nicht, doch als er eine Hand auf seiner Schulter spürte, schaute er tatsächlich auf und beruhigte sich beinahe augenblicklich.

„Ich bin doch da. Ganz real und lebendig.. naja, weniger lebending.“

„Aber wie bist du hier rein gekommen?“

„Wie jeder andere auch: Durch die Tür.“

Miles schwieg und schaute weiter fragend auf den Vampir.

„Oh, komm. Dachtest du ich verschwinde wirklich so einfach?“

Langsam stand der junge Mann auf und kam auf den Vampir zu.

„Und warum machst du diesen Mist mit meinem Kopf?“

„Nun, ich wollte dich nur etwas ärgern. Kann ja keiner ahnen das du so reagierst.“

„Ist auch vollkommen unverständlich, wo ich so gerne fremde Stimmen in meinem Kopf habe, oder wie?“
 

Der Kleine klang wirklich wütend, was bei genauerem überlegen auch berechtigt war.

Wie hatte er das Problem dieses Menschen nur vergessen können?

„Tut mir leid, Kleiner!“

Beleidigt verschränkte Miles die Arme vor der Brust und schaute aus seinem Fenster.

Quint schwieg und lehnte sich an die verschlossene Tür.

„Kennst du es, wenn du etwas Gutes tun willst und es endet überhaupt nicht so wie du es dir vorgestellt hast?“, fragte der junge Mann nach weiteren Minuten.

Der Vampir nickte.

„Dein Freund ist ganz schön aufgedreht was?“

„Er ist in Panik geraten, weil er angeblich einen Menschen hat fliegen sehen!“

Miles drehte sich zu dem Untoten.

„Schau mich nicht so an! Ich kann nicht fliegen.“

„Aber du hast dich fallen lassen. Meinst du nicht, er hat dich gesehen?“

Quint schüttelte den Kopf und lächelte beschwichtigend.

„Er kann mich nicht gesehen haben, dazu war ich zu schnell. Du hast mich doch auch nicht mehr gesehen, oder?“

„Nein, aber .. Vielleicht hat er bessere Augen oder so.“

Der Vampir schüttelte erneut den Kopf, doch dieses Mal kam er nicht dazu etwas zu sagen.

„Er muss dich irgendwie gesehen haben!“

„Miles, ich bin nicht wie Superman an seinem Fenster vorbei geflogen. So ein Cape steht mir einfach nicht.“

„Hm..“

Der junge Mann hatte sich wieder dem Fenster zugewandt und schaute hinaus. Quint sah ihm eine Weile dabei zu, bis draußen auf dem Flur wieder laute Stimmen zu hören waren.

„Ich sollte wirklich gehen. Immerhin würden die sich wundern, wieso hier plötzlich jemand bei dir ist. Unangemeldet und um diese Uhrzeit. Und du solltest die Fallschirme von den Dingern machen.“

„Welche Dinger? Die Scherenschnitte? Die müssen doch noch aufgesammelt werden.“

„Wenn du deine Augen mal aufmachen würdest, die liegen da. Viel spaß, ich muss dann mal los.“

Der Vampir wandte sich zum gehen und sein Weg war nicht weit, da er noch immer an die Tür gelehnt stand.

„Nein, warte!“

„Ah.. wenigstens hast du es mir dieses Mal nicht hinterher geschrien.“

„War das alles?“

„Was?“

Quint wusste nicht so wirklich was Miles meinte.

„Du gehst und .. das war es?“

„Ja!“

„Ich sehe dich nie wieder?“

„Ja!“

„Nie wieder?“

Der Vampir lächelte, schwieg dabei jedoch und wandte sich schließlich wieder zum Ausgang. Mit einer Hand winkte er kurz, bevor er die Tür öffnete und hinaus verschwand. Dieses Mal folgte Miles ihm nicht. Er sah ihm nur stumm hinterher.

Wieso hatte keine Antwort bekommen?

Warum war der Untote überhaupt noch einmal zurück gekommen?

Miles fühlte sich müde. Einfach nur müde und vielleicht auch ein klein wenig niedergeschlagen. Er legte sich auf sein Bett und krabbelte darüber bis er die Scherenschnitte sehen konnte. Fein säuberlich waren sie in eine Jacke gestapelt.

Der junge Mann hob eines hoch und bewunderte die kleinen Muster die in das Papier geschnitten worden waren. Der Wind hatte einige kleine Schäden verursacht, jedoch im großen und ganzen war alles noch in Ordnung. Später würde er seinem Freund die Scherenschnitte zurück bringen. Heimlich, natürlich.

Nach einem langen Seufzer und minutenlangem starren an die Decke, schoss ein kleiner, jedoch nicht zu unterschätzender Gedanke durch seinen Kopf.

'Wem gehört die Jacke?'

Wie von der Tarantel gestochen, drehte sich Miles auf seinem Bett und reckte sich nach dem Kleidungsstück. Die Papierkunst flog regelrecht durch die Luft, als er den Kragen griff und zu sich zog.

Nein, seine war es eindeutig nicht. Woher auch, sollte Quint sie bekommen haben?

Sie musste dem Vampir gehören.

Miles schaute in den Taschen um etwas zu finden, dass seine Vermutung bestätigte, doch alles was er fand, war ein Flyer. Auf der einen Seite war Werbung für ein Musical, auf der Anderen die Eventliste eines Clubs, den er nicht kannte.

Eine Gruppe war mit mehreren Kugelschreiberstrichen eingekreist.

„Fending Rend“, las Miles den Namen der Band. Die kannte er genauso wenig wie den Laden in dem sie spielten.

Vielleicht würde er einfach mal dort vorbei schauen und nach Quint fragen. Immerhin bestand die Chance, dass es seine Jacke war und vielleicht würde er sich darüber freuen sie wieder zu bekommen.

Zufrieden mit dem Plan, legte der junge Mann sich gemütlicher auf sein Bett und obwohl er noch die Scherenschnitte zurück bringen wollte, schlief er ein. Mit der Jacke im Arm und einem Lächeln auf den Lippen.

Miles Geburtstag [Drabble]

[Für Puria]
 

Seine Wohnung lag still und dunkel vor ihm, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Nachdem er seine Jacke und Schuhe ausgezogen hatte, ging er in die Küche, um dort Kaffee zu kochen.

Auf dem Weg dorthin, bemerkte er Licht in seinem Wohnzimmer.

Es war nicht hell genug für eine Lampe, die er vielleicht angelassen hatte. Neugierig ging er weiter und machte sich bereits Gedanken darüber, ob er etwas sah, das gar nicht existierte.

Dennoch folgte er dem Schein, um nachzusehen, was die Lichtquelle war.
 

In der Dunkelheit sah er eine kleine Kerze, die auf einem Kuchen stand.

„Überraschung!“

Unerwartet

Miles starrte auf den jungen Mann, der da auf seinem Sofa saß und ihn jetzt angrinste.

Der kam ihm bekannt vor, aber ...

Wer war das?

„Ehm... kennen wir uns?“, fragte er darum und zweifelte bereits wieder an sich. Aber so ausgeprägt war noch keine seiner Halluzinationen gewesen, das konnte es also nicht sein. Nebenbei knipste er das Licht an und bekam so die Person erst im Ganzen zu sehen.

Schwarze Haare, schmales Gesicht und ein, wie er fand, extrem dünner Körper, was selbst die Kleidung kaum zu verbergen vermochte.

„Du weißt es echt nicht mehr?“ Da strahlte sein Besucher doch glatt nicht mehr so breit.

„Ich bin's, Jascha. Wir kennen uns aus der Klinik... Du hattest mir einen Kuchen zu meinem Geburtstag gebacken, darum dachte ich mir, ich revanchier mich. Auch wenn der hier gekauft ist... Backen ist nicht so mein Ding.“

Miles überlegte und nickte schließlich, als er sich erinnerte.

„Aber das ist doch schon zwei Jahre her...“

Wie Jascha da jetzt auf den Gedanken gekommen war, wüsste er schon gerne. Aber er fühlte sich zu müde und hatte jetzt eigentlich nur das Verlangen ins Bett zu gehen. Dennoch wollte er ihn nicht rauswerfen. So etwas tat er allgemein nur ungerne und vor allem nicht, nach so einer Geste.

„Ich weiß, dass es schon eine ganze Weile her ist. Aber ich bin jetzt erst wieder nach Boston gekommen.“

„Wo warst du denn die ganze Zeit?“, wollte Miles wissen.

„Och, hier und da. Bin halt ein wenig herum gekommen.“

Jascha setzte sich auf und zeigte auf den Kuchen. „Willst du die nicht auspusten? Ich wusste nicht wie alt du wirst, darum nur eine Kerze.“

Miles nickte. Die Idee war gar nicht so schlecht. Darum kniete er sich vor seinen Wohnzimmertisch, blies die Kerze aus und kostete dann von dem Backwerk.

„Mhm, Kokos-Mango... lecker.“

Jascha schien zufrieden zu sein, als er hörte, dass es Miles schmeckte.

„Und du bist jetzt ehrlich nur hier, um mir den Kuchen zu schenken?“

Sein Besuch schaute dabei zu, wie Miles noch einige Male naschte, bis er irgendwann doch dazu ansetzte etwas zu sagen.

„Eigentlich schon, doch.“

Das konnte er irgendwie gar nicht glauben. Darum schwieg er auch und überlegte sich einen Teller zu holen. Wäre vielleicht gar nicht so verkehrt. Dazu eine warme Milch – oder Kakao, das würde sicher auch gut dazu passen.

„Möchtest du auch ein Stück? Oder was anderes? Was zu trinken?“

Jascha schüttelte den Kopf. „Nein, danke. Ich bin voll zufrieden. Eigentlich wollte ich auch nur kurz mal nach dir sehen. Aber wenn du magst, können wir uns ja ein anderes Mal treffen.“

Damit stand er auf und schien gehen zu wollen, was Miles wieder ein wenig verwirrte.

„Aber das dann, ohne das du einbrichst, ja? Ich finde so unangemeldeten Besuch doch eher...“

„Bedenklich?“

„Ja... das ist wohl das richtige Wort dafür.“

„Kein Problem, das nächste Mal klingel ich, ganz normal.“ Jascha zwinkerte und ging an Miles vorbei hinaus in den Flur. Eine Jacke zog er nicht an und die Schuhe trug er noch, was auch dabei Anziehen überflüssig machte.

„Danke für den Kuchen. Und... ich kann dir meine Nummer geben, dann können wir uns gerne mal verabreden.“

Jascha nickte und blieb doch noch einmal stehen, um sein Mobiltelefon zu zücken und Miles Nummer einzutragen, die dieser ihm diktierte.

„Gut, hab ich. Dann ruf ich dich die Tage mal an und wir können ein Treffen verabreden.“

Noch ein kurzes Winken und der große, dürre Kerl war aus der Tür verschwunden.

Erst im Nachhinein fragte Miles sich, woher Jascha wusste, wo er wohnte.
 

~
 

Jascha steckte die Hände in die Taschen, als er den kühlen Wind spürte. Er hatte noch eine weite Strecke vor sich, um nach Hause zu kommen, und ihm wurde schnell kalt. Dennoch lächelte er vor sich hin. Miles hatte sich an ihn erinnert und wenn es tatsächlich stimmte, was ihm gesagt worden war, könnte er bald schon seinem Ziel näher kommen. Es war ein Gerücht und es hatte sehr schnell die Runde gemacht, aber vielleicht war etwas Wahres dran.

Mehr als austesten konnte er es wohl nicht und da war es passend, dass ausgerechnet Miles, den er in der Klinik kennengelernt hatte, es war, der ihm dabei helfen sollte.

Dass sie Freunde sein könnten, war weit hergeholt, aber Miles war von Haus aus freundlich und zuvorkommend. Das hatte er bereits erfahren können, als sie zusammen auf einer Station gewohnt hatten. Warum sonst hätte er einen Kuchen von ihm bekommen sollen?

Gerade er...

Jascha spürte einige Regentropfen und schaute hinauf in den wolkenverhangenen Himmel. Er könnte sich ein Taxi ran winken, aber gehen gefiel ihm besser, selbst bei dem Wetter.

Darum schlenderte er weiter und überlegte, mit was für einem Vorwand er wohl möglichst viel aus Miles herausbekommen könnte.

Besuch

Alleine saß Quint auf dem Dach und schaute sich die nächtliche Stadt an.

Einige Etagen weiter unten war eine Party, auf die auch er eingeladen war, aber er hatte dringend eine Pause von dem ganzen gebraucht. Die Leute, die Musik, das Gedränge...

Immer in solchen Momenten setzte er sich alleine irgendwohin, wo normalerweise kaum einer hin kam. Da war es immer so schön ruhig. Außerdem genoss er die Aussicht.

Die vielen Lichter der Stadt und die Leute, die kostümiert durch die Straßen zogen, um ihre Partylocation zu wechseln.

„Alte Angewohnheiten bekommt man nicht so schnell wieder weg, was?“, hörte er plötzlich neben sich. Kurz darauf setzte sich ein blonder, junger Mann neben ihn auf die Kante und strich sich einige Haare aus der Stirn um seinen Sitzpartner ansehen zu können.

Er sah aus wie früher.

Vor dem Fluch und als sie noch wirklich gute Freunde waren.

„Einiges muss halt konstant bleiben“, antwortete der Vampir, der erst seinen Gast ansah und dann wieder auf die Stadt schaute. „Wann hatten wir schon einmal so einen Ausblick, damals?“

Sein Nebenmann lachte leise.

„Da gab es mehr hohe Bäume als so riesige Gebäude. Das war eines der Dinge, die ich wirklich gemocht habe, an der jetzigen Zeit.“

Quint nickte. Das konnte er gut verstehen. Es war einfach atemberaubend schön. Vor allem der Sonnenunter- und aufgang, auch wenn er davon nie alles mitansehen konnte.

Es war wunderschön.

„Warum bist du hier?“, wollte der Vampir wissen.

„Ich... wollte einfach einem alten Freund Gesellschaft leisten“, erklärte sich der andere. „Nach all den Jahren und dem, was zuletzt zwischen uns passiert ist, wollte ich ein wenig was wieder gut machen. Mich... entschuldigen.“

„Jirko...“

„Nein Quint. Ich meine das ernst. Du hattest recht, mit allem.“

Der Vampir lachte leise und schüttelte den Kopf.

„Natürlich hatte ich recht! Sonst hätte ich nicht jahrelang versucht eine Lösung zu finden, obwohl du mich... gehasst hast.“

Jirko nickte und zog schließlich ein Knie an, um sein Kinn darauf zu stützen.

„Und dennoch ... warst du immer ein Freund. Egal was ich getan oder wie sehr ich dir dein Leben erschwert habe.“

„Dafür sind Freunde doch da, oder?“

Der Blonde nickte und schaute weiter auf die Stadt.

„Wie lange kannst du bleiben?“, wollte der Vampir wissen.

„Ich weiß nicht“, erwiderte sein alter Freund. „Die Nacht über... vermutlich.“

Quint schaute zu seinem Sitzpartner und hob eine Hand, um ihm eine Haarsträhne hinter das Ohr zu streichen. Doch er fasste ins Leere.

„Scheiße, was?“

Jirko lächelte und tat nun das, was Quint hatte machen wollen.

„Da werde ich mich auch noch ein wenig dran gewöhnen müssen. Aber ist ja nicht für lange. Nur heute Nacht.“

„Und vielleicht nächstes Jahr wieder?“

Noch immer blickte er zu seinem Freund.

Bester Freund...

Bruder...

„Wir könnten eine Tradition draus machen!“

Jirko grinste. Er hatte keine Ahnung, ob er das so einfach sagen konnte, aber er würde es versuchen. Es fiel ihm zwar schwer es zuzugeben, aber er hatte Quint vermisst. All die Jahre schon, tief unter seinem Hass verborgen...

Nein, eigentlich irgendwo in dem Gefühlswirrwarr, das er bis zu seinem Tod nicht hatte verstehen können.

Hass auf sich, auf Quint...

Verzweiflung...

Schmerzen...

Aber das war alles vorbei. Es würde nie wieder so sein, denn er war nun irgendwo zwischen allem. Ob es besser war, konnte er noch nicht sagen. Das würde sich wohl auf die Dauer zeigen, aber er fühlte sich wesentlich besser, als zu der Zeit, als er noch gelebt hatte.

Nein, als er untot gewesen war.

Wie auch immer.

„Es wäre toll, wenn wir eine Tradition daraus machen könnten“, riss ihn die Stimme seines Freundes aus den Gedanken. „Vielleicht kannst du mal den ein oder anderen mitbringen.“

„Nein, ich glaube, das wird nicht gehen.“ Da sollte er mal keine Hoffnungen schüren. „Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich es zum anständigen Geist schaffe“, scherzte er weiter.

Sie lachten beide leise.

Es tat gut.

„Quint?“

Der Vampir drehte sich zu dem Besitzer der Stimme, die eben seinen Namen gesagt hatte.

„Oh, Miles...“ Er hatte ihn gar nicht bemerkt.

„Mit wem redest du?“, wollte der Jüngere wissen.

Als Quint sich zu Jirko drehte, war dieser verschwunden.

Freunde

Nicht wirklich begeistert schaute sich Quint die einzelnen Gegenstände auf dem Tisch an. Miles hatte ihn zu sich eingeladen weswegen er nun hier stand und Plätzchen backen durfte.

Womit hatte er das verdient?

Was hatte er angestellt, dass er nun tatsächlich etwas Essbares zubereiten sollte?!

Immerhin hatte er nicht einmal einen blassen Schimmer, wie gut die Hälfte der ganzen Dinge dort benutzt wurde. Wozu hätte er sich auch damit beschäftigen sollen?

„Du willst mir nicht ernsthaft erzählen, dass du keine Ahnung hast, wie man Plätzchen macht?!“

„Warum sollte ich das wissen?“, antwortete der Vampir während er einen Messbecher begutachtete und versuchte herauszufinden warum er die Maßeinheit nicht kannte.

Miles legte den Kopf schief und beobachtete den Untoten eine Weile.

„Na, wenn du es absolut nicht willst... Gleich kommen noch ein paar Freunde von mir.“

Quint wurde hellhörig und schaute zu seinem Gegenüber.

„Freunde?“

„Ja, wir backen jedes Jahr zusammen.“

Miles wog gerade die Butter ab, die er brauchte um einen Teig vorzubereiten.

„Du kannst doch nicht einfach deine Freunde einladen, wenn ich hier bin!“

„Wieso nicht? Du bist mein Freund, oder nicht? Also gehörst du auch dazu. Auch wenn du dich weigerst mitzuhelfen.“

„Ich kann nicht backen oder kochen. Woher auch? Ich hab das nie gemacht. Außerdem will ich nicht unnötig Kontakt zu deinen Freunden haben.“

„Es sind meine Freunde! Sie machen sich Sorgen um mich und sie wollen wissen ... Ob ich mir dich nur einbilde. Also ... du verstehst?“

Quint schaute mit etwas entgleisten Gesichtszügen zu Miles. Er ging ganz schön locker damit um, dass seine Freunde seinem Geisteszustand nicht wirklich trauten. Nun war er es, der sein Gegenüber beobachtete.

Schweigend rührte der junge Mann seinen Teig, sodass der Vampir sich letztendlich aus langeweile einem Rezept widmete.
 

„Was ist eine 'Prise'?“

„Soviel wie zwischen zwei Finger passt.“

„Dann ist das aber eine ungenaue Mengenangabe.“

„Da kann ich nichts zu. Immerhin hab ich die nicht gemacht.“

Noch immer stand der Vampir eher fehl am Platz in der Küche. Statt zu helfen roch er am Marzipan, dann an den Gewürzen, die für irgendeinen Kuchen dort standen, und zu guter letzt drückte er auf den Tasten der Küchenwaage herum.

„Hey, du verstellst doch alles!“

„Quatsch, ist noch genau so wie es war.“

„Das hoffe ich für dich.“

Quint grinste Miles an. Davon, dass der Kleine jemals Angst vor ihm gehabt hatte, konnte man nichts merken.
 

Die Türklingel zerriss den Moment und, ohne dass es einer Aufforderung bedurfte, verschwand der Vampir Richtung Tür. Immerhin konnte er sich so vor dem Plätzchen Wahn retten.

Mit Schwung öffnete er die Tür und wurde direkt von drei verwirrten Augenpaaren angestarrt.

„Hi!“, begrüßte er die Unbekannten.

Zuerst dachte er, dass sie vergessen hätten, dass sie hinein wollten, da sie sich nicht rührten. Doch nachdem er die Tür noch weiter geöffnet und sie mit einer Geste herein gebeten hatte, wurden Miles Freunde auch wieder lebendig.

„Ehm, du bist Quint?“

„Ja, ich bin das Hirngespinst! Nett euch kennenzulernen. Der Konditormeister ist in der Küche.“

Ohne auf die Neuankömmlinge zu warten ging er zurück zu Miles.

„Deine Freunde sind da – was kaum zu überhören war. Ich bin dann mal im Wohnzimmer...“

„Hey, nein. Bleib hier! Wir backen doch.“

„Genau deswegen. Ich kann den Kram doch eh nicht essen. Warum soll ich dann hier bleiben?“

„Weil ich dich darum gebeten habe?“

Der Vampir schnaubte leise, ließ jedoch jeden weiteren Kommentar, da nun auch die Anderen den, gefühlt, viel zu kleinen Raum betraten. Sie hatten sich ihrer Jacken, Handschuhe und Mützen entledigt und begrüßten nun jeder einzeln Miles mit einer kurzen Umarmung.

„Hi, ich bin Chloe!“

Stellte sich die Braunhaarige nun auch Quint vor. Sie schaute ihn mit einem schüchternen Rehblick an, der mit ihren braunen Augen wunderbar zusammen passte, und reichte dem Untoten die Hand. Dieser nickte nur und lächelte freundlich, was er bei den anderen wiederholte.

Was sollte er auch sonst tun?

Einfach abhauen kam nicht in Frage und da dieses kleine Grüppchen sich bestimmt nicht so einfach abwimmeln ließ, musste er wohl eine Weile diese unangenehme Situation aushalten.
 

Chloe, Rachel und Kyle entschieden sich ihre verkühlten Finger kurz an einem heißen Getränk zu wärmen. Wobei natürlich jeder etwas anderes wollte.

Rachel einen warmen Kakao, Chloe einen Tee mit Milch und Kyle einen Kaffee.

Allerdings musste Miles nicht einen Finger rühren um seine Gäste zu versorgen, da sie sich bestens auskannten und während der Gastgeber fleißig weiter den Teig knetete, machte Rachel die gewünschten Getränke.

Chloe hingegen ging sich die Hände waschen und half Miles, ohne dass er, wie bei Quint, x- Mal fragen musste.

Einzig Kyle interessierte sich mehr für den Vampir. Immerhin hatte sich soeben herausgestellt, dass sie ihren Freund zu Unrecht verdächtigt hatten sich Menschen einzubilden.

Was dem Dunkelblonden offensichtlich am wenigsten gefiel, war, dass Quint genau wusste was sie gedacht hatten. Schon an der Tür hatte er ihnen das unter die Nase gerieben.
 

Eigentlich war diese Vermutung über Miles' Geisteszustand schon Grund genug diese Leute nicht zu mögen. Aber es waren nicht seine Freunde und somit konnte es ihm egal sein. Oder zumindest sollte es ihm egal sein.

War es nur leider nicht.

Aus irgendeinem Grund gefiel es ihm ganz und gar nicht.

„Ihr habt euch also in der Klinik kennengelernt?“, fragte Kyle.

Quint nickte.

„Warum warst du da?“

Der Vampir schaute zu dem etwa gleichgroßen, dunkelblonden, jungen Mann.

Nahm der etwa gerade an er wäre dort Patient gewesen?

Der Unterton der Frage ließ kaum einen anderen Schluss zu. Quint lehnte sich an den Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ist schon ok, wenn du es nicht sagen willst. Kann ich schon, irgendwie verstehen.“

Der Vampir schüttelte den Kopf und lachte leise.

„Ich war da um jemanden zu besuchen.“

„Oh... oooh“, traf Kyle die Erkenntnis.

Rachel und Chloe hörten zu, genauso wie Miles. Letzterer tat so als wäre er zu sehr damit beschäftigt um etwas mitzubekommen, doch Quint wusste es besser.

„Wobei ... ich manchmal befürchte ein Arzt könnte mir auch nicht schaden.“

Das entlockte Miles einen kurzen Blick, was der Vampir mit einem kleinen Nicken quittierte.

Kyle schaute zwischen den Beiden hin und her.

„Und warum? Wenn ich fragen darf“, hakte er nach.

„Darfst du nicht.“

Kyle kratzte sich verlegen an der Stirn und hatte wohl irgendwie den Faden seiner Fragenserie verloren.

„Du Quint, willst du nicht auch helfen?“, wollte darum Chloe wissen.

Der Gefragte schüttelte den Kopf. „Nein danke.“

„Ich glaube er will nicht mitbacken, weil er keine Plätzchen essen ... darf“, erklärte Miles darauf.

„Darfst du nicht? Wieso nicht?“

„Zuviel Zucker... und Fett. Das passt nicht in ... meine spezielle Diät!“

„Spezielle Diät?“

Miles schaute zu Quint. „Naja, es war wohl eine blöde Idee ihn zum backen einzuladen. Wo ich es doch weiß“, erklärte er kurz für alle. „Ich kann es auch verstehen, wenn du gehen willst.“

Doch der Vampir schüttelte den Kopf ein weiteres Mal.

„Ich bin im Wohnzimmer und schau mal was du an Musik da hast. Nur fragt mich bitte keiner, ob ich etwas probieren will.“

Chloe nickte, während Kyle das ganze etwas merkwürdig vorkam.

„Oh hey, wenn du magst. Ich hab hier was, da kannst du dich eintragen. Miles steht auch drin.“

Rachel kramte kurz in ihrer Handtasche, die von der Größe her auch ein Koffer hätte sein können, und reichte Quint ein Buch.

„Was ist das?“, wollte er wissen, als er es in der Hand hielt.

„Da tragen sich Leute ein. Freunde. Nur, falls dir sonst zu langweilig wird“, erklärte Rachel.

„Und da steht Miles drin?“

Sie nickte.

Der Untote grinste schief und verschwand mit dem Buch ins Wohnzimmer. Dort angekommen, setzte er sich gemütlich auf das Sofa und blätterte einfach drauf los.

Schon nach wenigen Seiten fand er den Namen nach dem er schauen wollte. In einer unsicheren, krakeligen Schrift stand er auf dem abgegriffenen Papier.
 

Vollständiger Name: Miles Howell

Geburtstag: 17.09.1987

Alter: 13

Augen/Haarfarbe: Braungrün/Braun
 

Was ist dein Lieblingsschulfach?

Geschichte

Was ist deine Lieblingsfarbe?

Grün

Was ist dein Lieblingsgame?

-

Was sind deine Hobbies?

Lesen, Musik hören

Wie oder wo stellst du dich in 10 Jahren vor?

Keine Ahnung, ich weiß nicht einmal wie ich mir nächste Woche vorstellen soll.

Was isst du am liebsten?

Pizza

Mit wem würdest du zusammenziehen?

-

Wer würdest du gern mal für 1 Tag sein?

Jemand normales.

Wohin würdest du gern mal verreisen und wen würdest du mitnehmen?

Einmal um die Welt mit meinen Freunden.

Möchtest Du gerne Kinder haben?

Nee, hab genug mit mir zu tun.

Welchen Beruf willst du mal machen?

Hubschrauberpilot

Spielst Du ein Instrument, wenn ja, welches?

Nein

Mit wem aus Deiner Familie bist am am liebsten zusammen?

Meinem Onkel

Was würdest du machen, wenn du einen Tag lang unsichtbar wärst?

Was ändert sich dann?

Wenn du dein Leben noch einmal leben könntest, was würdest du dann anders machen?

Wäre ich dann auch krank? Dann will ich dieses Leben nicht nochmal leben.

Was war das bis jetzt schönste Erlebnis in deinem Leben?

Der Urlaub in Peru.

Welcher Religion gehörst du an?

Christ...

Glaubst du an ein Leben nach dem Tod?

Weiß nicht

Glaubst du an Aliens/Ufos/...?

Es wäre cool wenn es welche gäbe. Aber ich glaube nicht wirklich daran.

Was würdest du mir einem Lottogewinn machen?

Ausgeben!

Wer ist deine große Liebe?

Bis jetzt niemand.

Hast du schon mal etwas gesetzlich Verbotenes getan? Wenn ja, was?

Hab mal eine Chipstüte geklaut.

Ohne wen/was kannst du nicht überleben?

Meine Medikamente ... so fühlt es sich zumindest an.

An wen/was denkst du wenn du allein bist?

...
 

Quint blätterte weiter.

War das schon alles?

Allerdings war dieser kleine Einblick schon interessant. Vor allem, was man zwischen den Zeilen herauslesen konnte.

Der Vampir schaute in den Flur und lauschte dabei in die Küche. Sie redeten und versuchten dabei so viel wie möglich über Quint heraus zu finden. Er musste lächeln. Miles dachte sich wirklich plausible Dinge aus.

Könnte er sich das auch alles merken falls sie es jemals wieder fragen sollten?

Der Untote schlug das Buch zu und legte es auf den Tisch. Er würde wohl besser nicht dort hinein schreiben.

Also was konnte er stattdessen tun?

Beim Plätzchen backen helfen fiel schon einmal weg. Nur leider konnte man sonst nicht viel anderes tun.

Er legte sich auf das Sofa, schaute weiterhin in den Flur und lauschte.

Etwas hatte sich geändert. Die Atmosphäre war nicht mehr so gelassen.

Den Mädchen schien auch etwas aufgefallen zu sein, denn er hörte Rachel, wie sie Miles fragte ob alles in Ordnung sei und Chloe bemerkte, dass er ganz schön blass war.

Von dem Angesprochenen kam hingegen nichts.

Doch anders als die Beiden, konnte Quint selbst von hier aus in den Kopf des Jungen sehen. Und das was er da sah, oder besser hörte, gefiel ihm nicht wirklich. Das ganze Wirr Warr machte selbst ihm Kopfschmerzen und dabei konnte er den Lärm ausblenden.
 

„Ich lege mich mal besser hin“, hörte er ihn dann. „Irgendwie ist mir nicht besonders gut. Vermutlich habe ich mich erkältet, so kalt wie es draußen ist, wäre das ja kein Wunder.“

Da log der Kleine doch glatt seine Freunde an.

Vermutlich wollte er nicht, dass sie wussten, was gerade in seinem Kopf vorging. Nur dass sie es sich auch denken konnten, so nervös wie er inzwischen war. Das nannte man wohl 'herben Rückschlag'.

Die Drei ließen ihn gehen und waren auch danach noch eine Weile merkwürdig ruhig. Sie wussten auf jeden Fall was los war. Was das darauf folgende Geflüster bewies.

Quint stand auf, ging ungesehen über den Flur, betrat leise Miles Schlafzimmer und betrachtete den jungen Mann auf dem Bett.

Miles saß, mit angezogenen Beinen, auf seiner Decke und presste sich die Hände auf die Ohren. Es war unnütz und das wusste er nur zu gut. Tränen rannen ihm über die Wangen, während er leise zu sich murmelte.

Der Vampir presste die Lippen aufeinander und schloss die Tür hinter sich. Er mochte den Jungen einfach zu sehr, als dass er ihn so sehen wollte.

Langsam ging er um das Bett und setzte sich vor Miles.

„Hey Kleiner.“

Obwohl Miles ihn ansah, war er sich nicht sicher, ob er ihn auch erkannte.

„Oh Mann, Miles...“

Quint seufzte, schloss die Augen und lehnte seine Stirn an die des Menschen. Irgendwie musste er ihm diesen Lärm aus dem Kopf filtern, auch wenn er so etwas noch nie getan hatte – zumindest nicht in diesem Maße.

Wie lange es dauerte wusste er nicht, sein Zeitgefühl war sowieso nicht mehr normal, doch Miles entspannte sich und lehnte sich dabei immer mehr an den Untoten.

Wusste er denn nicht wie gefährlich so etwas sein konnte?

„Ist es jetzt besser?“, fragte der Vampir flüsternd.

Er bekam ein Nicken und als nächstes spürte er die Arme des jungen Mannes um seinen Hals.

„Ehm, was wird das?“

„Gemütlicher!“

„Willst du dich dann nicht lieber hinlegen?“

Auch wenn er Miles mochte, er wollte ihn nicht um seinen Hals haben. Eigentlich wollte er niemanden so nah an sich. Das weckte Erinnerungen, die besser weiter verborgen blieben. Ganz, ganz tief versteckt im hintersten Teil seines Kopfes. Da wo niemals jemand nachsieht.

Die Wärme des lebenden Körpers war nun jedoch der Grund, weswegen sich dieses Stück Vergangenheit zurück meldete.

Warum tat er also nichts dagegen?

Er musste ihn doch einfach von sich schieben.

Miles rutschte näher und legte seinen Kopf auf Quints Schulter, sodass dieser nun auch noch den Atem an seinem Hals spüren konnte.

Hätte der Vampir noch einen Herzschlag gehabt, er würde rasen. So blieb er jetzt einfach bewegungslos sitzen und wusste nicht so recht was er tun sollte. Miles einfach weg zu schieben, kam nicht wirklich in Frage.
 

„Miles?“

Ein leises Klopfen und dazu Rachels Stimme.

„Miles, ist alles OK bei dir?“

Quint blieb still. Er war nicht gemeint und Miles konnte sehr wohl für sich antworten. Nur tat er es nicht.

Wohl aus Sorge öffnete Rachel die Tür und fand so einen ihrer Freunde an diesen noch recht unbekannten jungen Mann gelehnt. Nein, eigentlich schon an ihn gekuschelt! Doch das was sie am meisten erschreckte, waren die Augen jenes Mannes, die das Licht ungewöhnlich reflektierten als er zur Tür schaute.

Sie war perplex, fand aber schnell ihre Stimme wieder.

„Wie machst du das mit deinen Augen?“, fragte sie ihn beinahe sofort.

„Kontaktlinsen!“, nuschelte Miles plötzlich.

Er war also doch wach, wenn er auch schläfrig klang.

Rachel schien mit der Antwort zufrieden zu sein, denn sie fragte nicht weiter nach dem Thema, genauso wenig, wie sie weiter in das Zimmer kam.

„Wie geht es dir jetzt, Miles?“

„Ganz OK“, antwortete er und schaute nun auf um sie anzusehen.

„Dann ist gut. Ich habe euch nicht... irgendwie gestört, oder?“

Miles schüttelte den Kopf. „Nein. Natürlich nicht.“
 

Quint sagte und tat einfach nichts.

Er hatte, dank dieser Umarmung genug mit sich selber zu tun. Die Erinnerung die Miles, unbeabsichtigt, geweckt hatte war hartnäckig und schlich sich gerade in all sein Denken. So bekam er nicht mit wie Rachel das Zimmer verließ und Miles ihn wieder ansah.

„Warum schaust du so traurig?“, wollte dieser wissen.

„Hm?“

„Du siehst aus als wärst du grad auf einer Beerdigung.“

Quint nickte nur leicht. Immerhin traf diese Beschreibung so etwa auf das zu wie er sich fühlte.

„Was ist denn?“

Miles setzte sich auf und löste somit die Umarmung.

„Ich musste nur an jemanden denken.“

„Wen?“

Dieses Mal war es der Vampir, der die Arme um und die Stirn auf die Schulter des Anderen legte. Sein Magen krampfte sich zusammen und das war der einzige Grund dafür.

Miles hatte mit so einer Reaktion nicht gerechnet. Zwar ließ Quint viele Berührungen zu, aber ansonsten war er eher distanziert. Es gab gerade keinen Moment, an den Miles sich spontan erinnern konnte, in dem der Vampir die treibende Kraft gewesen war.

„An wen hast du gedacht?“, fragte er noch einmal leise.

Vielleicht sollte er es lieber nicht, doch es interessierte ihn zu sehr. Gerade weil Quint so ungewöhnlich reagierte.

Der Vampir bewegte nur den Kopf und Miles deutete es als ein Kopfschütteln, was jede Antwort ausschloss.

Miles lehnte seinen Kopf an den des Untoten. Er wusste nicht ob es gut oder schlecht war, doch es war das, was ihm am meisten half, wenn er sich schlecht fühlte.

Minuten vergingen. Minuten in denen der junge Mann anfing durch die Haare seines Gegenübers zu streichen. Ebenfalls etwas, das er selber sehr gerne hatte, wenn es ihm nicht gut ging.

Plötzlich, nach einer unendlich scheinenden Stille, rührte sich Quint. Er sah auf und Miles direkt in die Augen. Noch immer war sein Blick traurig, nur jetzt war dort ein rötlicher Schimmer, den der junge Mann noch nicht gesehen hatte.

„Besser?“, fragte er flüsternd und ließ seine Hand auf die Schulter des Vampirs sinken.

„Ich... ich weiß nicht“, gab Quint ehrlich zu.

„Aber was ist denn überhaupt?“

„Eine Erinnerung. Mehr nicht – nichts Wichtiges!“, versuchte er sich heraus zu reden. Doch Miles legte, wenig überzeugt, den Kopf schief.

„Nichts Wichtiges und du bist ... so?“

Wieder verging etwas Zeit, in der keiner der Beiden etwas sagte, doch bei diesem Mal, war es kürzer und sie hielten Augenkontakt.

„Ich hatte eine Frau“, fing Quint dann an.

„Ja, das hattest du mal erwähnt. Und ein Kind, richtig?“

Der Untote nickte.

„Sie waren alles was ich jemals wirklich geliebt habe. Niemand anderes hat jemals annähernd ein ähnliches Gefühl bei mir ausgelöst.“

Miles blinzelte und wollte wieder etwas sagen, doch Quint deutete ihm ruhig zu sein.

„All die Jahre war es schmerzhaft. Es gab genügend Momente, in denen ich einfach aufgeben und ... Na, du kannst es dir denken. Aber seit einiger Zeit ist da diese ... Wärme.“

„Wärme?“

„Ja, das Gefühl gebraucht zu werden. Wie damals, als ich noch gelebt habe. Bevor alles um mich herum zu einem matten Schleier der Realität und ich lediglich ein Beobachter des Lebens wurde.“

Der junge Mann hielt dem Blick des Vampirs noch immer stand, so schwierig es ihm auch fiel den Schmerz in seinen Augen auszuhalten.

Ohne Vorwarnung rutschte Quint von Miles weg und löste somit jede Berührung die sie hatten. Im nächsten Moment wurde erneut geklopft und die Tür sofort geöffnet.

„Hey, Rachel hat eben vergessen dich zu fragen ob du auch deine Tablette genommen hast. Vielleicht war dir deswegen nicht gut.“

Chloe schaute zu den Beiden und lächelte breit. Quint wusste was sie dachte. Sie wollte wissen ob das, was Rachel ihnen erzählt hatte, der Wahrheit entsprach. Er erwiderte ihren Blick kurz, schweifte dann jedoch zu dem Buch ab, das sie in der Hand hatte.

„Die habe ich genommen“, log Miles. Genau das hatte er vergessen was Quint eindeutig noch einmal ansprechen musste, sobald Chloe wieder die Tür geschlossen hatte.

„Ist das dieses komische Buch von eben? Ich hatte keinen Stift um mich einzutragen.“

Chloe sah kurz auf das Objekt in ihrer Hand und dann wieder zu Miles und Quint.

„Das ist es und ich kann dir gerne einen holen, wenn du das noch machen möchtest.“

„Ja, möchte ich!“

Quint lächelte und schaute wieder zu Miles, kaum das Chloe verschwunden war um einen Kugelschreiber zu besorgen.

„Du hast sie vergessen!“

Miles lächelte verlegen und nickte leicht.

„Ja, das wollte ich nachholen, als es zu ... unübersichtlich wurde.“

„Mach es jetzt! Meine Konzentration ist auch nicht unerschöpflich. Eigentlich war es eben schon schwer genug.“

Der junge Mann schaute zwar einige Augenblicke schuldbewusst, stand dann jedoch auf um sein Medikament zu holen und auch zu nehmen.

In der Zeit, in der Miles im Bad war, kam Chloe wieder herein und reichte Quint das Buch und einen Stift. Neugierig musterte sie den noch immer eher Fremden, der es sich auf dem Bett gemütlich gemacht hatte.

„Irgendwie glaube ich, dass ich dich schon einmal gesehen habe. Nur fällt mir nicht ein wo.“

„Keine Ahnung. Vielleicht habe ich ein Allerweltsgesicht und du verwechselst mich einfach?!“

„Hm, wäre möglich. Naja, pass etwas auf ihn auf, OK? Wir machen noch den Rest fertig. Bevor wir die Plätzchen dekorieren, sagen wir aber Bescheid, das macht er so gerne.“

„Das mache ich!“, erwiderte Quint freundlich und fing bereits an zu blättern als Chloe wieder verschwand.
 

Miles war froh darüber seine Freundin verpasst zu haben. Er mochte sie, doch sie übertrieb manchmal mit ihrer Beschützerrolle, die sie sich alle Drei irgendwann angewöhnt hatten. Chloe war dabei jedoch die 'sorgsamste', was in einigen Fällen dafür sorgte, dass sie mütterlicher agierte als seine richtige Mutter.

Sofort fiel sein Blick auf sein Bett, dessen Attraktivität derzeit in enormen Höhen schwebte, und auf den Vampir, der auf jenem Bett saß und sich an das Kopfende lehnte. Es sah aus, als wolle er etwas schreiben, könnte sich jedoch nicht wirklich dazu durchringen.

„Hast du deinen Namen wieder vergessen?“, stichelte Miles darum und hoffte, dass der Vampir es ihm nicht übel nehmen würde.

„Hm, doch. Genaugenommen ist mir mein richtiger Name wieder eingefallen. Nur überlege ich gerade ob ich ihn deinen Freunden anvertrauen soll.“

Der junge Mann setzte sich genauso wie der Untote auf sein Bett und schaute auf die noch unbeschrieben Seiten, die der Vampir wohl bald füllen würde.

„Also heißt du nicht Quint?“

„Nein! Mein Name war Finnvaror Thorirsson. Aber den verrate ich nur dir.“ Quint zwinkerte Miles zu und sah dabei nicht im geringsten niedergeschlagen aus.

Wie machte er das?

„Dann schreib Quint T. Das ist doch OK und ich werde niemandem deinen unaussprechlichen Namen sagen!“

„Wird auch schwer wenn er unaussprechlich ist.“

„Oh, ja!“

Quint trug seinen Namen ein nur um dann wieder zu grübeln.

„Was ist jetzt?“

„Mein Geburtstag...“

Miles rutschte näher. „Weißt du den nicht?“

„Naja, nach so vielen Jahren. Da gibt es einige kleine Probleme wegen dem Kalender. Ach egal, ich schreibe einfach das was am nächsten daran kommt.“

Der junge Mann beobachtete wie der Vampir neben die Angabe 'Geburtstag:' den 7.05. eintrug.

„Mein Alter lasse ich mal weg.“

„Och, du siehst aus wie 22 oder 23, schreib das hin.“

„Das sagst du ja nur, weil sie mir 1200 und ein paar Jährchen nicht glauben würden!“

„Stimmt“

Miles lächelte und lehnte sich an Quint, beinahe so, dass er Probleme hatte zu schreiben.

„Augen und Haarfarbe ist dann mal nicht so schwer zu beantworten: Braun und Dunkelbraun.“

„Dunkel würd ich das nicht nennen. Eher Mittelbraun.“

Der Untote schaute kurz zu ihm, änderte seinen Eintrag aber nicht. Immerhin sah er seine Haarfarbe sehr wohl jedesmal, wenn er in den Spiegel schaute.
 

Bei den anderen Angaben sah der junge Mann dann still schweigend zu. Er wollte sich nicht unbeliebt machen.
 

Wie oder wo stellst du dich in 10 Jahren vor?

So weit denke ich nicht.

Was kochst du am liebsten?

-

Mit wem würdest du zusammenziehen(Star oder Freund/in)?

Ich wohne gerne allein.

Was war dein Lieblingsschulfach?

Hab nie eine Schule besucht.

Was ist deine Lieblingsfarbe?

Rot

Was sind deine Hobbies?

Musik, hören und machen.

Was ist dein Lieblingsgame?

-

Wer würdest du gern mal für 1 Tag sein?

-

Wohin würdest du gern mal verreisen und wen würdest du mitnehmen?

Hab alles gesehen was mich interessierte.

Möchtest Du gerne Kinder haben?

Nicht mehr möglich.

Welche Berufsvorstellungen hast Du?

Musiker

Spielst Du ein Instrument, wenn ja, welches und warum?

Einige, weil es Spaß macht.

Mit wem aus Deiner Familie bist am am liebsten zusammen?

-

Was würdest du machen, wenn du einen Tag lang unsichtbar wärst?

Das würde ich dann spontan entscheiden.

Wenn du dein Leben noch einmal leben könntest, was würdest du dann anders machen?

Bei gewissen Entscheidungen anders handeln. Wobei ich dann einige, inzwischen sehr wichtige Leute in meinem Leben vermutlich nie kennenlernen würde.

Was war das schönste Erlebnis in deinem Leben?

Die Geburt meiner Tochter.

Welcher Religion gehörst du an?

-

Glaubst du an ein Leben nach dem Tod?

Oh ja!

Glaubst du an Aliens/Ufos/...?

Nein, aber an mystische Kreaturen.

Was würdest du mit einem Lottogewinn machen?

Vermutlich nichts Besonderes.

Wer und wann war deine erste große Liebe?

Elina Skulisdotta, da war ich wohl um die 12.

Hast du schon mal etwas gesetzlich Verbotenes getan? Wenn ja, was?

Ja, aber was verrate ich besser nicht.

Ohne wen/was kannst du nicht überleben?

Die Welt.

An wen/was denkst du wenn du allein bist?

Elina, Jodis und ein, zwei andere.
 

Während des Ausfüllens hatte Miles absichtlich nichts gesagt. Doch jetzt, wo Quint fertig war, konnte er sich nicht mehr beherrschen.

„Welche Entscheidungen meinst du? Die, die dich zum Vampir gemacht hat? Wie ist das eigentlich passiert?“

Der Untote überflog noch einmal das Geschriebene. Einige Dinge sollte er vielleicht besser weg lassen, doch dafür war es zu spät. Jetzt stand es dort und Kugelschreiber konnte man nur so schlecht beseitigen.

„Das ist die zweite Entscheidung die ich verneinen würde“, beantwortete er Miles Frage.

„Was ist die Erste?“

„Ich würde kein Kind mit Elina bekommen.“

„Wieso nicht?“

„Es hat sie getötet.“

„Oh...“, hauchte Miles.

„Andererseits liebe ich meine Kleine. Sie war so aufgeweckt und immer fröhlich. Mein kleiner Sonnenschein. Naja, solange bis dann auch ihr Vater starb.“ Quint seufzte und rieb sich über die Augen. „Darüber möchte ich jetzt allerdings nicht reden. Vielleicht ein anderes Mal, OK?“

Miles nickte verstehend und lehnte seinen Kopf an Quints.

„Aber du erzählst es mir wirklich, ja?“

Der Vampir nickte leicht als es bereits wieder klopfte. Auch dieses Mal war es Chloe, die Miles sagen wollte, dass die Plätzchen fertig waren zum dekorieren. Sie schaute nicht schlecht als sie die Beiden nun so nah zusammen sah. Quint konnte in ihren Gedanken lesen wie sie Rachels Vermutungen zustimmte. Etwas das sie von Miles nicht gedacht hätten und darum recht geschockt waren.

Warum hatte er ihnen denn nichts gesagt?

Und wieso musste es unbedingt dieser komische Fremde sein?

„Sind die Plätzchen schon fertig?“, fragte Miles Chloe, da sie schweigend in der Tür stehen geblieben war.

„Ehm, ja... Ja, sind sie.“

„Gut, ich bin sofort da.“

Er lächelte ihr nach und sah dann wieder Quint an.

„Bleibst du noch?“

Der Vampir nickte.

„Natürlich, ich muss mir doch ansehen wie du die Lebkuchenmännchen verziert hast. Kleiner Konditormeister!“
 

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Anm: Natürlich hat Quint die Seiten in dem Buch nicht so gelassen. Nachdem Miles gegangen ist, hat er seine beschriebenen Seiten herausgetrennt und das ganze noch einmal neu geschrieben. In einer Version die keine merkwürdigen Fragen aufkommen lässt. (Wie zB: Warum es ihm nicht mehr möglich ist Kinder in die Welt zu setzen oder wo seine Familie steckt.)

