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Wüstenkinder

Fortsetzung zu "Kinder des Wassers"
von

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Verstand

„Ihr stört nicht... keinen von uns. Bleibt so lange ihr wollt. Oder es für euch nötig ist, wie auch immer.“

Maigi seufzte und lehnte sich betrübt gegen seine Küchenzeile, während er zu Lilliann sah, die leicht lächelnd neben seiner eigenen Frau am Küchentisch saß.

„Und ich bin auch nicht im Weg?“

Semiry schüttelte leicht den Kopf, während sein Cousin ihn fragend anschielte. Sie würden sich ein Zimmer teilen – zwar war noch eines frei, aber das sollte Lillis Eigentum werden. Zumindest für die nächste Zeit. Genda war es egal, für wie lang, so lange sie niemandem auf den Geist gingen. Wobei... wenn er sich das Zimmer mit jemandem teilen musste, konnte er natürlich keinen Besuch mitbringen. Das war sehr schade... in der letzten Zeit hatte er viel Besuch gehabt... manchmal mehrmals am Tag und selbst dann hatte es ihm zum Teil nicht gereicht und er war selbst zum Besucher geworden.

Er würde sie vermissen... aber ihre Tür stand ihm offen, hatte sie ihm gesagt.

Tainini stützte traurig den Kopf auf den Händen ab.

„Es... tut mir so furchtbar Leid, was geschehen ist. Dass mit Imera... und dem Baby, das verdienst du nicht!“

Ihr Mann musterte sie auffällig. Lilliann sah kurz zwischen beiden her.

„So ist das Leben.“, erwiderte sie beinahe tröstend, „Ich komme klar. Ihr helft mir schon enorm.“

Die Angesprochene nickte nur schwach, erhob sich dann und irrte aus der Tür. Ihr Sohn erhob sich geistesgegenwärtig und folgte ihr.

„Entschuldigt uns kurz.“
 

Maigi beantwortete wenige Sekunden später die in deren Verblüffung unausgesprochene Frage der beiden Gäste – ungern, wie es schien. Aber er war fair und wollte niemanden in Unwissen lassen, der es nicht auch verdiente.

„Sie ist im Moment ziemlich sensibel, wenn es um das Thema... na ja, Kinder geht.“

Er sah niemandem in die Augen, hielt den eigenen Blick jedoch nicht gesenkt, sondern ließ ihn aus dem Fenster schweifen.

„Sie wünscht sich schon seit einiger Zeit sehr eines... aber das wäre nicht gut, ich meine, ich muss arbeiten und Semiry wollen wir noch nicht so sehr belasten... und sie selbst ist einfach zu unselbstständig. Das tut ihr sehr weh... uns allen.“

Genda wandte sich ab. Er wollte nichts von den Problemen seiner Tante wissen – nicht, weil er sie nicht gern gehabt hätte, nein, sondern weil er nicht mit ihrem Leid zurecht kam. Er mochte ihr fröhliches Gesicht, mit dem, was sie bedrückte, wollte er sich nicht auseinandersetzen. Musste schlimm sein, blind zu sein...

„Aber... ich würde gern helfen, das würde doch...“

„Daran zweifeln wir nicht.“, unterbrach der zierliche Mann Lilliann prompt, als sie sich betrübt äußern wollte, „Aber wir wollen das alleine hinbekommen. Bei Semiry hast du uns schon zu sehr geholfen, wir sind beides erwachsene Leute... und wenn wir keine Möglichkeit finden, dann müssen wir eben verzichten.“

Die Frau seufzte, dann erhob sie sich. Sie verstand die Beiden... aber dennoch fand sie ihr Verhalten töricht.

„Das Leben geht eben nicht immer die idealen Wege. Ich biete euch meine Hilfe an – ihr solltet sie annehmen, so lange ihr noch jung seid. Ihr habt ein Recht auf euer Glück.“

Beeindruckt von den Worten seiner Mutter schielte auch Genda wieder zu seinem Onkel. Das war ein sehr liebenswürdiges Angebot... aber wer verdiente so etwas mehr als die Beiden? Er hatte sie gern.

„Na... mal sehen. Vielen Dank.“, erwiderte Maigi nur nicht ganz überzeugt.
 

--
 

Als Imera von seiner Arbeit – seiner wirklichen Arbeit – zurückkehrte, erlebte er wie Tage zuvor wieder eine böse Überraschung. An sich hätte es ihm kaum auffallen dürfen, denn es sprach ohnehin niemand mehr mit ihm, aber Teneri machte ihn stutzig, als sie ihm mit einer gepackten Tasche entgegenkam.

„Wohin denn?“, wagte er sie anzusprechen, worauf er sich zunächst einmal wie geahnt einen bitterbösen Blick fing.