Wintertreiben

Miles lehnte mit dem Rücken an der Bande, die das Eisfeld umrandete, und schaute auf die Leute, die an ihnen vorbeizogen. Chloe stand neben ihm und sah den anderen beim Schlittschuhlaufen zu.

„Hey, Rachel winkt die ganze Zeit zu uns rüber. Ich glaube sie will, dass wir auch endlich zu ihnen kommen.“

„Hmm...“

„Ach, Miles! Jetzt komm schon, warum warten wir hier eigentlich die ganze Zeit?“

„Du kannst ja gehen, ich warte weiter.“

Chloe drehte sich zu ihm und lehnte sich wärmesuchend an ihn.

„Warum stehen wir denn jetzt eigentlich hier?“, wollte sie erneut wissen.

„Quint wollte kommen!“

„Och ne, oder? Du hast ihn nicht tatsächlich eingeladen?“

„Was hast du denn? Natürlich hab ich das und er hat gesagt, er versucht zu kommen.“

„Er versucht?“

Miles nickte.

„Er will es versuchen und wir stehen hier und warten?“

Wieder nickte der Gefragte.

„Lass uns wenigstens schon einmal eine Runde fahren. Er wird uns da schon sehen. Ich friere wenn ich keine Bewegung bekomme.“

Dieses Mal antwortete er nicht nur mit einem Nicken. Miles zog sie zu sich und legte beide Arme um sie.

„Ich kann versuchen dich zu wärmen“, sagte er grinsend.

„So wie früher?“

Sie schmiegte sich an ihn und schwelgte in Erinnerungen. Als sie noch mit ihm zusammen war und nicht dieser komische Quint im Mittelpunkt seines Interesses stand. Keiner von ihnen hatte sich bislang dazu durchringen können Miles zu fragen, was zwischen ihm und dem Typen lief. Aber vielleicht wollte sie es auch gar nicht wissen.

Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte, wenn er tatsächlich ...

Nein, nicht einmal daran denken wollte sie.
 

„Vielleicht bringt er seine Freundin mit!“

Chloe wurde aus ihren Gedanken gerissen.

„Freundin?“

Wenn der Kerl ne Freundin hatte, gab es bestimmt eine Erklärung für alles. Miles war immerhin sehr anhänglich.

„Ja, sie ist wirklich nett aber ein klein wenig merkwürdig.“

Das war ihr vollkommen egal! In Gedanken machte sie schon Freudensprünge und wäre am liebsten sofort auf die Eisfläche gehüpft um den anderen Bescheid zu sagen. Was sich darin äußerte, dass sie wieder einmal zu Rachel und Kyle sah.

„Wenn du willst, kannst du gerne zu ihnen, ich warte noch, sagen wir, eine halbe Stunde und komme dann nach, OK?“, schlug Miles vor.

Zuerst lehnte sie sich fester an ihn und musste dem Drang widerstehen ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. Sie war nicht umsonst fast zwei Jahre mit ihm zusammen gewesen. Als nächstes löste sie sich von ihm und lief zu der Bank, wo ihre Schlittschuhe bereits auf sie warteten. Fix hatte sie die Fußbekleidung gewechselt und war auch schon so gut wie auf dem Eis. Sie musste es ihren Freunden einfach sagen.
 

Miles lächelte.

Sein Plan würde aufgehen. Er hatte Quint gefragt, ob er vorbeikommen würde und als er zugestimmt hatte war Miles' nächster Schritt gewesen, Gen anzurufen. Die Vampirin war begeistert und hatte gesagt, dass sie kommen würde. Doch bis jetzt war keiner der Beiden da.

Langsam war er ziemlich durchgefroren, darum zog er seine Jacke ein weiteres Mal näher an sich und richtete den Kragen wieder auf. Vielleicht sollte er sich einen warmen Kakao holen um wenigstens seine Finger zu wärmen. Nur dazu müsste er an sein Geld und es wäre zu kalt jetzt in die Hosentasche zu greifen und dabei auch noch seine Oberschenkel ein zu frieren. Schon bei dem Gedanken schüttelte er sich und steckte die Hände wieder in seine Jackentaschen.

Viel länger könnte er beim besten Willen nicht mehr warten. Doch das musste er auch nicht. Denn er erkannte die dunkelrote Motorradjacke, die eindeutig aus dem restlichen Pulk der Leute heraus stach.

Quint hatte einen Schal um den Hals geschlungen, der ihm bis zur Nase hoch reichte, was Miles ein Kichern entlockte.

„Wie siehst du denn aus?“, fragte er noch immer breit grinsend.

Der Vampir war weniger glücklich und schaute sich kurz die Eisbahn an.

„Bei der Kälte, fällt es für gewöhnlich auf, wenn man keine Atmung hat und somit keine kleinen Dunstwölkchen produziert“, erklärte er durch den Schal gedämpft.

Noch immer musste Miles grinsen, auch wenn er recht hatte, sah es einfach nur zum Schreien aus.

„Ehm, Quint. Ich muss dir, bevor wir zu den Anderen gehen, noch etwas sagen“, fing er dann ernster an.

„Was?“ Sofort war der Angesprochene in Alarmbereitschaft.

„Ich hab Gen angerufen. Sie kommt auch.“

Diese Information ließ seine böse Vorahnung nicht kleiner werden.

„OK ... und?“

„Ich habe Chloe gesagt, dass du eine Freundin hast – Gen!“

„Du hast was?“

„Ich habe Chloe gesagt ...“

„Das habe ich verstanden. Nur: Wieso?“

Quint vergrub sein Gesicht tiefer in den Schal, was den Eindruck einer Schildkröte erweckte. Langsam ließ er seinen Blick über die Leute schweifen. Vielleicht hatte er Glück und konnte, noch bevor Gen da sein würde, verschwinden.

„Du hast gesagt, das sie glauben wir wären ein Paar. Von mir können sie denken was sie wollen, aber ich will nicht, dass du davon betroffen bist. Also ... hab ich Gen gesagt, sie soll so tun als sei sie deine Freundin.“

„Worauf sie seit 300 Jahren wartet! Danke auch. Du weißt, dass ihr vielleicht das Herz dabei gebrochen wird – von mir?“

„Gib ihr doch eine Chance!“

„Junge... Jungejungejunge...“ Noch tiefer konnte er seinen Kopf nicht in dem Kleidungsstück verschwinden lassen. „Verstehst du denn nicht? Ich will sie nicht verletzen.“

„Wen?“

Chloe und Rachel standen an der Bande um Quint zu begrüßen. Kyle war noch auf der Eisbahn und half einem kleinen Jungen wieder auf die Beine, gegen den er beim Rückwärtsfahren gestoßen war. Quint blieb in seiner Schildkrötenposition und schüttelte den Kopf.

„Seine Freundin“, erklärte Miles darum.

„Inwiefern würdest du sie denn verletzen?“, wollte Rachel von Quint wissen.

Der Vampir wollte sich gerade aus seinem Schal schälen um eine Antwort zu geben, als sich ein Arm um ihn legte. Im nächsten Moment erschien auch schon der Rest der Person.

„Wer würde wen verletzen?“, fragte sie neugierig.

„Hi Gen!“

Fröhlich begrüßte Miles sie, während seine Freunde etwas sprachlos da standen.

„Verdammt, das ist seine Freundin? Wie konnten wir glauben, dass er und Miles ...?“, fragte Kyle der eben angekommen war.

„Pscht!“, zischte Chloe, da sie nicht wollte, dass einer der Anderen etwas mitbekam.
 

Gen, bereits ganz in ihrer Rolle, zwinkerte Miles einmal kurz zu, bevor sie sich zu Quint drehte, den Schal von seinem Gesicht zog und ihm, ohne ihm Zeit zum reagieren zu lassen, einen langen Kuss gab. Sie liebte es, dass er es über sich ergehen lassen musste, wenn er Miles nicht bloßstellen wollte und genoss das, worauf sie schon so lange gewartet hatte.

Quint hingegen hatte nicht so viel Spaß daran wie sie. Seine erste Reaktion war, sie von sich zu schubsen, nur konnte er das nicht tun, weswegen er aus der Bewegung eine leichte Umarmung machte. Die Sekunden, die es dauerte, fühlten sich für ihn wie Stunden an. Stunden, die alles andere als toll waren.

Er blieb steif stehen, als sie ihre Lippen von seinen löste und ihn breit angrinste.

„Danke“, hauchte sie. „Danke, dass du mich mit Miles bekannt gemacht hast. Der Kleine ist spitze!“

„Warte bis du seine anderen Ideen kennenlernst“, nuschelte Quint.

Als Gen sich umdrehte schaute sie in drei Gesichter, die ihr Erstaunen nicht deutlicher hätten ausdrücken können. Miles hingegen wirkte merkwürdig verschlossen. Selbst seine Gedanken konnte sie einen Moment lang nicht lesen, da einfach zu viel gleichzeitig in seinem Kopf passierte, dass es kein klares Bild ergab.

„Hi, ich bin Gen“, stellte sie sich nun auch den Anderen vor und reichte als erstes Rachel die Hand. Diese nahm die Begrüßung fröhlich an und lächelte dabei freundlich.

„Nett dich kennenzulernen. Ich bin Rachel, das sind Chloe und Kyle. Wir sind Freunde von Miles, falls du es noch nicht weißt.“

„Nun, ich hab es mir gedacht, ganz ehrlich gesagt.“

Gen legte einen Arm um Quints Hals und hängte sich förmlich an ihn. Etwas, das sie schon lange mal hatte machen wollen und ja, dafür hatte Miles was gut bei ihr. Was großes! Auch wenn er jetzt gerade alles andere als glücklich aussah, so wie er zu Quint schaute und auf seine Unterlippe biss.

„Wollen wir dann auch aufs Eis?“, fragte die Vampirin vergnügt. Sie hatte nicht vor sich ihre Stimmung durch irgendetwas ruinieren zu lassen.

Miles nickte und suchte die Stelle, an der er seine Schlittschuhe abgelegt hatte. Auch Gen hob die Sportgeräte auf um zu einer der Bänke zu gehen. Nur Quint blieb stehen.

„Ich hab keine“, nuschelte er.

„Wie bitte?“, fragte Rachel, die ihn auf die Entfernung nicht verstehen konnte.

„Ich habe keine Schlittschuhe!“

„Oh, da drüben kann man sich welche leihen. Kannst ja mal schauen, ob es noch welche in deiner Größe gibt“, gab sie hilfreich Auskunft.

Quints Antwort war ein Grummeln. Was würde er dafür geben einfach abzuhauen.

Konnte er das tun?

Miles und Gen alleine lassen?

Vermutlich nicht. Wer wusste schon, was sie sich sonst noch ausdenken würden.
 

Während der Vampir zu dem kleinen Häuschen ging um sich passendes Schuhwerk zu leihen, waren Miles und Gen bereits so gut wie auf dem Eis. Er beobachtete die Kinder die voller Vorfreude um ihre Eltern hüpften und allesamt auch dort waren um Schlittschuhe zu bekommen.

Irgendwie verging ihm gerade die Lust an allem. Trotzdem stellte er sich an und wartete brav. Je länger es dauern würde, umso besser.

In Gedanken vertieft, ließ er den Blick schweifen und blieb bei Miles und dessen Freunden hängen. Was Gen und er dort veranstalteten war nicht wirklich zu erraten und die anderen Drei hatten sich noch immer nicht wirklich aus ihrer 'Starre des Erstaunens' gelöst.

Gen war halt einzigartig, mit jeder Faser ihres Körpers.

Quint musste grinsen. Es war schon komisch, dass sie sich ausgerechnet ihn ausgesucht hatte. Vor allem verstand er noch immer nicht warum.

Wer, außer Gen, würde freiwillig Ewigkeiten auf einen Kuss warten, den man sich dann auch noch erschleichen musste?

Sein Blick fiel auf Miles.

Mit einem Kopfschütteln befreite er sich von den Gedanken und mit ihnen verschwand auch sein Grinsen.

Er würde sie verletzen!

So sah es aus.

Er konnte ihnen nicht geben was sie wollten.

Vom Kopf her war es einfach nicht möglich. Seit Jahren nicht mehr. Alles was man normal empfand, bei Berührungen, bei Küssen und allem was sonst noch zu einer Beziehung gehörte, war einfach nicht mehr da. Seine Gefühle waren genauso tot wie er selber. Das hieß, nein. Nur die positiven schienen mit der Zeit immer schwächer geworden zu sein. Die negativen hingegen eher stärker. So kam es ihm zumindest vor.

Etwas kam ihm in den Sinn. Wie ein Blitz schlug es ein und verursachte sogar einen kurzen Stich an den Schläfen.

'Das Gefühl gebraucht zu werden'

Damit hatte es angefangen. Bei beiden, wenn er es genau betrachtete.

„Wie ist ihre Größe?“

„Hä?“

„Ihre Schuhgröße! Oder warum stehen sie in der Wartschlange?“
 

Gemütlich skatete er zu den Anderen.

Es war lange her, dass er auf dem Eis gestanden hatte. Beim letzten Mal, gab es nicht einmal Kufen aus Metall. Das hier war also eine ganz neue Erfahrung.

Auf seinem Weg beobachtete er noch immer Miles und Gen, die scheinbar fangen spielten. Oder irgendeine andere sehr verschrobene Art von Spiel, das keiner außer ihnen verstand. Rachel und Chloe waren in ein Gespräch vertieft und lachten immer wieder fröhlich. Kyle stand etwas abseits und schaute einfach nur Gen an.

„Pass auf das der Sabber nicht gefriert!“, raunte Quint ihm zu, als er ihn erreichte.

Sofort zuckte der Angesprochene zusammen und fühlte sich offensichtlich ertappt.

„Hey, keine Panik! Ich nehm es dir nicht übel.“

Quint lehnte sich an die Bande und grinste breit zu Kyle bevor er ebenfalls zu Gen und Miles sah.

„Wer schaut da nicht gerne hin?“, erwähnte er dann eher geistesabwesend.

Es dauerte ein klein wenig, bis Kyle sich wieder gefangen hatte, aber dennoch etwas verwundert zu dem Vampir starrte. „Also jeder Andere hätte mich jetzt wohl vom Eis gehauen. Ich mein, sie ist deine Freundin und da lässt du es dir gefallen, wenn ich sie so, naja, anstarre?!“

Quint zuckte mit den Schultern.

„Solange du nur guckst, ist es mir vollkommen egal. Abgesehen davon, kannst du es gerne mal bei ihr versuchen und sehen was dabei rauskommt.“

Kyle machte große Augen.

„Willst du mir etwa sagen, dir ist es egal, wenn ich deine Freundin anbaggern würde?“

Der Gefragte nickte.

„Aber das ist auch nur so, weil ich weiß, wie sie reagieren wird.“

Das Grinsen wurde noch eine Spur breiter und auch ein klein wenig gemeiner.

„Das ist ein Trick, oder?“

„Nope! Sieh es einfach als ein sehr großes Vertrauen meinerseits an.“

Verwirrt und etwas misstrauisch schüttelte Kyle den Kopf und glitt zu Rachel. Auch Miles und Gen waren gerade dabei zu den Zweien zu schlittern. Gen bog jedoch ab und kam zu Quint.

„Sie wollen uns zu einer Geburtstagsfeier einladen“, erzählte sie ihm brühwarm. „Wenn du möchtest, sage ich ihnen, dass ich nicht kann. Allerdings nicht umsonst!“

„Was würdest du wollen?“ Er rechnete mit dem Schlimmsten.

„Nur einen weiteren Kuss! Aber dieses Mal einen richtigen, keinen den du nur duldest. Bezahlung sofort!“

Das eben noch präsente Grinsen war inzwischen verschwunden. Es gab keinen Grund mehr.

„Was erhoffst du dir davon?“, wollte er wissen.

„Ganz einfach: Ich will, dass du weißt, was du verpasst!“

Quint nickte leicht und nahm ihre Hand. Er spielte seine Rolle gut, musste sie zugeben.

Zusammen fuhren sie zu Miles und den Anderen.

„Hey!“ Ausgelassen und fröhlich sah Chloe zu ihnen. „Kommt ihr zu Rachels Party?“

Gen warf einen Blick auf Quint und erwartete eine bessere Bestätigung als ein einfaches Nicken. Er legte seinen Arm um sie und zog sie an sich, während er sich wieder an die Bande lehnte. Leise flüsterte er ihr zu: 'Nur dieser eine!'

Sie lächelte siegessicher.

„Wann ist die denn?“, fragte sie neugierig.

„In zwei Wochen“, antwortete ihr Rachel.

„Am Wochenende!“, fügte Miles noch an.

„Was ist das für ein Datum?“

„Das müsste der 4 oder 5 Februar sein.“

Quint schaute auf. „Da kann ich nicht!“

Alle sahen ihn an, vor allem Gen, die ihren Kuss in Gefahr sah.

„Was ist denn da?“

„Geht das irgendeinen was an?“, antwortete er ungewohnt harsch.

„Ehm, nein. Nur vielleicht kann man da ja was regeln.“

Gen überlegte und schmiegte sich an ihn. „Du gehst doch eh nur wieder in deine Hütte, oder?“

„Hütte?“, fragte Miles.

„Ja, er verschwindet immer mal wieder dahin. Ist irgendwo in den Bergen“, gab Gen bereitwillig Auskunft.

„Du hast eine Hütte in den Bergen?“

„Wow!“

„He, können wir dann nicht da feiern?“

Miles zuckte zusammen, bei dem bösen Blick den Quint auf Rachel richtete.

„Ihr könnt da nicht mit hin! Nicht an dem Wochenende.“

„Oh komm. Bitte!“

„Die Hütte hat keinen Strom, kein fließend Wasser und keine Heizung. Ihr wollte da nicht hin!“

„Ach, das ist doch alles halb so schlimm. Komm schon, geb dir einen Ruck.“

„Ja, gib dir einen Ruck!“, sagte nun auch Gen, die sich in seiner leichten Umarmung gedreht hatte und ihn nun mit einem Welpenblick ansah.

„Würde euch das glücklich machen?“, fragte er.

Eigentlich galt seine Frage nur Miles und diesem nervigen kleinen Anhängsel in seinen Armen. Jedoch antworteten alle einstimmig mit heftigem Nicken und jubelndem 'JAAA'. Auch wenn nicht bei allen der Grund derselbe war.
 

Freitagnachmittag, zwei Wochen später.
 

Miles und seine Freunde saßen in einem Schnellrestaurant und aßen nach der langen Fahrt endlich ihr verspätetes Mittagessen. Für ihn war klar, warum sie auf Quint warteten, nur die anderen Drei fragten sich noch immer, wieso dieser nicht direkt mit ihnen gefahren war.

Geistesabwesend starrte er aus dem Fenster und dachte an die vergangenen Wochen.

Nach dem Schlittschuhlaufen, hatte er Gen und Quint verabschiedet um gerade noch Zeuge eines Kusses zu werden, der bei aller Liebe, nach allem anderen als einem Schauspiel aussah. Selbst die Erinnerung an den Moment gefiel ihm nicht besonders. Vielleicht hatte er die Beiden mit dieser kleinen Aktion doch näher gebracht. Wobei es da bei Gen nicht viel zu machen gab. Aus dem Grund hatte er sie ja überhaupt dazu bringen können.

Aber Quint ...

Bei ihm war es etwas komplizierter, was ja nicht wirklich tragisch war.

Nur was, wenn er sich damit bei ihm unbeliebt gemacht hatte?

Nein, dann hätte er nicht der Feier zugestimmt, die jetzt immerhin bei ihm stattfinden würde.

Trotzdem glänzte er in letzter Zeit mit permanenter Abwesenheit. Je näher dieses Wochenende kam, umso seltener war er anzutreffen oder ging ans Telefon.

Doch Miles war der festen Überzeugung, dass er sie nicht bis hierhin hätte fahren lassen, wenn er jetzt nicht kommen würde. Vermutlich war es einfach noch nicht dunkel genug oder er hatte noch etwas wichtiges zu erledigen.
 

Es lag kaum Schnee, was er etwas schade fand. Es war zwar kalt, aber keine Wolke hatte sich erbarmen können mal mehr als nur drei oder vier Flocken abzugeben. Laut Wetterbericht sollte es jedoch noch einmal schneien und darauf hoffte der Vampir sehr, denn ohne Schnee wäre es einfach nicht das Selbe.

Dieser weiße Schleier, der alles so rein und friedlich aussehen ließ. Damit waren diese Tage immer einfacher zu ertragen und darum musste es einfach noch einmal anfangen, denn hier lag so gut wie nichts mehr, was ihn ungewollt schwermütig machte.

Einen Moment lang blieb er auf dem Parkplatz des Restaurants stehen und schaute aus dieser Entfernung hinein.

Dort saßen sie. Mehr oder weniger ungeladene Gäste. Hoffentlich würden sie ihn nicht zu sehr stören.

Warum nur, musste er auch immer wieder dazu übergehen, das Wohl anderer über sein Eigenes zu stellen?

Und wieso konnte er Miles einfach nichts abschlagen, selbst wenn er sich noch so sehr wehrte?

Mit einem kurzen Kopfschütteln löste er sich aus seiner Starre und ging weiter. Die Antwort auf die letzte Frage wollte er genau genommen gar nicht wissen.
 

Mit Schwung öffnete sich die Eingangstür, so das Miles zusammenzuckte. Eine Gruppe Touristen kam herein und redete lautstark in einer Sprache, die Miles nicht wirklich kannte. Aber so wie die Leute aussahen, stellte er sich Menschen aus Skandinavien vor. Er musste schmunzeln. Stereotype waren doch etwas tolles.

„Hey, Miles. Ist er das nicht?“, fragte Rachel und zeigte aus dem Fenster.

Eine einsame Gestalt kam auf das Restaurant zu sah dabei nicht so aus, als wäre es eilig.

„Der soll sich mal beeilen. Ich bin so froh wenn ich den Wagen endlich sicher irgendwo abgestellt habe“, moserte Kyle.

„Wenn du so eine Angst um den Wagen hast, wieso hast du ihn dir von deinem Dad geliehen?“

„Ich dachte mir, wenn das ne recht einsame Hütte ist, werden wie vielleicht mehr als nur einen alten Kombi brauchen um da anzukommen. Darum den Geländewagen. Ich will nicht auf halbem Weg versauern.“

„Hmm ...“

Kyle war noch immer skeptisch, weniger was die Freundschaft zwischen Miles und Quint anging, als vielmehr die Tatsache, dass er der festen Überzeugung war, dass Quint ein Geheimnis hatte. Etwas, das die Sicherheit Miles' in Frage stellte, sobald dieser mit ihm alleine war - und das war er in den letzten Monaten oft gewesen.

Es war also kein Wunder, das dieses Gerücht aufgekommen war. Denn auch wenn durch das letzte Treffen ein wenig an dieser Befürchtung, die vor allem Chloe betraf, gerüttelt worden war, waren noch einige andere Fragen dazu gekommen.

Wieso zum Beispiel hatte der Kerl nichts dagegen, wenn seine super heiße Freundin angebaggert wurde?

Kyle würde vor Eifersucht zergehen! Er hatte ja schon Probleme damit das Rachel ab und an mal einen Bekannten mitbrachte und dieser dann auch noch neben ihr saß.

Jedes Mal könnte er in die Luft gehen!

Warum war Quint also so ruhig geblieben?

Wieso hatte er überhaupt alles andere als begeistert ausgesehen, als sie aufgetaucht war?

Nein, irgendetwas war da faul und irgendwie würde er schon noch herausfinden was genau es war.

Nur durfte er den Mädels nichts davon erzählen, denn die waren, wie sie sagten: 'Glücklich sobald Miles es war.' und würden ihn davon abhalten wollen, in Angelegenheiten zu stochern, die ihn einfach nichts angingen.
 

Als die Tür ein weiteres Mal aufging, war endlich Quint mit bei dem neuen Grüppchen, das nun herein strömte. Diesmal war es eine Eishockey Mannschaft, die nach dem Training zusammen Burger essen gingen.

Sofort bog der Vampir ab und kam zu ihnen an den Tisch. Ohne sich zu setzen begrüßte er sie kurz mit einem Kopfnicken.

„Und ihr habt alles?“, wollte er direkt wissen.

„Klar! Miles hat uns die Liste gezeigt, die ihr zusammen gemacht habt. Aber warum brauchen wir einen Ersatzkanister mit Diesel?“

„Wenn ihr Strom haben wollt, braucht ihr den!“

„Du hast doch gesagt es gibt keinen.“

„Ich kann euch doch nicht im dunkeln sitzen lassen. Reicht doch, dass es keine Heizung gibt und nur bedingt Wasser. Seit ihr dann fertig hier, das wir los können? “

„Du bist genauso ungemütlich wie Kyle! Lass uns doch wenigstens zu Ende essen!“, bemerkte Rachel und schenkte Kyle ein fieses Lächeln. Das war ihre Art sich dafür zu bedanken, dass er die ganze Zeit schon nur über diesen dämlichen Geländewagen redete.

Miles rutschte etwas zur Seite, damit Quint sich neben ihn setzen konnte. Als Chloe und Rachel ihr Gespräch fortsetzen, widmete auch Miles sich wieder dem Rest seines Burgers. Kyle beobachtete den jungen Mann, der nun Wohl oder Übel zu seinem Freundeskreis dazu gehörte.

Was der wohl dachte?

Er wirkte abgelenkt während er so durch den Laden schaute. Sein Blick blieb kurz bei der Touristengruppe hängen, dann wendete er sich direkt zu Kyle, der sich ein weiteres Mal ertappt fühlte.

„Ist was?“

„Du wirkst so neben der Spur. Was ist los?“

Quint zuckte mit den Schultern.

„Bin im Stress, vielleicht liegt es daran.“

„Im Stress, ja? Weswegen?“

„Wegen euch. Ich hab die letzten Tage nur damit zugebracht, die Hütte wieder bewohnbar zu machen. Das ich da mit Gen gewohnt habe, ist inzwischen schon eine Weile her.“

„Ihr habt da zusammen gewohnt?“, fragte Miles etwas verwundert. Auch die Anderen am Tisch wurden nun hellhörig.

Der Vampir nickte und war bereits wieder abwesend. Noch einmal ließ er den Blick durch den Gastraum schweifen und wieder blieb er bei den Touristen hängen.

„Wie lange seid ihr schon zusammen?“, fragte Rachel neugierig. „Und wieso ist sie nicht mit dabei?“

Miles musste ihn antippen bevor er seine Aufmerksamkeit wieder den Leuten an diesem Tisch schenkte.

„Es macht ihr keinen Spaß mehr mit mir im Wald rumzuhängen. - wie sie es nennt“

Die Frage nach der Dauer ihrer Beziehung ließ er lieber unbeantwortet, zumindest solange wie keiner noch einmal danach fragte.

„Das ist aber ganz schön unfreundlich ausgedrückt. Allerdings fand ich, sie sah auch nicht so aus, wie jemand der gerne Campen geht. Dazu sah sie zu gestyled aus.“

Chloe hatte soeben aufgegessen und musste das einfach los werden.

„Also auf mich machte sie den Eindruck als könnte sie überall Spaß haben“, sagte nun Rachel.

Miles lächelte nur. Rachel hatte wohl eher recht. Zwar kannte er Gen bei weitem nicht so gut wie Quint, jedoch hatte er sie inzwischen in so unterschiedlichen Situationen erlebt, das er fest daran glaubte, dass sie alles sein konnte, wenn sie es nur wollte.

Quint sah ein letztes Mal zu dem Tisch mit den Touristen, wobei er nicht der Einzige war, da diese Leute sehr laut daher kamen und inzwischen einige sich gestört fühlten.

„Wir sollten los!“, bemerkte er dann.
 

Die Straße war inzwischen mit einem dünnen Film aus Schnee überdeckt. Seit sie losgefahren waren, hatte ein leichter Schneefall eingesetzt, der stetig stärker wurde. Allerdings hatte er auch zu einem Stimmungswechsel bei Quint gesorgt.

Zumindest machte er nicht mehr einen ganz so schlechten Eindruck.

„Dort vorne kommt gleich ein großer Baum, da musst du langsamer werden, die Einfahrt ist schwer zu erkennen“, erklärte er Kyle den Weg.

Zwar meinten alle, dass er doch Quint fahren lassen sollte, da dieser den Weg kannte, doch weder war der eine bereit den Fahrersitz aufzugeben noch wollte der andere dorthin.

Also saßen Miles, Chloe und Rachel, in genau dieser Reihenfolge, auf dem Rücksitz und schauten hinaus.

„Ich finde so ein Wald im dunkeln ist unheimlich“, flüsterte Rachel.

„Mit dem Schnee noch viel mehr!“, stimmte ihr Chloe zu.

„Ja, als ob jeden Moment ein Monster oder so hinter 'nem Gebüsch vorspringt.“

Beide machten sich gegenseitig Angst.

Miles sagte nichts. Sein Blick war zwar auf den Wald direkt neben sich gerichtet, doch seine Gedanken waren woanders.

Etwas an der Art wie Quint sich verhielt machte ihm zu schaffen. Auch wenn er noch nicht sagen konnte was genau. Dass der Vampir nicht gerne mit den Anderen zusammen war, wusste er ja bereits, aber es war noch etwas. Vielleicht hatte es damit zu tun, was Gen ihm gesagt hatte, vor dem Kuss. Etwas das Miles beim besten Willen nicht mehr verstehen konnte, da er schon zu weit weg gewesen war.

„Hier jetzt abbiegen!“, hörte er den Vampir sagen. „Ab jetzt immer der Straße folgen für etwa eine Stunde oder zwei je nachdem wie gut wir durchkommen.“
 

Kyle verfluchte die daunengroßen Schneeflocken, die ihm die Sicht nahmen, als vor ihnen langsam aber sicher ein Gebäude auftauchte.

Durch den Schneefall konnte man kaum etwas erkennen, außer dass es größer war, als sie es sich vorgestellt hatten. Langsam rollten sie näher heran und Quint zeigte dem Fahrer wo er parken konnte.

„Wow, es ist zweistöckig“, bemerkte Rachel sofort nachdem sie aus dem Wagen gestiegen war.

Miles und die Anderen packten ihre Sachen aus, während Quint die Haustür öffnete.

Drinnen zündete er sofort ein Feuer im Kamin und einige Öllampen an um dann zu warten bis alle da waren.

„Oben ist ein Schlafzimmer mit Doppelbett. Hier Unten ist, wie ihr seht, ein Wohnzimmer. Die Couch ist auch ein Doppelbett. Die Küche ist dort lang, das WC ist diese Tür. Wasser gibt es allerdings nur in der Küche, also müsst ihr euch immer einen Eimer voll mit ins Bad nehmen. Das Holz findet ihr unter der Treppe, falls ihr es noch nicht gesehen habt. Oh und der Generator ist in einem extra Raum neben der Küche. Der ist nur recht laut. Darum benutze ich meistens nur die Lampen hier. Die sind alle gefüllt, falls ihr doch Petroleum braucht, das ist in der Küche im Schrank über der Spüle.“

Nach dieser ausführlichen Erläuterung, verteilten sich alle, mit Lampen, im Gebäude und schauten sich um.

„Ich schlafe oben!“, entschied Rachel als sie die Treppe wieder herunter kam. „Es ist voll süß, mit dem hohen Dach und sogar einem kleinen Balkon.“

„Sag mal, Doppelbett hier und oben ... Da fehlt doch ein Platz!“

„Ich schlafe nicht hier!“, erklärte Quint.

„Was?“, fragte Miles wenig erfreut.

„Es gibt ein Nebengebäude, das ist eigentlich nicht dafür da, dass man dort übernachtet, aber es geht schon.“

„Wofür ist es denn?“

„Es ist ein Bad. Allerdings hat es nur eine Badewanne. Dafür aber auch eigenes Wasser, wenn auch nur kalt. Falls also einer Baden will, müsst ihr Holz mitnehmen um die Wanne vorzuheizen. Da passen übrigens 8 Leute rein – wurde mir gesagt.“

„Du schläfst in der Badewanne?“

„Nein, oben drüber.“

„Aber ... Es ist deine Hütte hier! Da kannst du doch nicht irgendwo abgeschoben in 'ner Nische schlafen!“

„Doch, mehr brauch ich nicht und ihr seid meine Gäste, also habt ihr die Betten verdient. Da fällt mir ein, ich muss die Sachen noch rüber bringen. Entschuldigt mich also.“

Ihr Gastgeber verschwand nach oben, ohne Lampe, und kam mit einem Rucksack wieder herunter.

„Macht es euch bequem und vor allem passt auf, dass nichts abfackelt. Ich mag das Haus!“

Damit verschwand er hinaus und ließ die Vier alleine.
 

Durch die lange Fahrt und das ganze rein- und wegräumen, dauerte der Abend für die kleine Gruppe nicht mehr so lange wie sie es ursprünglich geplant hatten.

Rachel und Kyle hatten sich das Bett oben geschnappt und nachdem letzterer die ganze Zeit über gefahren war und darum um kurz nach Mitternacht bereits ins Bett wollte, hatte auch Chloe schon das Bett aufgestellt.

Miles hatte nichts dagegen nur die Gästecouch zu benutzen. Hier unten war der Kamin und somit den ganzen Abend schon angenehm warm. Doch eines empfand er als störend und das war auch der Grund, warum er noch immer nicht schlief, so wie seine Freunde.

Quint war nicht mehr aufgetaucht.

Dabei war er wohl der letzte, der früh ins Bett ging!

Als Miles sich sicher sein konnte, das Chloe schlief, stand er wieder auf und zog sich seine Schuhe an. Zwar hatte er nicht gesehen, wo dieses Nebengebäude war, doch so schwer konnte es ja wohl kaum zu finden sein.

Ohne eine Lampe oder Jacke, dafür jedoch mit einem Schal, ging nun auch er hinaus in die Dunkelheit. Bevor er jedoch die weitaus kleinere Hütte gefunden hatte, dachte er erfrieren zu müssen. Dabei war es wirklich nicht weit, wäre er zu Anfang nicht in die falsche Richtung gegangen.

Zitternd betrat er das kleine Gebäude und wurde von eiskalter Schwärze empfangen. Hier hatte nicht den ganzen Abend ein Feuer gebrannt und Licht war auch ein Fremdwort.

„Quint?“, fragte er leise in den Raum. Weiter hinein zu gehen, ohne etwas zu sehen, widerstrebte ihm.

„Du bist doch bestimmt hier, oder?“, fragte er weiter.

Doch eine Antwort blieb aus. Also trottete Miles wieder zurück um ins Warme zu kommen.

„Wolltest du zu mir?“

Erschrocken drehte sich Miles um und nickte dann. „Verdammt, schleich dich nicht so an!“

Quint grinste leicht, was durch die Lichtverhältnisse kaum zu erkennen war.

„Wo bist du gewesen?“

Der Vampir zuckte mit den Schultern.

„Auf jeden Fall siehst du aus, wie ein wandelnder Schneemann!“, kicherte Miles um kurz darauf heftig zu husten.

„Wirst du schnell krank?“

„Nein! Das ist nur weil mir kalt ist. Wird schon gehen, wenn ich wieder im warmen bin.“

„Dann geh rein, bevor du mir erfrierst!“

„Nein, ich wollte dich etwas fragen.“

„Das können wir auch im Haus!“

„Ja, eigentlich. Nur Chloe schläft schon und sie ist eine wilde Bestie wenn man sie weckt.“

Quint nickte. „Dann komm mit!“

Er ging zu dem kleinen Häuschen, in das Miles eben gesehen hatte, öffnete die Tür und ging hinein. Miles folgte ihm in das dunkle Gebäude.

„Ich sehe nichts“, merkte er an und zuckte zusammen, als im nächsten Augenblick eine kleine Lampe anging. Quint hielt eine kleine Taschenlampe in der Hand und leuchtete auf den Boden vor sich.

„Steht immer neben der Tür, falls du noch einmal bei Nacht hier rüber kommen möchtest.“

„Danke“, murmelte Miles.

„Wir müssen da hoch!“

„Wo?“

Der Vampir leuchtete auf eine schmale Leiter, die bis zu einer Luke führte.

„Dort! Also los, ab mit dir. Ich leuchte dir solange.“

„Du bist aber keine große Leuchte“, grinste der junge Mann.

„Lieber keine große Leuchte, als ein Armleuchter!“

Miles verschwand, nachdem er die Dachluke geöffnet hatte, aus Quints Sichtfeld, so das er ihm hinterher klettern konnte.

„Das ist ... verdammt eng hier oben!“, war das erste was er von ihm zu hören bekam. „Irgendwie fühl ich mich nicht gut, wenn ich weiß, dass du hier hausen musst.“

„Es war auch ursprünglich nicht so geplant. Hab mir nur gedacht, dass so ein kleiner Extraraum nicht falsch sein kann. Kein Sonnenlicht, sogar wenn mal jemand die Klappe öffnet, und man kann es als Stauraum benutzen.“

„Uhh, ein Schlafsack! Mir ist kalt - darf ich?“

„Klar.“

Der Vampir beobachtete wie Miles die Schuhe auszog und versuchte in den Schlafsack zu schlängeln ohne sich dabei irgendwo den Kopf anzustoßen.

„Du bist doch größer. Wie hältst du das hier aus?“

„Wenn du schon einmal unter der Erde geschlafen hast, kannst du so gut wie überall nächtigen.“

„Wie meinst du das?“

„Eine gängige Möglichkeit sich vor der Sonne zu schützen, wenn mal nichts anderes zur Verfügung steht. Eingraben!“

„Hmm, hat man da nicht Würmer in den Ohren, beim wieder ausbuddeln?“

Quint lachte, das erste Mal seit Wochen.

„Oh Miles. Du kommst auf Ideen! Aber die kommen erst, wenn man schon eine Weile da liegt.“

„Wuhäää“

Noch immer grinsend legte sich der Vampir neben den im Schlafsack befindlichen Menschen.

„Das ist doch echt ekelig! Hattest du schon einmal so nen Vieh irgendwo?“

„Jup. In der Nase. Ich kann dir sagen, das kribbelt ganz böse!“

Miles schüttelte sich vor Ekel und vergrub sein Gesicht mit sich im Schlafsack. „Lass uns bitte das Thema wechseln!“

Quint zog die störende Decke wieder zurück und beugte sich näher zu ihm um leise zu flüstern:

„Ich kann dir noch viel ekelerregenderes erzählen!“

„Waah, nein!“, lachte Miles los. „Lieber nicht. Kannst mir lieber was erzählen, das mich wärmt.“

„Ne, so eine Geschichte habe ich nicht.“

„Schade, der Schlafsack bringt es bis jetzt nämlich noch nicht.“

Quint nickte und schaute zu der Luke. „Ich komme gleich wieder.“

„Was hast du vor?“

„Wirst du dann ja sehen. Also mach es dir bequem und vor allem denk an was warmes.“

Miles setzte sich auf als der Vampir die Leiter wieder herunter kletterte.

„Da hätte ich auch schon was woran ich denken kann“, hauchte Miles, als er die Tür hörte, durch die Quint eben hinaus gegangen war.
 

Möglichst leise, was für ihn weniger ein Problem war, ging er durch sein Haus bis in die Küche. Wie man einen Tee machte wusste er gerade so, darum suchte er sich alles nötige zusammen. Um kein zweites Feuer anmachen zu müssen, wollte er das Wasser im Wohnzimmer aufkochen, auch wenn dort Chloe schlief.

Während er auf das Wasser wartete, saß er auf der Lehne eines Sessels und begutachtete die Schlafende. Sie war das Einzige in diesem Raum, das er noch nicht in und auswendig kannte.

„Wo ist Miles?“

„Offensichtlich nicht hier.“

„Und wo ist er?“, fragte Kyle, der eben die Treppe runter kam.

Quint zuckte mit den Schultern.

„Na dann ... und wo hast du den ganzen Abend gesteckt?“

„Hab mir die Gegend angesehen.“

Kyle war eindeutig skeptisch als er nun näher kam und den Vampir wieder einmal musterte.

„Mitten in der Nacht und bei dem Schneefall?“

„Natürlich, das ist die beste Zeit des Tages, gerade wenn es so schneit!“

„Ah, OK.“

Mit einem kurzen, nicht ganz ehrlich gemeinten, Lächeln stand Quint auf und nahm die Wasserkanne mit in die Küche. Zwar kochte es noch nicht, aber das sollte es auch nicht, Chloe zuliebe.

„Warum bist du noch wach?“, fragte nun er, als Kyle ihm folgte.

„Wollt mir was zu trinken holen.“

„Dann bist du ja jetzt an der Quelle.“

„Ja, sieht so aus. Und du weißt sicher nicht wo Miles steckt?“

„Wenn ich es wüsste, würde ich es dir garantiert sagen! Vielleicht ist er auf dem Klo oder so.“

„Hm, ja vielleicht.“

Kyle nahm sich eine Flasche Cola und nahm sie mit eine Etage höher.

„Er wird schon nicht draußen rumrennen“, hörte Quint noch, auch wenn Kyle es nur zu sich gesagt hatte.
 

Mit Tasse und einer Thermoskanne bewaffnet schloss er die Haustür hinter sich. Vielleicht würde damit Miles etwas wärmer.

Quint blieb auf der Veranda stehen und schaute dem Schneetreiben zu. Je länger er die Flocken beobachtete umso leichter fühlte er sich. Warum das so war wusste er nicht, aber es war angenehm.

Eine kleine Bewegung lenkte ihn ab. Der Vampir konzentrierte sich auf das Tier, das sich gerade an der Tür zu dem Gebäude zu schaffen machte, zu dem er eben wollte.

Langsam ging er näher heran und beobachtete den recht schmächtigen, grauen Wolf, der schnüffelnd vor der Tür auf und ab ging.

„Du solltest nicht hier sein. Das bringt nur Ärger“, sagte Quint ruhig.

Der Wolf sah zu ihm und legte die Ohren an.

„Los geh schon. Hier gibt es nichts für dich.“

Der Wolf bewegte seinen Kopf in schieflage, ergriff dann jedoch lieber die Flucht. Quint schaute ihm hinterher um sicher zu gehen, dass er auch wirklich weg war. Das Tier war ein alter Bekannter, der immer mal wieder vorbei kam und versuchte etwas abzustauben, meistens vergeblich.
 

Miles klammerte sich an die Taschenlampe und saß in der hintersten Ecke, als Quint die Leiter herauf geklettert kam.

„Was war das?“, wollte er wissen.

„Da war nur ein Tier. Aber es ist weg. Du warst noch nie Campen, oder?“

„Also ehrlich gesagt, nein. Meine Eltern waren lieber in Hotels und ich ganz ehrlich gesagt auch.“

Quint schmunzelte, sagte jedoch nicht den dazugehörigen Gedanken.

„Was hast du jetzt eigentlich gemacht?“, wollte Miles wissen.

„Das hier!“

Quint stellte Tasse und Thermoskanne neben Miles während er sich in eine gemütliche und passende Position legte. Etwas entspannter rückte Miles sich und den Schlafsack auch wieder in die Waagerechte, nah an den Vampir.

„Was ist das?“

„Tee. Eines der wenigen Sachen die ich machen kann. Also sei glücklich darüber und wehe ich höre ein Meckern!“

„Was für ein Geschmack?“

„Einfacher, schwarzer Tee.“

„Zucker?“

Der Vampir verdrehte die Augen und zog einige, kleine, fertig gepackte Zuckertütchen aus der Tasche.

„Danke!“

„Ich kenne doch deine Zuckerabhängigkeit inzwischen.“

Miles grinste Quint an und drehte sich auf den Bauch um sich eine Tasse fertig zu machen.

„Ha! Es fehlt was!“, fiel ihm dabei auf.

„Was?“

„Ein Löffel!“

Quint schaute auf die Tasse und nickte dann. „Aber brauchst du einen?“

„Sicher doch.“

„Pack den Zucker doch in die Kanne und schüttel.“

Miles schaute sich abwechselnd die Tasse und dann die Kanne an.

„Klingt irgendwie logisch, jetzt wo ich so darüber nachdenke.“

Quint streckte sich und nickte dabei.

„Ist ja auch eine Idee von mir!“

Er lehnte sich auf den Rücken und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.

„Und darum das Beste was in diesem Raum hier gesagt wird. Du bist so gar nicht von dir selber eingenommen“, sagte Miles und kicherte dabei.

„Pass auf, dass du nicht vor lauter Lachen alles verschüttest.“

„Werd ich schon nicht! Ich bin ja kein Idiot.“

Wieder nickte Quint und schloss die Augen.

„Hey, nicht einschlafen!“, meckerte der Jüngere.

„Warum?“

„Nun, erstens friere ich noch immer und zweitens wollte ich dich etwas fragen, oder hast du das schon vergessen?“

„Hm, ja stimmt. Da hast du etwas in der Art gesagt. Dann frag!“

Miles fummelte gerade den Zucker aus den winzigen Beuteln in die Thermoskanne. Hochkonzentriert, um auch ja keinen Krümel zu verschwenden.

Da nichts gefragt wurde, drehte sich Quint wieder, um zu sehen was dort passierte.

„Also“, fing er langsam an. „Ich wollte wissen, was du hast. Seit dem Schlittschuhlaufen benimmst du dich so ... abweisend.“

„Was nicht verständlich ist, wenn man bedenkt, dass du mir Gen auf den Hals gehetzt hast? Im wahrsten Sinne!“

„Nein, da war sie eh die ganze Zeit - mehr oder weniger.“

Ein klein wenig schuldbewusst blickte Miles zu dem Vampir ehe er sich wieder dem Zucker umfüllen widmete. Der Ausdruck auf dem Gesicht des Anderen war so oder so nicht zu deuten.

„Wie war der Kuss eigentlich?“, fragte er dann neugierig.

„Was? AU!“

Quint setzte sich so schnell auf, dass er mit dem Kopf gegen die nahe Decke stieß, was Miles ablenkte und vor allem wieder einen kleinen Lachanfall verschaffte.

„Schön! Hauptsache dir geht es gut“, nuschelte der Vampir ein klein wenig beleidigt.

Miles versuchte das Lachen zu unterdrücken. „Genaugenommen ist mir noch immer kalt.“

Ein leises Murren kam von dem Unsterblichen neben ihm.

„Dann trink endlich den Tee, statt ihn mit Zucker zu quälen.“

„Eine Packung noch!“

„Mach auch und jammer nicht, bitte.“

Quint hoffte darauf, dass Miles seine Frage zu dem Kuss vergessen würde, wenn er einfach nichts mehr dazu sagte. Nur leider war Miles da nicht so vergesslich.

„Also wie war es? Und ich meine den heimlichen, als ich gegangen bin. Immerhin hättest du da ja einfach nur ...“

„Erinnere mich bitte nicht daran!“

„Wieso nicht? Es war doch nur ein Kuss und Gen war bestimmt begeistert.“

Der Vampir schwieg und sein Blick richtete sich automatisch auf die Luke. Miles lehnte sich auf einen Arm, legte die freie Hand auf Quints Wange und zwang ihn, mit leichtem Druck, wieder zu ihm zu sehen.

„Keine Fluchtpläne schmieden. Du kannst mir eh nicht entkommen!“

„Ich befürchte es fast.“

Miles lächelte leicht, zog dann jedoch die Hand wieder zurück und schloss die Thermoskanne um den Zucker darin zu verteilen. Quint sah ihn weiter an.

„Es war komisch“, erklärte er leise.

„Inwiefern?“

„Es fühlte sich gleichzeitig richtig und falsch an.“

„Wie geht das?“, fragte Miles.

„Woher soll ich das wissen?“

„Du bist der steinalte Vampir!“

Miles schüttete sich den Tee ein und wärmte sich sofort die Hände an der Tasse. Der Vampir nahm den Deckel der Kanne um sie zu schließen, was Miles scheinbar nicht vor hatte.

„Vielleicht hat es sich so angefühlt, weil du sie magst. Aber ein schlechtes Gewissen hast, wegen irgendwas.“

„Ein schlechtes Gewissen?“, murmelte Quint, während er die Wärme der Kanne an seinen Händen genoss. „Ja, vielleicht. Etwas woran man nichts ändern kann.“

„Wieso?“

„Weil ... Naja, weil es zu spät ist.“

Stirnrunzelnd sah Miles zu Quint.

„Zu spät für was?“

Der Vampir sah auf die Thermoskanne und drehte sie langsam hin und her. Das Licht der Taschenlampe reflektierte sich und blendete ihn immer wieder kurz.

„Für Dinge, die lange her sind und vergessen werden sollten.“

Schweigend und ohne zu zögern, schob Miles die Tasse zur Seite und legte seine Arme um Quint. So fest er konnte, drückte er den Vampir an sich.

„Ich weiß, du magst es nicht, aber ich kann gerade nicht anders“, flüsterte er entschuldigend.