Dann drehte sie sich ab, war aber so gnädig ihm zu antworten.

„Mama ist weg gegangen. Sie hat eigentlich gemeint, wir sollten vorerst hier bleiben, aber Genda hat sich nicht abhalten lassen und ich habe vorhin auch abgeklärt, dass ich zu Samili kann. Ich werde Mami zuerst einmal Bescheid sagen und dann ziehe ich um.“

Als sie aus der Tür wollte, setzte er ihr im ersten Schock nach und hielt sie an der Schulter fest, allerdings nicht fest genug, um sie auch zu halten, wie er merkte, als sie sich kaum einen Moment später grob losriss und schnaubte.

„Stell dich nicht an, das war doch nur eine Frage der Zeit! Namini ist noch hier, sie liebt dich noch immer, du solltest ihr viele schöne Sachen schenken, damit sie darüber hinweg sehen kann, was du uns angetan hast... denn so nachsichtig ist die Kleine auch nicht! Und jetzt lasse mich in Ruhe!“

Schnaubend verließ sie das Haus. Der Mann starrte ihr entsetzt nach.
 

Das war genug. In den vergangenen Tagen hatte er die ganze Zeit einfach darauf gehofft, dass wieder alles in Ordnung kommen würde... er war wirklich dumm.

Unmerklich sank er auf die Knie, apathisch die nun wieder geschlossene Tür anstarrend. Er hatte ein uneheliches Kind mit seiner Tante, wie hatte er darauf hoffen können, dass seine Frau da einfach irgendwann drüber hinweg sehen würde können? Wie konnte ein einziger Mann bloß so naiv und dumm sein, das war doch so klar gewesen!

Er hatte es einfach so gelassen, wie es war, weder versucht, sich mit Lilliann auszusprechen, noch Kontakt mit seiner Affäre aufgenommen. Und seinem Sohn.

Er fasste sich an die Stirn. Den hatte er völlig verdrängt. Was sollte er mit einem kranken Kind?

Imera merkte nicht, dass seine Gedanken auf eine ähnliche Art abschweiften, wie es auch die seines Vaters in dieser Situation getan hätten, während er sich erhob.

Takoda war für ihn sein Cousin... sein kleiner, gestörter Cousin, mehr nicht! Er wollte keine Nachkommen mit Chatgaia! Wollte? Zumindest konnte er keine gebrauchen. Und welche, die nicht gesund waren, schon zwei Mal nicht.

Dennoch hätte er sich darum kümmern müssen.

Er schnaubte, ehe er sein Haus wieder verließ. Es reichte. Das war nicht seine Schuld, fand er. Und die, deren Schuld es war, würde es bald zu hören bekommen.
 

Die, die seines Erachtens nach Schuld war, hatte ihrem menschlichen Neffen in der letzten Zeit überraschend wenig Gedanken geschenkt, denn sie war voll und ganz damit beschäftigt, für ihre in letzter Sekunde gerettete Familie zu sorgen, wie es auch ihre Aufgabe war. Und das war trotz allem nicht leicht, denn während sie ihrem Mann vor Scham kaum unter die Augen zu treten wagte, war besonders Takodas Zustand besorgniserregend.

„Ich weiß nicht, was ich tun kann!“, sprach sie an diesem Tag zu Serenka, der gerade die Stube betreten hatte. Ihr Verhältnis hatte sich extrem abgekühlt. Wenn sie ihn ansprach, antwortete er ihr höflich, aber alles andere als liebevoll oder verbunden. Dennoch war er im Moment der Einzige, der ihr zur Verfügung stand – wie sehr wünschte sie sich, sich mit ihrer geliebten Stieftochter unterhalten zu können? Aber das wäre schlecht gewesen... irgendwann würden sie darüber sprechen, aber im Moment war es zu frisch und ihr Gatte obwohl er es nicht zugab zu beschämt, als dass das eine gute Idee gewesen wäre. Oh ja, sie hatte ihn ganz fürchterlich entehrt...

„Wovon sprichst du, Frau?“, riss ihr Sohn sie da aus ihren Gedanken und sie sah zu ihm auf. Es wunderte sie, dass er sie kaum zu vermissen schien – aus Angst, sich zu versprechen, hielt er sich von seinem besten Freund weitgehend fern, suchte er denn nirgends nach etwas Verständnis? Gab es keinerlei Verlangen in ihm, sich mit ihr zu versöhnen? Sie wusste, dass sie es verdiente, und dennoch enttäuschte es sie und verstärkte ihren Schmerz.

Aber das war nun nicht von Belang. Sie sprach weiter.

„Ich rede von Takoda.“, antwortete sie und senkte bekümmert den Blick, „Körperlich ist er so gesund, wie er nur gesund sein kann, aber er kommt trotzdem nicht auf die Beine...“

Der Junge senkte den Blick etwas.

„Auch meiner Wenigkeit ist das nicht entgangen, jedoch finde ich es völlig verständlich. Das hat ihn alles sehr schlimm getroffen – ich wollte nicht mit ihm tauschen.“
 

Das wollte wohl niemand. Uda Magafi saß seufzend am Bett des kleinen Jungen, der sich kaum rührte, bloß leise atmete und zwischendurch blinzelte.

„Sprich doch.“, bat er behutsam, „Ich habe es dir doch erklärt, alles ist gut. Fehlt dir denn noch etwas? Sprich doch bitte!“

Er sprach nicht. Das brachte er nicht über sich.

Wie konnte sich dieser Mann nur so um ihn bemühen? Er war nicht sein Sohn! Er war bloß irgendein krankes Kind, das ihm nur Ärger machte, er sollte ihn am besten in der Wüste aussetzen.

Und was tat er? Er saß bei ihm und sorgte sich! Das tat nur zusätzlich weh! Und das seit Tagen schon, immer wieder tauchte er bei ihm auf und sprach zu ihm und immer wieder hoffte der Junge, es sei das letzte Mal, aber das war es nie, er bemühte sich immer wieder erneut um sein Kind. Sein Kind.

Er entschloss tapfer, etwas dazu zu sagen, ihn endlich darauf hinzuweisen, dass es sinnlos war. Sein erster Versuch scheiterte, denn er war heiser durch die lange Sprechpause und die unangenehmen Medikamente, die er hatte schlucken müssen und so musste er sich zunächst ordentlich räuspern. Uda Magafi hob überrascht beide Brauen.

„Du... bemühst dich unnütz für mich, ich denke. Lasse mich doch einfach...“

„Nein!“, widersprach der Mann streng, griff aber zeitgleich beschwichtigend nach Takodas Hand, „Ich will dich wieder lächeln sehen.“

Er grinste.

„Meine Güte, das nimmt dich ja mehr mit als mich. Und dabei ändert sich für dich doch nichts.“

Der Junge weitete die blauen Augen merklich. Für ihn änderte sich... nichts?

Er setzte sich langsam auf, fasste sich von einem plötzlichen Schwindel gepackt an den Kopf und sah den Älteren dann verständnislos an.

„Ist das für dich so einfach? Immerzu nutze ich dich aus, ich denke! Und... und...“

Er begann zu zittern und wandte sich apathisch ab. Sein Fast-Vater senkte beunruhigt die Brauen, griff jedoch noch nicht ein.

„Ich kann nichts dagegen tun, ich denke! Ich... ich bin mir selbst ausgeliefert und das ist alles die Schuld von Mama und diesem blöden Wüstenkönig! Ich bin krank wegen ihnen! Ich hasse sie!“

Takoda schlug sich die Hände vor sein Gesicht und begann hemmungslos zu schluchzen. Der Senator strich ihm zärtlich durchs Haar. Natürlich war es schwer für ihn, aber wenn er dieses Kind so sah, kam in ihm einfach ein wahnsinniger Beschützerinstinkt auf... und Schutz brauchte der Kleine nun allemal, letztendlich vielleicht sogar vor sich selbst.

„Du hasst sie nicht.“, sprach er behutsam auf ihn ein, „Menschen – und Magier – machen Fehler. Das tut jeder. Und der Fehler, den deine Mutter und dein Cousin gemacht haben, hatte nun einmal fatale Auswirkungen. Jedoch nicht nur schlechte.“

Der Junge sah wieder auf, als der Mann ihn liebevoll anlächelte.

„Ohne ihn gäbe es dich heute nicht und das würde ich sehr bedauern.“

Er war sein Sohn. Lange genug hatte er in Einsamkeit darüber nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass es so war. Auf diese Weise konnte er der ganzen Situation auch etwas Gutes abgewinnen. Der Kleine jedoch konnte seine Meinung nicht teilen.

„Ich nicht.“, antwortete er in einem ungewohnten Tonfall, „Ich würde am liebsten auf der Stelle sterben, ich denke.“
 

Es klopfte an der Tür. Als Serenka öffnete, konnte er es entgegen seiner Art nicht vermeiden, seine roten Augen feindselig zu schmalen Schlitzen zu verengen.

„Welch Ehre.“, schnarrte er, „Hat man bereits bemerkt, dass etwas nicht stimmt?“

Imera schnaubte nur und drängte sich an dem Jungen vorbei. Diesen eingebildeten Bengel konnte er im Moment beim besten Willen nicht gebrauchen.