Quint nickte einfach nur. Er wusste wie wichtig Berührungen für Miles waren und oft genug hatte er es Hautnah erleben dürfen. Solange er den jungen Mann nun schon kannte, hatte er mehr Umarmungen bekommen, als in den letzten Jahrhunderten zusammen.

Und das kurioseste war, es tat gut, mit jedem Mal mehr.

Geduldig wartete er bis Miles wieder locker ließ und zaghaft lächelnd zurück wich.

„Tut mir leid, wenn ich dich ...“

„Schon gut. Irgendwann gewöhne ich mich dran.“

Dass er es insgeheim schon ein klein wenig mochte, würde er auf keinen Fall verraten. Vor allem nicht, wenn er bedachte, dass er beim ersten Mal beinahe zusammen gebrochen wäre.

Durch eine einfache Umarmung - das durfte nie einer erfahren!

Miles legte sich wieder auf den Bauch und nahm die Tasse in die Hand.

„Also ehm ... Jetzt habe ich vergessen was ich noch fragen wollte.“

„Das kann ich dir auch nicht sagen.“

Während er überlegte, rutschte Miles näher an Quint. Ihm war noch immer kalt und er hoffte, je näher er dem Vampir war, umso wärmer könnte ihm werden.

„Ich weiß es wieder! Ich hatte mich gefragt wieso du so komisch bist in letzter Zeit. Also, komischer als sonst.“

„Komisch? Na, danke.“

„Komisch für einen Menschen, vermutlich nicht ganz so komisch für einen Vampir. Besser?“

„Zumindest kann ich damit leben“, erwiderte Quint. „Gut, du willst also wissen wieso ich bin, wie ich bin. Das ist schnell erklärt: Heute ist ein Geburtstag.“

Erstaunlich schnell hatte er dieses Mal mit der Sprache rausgerückt.

„Das ist keine sehr zufriedenstellende Erklärung.“

„Nicht?“

„Zum Beispiel: Wessen Geburtstag? Das es nicht deiner ist, weiß ich ja. Sollte man den nicht lieber feiern, statt so griesgrämig durchs Leben zu gehen und warum bist du dann, im Normalfall, alleine hier?“

„Ich feier ihn nicht, weil der Geburtstag meiner Tochter gleichzeitig der Todestag meiner Frau ist.“

Miles machte ein leises zischendes Geräusch. Er hätte es sich denken können!

„Wieder ein Fettnäpfchen in das ich zielsicher hineingetreten bin“, murmelte er leise und lehnte den Kopf auf die Arme. „Mensch, bin ich dämlich.“

Quint legte sich auf die Seite und stützte seinen Kopf auf einer Hand ab.

„Du kannst es doch nicht wissen. Immerhin habe ich es dir nicht erzählt.“

„Trotzdem hätte ich vorher mal nachdenken können.“

Miles sah kurz zu Quint und nippte dann an seinem Tee. Er brauchte endlich Wärme im Körper.

„Und ich hätte es dir sagen können, um diese Fragen gar nicht erst aufkommen zu lassen.“

Zwar bekam er ein Nicken, doch an dem Gesichtsausdruck des jungen Mannes, konnte er ablesen, dass er es nicht so leicht sah.

„Miles, es ist wirklich OK.“

„Auch wenn ich dich wieder an etwas Schmerzhaftes erinnert habe?“

Der Vampir nickte, was bei Miles wieder ein kleines Lächeln aufkommen ließ.

„Dann, hilfst du mir, damit mir endlich warm wird?“

„Ich denke da gehst du am besten wieder rüber.“

„Nein, ich will dich nicht alleine lassen. Selbst wenn ich dann frieren muss.

„Du bist manchmal ganz schön stur.“

„Ich weiß.“

Quint lachte leise.

„Trink den Tee und komm näher, vielleicht kann ich dich etwas wärmen.“

Miles war sichtlich verwundert über diesen Vorschlag, nahm ihn jedoch dankend an.

„Willst du mit in den Schlafsack?“

„Ich glaube nicht, dass es passen würde.“

„Schade...“
 

Beide schwiegen eine Zeit lang, während Miles sich an Quint kuschelte und die Tasse leerte.

„Quint? Was machst du dann jedes Jahr hier, so alleine?“, fragte er schließlich leise.

„Ich gedenke allen die ich überlebt habe. Jedem einzelnen.“

„Waren es viele?“

„Schon einige. Aber nur bei wenigen schmerzt es so sehr wie bei meiner Familie.“

„Hmm... Dinge die man nicht ändern kann.“

Der Vampir nickte.

„Aber vergessen sollte man sie nicht!“

„Manchmal wäre es besser.“

„Nein, wenn du sie vergisst, dann ist es doch, als hätten sie nie gelebt. Du würdest sie endgültig sterben lassen.“

„Du solltest wirklich langsam schlafen!“

Miles blinzelte hoch zu Quint.

„Das sagst du nur, weil ich recht habe!“

„Vielleicht“, bestätigte Quint mehr oder weniger Miles Aussage und strich ihm vorsichtig einige Haarsträhnen aus der Stirn. „Vielleicht ..“

Als Miles aufwachte, lag er auf dem Sofa im Haus. Neben ihm lag Chloe und schlief noch tief und fest. Quint musste ihn doch wieder zurück gebracht haben.

Aus der Küche hörte er das Geräusch von Geschirr und Rachel, die leise lachte. vermutlich über etwas das Kyle gesagt hatte. Miles fühlte sich schwer und er spürte ein Kratzen in seinem Hals. Hoffentlich hatte er sich nicht doch erkältet. Noch immer müde drehte er sich noch einmal um, vielleicht könnte er ein klein wenig weiter schlafen.
 

Ein sternenklarer Himmel, der Mond nur eine winzige Sichel. Bald schon war Neumond. Quint lag auf dem See und lauschte dem Wasser, das unter ihm und dem Eis Richtung Flussmündung strömte. Die perfekte Zeit zum Nachdenken. Auf dem Eis, im Schnee. Schnee. Vor ihm waren seine Erinnerungen, beinahe greifbar tanzten sie vor seinen Augen, so wie die Schneeflocken, die durch den Wind von den Ästen der Bäume zu ihm getragen wurden und auf ihn nieder fielen.

Jetzt schon war zu hören, dass er in wenigen Minuten nicht mehr alleine sein würde, denn da waren eindeutig Schritte. Selbst, wenn sie versuchten leise zu sein, konnte er sie hören. Vor allem einen recht lauten Typen, der sich aufspielte, als sei er der große Boss.

Der Vampir wartete ab. Dass sie ihn nicht sehen würden, war unwahrscheinlich. Genauso wie es recht unwahrscheinlich war, dass es sich bei den Halbstarken um Menschen handelte. Um diese Uhrzeit, so weit weg von der Stadt und jedem weiterem Ferienhaus. Vielleicht waren es die Jungs, die bei dieser Touristengruppe waren. Vom Alter her kam es hin und die Anzahl passte auch. Er würde es herausfinden, vermutlich schneller als ihm lieb war.

Also einfach nur abwarten ...
 

„Mist, der is überhaupt nicht tot“

„Hab ich dir doch gesagt!“

„Aber am Leben kann der auch nicht sein“

„Stimmt, kein Atmen, kein Puls ... Vielleicht ist Mani uns wohlgesinnt und wir haben hier ein kleines Spielzeug!“

„Oh bitte. Hör mal auf den alten Leif nachzumachen. Ich bin froh seine ewigen Geschichten nicht hören zu müssen.“

„Kann ja nichts dafür, dass du ihn nicht leiden kannst, weil du einfach nur schlecht bist in allem was er versucht dir beizubringen!“

„Der erzählt nur Schwachsinn! Mani und Skalli und Hati und Bla und Blubb...“

„Leute, können wir wieder zu dem hier zurück kommen?“

„Klar - was hast du vor?“

„Herausfinden ob wir wirklich Glück haben.“
 

Ein blonder Kopf kam in Quints Sichtfeld zum Vorschein. Ohne auch nur einmal zu blinzeln starrte er weiter in den Himmel.

Mit einem leichten Tritt wollte er die Aufmerksamkeit des Vampirs.

„Ey du!“, sagte er unfreundlich. „Los steh auf!“

Doch warum sollte er auf so einen hören?

Ein heftigerer Tritt.

„Ey Tinus, was wenn er wirklich einfach nur tot ist?“

„Würde er dann noch an einem Stück hier rumliegen? Dann hätte doch sicherlich schon irgendein Tier ihn als nette Mahlzeit benutzt.“

Ein weiterer Kopf, dieser mit dunkleren Haaren, kam Quint vor die Augen. Er ging in die Knie und hatte eine Hand schon gehoben, um einfach nachzuschauen, ob das da vor ihnen eine Leiche war, oder ein Vampir.

„Wage es nicht!“, sagte der Untote ruhig.

Wenn sie wirklich Werwölfe waren, dann nicht mehr als Welpen und die genossen bekanntlich Welpenschutz. Darum würde er ihnen wohl besser nichts tun. Schon allein, weil man sich da nicht nur einen Feind machte, sondern immer gleich das ganze Rudel.

„Ha! Sag ich es doch: Vampir - Lasst uns was nettes spielen!“

„Der sieht nicht so aus, als wäre er eine Herausforderung.“

„Das meinst du. Warte nur, bis wir ihn etwas bearbeitet haben. Dann wird er sich schon wehren. Und wenn nicht, dann können wir trotzdem behaupten, dass wir einen Vampir gekillt haben. Alleine! Was glaubt ihr, was die Anderen davon halten werden? Wir werden wie Helden gefeiert!“

„Und wenn er uns fertig macht? Wir sollen uns doch nicht mit Leuten anlegen, die wir nicht einschätzen können. Und falls euch das nicht aufgefallen ist, den da können wir nicht einschätzen.“

Die Jungs diskutierten, ließen jedoch Quint nicht aus den Augen.

„Passt auf“, beschloss dann der, der sich die ganze Zeit schon aufspielte. „Wenn ihr nicht mitmachen wollt, bitte! Dann mache ich es eben alleine.“

Kaum war der Satz beendet, traf auch schon ein weiterer Tritt den Vampir. Doch Quint rührte sich nicht. Noch war es kein bedrohlicher Angriff.

„Verdammt mach doch was du dämlicher Vampir!“

Mehr als ein Lächeln konnte der Kerl Quint damit nicht entlocken.

„Bist du tot oder was?“

„Ehm, streng genommen ist er das, also ist die Frage etwas blöde gestellt“, bemerkte einer von denen, die nicht im Sichtfeld des Untoten waren.

„Danke für diese tolle Information, Finn!“

Finn?

Quint fühlte sich das erste Mal dazu gezwungen sich aufzusetzen. Immerhin musste er nachsehen, wer da seinen früheren Namen trug.

Allerdings hätte er sich diesen Anblick auch ersparen können. Zumal er nicht wusste, wer von diesen drei Typen denn jetzt Finn war, waren sie alle nicht das, was er sich für seinen Namen vorstellte. Andererseits war es ja nur sein Spitzname.

„Sieh mal einer an. Der Herr Vampir kann sich doch bewegen.“

„Ja, Wahnsinn!“, erwiderte Quint nun. „Irgendwie muss ich ja auch hierhin gekommen sein, oder? Wobei ich gestehen muss, dass ich etwas eingefroren bin.“

„Wehrst du dich jetzt endlich? Sonst macht es keinen Spaß“

„Kleiner, wenn ich mich wehre seid ihr nicht mehr als Grütze. Das wollt ihr also nicht. Im Übrigen habe ich auch keine Lust darauf.“

Der Blondschopf regte sich auf. So würde er niemals als Held gefeiert werden können. Wütend wollte er auf den Vampir los gehen, doch die Anderen hielten ihn zurück.

„Also lasst mich jetzt in Frieden, ich habe zu tun!“, fügte Quint an und legte sich wieder auf das Eis um weiter in den Himmel zu schauen.

„Ahh“, schrie einer der Typen.

Quint konnte nur mutmaßen was sie vorhatten. In ihre Gedanken wollte er absolut nicht schauen.

„Hey!“

Plötzlich verstummte die kleine Welpengruppe, als eine weitere Person auf das Eis kam. Quint überlegte bereits wie stabil es wohl war und ob es alle diese Personen noch lange tragen könnte.

„Was macht ihr hier?“, fragte der Neuankömmling. „Müsst ihr euch benehmen wie wilde Tiere, wenn wir nicht zuhause sind?“

Quint tat vollkommen unbeteiligt, zumindest fand er, dass er es eigentlich auch war.

„Es tut uns leid, Eryk. Wirklich. Ilmar wollte nur das Talida stolz auf ihn sein kann, wenn wir zurück kommen“, versuchte einer ihr Vorhaben zu entschuldigen.

„Ab mit euch und wehe ich höre auch nur noch ein Wort!“
 

Die Jungs zogen ab und waren dabei tatsächlich mucksmäuschenstill.

Quint war versucht wieder aufzusehen, ließ es jedoch als der eben benannte Eryk sich neben ihn stellte.

„Eigentlich sollte ich mich ja bedanken, dass du ihnen nichts getan hast“, sagte er.

„Aber?“, wollte Quint wissen.

„Ich wüsste vorher gerne warum.“

„Warum was?“

„Wieso hast du sie nicht einfach fertig gemacht? Immerhin könntest du es.“

„Hm, ertappt!“ Der Vampir lehnte sich auf die Ellbogen um Eryk besser ansehen zu können. „Ich bin nicht hier, weil ich Streit suche, im Gegenteil suche ich eigentlich gerade Abgeschiedenheit und Ruhe.“

Leider schien es dieses Jahr irgendwie ein größeres Problem darzustellen.

Noch bevor Eryk etwas darauf erwidern konnte, hörten sie beide das Eis knacken. Quint zog lediglich eine Augenbraue hoch doch Eryk grinste.

„Na, das kann ja ein Spaß werden!“

In diesem Moment brach das Eis und verschluckte beide.
 

Zitternd, was für einen Vampir nicht unbedingt üblich war, ging Quint durch den Wald. Er war Kälte gewohnt, aber das war selbst für ihn zu viel. Die Arme hatte er fest um sich geschlungen auch wenn es keinerlei Verbesserung seines derzeitigen Zustands brachte. Durch das unfreiwillige Bad im See war er vollkommen durchnässt und die Temperatur hatte bereits einige seiner Haarsträhnen gefrieren lassen.

Trotzdem hatte er keinerlei Drang nach Hause zu gehen. Es war ihm dort zu voll und selbst Miles Anwesenheit konnte das nicht aufbessern.

Er brauchte einfach seine Ruhe, zumindest in der heutigen Nacht.

Nur Heute.

Doch schien alles und jeder dagegen zu sein!

Unbemerkt hatten seine Füße ihn doch bis zu seinem Haus zurück getragen. Quint öffnete die Tür zu dem kleinen Nebengebäude, in dem er sich seine kleine Bleibe eingerichtet hatte, und bekam einen Schwall von Wärme und, für seine Verhältnisse, blendendem Licht ab. Er blinzelte, da der plötzliche Temperaturanstieg ihm die Tränen in die Augen trieb.

Überall standen Kerzen, genug um das Gebäude in Brand zu setzen. Die Vier saßen in der Yakuzziartigen Wanne und hatten wohl viel Spaß, bis er die Tür aufgemacht hatte. Jetzt sahen sie ihn entsetzt an.

„Scheiße, Quint. Was ist passiert?“

Irgendwie fiel es ihm schwer seinen Mund zu bewegen, vielleicht wegen der Kälte.

„Bin ... in den See gefallen.“

Miles sprang förmlich aus dem Wasser, zog seine Short etwas höher und schloss erst einmal die Tür, die Quint vor lauter Erstaunen vergessen hatte. Auch Chloe kletterte heraus, sie trug einen Bikini, warum auch immer man so etwas auf einer Skihütte brauchte, um ihm ein Handtuch zu geben. Doch als sie spürte wie kalt Quint war, entschied sie sich anders.

„Zieh dich aus! Du musst dich aufwärmen, also komm mit zu uns in die Wanne.“

„Nein, schon ok. Ich leg mich einfach hin. Wird schon gehen.“

Doch bis auf Miles wusste keiner, dass er damit recht hatte.

„Kommt gar nicht in Frage. Los hilf mir Miles!“

Sie fing an seine Arme voneinander zu lösen um Quint die Jacke und anschließend das Oberteil auszuziehen.

Schweigend ließ Quint es über sich ergehen. Lediglich als Chloe seine Hose öffnen wollte, zuckte er leicht zusammen und hielt sie davon ab.

„Ich mach schon. Du frierst.“

Chloe sah nicht so aus, als würde ihr gefallen, dass sie nicht weiter machen durfte, doch sie ließ ihn gewähren.

„Aber beeil dich. Du hast schon ganz blaue Lippen.“

Hatte er das?

Konnte er solche, von Kälte verursachten, Anzeichen tatsächlich hervorbringen?

Er schaute zu Miles, der einen Platz für die nassen Sachen suchte, um sie aufzuhängen, damit sie trocknen konnten.

Wieso machten sie sich solche Gedanken um ihn?

Nun gut, bei Miles wusste er es. Aber Chloe, wieso sie?
 

Kyle und Rachel saßen weiter in der Wanne. Obwohl Rachel auch herausklettern wollte, doch Kyle hatte sie festgehalten und tat es noch. Den Grund dafür kannte er auch. Ohne das er irgendwelche Gedanken hätte lesen müssen.

Dieser Kyle war eindeutig an ihr interessiert und sie schien es zu genießen, dass er es war.

„Miles, Chloe, geht ins Warme!“, sagte er mit einem leichten, irgendwie nicht ganz autoritär klingenden, Befehlston. Also interessierte er sich weniger für Quints Gesundheit, was inzwischen auch klar war.

Miles schaute zu dem Vampir. Ein Nicken bestätigte ihm, dass er gehen sollte.

"Immerhin lebst du, Kleiner" drang es plötzlich in seinen Gedanken.

Mit einem bösen Blick bestrafte Miles Quint dafür, dass er sich wieder in seinem Kopf zu schaffen machte. Der Vampir wusste wie empfindlich er darauf reagierte!
 

Quint brauchte noch etwas Zeit bis er endlich im warmen Wasser saß. Das jedoch war wirklich erholsam.

„Du machst es ganz kalt“, grummelte Miles.

Der Vampir hatte sich neben ihn gesetzt und sank so tief in die nasse Wärme, das sein Kopf nur noch ab der Nase heraus schaute. Somit war das was er antwortete nur ein blubbern.

Kyle musterte Quint wieder. Er schien ihn mit jedem Treffen mehr zu verabscheuen.

„Wie hast du es geschafft in den See zu fallen?“, wollte er wissen.

Erst blubberte es wieder, bis Quint weit genug aus dem Wasser war.

„Das Eis ist eingebrochen!“

„Dann ist wohl das Schlittschuhlaufen Morgen gestrichen“, seufzte Chloe.

„Erstaunlich, dass du es alleine da wieder raus geschafft hast.“

„Ja, war aber gar nicht so schwer. Wenn man weiß wie.“

„Wieso? Ist dir das schon einmal passiert?“

Quint nickte, gab aber keine weitere Erklärung ab. Stattdessen streckte er sich und gähnte automatisch, bevor er wieder im Wasser versank.

Während Chloe, Rachel und Miles alle mit sich und ihren Getränken beschäftigt waren, wunderte sich Kyle über das was er da sah.

„Tut so etwas weh?“

Quint sah ihn fragend an.

„Das schleifen der Zähne. Warum hast du das machen lassen?“

„Die sind nicht geschliffen. Sie sind so, schon immer gewesen.“

„Natürlich!“

Die Anderen schauten nun interessiert zwischen den Beiden hin und her. Wobei Miles Blick länger auf Kyle lag, als wolle er ihn von weiteren Fragen abhalten.

„Ja. Warum sollte ich mir denn bitte meine Zähne schleifen lassen?“

„Naja, auch auf die Gefahr hin, das Miles mich dann wieder wütend anfährt: Wir haben dich bis jetzt immer erst nach Einbruch der Dunkelheit getroffen. Du hast angeblich eine spezielle Diät und isst darum nichts, trinkst nicht einmal was. Rachel hat mir von den Kontaktlinsen erzählt und dazu noch diese Zähne! Das führt mich zu dem Schluss, dass du sehr wohl Patient warst, als du Miles kennengelernt hast. Du glaubst ein Vampir zu sein, oder?“

Quint grinste.

„Um dich zu beruhigen: Nein, ich glaube es nicht! Meine Zähne waren schon immer außergewöhnlich lang, da habe ich nichts dran geändert, oder ändern lassen.“

„Außerdem benimmt er sich nicht wie jemand der glaubt ein Vampir zu sein. Die sind doch immer so komisch angezogen.“

„Gothic“, nuschelte Miles. „Für die is immer Halloween.“

„Genau!“, stimmte Chloe zu.

Rachel machte es sich an Kyle gemütlich und kicherte.

„Ich weiß, wieso du so verzweifelt etwas suchst um ihn schlecht zu machen“, sagte sie zu ihm aufschauend. „Ich hätte nicht sagen sollen, dass ich ihn süß finde.“

„Das hast du gesagt?“, fragte Chloe.

„Naja, nicht wortwörtlich. Aber ich denke es kam so rüber. Tut mir leid, Kyle. Wirklich! So war das nicht gemeint. Es war eher auf ihn und seine Freundin gemünzt. Sie sind zusammen richtig süß. Das meinte ich!“

Miles sank immer tiefer ins Wasser. Er hatte nicht vor an dieser Unterhaltung teilzunehmen.

„Wieso sagst du denn so was, wenn du doch weißt wie gerne er sich mit Leuten anlegt sobald er auch nur den Hauch eines Grundes hat?“

Während die Drei sich weiter unterhielten, hörte Quint draußen Schritte und Gerede.

„Oh nein!“, murmelte Quint.

„Was ist?“, fragte Miles neugierig.

„Ungebetene Gäste. Ganz schlechtes Timing, ganz schlecht.“

Die anderen Drei redeten weiter und bemerkten erst, dass etwas nicht stimmte, als Quint aus der Wanne stieg und hinaus ging - ohne sich vorher wieder etwas anzuziehen.

„Was macht er?

„Er wird sich da draußen den Tot holen!“

„Quint was hast du vor?“

Miles stand in der Wanne und sah aus als wolle er auch gleich hinaus rennen.

„Miles du bleibst hier!“, befahl Chloe. Sie wollte nicht, dass er sich erkältete, da er schon jetzt leicht heiser klang.

„Bleibe ich ja. Ich will trotzdem wissen was er vorhat.“

„Warum ist er überhaupt raus?“

„Er meinte, da sei jemand.“
 

Das warme Wasser hatte ihn so aufgeheizt, dass er nun dampfte als er sich den Halbstarken in den Weg stellte.

„Was wollt ihr hier?“

„Wo ist Eryk?“

„Was weiß ich? Er dürfte gut genug auf sich selber aufpassen können.“

„Er ist nicht zurück gekommen und da ist ein Loch im Eis. Was hast du mit ihm gemacht?“

„Nichts. Geht woanders suchen. Hier ist er nicht und ich kann auch nicht sagen wo er steckt.“

Die Jungs waren verunsichert. Zwar suchten sie ihren Anführer, nur wenn der Vampir vor ihnen wirklich Eryk etwas angetan hatte, dann waren sie nicht unbedingt in einer guten Position. So aufgeblasen wie am See waren sie also bei diesem Treffen erst einmal nicht.

„Wir können doch nicht ohne Eryk zurück“, nuschelte einer von ihnen.

„Geht zum See. Vielleicht ist er noch da, irgendwo. Das Eis ist unter uns eingebrochen, aber ich weiß, dass er auch wieder heraus gekommen ist. Nur wohin er dann gegangen ist, habe ich nicht drauf geachtet.“

„Aber wir waren am See. Da war er nicht.“

„Jungs, wie weit seid ihr mit eurem Training? Ihr müsst euch doch nur etwas konzentrieren und eure Instinkte benutzen. So schwer kann das doch nicht sein. Jetzt geht und kommt nicht noch einmal hierher, sonst habt ihr ein echtes Problem!“

Quint, noch immer leicht dampfend und nur mit einer Short bekleidet, blieb regungslos vor dem kleinen Grüppchen stehen und wartete ab.

Sie waren nicht ganz schlüssig über das was sie tun sollten und standen dort wie bestellt und nicht abgeholt.

„Geht ihn suchen! Er wird irgendwo auf dem Weg zwischen dem See und eurer Hütte sein, bestimmt. Ich bin, selbst ohne es zu wollen, nach Hause gegangen. So unterschiedlich können wir gar nicht sein.“

Einer der Jungen nickte.

„Ich würde auch nach Hause wollen. Nass, kalt... da will man doch einen heißen Kakao, oder nicht?“

„Also er da will bestimmt keinen Kakao, aber ich rieche da ein paar heiße Menschen, das ist vermutlich eher sein Fall.“

„Jungs! Macht eure Witze anderswo. Am besten bei der Suche nach Eryk.“

Die kleine Gruppe schauten sich fragend an. Sollten sie wirklich den Vampir ungestraft davonkommen lassen?

Aber wenn es Eryk wirklich gut ging, bis auf die Auswirkungen der Kälte, dann gäbe es auf jeden Fall Ärger.

„Ok, wir gehen. Aber wenn wir ihn bis Morgen nicht gefunden haben, dann kommen wir wieder!“, erklärte der, der am See schon die größte Klappe gehabt hatte.

„Und dann sind wir nicht alleine!“, fügte ein weiterer an.

„Ich freu mich riesig! Jetzt verschwindet endlich.“
 

Quint schaute dabei zu, wie die Jugendlichen im Wald verschwanden, bevor er sich dazu durchringen konnte wieder zurück zu Miles und seinen Freunden zu gehen. Er hatte ihnen wohl ein paar Fragen zu beantworten.

Vielleicht sollte er sich lieber ins Haus zurück ziehen und sich Sachen raussuchen um für den Rest der Nacht zu verschwinden. Immerhin war es sein ursprünglicher Plan, die ganze Nacht auf dem See zu verbringen. Leider hatte das unfreiwillige Bad ihm jede Lust darauf genommen und seine Gäste die ganze Zeit alleine zu lassen widerstrebte ihm auch ein wenig, zumindest nachdem sie sich nun wohl um ihn sorgen würden.

Das erste was er sah, als er die kleine Hütte wieder betreten hatte, war Miles. Angespannt saß er so, dass er die Tür sehen konnte, durch die der Vampir eben hereingekommen war. Die Anderen waren entspannter aber dennoch waren alle Blicke auf ihn gerichtet.

„Willst du dir den Tod holen? Es ist arschkalt da draußen und du rennst so raus?!“

Quint nickte nur schuldbewusst.

„Da waren ein paar Leute, die ich auch schon am See getroffen habe. Ich wollte nur, dass sie nicht stören.“

„Leute?“, fragte Chloe.

„Was ist da am See passiert?“, wollte hingegen Kyle wissen.

Doch Quint hatte nicht vor eine der Fragen zu beantworten und kletterte wieder in das warme Wasser.

„Wer war das da draußen?“, wollte nun auch Miles wissen.

„Niemand von Bedeutung. Lasst uns einfach wieder zum vorherigen Thema wechseln.“

„Ich denke das gefiel dir auch nicht.“

„Besser als das jetzt allemal. Also weitere Kommentare zu meinen Zähnen, zu Gen oder etwas anderem?“

Mit einem scharfen Blick schaute er zu Kyle um weitere Kommentare zu empfangen.

„Nein, jetzt gerade hab ich keine. Wenn dann interessiert mich eher was da am See passiert ist!“

„Da habe ich nichts zu zu sagen!“

Kyle machte ein Geräusch, das eindeutig als unfreundlich zu bezeichnen war, doch Quint war das vollkommen egal. Während er den Kopf schüttelte, um deutlich zu machen dass er keinen Ton mehr sagen würde, streckte Miles seine Hand nach ihm aus. Unter Wasser natürlich, damit keiner seiner Freunde etwas mitbekommen würde.

Er stupste gegen Quints Arm, bis dieser zu ihm sah. Statt etwas zu sagen, kratzte er sich an der Schläfe.

„Was soll mir das sagen?“ hörte Miles plötzlich in seinem Kopf.

Er mochte es nicht, wenn Quint in seinen Gedanken rumstöberte, doch jetzt ging es einfach nicht anders.

„Genau das! Wir wollen nur wissen ob alles in Ordnung ist. Oder sind wir in Gefahr? Du bist so schnell rausgegangen.“

„Es ist alles OK. Da sind lediglich ein paar Leute, die etwas an mir hängen. Für euch besteht keine Gefahr.“

Miles versuchte eine Augenbraue hochzuziehen, so wie er es bei einem Bekannten immer sah.

„Für uns nicht? Aber das hieße ja, für dich schon. Was sind das für Leute?“

„Werwölfe. Aber sie sind nur Welpen. Kein Problem.“

Miles Gesicht sprach Bände, was nun auch die anderen bemerkten.

„Ist was Schatz?“

Das Chloe Miles so nannte, war Quint neu.

„Hä? Ehm, alles gut, alles super. Ich war nur eben etwas.. abwesend.“
 

Am nächsten Nachmittag, kaum dass es dunkel genug war, watete der Vampir durch den inzwischen kniehohen Schnee hin zu seiner Hütte.

Es gab nur einen kleinen Weg, den die Vier bei ihren Wanderungen angelegt hatten. Quint folgte seinem eigenen, tief in den Wald.

Das dumme an diesem Wetter war, das er nicht einfach verschwinden konnte. Falls jemand seinen Spuren folgen würde, wäre es zu offensichtlich, wenn diese im Nichts enden sollten. Was nicht hieß, das er auf seine Art der Fortbewegung verzichtete.

Lautes Lachen, das aus dem Ferienhaus drang, ließ ihn stehenbleiben und lauschen. Von wem es war, konnte er gerade nicht sagen. Scheinbar hatten seine Gäste selber Besuch.

Als der Fremde wieder anfing zu sprechen fiel Quint ein woher er die Stimme kannte.

Schnell war er an der Tür und stand nur wenige Sekunden später im Flur.

„Eryk?“

„Hi! Quinti, ich wusste gar nicht, dass du so tolle Freunde hast.“

„Lass uns raus gehen!“

„Och komm schon, wir trinken gerade und haben so eine angenehme Runde. Setz dich doch dazu.“

Quints Blick wanderte zu Miles, der gemütlich auf einem Sessel saß, die Beine über die Lehne baumeln ließ und ein Glas Cola in der Hand hielt. Er war offensichtlich genauso interessiert an dem Werwolf wie die anderen. Wenn sie nur wüssten mit wem sie da redeten.

„Ich möchte aber gar nicht. Warum bist du hier?“

„Eigentlich wollte ich mich nur bei dir bedanken. Das Gestern mit den Welpen tut mir leid und ich bin ehrlich erstaunt, dass du so locker geblieben bist.“

„Welpen? Was für Welpen denn?“, wollte Rachel wissen. „Können wir sie sehen?“

„Nein, tut mir leid“, antwortete ihr Eryk.

„Schade. Die sind bestimmt niedlich.“

Quint war sich sicher, dass sie die sogenannten Welpen alles andere als niedlich finden würde, wenn sie jemals einen von ihnen zu Gesicht bekommen sollte.

„Können wir den Rest draußen besprechen?“

Eryk seufzte. „Na gut, ich seh schon...“

Dabei stand er auf um sich von seinen neuen Bekannten zu verabschieden und Quint hinaus zu folgen.

„Also, was willst du?“, fragte Quint etwas skeptisch der Anwesenheit des Werwolfes wegen.

„Genau das was ich sagte: Mich bedanken. Und entschuldigen, dass sie dir unnützerweise gedroht haben. Ich möchte wirklich keinen Ärger. Wir sind nicht hier um uns Feinde zu machen. Sie sollen die Welt kennenlernen und das was sie letzte Nacht getan haben gerade eben nicht tun. Wobei ich langsam glaube, dass sie ein mal so richtig fertig gemacht werden müssen, um das zu verstehen.“

„Wo reist ihr als nächstes hin? Ich könnte da bestimmt was einrichten!“

Eryk rieb die Hände aneinander bevor er sie in die Taschen steckte.

„Wir reisen weiter bis Seattle, dann nach Kanada hoch und über Alaska nach Russland um von dort zurück nach Norwegen zu kommen.“

„Wow. Da habt ihr euch ganz schön was vorgenommen.“

„Ach, geht. Es ist angenehm anstrengend und sollte wirklich mal von jedem gemacht werden.“

„Alles in allem war ich dort schon überall, nur nicht in der Reihenfolge.“

Eryk lachte.

„Wie viele Jahre hattest du denn schon um alles zu sehen? Ich hab nicht so große Erfahrungen im Einschätzen von Vampiren.“

Quint schüttelte den Kopf und lächelte dabei leicht. Dieser Werwolf war anders als die er bis jetzt kennengelernt hatte, was auch nicht sonderlich viele waren.

„Ist auch nicht einfach. Aber ich hatte schon genug Zeit - mehr als genug.“

„Dann hab ich da recht gehabt. Du könntest uns alle in die Tasche stecken, wieder rausziehen und wir hätten nichts bemerkt, was?“

„Könnte sein. Ich habe ganz ehrlich nicht mehr so den Drang mich anderen zu Beweisen. Aber für deine Kleinen dürfte es reichen.“

Eryk nickte und ließ seinen Blick schweifen, bis er am Haus hängen blieb.

„Sag mal, was hast du mit ihnen vor?

Fragend schaute der Vampir ihn an.

„Naja, die Menschen dort drinnen. Du wirst sie nicht töten, oder? Irgendwie machte es mir nicht so den Eindruck.“

„Nein, habe ich nicht vor. Auf keinen Fall.“

„Wegen dem mit dem Wuschelhaar, wie hieß er .. Miles?“

Quint zog eine Augenbraue hoch. „Wie kommst du darauf?“

„Ehm, ich mein nur. Seine Ausstrahlung hat sich geändert, als du rein kamst. Dachte das wüsstest du.“

„Ausstrahlung?“

„Ja, seine Körpersprache. Ich denke es lag an dir.“

Der Vampir war alles andere als erfreut darüber, das zu hören. Klar wusste er es, doch versuchte er normalerweise es zu ignorieren, nicht daran zu denken und Miles als einen einfachen Menschen zu sehen.

„Auch ohne ihn würde ich ihnen nichts tun.“

„Hm, aber ich liege richtig, dass da was zwischen euch läuft?!“

Neugierig legte Eryk den Kopf schief, was ihm, zusammen mit dem wissenden Grinsen, zum ersten Mal einen wirklich wölfisches Aussehen verlieh. Quint schüttelte den Kopf. Es war nicht einfach in Worte zu fassen und warum sollte er es ausgerechnet einem Werwolf erzählen?

„Ihr Vampire seit echt merkwürdig. Ihr habt ein so gut wie endloses Leben und nutzt es nicht einmal richtig aus“, fing Eryk an, doch Quint unterbrach ihn.

„Leb erst einmal so lange wie ich. Irgendwann gab es alles einfach schon einmal, es wird ... fade.“

„Und darum sucht man sich ein wenig“, nach dem richtigen Wort suchend tippte sich der Werwolf an das Kinn. „Abwechslung, Würze? Ach du weißt was ich meine!“

Nickend verschränkte Quint die Arme vor der Brust.

„Also, dann ist da was zwischen euch, richtig? Wirst du ihn ...“

„NEIN!“

„O..K. OK, empfindlich bist du auch noch.“

Quint sagte nichts sondern gab seinem Gegenüber nur einen drohenden Blick.

Eryk nickte, sein Grinsen bekam er jedoch nicht weg.

„Du solltest dich Mal sehen. Ein steinalter Vampir und du benimmst dich wie ein kleines Kind.“

Der Angesprochene war nicht gerade erfreut über die Wendung des Gesprächs. Wie eigentlich über sehr viele Gespräche in den letzten Tagen.

„Habt ihr euch eigentlich allesamt vorgenommen mir diese Nächte zu versauen?“

„Vielleicht ist es Schicksal? Jemand oder etwas will eben nicht, dass du alleine auf dem Eis liegst und dich einschneien lässt. Und vielleicht sind sie deswegen hier .. und ich – oh und ich kann wirklich nerven!“

„Ich merke es!“

„Und trotzdem versuchst du mich nicht zu töten, was ich übrigens sehr gut finde!“

„Das verwundert mich auch immer mehr.“

„Ach lass es einfach dabei. Mich bist du ja bald schon wieder los. Genaugenommen müsste ich dann auch mal wieder. Wobei, ich hab da drin noch ein Bier stehen. Nimmst du es mir übel, wenn ich das noch trinke bevor ich gehe?“

Quint zuckte mit den Schultern.

„Sie mögen dich doch scheinbar. Also mach.“

„Na, dann lass uns doch nicht so lang im Kalten stehen.“

„Ich komme nicht mit rein!“

Eryk sah ihn verwundert an, schüttelte dann jedoch lachend den Kopf.

„Ich sage es noch einmal: Schicksal! Misch dich unter die Lebenden. Vor allem, der Wuschelkopf würd sich bestimmt drüber freuen.“

„Darum ja. Er soll sich nicht zu sehr an mich gewöhnen.“

„Also, wenn du mich fragst: Zu spät! Und für dich gilt das gleiche! Nun komm schon, wir finden auch was, das du trinken kannst.“

„Ehm, Eryk .. Ich bin ein Vampir ich trinke da bestimmt nichts.“

„Schon einmal Bier mit Blut vermischt getrunken? Vielleicht verträgst du es. Ich kenne da einen ....“

Der Werwolf legte einen Arm um die Schultern des Vampirs und zwang ihn so wieder mit in das Ferienhaus.

Das könnte eine lange Nacht werden.

Du bist nicht allein [Drabble]

Miles hockte auf den Knien in seinem Flur. Der tauende Schnee an seinen Schuhen und seiner Jacke hatte eine Pfütze um ihn herum gebildet und seine Kleidung noch stärker durchnässt als der Schnee.

Es war still – außen.

Es war unerträglich laut – innen.

Doch es wurde besser, langsam aber sicher. Wobei das keiner Tablette zu verdanken war. Allein der Umstand, dass die Haustür ein weiteres Mal aufging und eine kühle Hand sich auf seinen Rücken legte half bereits ungemein.

Miles wusste, wer es war und er war dankbar.

Und er wusste, dass er Quint etwas bedeutete, sonst wäre der nicht hier.

Einsamkeit

#Zusammenarbeit mit abgemeldet#
 

Es ist still im Zimmer.

Es ist still in meinem Kopf.

Keine Stimmen.

Den ganzen Tag schon nicht.

Natürlich habe ich früh meine Tabletten brav geschluckt, doch ich habe nicht erwartet, dass sie so gut wirken. Es sind mittlerweile die sechsten, die sie mir gegeben haben, weil ich die anderen nicht gut vertrage. Die Ursache dafür kennen sie nicht. Empfindlicher Magen – meist. Dass ich von vier der sechs Tabletten Kopfschmerzen bekommen habe – davon wollen sie nichts wissen.

Ich verlange nichts.

Ich bin schon froh, wenn die Stimmen weg sind und ich in meiner Wohnung sein kann.

Dafür nehme ich die Kopfschmerzen gern in Kauf.

Nur zu schlimm dürfen sie nicht werden.
 

Leer ist es hier trotzdem.

Und einsam.

Ich frage mich, was er gerade macht.

Es ist lange her, dass ich ihn gesehen habe. Wo steckst du Quint?

Er vermisst mich nicht, das versetzt mir einen Stich. Tief im Herz... irgendwo... da. Ja... hier – unter der knochigen Rippe. Der Brustkorb verhindert, dass man es richtig schlagen spürt. Zumindest wenn der Körper so ruhig ist.

An sein Telefon geht er nicht.

Etwas anderes...

Einmal bekam ich Nasenbluten von den Tabletten. Blutverdünner... haben sie mir gegeben. Blutverdünner, die Stimmen verdünnen. Und ganz löschen.

Komisch.

Wenn er hier ist, sind sie von ganz allein still. Dann bräuchte ich diese Scheißpillen nicht. Scheißpillen, die meine Kehle austrocknen und Kopfschmerzen verursachen, die mich kotzen lassen... meistens.

Warum ist er nicht hier?

Ich versuche mich an unser letztes Gespräch zu erinnern.

Wann war das?

Eis und Schnee. Seine Hütte – natürlich. Die anderen waren auch da.
 

Jetzt bin ich wieder allein in meiner Wohnung.

Soll ich Chloe anrufen?

Sie würde kommen, ohne dass ich meinen Bitte bis zum Ende vorbringen muss. Schon wenn sie 'Kannst du...' hört, würde sie sofort an der Tür stehen und klingeln.

Würde ich sie dann auch rein lassen?

Ich bin mir nicht sicher.

Regentropfen zählen erscheint mir als gute Beschäftigung. Oder ich rufe Corvin an und frage, ob er weiß, wo Quint steckt. Merkst du, wie sehr ich dich vermisse?

Würde ich es nicht verdrängen, könnte ich seine Stimme sicher hören.

Die Einzige, die ich in meinem Kopf dulde. Dulden kann. Ohne wahnsinnig zu werden.

Stößt du mich weg, wenn du wüsstest, wie es wirklich... in mir aussieht?

Ich stehe auf, gehe in die Küche, um mir neuen Kaffee zu machen. Die zweite Kanne heute. Vielleicht kann ich schlafen, wenn ich damit aufhöre. Ich will es aber nicht. Eine Beschäftigung brauche ich und ich rauche nicht, also... bleibt nur der Kaffee. Etwas, woran ich mich verzweifelt kralle, um nicht an ihn zu denken.

Die weichen Haare.

Das seltene Schmunzeln in seinem Mundwinkel.

Die schlanke und doch eindrucksvolle Gestalt.

Die Stimme.

Uhm...

Kaffeepulver, Filter... nein... andersherum. Mich lenkt die plötzliche Wärme ab. Sie wandert... wandert tiefer. Händezittern. Ich will dich...

Irgendwann gluckert sie endlich. Das Sperrholz des Küchenschrankes kühlt nur eine Sekunde. Dann übernimmt es die Wärme meines Kopfes. So heiß ist er? Es war mir nicht bewusst.

Noch mehr Tabletten will ich nicht.

Ich will nur... seine Stimme hören.

Wieder greife ich nach dem Handy, setze mich ans Fenster und sehe den Regentropfen zu, während es klingelt.

Klingeln...

Klingeln...

Stures Klingeln...

Und Stille...

Im Raum.

In meinem Kopf.

Fass dich an...

Es piept leise, als ich auflege. Keine Antwort. Wieder nicht.

Fass dich an... stell dir vor, dass ich es tue...

Wieso kommt diese Hitze immer, wenn man sie nicht brauchen kann? Ich verstehe nicht einmal, warum sie überhaupt kommt. Er ist ein Mann... genau wie ich. Und er lebt schon zu viele Jahre auf Erden, um sich so etwas anzutun.

Ich bin krank, auch wenn er mich nicht dafür hält.

Und ich bin mit Chole zusammen gewesen, ich passe nicht zu einem Mann. Nicht zu so einem beschäftigten. Eigentlich zu gar keinem. Ich sollte nicht passen.

Aber verschwinden muss dieses Problem.

Vor dem Fenster ist nicht der ideale Ort, aber aufstehen will ich nicht.

Es klappert gegen die Scheibe. Ich berühre mich, wie er es mir gesagt hat. Nein... hat er nicht. Aber wer dann? Ich habe es gehört. Sind es doch wieder die Üblichen?

Ich ziehe die Hand zurück.

Ich will nicht, dass mir Fremde sagen, was ich tun soll, auch wenn es schmerzhaft in meinen Lenden pocht. Fremdbestimmung... habe ich hinter mir gelassen.

Quint... wieso kommst du nicht? Du hörst mich doch... nicht wahr?
 


 

...

. . .

...

Habe ich geschlafen?

Ich spüre mein rechtes Bein nicht mehr, aber es wundert mich nicht, als ich nach unten sehe. Über dem anderen ruhend hat es sicher sämtliche Nerven eingequetscht. Ein kurzer Blick nach draußen - dunkel. Ich höre die Kaffeemaschine noch, sehe aber nichts. Es dampft nur komisch. Wie lange habe ich geschlafen?

Ich stehe auf, knicke ein und bleibe liegen.

Kein Gefühl im Bein. In den nächsten Momenten kehrt es kribbelnd wieder zurück. Ein widerlicheres Gefühl gibt es kaum. Dagegen sind die Kopfschmerzen mild. Nein... heftig. Die Wirkung der Tabletten scheint nachgelassen zu haben.

Deprimierend.

Ich werde wohl bald wieder Stimmen hören.
 

»Liegst du immer gern auf dem Boden?«
 

Es geht schon los.

Ein Seufzen bringt mich der Küche näher und näher, als ich mich über den Boden ziehe.

»Miles?«

Es ist Quints Stimme.

Toll... ich höre sie in meinem Kopf. Da die Wirkung der Tabletten nachgelassen hat, kann ich wohl nicht wirklich davon ausgehen, dass er wirklich hier ist.

»Hör auf mit mir zu reden. Du bist doch eh nicht da.«
 

Und plötzlich geht das Licht an.

So gleißend hell. Ein stechender Schmerz. Verflucht.

Macht mir allerdings gleich zwei Sachen deutlich. Erstens befinde ich mich wirklich kriechend auf dem Boden und zweitens muss wirklich jemand hier sein, denn es kommt eher selten vor, dass sich mein Wohnzimmerlicht verselbstständigt.

Hat er mich wirklich gehört?

»Mein Bein ist eingeschlafen.«

»Kein Wunder, so wie du dagesessen hast.«

Ich spüre seine starken Arme, die mich wieder auf die Beine bringen. Mit dem einen kann ich nicht auftreten. Es kribbelt fürchterlich. Ich muss auch nicht ganz stehen. Er hält mich weiter fest. Ich sinke gegen ihn. Er riecht wie Erde. Immer. Und er ist irgendwie kühl. Aber dann auch wieder nicht. Es verwirrt mich jedes Mal und ich erinnere mich daran, in welchem Zustand ich eingeschlafen sein muss. Unwillkürlich schaue ich nach unten.

»Ist weg – keine Sorge.«

Er weiß davon?

Ich erschrecke ein wenig darüber, dass es mich in keinster Weise beunruhigt. Was soll mir das sagen?

Los lässt er mich nicht, auch wenn er weiß, dass ich dieses Problem hatte.

Wieso nicht?

Ich frage direkt nach. Macht keinen Sinn, irgendetwas vor ihm zu verbergen. Er weiß alles im Voraus.

Immer.
 

»Hast du es weg gemacht?«

Er scheint den Kopf zu schütteln. Über mir ist Bewegung. »Das warst du selbst, denke ich.«

»Weiß ich nicht mehr. Ich muss unmittelbar danach eingeschlafen sein.«

»Mit angeschalteter Kaffeemaschine.«

»Warum hast du sie nicht ausgeschaltet?«

Er sagt nichts. Ich drücke mich etwas weg. Er sieht verlegen aus. »Ich wusste nicht, wie.«

»So viele Knöpfe sind da doch nicht.«

Ich liebe es, wenn er so ist. Diese Weltfremdheit, dabei besitzt er ein Handy, auch wenn er nie ran geht.

»Ich habe dich angerufen.«

»Habe ich nicht gehört.«

»Das ist eine schlechte Ausrede.«

Er sieht nicht ertappt aus. Er weiß es besser, aber anders als er, kann ich in seinen Kopf nicht hinein schauen. Ich warte vergebens.

»Warum?«

»Was?«

»Warum hast du es nicht hören wollen?«

»So viele Anrufe. Ständig. Ich hasse dieses Ding.«

»Aber anders... kann ich doch nicht mit dir in Kontakt treten, wenn ich...«

Nein... das behalte ich doch lieber für mich. Doch zu spät.

»Hast du mich so sehr vermisst? Was ist mit den anderen?«

»Sie sind nicht du.«
 

Deine Haare fühlen sich weich an, als ich die Arme um deinen Nacken lege. Jetzt lasse ich dich nicht mehr los, auch wenn ich weiß, dass du diese Nähe nicht magst. Das alles weiß ich schon von dir, aber gleichzeitig sind da noch so viele unbeantwortete Fragen. Ich weiß nicht, wohin mit ihnen. Du beantwortest sie mir nicht. Gen kann es auch nicht wissen. Sie kennt dich gut, aber auch nicht viel besser als ich. Niemand wird dich je gut kennen... oder völlig.

Diese Erkenntnis ist jedes Mal aufs Neue ernüchternd.

Doch anders als sonst spüre ich deine Arme auch. Sie ruhen an meinem Rücken. Jetzt bin ich völlig in dir gefangen.