„Mische dich nicht in Dinge ein, von denen du nichts verstehst!“, riet er ihm nur, während er an ihm vorbei trat, zielsicher in Richtung Stube, wo Chatgaia bereits alarmiert aufgestanden war. Sie sah ihn aus ihren wie üblich stolzen, aber leicht irritierten orangefarbenen Augen an.

„Imera.“, nannte die Frau den Jüngeren beim Namen und verschränkte die Arme vor den üppigen, wie seit Jahren üblich ordentlich verdeckten Brüsten, „Ich habe wohl eine Vermutung, was dich zu mir führt. Sicherlich gibt es Redebedarf – auch wenn ich nicht weiß, was ich dir sagen soll.“

Sie sah kurz zu dem vor Wut schnaubenden Serenka und wollte ihn damit vertreiben, denn das ging ihn nicht direkt etwas an, doch es gelang ihr nicht. Dabei wusste sie genau, dass seine Götter ihm übermittelt hatten, was sie wollte, er widersetzte sich dem einfach.

Mit ihm würde sie sich auch dringend noch einmal unterhalten müssen.

Sie zwang sich, die Gedanken daran zu verdrängen und sprach weiter zu ihrem Gast. Dabei senkte sie den Blick etwas.

„Du möchtest nicht etwa Anspruch auf Takoda erheben?“

Der Mann weitete die blauen Augen kurz, dann lachte er schallend auf. Sein Cousin trat unterdessen irritiert ein paar Schritte zurück.

„Du bist gut!“, schrie er da fast, „Dieses Kind ist im Begriff, mein Leben zu zerstören und ich soll... Anspruch auf es erheben? Ich glaube, du wirst wirklich alt!“

Chatgaia hob ihr Antlitz wieder, die Brauen zusammenziehend. Moment – sein Ton gefiel ihr definitiv nicht.

„Takoda zerstört keine Leben. Er hat niemals etwas Schlechtes getan, er ist unser Opfer.“

In seinen Augen war etwas, das sie nicht kannte. Zumindest nicht bei ihm. Es lag neben Wut, Enttäuschung und Trauer... sie kam zunächst nicht darauf, was es war.

„Nicht unser, höchstes deins! Er hat mein Leben zerstört!“, er schnaubte verächtlich, „Anspruch, dass ich nicht lache! Er ist mir völlig egal, Tante! Von mir aus soll er doch nächstes Jahr draufgehen, mir völlig gleich, ich sehe ihn nicht als meinen Sohn, eher sterbe ich!“

Serenka war zu entsetzt, um sich einzuschalten. Er brachte bloß ein stimmloses Keuchen hervor, als er zum Treppenaufgang blickte, an dessen Ende Uda Magafi und sein kleiner Fast-Sohn standen und alles mithören konnten.

Die Reaktion der Frau war zunächst nur ein einziges Wort, das sie hervor brachte, nachdem sie ihre Hände hatte wieder senken lassen, die sie sich vor den Mund geschlagen hatte.

„Alhata!“
 

Imera wusste, dass er gerade an seinen Vater erinnern musste, aber es war ihm egal, einmal davon abgesehen, dass er noch immer eher positiv an diesen Mann zurück dachte. Er war bloß ehrlich, so grausam seine Worte auch klangen. Er hatte den kleinen, kranken Jungen als seinen Cousin geschätzt, nicht mehr. Jetzt war er ihm jedoch ein gewaltiger Dorn im Auge – mit Lilliann wäre vielleicht schon wieder alles in Ordnung, wenn sie nichts davon gewusst hätte. Wenn es nichts zu verbergen gegeben hätte – keinen Takoda.

„Denke über deine Worte nach, Sohn meiner Schwester!“, fuhr die Frau ihn da aus ihrer Schreckensstarre erwacht an, „Überlege, was du sagst! Das ist dein Kind, ob es dir passt, oder nicht! Seine Versorgung und Erziehung hat bereits ein anderer Mann für dich übernommen, aber DU hast es gezeugt, ohne dich gäbe es den Kleinen nicht – und ich bin dir dankbar dafür, dass es ihn durch dich gibt, denn ICH liebe meinen Sohn!“

Sie zuckte unter seinem Blick, der darauf folgte, zusammen. Alhata... er war definitiv der Erbe des schrecklichen Dorfoberhauptes von Morika. Und ihm hatte sie ihr schönes Thilia gegeben?

Er ließ sich nichts mehr von ihr sagen... aus dem Alter war er heraus. Er war ein Mann... und heimlich ein verdammt stolzer. Er bildete sich so viel auf seine Machtposition ein wie Serenka auf die Tatsache, ein Magafi zu sein. Letzterer war im Übrigen einer Ohnmacht nahe, wurde aber ignoriert.