Und ich spüre alles, was ich mir vorgestellt habe, als ich den Kaffee...

Ach ja...

Der Kaffee...
 

»Ich würde gern einen Kaffee trinken. Bleibst du und setzt dich zu mir?«

»Ja.«
 

...

. . .

...
 

Wieder wach... und ohne Erinnerung.

Kopfschmerzen...

Und Sonnenschein.

Und ein Körper... neben mir.

Vorhin war es doch noch dunkel gewesen? Warum ist es jetzt wieder hell?

Bis auf meine Shorts bin ich nackt, stelle ich fest, als ich mich bewege.

Quint.

Liegt neben mir wie ein Toter und ich habe keine Möglichkeit, ihn zu fragen, was passiert ist. Ich weiß aus Erfahrung, dass er kaum wach zu bekommen ist, wenn die Sonne so scheint wie im Moment. Und wenn er wach ist, dann nicht sehr gesprächig.

Besser ich decke ihn vollständig zu, der Sonne wegen.

Schade das ich keine Fensterläden habe.

Ich brauche meine Tabletten.

Aufstehen ist nicht schwer. Nur der Kopf. Voller Fragen.

Doch langsam kehren die Erinnerungen zurück.

Wir saßen da und ich trank Kaffee, während er mich nur ansah. Irgendwann gab ich zu, wie sehr ich ihn vermisst hatte und wie gern ich ihm nahe sein wollte.

Ich weiß nicht mehr, ob er mich abgelehnt hat. Wenn er hier liegt, wohl eher nicht.

Aber kann ich mir da sicher sein?
 

Im Moment ist die nötige Stille nicht da.

Nicht im Kopf und nicht im Raum.

Aber die Einsamkeit auch nicht mehr, denn auch wenn er schläft. Er ist hierher gekommen und er... hat hier übernachtet. Hat er noch nie.

Was beweist mir das?

Soll ich überhaupt etwas hinein interpretieren?

Die Tabletten brauchen eine Weile, um zu wirken.

Die Stille kehrt zurück und mit ihr die Klarheit.

Ich erwarte nichts, dennoch sauge ich unsere gemeinsamen Momente auf wie ein trockener Schwamm das Wasser.

Bleib hier – ich hätte nichts dagegen.

Da gebe ich ihr glatt mal recht.

Der letzten Stimme, die verstummt.

Geheimnis [Drabble]

Die Sonne schien schrecklich langsam unter zu gehen.

Aber so war es ja immer, wenn man auf etwas wartete, und er wusste, dass es noch eine ganze Weile so gehen würde. Quint kam nie pünktlich. Auch hier nicht, wo er wusste, dass Miles alleine in seiner Hütte saß und auf ihn wartete.

Die anderen würden erst später ankommen.

Was sie bislang hier getan hatten, wäre sicherlich das, was sie dann alle wissen wollten, aber Miles würde darüber schweigen und Quint sicherlich auch.

Dem musste man so oder so alles aus der Nase ziehen.

In diesem Fall war es wirklich gut.

Kleines Licht

Er schaute sie an als habe er sie vorher noch nie gesehen.

„Woher kommst du?“, wiederholte er seine Frage.

„Tjumen, Russland“, antwortete sie wahrheitsgemäß bereits das zweite Mal.

Er schwieg, wodurch sich eine unangenehme Stille zwischen ihnen ausbreitete.

„Raus!“

„Wie bitte?“ So wirklich verstand sie seine plötzliche schlechte Laune nicht und schon gar nicht warum sie jetzt gehen sollte.

„RAUS!“

So wütend hatte sie ihn noch nie erlebt. Zugegeben kannten sie sich noch nicht unglaublich lange, aber es hatte dafür gereicht, dass sie bei ihm wohnen durfte. Ansonsten hätte sie auf der Straße schlafen müssen, nachdem ihr Vermieter sie rausgeschmissen hatte.

„Aber warum?“

„Geh einfach! Ich will dich nie wieder sehen, verstanden?“

Sie hatte ihn nicht verstanden, aber was blieb ihr anderes übrig als zu gehen, so wie er es verlangte?

„Ich verstehe dich nicht. Was ist so schlecht an meiner Heimat? Warum bist du so?“

Doch er antwortete nicht. Lieber betrachtete er sie weiterhin mit einem tödlichen Blick und rollte langsam mit seinem Rollstuhl nach hinten.

„Verschwinde einfach...“, sagte er noch einmal. Weniger kraftvoll aber nicht minder schmerzhaft.

Sie wischte sich über die erhitzen Wangen und bemerkte, dass sich zum Glück noch keine Tränen dorthin verirrt hatten. Da sie scheinbar keine andere Wahl hatte, nahm sie sich ihre Jacke und verschwand hinaus in den Nachmittag.
 

:.:.:
 

„Wo ist Nadja?“

Sein Freund fragte das Xte Mal nach ihr doch er schüttelte nur den Kopf.

„Hattet ihr Streit?“, fragte er weiter.

„Nein. Ich habe sie weg geschickt.“

„Wieso?“ Er war mindestens so verwirrt wie er aussah.

„Weißt du wo sie herkommt? Aus Russland! Russland!!!“

Sein Freund schaute verständnislos. Nein, der Sinn ging grad weit an ihm vorbei. Schon allein, weil er so fixiert auf das Land zu sein schien.

„Und weil sie Russin ist, schmeißt du sie raus? Die einzige Person, die dich seit dem Überfall zum Lachen bringen konnte. Die Einzige, die dich mit all deinen Launen ausgehalten hat.“

„Ja verdammt!“

„Warum Alex? Erklär es mir!“

Die Hände zu Fäusten geballt, saß er da, nicht fähig seine Wut in Worte zu fassen.

„Wieso hast du sie rausgeschmissen?“, wiederholte sein Freund die Frage.

„Der Typ, der uns an dem Abend überfallen hat. Der, der geschossen hat. Er war Russe.“

Schweigen.

Keiner der beiden schien diese Stille unterbrechen zu wollen.

„Ist das alles?“, fragte der Besucher schließlich.

„Ist das alles?“, wiederholte Alex die Frage und die wieder aufsteigende Wut war deutlich hörbar. „Das ist alles, was ausgereicht hat um mir das hier anzutun. Ist das für dich nicht genug, Taylor?“

„Tut mir leid“, versuchte der angesprochene die Lage zu beruhigen. Er hatte vergessen, wie empfindlich sein Freund auf dieses Thema reagierte.

„Einen scheiß tut es dir!“

„Stimmt... Im Moment bin ich ehrlich gesagt eher besorgt um Nadja.“

„Scheiß auf sie!“

„Nein! Oooh nein!“ Taylor beugte sich zu Alex und sah ihn ernst an. „Du hast ihr versprochen, dass sie hier bleiben kann. Sie hat niemanden zu dem sie gehen könnte. Was denkst du dir dabei sie zu verurteilen, nur weil sie zufällig aus dem gleichen Land kommt wie der Idiot von damals?!“

Alex schwieg, schaute seinen Freund jedoch mit unglaublicher Wut an.

„Hast du mal einen Moment daran gedacht, dass es ihr auch schlecht gehen könnte? Dass du ihr einziger Lichtblick bist?“

Äußerlich tat sich gar nichts an Alexander. Er war wütend, sehr wütend. Vielleicht inzwischen auch ein wenig auf sich selber. Mit den Gedanken an Nadja und das sie bereits seit zwei Tagen weg war, blendete er seinen Freund vollkommen aus und zeigte keinerlei Regung.
 

:.:.:
 

Sämtliche Telefonate waren umsonst. Keiner hatte sie gesehen oder mit ihr gesprochen.

Taylor legte erschöpft das Telefon zur Seite. Seit Stunden hatte er jetzt versucht sie zu finden. Alex war nicht sonderlich hilfreich dabei weitere Leute ausfindig zu machen, bei denen sie untergekommen sein könnte.

Seine schlimmste Vorstellung war die, dass sie irgendwo tot in einer Ecke lag. Erfroren in einer der doch noch sehr kalten Nächte.

„Hast du sie erreicht?“, hörte er plötzlich die Stimme seines Freundes hinter sich.

„Nein. Niemand hat sie gesehen.“

Alex blieb hinter ihm. Seit er angefangen hatte ihre Bekannten anzurufen, schaute sein Freund ihm nicht mehr in die Augen.

Vielleicht hatte doch endlich sein Verstand wieder eingesetzt.

„Wir werden sie finden“, versicherte Taylor Alexander. „Und dann solltest du dich entschuldigen.“

Alex sah nicht so aus, als hätte er das vor. Jedoch war das im Moment schwer zu sagen.

Taylor schüttelte den Kopf und wählte die nächste Nummer auf seiner Liste.
 

Dieses Telefonat war endlich etwas aufschlussreicher. Nadja war gesehen worden.

Boylston Street, in der Nähe der Bibliothek. Taylor starrte auf sein Mobiltelefon.

„Was ist los?“, wollte Alex nach einer Weile wissen.

„Sie war mit jemandem zusammen“, klärte Taylor ihn auf. „Lindsay hat ein Bild von den Beiden gemacht und will es mir gleich schicken.“

„Siehst du, sie kommt gut ohne mich klar. Lass es einfach sein!“

Doch er dachte nicht daran es zu vergessen. Erst wollte er selber sehen, dass es ihr gut ging.

Sein Handy summte eine kurze Melodie und sofort klickte er die eingegangene Nachricht an.

Eindeutig Nadja, auch wenn das Foto aus einem fahrenden Wagen gemacht worden war. Der Kerl neben ihr war ihm jedoch nicht bekannt. Sie unterhielten sich offenbar. Aber ob es ihr wirklich gut ging, konnte er anhand dieses Bildes nicht sagen.

Das Einzige was ihm einfiel, war einfach mal blind dort nach einem der Beiden zu fragen. Es war der einzige Anhaltspunkt den er hatte.

„Ich bin weg. Mach keinen Blödsinn und überleg dir schon mal was du ihr sagen willst!“

Alex schaute seinem Freund hinterher und grummelte leise.
 

:.:.:
 

Für ihn dauerte es zu lange, bis er endlich in der entsprechenden Straße angekommen war.

Aber die Uhrzeit war gut. Es liefen viele Menschen an ihm vorbei, während er versuchte ein bekanntes Gesicht ausfindig zu machen.

Nirgendwo sah er sie. Dabei war Nadja für ihn wirklich überall zu erkennen. Allerdings wäre es wohl zu einfach gewesen, sie so schnell zu finden.

Taylor zückte sein Telefon und besah sich das Bild noch einmal. Vielleicht konnte er wenigstens den Kerl ja ausfindig machen. Wieder scannte er die Leute.

Nach einigen Minuten gab er auf. Das war wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Doch er hatte bereits eine neue Idee.

„Entschuldigen sie, haben sie zufällig einen der Beiden von dem Bild hier kürzlich gesehen?“

Kopfschütteln...

Zu viel 'Nein' und 'Tut mir leid, ich bin in Eile'.

Taylor war inzwischen vor dem Eingang der Bibliothek und mit den Nerven am Ende.

Mit einem Blick auf die Uhr, stellte er fest, dass er bereits seit zwei Stunden suchte. Der Strom an Menschen hatte auch bereits abgenommen. Er nahm sich vor noch einige Leute zu fragen und dann nach Hause zu gehen. Vielleicht konnte er sie doch endlich über E-Mail erreichen oder irgendeinen Messenger. Ihr Mobiltelefon lag ja leider noch bei Alexander.

Warum hatte sie es nicht mitgenommen?

Es wäre so viel einfacher.

„Entschuldigen sie“, fragte er eine Frau, die eben aus dem Gebäude gekommen war. „Haben sie einen der Beiden vor kurzem gesehen?“

Sie sah sich das Bild an und nickte dann. „Das ist doch Miles. Er arbeitet hier!“ Sie zeigte auf die Bibliothek. „Ich glaube heute hat er frei, zumindest habe ich ihn nicht gesehen und normalerweise wuselt er immer durch die Gänge.“

„Danke! Danke! Sie wissen gar nicht, wie sehr sie mir damit geholfen haben!“ Taylor war hörbar erleichtert und bedankte sich überschwänglich, während er die ersten Stufen zum Eingang erklomm.

„Nichts zu danken“, rief sie ihm hinterher.
 

Es war lange her, dass er das Gebäude von innen gesehen hatte. Das letzte Mal musste kurz vor seinem Abschluss gewesen sein. Es roch noch immer wie in seiner Erinnerung.

Alte Bücher, neue Zeitungen...

„Kann ich ihnen helfen?“, meldete sich eine Frau mit Namensschild. Er las den Namen nicht, sondern kam einfach zur Sache.

„Ich suche Miles.“

„Oh, der war nur heute Vormittag da. Er hat wohl derzeit Besuch.“

War das bereits ein Hinweis auf Nadja?

Er hoffte es. Es war besser daran zu denken, dass sie, seit sie bei Alex so unhöflich abgewimmelt worden war, wenigstens ein Dach über dem Kopf hatte und nicht auf irgendeiner Parkbank schlafen musste.

„Sie könnten mir nicht zufällig die Adresse geben? Oder wenigstens seine Telefonnummer?“

Etwas skeptisch wurde er gemustert, bis sie schließlich den Kopf schüttelte.

„Tut mir leid, ich kann weder das eine noch das andere herausgeben.“

„Können sie nicht eine Ausnahme machen?“

Eigentlich wollte er nicht erzählen, dass ihm eine Freundin abhanden gekommen war. Andererseits, konnte es sie vielleicht erweichen.

„Nein, keine Ausnahme!“

„Eine Freundin von mir ist verschwunden und... er kann mir vielleicht weiter helfen“, versuchte er es nun wirklich. Gleichzeitig holte er sein Mobiltelefon raus und zeigte ihr das Bild. „Das ist das einzige was ich im Moment habe.“

Sie sah es sich an.

„Ja, das ist Miles“, bestätigte sie. „Und das ist die junge Frau, die sie suchen?“

Taylor nickte stumm.

„Pass auf, ich kann dir die Nummer nicht heraus geben, aber ich kann dich von hieraus anrufen lassen. Dann kannst du ihn fragen, ob er weiß wo sie steckt. Ist das OK?“

Plötzlich war das 'Sie' verschwunden. Die Anrede gefiel ihm eh nicht. Aber eigentlich war es auch gar nicht so wichtig. Nur der Vorschlag zählte.

„Das ist super!“ Er konnte es kaum fassen. Dafür dass er nur auf gut Glück hierhergekommen war, nun doch schneller vorran zu kommen als es draußen noch ausgesehen hatte.

„Dann komm mit!“

Sie brachte ihn zu dem kleinen Schalter für die Rückgaben und verschwand dahinter um sich das Telefon zu holen. Schnell hatte sie die Nummer rausgesucht und gewählt. Als der Rufton piepte, reichte sie den Hörer Taylor.

Er nahm ihn und wartete. Hoffentlich war dieser Miles zu Hause.

Die Frau hinterm Tresen schenkte ihm ein Lächeln, als er, wohl freudestrahlend, anfing seinen Namen zu sagen und dem jungen Mann am anderen Ende zu erklären warum er anrief.
 

:.:.:
 

Er saß in seinem Auto und war beinahe bei der Adresse, die ihn dieser Miles gegeben hatte. Laut ihm war Nadja bei ihm und gerade in der Badewanne. Das war vor gut einer halben Stunde gewesen.

Badete sie lange?

Das müsste er Alex fragen. Immerhin lebten sie Beide eine Weile zusammen.

Das Haus zu finden war gar nicht so schwer. Miles hatte es gut beschrieben und so war es ein regelrechtes Kinderspiel.

Bevor er aus dem Wagen ausstieg, überlegte er, ob er seinem Freund Bescheid sagen sollte, oder nicht, entschied sich jedoch dagegen. Sollte der sich ruhig noch etwas Sorgen machen und darüber nachdenken, was er getan hatte.

Natürlich war das Ganze mit dem Überfall nichts Schönes und natürlich tat ihm Alexander irgendwo leid. Da er der Einzige von ihnen war, der mit solchen Langzeitschäden zu kämpfen hatte. Das alles war jedoch keine Entschuldigung dafür, so in Selbstmitleid zu versinken und eine gute - sehr gute - Freundin einfach im Stich zu lassen.

Taylor atmete tief durch, als er endlich an die Tür klopfte.

„Moment!“, hörte er von drinnen. Eine fröhliche Stimme. Er konnte nur hoffen, das Nadja annähernd so gut gelaunt war.

Die Tür wurde von genau dem jungen Mann geöffnet, den er auf dem Foto gesehen hatte. Das war also Miles. Er sah ein wenig wirr aus, mit den verwuschelten Haaren und dem Mehl im Gesicht.

„Taylor, richtig? Komm rein.“

„Ja, danke.“

Miles hielt ihm die Tür auf und verschwand dann in der Küche, während er die Wohnungstür einfach ins Schloss zurück fallen ließ.

„Ich mache Waffeln. Nadja sagte, sie mag die gerne mit Sahne und Kirschen. Also hab ich welche geholt.“

„Seit wann kennt ihr euch?“

„Vorgestern.“

Taylor war etwas irritiert darüber, wie Miles sich gab.

„Du lässt also eine wildfremde Frau bei dir übernachten und machst ihr Waffeln?“

„Ich habe auch dich rein gelassen. Auch eine Waffel?“

Das stimmte sehr wohl, aber er hatte ja auch einen Grund. Dieser hieß Nadja und war vermutlich noch immer in der Badewanne.

Der Besucher stimmte mit einem nicken dem Angebot zu.

„Die sieht irgendwie etwas zerbombt aus.“ Taylor musterte das 'Ding' auf dem Teller.

„Darum gebe ich sie ja auch dir. Für Nadja sind nur die perfekten. Aber irgendwie werden die ersten zwei oder drei Stück nie perfekt oder annähernd gut.“

Taylor schaute sich die Waffel an. Wenn dieser Miles meinte, dass es nötig sei, wollte er ihn in diesem Glauben lassen.

„Wo ist sie eigentlich?“, kam er lieber auf seine Freundin zu sprechen.

„Noch immer im Bad. Aber ich meine vorhin gehört zu haben, dass sie das Wasser abgelassen hat. Kann sich also nur noch um Stunden handeln.“

Dieses Strahlen dabei.

Dieser Kerl schien ein echt fröhlicher Zeitgenosse zu sein.
 

:.:.:
 

Es hatte letztendlich doch nicht mehr so lange gedauert, bis Nadja aus dem Badezimmer kam und, geleitet vom Duft, die Küche betrat.

Sie trug eine dunkelblaue Trainingshose und ein SOX-Shirt, was beides wohl eher Miles gehörte. Immerhin waren alle ihre Sachen noch bei Alex und diese Kleidung im Normalfall gar nicht ihr Stil.

Als sie Taylor sah, herrschte kurz ein Gefühlschaos in ihrem Gesicht. Freude über den Bekannten und das sie nicht allen egal war und gleichzeitig stiegen ihr Tränen in die Augen.

Wieder traf sie die selbe Erkenntnis wie bereits die Tage zuvor.

Sie hatte nichts!

Nicht einmal ein Zuhause oder ihre eigene Kleidung. Sie fühlte sich einsam und verlassen.

Das alles brach erneut aus ihr heraus, als sie dem Größeren um den Hals fiel.

Taylor legte tröstend die Arme um seine Freundin.

Zu seiner Verwunderung weinte sie nicht lange. Als sie sich von ihm löste wischte sie sich kurz über die Wangen und lächelte dann leicht.

„Schön das du da bist!“

Miles hatte inzwischen den Tisch freigeräumt. Nur ein Turm Waffeln auf einem Teller, eine Dose Sprühsahne und ein Schälchen mit Kirschen stand noch dort. Nadja registrierte das volle Bild erst jetzt und mustere alles mit großen Augen.

„Du bist ein Engel, Miles!“

Der Angesprochene zuckte mit den Schultern und war einfach nur froh darüber, dass er sie ablenken konnte. Sie setzte sich neben Taylor und nahm sich den leeren Teller, der zusammen mit Besteck ebenfalls auf dem Tisch stand. Packte ihn voll mit Waffeln, sprühte Sahne und legte einige Kirschen darauf.

Sie aß langsam, jeden Bissen genießend, bis ihr die Blicke auffielen.

„Warum esst ihr nicht mit?“, fragte sie dann.

„Ich habe zu viel Teig genascht“, gestand Miles.

„Und ich habe schon alle Waffeln bekommen, die er als 'dir nicht würdig' eingestuft hat“, erklärte Taylor.

Nadja nickte. Wenn sie keine wollten, gut für sie.

„Nadja, ich wollte wissen wie es dir geht – wegen ...“

Miles winkte hektisch als wolle er ihm den Mund verbieten. Kaum das Nadja aufsah, hielt er inne, als hätte er nichts getan.

Sie sah alles andere als glücklich aus während sie ihre Lippen aufeinander presste und auf die Sahne starrte.

„Er hasst mich“, flüsterte sie endlich.

„Nein! Er ist nur noch immer ziemlich gereizt wegen dem Vorfall und du weißt selber wie er dann sein kann.“

„Aber ... wie er geguckt hat. Er hasst mich! Warum hasst er mich?“

Taylor seufzte und legte eine Hand auf ihre Schulter.

„Alex ist mindestens so besorgt wie ich, dass du plötzlich vom Erdboden verschwunden warst.“

„Er wollte doch, dass ich gehe! Er will mich nie wieder sehen, hat er gesagt!“

Er wusste nichts darauf zu erwidern.

Hatte Alex das tatsächlich getan?

Taylor seufzte leise und strich ihr über die Schulter.

„Alexander weiß manchmal nicht wirklich was er sagt, wenn er wütend ist.“

„Aber warum war er wütend? Was hab ich getan? Was hab ich falsch gemacht?“

„Nichts meine Kleine. Es liegt wirklich nicht an dir. Er ... findet Gründe, die einfach nicht da sind, um sich an jemandem auszulassen. Das es dich getroffen hat war purer Zufall und lag nur daran, dass du genau in dem Moment da warst, als er Dampf ablassen musste.“

Sie schüttelte den Kopf und wischte sich die erneuten Tränen aus den Augenwinkeln.

Offensichtlich war es für sie nicht so leicht zu verstehen. Zwar wusste sie, das Alex ab und an recht gemein und aufbrausend war, aber bislang hatte sich das nie so gegen jemanden gerichtet, wie jetzt gegen sie.

„Wollt ihr euch im Wohnzimmer weiter unterhalten?“, fragte Miles plötzlich.

Er konnte sich das Chaos in seiner Küche nicht mehr ansehen und hatte nicht vor, die Zwei durch sein Aufräumen zu stören. Abgesehen davon, fühlte er sich bei der Unterhaltung wie ein Fremdkörper. Es ging ihn nun einmal nicht wirklich etwas an, auch wenn er über ihren Teil der Geschichte sehr gut Bescheid wusste.
 

:.:.:
 

Miles räumte auf, bis es klingelte.

Doch er brauchte sich gar nicht beeilen, denn er hörte sofort Nadja, die ihm zurief, das sie aufmachen würde. Gefolgt von dem Poltern ihrer Schritte, als sie den Flur entlang lief um so schnell sie konnte den weiteren Besuch herein zu lassen.

Immerhin hatte sich jemand angekündigt, für den sie extra Baden war.

„Quint!“, quietschte sie fröhlich, als sie ihm auch direkt um den Hals fiel.

Das tat ihm bestimmt in den Ohren weh. Trotzdem musste Miles grinsen bei der Vorstellung, wie sie da an ihm hing.

Sie hatte Quint wirklich gern. Nicht erst, seit sie herausgefunden hatte, dass er Russisch sprach.

Es war zwar nur Zufall, dass Quint an einem Abend unter der Woche bei ihm vorbeigekommen war, aber so hatte er Miles dabei geholfen, die junge Frau wieder etwas aufzuheitern.

Und als sie sich mit ihm auf ihrer Muttersprache unterhalten konnte, schien es wirklich Wunder zu wirken.

Manchmal, brauchte es halt nicht viel.
 

Als Miles ins Wohnzimmer kam, war Nadja schon wieder fleißig dabei sich mit Quint zu unterhalten und Taylor saß ein wenig ratlos daneben.

Zum einen hatte er keine Ahnung, was die Beiden sich da erzählten und zum anderen kam ihm der Neuankömmling bekannt vor - leider wusste er einfach nicht so genau woher.

Quint hatte sich zwar kurz vorgestellt, aber der Name sagte ihm nichts. Nur dessen Aussehen. Er hatte ihn schon einmal gesehen.

Das wusste er einfach!

Nur wo?

Miles setzte sich auf seinen Lieblingsplatz am Fenster. Er saß eigentlich immer dort, wenn es sich nicht bereits jemand anderes dort gemütlich gemacht hatte. Aber dazu war zu selten jemand hier.

Schon am Vortag waren Nadja und Quint schon ins Russische gerutscht und auch da hatte er einfach nur gelauscht.

Es klang interessant. Die Aussprache... und wie anders Nadja dabei wirkte.

Während er dem befremdlichen Gespräch zuhörte, schaute er zu Taylor. Der mit Nachdenken beschäftigt zu sein schien.

„Was ist los?“, fragte er ihn darum.

Taylor zuckte etwas zusammen. Die Frage hatte ihn glatt erschreckt.

„Ich überlege nur“, erklärte er Miles.

„Worüber?“

„Woher ich deinen Freund kenne.“

„Hm...“, machte der Gastgeber der kleinen Versammlung. „Weiß nicht, wo du ihn schon einmal gesehen haben könntest. Ich hab ihn in der Klinik kennengelernt und später noch in einem Club getroffen – da hat er gesungen...“

„Gesungen“, kam es leise von Taylor. „Aber klar - Fending Rend!“

Jetzt war Miles kurz ratlos, bis ihm einfiel, dass die Band so hieß, mit der Quint gesungen hatte.

Auch Quint und Nadja hatten aufgehört zu reden und widmeten ihre Aufmerksamkeit Taylor.

„Was ist mit denen?“, wollte ersterer wissen.

Nadja war die Gruppe nicht bekannt. Dazu war sie noch nicht lange genug in den Staaten und die Band international einfach zu unbekannt.

„Du hast für Fending Rend gesungen, oder? Gott, ich liebe die Band!“

Die Russin schaute abwechselnd zwischen den zweien hin und her und schien sehr interessiert an einer Antwort zu sein.

„Du singst wirklich für eine Band?“, fragte sie darum ebenfalls.

„Nur als Ersatz. Der eigentliche Sänger war krank und sie wollten ihre Auftritte nicht absagen. Da hab ich ein paar übernommen.“

„Ich hab dich auf dem Konzert letzten Herbst gesehen... Das ... das ich dich hier treffe...“

Taylor schien wirklich ein großer Fan zu sein. Seine Freude über die Information, hatte ihn sogar vom Sofa aufspringen lassen. Am liebsten hätte er ein Foto von dem Kerl gemacht, seinen Freunden davon erzählt und ...

Er ging ein wenig auf und ab und erzählte dabei, wie lange er schon Fan der Gruppe war, wie er und Alexander ihnen sogar auf einer Tour hinterher gereist waren, um auch ja kein Konzert zu verpassen.

Nadja ließ sich mitreißen und lauschte ihrem Freund bei seinen Erzählungen. Sie hatte bis jetzt nicht gewusst, dass in ihm so ein kleiner Fanboy steckte. Da schaute sie dem Schauspiel jetzt interessiert zu.

Miles stand auf und setzte sich neben Quint.

„Jetzt hast du schon drei Fans!“, sagte Miles und grinste dabei fröhlich.

„Du bist kein Fan, du bist ein Groupie!“, erklärte der ihm.

Beide grinsten sich kurz an, bis Quint wieder zu Taylor sah.

„Ich finde ja schön, dass du so ein Fan bist, aber könnten wir uns wieder auf das Wesentliche konzentrieren?“

Da fiel Taylor auch wieder ein, weswegen er eigentlich hier war. Schon gespenstisch, wie schnell er das verdrängt hatte.

„Ja! Nadja... Was machen wir denn jetzt?“

Auf die Frage, sank die junge Frau wieder ein wenig in sich zusammen. Sie wusste es doch nicht. Wenn sie eine Ahnung hätte, würde sie wohl nicht hier sitzen und versuchen mehr über den gutaussehenden Kerl neben ihr herauszufinden.

„Wie ist dieser Alex eigentlich?“, fragte Miles.

Er hatte schon versucht, das von Nadja zu erfahren, doch sie hatte dazu nichts sagen wollen. Also hatte er erst einmal aufgehört sie weiter auszufragen. Wollte sie ja nicht unnütz quälen.

Taylor ließ sich wieder auf das Zweiersofa fallen.

„Er ist eigentlich ein richtig netter Kerl“, fing er an zu erzählen. „Nur seit dem Überfall und seiner Verletzung ist es ... schwer mit ihm. Er hat sich zwar auch Sorgen gemacht, wo Nadja ist und ob es ihr gut geht. Aber mit wollte er nicht. Allerdings geht er auch nicht mehr gerne raus... Wie gesagt, der Überfall. Seit dem ist er nicht mehr wirklich er selber.“

Er seufzte und zog sein Handy heraus. Er würde so oder so noch ein Foto mit Quint bekommen. Aber erst einmal, sollte er sich wirklich Gedanken dazu machen, wie er seinen Freund und Nadja wieder zueinander bringen könnte.

Miles zog die Beine höher und legte die Arme herum, um so auf dem Sofa neben Quint zu sitzen.

„Du hast doch eben gesagt, das ihr beide Fending Rend Fans seit“, erklärte er dabei. „Ginge damit nicht etwas?“

Taylor schüttelte den Kopf.

„Sie haben einige Auftritte in Californien und Nevada. Da geht wohl schlecht was.“

„Naja, ich weiß ja nicht, was Miles sich vorstellt, aber ich kann sie anrufen.“

Die Augen des jungen Mannes auf dem anderen Sofa gingen weiter auf, als er das hörte. Er schien diese Gruppe wirklich sehr zu mögen.

„Kleines Privatkonzert oder einfach nur ein Treffen. Das wäre bestimmt machbar“, erklärte Quint weiter.

„Aber wie soll mir das helfen?“, fragte Nadja.

„Na, ganz einfach. Du hast gestern in der Dusche gesungen und auch vorhin in der Wanne. Zwar habe ich kein Wort davon verstanden, aber es klang gut. Vielleicht könntest du mit auf die Bühne.“

Miles hatte vielleicht eine blühende Fantasie.
 

:.:.:
 

„Ich will nicht!“

„Och komm, das is' was einmaliges! Da kannst du doch nicht zuhause bleiben wollen. Außerdem waren wir schon so lange nicht mehr auf einem Konzert.“

Alex machte es Taylor besonders schwer, in dem er alles tat, damit sie nicht aus der Wohnung kamen.

„Spinnst du jetzt total?“, fragte Taylor. „Das ist etwas besonderes und ich weiß, dass du da auch hin willst. Wieso du jetzt so rumzickst ist mir ein Rätsel.“

Nachdem Taylor von Miles zurück gekommen war, hatte er Alex erzählt, dass er Nadja gefunden und sie erst einmal gut unter gekommen war, sich aber schlecht fühlte, wegen dem, was Alexander zu ihr gesagt hatte.

Er hatte ihm auch gesagt, dass sie sich gerne mit ihm treffen würde. Doch das wollte der Rollstuhlfahrer nicht. Er tat so, als wollte sie wirklich nicht mehr sehen.

Dabei war es offensichtlich, dass er sie vermisste und eigentlich sehr gerne wieder bei sich hätte.

Warum er das nicht offen aussprach und auch daran arbeitete...

Taylor verstand es nicht.

Er hatte auch keine Ahnung, was er ihm noch erzählen sollte.

Darum waren sie doch schließlich zu dem wirren Plan übergegangen, den Miles sich ausgedacht hatte.

Vor allem, nachdem er davon erfuhr, dass Miles ihren Gesang aufgenommen und Quint es den Leuten der Band zugeschickt hatte. Die Antwort war wohl, dass sie reinpassen würde und die Jungs der Band nicht dagegen waren mit ihr aufzutreten.

Als er das erfuhr, war die Band bereits in der Stadt und probte mit der jungen Russin.

Taylor wusste gar nicht, wie er darauf reagieren sollte.

Sie hatte so ein Glück!

Alexander auch. Das sich diese zwei eigentlich doch Fremden so dafür einsetzten, dass sie wieder zusammen kamen.

Warum sie das taten?

Er hatte es noch nicht rausgefunden. Quint war seit dem Abend nicht mehr wirklich anwesend gewesen und Miles grinste immer nur, wenn er gefragt wurde.

Was auch immer das heißen sollte.

Jetzt jedenfalls hatte er es geschafft seinen Freund raus auf die Straße zu bekommen. Fehlte nur noch der Weg bis zum Club. Den sie wohl am besten mit einem Taxi hinter sich brachten.

Das könnte noch ein Spaß werden.
 

:.:.:
 

Der Club war zum Bersten gefüllt.

Es war Wahnsinn, wie viele Fans dieses Sonderkonzert besuchten. Dabei war es nicht einmal beworben worden. Bis vor wenigen Wochen war es nicht einmal geplant.

Taylor war wirklich dankbar, dass Nadja ausgerechnet Miles getroffen hatte, der wiederrum Quint kannte und ... sie jetzt dieses Konzert erleben durften.

Alex und er wurden am Rand bis nach vorne geleitet, wo sie eine bessere Sicht auf die Gruppe haben würden. Miles war auch dort. Er schaute zu Taylor, kaum dass sie neben ihm waren, und nickte.

Alexander bekam davon nichts mit, er starrte auf die Bühne und ab und an hinter sich auf die Leute. Er fühlte sich nicht wohl.

Zu viele Leute. Nach dem, was passiert war, war er da vielleicht ein wenig paranoid, aber er fand es wirklich nicht gut hier.

Schon auf der Straße nicht und schon gar nicht wenn er daran dachte, dass sie im dunkeln nach Hause fahren würden. Das bereitete ihm alles eine riesen Angst.

Nur hatte er davon nie jemandem erzählt.

Keinem...

Weder einem der Ärzte, Taylor, einem seiner anderen Freunden oder Nadja.

Niemand wusste davon.

Was also tat er hier?

„Versuch es wenigstens zu genießen!“, hörte er Taylor sagen, als dieser sich zu ihm gebeugt hatte. Bei der Lautstärke hätte er es ansonsten wohl auch nicht gehört.
 

:.:.:
 

Die ersten Lieder waren alle grandios.

Da vergaß er alles, was ihm Sorgen bereitete. Er musste schon zugeben, das Taylor recht gehabt hatte. Das Konzert gefiel ihm und er hätte es sich bestimmt eine ganze Zeitlang geärgert, wenn er es nicht mitbekommen hätte.

Der Kerl war aber auch nicht umsonst sein bester Freud. Er kannte ihn halt bereits lange genug.

Doch jetzt, ging ein kleiner Umbau auf der Bühne vonstatten. Nichts großartiges. Es wurden lediglich noch zwei weitere Mikros aufgestellt.

Taylor war mindestens so überrascht wie Alex.

Das Nadja nur zugestimmt hatte, vor Publikum zu singen, wenn Quint es auch tat, konnte er ja nicht wissen.

Erst als der Braunhaarige auf die Bühne kam, konnte er es sich denken. Hinter ihm erschien die junge Russin.

Taylor spürte eine Hand an seinem Arm. Alex hatte sie offenbar sofort erkannt.

Dabei sah sie in den Outfit ganz schön ungewohnt aus. Doch es sollte wohl mehr sein, als nur ein Zeichen dafür, dass er seine Freundin da auf der Bühne sah.

Alex zog am Pullover seines Freundes, bis dieser sich zu ihm beugte.

„Was ist das?“, fragte er weniger gut gelaunt.

„Was denn?“, war Taylors unschuldige Antwort.

„Na, das da, verdammt!“

Alexander zeigte auf die junge Frau und zog dann Taylor wieder tiefer zu sich.

„Lass uns gehen!“

„Nein... Ich will das Konzert sehen!“

„Ich aber nicht mehr.“

Die Musik war schon in vollem Gange. Ein neues Lied.

Taylor kannte es jedenfalls noch nicht.

Konnte er auch nicht. Quint hatte es geschrieben – extra für diese Anlass.

Alex zerrte zwar noch etwas an Taylors Ärmel, doch der ignorierte es. Er schaute seiner Freundin zu und war wirklich erstaunt, dass sie so eine angenehme Singstimme hatte. Sie hatte immer gesagt, dass sie es nicht könnte. Das musikalischste an ihr sei das Instrument, das sie spielte.

Aber hier bewies sie das Gegenteil.
 

There is a gap between us

It splits our lives

Cuts our path

~separated destinies~

Yet I can feel your fingertips

Gently stroking

Comforting me

Constructive words

Whenever I need them

Whenever I need you

Against your faults

Against my own

You're there - you're here

With me

How strange it may seem

There is a light in our darkness

Illuminates our path

Burning an eternity

A little flame against all odds

Marking our destiny
 

Als die letzten Töne verklungen waren und das Publikum wieder lauter jubelte, fiel sie Quint um den Hals, der sie leicht an sich drückte und mit sich von der Bühne nahm. Der eigentliche Sänger folgte ihnen, während die anderen Mikros wieder weg geräumt wurden.

Auch Miles setzte sich nun in Bewegung.

„Kommt mit!“, sagte er zu Taylor. In diesen Teil war er wenigstens eingeweiht.

Es war furchtbar gemein, die Behinderung seines Freundes dazu zu nutzen ihn bis zu Nadja zu bringen. Was Alex ihm auch lautstark immer wieder erklärte, doch als sie vor ihr waren, blieb er stumm.

Er wusste nicht, was er sagen sollte.

Da stand sie vor ihm, in diesem heißen Bühnenoutfit, und bedankte sich bei dem Sänger seiner Lieblingsband.

Das war so unwirklich...

Es konnte nicht wahr sein.

Er träumte!

„Nadja...“, kam es leise von ihm.

Der Lärm von vor der Bühne war jedoch selbst hier noch so laut, das es unterging. Lediglich Quint hatte es gehört und flüsterte der Russin etwas ins Ohr um die Aufmerksamkeit auf Alexander zu richten.

Die bekam er dann auch.

Wobei weder er noch Nadja wussten, wie sie auf den anderen zugehen sollten.

Alex bemerkte im Augenwinkel, wie Quint mit Taylor redete und ihm eine Richtung zeigte. Was das heißen sollte, erfuhr er erst, als Taylor ihn in einen etwas ruhigeren Nebenraum brachte. Nadja folgte ihnen in die Garderobe der Band.

Ein Himmelreich, wenn man bedachte, dass die beiden Männer Fans waren.

Doch obwohl Taylor nur wenige Millimeter davon entfernt war mal zu schauen, was die Band hier so alles hatte, unterließ er es und wechselte noch einmal Blicke mit Nadja und Alex.

Er nickte beiden lächelnd zu und ging dann wieder hinaus.

Sollten sie ihre Aussprache unter vier Augen haben. Auch wenn es vielleicht länger dauern würde.

Nadja setzte sich auf eine Holzbank an der Wand und schaute auf ihre Schuhe. Die letzten Tage hatte sie sich so viele Worte zurecht gelegt, die sie ihm sagen wollte und jetzt?

Jetzt wusste sie nichts dergleichen mehr.

Und Alexander schwieg auch eisern.

Es war so unangenehm, dass es beinahe einer Erlösung gleichkam, als sie seine Stimme hörte.

„Hab dich vermisst“, sagte er leise.

Den Ton in seiner Stimme konnte sie nicht einordnen. Es klang ein wenig niedergeschlagen, aber auch ... unwillig.

„Ich bin nicht freiwillig gegangen“, informierte sie ihn unnötigerweise. Vermutlich klang es schnippischer als es sollte. Nur hatte er sie verletzt und das war nicht so einfach zu vergessen.

„Ja... ich weiß. Es tut mir leid, Nadja. Ich war ein Idiot!“

War das wirklich ehrlich?

Sie konnte es nicht sagen. Zwar wollte sie es glauben und als sie aufschaute, sah er aufrichtig aus, trotzdem...

„Es tat weh...“

Er nickte und kam näher, um ihre Hand zu nehmen, doch sie ließ es nicht zu.

„Nicht jetzt“, sagte sie leise. „Noch nicht...“

Kurz schloss die Russin ihre Augen und wischte sich über die heißen Wangen.

Sie war so aufgeregt.
 

Er wollte sie anfassen.

Einfach weil er das Gefühl hatte so besser ausdrücken zu können, das es ihm wirklich leid tat. Alex seufzte. Sich mit Worten auszudrücken fiel ihm schwer, wenn es nicht gerade um lautstarkes Gemecker ging.

Vor allem, wenn er sich entschuldigen musste ... wollte.

„Warum warst du so wütend?“, wollte sie plötzlich wissen.

„Das weiß ich nicht mehr. Irgendetwas Blödes und ... dein Telefonat.“

Nadja legte den Kopf schief und schaute ihn fragend an.

„Du hast russisch geredet. Das ... da hab ich irgendwie ... rot gesehen.“

Daraufhin schloss sie wieder die Augen und schüttelte schwach den Kopf.

„Kannst du damit leben?“, fragte sie weiter und sah ihn noch nicht wieder an. „Damit, dass ich aus Russland komme?“

Wieder nahm er ihre Hand. Dieses Mal duldete Nadja es und drückte noch etwas fester, als sie nun doch wieder die Augen aufmachte.

„Ist das ein ja?“, fragte die Russin leise. Mit einem Nicken bestätigte er ihre Frage.

„Kommst du ... dann wieder zu mir?“, fragte er jetzt seinerseits.

Den Ansatz der Kopfbewegung mochte er nicht, doch sie seufzte nur.

„Ich würde gerne. Aber ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Was, wenn du mich in ein paar Tagen wieder los werden willst?“

Das musste ja geklärt werden. Nicht das sie dann wieder Opfer seiner Launen war und kurz darauf auf der Straße saß.

Das wollte sie nicht noch einmal durchmachen.

Auch wenn Miles ihr bereits gesagt hatte, dass sie jederzeit bei ihm auftauchen konnte. Egal, wann, egal weswegen.

Und die Aussicht darauf, Quint dort wieder zu sehen, gefiel ihr auch.

Nur ging es jetzt nicht darum.

Jetzt gab es etwas wichtigeres zu klären. Etwas in ihrem Inneren.

Sie schaute Alexander an und wusste einfach, dass sie bei ihm sein wollte. Darum hatte sie beim ersten Mal seinen Vorschlag angenommen und aus dem Grund würde sie auch jetzt wieder ja sagen.

Nur war auch klar, dass es nicht so weiter gehen konnte.

Sie wurde rausgeworfen, wegen ihrer Nationalität. Das durfte nicht sein!

Nicht, wenn er wirklich...

„Alex“, sagte sie leise. „Ich würde liebend gerne zu dir zurück kommen. Aber du musst mir etwas versprechen.“

„Alles!“, hauchte er.

Taylor hatte also recht gehabt.

Egal wie sehr Alex sich dagegen gesträubt hatte sie zu sehen, Sorgen hatte er sich gemacht.

Sie vielleicht sogar vermisst.

„Bevor du so aus der Haut fährst, denk nach. Es tut jedes Mal weh, wenn du mich ankeifst wegen ... was auch immer der Auslöser ist.“

Der Angesprochene nickte.

„Ich werde es versuchen.“ Mehr war nur schwer zu versprechen.

Wenn er erst einmal soweit war, dachte er nun einmal nicht mehr groß weiter nach.

Im Gegenteil, schaltete sein Hirn meistens komplett aus.

Aber die Antwort genügte ihr.

Nadja lächelte Alexander an, auch wenn sie noch immer ein wenig verletzt aussah.

„Und jetzt verrate mir den wahren Grund für deinen Wutausbruch!“, verlangte sie.

„Was?“

Sie hielt noch immer seine Hand und drückte sie nun noch einmal.

„Der Grund, der eigentliche Grund! Warum bist du wirklich so böse gewesen?“

Alexander fühlte sich ertappt und schüttelte den Kopf.

Es gab Dinge, über die redete er nicht gerne und das gehörte dazu.

„Bitte“, hauchte sie leise, als er nicht mit der Sprache rausrückte.

Er blieb noch etwas still und schüttelte den Kopf, während er auf seinen Schoß schaute. Doch schließlich seufzte er. Alex schaute wieder auf, um in die Augen seiner Freundin zu sehen.

„Mein Arzt hat angerufen“, fing er an zu erklären. „Er sagte, das die Chance besteht, dass mir eine spezielle Operation helfen könnte.“

Wieder schwieg er.

Die Russin tat es ihm gleich. Das konnte nicht der Grund sein, dass er wütend gewesen war. Es war eine positive Nachricht.

„Aber meine Versicherung deckt es nicht ab. Sie wollen diese Operation nicht zahlen.“

Es brach ihr das Herz zu sehen, dass er Tränen in den Augen hatte.

Sie kannte ihn nur so wie jetzt. Im Rollstuhl, nach dem Überfall. Anders konnte sie ihn sich auch gar nicht vorstellen.

„Wie viel würde es kosten?“

„25.000 Dollar alleine die Operation selber. Dann kämen aber noch tausend andere Sachen zu. Den Betrag bekomme ich nie zusammen...“

Da klang pure Verzweiflung mit und endgültig rannen nun seine Tränen.

Sie hatte ihn zum Weinen gebracht. Das hatte sie nicht gewollt!

Nadja löste ihre Hand von seiner, stand auf und setzte sich auf seinen Schoß. So konnte sie ihn am besten in den Arm nehmen und auch er schlang sofort die Arme um seine Freundin.

Er drückte sie an sich und weinte.

Keiner der Beiden sprach noch etwas. Sie hielt ihn einfach nur feste und hoffte, nicht auch noch anzufangen. Das wollte sie nicht.

Sie wollte ihm helfen. Ihm Hoffnung schenken.

Irgendwie musste sie an das Geld kommen.

Nur wie?
 

:.:.:
 

Die Zeit verging wesentlich schneller, als Miles gedacht hätte.

Für ihn war es, als wären die Zwei eben erst in dem Raum verschwunden, als das Geheimkonzert auch schon zu Ende war.

Die Band brauchte ihre Garderobe.

Quint klopfte also, während das Publikum eine Zugabe verlangte. Die bekamen sie auch. Zeit, die der Ersatzsänger gut gebrauchen konnte.

Er ging zu den Beiden, die noch immer in einer festen Umarmung verschlungen waren.

„Nadja...“, sagte er leise. Darauf folgten einige Worte auf Russisch. So leise wie es ging, damit es eben noch für sie zu hören war.

Sie schaute auf und wusste nicht was sie sagen sollte.

„Das würdest du tun?“

Quint nickte.

„Aber... woher weißt du?“

Er lächelte sie lediglich an und zuckte mit den Schultern.

„Du hast gerne Geheimnisse, oder?“, fragte sie absichtlich auf der Sprache, die auch Alex fließend sprach.

„Wer bist du?“, wollte der jetzt auch direkt wissen.

„Ich bin einfach nur ein Freund. Nichts weiter. Aber ihr müsst jetzt hier raus. Die Band braucht ihren Raum.“

„Und ich will nach Hause, du auch?“, fragte Alexander die junge Frau auf seinem Schoß.

„Liebend gerne...“

Schneeflocken

Wortvorgaben:

Stein, Waffel, trinken, flach, verwegen, Tacker, müde, Spiellust, Ablenkung, Bilder

Fernseher, Hoffnung, glücklich, Bandsalat, Kerzenschein, Streicheleinheiten, Sehnsucht, schlafen
 

Heute fiel es ihm schwer.

Die Leichtigkeit, die er sonst immer verspürte, wenn er seinem Hobby nachging, wollte sich einfach nicht einstellen. Stattdessen fühlte er sich schrecklich schwermütig.

So konnten seine Backwaren doch nichts werden!

Miles seufzte und entschied sich dazu eine Pause zu machen, wenn er den Plätzchenteig soweit fertig hatte. Ein wenig ruhen musste der ja eh.
 

***
 

Langsam rührte er den heißen Kakao und versuchte dabei kleine Muster mit den darin schwimmenden Marshmallows zu bilden, statt ihn zu trinken. Irgendwann wanderte sein Blick jedoch hinaus in den Garten, wo er ein großes, dunkles Eichhörnchen beobachtete. Es schien nach seinen versteckten Vorräten zu suchen. Nach einigen Minuten, in denen sich Miles nicht einmal bewegt hatte, blieb es direkt vor seinem Fenster hocken. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte der junge Amerikaner in dem Moment geglaubt, es würde ihn nun ebenfalls beobachten. Dabei, so nahm er an, sah es nur seine eigene Spiegelung.