„Wie schön für dich!“, schrie er ihr ins Gesicht und der ältere Sohn wurde alarmiert aus seinem Schwindel gerissen, als der extrem ungeliebte Besucher ein paar Schritte auf die Magierin zutrat, „Wurde dein bescheuerter, geistesgestörter Kinderwunsch gestillt? Hast du jetzt genügend Kinder zum Bemuttern?...“

Er lachte auf und Chatgaia erbleichte bei seinem Anblick.

Welche blinde Wut, welche Verzweiflung hatte den dämlichen Kerl dazu gebracht, so zu werden? Zu dem, was ihm im Blut lag, doch sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie ein Wort Alhatas jemals derart zu treffen vermocht hatte. Sie konnte nichts erwidern.

„Vielleicht benutze ich auch das falsche Wort!“, gackerte er boshaft weiter, dann wandte er sich Serenka zu, „Was macht sie mit dir? Macht sie mit dir auch Dinge, die keine Frau mit einem Jungen deines Alters tun sollte, schon zwei Mal nicht, wenn sie vom selben Blute sind? Tut sie das? Es würde mich nicht wundern, du bist hübsch, das genügt schließlich schon...!“
 

„Es reicht!“

Hinter dem vor Schock in sich zusammensackenden Jungen war der vor Wut schnaubende Uda Magafi erschienen – seine Frau wusste nicht, in wie weit sich der temperamentvolle Mann nun noch unter Kontrolle haben würde.

Sie sah ihn vor Wut beben und fühlte sich mit einem Mal hilflos wie ein kleines Mädchen... was hatte sie nur getan?

„Was erlaubst du dir? Was denkst du Bastard dir?!“, fuhr er den Jüngeren an und hätte ihn am Kragen gepackt, wenn der nicht geistesgegenwärtig ausgewichen wäre, „Du macht meine Frau allein dafür verantwortlich? Wer hat ihr denn dieses Leben in den Bauch gepflanzt?! Und erzähl hier keinen Mist, eine Frau kann keinen Mann vergewaltigen, erst recht keine so zierliche wie deine Tante es ist, du perverser Idiot!“

Er hätte gerne mehr gesagt... Schlimmeres... doch seine Würde, die er, so dachte er sich, im Gegensatz zu Imera zweifelsohne besaß, hinderte ihn zunächst daran. Sein Gegenüber grinste dreckig.

„Deine Frau ist die widerlichste Schlampe unter der Sonne dieser Wüste!“, behauptete er, „Aber schön, wenn du so hinter ihr stehst – anders als meine nicht ganz so geistesgestörte Gattin es bei mir tut! Ja, geistesgestört bist du, der du bei dieser Hure bleibst! Aber damit passt du ja toll zu deinem... Sohn.“

Der ältere Mann hätte vor Wut platzen können, als er nach ihm schlug und ihn abermals nicht traf, denn Thilias Dorfoberhaupt war jünger und flinker als er, wenn auch körperlich vermutlich unterlegen. Das nützte dem Senator allerdings reichlich wenig, wenn er den Guten nicht zu fassen bekam.

„Wenn ich deine Frau wäre, würde ich dir auch davon rennen!“, fuhr er ihn verärgert an, „Du selbst bist doch geistesgestört, wenn du behauptest, ich wäre selbiges, weil ich dir meine Chatgaia nicht einfach so überlasse!“
 

Serenka saß mit den Nerven am Ende am Boden und beobachtete die unwirkliche Szene wie durch einen Schleier. Dass Takoda neben ihn getreten war, nahm er ebenfalls bloß am Rande wahr.

„Ich nenne dich geistesgestört, weil du dieses behinderte Kind deines nennst! Dabei hast du doch sicher genügend Geld, um es irgendwohin abzuschieben und nie wieder ansehen zu müssen!“, schrie Imera da verständnislos zurück.

Uda Magafi schlug sich gegen die Stirn, um zu verdeutlichen, wie grenzenlos dumm er sein Gegenüber fand.

„Ich will das Kind, das ich als meinen Sohn aufgezogen habe, behalten! Ich weiß ja nicht, was bei deiner Erziehung falsch gelaufen ist, dass dir dein Hirn fehlt, aber ich sehe es nicht ein, die ganze Mühe, die ich daran gesteckt habe, den Jungen aufzuziehen, einfach in den Wind zu schießen!“

Der Jüngere würde seine Haltung niemals verstehen können. Ihm wäre es am liebsten gewesen, sein ungeliebter Nachwuchs wäre irgendwohin verschwunden, wo ihn nie wieder jemand gefunden hätte. Seine Tante wäre wieder seine Tante gewesen und seine Frau seine Frau.