Als die Nachbarskatze plötzlich in sein Blickfeld hüpfte, war das Eichhörnchen nicht das einzige Lebewesen, das sich erschreckte.

Miles hätte beinahe den Kakao verschüttet. Mit einem leisen Seufzen bemerkte er, dass das ehemals heiße Getränk nur noch lauwarm war.

Wie lange hatte er jetzt hier gesessen?

Aber nun genug der Ablenkung.

Nach einem erneuten Blick hinaus, bei dem er keines der Tiere mehr sehen konnte, trank er einen großen Schluck aus seiner Tasse und stand auf, um seine Geschenke weiter zu backen.

Apfel-Zimt Cupcakes, verschiedene Plätzchen, einen weihnachtlichen Schokokuchen...

Er wusste bei jedem, mit was für einer Nascherei er eine Freude machen konnte.

Fast jedem...

Was sollte er Quint schenken?

Im letzten Jahr hatte er nie damit gerechnet, dieses Problem jemals zu haben.
 

***
 

Miles hatte keinen Einfall. Auch nach der dritten Tasse Kakao nicht, weswegen er sich sein Telefon schnappte und seine Freundin anrief.

Chloe war auch sofort bereit zu ihm zu kommen, um ihm bei allem zu helfen, was er auf dem Herzen hatte. Dabei war es doch gar nichts so schlimmes. Er hatte halt nur keine Idee.

Dafür fühlte er sich müde, als er ihr die Tür öffnete und direkt einen großen Teller in die Hand gedrückt bekam.

„Was ist das?“, wollte er wissen.

„Meine Lösung für dein Problem“, bekam er erklärt. „Das ist Salzteig. Wir können Quint daraus ein paar Plätzchen machen und auf einem Teller dekorieren. Dann kann er das direkt mehrere Jahre zu Weihnachten benutzen, um es ein wenig festlicher aussehen zu lassen. Eigentlich hatte ich vorschlagen wollen, wir nehmen Lebkuchen, aber der Salzteig hält sich einfach besser.“

Miles schaute auf die volle Schüssel und schmunzelte. Sie machte sich immer soviel Mühe, wenn es um ihn ging.

„Wie hast du das so schnell fertig gemacht?“

Sie lachte, klopfte den Schnee von sich und folgte ihm hinein, wo sie sich ihre dicke Winterjacke, die Mütze und die Stiefel auszog.

„Die Idee hatte ich bereits heute Morgen, als ich darüber nachgedacht habe, was ich für meine Oma mache. Sie bekommt eine selbstgemachte Krippe und da hatte ich noch was von dem Teig übrig, also dachte ich...“

Als sie die Küche betrat, brach sie ab und schaute sich um.

„Wow, bist du schon weit!“

Miles hatte bereits seine Kakaotasse wieder in der Hand und schaute sie nun mit großen Augen an.

„Weit? Der Kuchen müsste schon im Ofen sein, während ich die schon gebackenen Plätzchen fertig mache. Aber irgendwie...“

Chloe kam näher und war vor allem immer wieder erstaunt, wie Miles es schaffte so viele Dinge gleichzeitig zu backen. Wie gut er das geplant haben musste...

Dafür, das er sonst so oft Konzentrationsprobleme hatte.

„Pass auf: Du machst den Kuchen fertig, ich die Cupcakes und wenn ich das hab, dann mache ich uns etwas leckeres, gut?“

Damit war er einverstanden, auch wenn er sich noch immer nicht so weihnachtlich oder wenigstens glücklich fühlte, wie er es gerne wollte.
 

***
 

Seine gesamte Wohnung roch nach Plätzchen, Kuchen, jeder Menge Schokolade und Waffeln, was keiner der Beiden wirklich bemerkte. Sie waren zusehr damit beschäftigt alles fertig zu bekommen und machten nur dann eine kurze Pause, wenn gerade alles backen, abkühlen oder trocknen musste.

Chloe biss in eine Waffel, die sie gemacht hatte. Mit Zimt und ganz viel Sahne oben drauf. Miles saß ihr gegenüber, aß ebenfalls und sah schon wesentlich besser aus. Er strahlte wieder so, wie sie es gewohnt war.

Das war ihr Miles.

„Kommt Quint eigentlich hier vorbei, oder fährst du zu ihm?“

Miles zuckte daraufhin mit den Schultern. Das konnte er selber noch nicht wirklich beantworten. Er hatte bereits einige Male versucht den Vampir anzurufe, aber der machte sich ja gerne rar.

„Ich hoffe, das er vorbeikommen wird. Aber da ich erst bei meinen Eltern und dann bei euch sein werde, weiß ich nicht einmal, ob ich ihn überhaupt sehen werde.“

„Der hat ganz schön viel zu arbeiten, oder? Ich meine – selbst an Weihnachten, das ist fast schon Sklaverei.“

„Er macht es ja freiwillig. Darum kommt man, was das angeht, auch nicht wirklich an ihn heran.“

Chloe nickte und trank einen Schluck Kaffee. „Da kann man wohl nichts machen, was?“

„Nein...“

Aber vielleicht würde Quint irgendwann mal verstehen, das Miles Leben nicht so endlos war, wie sein eigenes. Hoffentlich nicht erst, wenn es zuspät war.

Aber die Hoffnung gönnte Miles sich nicht wirklich. Es wäre zu enttäuschend, wenn es niemals eintreffen sollte.
 

***
 

Er ließ es klingeln, bis die Mailbox sich meldete, erst dann legte er auf und wählte erneut.

Miles stand vor Quints Tür und kam nicht rein.

Offenbar war er nicht da und hatte darum den Eingang besonders gesichert.

Es war kalt, es schneite und Miles fror schrecklich, dennoch wartete er vor der Tür und versuchte ein weiteres Mal seinen Freund zu erreichen.

Warum ging der denn nicht dran?

Wo steckte er denn?

„Hey Miles, was machst du denn hier draußen?“

Erschrocken über die plötzlichen Worte, drehte er sich herum und bekam ein warmes, breites Grinsen von Gen entgegengestrahlt. Sie war nicht halbwegs so dick angezogen wie er, hatte aber auch keine Probleme mit der Temperatur.

„Ich wollte... ehm... Quint sein Weihnachtsgeschenk bringen.“

Noch immer hielt er sein Mobiltelefon hoch, doch inzwischen war es nicht mehr auf ohrhöhe. Er bekam auch nicht zu hören, wie die Mailbox wieder ansprang. Erst als Gen es ihm abnahm, zusammenklappte und ihm wieder hinhielt, bemerkte Miles, wie abgelenkt er gewesen war. Darum nahm er es und steckte es ein, um danach direkt seine Handschuhe wieder anzuziehen. Seine Finger waren Eis.

„Und was machst du hier?“, wollte er wissen.

„Ich hab dich bemerkt. War Zufall, aber ich dachte mir, ich sage dir Bescheid, das Quint nicht da ist. Er wird auch vermutlich nicht so schnell wieder hierhin zurückkommen. Aber ... ich kann dich zu ihm bringen.“

Konnte sie das?

Er vertraute Gen, aber er war sich sicher, das Quint irgendetwas gesagt hätte, wenn er nicht mehr hierhin zurück käme.

„Wo ist er denn?“

„In seiner Hütte. Er meinte, er wollte alleine sein.“

Das kannte man von ihm ja.

„Und wie willst du mich dorthin bringen?“

Gens Lächeln wurde zu einem grinsen und Miles war sich nicht so sicher, ob das gut oder schlecht war.

„Ich denke er hat dir das bereits gezeigt, oder nicht? Da war so etwas... auf dem Dach, ganz am Anfang.“

Angestrengt nachdenkend schüttelte Miles den Kopf, bis ihm klar wurde, was sie meinte.

„Ah das... nein! Auf keinen Fall. Da wird mir schlecht... ich bekomme Kopfschmerzen – das ist ganz übel!“

„Oh bitte. Du willst zu ihm, oder? Dann musst du damit leben. Anders werde ich dich da heute nämlich nicht mehr hinbringen können.“

Der Braunhaarige dachte nach und seufzte schließlich. Es sah ganz so aus, als müsste es tatsächlich sein.
 

***
 

Miles konnte sich kaum auf den Beinen halten, als sie ankamen. Gen hielt ihn jedoch rechtzeitig fest, bevor er sein Gleichgewicht verlieren konnte und wie ein Stein auf den Boden fiel. Als er zu ihr blickte, konnte er in ihren Augen erkennen, dass sie wohl sehr gerne gesehen hätte, wie er da flach im Schnee landete. Das war wohl ihr innerer Schalk, ihre Spiellust oder wie auch immer man es nennen sollte. Dennoch hatte sie ihn festgehalten, also würde er sich nicht beschweren.

„Da sind wir“, erklärte sie ihm, obwohl es nicht nötig war.

„Da... Danke...“, bekam er gerade so raus und hoffte, das Quint im Haus war, damit er direkt reingehen konnte, um sich zu setzen – oder zu legen. Auf diese Weise zu reisen war wirklich nichts für ihn.
 

***
 

Gen war direkt wieder verschwunden, ohne sich zu verabschieden. Vermutlich, weil sie wusste, das Quint alleine sein wollte und vielleicht wäre er wirklich irgendwann Mal wütend, wenn er dabei gestört wurde. Bislang hatte Miles diese Reaktion nie gesehen. Sie vermutlich schon. Immerhin kannten sie sich um einiges länger.

Im inneren der Hütte war es ruhig. Miles schaute sich um und bekam ein wenig Angst. Er war hier alleine, mitten im Wald, im dunkeln und das es hier Wölfe gab, wusste er noch von seinem letzten Besuch.

„Quint?“, fragte er darum nur ein wenig lauter, wie er es ansonsten auch tun würde.

Außer seinen eigenen Fußspuren gab es noch andere. Es musste also jemand da sein, wenn es nicht erst vor kurzem angefangen hatte zu schneien. Aber in Boston war es auch bereits den ganzen Tag zugange, also war es hier vermutlich nicht anders.

Miles klopfte.

Das war beinahe so schrecklich, wie das ganze Anrufen, nur das er sich jetzt so fürchterlich alleine fühlte.

Ausgeliefert...

Was denn, wenn Quint nicht mehr hier war und er ihn verpasst hatte?

Miles streifte seinen Rucksack ab und stellte in den Schnee vor der Tür, um sich danach die Handschuhe auszuziehen und nach seinen Mobiltelefon zu schauen. Er hatte keine Anrufe, was auch nicht verwunderlich war. Quint rief nie zurück.

Er suchte die Nummer, wie er wählen wollte und rief diese an. Es dauerte ein wenig, aber dann hörte er ein leises Klingeln. Es kam aus der Hütte!

Erneut klopfte Miles, aber niemand öffnete, also versuchte er die Tür so zu öffnen, was ihm auch gelang. So kam er wenigstens ins Warme und konnte sich von der Reise erholen. Doch erst einmal empfing ihn die Schwärze, die auch beim ersten betreten geherrscht hatte. Zum Glück wusste er, wo der Lichtschalter war. Doch leider war der Generator nicht an, also reagierte die Lampe auch nicht. Aber gut, er kannte auch die Schublade mit dem Feuerzeug und vielleicht könnte er den Kamin wieder entfachen, von dem kam ja die Wärme, also musste da noch irgendwo Glut sein.
 

***
 

Wieviel Zeit vergangen war, konnte Miles gar nicht sagen.

Er saß alleine in der Hütte, der Kamin und einige Kerzen brannten und der junge Amerikaner hatte seine Jacke über einen Stuhl und näher an das Feuer gestellt. Seine Schuhe, die Handschuhe und Mütze lagen auch dort. Er war sich noch nicht ganz so klar, was er tun sollte, wenn Quint nicht kommen würde. Auf dem Weg, wie er hierhin gekommen war, wollte er nicht zurück, bei allen anderen würden aber Fragen aufkommen.

Wie war er nur so schnell hierhin gekommen?

Miles zog die Decke, unter die er sich verkrochen hatte, höher und schaute auf die Kerze, als er Schritte draußen hörte.

Hoffentlich war es wirklich Quint.

Daran, dass jemand anderes hier sein könnte, hatte er noch gar nicht gedacht, aber jetzt hatte er diese Idee und sie gefiel ihm so gar nicht. Sie erzeugte unangenehme Fantasien und Bilder in seinem Kopf. Da verkroch er sich auch direkt noch tiefer unter dem flauschigen Gewebe.

Als die Tür geöffnet wurde, war ihm danach, die Augen zu schließen, aber stattdessen starrte er zum Eingang, um zu sehen wer da kam.

Im Kerzenschein sah er Braunhaarige, der nun hereinkam direkt verwegen aus. So nass, mit all dem Schnee und sogar ein wenig schmutzig mit Matsch im Gesicht und an den Sachen.

„Miles...“, bemerkte er ein wenig überrascht. Dabei war er nur da, weil er gemeint hatte genau diesen jungen Mann hier zu spüren.

„Hi Quint“, begrüßte ihn der Angesprochene ein wenig schüchtern. Er war sich nicht sicher, wie seine Anwesenheit angenommen werden würde.

„Was machst du denn hier?“

Zuerst meinte Miles das es nicht sehr erfreut klang, nachdem sich Quint aber den Pulli über den Kopf gezogen und mit diesem über sein Gesicht gewischt hatte, sah er das Lächeln.

Er freute sich!

Das fühlte sich gut an.

„Ich hatte Sehnsucht...“

„Sag das nicht.“

„Wieso nicht? Schau auf dein Handy. Ich wollte zu dir und Gen hat mich daraufhin hierhin gebracht. Mir ist jetzt noch schlecht...“

Quint ging wirklich um nachzusehen, was mit seinem Telefon war. Das er es überhaupt dabei und an hatte, war verwunderlich genug.

„Wow...“, kommentierte er das, was er sah.

„Ich stand vor deiner Tür. Im Schnee... frierend...“, erklärte Miles.

„Und warum warst du da?“, fragte Quint, während er sich auch die schmutzige Hose auszog.

„Dein Geschenk natürlich! Es ist Weihnachten, wenigstens heute noch.“

„Oh... Ist es wirklich schon wieder soweit? Manchmal bekomme ich aber auch gar nichts mit.“

Das hatte Miles auch schon bemerkt. Darum dachte er ja auch so oft an Quint, wenn irgendwelche Feiertage anstanden. Wobei... eigentlich dachte er dauernd an ihn.

„Aber da es schon weit nach Mitternacht ist, solltest du erst einmal schlafen, findest du nicht?“

Miles zuckte mit den Schultern. Er war müde, aber ob er so einfach schlafen könnte?

Mit dem Anblick und komischen Gefühl im Bauch...

„Können wir nicht noch ein wenig Musik hören?“, fragte er darum.

„Das könnten wir, aber der alte Rekorder, den ich hier hab, hat aus der letzten Kassette ein Bandsalat gemacht. Seitdem geht er nicht mehr und ein Instrument hab ich im Moment nicht hier.“

Miles schwieg und Quint konnte seine Gedanken verfolgen.

Wie er daran dachte, das sie genausogut bei Quint zuhause sein könnten, wo er an seinem Piano spielt. Das Miles das so liebte...

„Du könntest auch bei deinen Freunden sein und mit ihnen vor dem Fernseher sitzen, um Singstar zu spielen.“

Das ging. Er durfte halt nur nicht lange zum TV schauen. Aber ansonsten hatte es bis jetzt immer geklappt.

„Ne, da verliere ich eh dauernd.“

Quint setzte sich neben Miles, nachdem er sich ein wenig die Haare abgetrocknet hatte und schaute in das Feuer des Kamins.

„Alles eine Sache der Übung. Wenn du es öfter machst, wirst du auch besser.“

Aber das Miles das nicht gerne mitspielte wusste er ja auch. Die Gefahr von Kopfschmerzen war zu groß.

Der Jüngere lehnte sich an und schloss die Augen, während er nickte. Er könnte bestimmt besser werden, aber wollte er das auch?

„Du hast mich übrigens voll verarscht“, flüsterte Miles leise. „Ich hab stunden gebraucht, um die Kerzen anzumachen, weil dein neues Feuerzeug sich anfühlt wie ein Tacker!“

Das Grinsen auf dem Gesicht des Älteren konnte Miles zum Glück nicht sehen, aber es war da, schon allein, weil der sich das bildlich vorstellte.

„Tut mir leid. Für dich werde ich ein ganz einfaches holen. Oder auch hier eine Taschenlampe neben die Tür stellen.“

Das war auch eine Idee...

Wieder nickte Miles und spürte noch die kühle Hand, die ihm durch die Haare strich, bis er immer weiter wegdöste. Das hatte es zwischen ihnen so auch noch nicht oft gegeben.

Aber die Streicheneinheiten fühlten sich gut an, auch wenn Quint kalte Finger hatte.

Schade nur, dass er dadurch tatsächlich so schnell einschlief.

Zu Gast

Draußen schneite es, die Lichter der festlich geschmückten Häuser waren eingeschaltet und ließen die Flocken so manches mal glitzern, bevor diese bei ihren Geschwistern landete und die Schneedecke anwachsen ließ. Dabei schneite es bereits seit Tagen und nach dem letzten Sturm gab es kaum noch ein durchkommen. Dennoch war Quint unterwegs. Er wanderte durch die Stadt und genoss die Ruhe, die sie bot. Es waren nicht viele Leute unterwegs. Sie saßen alle zuhause bei ihren Familien und genossen ihr Festmahl. Der Untote wusste, was für ein Tag heute war. Normal vergaß er das Datum gerne, doch mit Miles in seiner Nähe, war es kaum möglich an dergleichen nicht zu denken.

Miles hatte ihn eingeladen.

Dennoch lief er hier herum, statt bei dessen Eltern einzukehren, wo der Mensch heute Abend war. Wirklich dorthin wollte er auch gar nicht. Es gab zu wenige Ausreden, nichts zu Essen und gerade Miles Mutter war fürchterlich fürsorglich und hätte noch ein zweites Abendessen gekocht, wenn es Quint dann nur essen könnte.

Könnte er nicht.

Wollte er auch gar nicht. Nur verstand sie das nicht und Quint musste zugeben, das es doch sehr oft verführerisch roch und er sich doch wunderte, ob die entsprechende Köstlichkeit so gut schmeckte, wie sie roch und aussah. Herausfinden würde er es nicht so schnell.

Vermutlich nie.

Sein Telefon klingelte und er ahnte bereits, wer der Anrufer war. Es gab eigentlich nur einen der ihn regelmäßig und oft versuchte zu erreichen. Dran gehen würde er dennoch nicht. Er konnte die Worte auch so schon hören.

„Kommst du doch noch?“

„Es wäre schön dich hier zu haben.“

„Aber du sollst nicht alleine sein müssen.“

„Du hast doch mich...“

Miles konnte da genauso hartnäckig sein, wie seine Mutter mit dem Essen. In gewisser Weise tat es ihm gut. Da gab es jemandem, dem er mit seiner einfachen Anwesenheit gut tat. Mehr, als er jemals für möglich gehalten hatte und doch fiel es ihm schwer einfach zu ihm zu gehen.

Das Klingeln stoppte und Quint zog das Telefon aus der Tasche, um zu sehen, ob er recht gehabt hatte. Auf dem Display stand noch der Name des verpassten Anrufers.

Miles

Noch bevor er es wegstecken konnte, kam eine Nachricht.

'Gen ist hier. Wir warten auf dich. Sie sagt, wenn du nicht auftauchst, geht sie dich suchen.'

Ein Schmunzeln konnte er nicht unterdrücken.
 

Miles stocherte in den Kartoffeln rum, die er vorher bereits zerkleinert hatte. Um ihn herum herrschten fröhliche Gespräche zwischen seinen Eltern und ihren Gästen. Dazu gehörten Miles Freund und auch Gen, Nadja und Tyler. Seine Eltern waren froh, das ihr Junge so viele Freunde hatte und sie alle auf ihn zu achten schienen. Denn auch wenn sie ihm seine Freiheit ließen, machten sie sich doch immer Sorgen um ihn.

Ging es ihm gut?

Nahm er seine Tabletten?

Gab es neue oder heftige Nebenwirkungen?

Es gab so viele Dinge über die sie keine Kontrolle hatten und da tat es gut, sich darauf verlassen zu können, das sie nicht die Einzigen waren, die ihn in guter Verfassung sehen wollten. Aber genau das schien am heutigen Abend nicht der Fall zu sein. Oder zumindest nicht mehr. Zu Anfang war er genauso fröhlich gewesen, wie die letzten Tage bereits. Die Geschenke für seine Freunde hatte er alle bereits am Vortag zu seinen Eltern gebracht und hatte zusammen mit seiner Mutter das heutige Essen vorbereitet. Alles war okay gewesen, bis sie vor gut einer Stunde die Geschenke ausgepackt hatten. Jetzt lagen noch drei geschlossen unter dem Baum und alle trugen den gleichen Namen.

Quint

Er war nicht da. Ging nicht ans Telefon und war offenbar mal wieder überall und nirgends, wobei er gesagt hatte, das er kommen würde. Er hatte es versprochen! Das hatte Miles Laune inzwischen auf einen unglaublich niedrigen Tiefpunkt gesenkt, was nicht einmal Gen hatte ändern können. Dabei hatte sie wirklich alles versucht. Auch Nadja wartete auf Quint. Seit ihrem letzten Treffen war es so lange her, das sie schon glaubte, er wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben, auch wenn Miles ihr bereits erzählt hatte, das es vorkam, das sich Quint einfach eine Weile nicht meldete.

Eine sehr lange Weile manchmal.

Viel zu lange.

Dennoch war Nadja noch immer besser gelaunt, als Miles, was sicher daran lag, das sie so viel positives von Alex zu erzählen und sie mit Gen eine geduldige Zuhörerin gefunden hatte.
 

Als es klingelte spannte Miles sich kurz an, als würde er aufspringen wollen, um die Tür zu öffnen, doch dann blieb er einfach sitzen und stocherte weiter in seinem Essen herum. Das Aufstehen übernahm dafür Gen, die breit lächelnd wieder herein kam, um zu verkünden, das der verlorene Sohn aufgetaucht sei.

Miles schaute auf und hoffte auf Quint, doch statt diesem tauchte der Werwolf hinter Gen auf. Eryk war eine ganz schöne Strecke gefahren, um am heutigen Tag hier zu sein und Miles zu überraschen, doch sehr viel Freude konnte er nicht auf das Gesicht des Menschen zaubern.

Eryk begrüßte alle anwesenden, auch Miles Eltern, mit einer festen Umarmung und blieb dann doch wieder in der Tür stehen, um sich Miles genauer zu betrachten.

„Was ist denn mit dir los?“, wollte er wissen und beugte sich zu dem jungen Mann herunter, der sich direkt wieder gesetzt hatte.

„Wenn du so ein Gesicht ziehst, kann ich dir dein Geschenk aber gar nicht geben!“

Miles seufzte leise und verzog seine Mundwinkel zu einem Lächeln, was eher schlecht gespielt war.

„Na... ich lass das einfach mal gelten. Vielleicht kann dich mein Geschenk ja ein wenig aufheitern.“ Eryk ging einen Schritt zurück in den Gang und schob eine Person in das Zimmer, die Miles Laune tatsächlich besser werden ließ. Doch als erstes begrüßte Nadja 'ihren' Quint. Sie redeten kurz, was keiner der Anwesenden verstand, und erst nachdem sich Nadja wieder gesetzt hatte, begrüßte der Vampir nun auch Miles. Der war sichtlich fröhlicher, auch wenn er Quint zeigen wollte, wie erleichtert er war. Es konnte ja nicht sein, das er immer wieder so froh war den Untoten zu sehen, das der es als Erlaubnis sah, beim nächsten Mal wieder so spät zu sein, wenn er denn überhaupt kam. Doch lange konnte Miles es nicht aufrecht erhalten und schon recht bald wieder ganz der Alte und es wurde doch noch ein stimmungsvoller Abend. Seinen Eltern fiel ein Stein vom Herzen und Chloe musste sich langsam eingestehen, das sie den Blick nicht mehr von Eryk weg bekam. Mit jedem Treffen ein bisschen weniger – das war schrecklich und gleichzeitig so toll, das sie hoffte ihn noch viel öfter zu sehen.

Silvestertelefonate

10:13

„Hey Kleiner, was geplant für heute?“

„Hey! Du rufst auch jedes Jahr früher an, oder?“

„Hab ich dich geweckt? Ist es nicht um die zehn Uhr bei euch? Ich dachte echt es sind sechs Stunden Zeitunterschied.“

„Müssten es sein, ja. Es ist ... gleich viertel nach Zehn. Aber ist es nicht so, das man erst nach Mitternacht ein gutes neues Jahr wünscht?“

„Naja, zum einen hab ich bereits in etwa acht Stunden Mitternacht und zum anderen sind dann meistens die Leitungen überlastet. Also... mache ich das lieber so. Gehst du auf eine Party?“

„Vermutlich nicht. Ich wollte den Abend mit meinen Freunden verbringen. Wie ist es bei dir? Gehst du weg?“

„Ich werde ein wenig in den Club von meinem Freund gehen.“

„Dein Freund? Und was ist mit Onkel Rick und Matt?“

„Ach ja... Das weißt du ja noch gar nicht. Ich wohne nicht mehr bei ihnen. Nicht einmal mehr in England. Im Moment wohne ich in Tschechien, bei meinem Freund.“

„Womit wir wieder bei deinem Freund wären – Seit wann seid ihr zusammen? Warum weiß ich davon nichts?“

„Ein paar Monate schon. Oh... die Tür. Ich muss los. Ich ruf dich Morgen noch einmal an, okay?“

„Ethan... Oi, doch nicht jetzt!“
 

***
 

18:47

„Party, Party, Party!“

„Warum freust du dich so?“

„Na, das wird ein super Abend mit meinen Freunden: Tanzen, trinken und jede Menge leckeres Essen. Warum sollte ich mich nicht freuen?“

„Freunde ... tz.“

„Das sagst du nur, weil du keine mehr hast. Du hast sie ja alle vergrault – kleiner Grumpel.“

„Tz...“

„Genau das meine ich.“

„Hey, was machst du da?“

„Ich nehm dich jetzt mit. Vielleicht bist du dann endlich mal nicht mehr so mies gelaunt.“

„Und wenn ich allen den Abend versaue?“

„Dann kannst du sehen, wie du wieder nach Hause kommst.“

„Aber dieser eine Musiker ist nicht da, oder?“

„Quint? Wieso fragst du?“

„Ich mag nicht, wie er dich ansieht...“
 

***
 

19:34

„Schön, das ich dich mal erreiche.“

„...“

„Kommst du heute Abend?“

„...“

„Antwortest du mir auch mal?“

„Eh, was? Oh 'schuldige. Ich hab noch Gen zugehört.“

„Du bist bei ihr?“

„Nein, wir sind ... wo waren wir noch gleich?“

„Du bist doch ein Idiot! Wegen dir sind wir doch überhaupt erst hier und jetzt willst du mir weißmachen, das du keine Ahnung hast, wo wir sind?“

„Das klären wir später!“

„Also kommst du heute Abend nicht, oder?“

„Du klingst enttäuscht.“

„Das bin ich. Du hast so selten Zeit, wenn es um Ereignisse geht, die mir wichtig sind.“

„Es ist ein Tag wie jeder andere auch.“

„Es ist Silvester!“

„Sag ich ja. Ein Tag wie jeder andere.“

„Blödmann... Ich sollte auf einer Party sein!“

„Und du auch... Kommst du noch?“

„Vielleicht.“
 

***
 

22:57

„Hallo, ich wollte dir nur schon einmal ein frohes neues Jahr wünschen. Aber ... Naja, was auch immer du gerade machst, hab Spaß dabei. Ich vermisse dich, das weißt du, ja?“

„Julia, was machst du? Oh... störe ich?“

„Nein, ist schon gut. Ich hab nur Damian ...“

„Oh, Kleines...“
 

***
 

23:14

„Geh doch einfach dran, Corvin!“

...

„Das du immer so lange klingeln lässt...“

...

„Verdammt das regt mich auf.“

...

„Dann halt nicht!“
 

***
 

00:12

„Hei, Pappa! Hvordan går det?“

„Bra, takk min Sønn.“

„Godt nytt år!“

„Was redest du da?“

„Ich rede mit meinem Vater – Bin gleich wieder bei euch...“
 

[Anm.: Ich speche kein Norwegisch, keine Ahnung, ob das, was er da sagt, alles so richtig ist. ^^"]

Tanz

Die kleine Halle, deren eines Ende provisorisch mit vielen Spiegel versehen war, roch nach abgestandener Luft und Schweiß, der ihnen bei der derzeitigen Hitze nur so von den Körpern ran. Die Tanzgruppe, von denen heute etwa Zehn Leute anwesend waren, übte bereits seit einigen Stunden und inzwischen fühlte sich der Raum eher wie eine Sauna an.

„Okay, ich glaube wir lassen es für heute!“ War das erste, was zu hören war, kaum das die Musik ausgeschaltet wurde. „Wir brauchen alle eine Abkühlung.“

„Fenster zum öffnen wären auch nicht schlecht.“

„Oder eine Klimaanlage...“

Oder wenigstens eine Tür, die sie offen lassen könnten, während die Musik lief. Aber mit dergleichen waren sie nicht gesegnet, deswegen gab es darauf auch keine weiteren Kommentare oder Antworten, und so gingen alle erschöpft zu ihren Taschen und Wasserflaschen. Normal, so hatte man Miles erzählt, würden sie dann noch ein wenig sitzen und sich unterhalten oder die Choreografie durchgehen, doch so warm wie es war, rissen sie so schnell wie möglich die Tür auf, um sich nun draußen auf der kleinen Rasenfläche auszubreiten. Auch dort war es warm, aber nicht mehr so sehr, wie in der Halle und dank der Uhrzeit schien die Sonne bereits nicht mehr, so das alles in ein angenehmes Dämmerlicht getaucht war.

Miles nahm sich ebenfalls den Rucksack, den er mitgebracht hatte und setzte sich zu den anderen Tänzern. Viele der Namen, die ihm am Anfang gesagt worden waren, hatte er bereits wieder vergessen, doch noch war das nicht weiter wichtig.

„Du warst richtig gut!“ Miles wurde rot, als er sich neben eine der jungen Frauen setzte und sie ihn direkt lobte. „Auch die Idee mit der Bewegungsänderung – Es ist nur ein kleines Detail, aber jetzt fühlt es sich einfach besser an.“

„Ja, finde ich auch.“

„Willst du denn jetzt öfters kommen?“

Miles überlegte. Bislang hatten die Leute hier ihn freundlicher aufgenommen, als die anderen Gruppen, bei denen er ein Training mitgemacht hatte. Aber wenn er mit ihnen tanzen wollte, dann würde er ihnen früher oder später von seinem Problem erzählen müssen. Das war derzeit noch der größte Brocken, der auf seinem Herzen lagerte und ihn davon abhielt einfach ein fröhliches 'Ja, klar komme ich jetzt öfter zu euch' zu verkünden.

„Oder willst du es dir noch mal überlegen?“

„Wir haben nicht gerade den tollsten Übungsraum – aber er ist mit Liebe eingerichtet!“

„Und das ist vermutlich auch das, was das Dach nicht einstürzen lässt“, scherzte einer der Jungs und machte sich lang, seine Tasche als Kopfkissen nutzend. Miles sah dem ganzen zu, ohne bislang eine Antwort abgegeben zu haben. Entsprechend schauten ihn wenige Sekunden später auch wieder alle an und warteten auf seine Antwort oder wenigstens seine Meinung zu ihrer Gruppe.

„Ich muss sagen, ihr seid die Freundlichsten, bei denen ich bis jetzt war.“ Zwei klatschten sich ab, als hätten sie einen Preis gewonnen. „Und es hat am meisten Spaß gemacht.“ Jetzt waren es sogar schon ein paar mehr, die darüber jubelten, als sei seine Meinung wirklich wichtig. Entsprechend breit lächelte er auch, bis ihm wieder einfiel, was er ihnen sagen wollte.

„Aber es gibt etwas, über das ihr informiert sein müsst, wenn ich bei euch mitmache. Weil... es meine Anwesenheit betreffen kann und … eventuell könnte ich mich mal komisch verhalten.“

Nun ruhten alle Blicke auf ihm und er spürte den Kloß, der sich in seinem Hals bildete. Sie würden ihn verurteilen, sobald er es ihnen sagte. Er konnte es schon spüren, tief in sich drin.

Es würde passieren!
 

~ * ~
 

Es war ein langer Abend. Erst das Training, dann die Fragen, die es zu beantworten galt, kaum das er von seiner Krankheit erzählt hatte und die Diskussion, zwischen denen, die für Miles Aufnahme waren und die, die es jetzt doch nicht mehr für eine so gute Idee hielten.

Sie hatten sich schließlich darauf geeinigt, das Miles bei ihnen tanzen konnte und sich alles weitere dann schon ergeben würde. Und die meisten der Anwesenden, hatte sich als freundlich erwiesen, selbst die, die gegen seine Aufnahme waren. Sie hatten ihn nicht nieder gemacht, so wie es in seiner Vorstellung abgelaufen war.

Jetzt lag Miles erschöpft in seinem Bett und grinste noch immer vor sich hin. Er hatte gelernt die meisten negativen Kommentare einfach an sich abperlen zu lassen, wie viel Angst er im Vorfeld auch vor ihnen haben mochte. Genau das hatte er mit dem, was da heute gesagt worden war, auch getan. Nur das wirklich positive blieb, im Moment jedenfalls.

An den Tagen, an denen die, wie Regenwasser gesammelten, negativen Dinge von seinem Gedächtnis über in geschüttet wurden, sah es anders aus.

Die schlechten Tage, die am besten ebenfalls vergessen wurden, bevor sie sich in Wochen ausdehnten.

Sein Telefon klingelte, was zu dieser Uhrzeit nur zwei potentielle Anrufer bedeuten konnte. Gen oder Chloe. Wobei Chloe die wahrscheinlichere Antwort war. Ihre Gespräche in den letzten zwei Tagen waren fast nur über diesen Termin gewesen, und Chloe hatte keine Zeit gehabt, um mitzukommen, so wie sie es ursprünglich ihr Plan gewesen war. Dafür hatte sie Miles gleich mehrmals versichert sich zu erkundigen, sobald sie selbst die Zeit dazu fand sich bei ihm zu melden.

Das dürfte nun dieser Anruf sein!

Gerade noch vor seinem Anrufbeantworter erreichte er den Hörer und nahm das Gespräch an.

„Ja?“, meldete er sich, so wie immer wenn er den Anrufer zu kennen glaubte.

„Hallo“ Die Stimme war dunkel und angenehm in seinem Ohr. Das Beste war jedoch, das er sie kannte und ein Anruf von Quint war so etwas wie ein kreisrunder Regenbogen um die Sonne herum. Recht selten, unerwartet und wunderschön. Entsprechend euphorisch begrüßte Miles seinen Anrufer auch. Doch dann zogen Wolken auf, an seinem eben noch sonnigen Himmel. Quint hatte für alles einen Grund und wenn es ein Anruf war – was könnte es dann für ein Grund sein?

„Was gibt es neues?“, fragte Miles dennoch erst einmal in seiner gewohnt fröhlichen, wenn auch derzeit etwas müden Art, in der Hoffnung den Vampir nicht doch inzwischen zu gut zu kennen.

„Das wollte ich dich eigentlich fragen.“

Das sagte Miles jetzt leider gar nichts. Das Quint aber auch nie etwas über sich sagte. Viel zu oft musste man alles regelrecht aus ihm heraus fragen, als wollte man eine Orange ausquetschen. Bei Miles war das hingegen einfacher.

„Heute war ich bei einer Street-Dance-Gruppe. Vermutlich werde ich da jetzt öfter hin gehen und mit ihnen trainieren. Hat richtig Spaß gemacht, auch wenn ich jetzt schrecklich müde bin.“

Und er fragte sich gerade, ob er seine Tablette genommen hatte, das sollte er noch einmal prüfen, bevor er sich gleich wieder hinlegte.

„Das klingt gut! Und dein Job?“

„Du bist dran.“

„Wie bitte?“

„Du bist dran meine Frage zu beantworten.“

Jetzt schwieg Quint, was Miles dazu brachte schon einmal nach seinen Tabletten zu schauen, um tatsächlich noch eine in dem Fach für heute zu finden. Das einnehmen holte er daraufhin sofort nach, während er noch immer auf eine Antwort wartete.

„Quint, du bist noch dran, ja?“, fragte er darum auch nach weiterer Stille am anderen Ende der Leitung. „Warum hast du angerufen? Das ist so... ungewohnt. Normal ruf doch immer ich an.“

„Ich weiß. Aber mir war danach.“

Miles legte die Stirn in Falten. Etwas an der Tonlage des Vampirs sagte ihm, das da noch mehr war.

„Was ist passiert?“

„Das ist nicht so wichtig und ich denke, wenn du so müde bist, sollte ich dich auch lieber schlafen lassen.“

Miles war inzwischen wieder in seinem Schlafzimmer und setzte sich auf sein Bett, um es sich gemütlich zu machen. „Du willst nicht wirklich jetzt schon auflegen?“

„Eigentlich schon.“

„Auf keinen Fall. Das ist das erste Mal, seit einer Woche, das ich was von dir höre. Erzähl mir einfach was.“

„Was denn?“

„Was hast du die letzten Tage getan? Oh und hast du dich mal bei Gen gemeldet? Sie hat dich gesucht...“ Miles rutschte auf seinem Bett herum, bis es wirklich gemütlich war und lauschte den Worten, die daraufhin von Quint kamen. Doch wirklich lange schaffte er es nicht zuzuhören. Ihm fielen recht bald schon die Augen zu und auch wenn er noch mitbekam, das Quint weiter redete, so verstand er nicht mehr, was noch gesagt wurde.
 

~ * ~
 

Was genau ihn weckte wusste Miles nicht. Da waren die Kopfschmerzen, die direkt hinter seinen Augen zu pulsieren schienen. Die dünne Decke über ihm, die ihn wärmte, von der er sich nicht erinnern konnte sich unter sie gelegt zu haben. Das Telefon, das neben seinem Bett auf dem kleinen Tischchen lag und die leise Erinnerung ein Geräusch gehört zu haben.

Die Tür...

Als er hinaus sah, war die Sonne gerade dabei sich irgendwo, hinter den unzähligen Häusern, einen Weg den Horizont hinauf zu bahnen, um einen erneuten heißen Sommertag anzukündigen. Das Tageslicht war gerade soweit, das es sich vom dunkelblau der Nacht für ein helleres entschieden hatte, bevor es dann zur vollen Kraft heranwuchs.

Ein neuer Tag und Miles fühlte sich so unausgeschlafen, wie schon lange nicht mehr.

Er erinnerte sich an das Gespräch mit Quint. Das er ihn darum gebeten hatte weiter zu reden, aber als er versuchte sich daran zu erinnern, was der Vampir ihm gesagt hatte, kam da nicht viel. Da war nur etwas über ein Krankenhaus und das er dort noch hin musste.

Warum sollte Quint ins Krankenhaus?

Miles stand auf und rieb sich die Augen bevor er anfing seine Schläfen zu massieren. Er wollte nachsehen, ob das Geräusch, das er gehört hatte, wirklich die Tür an seinem eigenen Eingang gewesen war, oder eine seiner Nachbarn. Doch seine Tür war von innen verschlossen, so wie er es jeden Abend machte. Der Schlüssel hing an der Wand, damit seine Eltern oder Chloe, ausgestattet mit ihren eigenen Schlüsseln, hereinkommen könnten, falls etwas war. Bislang war es noch nicht oft nötig gewesen.

Miles schlenderte ins Bad, um seine Tabletten zu nehmen und um zu entscheiden, ob er nach gestern Abend noch einmal duschen wollte oder es reichte sich einmal etwas Wasser ins Gesicht zu werfen. Lust hatte er auf beides nicht. Also putzte er sich lediglich die Zähne und ging in die Küche, wo er sich einen Kakao machte und eine Schüssel mit Müsli und Milch füllte. Essen würde er allerdings im Wohnzimmer. Doch die Tür dahin war geschlossen, wie es ihm jetzt erst auffiel, nachdem er bereits zwei Mal vorbeigegangen war. Nur mit Mühe bekam er die Tür auf, um den Raum dahinter in Dunkelheit vorzufinden. Dabei waren die Jalousien die an den Fenstern waren, gar nicht in der Lage dazu es so sehr abzudunkeln.

Miles betätigte den Lichtschalter und sah sich um, nur um im nächsten Moment beinahe den Inhalt seiner Hände mit dem Teppich bekannt zu machen.

„Quint...“ Der Vampir lag schlafend auf dem Sofa. Die Fenster hatte er mit Wolldecken verhangen, was erstaunlich gut funktionierte. Das Miles keine Reaktion bekam, wo er doch laut genug gewesen war und das Licht eingeschaltet hatte, verwunderte ihn, aber manchmal waren die Nächte wohl anstrengender für Quint und dessen Schlaf dafür ein klein wenig tiefer.

So leise wie er konnte, schlich sich Miles an den Tisch, stellte Tasse und Schale dort ab und setzte sich auf den freien Sessel. Während er aß sah er Quint beim schlafen zu, auch wenn es da nicht viel zu sehen gab. Nicht einmal die Brust des Vampirs bewegte sich. Keine gleichmäßige Atmung leistete ihm Gesellschaft. Trotzdem fühlte es sich gut an nicht alleine hier zu sein.

Die Kopfschmerzen gaben Miles wenig später einen guten Grund bei der Arbeit anzurufen und sich krank zu melden. Dort wussten die Meisten inzwischen Bescheid darüber, wie schnell ein leichter Kopfschmerz bei ihm zu einer ausgewachsenen Migräne werden konnte. Darum stellte es kein Problem dar, bis auf die Schmerzen, die sich tatsächlich in seinem Kopf ausbreiteten. Miles befürchtete das sie von dem anstrengenden Abend her kamen. Was seinem Plan regelmäßig zu den Tanzstunden zu gehen im Weg stehen könnte. Aber Miles wollte sich darüber noch keine Gedanken machen. Es wäre zu niederschmetternd und noch konnte er sich ja nicht einmal sicher sein.

Jetzt wollte er jedoch erst einmal da sein, wenn Quint wach wurde. Um zu fragen, was er ihm in der Nacht noch gesagt hatte und weswegen er her gekommen war.
 

~ * ~
 

Es dauerte bis zum späten Nachmittag, bis ein Lebenszeichen von dem Vampir kam. Auch wenn er sich nur auf die Seite drehte und sich fragte, was er hier eigentlich tat.

Miles selbst lag in seinem Bett und rotierte dort mehr, als das er wirklich schlief. Wirklich geholfen hatte bislang nichts gegen die Kopfschmerzen und so schlug er sich noch immer mit ihnen herum. Das Quint wach war konnte er auf die Entfernung auch nicht mitbekommen, sonst wäre er aufgestanden und hätte ihn ausgefragt. Miles war schließlich neugierig zu erfahren, weswegen Quint hier war und auch, was er ihm alles in der Nacht noch erzählt hatte.

Das Klingeln ließ den Schmerz wieder stärker werden. Das Pochen erfüllte kurzzeitig wieder seinen ganzen Kopf, während Miles versuchte sich aufzurichten, um nach der Tür zu sehen. Doch da waren bereits Schritte im Flur zu hören und dank dem Gefühl im Kopf machte Miles sich keine weiteren Gedanken, sondern legte sich einfach wieder hin.
 

Quint schaute aus dem Küchenfenster, um sicher zu gehen, das er ohne weiteres die Tür öffnen könnte. Es war zum Glück ein wenig bedeckt und die Eingangstür lag zu dieser Tageszeit nicht auf der Sonnenseite. Entsprechend öffnete er und sah vor sich eine junge Frau, die wartend eine ihrer Haarsträhnen auf ihren Zeigefinger wickelte. Sie schaute verwirrt, als sie Quint statt Miles sah, schien jedoch dem Anblick nicht abgeneigt zu sein.

„Hi. Ich wollte zu Miles. Bin ich da richtig?“

„Hallo. Ja, das ist seine Wohnung. Es geht ihm nur gerade nicht so gut...“

„Oh, soll ich dann lieber später wiederkommen?“

Quint nickte, auch wenn er unbemerkt von Miles Besuch bei dem Jüngeren nach dem Rechten sah, um zu entscheiden, ob er sie nicht vielleicht doch reinlassen könnte. Aber den Eindruck nach, den Miles erweckte, würde der noch ein wenig Zeit für sich brauchen.

„Ich denke, es ist besser. Er liegt schon die ganze Zeit im Bett und ich denke er braucht die Ruhe gerade.“

Sie nickte, was ihre dunklen gekräuselten Locken in Schwingung brachte. „Könntest du ihm das hier geben, bitte? Und sagen das Cathy da war?! Ich wollte mich für gestern entschuldigen – aber das mache ich dann noch persönlich.“

„Entschuldigen – für was?“ Miles hatte ihm doch erzählt, das es gut gelaufen wäre. Wobei Quint beim darüber nachdenken auffiel, das er das gar nicht gesagt hatte. Es hatte ihm Spaß gemacht und er wollte öfter hin. Das war alles, was gesagt worden war.

Cathy presste ihre Lippen aufeinander und überlegte, ob sie diesem Fremden, der offenbar mit Miles befreundet war, sagen sollte, was sie am Abend vorher noch losgelassen hatte.

„Nun... ich habe ein wenig hart geurteilt und beim genaueren drüber nachdenken, fand ich meine Reaktion von gestern heute morgen selbst ganz schön bescheuert.“

Quint nickte, wohl wissend, was in ihrem Kopf vorgegangen war. Entsprechend kannte er nun auch, was sie gesagt hatte und musste zugeben, das seine Meinung über Miles am Anfang schlimmer gewesen war. Wesentlich schlimmer. Entsprechend sah er keinerlei Grund für sie sich zu entschuldigen, aber er würde es weiterleiten.

„Okay“, sagte er darum auch und nahm das Shirt entgegen, das sie aus ihrer Umhängetasche gezogen hatte. „Ich werde es ihm geben und ausrichten, das eine Entschuldigung auf ihn wartet.“

Quint kam jedoch nicht umhin sich das T-shirt anzusehen, das Miles da bekommen sollte.

„Das sieht klasse aus“, bemerkte der Vampir.

„Danke. Ich habe es gemacht. Für die Gruppe. Darum dachte ich... es wäre nur passend, wenn ich ihm eines davon gebe.“

„Eine wirklich gute Idee! Ich werde es ihm geben, sobald er wach ist. Und ehm dann... sieht man sich sicher mal.“

Zwischen ihnen breitete sich eine Stille aus, die Cathy eher unangenehm fand, auch wenn sie es war, die keine Verabschiedung raus brachte. Sie fragte sich wer dieser Mann war. Miles hatte nichts davon erzählt, das er einen Mitbewohner hatte.

Quint lächelte schmal, als er die Gedanken mitbekam und verabschiedete sich noch einmal deutlicher, bevor er die Tür schloss. Erst überlegte er Miles eine Nachricht zu schreiben und ans Bett zu legen, für wenn er wach wurde, aber heute brachte er das nicht übers Herz. Die letzten Tage waren nicht schön gewesen und nachdem, was dann in der letzten Nacht geschehen war, hatte er einfach nicht alleine sein wollen. Jemand anderes als Miles war ihm dafür nicht eingefallen.

Leise ging Quint ins Schlafzimmer und setzte sich auf das Bett, neben Miles. Sofort blinzelte dieser und rieb sich erneut über die Augen, was keine Linderung seiner Kopfschmerzen hervorbrachte.

„Hm“, machte er nur leise, fragend.

„Ich soll dir von einer Cathy sagen, das sie sich entschuldigen will. Aber dafür kommt sie noch einmal. Das hier sollst du aber dennoch schon haben.“ Er zeigte Miles das Kleidungsstück, was ein breites Lächeln auf dessen Gesicht zauberte. „Das ist cool!“

„Das habe ich ihr auch gesagt.“

„Aber wer ist Cathy?“

Quint musste Schmunzeln. „Etwa so groß wie du, buntes Tuch in den Haaren, unzählige Armbänder und Ketten... und ich vermute Afroamerikanerin.“

Miles nickte. Bereits das bunte Tuch hatte ihn auf die richtige Spur gebracht.

„Ah, okay“, nuschelte er leise und ließ das Shirt gar nicht mehr los. Dafür sah er aus, als wollte er gleich weiter schlafen.