Seine Tante...

Er zischte.

„Vielleicht wäre das aber besser für den Kleinen, am Ende bekommt Chattilein noch ein Kind von ihm, zuzutrauen wäre es ihr! Du willst gar nicht wissen, wie sie mich für sich gewonnen hat...!“

Das wollte er ehrlich nicht. Serenka am Boden schrie gequält auf.

„Das würde sie nicht tun! Mutter liebt uns beide wie eine Mutter ihre Söhne lieben soll, unterstelle ihr nicht mehr Abscheulichkeiten, als sie verbrochen hat! Lass... lass uns in Ruhe!“

Sein Cousin lachte über die verzweifelte Bitte des Jungen, dabei gekonnt ignorierend, wer neben ihm stand.

„Ach, sei doch still. Gib es zu, du bist total scharf auf sie und sagst das nur aus Wut auf mich, weil sie dich nicht will...“

Wieder schrie der Junge auf, das rot angelaufene Gesicht in den Händen vergrabend. Seinem Vater fehlten einen Moment lang völlig die Worte.

Das musste beendet werden.
 

Chatgaia griff instinktiv nach einer Blumenvase, die auf einem Beistelltisch neben ihr gestanden hatte und warf sie an die entgegen liegende Wand, wo sie laut zerschellte. Darauf erhielt sie die geschlossene Aufmerksamkeit, die sie sich auch gewünscht hatte, obgleich ihr ebenso die Worte fehlten wie ihrem Mann.

„Hört ihr euch einmal zu?!“, brachte sie trotzdem hervor und in ihr kurz zuvor noch geschocktes Gesicht kehrte der Stolz einer Königin zurück, „Was willst du, Imera? Bist du überhaupt noch bei dir?! Du kommst einfach hier an, schiebst mir die komplette Schuld – die ich zweifelsohne nicht alleine trage – in die Schuhe, verleugnest dein Kind, beschämst meinen Erstgeborenen und beleidigst meinen Mann! Wie kannst du das verantworten, Dorfoberhaupt?!“

Serenka sah zu seinem kleinen Bruder auf, als der etwas murmelte. Er verstand nicht, was er gesagt hatte, bemerkte bloß, wie er sich abwandte und zu dem Scherbenhaufen der ehemaligen Blumenvase schritt.

„Es gibst nichts zu verantworten, Tante.“, fauchte der Neffe da zurück, „Ich wollte dir nur einmal mitteilen, wie sehr du mich verletzt hast... dass du mein Leben zerstört hast mit deiner Unvernunft! Irgendwann ist auch meine Geduld einmal zu Ende, Frau! Einmal davon abgesehen, dass jedes Wort, was meinen Mund verlassen hat, an sich die reine, ungeschminkte Wahrheit war...“

Er wurde abermals durch Serenkas Schrei unterbrochen. Die drei Erwachsenen wandten sich ihm erschrocken zu, als er aufsprang, die wenigen Meter bis zu seinem jüngeren Halbbruder hechtete und ihm etwas heftig aus der Hand schlug, worauf seine eigene aus einem kleinen Schnitt zu bluten begann. Vor Uda Magafis Füßen landete eine scharfkantige, blutige Scherbe.

Sein ältester Sohn ignorierte den Schmerz – oder bemerkte ihn in seinem Schrecken überhaupt nicht – und packte den Jüngeren an den Schultern, um ihn heftig zu schütteln. Der sah nur unbeeindruckt zu dem verzweifelten Jungen auf.

„Tu das nie wieder!“, wurde er von letzterem angeschrien, „NIE WIEDER!“

Chatgaia blickte mit großen Augen zu ihren Söhnen. Was war da gerade geschehen...?

Sie wusste nicht, ob es die Götter des Windes waren, die Serenka ihre Frage mitgeteilt hatten, oder ob er sie instinktiv beantwortete, als er von den zierlichen Schultern abließ und stattdessen den linken Unterarm des Kleinen gewaltsam anhob, damit alle anderen die leicht angeritzte Stelle sehen konnten.

Die Frau schlug sich abermals die Hände vor den Mund. Das durfte doch nicht wahr sein...

„Ich habe es nur gut gemeint, ich denke.“, rechtfertigte Takoda sich gleichmütig, „Damit ihr nicht mehr streiten müsst.“

Seine blauen Augen trafen auf die gleichen von Imera, die ihn ungläubig anstarrten. Eben diesen Moment nutzte Uda Magafi, um dem jüngeren Mann einen Zahn auszuschlagen.

Er stürzte Blut hustend zu Boden, während der mit den Nerven völlig fertige Serenka seinen kleinen Halbbruder schützend an seinen eigenen Körper drückte und ihm keine Chance gab, sich aus der innigen Umarmung zu befreien.