„Soll ich dich in Ruhe schlafen lassen?“

Miles schüttelte den Kopf. „Nein. Bleib...“
 

Als Miles das nächste Mal aufwachte fühlte er sich endlich besser. Noch immer hatte er Kopfschmerzen, aber die waren nur noch leicht und entsprechend fühlte er sich bereit den Rest des Tages zu bestreiten. Als er das Wohnzimmer betrat, in der Hoffnung Quint dort anzutreffen, saß nur Chloe auf dem Sofa und las ein Buch. Ihr Lieblingsbuch, wenn er es richtig erkannte. Ein altes, abgegriffenes Exemplar, das bereits sehr vieles mit ihr erlebt hatte.

„Hi“, nuschelte Miles und blieb an der Tür stehen.

„Oh, hi Miles. Geht es dir besser?“

Miles nickte und streckte sich. „Ziemlich. Hab jetzt nur Hunger.“ Sofort sprang Chloe auf und war schneller in der Küche als Miles, obwohl er einige Meter Vorsprung hatte.

„Du weißt nicht zufällig, wo Quint ist?“

„Er war hier, als ich nach dir schauen wollte. Aber er meinte dann, er müsste noch etwas erledigen. Würde aber so gegen - bin mir gerade nicht sicher ob Zehn oder Elf – wieder da sein.“

Miles nickte und schaute auf die Uhr. Mal schauen, ob Quint sein Wort dieses Mal halten würde.
 

~ * ~
 

Zu Miles erstaunen war Quint tatsächlich wieder gekommen. Er blieb sogar noch ein paar Tage, bis er dann plötzlich eines Morgens weg war. Nur eine Nachricht hatte er hinterlassen, das er etwas erledigen musste und nicht sagen konnte, wann er wieder zurück war. Es war nicht das erste Mal und es wäre sicher auch nicht das letzte. Aber wenigstens hatte er nun eine Notiz darüber bekommen, auch wenn es sich dennoch ziemlich unschön anfühlte. Hinzu kam, das Cathy ihn inzwischen mehrere Male nach Quint gefragt hatte. Miles schob es auf die vampirische Anziehungskraft, auf die er gerade bei so was sehr gut verzichten könnte. Es gefiel ihm einfach nicht von anderen nach Quint ausgefragt zu werden, wenn er selbst dabei war nicht an ihn denken zu wollen.
 

Miles ging regelmäßig zu den Trainingsstunden. Nach dem er glaubte sich an seinem ersten Tag überanstrengt zu haben, hatte er nun noch ein wenig mehr Wasser dabei und machte zwischendurch ein paar kleinere Pause, einfach um sicher zu gehen, das es nicht so enden würde wie beim ersten Mal. Es lief auch ganz gut und so passte er sich langsam aber sicher auch dem Rhythmus der anderen an.

An einem Abend, nachdem es wieder zu warm gewesen war, um in der Halle zu bleiben und nun alle erneut auf dem Rasen saßen, um noch ein wenig zu reden und sich auszuruhen, kam das Gespräch auf einen Tanz-Wettbewerb. Sofort meldeten sich einige, die gerne daran teilnehmen wollten und auch euphorisch darüber redeten, was man alles machen könnte. Miles blieb dabei ruhig, bis er direkt gefragt wurde, ob er mitmachen wollte.

„Ich denke, lieber nicht“, gab er zu. „Der Stress und … das Licht bei so einem Auftritt. Das wäre vielleicht nicht so gut.“ Und bevor er den anderen etwas versauen würde, wäre er lieber nur Zuschauer und würde sie anfeuern.

„Schade.“

„Finde ich auch. Aber es ist auch gut, das er sich nicht überschätzt und lieber nein sagt.“ Miles lächelte, auch wenn es ein wenig unsicher wirkte und trank seine Wasserflasche leer.

„Ihr seid alle so gut. Ich möchte euch wirklich nicht im Weg sein.“

„Im Weg? Miles du bist uns garantiert nicht im Weg!“

Dieses Mal nickte er und steckte seine leere Flasche in seinen Rucksack. „Übermorgen um sieben?“, wechselte er das Thema und stand auf.

„Du gehst schon?“

„Ja. Ich muss noch einen Geburtstagskuchen backen.“
 

~ ** ~ ** ~
 

Es verging über einen Monat, während alles lief wie immer.

Miles ging seinem Tag nach und sprach manchmal Abends Quint auf die Mailbox, da er ihn eh nie zu Gesicht bekam. Irgendwann sollte er ihn fragen, ob er diese Nachrichten überhaupt abhörte, aber bis dahin hielt er den Vampir auf diese Weise auf dem laufenden.

Die Tage, an denen Miles direkt von der Arbeit zum Training ging, waren die anstrengendsten. Und so einen hatte er hinter sich, als er die Tasche im Flur stehen ließ und aufgeregt durch die Wohnung tigerte. Er fand keine Ruhe, was seine eigene Schuld war. Warum hatte er auch nicht einfach nein sagen können? Das hieß; eigentlich hatte er das ja getan, bis insgesamt drei der anderen ihn doch überredet hatten.

Er würde an diesem Wettbewerb teilnehmen.

Er würde in - zwei Tagen - an diesem Wettbewerb teilnehmen!

Zuerst hatte es sich sogar gar nicht mehr so falsch angefühlt, als er dann zugestimmt hatte. Miles hatte die gleichen Schritte gelernt wie die anderen und da er gut darin war sich schnell die neuen Schrittfolgen zu merken, war er sogar mit unter den besten der Gruppe. Als dann das reale Leben mehreren ihre Teilnahme verhagelte, indem sie genau an dem Datum nun doch kein frei bekamen oder eine Prüfung dorthin verlegt worden war, mussten einfach ein paar andere einspringen.

Und sie wollten Miles im Team.

Das hatten sie klar gemacht und Miles war darauf eingegangen, hatte sich überreden lassen und bereute es inzwischen. Jetzt jedoch seine Meinung noch einmal zu ändern ginge auch nicht. Nicht ohne sich schlecht zu fühlen.

Miles entschied sich seine Tasche auszuräumen, um wenigstens etwas sinnvolles zu tun und dann duschen zu gehen. Vielleicht würde das helfen. Wenn nicht, dann würde er eben Chloe anrufen, oder Quint.
 

Die Musik dröhnte durch den Raum. Vermutlich würden bald schon die ersten Nachbarn wütend gegen seine Tür klopfen, doch Miles würde es nicht hören. Er ging die Tanzschritte immer wieder durch und hatte doch das Gefühl immer irgendetwas falsch zu machen.

Wäre er nicht alleine, dann hätte ihm wohl jemand gesagt, das alle seine Schritte und Bewegungen richtig und im Takt waren, doch es war niemand da, der ihn davon abhalten konnte, bis zur totalen Erschöpfung zu tanzen. Dabei wollte er nur für den Auftritt vorbereitet sein.

Chloe hatten zum Glück einen Schlüssel, mit dem sie in die Wohnung kam. Normalerweise klingelte sie, doch nach dem draußen schon die Musik zu hören war, hatte sie das gar nicht erst versucht. Sie ging durch den Flur, bis in das Wohnzimmer, in dem die Möbel so verschoben worden waren, das Miles genug Platz hatte, um zu üben. Er bemerkte sie nicht, da er mit dem Rücken zu ihr stand und durch die Musik ihre Schritte nicht zu hören waren. Erst als Chloe die Musik ausschaltete zuckte Miles zusammen und drehte sich zu ihr.

Sie lächelte entschuldigend, da sie ihn nicht hatte erschrecken wollen, aber anders hätte er sie wohl nicht bemerkt.

„Ein wenig laut“, bemerkte sie und sah sich Miles nun erst einmal genauer an. Vollkommen verschwitzt war er und obwohl er sich die ganze Zeit angestrengt hatte, wirkte er blass. Mit Bestimmtheit schob Chloe ihren Freund zum Sofa und zwang ihn so sich zu setzen.

„Wie kommst du auf die Idee, um die Uhrzeit noch so einen Lärm zu veranstalten?“ Sie klang wieder mehr wie seine Mutter, als es beabsichtigt war, aber das war ihr egal. Offenbar brauchte er manchmal ein paar mahnende Worte.

„Ich wollte nur noch ein wenig üben“, verteidigte sich Miles und lehnte den Kopf nach hinten. Das duschen hätte er sich sparen können. Dafür sollte er dringend etwas trinken, wie er bereits jetzt in seinem Kopf spüren konnte. Dem Gedanken entsprechend stand er auf und spürte, wie ihm kurz schwindelig wurde. Er hatte es übertrieben, aber das Gefühl, nicht genug vorbereitet zu sein, hielt sich hartnäckig.

„Hast du deine Tabletten schon genommen?“

Miles überlegte. Er hatte sie nehmen wollen, als er im Bad war. Hatte er es auch getan?

„Muss ich gleich nachschauen...“, murmelte er nur leise und verschwand in der Küche, um sich eine Flasche Wasser zu holen, die er auch direkt leerte. Chloe beobachtete ihn dabei und seufzte. Es passierte selten, das Miles sich selbst so zusetzte. Zumindest bei anderem, als seiner Krankheit.

„Miles“, sagte sie leise und kam ihm näher, um ihm in die Augen zu sehen. Schon am Telefon hatte er so gehetzt geklungen, das sie zuerst gedacht hatte, sie sollte seinen Arzt gleich mitbringen. Dann hatte sie sich jedoch dazu entschlossen erst einmal alleine nachzusehen. „Warum machst du dich so fertig?“

Miles zuckte mit den Schultern.

„Sie haben dich gefragt, richtig? Sie wollen dich dabei haben! Haben sie gesagt warum?“

„Ja“, antwortete Miles knapp und betrachtete die leere Wasserflasche, auf der Arbeitsfläche, um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen.

„Und warum?“ Chloe legte ihre Hand an Miles Wange und bewegte ihn so dazu sie wieder anzusehen.

„Ich sei gut genug.“

„Und weswegen sollten sie das sagen, wenn es nicht wahr ist?“

Miles presste die Lippen aufeinander. Dafür hatte er keine Antwort. Er wusste nicht wieso es sich so anfühlte als würde er auf jeden Fall alles ruinieren. Weil er keine Antwort hatte, legte er seine Arme um Chloe und drückte sie an sich. Sofort legte sie ebenfalls die Arme um ihren besten Freund und hielt ihn fest. Das würde sie tun, solange es nötig wäre.

Miles ließ jedoch von alleine recht schnell wieder los. Er sah Chloe an und lächelte bevor er ihr einen sanften Kuss auf die Wange gab. „Danke.“

„Du brauchst mir nicht danken, Miles.“

Miles nickte und drückte sie noch einmal, bevor er an Chloe vorbei zum Schrank griff, um eine weitere Wasserflasche zu nehmen. Er spürte ein brummen in seinem Kopf, das böses ahnen ließ.

„Soll ich mal schauen, ob du die Tablette genommen hattest?“ Das könnte sie in der Zwischenzeit ja gut übernehmen.

„Nein, ich mach das jetzt. Muss eh ganz dringend duschen und … mich hinlegen.“

Chloe nickte. Die Blässe war noch immer deutlich und ihr wäre wohler, wenn er sich ins Bett legte und den Rest der Nacht schlief, als weiter im Wohnzimmer herum zu hüpfen.
 

~ * ~
 

Sie musste früh raus und wusste jetzt schon, das der nächste Tag sich sehr lang anfühlen würde. Bis sie zuhause war, brauchte es noch eine ganze Weile und auch wenn sie auf der Stelle einschlafen könnte, hoffte sie nicht in der U-Bahn einzunicken. Zwar hatte sie überlegt bei Miles zu bleiben, aber das hieße noch früher aufzustehen, um dann nach Hause zu fahren und sich dort fertig zu machen. Der Gedanke gefiel ihr nicht. Genauso wenig wie die Möglichkeit, Miles aus versehen so früh wach zu machen.

Chloe war gerade dabei die Wohnungstür abzuschließen, als hinter ihr Schritte zu hören waren. Als sie sich herum drehte, stand Quint nur wenige Meter von ihr entfernt und hatte eine Tasche in der Hand. Sie könnte ihn nun herein lassen, aber irgendwie war ihr da nicht nach. Miles sollte doch seine Ruhe haben, auch wenn es ihm sicher gefallen würde, das Quint da war, wenn er aufwachte. Das war inzwischen ja kein Geheimnis mehr. Auch wenn sie noch immer nicht verstanden hatte, was das zwischen den beiden eigentlich genau war.

„Miles schläft“, erklärte sie Quint darum nur und blieb vor der Tür stehen.

„Das dachte ich mir. Hat leider ein wenig länger gedauert.“

„Dauert bei dir immer ein wenig länger, hm?“ Eigentlich hatte sie keinen Grund so schnippisch zu sein, aber die Sorge um Miles und ihre Müdigkeit ließen es nicht anders zu. „Du weißt, das er dich mag und dennoch lässt du ihn dauernd alleine und meldest dich nicht einmal.“ Müde wischte sie über ihr Gesicht und seufzte leise. Sie wollte schlafen.

„Tut mir leid.“ Quints Antwort überraschte sie ein wenig. Ob sie jetzt mit unzähligen Ausreden gerechnet hatte, konnte sie nicht genau sagen, aber dennoch war diese einfache Entschuldigung mehr als sie erwartet hatte. Auch wenn es nichts änderte. Sie wusste, das er auch weiter so handeln würde, wie bislang. Egal wie es für Miles wäre.

„Warum tust du es dann?“, wollte sie dennoch wissen, bevor sie sich endlich auf den Weg zur Haltestelle machen würde. Quint schaute auf die Wohnungstür, dann auf Chloe. Er hatte nicht vor ihr zu Antworten.

„Soll ich dich nach Hause bringen?“

Auch etwas, womit sie nicht gerechnet hätte.
 

~ * ~
 

Es war schrecklich voll, laut und stickig.

Dabei war das Ganze draußen, aber das machte es bei dem heutigen Wetter auch nicht besser. Es war schwül und obwohl die Sonne von Wolken bedeckt wurde, brannte sie jede einzelne der wenigen Minuten, die sie Zeit dazu bekam.

Aufgeregt knetete Miles seine Finger, während er mit den anderen zusammen stand. Denen war seine Aufregung nicht entgangen, aber ihn zu beruhigen schien unmöglich zu sein. Zumindest wurde es mehrmals versucht, doch ihnen waren die Argumente ausgegangen. Nichts wollte zu wirken. Es ging inzwischen soweit, das sie überlegten ob sie überhaupt antreten sollten. Wenn Miles so neben sich stand, schien es nicht viel Sinn zu machen. Zwar war es Schade, aber sie wären einer zu wenig, wenn Miles nicht mitmachte und entsprechend würden sie dann so oder so ausscheiden.

Während sie diskutierten näherte sich jemand der Gruppe an Tänzern. Als Miles ihn erkannte, traute er seinen Augen kaum. Tatsächlich glaubte er für einen Moment einer Halluzination anheim zu fallen, doch als der Mann näher war, konnte es niemand anderes sein.

„Quint, aber ist das nicht,“ Miles drehte sich zu den anderen und flüsterte dann zu Quint, „zu sonnig?“

Der Vampir trug eine Baseballcap, eine lange Hose und eine Jacke, deren Kragen hochgestellt war. Einem Menschen wäre das sicher zu warm. Wie das bei einem Vampir war, wusste er nicht so genau. Groß anders als sonst sah er jedoch nicht aus.

„Es geht.“

„Ist es nicht zu gefährlich?“

Quint schüttelte den Kopf. „Mach dir deswegen keine Sorgen. Es sind alle Vorkehrungen getroffen und ich suche mir gleich ein schattiges Plätzchen.“

„Sicher?“

„Ganz sicher! Ich möchte dich tanzen sehen und nicht zu Asche zerfallen.“

Miles schaute zu den anderen, um sicher zu gehen, das sie nichts von ihrer Unterhaltung mitbekamen, aber noch waren sie beschäftigt.

„Du bist ganz schön aufgeregt“, bemerkte Quint und sah ebenfalls kurz zu den anderen. Er wusste worüber sie sprachen, genauso wie Miles. Der junge Mann nickte und strich sich durch die Haare.

„Du schaust wirklich zu?“ fragte Miles, um sicher zu gehen. Quint nickte und öffnete seine Jacke ein Stück weit, bis das Motiv auf seinem Shirt zu erkennen war. Es war genauso eines wie das, was Cathy Miles geschenkt hatte.

„Und nicht nur ich. Schau mal dort drüben. Im Schatten – der Schirm.“ Miles folgte dem Fingerzeig und fand dort seine Freunde, seine Eltern und sogar Gen. Sie alle trugen das Shirt seiner Street-Dance-Gruppe. Wobei Gen ähnlich wie Quint möglichst wenig Haut zeigte und diejenige mit dem Schirm war. „Wir sind alle für dich da. Ganz egal wie weit ihr kommt und ob du alles perfekt machst oder nicht. Wir feuern dich und deine Freunde an.“

Miles wusste nicht, was er sagen sollte. Kyle und Rachel hatten nicht gewusst, ob sie kommen könnten und seine Eltern waren eigentlich gerade im Urlaub und gar nicht in der Stadt. Trotzdem saßen sie jetzt alle dort und sie winkten ihm, als sie sahen, das Miles zu ihnen schaute.

Quint wurde unterdessen von Cathy und dem Rest der Tanzgruppe bemerkt. Sie flüsterte allen schnell zu, das sie ihn bereits getroffen hatte und das Quint es gewesen war, der sie um noch mehr der Shirts gebeten hatte. Cathy war nur nicht darüber informiert worden, wofür er sie brauchte. Als sie aber nun allen Miles Blick folgten, erkannten sie ihr Logo sofort.

„Wir haben Fans...“

„Das sind alles Freunde von Miles, ich weiß nicht, ob das zählt.“

„Mir egal – sie tragen unser Logo. Also sind sie unsere Fans!“

„Du machst es dir einfach.“

„Und ich wäre dir sehr verbunden wenn du mir das nicht versaust!“
 

Miles konnte noch immer nicht glauben was er da sah, aber Quint stand vor ihm und riskierte viel, nur um ihm und den anderen zuzusehen. Leider änderte das nicht viel an seiner Aufregung, aber es half ein wenig dabei sich zusammen zu reißen und er ahnte, das es die Absicht des Vampirs gewesen war. Darum umarmte er ihn auch und ließ erst los, als Quint ihm zuflüsterte, das er langsam zu den anderen musste, weil es gleich anfing.
 

~ * ~
 

Sie waren gut! Nur leider nicht gut genug für eine hohe Platzierung, aber immerhin waren sie unter den ersten Zehn und ganz knapp am letzten Preisgeld-Platz vorbei geschrabt. Damit hätten sie sich sicherlich eine Klimaanlage leisten können. Aber für ihren zweiten Versuch bei einem Wettbewerb war es gar nicht so schlecht und entsprechend ausgelassen waren sie. Ihnen allen, aber vor allem Miles war die Erschöpfung, aber auch die Erleichterung anzusehen, als in die Gruppe an Leuten liefen, die aus ihren Freunden und einigen Familienmitgliedern bestand. Die von Miles waren alle gut zu erkennen und Cathy bekam von den anderen direkt ein paar Aufträge für ihre T-Shirts. Was sie nutzte, um mitzuteilen, das alles Geld, was sie in Zukunft mit den Shirts verdiente, der Gruppe zukommen sollte, um irgendetwas zu tun, das es im Sommer erträglicher in der Halle war.
 

Miles war unterdessen damit beschäftigt seine Eltern zu begrüßen und auszufragen, wieso sie da waren, wenn sie doch in Florida Urlaub machen wollten. Sie erzählten ihm davon, das Quint sie angerufen und ihnen von dem Wettbewerb erzählt hatte und das er sie mit seinem Privatjet abholen ließ, damit sie hier sein konnten. Am nächsten Morgen würden sie zurück fliegen, um den Rest ihres Urlaubs zu genießen. Sie konnten gar nicht glauben, das Miles so einen reichen Bekannten hatten. Miles' Mutter war der festen Überzeugung das es erklärte, warum Quint so exzentrische Züge an den Tag legte.

Gen war die Erste, die sich verabschiedete. Sie hatte auch einen guten Grund, auch wenn dieser nicht ganz der Wahrheit entsprach. Ihr Abschied löste allerdings ein allgemeines aufbrechen aus, so das die Gruppe immer kleiner wurde, bis Quint vorschlug Miles nach Hause zu bringen.

„Aber nicht... so!“, war Miles einzige Bedingung, der Quint gerne nachkam. Darum gingen sie zu Fuß.
 

„Danke“

„Hab ich gern gemacht.“

Miles streckte sich und war froh, das es inzwischen nicht mehr ganz so warm war. Auch für Quint war das Wetter ein wenig angenehmer geworden, was ihn nicht davon abhalten würde, sich darüber zu freuen endlich im einem Haus verschwinden zu können.

„Könntest du das nächste Mal trotzdem mal ans Telefon gehen?“

„Vielleicht lässt es sich einrichten...“

Miles seufzte leise. „Nur vielleicht?“

„Ich bin viel beschäftigt!“

„Natürlich. Und wo warst du die letzten Wochen?“

Quint schwieg und betrachtete einen Moment lang den Wolken behangenen Himmel. Es würde die Stimmung versauen, wenn er die Wahrheit sagte. Entsprechend wollte er es lieber vermeiden, auch wenn Miles Blick und dessen Gedanken ihm sagten, das er es wirklich gerne wissen wollte.

„Ich habe jemanden Besucht“, erklärte Quint.

„Jemanden?“ Miles war sofort neugierig.

„Ja, jemanden. Einen alten Bekannten. So alt, das es ihm derzeit nicht sehr gut geht.“

„Hast du dich um ihn gekümmert?“

Quint nickte. Auf welche Art er sich gekümmert hatte, behielt er lieber für sich.

„Dann sei dir verziehen.“

Suche

Gelangweilt saß Miles am Fenster und schaute hinaus in den Regen.

Keiner seiner Freunde hatte Zeit und somit musste er dringend eine Beschäftigung finden, bevor ihm die Decke auf den Kopf fiel. Er war so abwesend, das die Türklingel ihn erschreckte, weswegen es einige Zeit dauerte bis er sich aufraffte.

Wer sollte so spät noch bei ihm vorbei schauen?

Es war ja niemand da von denen die er kannte.

Keiner...

Niemand...

Es war zum ausrasten!
 

Miles öffnete die Tür und schaute direkt in das Gesicht eines Bekannten.

Stirnrunzelnd versuchte er sich an den Namen zu erinnern. Sie hatten sich nur einmal gesehen und das war auch schon eine Weile her.

In dem bekannten Gesicht hob sich erwartungsvoll eine Augenbraue.

„... Eryk...“, fragte Miles dann mehr als das er es wirklich wusste.

„Das war geraten, oder?“

Ertappt drein schauend nickte Miles.

„Kein Problem Kleiner. Auch wenn ich mir nur schwer vorstellen kann, wie du mich vergessen konntest.“

„Das ist gar nicht so schwer, ehrlich gesagt. Mein Hirn ist da manchmal echt ein Sieb. Ich weiß, was an dem Abend noch alles los war, nur dein Name war vollkommen weg.“

Der Werwolf grinste.

„Nein, offensichtlich nicht vollkommen“, sagte er. „Aber kann ich endlich rein, oder willst du mich weiter hier draußen stehen lassen?“

„Oh, ohh... Komm rein.“

Miles öffnete die Tür weiter und machte Platz, damit Eryk ungehindert herein kommen konnte.

„Was machst du eigentlich hier? Wart ihr nicht auf dem Weg, zurück nach Norwegen?“

Der Werwolf nickte und schüttelte sich anschließend den Regen aus den Haaren.

„Und man merkt gar nicht was du bist!“, fügte Miles noch an, während er sich vor den Wassertropfen zu schützen versuchte.

„Tut mir leid. Es gibt so ein paar Dinge, die bekommt man einfach nicht mehr so leicht raus.“

„Ja, die Wasserflecken an der Wand zum Beispiel.“

„Ich sagte doch, es tut mir leid.“

„Schon gut, ich muss eh mal sauber machen... Also was machst du hier?“

Eryk wuschelte sich die Haare zurecht und zog seine Jacke aus.

„Privatangelegenheit. Nur so viel: Lange bleibe ich nicht.“
 

Nachdem Eryk sich die Haare dann doch noch mit einem Handtuch abgetrocknet hatte, saß er nun auf dem Sofa in Miles' kleinen Wohnzimmer und trank einen Kaffee. Ein Bier wäre ihm lieber gewesen, aber so etwas hatte der junge Mann leider nicht zuhause.

„Woher weißt du eigentlich wo ich wohne?“

Der Werwolf tippte sich an die Nase, grinste und lehnte sich zurück.

„Der Regen hat es zwar erschwert, aber am Ende bin ich doch hier gelandet. Wie man sieht.“

Miles nickte und zog die Beine näher an sich heran. Er hatte wieder den Platz am Fenster eingenommen, von wo aus er in den Garten schauen konnte. Die einzige Ausnahme jetzt war, dass er mit dem Rücken an jenes Fenster gelehnt war und so direkt auf seinen Besuch schaute.

„Aber warum ausgerechnet zu mir?“

„Quint kann ich so nicht finden und ... naja, ich denke rein der Beziehung unserer Arten wegen, könnte es sein, das er mich nicht reinlassen würde. Vampire und Werwölfe haben eine lange, tiefsitzende Feindschaft am laufen. Ich persönlich kann mich nicht daran erinnern, ob mir je gesagt wurde, wieso das so ist. Aber es wird einen Grund geben.“

„Hm...“, machte Miles leise und lehnte sein Kinn auf eines seiner Knie. „Aber ich glaube schon, das er dich reinlassen würde. In der Hütte war er ja auch später dann recht entspannt.“

Eryk trank einen Schluck des Kaffees und schwieg. Er war sich da nicht so sicher.

„Willst du dann solange hier bleiben, oder gehst du in ein Hotel?“, wechselte der Braunhaarige das Thema.

„Eigentlich wollte ich wirklich nicht lange bleiben, aber ...“

Wieder klingelte es. Miles schaute auf und fragte sich wer das jetzt sein könnte.

Dafür das keiner seiner Freunde Zeit hatte, war doch recht viel los bei ihm.

Dieses Mal war er schneller an der Tür um diese zu öffnen.

Zu seinem erstaunen stand Corvin dort.

Miles kannte ihn, da er einmal mit Quint einen Freund besucht hatte und der ehemalige Polizist auch dort gewesen war. Das alte, große Haus war wohl der neue Arbeitsplatz des Mannes und ursprünglich hatte Quint ihn nicht dorthin mitnehmen wollen.

Angeblich sei es zu gefährlich. Dabei war da nichts, was Miles auch nur im geringsten als Solches vorgekommen wäre.

Abgesehen davon, hatte er erfahren, das Corvin entfernt mit dem Vampir verwandt war.

„Was für ein Zufall, das ausgerechnet du hier wohnst...“, begrüßte ihn der Mann, dem man sein früheres Polizistendasein doch sehr ansah.

„Naja, ich wohne schon eine ganze Weile hier. Aber... worum geht es denn?“

Der Regen prasselte auf Corvin, der den Kragen seines Mantels hochgestellt hatte um sich wenigstens etwas zu schützen.

„Ein paar Straßen weiter wurde jemand umgebracht. Wir sind den Blutspuren bis hierhin gefolgt und... sie enden direkt dort.“

Miles folgte dem Fingerzeig des Anderen, der nur bis wenige Meter vor seine Haustür ging.

„Aber es regnet in strömen. Da ist der Rest vielleicht einfach weggespült worden?“

„Vermutlich ist es das“, stimmte Corvin ihm zu. „Aber bei dir ist vorhin jemand reingekommen, richtig? Könnte ich ihn sprechen?“

„Ehm... Naja, warum nicht? Komm rein, sonst schwimmst du gleich noch weg.“

Miles ließ auch Corvin rein und schaute zu, wie diese seinen Mantel und die Schuhe auszog, um nicht alles patschnass zu machen.

„Hier entlang... Brauchst du ein Handtuch?“

„Nein, so lange wollte ich nicht bleiben.“
 

Als sie das Wohnzimmer betraten, saß Eryk ganz bequem da und schaute sich eine Zeitschrift an, die eben noch auf dem Tisch gelegen hatte, wo jetzt allerdings die Kaffeetasse stand.

Weswegen Corvin da war, war ihm nicht entgangen, aber er hatte sich nichts vorzuwerfen.

„Guten Abend.“

Der Werwolf schaute zu dem Neuankömmling und lächelte freundlich. „'Nabend.“

Miles fand ja, das man Eryk bei dem Lächeln ansah, was er war, aber das konnte auch daran liegen, dass er es wusste. Corvin würde es ihm bestimmt nicht ansehen. Hoffete er.

Eryk selber war es egal.

„Also Corvin, das ist ein Bekannter von mir aus Norwegen. Eryk das ist Corvin. Ein Verwandter von Quint.“

Miles setzte sich zurück an seinen Lieblingsplatz und beobachtete seine Gäste.

„Quint hat interessante Verwandte...“, bemerkte Eryk und klappte die Zeitschrift zu.

„Dann weißt du was und wo er ist?“

Hatte Miles das eben richtig verstanden?

Corvin suchte eigentlich Quint? Der hatte doch die Nummer des Vampirs...

„Ja und Nein. Wo er ist weiß ich nicht“, antwortete der Werwolf.

„Nun gut, jemand von meinen Leuten hat dich eben gesehen. Du hast eine ganze Weile im Garten verbracht. Hat das einen Grund?“

Irgendwie war die Frage so gestellt, als wäre die Antwort bereits bekannt.

„Warum schaut ihr hier in den Garten?“, wollte Miles wissen. Plötzlich hatte er das dringende Bedürfnis, zu wissen ob sein Gefühl beobachtet zu werden vielleicht gar nicht nur eingebildet war. „Und warum warst überhaupt hinten?“

Er hatte Eryk nicht gesehen.

„Dann habt ihr gesehen, wie ich meine Form gewechselt habe?“, fragte Eryk den Dunkelblonden. Damit hatte sich Miles Frage auch beantwortet.

Corvin nickte.

„Ok, dann ist dass wenigstens kein Geheimnis.“ Der Werwolf legte die Zeitschrift mit Schwung auf den Tisch, neben die Tasse, und lehnte die Ellbogen auf die Knie. „Ich suche jemanden. Das ist der Grund warum ich hier bin. Mit eurem Mord habe ich nichts zu tun!“

Corvin nickte und schaute zu Miles.

„Du weißt es also?“

„Was? Das Eryk ein Werwolf ist? Ja, das weiß ich. Quint hat es mir gesagt“, erklärte dieser.

„Ok... das macht es einfacher“, fuhr Corvin fort und wendete sich wieder zu Eryk. „Und wen suchst du? Vielleicht kann ich helfen?“

„Na, das glaube ich nicht. Er ist ziemlich gut darin sich zu verstecken. Zumindest hab ich ihn so kennengelernt.“

„Wen?“

„Ein Kollege von dir. Aus Minneapolis. Ich habe jemanden versprochen ihn zurück zu holen. Nachdem er... ein klein wenig verrückt gespielt hat.“

Miles schaute zwischen seinen Gästen hin und her.

Ganz schön interessant, was sich da heute in seinem Wohnzimmer so tat. Wo es bis vor kurzem nach einem sehr einsamen Abend aussah.

„Minneapolis? Du arbeitest mit ihnen dort zusammen?“

Corvin dachte nach, er kannte da einige aus den anderen Häusern. Nur wen von denen in Minneapolis konnte er sich in 'ein wenig verrückt' vorstellen?

„Der Einzige, der mir da in den Sinn kommt ist Hakon. Er ist ...“

„Ehrlich gesagt, ist es zu lang das jetzt alles zu erklären, aber ich muss ihn finden und das, bevor er den Dämon findet, dem er sich an die Fersen geheftet hat.“

Wieder nickte der Dunkelblonde verstehend.

„Warum hat er den Auftrag alleine?“

„Er hat keinen Auftrag! Der Dämon hat Nika verletzt und ... Hakon gibt sich die Schuld dafür. Weißt du, wie es um ihn steht? Nika denkt, das er rückfällig werden könnte.“

Miles verstand nur noch Bahnhof, allerdings wollte er sich nicht einmischen, da es scheinbar wichtig war. Dennoch fragte er sich wer diese Leute waren, die da erwähnt wurden und ob die Zwei ihn darüber aufklären würden.

„Wie willst du ihn finden?“

Corvins eigener Mordfall, rückte in den Hintergrund ob der Nachricht, dass der Hausdämon aus dem befreundeten 'Büro' ausgerechnet hier Amok laufen könnte.

„Bis es anfing zu regnen, konnte ich ihn anhand von Nikas Geruch aufspüren. Aber jetzt...“ Eryk zuckte mit den Schultern. „Ich hab ihn verloren.“

Bevor der Ex Polizist noch etwas erwidern konnte, klingelte sein Mobiltelefon.

„Entschuldigt einen Moment...“ Er wendete sich ab und ging hinaus in den Flur um das Gespräch anzunehmen.
 

„Es gibt Dämonen?“, fragte Miles leise den Werwolf.

Langsam wurden es ganz schön viele übernatürliche Wesen. Mittlerweile musste er wirklich aufpassen, was er davon alles erzählen konnte und was nicht. Es gab genug Leute, bei denen solcherlei Informationen dafür sorgen könnten, das Quint ihn erneut in einer Klinik aufsuchen durfte. Dann vielleicht dauerhaft...

Kein guter Gedanke.

„Natürlich gibt es die“, hörte Miles als Antwort. „Aber die Meisten versuchen unentdeckt zu leben. Weil wenn das erst einmal auffliegt, wird es meistens einfach nur unschön.“

Miles nickte. Das konnte er sich gut vorstellen.

Quint war ja auch sehr darum bemüht, das ihn keiner erkannte. Wobei er vieles mitmachte. An einigen Abenden ging er mit ihm und den Anderen zum tanzen weg oder sie trafen sich in einer Bar.

„Kann ich dich etwas fragen, Miles?“

Wieder war er zu sehr in seinen Gedanken, aber die Frage hörte er dann doch.

„Ehm, was denn?“

„Was ist das zwischen dir und Quint?“

Diese Frage hatte Eryk bereits dem Vampir gestellt, aber eine wirkliche Antwort war dieser ihm schuldig geblieben.

„Wir sind Freunde.“

„Nur Freunde?“

„Ja“, sagte Miles und nickte dieses Mal zusätzlich. „Aber warum willst du das wissen?“

„Och, ihr habt mir nur nicht den Eindruck gemacht bloße Freunde zu sein“, erklärte Eryk sich.

„Naja, ich bin gerne in seiner Nähe, wenn es das ist, was du meinst. Er behandelt mich nicht als sei ich dumm, so wie viele Andere es tun, wenn sie erst einmal 'davon' wissen.“

„Nicht so einfach anders zu sein, was?“

Miles lächelte.

Das sagte ausgerechnet ein Werwolf zu ihm.

„Ich denke es gibt schlimmeres. Niemals das Tageslicht sehen zu können zum Beispiel.“

„Oder bei Vollmond immer gefahr zu laufen, sich an seine wilde Seite zu verlieren“, führte Eryk es weiter aus.

„Kann das passieren?“

„Natürlich! Da gab es schon viele. Vor allem, wenn man denkt, man stehe darüber, trifft es einen. Wenn man diesen Wahnsinn überlebt, hat man das wohl grausamste erwachen, das man sich vorstellen kann. Zumindest solange einem Freunde oder Menschen im allgemeinen nicht vollkommen egal sind.“

„Ist dir so etwas schon einmal passiert?“, wollte Miles wissen und setzte sich neugierig weiter auf die Kante der breiten Fensterbank auf der er saß.

„Nein. Ich muss zugeben, dass die meisten, von denen ich es weiß, keine geborenen Werwölfe waren. Sie wurden gebissen und als ein Mensch, der sich plötzlich so einem Chaos von Instinkten ausgesetzt sieht... Das muss hart sein.“

„Du bist so geboren worden? Ich dachte immer, man kann nur gebissen werden. Also in den Geschichten ist es immer so.“

„Nahh... Geschichten. Die haben wenig mit der Realität zu tun.“

Bevor Miles weitere Fragen stellen konnte, betrat Corvin wieder das kleine Wohnzimmer.

„Kannst du mir sagen, wie der Dämon aussieht, den Hakon jagt?“, fragte er Eryk.

„Ehm... Ich meine es gab ein Foto von ihm. Nika kann es dir bestimmt Mailen. Aber wieso?“

„Der Kerl den wir gefunden haben war ein Dämon. Sehr gut getarnt, aber ... für Hakon dürfte es einfach gewesen sein ihn zu erkennen - wenn er es denn war.“

„Womit wir rechnen sollten...“

Corvin nickte. „Pass auf, ich... denke du solltest ihn dir mal ansehen und vielleicht sollten wir zusammen arbeiten, ok?“

Eryk nickte. Das klang nicht schlecht.

„Dann lass uns gehen.“

„Gut...“

Der Werwolf stand auf und ging zusammen mit Corvin in den Flur um sich wieder Jacke und Schuhe anzuziehen.

Miles indes blieb alleine im Wohnzimmer.

Die wollten ihn doch jetzt nicht einfach so wieder alleine lassen?!

Niedergeschlagen ob der näherrückenden Einsamkeit, folgte er nun doch den Beiden und lehnte sich an den Türrahmen.

„Tut mir leid, das mein Besuch nur so kurz war. Aber ich denke, ich komme noch einmal vorbei, bevor ich wieder abreise“, ermutigte ihn Eryk.

Nur machte es das Ganze nicht wirklich besser.

„Schon gut... Du hast ja was wichtiges zu erledigen.“

Er lächelte, als würde es ihm nichts ausmachen, aber Eryks Blick verriet, das er die Wahrheit kannte.

Werwölfe konnten keine Gedanken lesen, oder?

Nein, das war nicht möglich... hoffte er.

„Hey, du bekommst deine Zeit schon rum, Kleiner.“

„Kann ich nicht mit? Ich mein... vielleicht kann ich irgendwie helfen oder so!?“

Eryk schaute fragend zu Corvin und damit direkt in die Augen des Anderen.

„Du kennst Hakon besser, könnte es gefährlich werden?“

Corvin hob nur die Schultern.

„Keine Ahnung. Ich würde sagen, du bleibst besser hier, Miles. Du hast damit überhaupt nichts zu tun und sicherer ist das auf jedenfall.“

Mit einem seufzen erkannte er diese Antwort an. Vielleicht würde er ja eine andere Beschäftigung finden.

„Bis später dann“, verabschiedete sich der Norweger und Corvin hob zum Abschied die Hand.

„Wir sehen uns dann spätestens an Charlies Geburtstag.“
 

...
 

Gelangweilt saß Miles am Fenster und schaute hinaus in den Regen.

Wenn ein Abend doch nicht so lang werden könnte...

In seiner Hand hatte er sein Mobiltelefon. Seit einigen Minuten schon, spielte er mit dem Gedanken Quint anzurufen, um ihm zu sagen, dass Eryk in der Stadt war.

Vielleicht könnten sie ja auch mal mit ihm weg gehen...

Das wäre bestimmt lustig... vielleicht.

Erst einmal musste er den Vampir jedoch erreichen und das war seit einigen Tagen sehr schwer.

Aber egal, wozu gab es einen Anrufbeantworter?

Wunschtraum?!

Miles konzentrierte sich auf die Melodie, die er versuchte dem Klavier zu entlocken. Die ersten Male als er in Quints Wohnung war, hatte er sich nicht getraut tatsächlich einmal daran zu sitzen und zu spielen. Oder in seinem Fall: Etwas darauf zu klimpern, immerhin konnte er nicht einmal Noten lesen.

Quint hatte ihm dann jedoch an einem Abend erklärt, dass jedes Instrument, seiner Meinung nach, dazu da war damit darauf gespielt wurde und nichts so einfach kaputt gehen konnte. Nachdem Miles daraufhin noch immer nicht gewillt war sich freiwillig daran zu setzen, um einfach sicher zu gehen, dass auch weiterhin alles heile blieb, hatte der Vampir angefangen mit Miles zusammen einige einfachere Melodien zu spielen.

In diesen, inzwischen unzähligen, Stunden hatte der Vampir neben ihm gesessen und ausgiebig erklärt, was zu beachten war. Wieso das eine schnell und das andere langsam gespielt wurde. Wie Miles die Finger richtig über die Tasten legte und noch vieles mehr. Mit einer Engelsgeduld hatte er verbessert, vorgespielt und Miles immer wieder ermutigt weiter zu probieren ohne ihn jedoch dazu zu drängen.

Am schönsten fand der junge Mann es allerdings, wenn sie nach einer langen Nacht hier ankamen und Quint alleine am Klavier saß um seinen Tag ausklingen zu lassen. Er sagte, dass er das schon seit Jahren so machte, zumindest, solange die Möglichkeit dazu bestand.

Fast immer schlief Miles dabei auf dem Sofa ein und wachte erst später am Tag wieder auf. Manchmal blieb er dort und wartete bis zur Dämmerung, meistens jedoch fuhr er vorher nach Hause.
 

Immer wieder spielte Miles die Melodie und fing von vorne an, sobald er sich verspielte. Bei Quint sah es immer so unglaublich einfach aus. Als wäre es das natürlichste der Welt Lieder zu spielen, die klangen als habe der Vampir mindestens vier Hände. Nach so vielen Jahren des Lernens und der Übung, dürfte das aber auch kein Wunder sein, was auch Quint immer wieder beteuerte.

Etwas frustriert fing Miles schließlich an sich mehr auf das Wasserrauschen zu konzentrieren, das aus dem Badezimmer zu hören war.

Es war schon interessant wie der Vampir so lebte. Was er den ganzen Tag so tat und vor allem die ganze Nacht lang. Ein Teil dessen geworden zu sein, war einfach fantastisch und auch wenn es ihm schon Schmerzen gebracht und Tränen gekostet hatte, würde er die Erlebnisse nie mehr missen wollen.

Miles drehte sich auf dem Hocker bis er zur Tür sehen konnte, zog die Knie hoch und lehnte sein Kinn darauf.

Das Beste an dem morgendlichen Klavierstunden war, dass er Quint so nah sein konnte. Normalerweise ließ der Vampir immer einen gewissen Abstand zwischen sich und allen anderen. Doch auf diesem Hocker gab es einfach keinen Platz zum ausweichen und dennoch blieb er, ja er rutschte sogar näher.

Automatisch bildete sich ein breites Grinsen auf Miles' Gesicht.

Es war einfach toll und alleine der Gedanke daran ließ ein Kribbeln durch seinen Körper ziehen.

Unsicher biss er sich leicht auf die Unterlippe. Soeben hatte sich eine Idee in seine Gedanken geschlichen und wollte ausprobiert werden.

Nur vielleicht wäre Quint dann nicht mehr so gut auf ihn zu sprechen. Immerhin gab es Gründe wegen denen er es nicht mochte, wenn jemand zu weit an ihn heran kam. Trotzdem wollte Miles es testen. Bislang hatte er sich viel leisten können. Was wohl daran lag, dass der Vampir ihn mochte.

Noch immer unsicher stand er auf und ging Richtung Bad. Die Tür stand, wie jedes Mal, einen Spalt weit offen, so dass er vorsichtig hineinsehen konnte.

Kein Wasserdampf versperrte ihm die Sicht, da Quint scheinbar nicht besonders gerne mit warmen Wasser duschte. Somit hatte er, bis auf die Trennscheibe mit milchigem Muster eine freie Sicht auf die Rückseite des Vampirs, der mit dem Gesicht in den Wasserstrahl gerichtet unter der Dusche stand.

Schnell entledigte sich Miles seiner Sachen und öffnete die Glastür durch die er zu dem Untoten kam. Leise zog er die Luft ein als ihn das kalte Wasser traf. Es war eisig. Da konnte man sich direkt in ein Gefrierfach legen.

Der Vampir drehte am Wasserhahn und verstellte die Temperatur auf eine, die sein Mitduscher eher als angenehm empfand. Miles schaute zu Quint. Er hatte nichts gesagt, also war es wohl OK für ihn, nicht mehr alleine in der Glaszelle zu sein.

Zu seiner Überraschung hatte der Vampir die Augen geschlossen und schien das auch nicht ändern zu wollen.

„Quint?“

Der Angesprochene streckte seinen Arm aus und reichte Miles das Shampoo.

Das war zwar nicht das, was er wollte, doch wenn er schon einmal unter der Dusche stand...
 

Während Miles versuchte etwas vom Wasser abzubekommen, was Quint bemerkte und kurz ein wenig Platz machte, musterte er den Vampir.

Es war nicht das erste Mal, dass er zu ihm ins Badezimmer gekommen war, somit kannte er diesen Anblick bereits. So nah war Miles dem Untoten dabei jedoch noch nicht gewesen. Vorher hatte er allerdings auch noch nie diese Idee gehabt und vor allem nicht diese Gedanken. Woher die kamen war ihm selber nicht ganz klar.

Miles biss sich erneut auf die Unterlippe. Sollte er wirklich diesem Drang nachgeben?

Er wollte wissen wie es sich anfühlte von seinem Gegenüber berührt zu werden. Die immer leicht kühlen Finger auf seiner Haut, die schmalen Lippen auf den eigenen.

Noch immer starrte Miles auf den nackten Körper vor sich. In seinem Kopf lief derweil weiter all das ab, was er gerade gerne machen würde.

Je weiter die Szenerie in seinen Gedanken ging, umso mehr spürte er das Kribbeln wieder, das sich langsam in seiner Körpermitte sammelte und ...

Nein, er musste diese Gedanken los werden!

Quint mochte es nicht besonders angefasst zu werden und er würde es ihm womöglich übel nehmen. Vor allem, wenn er so überfallen wurde.

Miles nahm sich etwas vom Shampoo und wusch sich die Haare. Mit dem Rücken zu Quint, damit dieser, falls er mal die Augen aufmachte, nicht sehen würde, dass Miles ein klein wenig angetan war von dem Anblick des Vampirs und seinen eigenen Gedanken.

Seine Gedanken..

Er riss die Augen auf, als ihm einfiel, dass der Vampir diese lesen konnte.
 

Im gleichen Moment wie ihn diese Erkenntnis traf, spürte er eine Hand an seiner Taille, die langsam bis zu seinem Bauch strich. Es war einfach zu erraten, wem sie gehörte, was nicht nur an der Temperatur lag, denn seine Eigene war es hundertprozentig nicht. Noch bevor Miles etwas tun oder sagen konnte, spürte er auch Quints zweite Hand. Mit dieser strich er dem jungen Mann sanft über den Hals.

Vampire und Hälse...

Hoffentlich hatte Quint keinen Hunger, gebissen werden wollte Miles nämlich nicht.

Noch immer kam kein Ton über seine Lippen und als er seine Arme sinken ließ um Quints Hand tiefer zu führen, erhaschte er einen kurzen Blick über seine Schulter auf das Gesicht des Untoten. Auch jetzt hatte der Vampir die Augen geschlossen und erst als er in den Schaum, der auf Miles Haaren verteilt war, fasste, zog er den Jüngeren weiter zu sich unter den Wasserstrahl. Sofort lief diesem der Shampooschaum über das Gesicht.

Um nichts in die Augen zu bekommen, kniff Miles sie zu, weswegen er sich nur noch mehr auf die Berührungen des Anderen konzentrierte.

Jetzt war er noch näher an dem Vampir, näher als jemals zuvor.

Eine Gänsehaut zog sich über seine Haut, als er Quints Kühle an sich spürte. Das Wasser war noch nicht lange genug warm, als dass es ihn hätte aufheizen können.

Wobei das für gewisse Körperteile auch nicht nötig war, was ihm soeben auffiel, als er sich endgültig an den Anderen lehnte..

Miles war durcheinander. Vor allem wegen dem was hier passierte.

Normal war er doch nicht so. Woher also kam dieses Verlangen?
 

Quint hatte ihm einmal erklärt, dass jegliches Gefühl, das ein Mensch einem Vampir gegenüber bekam, meistens nur eine Illusion war. Ein Trick mit dem sich einfacher Beute machen ließ. Allerdings etwas, worüber er keine Kontrolle hatte.

Daraufhin hatte ihm der Vampir aufgezählt, was ein normaler Mensch alles an ihm anders sah. Miles hatte sich gut 5 Minuten Quints Finger angesehen, um sie so zu erkennen wie der Untote sie beschrieben hatte.

Es war nicht einfach und auch jetzt, wo er davon wusste, sah er ihn als Vampir und nicht als den Menschen der er mal gewesen war.

War es also dieser Trick der ihm gerade die Sinne vernebelte und Wünsche in ihm aufkeimen ließ, die er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätte?