„Siehst du, was du angerichtet hast?!“, schrie der Senator auf den jüngeren Mann herab, der sich verwirrt wieder aufrappelte, und war im Begriff, nach ihm zu treten. Er unterließ es dennoch – das war nicht sein Niveau, auch wenn der andere es in seinen Augen durchaus verdient gehabt hätte. Wegen dieses Schweins hatte sich sein jüngster Sohn... er wollte nicht zu Ende denken.

„Konnte ich wissen, dass er zuhört?“, wollte der andere da erheblich leiser und ruhiger als zuvor umgekehrt wissen, während er schwankend auf die Beine kam. Das hatte er nicht gewollt, musste er sich eingestehen...

„Er wohnt in diesem Haus!“, unterstützte Chatgaia ihren Ehemann da und wankte zu den beiden Jungen, um beide kurz in die Arme zu schließen. Das war wahr, kam dem Dorfoberhaupt.

Und mit einem Mal war er zumindest zu einem kleinen Teil wieder da, Imera. Alhata konnte jedoch nicht mehr verdrängt werden... zumindest in nächster Zeit nicht.

Er schnaubte.

„Wen ich nicht sehe, der ist für mich nicht da! Hätte ja auch sein können, dass er sonst irgendwo ist, Himmel...“

Dass er auch weiter gesprochen hatte, als er den Jungen längst bemerkt hatte, ignorierte er. Das war nun eh nicht mehr von Belang.
 

Sie wurden aus den Gedanken gerissen, als sich die Haustüre öffnete. Uda Magafi wunderte sich kurzzeitig darüber, dass der Gast so unhöflich gewesen war, zuvor nicht anzuklopfen, vergaß es jedoch wieder, als der Raum von Mayora, gefolgt von dessen Frau und seinen beiden älteren Kindern den Raum betrat. Sie wirkten angespannt.

„Was ist hier los?“, fragte der Grünhaarige scharf und ließ den Blick über die Anwesenden schweifen. Er wollte eine sofortige Antwort. Seine Götter hatten ihm ein Gefühl gegeben, das so schlecht gewesen war, dass er sich unverzüglich hatte übergeben müssen und auch seinen Kindern war mulmig geworden, so hatten sich die beiden Ältesten auch nicht abwimmeln lassen. Odohri aus Sorge um Serenka, Samili, weil sie ohnehin noch zu ihrer 'Oma' gemusst hatte.

Imera wischte sich das Blut vom Mund, seine Tante stellte sich wieder aufrecht hin. Sie war dankbar, aus dieser widerlichen Situation gerissen worden zu sein – zumindest etwas.

Sie blinzelte, als ihre Götter sie auf etwas hinwiesen. Darauf fing sie sich den fragenden Blick des grünhaarigen Mädchens.

„Komm mit!“, forderte sie es auf und es tat wie ihm geheißen und verließ mit der Frau den Raum. Uda Magafi sah beiden irritiert nach.

„Sie sind beide Kinder des Feuers, sie haben eine sehr enge Bindung.“, erklärte Mayora kurz angebunden und schenkte den beiden übrig gebliebenen Männern einen Blick, der sehr deutlich zeigte, dass er nun von ihnen erwartete, dass sie ihm die Situation erklärten. Eher würde er sich nicht um den Zahn seines Bruders kümmern...

Letzterer tat den Mund nicht mehr auf und Takoda, der sich aus der Umarmung Serenkas befreite, rannte schnaubend die Treppe hinauf und verschwand in seinem Zimmer. Erst jetzt hatte Odohri freien Blick auf seinen besten Freund und erschauderte bei dem bleichen, tränennahen Gesicht. Sie sahen sich in die Augen... kaum eine Sekunde später löste sich der Jüngere aus seiner Starre und stürzte sich schluchzend in die Arme des anderen, der instinktiv seinen Schmerz spürte. Er hielt ihn fest und er tat ihm mit einem Mal so unglaublich Leid, dass er am liebsten mitgeweint hätte. Sie waren beinahe wie Brüder und jeder bedeutete dem anderen unheimlich viel. Seit sie Babies gewesen waren kannten sie sich und teilten jeden Kummer... das würden sie auch immer tun.

„Antwortet mir vielleicht einmal jemand?“, riss Mayora die Aufmerksamkeit da wieder auf sich und sein Schwiegervater räusperte sich etwas verlegen.

War es jetzt etwa an ihm, davon zu erzählen? Der Blick seiner Tochter beantwortete seine unausgesprochene Frage.