Nein, das konnte es nicht sein!
 

Miles genoss, trotz der gelegentlich ablenkenden Gedanken, die Streicheleinheit des Vampirs, der sich offensichtlich weigerte seine Hand wenige Zentimeter weiter runter wandern zu lassen. Dabei hätte er gerne gewusst wie es sich anfühlt.

Die kühlen Finger an seiner empfindlichsten Stelle ...

Bei der Vorstellung biss Miles sich leicht auf die Unterlippe.

Was musste er dafür tun um ihn dazu zu bekommen?
 

Das Wasser prasselte über die beiden Körper und mittlerweile war es unglaublich warm um sie herum. Miles Beine fühlten sich weich an. Als würden sie jeden Moment unter ihm wegknicken und dass nur, weil die Wärme und das Kribbeln auf seiner Haut ihn langsam aber sicher in die Knie zwangen - im wahrsten Sinne des Wortes.

Er lehnte sich endgültig an Quint und suchte nach etwas, das er ihm sagen konnte. Irgendetwas.

Hauptsache er hörte nicht auf.

Egal was noch passieren würde, er wollte weiter diese Hände spüren.

Doch diese Wärme, das weiche Gefühl in seinen Beinen, das langsam bis zu seinem Kopf aufstieg. Ihm wurde schwindelig.

Wieso jetzt?

Sonst konnte er stundenlang heiß duschen, wieso ausgerechnet jetzt nicht?
 

Die, langsam angewärmten Finger des Vampirs lösten sich von ihm. Sofort öffnete Miles die Augen und versuchte durch die Tropfen, die auf sein Gesicht fielen, Quint zu erkennen. Dazu blinzelte er einige Male und wischte sich beinahe unbeholfen über die Lider.

Der Vampir sah ihn an, mit einem sanften, ehrlichen Lächeln. Es war so selten, das es ansteckte und Miles ebenfalls anfing zu lächeln.

Fürsorglich strich Quint ihm die Haare aus der Stirn und hielt eine Hand so, dass dem jungen Mann nicht mehr das Wasser in die Augen tropfen konnte.

„Du solltest jetzt aufwachen!“

Die volle Wucht der Verwirrtheit war in seinem Blick zu erkennen.

„Aber ...“

„Kein aber! Wach auf. Die Sonne scheint schon.“
 

Bevor Miles noch lange nachdenken konnte verblasste das Badezimmer um ihn herum.

Nichts von diesem wunderbaren Traum war noch da, als er die Augen aufschlug. Er lag alleine auf dem Sofa im Wohnzimmer von Quints Apartment. Das einzige Andenken, war eine sehr eng sitzende Hose, die ihn gerade zu aufforderte selber Hand anzulegen, was ihm widerstrebte.

Verschlafen und alles andere als zufrieden über den Ausgang des Traumes blinzelte Miles durch den Raum.

Alles war wie am Abend. Nur dass jetzt die Sonne herein schien und vermutlich auch der Grund war, weswegen er so unpassend geweckt wurde.

Um auf andere Gedanken zu kommen, versuchte er sich zu erinnern wann er eingeschlafen war. Immerhin hatte er wach bleiben wollen. So lange, bis der Vampir wieder die Augen öffnete.

Gen hatte ihn kurz nach Einbruch der Dunkelheit vorbeigebracht. Sie hatte Miles angerufen, weil sie nicht wollte, dass Quint alleine war, wie sie sagte.

Schon beim hereinbringen, musste der Untote gestützt werden, um sich überhaupt auf den Beinen halten zu können und kaum war er in seinem Bett, verfiel er in Tiefschlaf.

Es waren schon zwei Tage ...

Was war ihm nur passiert, das ihn so fertig gemacht hatte?

Dazu hatte Gen nichts sagen wollen. Ihr einziger Kommentar war sowieso nur, dass Quint wohl schlecht auf sie zu sprechen sein würde, sobald er aufwachte. Was ihn nur noch neugieriger werden ließ.
 

Vielleicht solle er mal nachsehen gehen wie es ihm jetzt ging?

Miles stand auf und schlich sich ins Schlafzimmer. Im Normalfall wäre Quint jetzt schon wach, trotz der Tageszeit, denn sein Schlaf war alles andere als fest. Doch jetzt, nichts.

Kein Gemurmel, dass er schlafen wolle oder irgendein anderes Genuschel, das keiner verstand.

„Quint?“

Der junge Mann setzte sich zu dem Vampir auf das Bett und piekste ihm in die Schulter.

„Hey, Quint. Komm schon irgendwann hast du doch ausgeschlafen!?“

Keine Regung, was zusammen mit der fehlenden Atmung ein recht totes Bild abgab. Zum Glück war Miles das schon gewohnt. Wieder biss er sich leicht auf die Unterlippe, während seine Gedanken zurück zu dem Traum wanderten.

„Kannst du dir vorstellen, irgendwann mal – mit mir?“

Ein leises Murren.

„Was soll das denn jetzt heißen?“

Miles seufzte, so konnte das nichts werden. Außerdem sollte er sich diese Frage lieber sparen, wenn Quint wirklich wieder wach war. Die Antwort war offensichtlich und noch wusste er ja nicht einmal woher dieser Gedanke, dieser Wunsch, überhaupt kam.
 

Selber noch immer müde, legte Miles sich neben Quint. Vielleicht würde der Vampir reagieren, wenn er lange genug auf ihn einredete. Nur was sollte er tun, wenn er ihn so sehr nervte, dass er wütend aufwachte?

Konnte Quint überhaupt so richtig sauer sein?

Miles überlegte. Er hatte es noch nie gesehen. Genauso wenig, wie er ihn jemals hatte trinken sehen.

Es gab halt genügend Dinge, aus denen Quint ein Geheimnis machte.

Weiter in Gedanken verloren kuschelte sich der junge Mann an den Untoten und versuchte wenigstens ein winziges Lebenszeichen zu bekommen. Doch alles was er vorfand, war der tote Körper.

Wie sollte es auch anders sein!?

Miles schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, was wohl in den Tagen, in denen Quint mit Gen unterwegs gewesen war, passiert sein könnte, als der Vampir sich zu ihm drehte.

Er war keinesfalls wach und obwohl er sonst immer auf dem Rücken lag, drehte er sich nun auf die Seite und legte dabei dem perplexen Miles einen Arm um die Hüfte.

Während Miles ihn anstarrte, sah er ein kurzes blinzeln und meinte aus dem müden Nuscheln sogar etwas sinnvolles verstehen zu können:

„Halt endlich die Klappe!“

Sorge


 

Radau im Kopf.

Anders kann man das einfach nicht erklären.

Wieso bekomme ich das alles nicht weg?

Ich schaffte es einfach nicht die Stimmen auszublenden. Sie sind so laut. So einnehmend, das nichts anderes mehr durchdringt. Ich halte mir die Ohren zu und versuche mich auf etwas ruhiges zu konzentrieren. Dabei erkläre ich mir selber, worauf ich mich konzentrieren will.

Eine Bergspitze. Nur ich, der Wind und die Wolken.

Ein einsamer Strand. Das Rauschen der Brandung als Gegengeräusch zu dem in meinem Kopf.

Keine Änderung. Alles wird nur schlimmer und schlimmer.

Ich brauche meine Tabletten. Vielleicht hilft es, wenn ich noch eine nehme. Oder zwei... drei...

Egal wieviele!

Als ich mich aufrichte dreht sich alles. Mir wird schlecht. Auch mein Kreislauf hat sich gegen mich verschworen. Diese Momente hasse ich.

Ich habe nichts falsch gemacht und trotzdem passiert es hin und wieder.

Wird mit jedem Mal schlimmer...

Warum kann mir keiner sagen und immer nur gibt es halbherzige Erklärungsversuche, die mir nicht im geringsten helfen.

Immer stärkere Kopfschmerzen.

Ich will das nicht!

Ich will das nicht...

Endlich schaffe ich es bis ins Badezimmer. Mit zittrigen Fingern greife ich nach dem Griff des Spiegelschrankes, doch noch bevor ich ihn öffnen kann, halte ich inne.

Wer ist das?

Das dort vor mir ist ein Spiegel. Ich sollte mein Spiegelbild sehen, aber das bin ich nicht.

Ich kenne diese Person nicht, aber sie tut genau das, was ich auch tue.

Heftig mit dem Kopf schütteln, die Hände in den Haaren und zurückweichend, bis die geschlossene Tür den weiteren Rückzug vereitelt.

„Wer bist du?“, schreie ich den Spiegel an. „Was hast du hier verloren?“

Nur das widerhallen meiner eigenen Stimme bekomme ich als Antwort. Plus die vielen leisen und lauten Stimmen in meinem Kopf, die mir sagen wollen, das sie es sind...

Ich es bin...

Es ein Fremder ist, der mir etwas antun will...

Das es ein Freund ist...

Ein Feind...

Ich muss mich übergeben, aber das Klo schnappt nach mir.

...
 

Schweißbedeckt wachte er auf und strich sich über die Stirn um zu schauen, ob es wirklich Schweiß oder doch bereits Blut war, was er da spürte.

Hätte er einen Herzschlag, würde der wohl gerade rasen. Doch da war nichts. Sein Körper lag still in seinem Bett, geweckt von den Bildern die er geträumt hatte.

Nur ein Traum!

Albtraum...

Doch je mehr Quint ins hier und jetzt zurückkehrte, umso lauter wurde wieder das, was er schon im Traum gehört hatte.

Leise Stimmen, die aber nicht in seinem Kopf waren.

Miles träumte... und zitterte.

Er gab sogar hin und wieder leise jammernde Geräusche von sich.

Es war sein Traum, den Quint eben miterlebt hatte. Der Vampir konnte nicht anders und drehte sich zu dem jungen Mann. Er konzentrierte sich auf die Bilder, die verwirrten Gedanken und Stimmen in dem Kopf des Jüngeren.

Es war vermutlich nicht richtig, das zu tun.

Aber Miles so zu sehen, tat ihm in der Seele weh. Wenn er denn eine hatte. Da gab es ja widersprüchliche Angaben zu. Gedanken dieser Art rutschten aber schnell in den Hintergrund, als Miles blinzelte und Quint ansah.

Er hatte Tränen in den Augen, wie der Vampir jetzt erst bemerkte, und rutschte sofort näher an den Untoten heran um die Arme um ihn zu legen und sich feste an ihn zu drücken.

Dafür gab es zwei Gründe.

Zum einen war es Dank. Zum anderen das Bedürfnis nach Halt.

Quint zögerte ein wenig, legte dann aber auch einen Arm um den Jüngeren und hörte dabei zu, wie dieser jetzt erst recht anfing zu schluchzen.

Von solchen Träumen hatte er ihm schon erzählt, aber bis zum heutigen Tag, hatte er es noch nie mitbekommen. Einen Traum als seinen eigenen hatte er auch noch nicht sehr oft erlebt. Schon gar nicht, wenn es so etwas beängstigendes war.

So musste es sich anfühlen, wenn man den Verstand verlor. Oder so stellte er es sich zumindest vor. Das musste ein Horrortrip für Miles sein.

Quint strich beruhigend langsam durch die leicht feuchten Haare.

„Wie lange träumst du das schon?“

Er bekam nicht sofort eine Antwort. Wollte er aber auch gar nicht. Erst einmal sollte sich Miles beruhigen. Das war vor allem dafür wichtig, das die Bilder nicht weiter auf ihn eindrangen, sobald Quint aufhörte sich einzumischen.

„Seit... einiger Zeit“, hörte er dann, ganz leise nur, die Stimme des jungen Mannes. „Es wird... immer... immer öfter und ... schlimmer.“

Jetzt legte er auch den anderen Arm um Miles, der sich auch direkt weiter ankuschelte.

Miles brauchte die Nähe. Warum verstand Quint nicht wirklich, aber das es so war, stand inzwischen einfach fest.

So lagen sie lange und schwiegen, bis Miles sich wirklich irgendwann ganz beruhigt hatte und kurzzeitig schon wieder weggedöst war. Doch es gab etwas, das ihn wieder weckte. Etwas wichtiges, das er unbedingt loswerden musste.

„Quint, wenn es jemals wirklich so werden sollte, kannst du dann... kannst du...“

Quint wusste, jetzt schon, um was Miles bitten wollte, doch ob er es könnte, das wusste er nicht.

„Lass es nicht soweit kommen, bitte“, bat der junge Mann leise.

Der Vampir nickte und streichelte wieder beruhigend über Miles' Rücken.

„Keine Sorge, ich werde tun, was nötig ist. Aber jetzt... schlaf weiter.“

Verbotene Lektüre

Heimlich blätterte er in dem schmalen Buch und las einige der Zeilen, die ihm die Seiten darbrachten.

Eigentlich sollte er gar nicht hier sein und schon gar nicht sollte er in dem Tagebuch lesen. Es war nicht seins. Er hatte kein Recht dazu. Dennoch tat er es, um zu sehen, wieviel Miles bereits selber herausbekommen hatte. Denn es konnte nicht so einfach an ihm vorbei gehen.

Er musste es doch wissen. Tief in sich drin, im Unterbewusstsein.

An einigen Worten blieb er hängen und las sie gleich mehrmals. Ob das ein Hinweis war?
 

Manchmal ist die Welt wie ein Traum, gefangen in einer Seifenblase.

Zerbrechlich schwebt er durch die Luft und zerplatzt beim schwächsten Windhauch.

Mit ihm verfliegt der letzte Funke Realität und trägt die Welt hinfort.

Zurück bleiben nur die Ruinen aus Glas, die das letzte Wasser kaum zu halten vermögen, in dem die Wahrheit verborgen war.

Es war einmal alles so stabil.

Die Welt, das Glas...

Aber jetzt ist alles verloren im Sturm.

Selbst die Ruinen sind verschollen, wie der Traum und die Wahrheit.
 

Quint klappte das Buch zu, nachdem er sich die Worte gemerkt hatte. Sie erinnerten ihn an etwas, das er einmal gelesen hatte. Vor vielen Jahren, in einer Bibliothek, die schon lange kein Mensch mehr zu Gesicht bekommen hatte. Vielleicht sollte er noch einmal dorthin und versuchen, das alte Buch, in dem er die Informationen gesehen hatte, wieder zu finden.

Wenn er nur wüsste, unter welchem Titel er da suchen müsste...

Mit einem leisen Seufzen lehnte er sich zurück, stützte sich mit einer Hand auf dem Bett ab und schaute auf den Schlafenden.

Warum war er eigentlich hier?

Und wieso machte er sich solche Gedanken darüber, was es wirklich war, das Miles so zu schaffen machte?

'Ach ja', erinnerte er sich selber schweigend.

Er mochte den Jüngeren. Wie ausgelassen und fröhlich er sein konnte, wenn ihm sein Kopf keine Schwierigkeiten machte. Leider passierte es immer häufiger, dass Quint mitbekam, wie sein menschlicher Freund mehr und mehr den Hang zur Realität verlor. Für die meisten war es noch nicht sehr auffällig. Aber er bekam es mit. Durch dessen Handlungen und vor allem seine Gedanken.

Auch jetzt, wo Miles schlafend im Bett lag, konnte er die verwirrenden Träume miterleben. Manchmal hatte es etwas von Alice im Wunderland. Nur nicht in der bunten Zeichentrickversion, in der alles gut ausging.
 

Er musste einen Weg finden, das zu verhindern. Miles sollte im Hier und Jetzt bleiben. Schon, weil Quint wusste, wie sehr der junge Mann darunter litt, wenn er sich in einer Wahnvorstellung verlor. Außerdem wollte er nicht irgendwann der Bitte seines Freundes nachkommen müssen. Er würde es tun, wenn es nötig wurde, aber wenn er vorher eine Lösung fand, dann war ihm diese bestimmt lieber.
 

„Quint“, hörte er plötzlich eine Stimme sagen und er spürte, wie es eisiger wurde.

Es war nicht die Stimme des jungen Mannes, der in diesem Bett lag, aber sie ging von ihm aus, genauso, wie die Kälte.

„Wer bist du?“, fragte der Vampir leise.

„Mein Name ist Miles“, antwortete die Stimme ruhig.

„So wie ihr alle Miles heißt, richtig?“

„Sicher... Wie sollte sonst unser Name sein?“

Quint überlegte, wie er diese kleine Unterhaltung nutzen konnte, doch seine Gedanken würden unterbrochen.

„Du kannst ihm nicht helfen. Er gehört zu uns. Je mehr du versuchst ihn von uns zu trennen, umso schneller wirst du ihn verlieren!“

„Wie bitte?“, fragte er noch, doch zu schnell war alles so wie vorher.

Die Temperatur, das Getümmel in Miles Kopf...

Alles wie immer.

Wissen

Die Sonne schien und ließ den Schnee glitzern. Miles wanderte durch den Wald und blieb dabei auf dem schmalen Weg, der sich durch die Nutzung von ihm und Quint bereits gebildet hatte. Sie waren allein, auch wenn Quint sich des Wetters und der Tageszeit wegen jetzt nicht bei Miles befand. Darum ging Miles auch ganz alleine zum See, um ein paar Fotos, mit der alten Kamera zu machen, die er in Quints Hütte gefunden hatte. Ein paar Fotos waren auf dem Film bereits, aber er hatte keine Ahnung, was oder wer darauf sein könnte, da es noch ein Fotoapparat mit Film war. So ein altes Ding, das erst einmal entwickelt werden wollte, bevor sie dazu kommen könnten sich die Bilder anzusehen. Falls das überhaupt noch klappte. Wie lange die Kamera bereits in der Hütte lag und wie gut sich der Film darin gehalten hatte, würden sie wohl erst raus finden, wenn sie dann in einem Laden standen, um die Bilder abzuholen. Noch war jedoch Platz und somit hatte sich Miles gedacht, er könnte das Wetter ausnutzen. Hier draußen gab es schließlich das reinste Winter-Wunderland und das wollte einfach fotografiert werden!

Ein paar Eiszapfen hatte er bereits festgehalten. Wie sie in der Sonne glitzerten und vor sich hin tropften...

Ein paar bunte Beeren ragten aus dem Schnee. Die Roten wirkten wie Blutstropfen. Die Blauen bildeten ein Muster, das aussah wie ein Schmetterling. Auch das bannte Miles mit der Kamera.

Er freute sich schon darauf sich die Bilder zusammen mit Quint anzusehen. Wie lange war es wohl her, das er Schnee im Tageslicht gesehen hatte?

Natürlich gab es Filme und in der Werbung gab es auch die schönsten Winterorte und strahlend blauen Himmel, aber das hier war eben ein Ort, der Quint wichtig war. Zu dem er sich zurückzog, wenn er Ruhe haben und allein sein wollte. Ein Ort, an dem Miles sich inzwischen genauso wohl fühlte, wie in seiner eigenen Wohnung, weil Quint ihn gerne hier hatte, selbst wenn er keinen anderen in seiner Nähe ertrug.
 

Als es zu kalt, und auch langsam dunkler, wurde ging Miles zurück. Er hatte keine Lust hier im dunkeln herum zu laufen, auch wenn er zumindest keine Bären fürchten müsste. Wölfe könnten sich dennoch hier herumtreiben und da kannte Miles nur einen, der ihn ganz sicher nicht als Abendessen sehen würde. Aber der war nicht hier.

In der Hütte empfing ihn der süße Duft von frischen Plätzchen, die er vor seinem Spaziergang noch gebacken und zum abkühlen hatte stehen lassen. Nachdem er sich Jacke und Schuhe entledigt hatte und die Kamera auf dem Tisch stand, wollte Miles eigentlich sein Gebäck verpacken. Wie jedes Jahr war es ein Teil seiner Geschenke für seine Freunde. Da kam dann noch die ein oder andere Kleinigkeit dazu und es wäre erledigt. Im Grunde hatte er also nun so gut wie alles für Weihnachten fertig.

Blieb eine Sache...
 

*
 

Als Quint aufwachte war der Himmel noch nicht ganz dunkel. Am Horizont war ein heller Streifen, der ihn nicht davon abhielt sich zu Miles zu gesellen. Der packte gerade seine Kekse und Plätzchen in kleine Boxen, um aus ihnen die Geschenke für seine Freunde zu machen. Eine dunkelrote Box fiel Quint ins Auge, da sie wesentlich kleiner war, als alle anderen und kaum etwas hineinpassen würde.

„Wer bekommt denn das?“, wollte er wissen, während er sich an die Arbeitsfläche zwischen Küche und Wohnbereich lehnte. Miles grinste vor sich hin und zählte weiter die Plätzchen vom Blech. Genau sieben Karamell-Makronen, vier Kaffee-Doppeldecker und vier Schoko-Kokos-Plätzchen passten in die Geschenkboxen. Damit hatte Miles dann auch den letzten Rest an Platz ausgenutzt. Quint ließ ihn machen, wo er die Antwort bereits aus dessen Gedanken erfahren hatte. Denn auch wenn Miles ihm verheimlichen wollte, für wen das Geschenk war, reichte es dem Vampir wenn er einen kurzen Gedankenfetzen mitbekam.

Miles Gedanke hatte Quint gegolten. Es war also für ihn und obwohl er es nun wusste, hatte er nicht vor es anzunehmen und eigentlich wusste Miles auch, das Quint keine Geschenke haben wollte.

Als Miles die letzte Box gefüllt hatte richtete er seine Aufmerksamkeit auf den Vampir.

„Du kannst es ruhig nehmen.“ Er kannte Quint gut genug, um sagen zu können, das er seine Frage bereits selbst beantwortet hatte. Zwar mit Hilfe einer kurzen Einsicht in Miles Kopf, aber das nahm er ihm nicht mehr übel. „Es ist auch nichts... naja. Hmmm... wie beschreibe ich das am besten?“

„Sag nicht, das es nur eine Kleinigkeit wäre oder dergleichen. Es bedeutet dir viel...“

Doch Miles ließ Quint nicht weiter sprechen. „Aber das heißt nicht, das es bei dir auch so wäre... ist.“ Der Moment, in dem Miles alles was dieses Geschenk anging durch den Kopf ging, reichte Quint aus, um zu wissen worum es sich handelte. Er senkte den Blick und betrachtete das kleine Geschenk für ihn. Beinahe schon zögerlich nahm er es an sich und machte es doch nicht auf.

„Ich möchte keine Geschenke, Miles“, sagte er und sah Miles wieder an.

„Du hast noch nicht rein gesehen.“

„Brauche ich auch nicht. Ich kenne deine Gefühle und deine Gedanken. Ich kenne deine Schwächen, die Dinge, die dich fröhlich machen...“

„Du kennst mich in und auswendig“, fasste Miles zusammen. Quint nickte. So konnte man das nennen. „Aber was weiß ich von dir? Ja, natürlich – ich weiß schon mehr als viele andere und ich finde es wundervoll, das du mir so sehr vertraust. Das... das... ist etwas, das nicht so selbstverständlich ist, wo du nicht einmal wusstest, ob ich es wert bin. Ja, das hab ich mir gemerkt. Aber du hast auch gesagt, das du auf mich gewartet hast. Wieso ausgerechnet auf mich?“

Quint sah Miles an und wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Jetzt kannten sie sich so lange und er hatte nie einen Gedanken gesehen, der ihn auf diese Frage vorbereitet hätte.

„Ich... weiß es nicht genau“, gab er zu. „Du kamst auf das Dach.“

„Ja, aber ich hatte die Idee dort hoch zu gehen einfach so. Ohne Grund, ohne einen vorangehenden Gedanken an Jeremy. Und vor allem hatte ich die Idee auch erst nach Einbruch der Dunkelheit...“

Miles ließ sich auf einen Stuhl fallen und wischte sich über das Gesicht. So hatte das nicht laufen sollen. „Wieso also ich?“, fragte er noch einmal leise.

Quint blieb eine Weile ruhig und als Miles wieder zu ihm sah, schien dieser zu überlegen. So unsicher hatte Miles den Vampir schon lange nicht mehr erlebt. Es waren diese schwachen, zerbrechlichen Momente, die Miles zeigten, das Quint noch immer menschlicher war, als dieser jemals freiwillig zugeben würde.

„Du warst alleine“, kam es schließlich von dem Unsterblichen. „An dem Abend... du hast … immer wieder daran gedacht, das du jemand anderen brauchen würdest, als deine Freunde. Jemand, der dich besser verstehen könnte.“ Quint spielte mit der schmalen Box. „Ich hatte keine Ahnung, kein Verständnis, aber... ich war auch alleine und...“ Nein, das konnte er Miles nicht erzählen. Es wäre ein Eingeständnis, das er lange nicht einmal sich selbst hatte geben wollen.

„Und?“, wollte Miles wissen.

„Die Wahrheit? Wärst du nicht dort rauf gekommen und hättest Zeit mit mir verbracht, dann wäre ich vielleicht nicht mehr hier. Du warst zwar ängstlich, aber... so offen und warmherzig.“

Miles starrte Quint an. Das war tatsächlich mehr, als er jemals geglaubt hätte zu hören. Darum stand er auch auf und ging um den Tresen, damit er Quint umarmen konnte. Der sah aus, als brauchte er das jetzt, auch wenn er sonst immer eher dagegen war.

„Keine Geständnisse mehr!“, verlangte Quint leise.

„Wie wäre es damit, wenn das gar nicht nötig werden müsste?“

„So wie in... immer die Wahrheit sagen?“ Miles nickte. „Dann sollte ich dir vielleicht sagen, das ich eine Lösung für deine Stimmen habe.“

Abschied

Quint stand vor der Wohnungstür und klopfte doch nicht an. Er ließ sich auch nicht selber rein, so wie er es bereits oft genug getan hatte. Miles würde sich freuen ihn zu sehen und eigentlich hatten sie abgemacht, sich hier zu treffen, um zu besprechen, was für Möglichkeiten es geben könnte. Nachdem Quint gesagt hatte, das er eine Lösung für Miles Probleme hatte, war dieser hellhörig geworden. Am liebsten hätte er alles sofort gewusst, da Quint jedoch nicht wirklich vollkommen sicher war und deshalb noch mit jemandem sprechen wollte, der sich besser auskannte, war das Gespräch, das unweigerlich folgen musste, verschoben worden.

Kein festes Datum.

Nur dann, wenn Quint sicher war. Oder sicherer, als zu dem Zeitpunkt in der Hütte. Er hätte sich nicht hinreißen lassen sollen...

Unschlüssig stand er vor der Tür und kam nicht umhin zu lauschen. Miles, seinen Freunden, aber auch seinen Gedanken. Laut war es. Wie so oft in letzter Zeit. Bislang überspielte Miles es noch recht gut – zumindest was seine Freunde anging. Selbst Chloe schien noch nichts gemerkt zu haben. Sie war noch nicht dabei ihn zu bemuttern und zu belehren, so wie sonst wenn etwas war. Quint konnte sehr gut nachvollziehen, wieso sie das tat.

Und doch... keiner von ihnen ahnte, das es Miles seit Tagen nicht mehr so gut ging, wie er es vor spielte. Quint konnte tatsächlich auch seine Seite verstehen. Der wollte einfach verhindern, das sie sich sorgten, wegen etwas, das keiner von ihnen ändern könnte. Die Worte des Arztes schwebten immer wieder durch Miles Kopf und waren Quint deswegen nicht verborgen geblieben.

Keine guten Nachrichten.

Es vergingen weitere Minuten, in denen der Vampir still vor der Tür stand. Miles Freunde waren da. Er würde wiederkommen, wenn Miles seine Gesellschaft gebrauchen konnte.
 

~
 

Miles lag wach in seinem Bett. Seit Wochen schlief er schlecht und versuchte durch viele kleine Schläfchen, die Tage zu überstehen, an denen er nicht vollkommen übermüdet durch die Gegend wandeln konnte. Bislang lief es ganz gut. Es half nur nicht dagegen, das er Nachts hellwach hier herumlag. Er drehte sich auf den Bauch und knetete das Kissen in eine gemütlichere Position. Das hielt er ganze Zehn Minuten aus dann rotierte er zurück auf den Rücken und seufzte laut. Würde er etwas lesen, dann würden ihm die Augen zufallen, aber schlafen konnte er selbst das nicht nennen. Dazu war er dann zu oft wach, um festzustellen, das seine Augen wieder ihren Dienst versagt hatten.

Es wurde zu warm, Miles streckte ein Bein unter der Decke hervor. Kurz darauf wurde es ihm zu kalt und somit zog er sein Bein wieder ins Warme.

Es hatte keinen Sinn...

Genauso gut könnte er irgendetwas sinnvolles tun und doch kam er nicht aus dem Bett. Dazu war er dann doch zu müde und er wollte ja schlafen.

Nichts lieber als das.

Doch eigentlich schon. Quint hatte sich wieder einmal ewig nicht gemeldet und das obwohl er doch diese Neuigkeit hatte. Etwas gegen die Stimmen, die Unruhe... und dann war er weg und meldete sich nicht mehr. Am liebsten wäre Miles wütend auf den Vampir, aber er schaffte es nicht. Sie hatten sich so kennengelernt. Es war nie anders gewesen. Warum sollte er erwarten, das Quint sich jetzt änderte. Wenn er Gen glauben schenken konnte, und das tat er, dann kannte selbst sie Quint nicht anders.

Jetzt dachte er schon wieder an ihn. Er ertappte sich viel zu oft dabei, egal in welche Richtungen seine Gedanken auch gingen. Früher oder später landete er bei dem Untoten.

Miles seufzte und setzte sich auf. Vielleicht würde ihm eine warme Milch helfen. Hatte sie in den letzten Nächten nicht, aber noch wollte er nicht aufgeben.
 

Auf dem Weg in die Küche, bemerkte Miles den Schatten an seiner Wohnungstür. Zuerst erstarrte er, weil es so mitten in der Nacht doch eher ungewöhnlich war, wenn noch jemand kam. Abgesehen von einem Gast, der jedoch nicht so lange so dort stehen würde.

Ganz sicher nicht.

Nahm er an...

Hoffte er...

Miles starrte die Tür an und beobachtete wie der Schatten sich bewegte. Ein leises Klopfen erlöste ihn schließlich aus seiner Starre und doch schlich er nur ganz leise zur Tür, um vorsichtig hinaus zu schauen, bevor er auf die Idee kam zu öffnen. Es könnte noch immer jeder sein, auch wenn Einbrecher sicher nicht klopften. Also war er sicher, das es Quint war, noch bevor er hinaus sah.

Er begrüßte den Vampir mit einem breiten Lächeln und ließ ihn rein. Am liebsten wollte er ihn umarmen, da es schon wieder Ewig her war, das sie sich gesehen hatten, aber er ließ es. Quint wirkte so... niedergeschlagen.

„Was ist?“, fragte Miles. Er wollte es einerseits wissen, andererseits jedoch lieber nicht. Wenn etwas Quint so runter ziehen konnte, dann musste es etwas schlimmes sein.

War die Lösung vielleicht doch nicht das, was er erwartet hatte?

Elends langsam schälte sich Quint aus seiner Jacke und zog seine Schuhe aus. Etwas, das er sonst eigentlich nie tat, es sei denn das Wetter ließ nichts anderes zu oder Miles bat ihn darum. Neugierig schlich der junge Mann um seinen Gast und beobachtete, was noch kam, damit er auch nichts verpassen würde.

„Lass uns im Wohnzimmer darüber reden“, murmelte Quint schließlich und legte einen Arm um Miles, um diesen zum nächsten Sofa zu bringen. Auch etwas, das nicht oft passierte. Zumindest konnte er sich nur an sehr wenige Male erinnern, die alle einen Grund besaßen, anders als jetzt.

„Aber was ist denn los?!“, wollte Miles wissen, der sich im Schneidersitz auf das Sofa setzte. Quint gesellte sich zu ihm und setzte sich genauso wie Miles, um ihn ansehen zu können.

„Ich habe mit einem Arzt geredet“, fing er an und konnte sofort beobachten, wie sich Miles auf die Unterlippe biss. So aufgeregt und neugierig, so gespannt auf das, was kommen würde...

„Nun... er ist Arzt, aber er ist auch ein Schamane. Dort wo er geboren wurde, wird eine Krankheit wie deine als … etwas Gutes angesehen. Es bedeutet, das derjenige ein Medium ist, mit einer Nachricht aus der … hmm... Geisterwelt klingt ein wenig komisch, aber im Grunde ist es das beste Wort dafür.“ Die Skepsis, die seine Worte bei Miles auslösten, war ihm klar anzusehen und Quint konnte Miles das nicht einmal übel nehmen. Es klang beim ersten hören schon ein wenig merkwürdig, aber er war alt genug, um zu wissen, das es viele Dinge gab, die zuerst sehr komisch klangen.

„Das verstehe ich nicht“, gestand Miles und zog sich die Wolldecke näher, um sie sich über die Schultern zu legen. Genau jetzt musste Müdigkeit über ihn kommen und mit ihr die Kälte die ihn dazu bringen wollte sich einen gemütlichen, warmen Platz zu suchen und einzuschlafen.

„Glaubst du, das du deine Seele hast?“, fragte Quint und bekam ein Nicken zur Antwort. „Nun, nehm mal an, das deine Seele aus Energie besteht. Nun ist da aber noch eine andere Energie. Eine andere Seele oder eine Art Wesen aus einer anderen Ebene der Existenz. Diese beiden Energien vertragen sich nicht und entsprechend geht es dir nicht gut.“

Miles nickte langsam und hatte dabei die Stirn in tiefe Falten gelegt. Es machte Sinn und klang dabei vollkommen an den Haaren herbei gezogen.

„In dem Dorf dieses Arztes wärst du ein Heiler“, erklärte Quint noch leise und zupfte dann an der Decke, um Miles auch ganz sicher eingewickelt zu wissen. „Es gibt die Möglichkeit für dich dort hin zu reisen, um eine Weile dort zu leben und zu lernen, wie du mit dieser zweiten Energie umzugehen hast. Wenn du das kannst, wenn du die Nachricht, die sie durch dich verkünden will, hast aussprechen können, dann... dann wird es dir besser gehen.“

„Das... ist das gut?“ Noch immer war sich Miles nicht sicher, was das alles bedeutete und wie glaubhaft es war und das Quint noch immer nicht diese Niedergeschlagenheit abgelegt hatte, beruhigte ihn auch nicht wirklich.

„Das ist gut, ja“, versicherte Quint.

„Aber warum bist du dann so... naja, so halt.“

Quint lächelte und es wirkte nicht im geringsten fröhlich. „Ich kann nicht mitkommen. Du musst die Reise alleine machen und … das ist der Teil, der mir nicht gefällt.“

Miles schaute den Vampir an. Mit leicht geöffnetem Mund, was er normal gern verhinderte, weil er glaube dadurch besonders dumm auszusehen. Quint empfand das nicht so.

„Wohin?“, wollte er wissen.

„Afrika.“ Miles Herz raste bei dem Gedanken alleine nach Afrika zu fliegen. So weit weg war er noch nie gewesen, schon gar nicht alleine.

„Der Doktor wäre bei dir. Er spricht englisch und würde dir bei allem helfen, was es dort zu Verstehen geben wird.“

Und doch müsste er Miles dort alleine lassen. Er kannte den Arzt noch nicht lange genug, um ihm so sehr zu vertrauen und es handelte sich nicht um sein eigenes Leben, das er in Fremde Hände legte. Das machte ihm zu schaffen. Es war doch Miles, um den es hier ging.

Sein Miles.

„Kann ich darüber eine Weile nachdenken?“, fragte Miles leise.

Tatsächlich drehten seine Gedanken weite Kreise und am besten wäre es, wenn Miles ein wenig Bedenkzeit bekommen würde. Entsprechend nickte Quint und tat auch nichts dagegen, als sich Miles in eine neue Position schob und an ihn lehnte. Obwohl sein Kopf voll mit dem war, was sein eigener Arzt gesagt hatte und auch den Neuigkeiten von Quint, fiel es ihm plötzlich gar nicht mehr so schwer einzuschlafen.
 

~
 

Das seine Eltern dem Ganzen nicht sehr positiv gegenüber standen, war von vornherein klar gewesen. Es klang zu fantastisch und so anders als die Prognosen von Miles zuständigem Doktor in der Klinik. Dennoch hatte Miles ihnen von dem erzählt, wegen dem Quint einige Tage vorher da gewesen war. Inzwischen hatte er sogar ein eigenes Gespräch mit dem Arzt gehabt, mit dem sich der Vampir getroffen hatte.

Nach dessen Erklärung machte das Alles noch einmal mehr Sinn. Vielleicht lag es an der freundlich, warmen Ausstrahlung, die der Mann hatte oder an der Hoffnung, die er durch seine Worte bei Miles auslöste. Noch immer war er sich nicht sicher, ob er glauben konnte, was ihm da erklärt worden war, aber er wollte es.

Er wollte keine Tabletten mehr nehmen müssen und den Nebenwirkungen ausgesetzt sein.

Er wollte nicht mehr andauernd komisch angeguckt werden, wenn er etwas komisches gesagt oder getan hatte.

Miles hielt das Telefon bereits in der Hand, aber er traute sich einfach nicht die Nummer des Arztes zu wählen, um einen Termin zu vereinbaren, um nach Afrika zu fliegen. Vielleicht war es nur ein Strohhalm, aber es war besser als gar nichts und vor einem solchen riesigen Gebilde aus nichts würde er stehen, wenn er seinem eigenen Arzt glauben schenkte.

Miles wählte den Strohhalm und damit auch die Nummer, die er auf einem Zettel in seiner Hand hielt.

Zwar wusste er nicht für wie lange er dann weg sein würde, aber das war okay.
 

~
 

Quint ließ sich selbst rein.

Eine Tasche stand gepackt im Flur. In der Küche waren die Reste einer kleinen Abschiedsfeier und er bemerkte den unruhigen Schlaf des Wohnungsbesitzers. Entsprechend leise ging er durch den Flur und öffnete die Tür zum Schlafzimmer. Miles zu wecken war nicht in seinem Sinn. Er wollte ihn lediglich noch einmal sehen, bevor dieser am nächsten Morgen abreisen würde.

Aus irgendeinem Grund fiel es ihm schwer sich vorzustellen nicht einfach jederzeit herzukommen, um den jungen Mann zu sehen, mit ihm zu reden oder zuzuschauen, wenn er seine Tanzschritte übte.

Wie nah er ans Bett gegangen war, bemerkte er erst, als ihn die warmen Fingerspitzen berührten und Miles Lächeln ihn begrüßte. Er war eindeutig zu tief in Gedanken gewesen, das er nicht bemerkte, wie Miles wach wurde.

„Ich wollte dich nicht wecken“, erklärte er leise und wollte schon wieder zurück weichen, aber Miles hielt ihn fest. Zwar war sein Griff nicht fest, aber die Wärme, die er ausstrahlte, fühlte sich zu gut an, als das Quint die Verbindung unterbrechen wollte.

„Hast du doch gar nicht“, nuschelte Miles verschlafen und zog ihn wieder näher. „Setz dich. Oder nein... leg dich zu mir.“ Das wäre gemütlicher und während sich Quint auf das setzen beschränken wollte, bemerkte er, was für ein Gefühlschaos Miles Schlaf so leicht hatte ausfallen lassen. Er kannte auch eine Lösung dagegen, aber wenn er ehrlich zu sich selbst war, wollte er nicht, das Miles jetzt wieder einschlief. Dabei könnte er die Energie sicher gebrauchen. So eine lange Reise, wie sie Miles bevorstand, war sicherlich nicht einfach. Vor allem, weil es das erste Mal war, das Miles alleine so weit von seiner Familie und seinen Freunden weg sein würde.

Quint fühlte sich schlecht, weil er daran dachte hier noch bei Miles zu sitzen statt ihm dabei zu helfen weiter zu schlafen. Darum seufzte er leise, was dem Anderen nicht verborgen blieb.

„Was ist denn?“, fragte er und drehte sich langsam auf den Rücken.

„Mir... ist nur klar geworden, wie sehr ich dich vermissen werde.“ Das zauberte ein noch breiteres Lächeln auf Miles Lippen, als vor wenigen Minuten die Erkenntnis, das Quint an seinem Bett stand.

„Aber ich werde wiederkommen.“ Quint konnte den Zweifel nicht nur hören sondern auch spüren. Miles hatte Bedenken, was die Reise anging.

Er hatte Angst vor dem, was auf ihn wartete und er war zwiegespalten zwischen den Möglichkeiten, wie die Reise ausgehen könnte. Es könnte nicht klappen, was hieß, das Miles eigener Arzt recht behielt und alles nur noch schlimmer werden würde. Oder aber es könnte klappen und dann... Was wäre dann? Würden ihn seine Freunde noch mögen?

„Du wirst wiederkommen und alle werden froh sein, dich wieder hier zu haben.“

„Du auch?“

„Natürlich ich auch.“ Er vielleicht am aller meisten, aber das wollte er lieber nicht aussprechen. Etwas noch schwerer zu machen, als es war, war weder in Miles noch in seinem eigenen Sinn.

Quint konnte spüren, wie Miles Finger langsam über seinen Handrücken streichelten und erst nachdem er hingesehen und es sich nicht als Einbildung herausgestellt hatte, unterband er Miles tun indem er seine Finger mit den streichelnden verschränkte. Langsam ebbten die sorgenvollen Gedanken ab und machten anderen platz. Die kannte Quint auch schon, aber bislang hatte er es geschafft ihnen auszuweichen. Normal ging Miles auch nicht sehr darauf ein. Er fantasierte und es reichte, wenn Quint da war. Wenn Miles ihn umarmen und sich an ihn lehnen konnte.

Aber jetzt war es anders.

Vielleicht lag es an ihrer Stimmung, an dem Wissen das ihr Abschied bald bevorstehen würde. Natürlich würde Miles wiederkommen und natürlich würde Quint auf ihn warten, aber für den Moment überwog die Last der Abreise.

Vielleicht ließ sich Quint deswegen bereitwillig zu Miles herunterziehen, damit sich ihre Lippen trafen.

Vielleicht war er es auch einfach nur leid sich immer wieder zurück zu ziehen. Wirklich sicher sagen konnte der Untote das nicht, aber er wollte auch nicht darüber nachdenken. Stattdessen ging er auf Miles ein, als dieser anfing die Knöpfe an Quints Hemd zu öffnen, und half ihm dabei auch die anderen Kleidungsstücke los zu werden.

Erst danach kletterte er unter die Bettdecke und wurde sofort von Miles umarmt. Dieser hatte nur eine Shorts an, weswegen Quint sofort in den Genuss von warmer Haut kam und auch der schnelle Herzschlag blieb ihm nicht verborgen. Er spürte ihn deutlich, und er hörte das Rauschen von Miles Blut, während es seine Arbeit tat und sich zusätzlich in dessen Körpermitte sammelte.

Mit dergleichen konnte der Vampir nicht dienen. Nicht jetzt zumindest, was weniger an seinem Willen lag, sondern eher daran, das es eine Ewigkeit her war, das er etwas zu sich genommen hatte. Ohne frisches Blut lagen solche Körperfunktionen brach und da er sie normal auch nicht brauchte, beschränkte er sich auf das Nötigste.

Dinge, die Miles nicht wusste und die er ihm eventuell nie sagen würde. Aber auch das war etwas, was in angenehmeren Gedankengängen unterging. Viel lieber hörte Quint das leise, wohlige Stöhnen, das allein seine Finger bei Miles auslösten. Dabei streichelte er nur sanft an dessen Seite entlang. Quint wusste, das Miles vor Jahren mal mit Chloe zusammen gewesen war. Wie weit die Beiden in ihrer Beziehung gegangen waren, war jedoch nie ein Thema. Eigentlich wollte er es auch gar nicht wissen und doch fragte er sich, ob es das erste Mal für Miles wäre.

Das erste Mal nicht in seinem Kopf...
 

Miles konnte sein Glück kaum fassen. Er hatte gehofft einen Kuss ergattern zu können und ein paar Stunden neben Quint zu liegen. Das hier übertraf daher gerade alles. Vermutlich wusste er darum nicht, wo ihm der Kopf stand und er spürte im Grunde nur noch Quint und alles, was der bei ihm auslöste. Und das war eine ganze Menge.

Es war anders als in seinen Vorstellungen. Kühler vor allem, aber das machte nichts. Seine Temperatur reichte für sie beide und ehe er sich versah hatte sich Quint auf ihn geschoben und küsste sein Kinn entlang zu seinem Hals während sich ihre Finger fester verschränkten und Quint ihre Hände neben Miles Kopf auf dem Kissen hielt. Ganz kurz meinte Miles Zähne zu spüren, aber er hatte keine Angst davor, das Quint sie einsetzen würde. Da war sein Vertrauen zu groß für. Noch nie hatte Quint etwas getan, was ihm geschadet hätte und was auch immer ihn dazu brachte Miles heute nicht abzuweisen und sogar von sich aus weiter zu gehen, würde nichts daran ändern.

Nur mit Mühe bekam Miles die Augen auf, um zu sehen, wie sich der dunkle Haarschopf tiefer schob.

„Quint...“, hauchte er und der Angesprochene reagierte, indem er Miles Brust hinauf küsste, bis er ihn wieder ansehen konnte. Da war etwas in Quints Blick, das Miles schon mehrmals gesehen hatte, aber nie in so einem Ausmaß. Der darauf folgende Kuss ließ den Gedanken jedoch schwinden und so fielen ihm die Augen wieder zu. Miles bekam nur noch mit, wie Quint ihre Hände trennte und seine Finger wieder über Miles warme Haut schickte. Es tat gut. So sehr, das es Miles schwer fiel ruhig liegen zu bleiben. Die Bewegungen schienen Quint jedoch nur anzustacheln. Die Berührungen wurden grober, zu den Küssen gesellten sich leichte Bisse, die bedrohlich nah an den Bund seiner Shorts kamen. Lange blieb das allerdings nicht so, was daran lag, das Quint das Stück Stoff tiefer schob. Immer weiter, bis es ihm nicht mehr im Weg war.

Miles ahnte, was kommen würde und schon jetzt krallte er seine Finger in das Kissen. Unzählige Male hatte er es sich vorgestellt, aber noch nie tatsächlich erlebt. Darum stöhnte er auch laut auf, als er erst Quints Zunge und schließlich seine Lippen spürte.

Das war zu viel Neues!
 

~
 

Es wurde langsam hell, als Miles aufwachte. Er konnte sich nicht so bewegen, wie er wollte und das hatte ihn aus dem Traumland gerissen. Es war ein schöner Traum und entsprechend schlecht war er auf das zu sprechen, was ihn jetzt wach machte.

Aber als er bemerkte, was es war – oder eher wer – da war seine Laune wieder besser, auch wenn die Position noch immer schrecklich unbequem war. Darum rutschte er hin und her, bis er neben Quint lag und es sich wieder gemütlich machen konnte.

Wie spät es war und wann seine Eltern kommen würden, um ihn zum Flughafen zu bringen, wusste Miles nicht, aber er wollte daran auch nicht erinnert werden. Lieber strich er sanft einige Haare aus dem Gesicht des Schlafenden. Es war ein so merkwürdiges Gefühl, neben Quint aufzuwachen. Dabei hatte er es sich schon so oft vorgestellt.

„Ich werde dich vermissen.“ Egal wie lange sein Aufenthalt dauern würde. Im Moment fühlte sich bereits ein Tag zu lang an, daran zu denken, das allein seine Hinreise so lange dauern würde...

„Ich dich auch“, hörte er leise von Quint, der ihn mit diesem ehrlichen, warmen Lächeln ansah, kaum das er die Augen aufgeschlagen hatte. „Am liebsten würde ich mitkommen, aber... sie wollen mich nicht dort haben.“ Was in gewisser Weise verständlich war.

Miles lehnte seinen Kopf an Quints und seufzte. „Bleibt es zwischen uns denn jetzt so? Egal wie ich zurück komme?“

„Miles...“

„Ich mein das ernst, Quint.“ Er hatte es doch gesehen. Quints Blick. Die Liebe darin. Miles weigerte sich einfach zu glauben, das es seine Einbildung war. Das es nur da gewesen war, weil er es hatte sehen wollen. Er war sich sicher, das nichts zwischen ihm und Quint passiert wäre, wenn der Vampir nicht irgendetwas fühlen würde. „Sag mir einfach ganz ehrlich, ob das hier das erste und einzige Mal zwischen uns war, oder … ob du mich nicht nur so verabschiedest, sondern auch da sein wirst, um mich so zu empfangen.“

Quint schwieg und es dauerte so lange, das Miles seine Hoffnung schwinden sah. Als sich aber Quints Arme den Weg durch die Decke suchten, um Miles fest an sich zu drücken, entschied Miles, das er keine Worte brauchte. Es reichte, wenn Quint da war. Das hatte es die ganze Zeit schon getan.

Und trotzdem hörte er schließlich ein leises Flüstern.

„Ich werde da sein, wenn du zurück kommst.“

Lange nicht gesehen

Quint konnte genau den Zeitpunkt festmachen, an dem Miles Flugzeug abhob, ohne das er selber dabei war. Er spürte es einfach, während er in seinem Bett lag und eigentlich den Tag verschlafen sollte. An Schlaf war nur leider nicht zu denken.

So lange hatte er sich jetzt an seine selbst erlegten Regeln gehalten. Es war nicht immer leicht, aber dennoch hilfreich. Menschenleben waren einfach zu kurz und in einigen Zeitabschnitten waren selbst die wenigen Jahre auf ein Minimum geschrumpft.

Wie sehr er es hasste, jemanden sterben zu sehen, den er mochte. Oft genug wäre er lieber an der Stelle der - oder desjenigen gewesen, der eigentlich auf dem Sterbebett lag – oder wo auch immer die letzten Minuten ihr Opfer ereilten.

Wie schwer es ihm diejenigen machen konnten, die wussten was er war und ihn anflehten ihr Leben zu retten...

Sicher hassten sie ihn in ihren letzten Momenten, für seinen Egoismus. So einfach könnte er sie retten und doch tat er es nicht. Die Meisten hatten es tatsächlich so gesehen, das er es tat, weil er alleine so besonders sein wollte. Die Wenigen, bei denen er – aus welchen Gründen auch immer – nicht auf seine Regeln hören wollte, hassten ihn dafür, das er es getan hatte. Es ging so weit, das sie ihn dafür umbringen wollten. Dabei hatten sie es doch genauso gewollt.

Dieses Leben, das keines mehr war.

In den Jahren, die er nun auf der Welt unterwegs war, hatte er allen, die sich an ihm Rächen wollten, das Leben, das sie von ihm bekamen, auch wieder genommen.

Deswegen gab es nun striktere Regeln!

Und Miles war die Ausnahme, der die Mauern einriss, die Quint noch immer nicht so vollständig aufgebaut hatte, wie er es gerne getan hätte.

An dem Abend, an dem sie sich kennenlernten, war er besonders schwach gewesen. Im Grunde genommen war er es immer, wenn er bei Miles war, weswegen er sich gern möglichst weit weg aufhalten würde, doch es zog ihn auch immer wieder zu dem jungen Mann.

Jahre ging das jetzt bereits und im lauf der Zeit hatte er langsam aber sicher aufgehört sich dagegen zu wehren. Das war der Grund, wegen dem er nicht aufgehört hatte, als er in der Vergangenen Nacht bei Miles lag. Der Grund, wegen dem er jetzt nicht einfach wieder einen Rückzieher machen könnte, sobald Miles zurück war. Zwar war nicht viel passiert, aber es war das, was Miles gebraucht hatte. Und wenn er ehrlich war, er auch.
 

~
 

Tage vergingen aus denen Wochen wurden, die schließlich in Monate übergingen. Die ganze Zeit über hörte er nichts von Miles. Zwar hatte er ab und an Kontakt zu dem Doktor, aber der sagte immer nur, das alles gut lief, Miles jedoch seine Abgeschiedenheit brauchen würde.

Abgeschiedenheit von seinem alten Leben – in das er früher oder später wieder zurückkehren würde.

Aber wann?

Die Zeit kam ihm so lange vor, wie die letzten zweihundert Jahre zusammen.

Quint stürzte sich in seine Arbeit, die eigentlich nicht als solche zu bezeichnen war. Er liebte es einfach sich um Musiker zu kümmern. Ihnen zu helfen Fuß zu fassen und so zu sehen, wie sie erfolgreich in die Welt hinaus gingen. Dabei produzierte er keine Superstars. Aber die Musiker unter seinen Fittichen konnten alle gut von ihren Einnahmen leben und füllten angenehm große Bars und kleine Hallen, wenn sie Konzerte gaben.

Und von denen plante er derzeit sehr viele. Hauptsache er hatte jeden Tag der Woche genug zu tun, um keine Zeit für andere Gedanken zu haben. Das er beinahe fanatisch versuchte jede freie Minute mit einer Aktivität zu füllen bemerkte er selbst bereits gar nicht mehr. Es hatte sich so ergeben und so dachte er wenigstens nicht immer an ein und dasselbe... denselben...
 

„Wir wollten die Gegend unsicher machen, hast du das etwa vergessen?“

Gen klang nicht sehr glücklich, als sie es endlich in Quints Büro geschafft hatte. Er hatte es ihr nicht einfach gemacht, waren doch tatsächlich alle Türen auf ihrem Weg abgeschlossen gewesen. Aber sie ließ sich von dergleichen nicht so einfach aufhalten. Bislang hatte sie noch jedes Türschloss geknackt, ob es sie nun aus - oder einsperren sollte.

Quint sah auf und war sichtlich verwirrt. „Hab ich da wirklich zugestimmt?“

„Naja“, druckste Gen kurz und hob die Schultern. „Du hattest da eine leicht andere Nuance im Unterton eines deiner 'Mhmhm's, das sehr leicht als ein Ja zu interpretieren war. Also... ja!“

Quints Blick sprach Bände darüber, das es garantiert kein zustimmendes Geräusch gewesen war, aber Gen ignorierte das gerne. Es kam selten vor, das sie sich trafen, auch wenn sie es gerne anders hätte, aber das war der Grund wegen dem sie jetzt auf keinen Fall so schnell aufgeben würde. Quint war das bewusst und überlegte, ob ihm etwas einfallen würde, womit er Gen loswurde, ohne das sie sich lange dagegen wehrte aber alles hatte er schon einmal probiert und so konnte er, nach all den Jahrhunderten die sie zusammen verbracht hatten, sicher sein, dass sie jeden seiner Tricks schon kannte. Er wusste von ihren jedoch nur eine Handvoll, was vermutlich hieß, das er wesentlich einfacher zu überreden war. Er sollte sich dringend neueres ausdenken.

„Okay, wie hast du dir das vorgestellt?“, wollte er wissen, als er den Deckel auf seinen Stift befestigte. Weitere Termine würde er heute wohl nicht mehr auf dem Kalender eintragen.

„Ich dachte mir, wir gehen zur Gypsy Bar und danach ins Rise und … anschließend könnten wir zu mir gehen und da den Abend ausklingen lassen.“

Ohne groß zu überlegen schüttelte Quint den Kopf. „Wir können in ein paar kleinere Clubs gehen und dann getrennte Wege.“

Gen lehnte sich an den Schreibtisch, der sie von Quint trennte. „Du warst schon ewig nicht mehr bei mir. Meine Kleinen würden sich freuen dich mal wieder zu sehen und ein paar kennst du noch gar nicht. Sie sind so klein und knuddelig...“

Quint hob fragend eine Augenbraue. Wann Gen angefangen hatte Katzen zu halten war an ihm vorbeigegangen, aber das es inzwischen mehr waren, als es gesund sein sollte, das war ihm aufgefallen. Beim letzten Mal hatte er bereits geglaubt, es gab mehr Katzen als Teppich.

„Wie viele Katzen sind es inzwischen, Gen?“

„Ehm...“, sie zählte nach und brauchte eine ganze Weile dafür. „17 und zwei sind schwanger, da kommen also bald wieder kleine, süße, knuddelige...“

„Gen, das sind zu viele.“

„Sagt der Mann, der in einer Höhle auf einer einsamen Insel leben würde, wenn er es nur könnte. Es ist doch wohl meine Sache, wie vielen Tieren ich meine Wohnung überlasse, oder? Und darum geht es auch überhaupt nicht. Lass uns ausgehen!“

Quint seufzte. „Alte, verwirrte Katzenlady...“, nuschelte er und stand auf. Sie war alt genug und sollte entsprechend wissen, was sie tut. Auch wenn er derzeit daran zweifelte „Ich werde nicht mit zu dir kommen, solange da mehr als fünf Katzen sind. Aber in einen Club können wir gehen.“

Gen presste die Lippen aufeinander, als Quint versuchte in ihr Leben zu fuschen. Sonst interessierte er sich für nichts, aber da wollte er jetzt ein Mitspracherecht haben. Doch sie wusste am besten, wie sie es ihm heimzahlen konnte. „Dann entscheide ich, in welchen Club wir gehen.“
 

Von den unzähligen Clubs und Bars hatte es das Paradise sein müssen. Gen vergnügte sich prächtig, aber Quint … nicht so. Er hatte das Gefühl das sich eine Schlange gebildet hatte, von Leuten, die ihn allesamt fragten, ob er tanzen wollte. Bei jedem gab es die gleiche Antwort: Nein, er wollte nicht tanzen. Die Musik gefiel ihm nicht und es erinnerte ihn an Miles. Und selbst mit dem hatte er noch nie getanzt.

Miles und tanzen...

Die Leute von der Street Dance Gruppe, die Miles regelmäßig besucht hatte, bevor er geflogen war, hatten sich ab und an bei ihm gemeldet, um zu erfahren, ob es bereits etwas neues gab, aber da hatte er leider keine Informationen geben können. Auch Miles Eltern wussten von nichts und wurden immer angespannter deswegen. Vermutlich schmiedeten sie alle bereits Rachepläne, falls Miles irgendetwas passieren sollte. Aber Quint war der festen Überzeugung, das alles in Ordnung war, solange sie keinen Brief oder Anruf bekamen.

Wobei er sich langsam auch Sorgen machte. Mehr als einmal hatte er darüber nachgedacht einfach hin zufliegen und nach dem rechten zu sehen. Aber das konnte er nicht tun. Sollte er nicht...

„Oh Gott, Quint. Wie kann man in einem Club nur so träge herumsitzen und nen Gesicht ziehen, als wäre vorgestern die Welt untergegangen?!“ Gen lehnte sich mit einer Hand auf den Tisch und beugte sich so weit vor, wie es nötig war, um auf Quints Augenhöhe zu sein. In der anderen Hand hielt sie ihr Mobiltelefon, wie er mit einem Seitenblick bemerkte.

„Was willst du Gen?“, fragte er und lehnte sich nach hinten, um nicht so nah an ihrem Gesicht zu sein. Gen grummelte leise. „Weißt du, du bist nicht der Einzige, der ihn vermisst.“

„Gen...“

Gen mich nicht! Ich mein es ernst. Er wird wiederkommen. Denk daran was du bist. Irgendwann wird der Tag kommen, an dem er nicht zurück kommt, willst du dann den Rest deines Lebens auch so verbringen? Weil... ernsthaft – dann verschwende nicht die Zeit, die ihr haben könntet!“
 

~
 

Gen hatte sich seit dem Trip ins Paradise nicht mehr gemeldet. Vielleicht hatte es an seinem Blick gelegen, von dem er selbst nichts mitbekommen hatte, aber der neben ihm sitzende hatte ihn darauf angesprochen, ob er immer so einen 'Mörder-blick' zur Schau stellen würde.

Würde ihm nicht stehen...

Daraufhin war er gegangen und hatte Gen wie auch seinen Sitznachbarn zurückgelassen. Für letzten war es sicherlich egal, der wendete sich einfach zur anderen Seite, seinen eigenen Freunden zu. Gen hingegen hasste es, wortlos alleine gelassen zu werden. Auch wenn 'alleine' in diesem Fall hieß, das sie umgeben von einer ganzen Menge Männern war.

Quint seufzte und ließ seinen Blick über die nächtliche Stadt gleiten. Hier oben war es windig, was die meisten Töne des späten Nachtlebens mit sich davon trug und dem Vampir etwas Ruhe bescherte. Die frische, kalte Luft ließ seine Gedanken klarer werden.

Diese Nacht würde er nichts mehr tun, als hier zu stehen und zu warten, bis die Sonne aufging. Je nachdem wie der Tag dann würde, könnte er vielleicht noch ein wenig hier bleiben. Ansonsten müsste er dann sehen, wie er nach Hause kam. Oder wenigstens irgendwo hin, wo es dunkel genug war.

„Hallo“, grüßte ihn eine wohlbekannte Stimme. Die Schritte hatte er bereits gehört, genauso wie das Geräusch, das Des' Fell und seine Flügel machten, wenn er sich bewegte. Er hatte gehofft Des würde weg fliegen. Seine Flügel weiter trainieren, statt hier zu bleiben und den depressiven Vampir zu grüßen. Aber eigentlich hätte er es besser wissen müssen. Es war nun einmal Des. Der war in seinem Kopf genauso zuhause, wie in seinem eigenen. Was hieß, das es niemanden gab, der Quint besser kannte als Des.

„Hi.“ Nur kurz sah er zu der Riesenfledermaus. Von dem, wie er es einschätzen konnte, sah er gut aus. Selbst die letzten Narben wurden inzwischen von dichtem, glänzendem Fell verdeckt und der Bruch der Des am fliegen gehindert hatte, war nur noch als ein kleiner Knubbel zu erkennen. Ein Schönheitsfehler, der die Funktionalität des Flügels nicht einschränkte. Wie es dazu kam, das die Verletzungen, die Des gehabt hatte, so schnell heilten, die restlichen Spuren davon jedoch so unglaublich lange gebraucht hatten, bis sie auch nicht mehr sichtbar waren, wusste Quint nicht. Vielleicht lag es daran, das er trotz seines hohen Alters noch immer lebte.

„Du machst dir über die falschen Dinge Gedanken.“

Da hatte Des wohl recht. Nur machte er sich lieber darüber Gedanken, als über anderes.

„Es dauert nicht mehr lange, weißt du.“ Das ließ Quint aufhorchen. „Was meinst du, Des?“, fragte er, einfach um sicher zu gehen, das die Fledermaus das so meinte, wie er es verstand.

„Miles wird bald zurück kommen. Ich kann es schon spüren, weißt du.“

Es war beängstigend, was die Riesenfledermaus so konnte und das vermutlich niemand sagen konnte, was da noch für verborgene Talente brüteten. Aber jetzt dachte Quint wirklich nicht daran.

„Wie kannst du das spüren?“

Des leckte sich langsam über die Lippen und sah hoch in den Himmel. Was er dort sah, wusste Quint nicht. Die Augen des Anderen arbeiteten noch immer nicht so, wie sie sollten. Aber wenigstens sah er wieder mehr, als nur die Schemen anderer Leute und Gegenstände.

„Ich habe von ihm einen Tropfen Blut bekommen, damit ich sagen kann wo er ist“, erklärte Des. „Aber bevor du jetzt böse darauf reagierst – es war, als du mir gesagt hast, das ich auf ihn aufpassen soll und er hielt es für eine gute Idee.“

Wirklich gefallen tat Quint diese Aussage nicht.

„Ich sollte auf ihn aufpassen...“, wiederholte Des deswegen. „Nur dafür habe ich es gemacht und auch nur das genommen, was als Minimum nötig war.“

Quint seufzte. Er reagierte hier eindeutig zu streng. Des würde niemals jemandem etwas tun. Schon gar nicht denen, die er mochte und er verstand sich wunderbar mit Miles. Vielleicht hatte er darum auch ein Interesse daran, das dieser zurück kam. Ihr letztes Treffen war auch vor dem Abflug schon eine Weile her und Miles hatte sich nur über einen Brief verabschieden können.

Einen, den Quint vorgelesen hatte.

„Kannst du auch sagen, wie lange es noch dauern wird?“, fragte Quint neugierig. Doch dieses Mal schüttelte Des den Kopf. „Nein, das nicht. Aber es dauert nicht mehr lange.“

Eine Weile war es ruhig zwischen den beiden, bis der Vampir sich in Bewegung setzte.

„Quint...“, sagte Des, um seine Aufmerksamkeit noch einmal zu bekommen. „Ich bin froh, das du dich dafür entschieden hast. Er wartet schon sehr lange darauf.“
 

~
 

Die Sonne strahlte ihm entgegen, als er aus dem Flugzeug ausstieg. Miles blinzelte und hielt schließlich die Hand so zwischen die Sonne und sich, das er wenigstens nicht in jemanden hineinlaufen würde. So sehr er es mochte vom Sonnenschein in Empfang genommen zu werden, so ungut war die Vorahnung, was das über die Anwesenheit einer gewissen Person versprach. Quint hatte für ihn schon einmal im Tageslicht gestanden, ob er das hier noch einmal erwarten konnte, war fraglich. Es wäre aber auch zu schön, ihn unter seinen Freunden stehen zu haben, wenn er da gleich aus dem Ausgang gehen würde. Er hatte vor seinem Abflug angerufen und er wusste, das seine Eltern ihn abholten. Auch einige seiner Freunde hatten sich angemeldet – zumindest laut seiner Mutter. Aber Quint würde sicher nicht dazu gehören.

Miles zog also seinen Koffer hinter sich her und die Türen zum öffentlichen Teil des Flughafens öffneten sich vor ihm. Da war ein kleiner Pulk an Menschen, nur für ihn. Sie hielten ein großes Schild in die Höhe und seine Mutter hatte Tränen in den Augen, kaum das sie ihren einzigen Sohn sah. Miles grinste und beeilte sich zu denen zu kommen, die da auf ihn warteten. Bei den Tränen seiner Mutter blieben seine Augen jedoch auch nicht lange trocken. So lange war er noch nie alleine auf einer Reise gewesen und so weit weg von zuhause schon gar nicht. Entsprechend erleichtert war er auch, das seine Familie und seine Freunde hier waren. Seine größte Angst war es gewesen, das niemand da wäre. Davon hatte er sogar vor seinem Abflug geträumt.

Obwohl er dachte, das der erste Weg ihn zu seinen Eltern bringen würde, fuhren diese direkt zu ihm. Chloe hatte eigentlich schon immer einen Schlüssel und hatte sich um seine Pflanzen gekümmert, während er weg war. Sie war es nun auch, die ihm in die Arme fiel, kaum das er seine Tür aufschließen wollte. Als hätte sie davor gelauert, um ihn so begrüßen zu können. Als ihre feste Umarmung sich endlich lockerte, gab sie ihm einen Kuss auf die Wange und zog ihn direkt weiter in die Wohnung. „Ich bin so froh, das du wieder da bist. Ohne dich ist es wirklich nicht das selbe.“ Sie drückte ihn noch einmal und öffnete dann die Tür in sein Wohnzimmer. Sofort fing seine versammelte Tanzgruppe an zu jubeln und jeder prasselte mit Unmengen Fragen auf Miles ein, der vor Freude einfach nur breit grinste und alles versuchte zu beantworten. Es war so viel und alles auf einmal. Ein wenig Besorgnis konnte er in den Blicken seiner Eltern entdecken, als er sie in dem vollgestopften Zimmer endlich mal länger zu Gesicht bekam, aber er lächelte sie nur bereit an und zeigte ihnen einen Daumen hoch. Es ging ihm gut. Besser, als jemals zuvor und diese gute Laune konnte nicht einmal der Fakt zerschmettern, das Quint tatsächlich nicht da war. Miles hatte es befürchtet und es war eingetroffen. Aber die versammelte Mannschaft seiner Freund hier zu haben, war im Moment eh kaum zu überbieten.

Und so vergingen die nächsten Stunden mit jeder Menge Fragen über Afrika und über die Leute, bei denen er nun so lange gewohnt hatte. Es gab viel zu erzählen und Miles zeigte sogar ein Tattoo, das er sich dort hatte stechen lassen. Es war nicht groß und wohl kaum einer, außer den Anwesenden, würde es jemals zu Gesicht bekommen. Aber die Bedeutung war es was zählte und sie gefiel ihm. So wie er fand, das Afrika ein wunderschönes Land war, von dem er nur ein winziges Stückchen hatte erleben können.

„Würdest du wieder fahren?“, kam darum auch die Frage und Miles nickte sofort.

„Auf jeden Fall. Es war fantastisch. Die Leute, die Gegend, das Essen – einfach alles!“ Er schwärmte. Was die meisten jedoch vergaßen, oder gar nicht wussten, Miles war nicht einfach nur im Urlaub. Diejenigen, die über diese Tatsache Bescheid wussten, waren auch die, die bis zum Ende blieben. Sie wollten ihm auch seine Ruhe gönnen, aber vorher wollten sie auch wissen, ob es ihm gut ging.

„Miles, Schatz...“ War es darum seine Mutter, als sie die Tür hörten, als sich die letzten der Tanzrunde verabschiedet hatten. „Wie geht es dir?“ Sie umarmte ihren Jungen, was sie am liebsten den ganzen Abend immer wieder getan hätte, aber vor seinen Freunden, hatte sie das dann doch nicht übertreiben wollen.

„Es geht mir gut, Mum. Es ist leise in meinem Kopf und ich habe seit Monaten keine Tabletten mehr genommen.“

„Darum siehst du so gut aus, hm?“ Chloe grinste. Miles sah tatsächlich gesund aus. Nicht so blass und abgemagert, wie er es dank den Nebenwirkungen oft gewesen war. Außerdem hatte ihn das afrikanische Wetter auch ganz gut getan. So viel Farbe hatten sie alle selten in seinem Gesicht gesehen. Miles grinste und zwinkerte sie an.

„Das war das gute Essen. Oh, da fällt mir was ein!“ Miles befreite sich aus der Umarmung seiner Mutter und ging zu seinem Gepäck, das noch immer im Flur stand. Der große Koffer war so voll, wie er nur sein konnte und als Miles den Reißverschluss öffnete, hätte man meinen können, der Inhalt würde gleich heraus platzen. Aber das tat er nicht. Miles hatte also ganz offensichtlich sehr gut gepackt.

„Das ist für dich, Mum.“ Es war ein Notizbuch gefüllt mit Miles Handschrift und alles was sie da sah, waren Rezepte. Einige hatten ein Bild vom fertigen Produkt andere hatten dazu noch eines mit den Zutaten, wie sie vor dem kochen auf dem Tisch standen.

„Ich hab das selbst gemacht, weil es nur meine Lieblingsgerichte beinhaltet und von dem ich glaube, das es dir auch gefallen würde“, erklärte er. Zwischen den Rezepten waren auch immer wieder so einige Bilder. Scheinbar die Leute bei denen Miles gewesen war. Unter die Bilder hatte er die Namen der Personen geschrieben, auch wenn seine Mutter bei einigen Probleme hatte, sie auszusprechen. Miles sprach es einige Male aus, um ihr zu zeigen, wie es gesagt wurde, aber seine Eltern gaben dann doch auf. Nur Chloe nicht. Die es schließlich sogar schaffte

„Und für dich hab ich das hier.“ Er reichte Chloe eine kleine Schachtel, in der eine Kette und ein passendes Armband lagen. „Die hab ich selbst gemacht. Gab einige komische Blicke, als der 'pinke Junge' sich zu den Frauen gesetzt hat, die damit beschäftigt waren.“

„Das wäre nicht nötig gewesen, Miles.“ Sie hatte schon immer etwas von ihm bekommen, wenn er im Urlaub oder länger in der Klinik gewesen war. Immer hatte er sich was einfallen lassen und sie war nie an auch nur ansatzweise an den Einfallsreichtum heran gekommen.

„Es hat mir Spaß gemacht.“ Und es war ein wundervoller Nachmittag mit den Frauen dort gewesen. Er hatte vieles erfahren und an dem Tag war er auch auf die Idee gekommen, das Kochbuch für seine Mutter zu schreiben.

Miles schaute auf den Berg Wäsche, der sich ansonsten im Koffer befand und fühlte sich plötzlich einfach nur müde.

„Ich glaub um das Chaos kümmere ich mich morgen“, erklärte er und die wenigen Besucher die er noch hatte stimmten der Idee zu.

„Ruh dich aus. Soll ich morgen vorbei schauen und dir ein wenig helfen?“, fragten Chloe und seine Mutter beinahe gleichzeitig und sie sahen sich daraufhin überrascht an. Miles lachte und ihm fiel auf, wie ihm das gefehlt hatte.

„Nein, das geht schon. Ich wer mich um die Wäsche kümmern und ein wenig faulenzen...“

Von jedem bekam er eine weitere Umarmung, bevor sie gingen und Miles winkte ihnen hinterher, als sie zu ihren Autos gingen.

Danach herrschte Ruhe.

Fast schon beängstigende Ruhe.

Miles lauschte auf die Geräusche seiner Wohnung. Den Wasserboiler, das surren des Kühlschranks, den seine Eltern am Vortag noch wieder eingeschaltet und gefüllt hatten, die Heizung...

Das war alles so vertraut und kam ihm im Moment doch so merkwürdig vor. Vielleicht lag es daran, das er es nun ein wenig anders wahrnahm. Ohne die Stimmen in seinem Kopf. Ohne das Wirrwarr in seinen Gedanken.

Einfach nur pure Einsamkeit.

Es war das erste Mal seit langem, das er sich so fühlte.
 

Einsam und verlassen stand er auf seinem Flur, während er sich überlegte, ob er sich vielleicht ein Haustier anschaffen sollte. Vielleicht eine Katze, die dann möglicherweise ein wenig mehr Leben hier herein bringen könnte. Aber würde er gut genug für sie sorgen?

Miles seufzte und schaute noch einmal auf den Koffer. Sich um den jetzt noch zu kümmern, war wirklich nicht in seinem Sinn. Darum nahm er nur das nötigste raus und brachte es in die Küche und ins Bad.

Danach zog er sein Langarmshirt aus und warf es auf den geöffneten Koffer, bevor er seine Schlafzimmertür öffnete. Noch im Türrahmen blieb er stehen. Da stand eine einzelne Kerze auf dem Schränkchen neben dem Bett und sie brannte ruhig vor sich hin. Daneben lag ein Briefumschlag. Er öffnete ihn und fand zwei Zettel darin. Einer war voll mit seinem Namen. Einmal in geschwungener Schönschrift dann wieder in grausig gekritzelt. Als habe jemand sämtliche Möglichkeiten probiert seinen Namen zu schreiben. Auf dem anderen war nur eine kleine Notiz.
 

'Das ist eine Seite aus Quints Kalender. Nur für den Fall das er ein Idiot ist und nicht auftaucht.

Ich werd leider nicht in der Stadt sein, aber wir sehen uns, sobald ich zurück bin.

Kuss

Gen'
 

Miles lächelte breit. Er war sich nicht sicher welcher der beiden Zettel ihm besser gefiel.

„Der von Gen“, hörte er eine Stimme hinter sich und wäre beinahe zusammengezuckt, als ihm in den Sinn kam, das es gar nicht nötig war. Er kannte die Stimme. Er kannte den dazugehörigen Vampir.

„Quint!“ Und tatsächlich stand er da. Unverändert, so wie er ihn in Erinnerung hatte. Sein Quint! Da hielt ihn auch nichts mehr neben dem Bett. Er fiel dem Untoten um den Hals und drückte ihn so fest er konnte. Obwohl er sich ganz klar an das erinnerte, was zwischen ihnen in der Nacht vor seiner Abreise passiert war, überraschte es Miles, das Quint ihn umarmte. Ein wenig fester als normal. Sehr viel länger als nötig.

„Ich hab dich vermisst“, gestand der Vampir, noch bevor Miles es tun konnte.

„Ich dich auch“, kam es leise von ihm und er drückte sein Gesicht in Quints Halsbeuge. Dabei fiel ihm auf, das sich Quint nicht so kühl anfühlte, wie er es beim letzten Mal noch gewesen war. Zuerst hielt er es für Einbildung, doch als er sich endlich soweit von dem Anderen trennen konnte, das er ihm ins Gesicht sehen konnte, bemerkte er auch die gesunde Färbung auf dessen Wangen. Aber Miles war nicht alleine damit sein Gegenüber zu mustern.

„Du siehst so selbstsicher und erwachsen aus.“

„Das haben heute schon viele gesagt. Aber bis auf die Ruhe in meinem Kopf, fühl ich mich kaum anders“, gestand Miles.

„Jeder, der von einer Reise wiederkommt, ist verändert. Wenn man neue Dinge gesehen und erlebt hat. Neue Freundschaften geschlossen... Das ändert immer das Auftreten, auch wenn man es selbst vielleicht nicht so bemerkt.“

Miles nickte nur und legte eine Hand auf Quints Wange, um zu testen ob er sich die Wärme nicht doch nur einbildete.

„Du... bist warm“, hauchte er als es sich als wahr herausstellte. „Und du bist nicht so blass. Wie kann das sein?“ Bislang hatte er immer angenommen Quint könnte gar nicht anders aussehen.

Der Vampir lächelte und schob Miles Richtung Bett. „Du weißt genau, wie das sein kann. Nur habe ich Pläne für uns heute Nacht und … naja. Das geht nicht, wenn ich nur das absolute Minimum zu mir nehme.“

„Hast du jemanden getötet?“ Miles sah ihn mit großen Augen an und Quint wusste, das der Kleinere es ihm übel nehmen würde, wenn er ein Leben genommen hätte. Aber das war nicht nötig. Selbst bei der Menge nicht.

„Nein“, antwortete er darum wahrheitsgemäß. „Allen von denen ich getrunken habe geht es gut und sie wissen nichts von dem, was passiert ist. Ihnen fehlt vielleicht eine halbe Stunde in ihrer Erinnerung und eben etwas ihres Blutes, aber ansonsten sind sie alle in bester Verfassung.“

Das beruhigte Miles und er ließ sich entspannt auf dem Bett nieder. Allerdings zog er Quint mit sich, damit der nicht auf den Gedanken kam sich weiter weg als nötig zu setzen.

„Und was sind das für Pläne?“, fragte er weiter und hoffte auf eine Wiederholung dessen, was Quint ihm als Abschiedsgeschenk gegeben hatte, aber so weit wollte er lieber gar nicht denken. Er wusste schließlich noch immer nicht, wie es mit ihnen beiden nun tatsächlich weiter gehen würde.

„Das kommt gleich, keine Sorge. Aber erst: Wie war es dort?“

Miles biss sich auf die Unterlippe. Er wollte wirklich gerne wissen, was da auf ihn wartete, aber Quint hatte offenbar tatsächlich vor sich von Afrika erzählen zu lassen. Dabei wusste er doch sicher schon alles aus den nun so klar vor sich ausgebreiteten Gedankengängen, die ihn jetzt in Miles Kopf erwarteten. Miles wollte das anmerken, aber Quint sah ihn so erwartungsvoll an, das er lieber anfing von seinen Erlebnissen zu erzählen.

Obwohl er zuerst gar nicht hatte reden wollen, plätscherten kurz darauf die Worte nur so aus ihm heraus und Quint hörte ihm zu. Das war es auch, was er vermisst hatte. Miles Energie. Die Art wie er mit ganzem Körpereinsatz seine Erlebnisse schilderte. Es war einfach wunderbar und Quint genoss jedes Wort und jede Geste, die da kam, bis er es nicht mehr aushielt und Miles wieder in den Arm nahm. Dieses Mal blieb es jedoch nicht dabei und Miles hatte nicht vor etwas dagegen zu tun, als sich ihre Lippen endlich trafen. Im Gegenteil waren seine Hände die ersten, die sich in Quints Haaren wiederfanden und er zog den anderen mit sich, weiter auf die Matratze.
 

So lagen sie auf dem Bett, küssten und hielten sich ohne das ihre Hände den Weg unter ihre Kleidung fanden. Es war ihre Art ihr Wiedersehen zu feiern und auch wenn Quint spüren konnte, das Miles Körper bereits darauf reagierte, wollte er seinen nächsten Schritt nicht zu früh gehen. Er würde sich erklären müssen und wie genau er das tun wollte, hatte er noch nicht entschieden. Sollte er es vorher tun oder lieber erst danach? Alles Dinge, die er einfach nicht entschieden hatte. Miles spielte dabei auch eine große Rolle und dessen Reaktionen hatte er nur ahnen können.

Erst als Miles Finger an Quints Pulli nestelten löste dieser widerwillig seine Lippen von denen des Jüngeren. Er sah ihn an, während Miles Probleme hatte seine Augen auf zu bekommen.

„Du weißt noch, wie ich dir erzählt habe, wie mein Körper funktioniert?“

Miles nickte und blinzelte. Seine Finger waren inzwischen unter dem Pullover und er genoss es Wärme zu spüren, wo sonst keine gewesen war.

„Und auch... das es gefährlich für dich sein könnte, wenn zu viel meines Blutes auf dich übertragen wird?!“

Miles blinzelte erneut, schaute Quint nach wenigen Versuchen jedoch auch wirklich an. „Quint“, hauchte er mehr, als das er es sagte. „Du weißt das ich dir vertraue. Dir mehr als jedem anderen. Also was auch immer du vorhast, es ist okay!“

Doch statt einem weiteren Kuss, den Miles erhofft hatte, spürte er nur, wie sich Quint von ihm weg drückte und aufstand. Zuerst glaubte er, er hätte das falsche gesagt und den Vampir damit vergrault, doch als er sich ebenfalls aufsetzte, konnte er dabei zusehen, wie der andere seine Jacke absuchte. Es dauerte nicht lange und Quint schien zu finden, was er haben wollte. Was auch immer es war hielt er in der Hand, als er sich zurück auf das Bett setzte und zu Miles grinste.

„Das wird verhindern, das dir was passiert!“ Ganz stolz zeigte er das Kondom und Miles schaute zwischen Quint und der kleinen Packung hin und her. „Ein Kondom...“

„Oh, du kennst das?“ Der Wandel auf Quints Gesicht war zu komisch. Er sah aus, als hätte sich seine neuste Erkenntnis in Luft aufgelöst.

„Natürlich. Wir haben früher in der Schule über Verhütungsmittel und Sicherheit vor übertragbaren Krankheiten gesprochen, da kamen die auch vor.“

„Hm...“

Miles fiel es wirklich schwer sich ein Lachen zu verkneifen, also entschied er, das er sich einfach wieder auf andere Gedanken bringen würde. Darum schob er sich auf die Knie und nahm Quint das Kondom ab, um es erst einmal zur Seite zu legen.

„Aber weißt du, ich weiß aus sicherer Quelle, das man das erst später braucht.“

„Später?“, fragte Quint ehrlich verwirrt.

„Ja. Wir haben eindeutig zu viel Kleidung an, als das uns das kleine Utensil weiterhelfen könnte.“

Wieder musste sich Miles ein Lachen verkneifen, als Quint einen Moment brauchte, bis er das verstand, aber er grinste selbst und schnipste als kleine Rache nur sanft gegen Miles Nase.

„Verarsch einen armen, alten Mann doch nicht.“

„Wenn der es mir doch so einfach macht“, verteidigte sich Miles und grinste breit als er seine Hände wieder unter Quints Pulli schob, um diesen endlich loszuwerden. Die Andeutung auf das, was Quint vorhatte war ja nun auch nicht an ihm vorbeigegangen und er war neugierig. Es hatte nur ein einziges Mal gegeben, bei dem Chloe und er beinahe diesen Schritt gemacht hätten, aber noch während sie dabei gewesen waren sich auszuziehen, war ihnen der Mut abhanden gekommen. Zwar hatten sie dann nackt eine Weile nebeneinander gelegen und sich gestreichelt, aber mehr war da nicht passiert. Vielleicht hatten er an dem Tag festgestellt, das seine Gefühle für Chloe anderer Natur waren. Sicher sagen konnte er das nicht mehr, das war eindeutig schon zu lange her. Bei dem was hier passieren würde, war das aber auch eher nebensächlich denn es wäre vollkommen neu. Sogar noch neuer, als das, was Quint beim letzten Mal getan hatte.

„Du bist dir sicher?“, fragte Quint leise, als der Pullover auf den Boden fiel und auch er anfing Miles Oberteil höher und über dessen Kopf zu schieben.

„Natürlich bin ich das.“ Schließlich wartete er darauf bereits seit Jahren. Er hatte es sich vorgestellt, davon geträumt, sich Gedanken gemacht wie das mit Quint laufen könnte.

Ob überhaupt...

Daher war er auch über ein paar Dinge informiert. So wie es aussah, jedoch nicht über alles. Solange Quint jedoch sicher war, wusste Miles einfach, das er sich keine Gedanken machen musste. Vielleicht war das naiv, aber er kannte den Vampir jetzt bereits so lange, das er es einfach so sah.

Miles folgte dem sanften Druck von Quints Hand, der ihn auf der Matratze zum liegen kommen ließ. Die Hände des Vampirs waren so angenehm warm, als sie über den Gänsehaut-gespickten Oberkörper strichen.

„Kalt?“

„Aufregung“, hauchte Miles und sah dabei zu, wie gekonnt seine Hose geöffnet wurde und wie wenig Aufwand es für Quint war, Miles Beine aus der Jeans zu befreien.

„Das ist neu“, fiel Quint auf, als er das Tattoo sah. Langsam fuhr er mit dem Finger drum herum und zeichnete es langsam nach.

„Ja. Es gefiel mir und es passte und darum...“

„Was bedeutet es?“

Einen kurzen Moment überlegte Miles. „Odo Nnyew Fie Kwan“, sagte er dann.

„Und was heißt das?“, wollte Quint wissen. Miles grinste wieder und Quint rutschte ein Stück höher, um ihn direkt ansehen zu können.

„Eine Sprache, die du nicht kannst?“

Der Vampir zuckte mit den Schultern. „Ich kann nicht alles aber vieles erfahre ich einfach aus den Gedanken.“

„Warum das nicht auch?“

Quint schnaubte leise und nutzte seine Position, um Miles zu küssen.

„Na los. Verrate es mir“, hauchte Miles, kaum das sich ihre Lippen trennten.

„Weil ich dich reden hören will. Du bist so lange weg gewesen...“ Musste er denn noch einmal erklären, das er Miles vermisst hatte? Nein, Blödsinn. Er zeigte es ihm einfach auf die bestmögliche Weise, die er kannte und hoffte, das er nicht vollkommen eingerostet war. Sein letztes Mal war immerhin auch schon einige hundert Jahre her. Dennoch sollten sie das Reden endlich lassen. Er konnte sich wesentlich besseres Vorstellen, womit sie ihre Münder beschäftigt bekamen. Darum senkte er seine Lippen auch wieder auf die von Miles. Damit konnte er ihn ablenken, während seine Hand über den Bauch streichelte und von dort hinab zur Hüfte, am neuen Tattoo vorbei und tiefer, um Miles auf das vorzubereiten, was kommen würde. Sanft und gewissenhaft so wie es bei ihm nie jemand getan hatte, aber das waren andere Zeiten und es war gut, das es lange vorbei war. So hatte er sich jetzt ausführlich beraten lassen und war sicher noch heute eine Lachnummer bei den Angestellten des Ladens, in dem er der Bedienung Löcher in den Bauch gefragt hatte. Dorthin ging er lieber nicht mehr. Dafür hatte er alles dabei, was er brauchen würde.
 

~
 

Miles war noch schläfrig, als er die Augen langsam wieder versuchte zu öffnen. Draußen war es hell, aber er hatte keinerlei Lust darauf aufzustehen. Die lange Reise steckte ihm in den Knochen und das ungewöhnliche Willkommen, was Quint ihm da bereitet hatte, ebenfalls. Das es jemals dazu kommen würde, hatte Miles inzwischen beinahe als einen Wunschtraum abgetan, der eh nie passieren würden. Der Vampir hatte ihn entsprechend überrascht.

Auch das er noch immer hier lag und Miles wärmte.

Das war noch nie passiert. Normal war Quint immer eisig und Miles wärmte ihn. Zur Abwechslung war es anders herum und so kuschelte er sich fester an den Untoten, um das zu genießen, solange es nur ging.

Nachdem er sich bewegt hatte, spürte er wie Quints Finger langsam über seinen Rücken streichelten und dessen Lippen sanft auf Miles Stirn einen Kuss hinterließen.

„Du bist wach?“, nuschelte Miles und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. Es gelang ihm nicht.

„Natürlich. Ich muss doch schauen, was sich sonst noch so alles an dir geändert hat.“

Die Träume, die Gedanken... Sie waren anders, aber noch immer ganz eindeutig Miles.

„Danke, das du noch hier bist“, murmelte Miles. Er war kurz davor erneut einzuschlafen, aber das er jetzt wusste, das Quint gar nicht schlief, hinderte ihn daran.

„Ich habe nicht vor so schnell wieder zu gehen.“

„Nein?“

Da richtete er doch wenigstens seinen Kopf soweit auf, das er Quint ansehen konnte.

„Meinst du das ernst? Du bleibst?“

„Eine Weile. Meine Wohnung ist auf Dauer sicherer, aber … die nächsten paar Tage werde ich ganz sicher nicht gehen.“

Miles strahlte bis über beide Ohren. Dafür hatte er eine halbe Weltreise machen müssen, aber es hatte sich gleich in so vielerlei Hinsicht gelohnt.

„Oh... oh... ich muss dir was zeigen.“ Miles trennte sich nur ungern von Quint, aber er musste an seinen Rucksack, um endlich sein Handy wieder einzuschalten und auch direkt ans Laden zu hängen.

„Als ich mit den Schamanen ein Ritual durchgeführt habe, habe ich das hier gesagt. Sie haben es aufgenommen, was ganz gut war, denn ich habe absolut keine Ahnung, was es heißen soll.“

Miles erklärte das alles und kam zurück ins Bett, wo er das Kabel über Quint drapierte, damit er weiter das Handy bedienen konnte. Er startete die Aufnahme.

Da war einiges zu hören. Die anderen Männer, das Knistern von Feuer und schließlich auch Miles Stimme, die in einer für Quint wohlbekannten Sprache etwas von sich gab.

Einer toten Sprache – oder zumindest hatte der Vampir seit gut tausend Jahren niemanden mehr so sprechen gehört. Außerdem war sein Name gefallen.

Als es abgespielt war, legte Miles sein Handy erst einmal wieder weg und sah erwartungsvoll zu Quint.

„Hast du es verstanden?“, fragte er neugierig. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er sagen, Quint war kreidebleich. Aber das war eigentlich nichts neues für den Vampir. Wobei er schon ein wenig mehr Farbe im Gesicht gehabt hatte, als er hier angekommen war. Da legte Miles seine Stirn doch in Falten und musterte den Untoten genauer, während der den Kopf schüttelte.

„Nein. Das sagt mir nichts“, kam es schließlich von ihm.

„Sicher? Ich meine da war was, das klang wie dein Name und darum dachte ich, es wäre eine Sprache, die du kannst.“

„Tut mir leid, Miles.“ Der kuschelte sich wieder an und zog die Decke höher. Miles war noch immer Müde und sicher, das er noch ein paar Stunden Schlaf brauchen würde.

„Das ist schon okay... Hauptsache, du bist jetzt hier.“

Quint versuchte sich ebenfalls zu entspannen und über die Nachricht hinweg zu kommen. Über diesen Weg noch einmal von ihr zu hören...

Damit hatte er nicht gerechnet.

„Odo Nnyew Fie Kwan“, hörte er leise Miles sagen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Odo Nnyew Fie Kwan = "Love never loses its way home" Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (42)
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Von: Puria
2015-05-04T09:12:41+00:00 04.05.2015 11:12
6000 gloreiche Worte! Endlich. *_*
Mei, was hab ich mir das Grinsen verkneifen müssen, als Quint die ersten Abschnitte ... ja, eigentlich schon etwas geschmachtet hat. Und gut so!
Denn umso süßer das Wiedersehen - Und was für eines!
Hätte nicht viel gefehlt und ich hätte beizeiten Miles Gäste eigenhändig mit den Fingern aus der Wohnung gezupft.
 
Ist ein sehr schöne Kapitel geworden!
Nur dass Quint die Sprache von der Aufnahme nicht verstanden hat kauf ich ihm so gar nicht ab. Hoffe, dass da noch mehr kommt und du uns nicht auf dem Mysterium sitzen lässt. ;)
Antwort von:  SamAzo
04.05.2015 14:11
Oh, das hat er verstanden. Jedes einzelne Wort. xD
Weiß nur nicht, ob das auch mal rauskommen wird. Vielleicht, wenn Miles das auch mal Gen vorspielt.
Von: Puria
2015-02-15T21:25:00+00:00 15.02.2015 22:25
Juhu!
Endlich Zeit für ein Kommi! :)

Und ich kann mich abgemeldet nur anschließen, mich hast du auf jeden Fall sehr glücklich gemacht, denn endlich, ENDLICH haben die beiden den nächsten Schritt gepackt. Und damit meine ich nicht (nur) den Sex. Wurde nämlich mal Zeit, dass auch der gute Quint mal aus seinem 'Schneckenhaus' raus kommt. Insbesondere, wenn er ja doch schon lange mit sich hadert den eigenen Gefühlen nachzugeben. ALL THE FEELINGS!

Ich möchte dich da also nur zu gern weiter an die Tastatur schupsen, damit ich (wir) mehr zu Miles zu lesen bekommen ... und Miles Rückkehr. Zumal auch der Schamanenpart sehr spannend klingt. Anbei gefragt (da ich dafür ein Faible hab) gibts für Miles vielleicht ein Tattoo in diesem Zusammenhang - gestochen vom Stammschamanen, um Miles eigenen Fähigkeiten zu unterstützen oder zu bündeln?
Von: abgemeldet
2015-02-14T19:50:17+00:00 14.02.2015 20:50
Hach... ich weiß gar nicht, was ich hier eigentlich noch reinschreiben soll. Du weißt, dass du mich und sicher auch Puria sehr, sehr glücklich gemacht hast. XD
Endlich wird es zwischen den beiden mal konkret.
Und es ist nicht wirklich überraschend, denn das hat sich ja schon soooo lange angebahnt. Warum Quint sich überhaupt so lange geziert hat - furchtbar der Kerl!
Ich muss dir sicher nicht sagen, dass ich mich sehr auf Miles' Rückkehr freue, ja?
Weil... liegt ja auf der Hand.
Danach kannst du von mir aus über seine Zeit in Afrika schreiben. XD
Von: abgemeldet
2014-07-09T18:48:42+00:00 09.07.2014 20:48
Das Kapitel ist wirklich sehr lang geworden.
Ich bin stolz auf dich! ;)
Und ja... da haben wir ihn nun - den tanzenden Miles, der es auf diese Art und Weise sogar schafft, ein paar mehr soziale Kontakte zu knüpfen. Ich finde es sehr toll, dass du nicht nur positive Reaktionen beschrieben hast, als er von seiner Krankheit erzählt hat. Das wäre sehr unrealistisch gewesen, denn jeder geht mit solchen Dingen anders um.
Das ist schon gut für ihn gelaufen und als Höhepunkt dann den Auftritt zu haben, zu dem sogar Quint kommt - hach. Einfach klasse.
Vor allem, dass der Kerl noch einmal auftaucht. Als hätte er geahnt, wie wichtig es für Miles ist, aber wir wissen ja, dass er das nicht nur ahnt, sondern weiß.
Sehr schön, sehr schön. Immer wieder toll, von den beiden zu lesen. =)
Von:  selena
2014-06-29T21:22:05+00:00 29.06.2014 23:22
Ich finde deine Geschichten echt toll und würde gerne wissen wie es weiter geht.
Von: abgemeldet
2013-01-15T15:33:10+00:00 15.01.2013 16:33
Na was treiben die denn da so in der Hütte, hm? ;)
Von: Puria
2012-01-16T20:38:12+00:00 16.01.2012 21:38
Hach, ich mag das Kapite, unabhängig davon, ob wir Jascha jemals nochmal zu Gesicht bekommen. ;D

Dennoch glaube ich, dass es hier eine gute Entscheidung war einen kleinen Plottwist einzubauen. :>
Auch wenn es mich schon gereitzt hätte, wen anderes in Miles Wohnzimmer sitzen zu haben!

Bin letztlich gespannt, wo das vielleicht später nochmal hinführen kann!!
Oh und danke, dass du Jascha eine Chance gegeben hast!!
Von: Puria
2012-01-16T20:34:40+00:00 16.01.2012 21:34
So, an dieser Stelle auch nochmal lieben Dank für das Drabble!
Hab mich echt drüber gefreut und erst recht nciht damit gerechnet! *g*

Dass du den Überraschungsgast unbenannt gelassen hat, öffnet natürlich gänzlich neue Möglichkeiten, die man ja auch nciht ungenutzt lassen sollte! *muhahahaha*
Von: abgemeldet
2012-01-15T13:07:43+00:00 15.01.2012 14:07
Süß. Und ich find es gut, dass nicht gesagt wird, wer ihn da überrascht, obwohl man es sich eigentlich denken kann.
Gibt ja nicht viele, die um diese Zeit noch draußen herumkrabbeln. =)
Von: Puria
2012-01-11T00:28:45+00:00 11.01.2012 01:28
Ich hatte mir erhofft mehr zu erfahren, bin ich ja ganz ehrlich!
Denn wirklich was verraten wurde nicht, obwohl besagter jemand im Tagebuch liest.
Wirklich gemein, dass es nur die kleine Passage ist, auch hätten mich dazu noch Quints Gedanken interessiert.

Aber vielleicht lässt du die wo anders ja noch mit einfließen? :>


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