„Nun ja.“, begann er sachlich und setzte sich auf einen alten, aber noch bequemen Sessel, „Es ist nun einmal so, dass wir seit einiger Zeit... Probleme haben, meine Frau und ich. Das liegt daran, dass... sie mir untreu war – ich will davon nicht all zu viel sprechen und verschont mich von Fragen nach meinem Befinden.“

Mayora öffnete ungläubig den Mund, während sein Sohn die Worte seines Großvaters bloß nebenbei registrierte, er war beschäftigter damit, Serenka zu trösten. Choralys Blick fiel instinktiv auf Imera.

„Was?!“, schnappte der Grünhaarige da, „Sie... ehrlich?!“

„Mit ihm?“

Die Aufmerksamkeit legte sich auf die brünette Frau, als sie auf ihren Schwager deutete, in dessen Gesicht sich keinerlei Emotion regte. Sein Zwillingsbruder blinzelte ungläubig. Sie ihrerseits fühlte sich irgendwie erleichtert, den viele Jahre alten Verdacht endlich einmal geäußert zu haben.

„Warum denn mit ihm?!“, wurde sie da von Mayora gefragt, in dessen genervten Blick eine unmissverständliche Aggression lag. Zuvor hatten sie eine leichte Meinungsverschiedenheit bei einem Gespräch über Kura gehabt...

Sie antwortete dennoch ruhig, mehr Trubel als nötig musste sicherlich nicht sein, angesichts der angeschlagenen Psyche der anderen...

„Weil ich die Vermutung habe, dass die beiden bereits miteinander verkehrt haben, als ich noch das erste Mal hier war.“

Ihr erbleichender Mann kam nicht zum weiter fragen, als Uda Magafi ihre Aussage bestätigte.

„Gut aufgepasst, Tochter.“

Es war kein ehrliches Lob, beinahe schon eine Art Vorwurf, weil sie ihm zuvor niemals davon erzählt hatte, doch so direkt merkte sie das nicht, denn ihre Aufmerksamkeit lag bei dem nach Luft schnappendem Magier.

Sein Bruder und... seine Tante?! Warum hatte er das nie bemerkt?! Und wie kamen die beiden dazu...? Er musste sich setzen.

Sein Schwiegervater sprach weiter.

„Sie hat mich nicht nur jetzt hintergangen, sondern bereits vor fast dreizehn Jahren... so entstand dann Takoda. Takoda ist nicht mein Kind.“

Er verstummte und wollte nicht mehr weiter sprechen. Selbst Odohri sah kurz auf, als nun auch seine Mutter erbleichte und sein Vater sich dämlich statt auf das Sofa daneben setzte.

„Wie...?“, wisperte Choraly und schlug sich dann beide Hände vor den Mund. Imera kratzte sich am Kopf.

„Biologisch ist er das nicht.“, meinte er dann zu dem Senator, „Aber hast du... habt Ihr vorhin nicht darauf bestanden, dass Blut bei Euch nicht dicker sei als Wasser? Ich bleibe jedenfalls dabei, ich erkenne diesen Jungen nicht als mein Kind an. Ich will nicht, dass er mein Sohn ist, ich überlasse ihn ganz und gar Euch.“

Er seufzte und schreckte heftig auf, als seine Schwägerin erschreckender reagierte, als er es für möglich gehalten hätte.

„Du machst ein Kind und es... es ist dir egal?! Wie kannst du nur?!“

Der Mann antwortete nichts. Egal war falsch ausgedrückt... er konnte nur nichts damit anfangen. Er wusste nicht, was er mit dem kranken Sohn seiner Tante sollte. Er hatte seine Kinder, sie reichten ihm...
 

--
 

„Was bedrückt dich?“

Chatgaia hatte ihre Schlafzimmertür geschlossen und Samili kam sich angesichts des üblen Gefühls, das sie kurz zuvor gehabt hatte, sehr seltsam vor, diese Frage von ihrer Fast-Oma gestellt zu bekommen. Sie verkniff es sich aber, sie das Selbe zurück zu fragen.

Seufzend setzte sie sich auf dem verhältnismäßig großen Bett nieder. Das ihrer Eltern war im Moment kleiner.

„Na ja, es ist so...“, begann sie verlegen und errötete, während sie verunsichert ihre Hände aneinander rieb, „Ich habe jetzt seit einer Weile... einen Freund.“

Die Frau hob beide Brauen und fühlte sich einen Moment aus ihrer miserablen Situation gerissen angesichts der in ihren Augen niedlichen der Tochter ihres jüngeren Neffen. Ein sehr leichtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, während sie dicht neben ihr Platz nahm.

„Aha?“, machte sie dann interessiert und Samili senkte ihren Blick tief. Na, wenn die gewusst hätte... bald würde sie es.

„Wir sind uns auch schon näher gekommen...“

Sie sah auf und mit einem Mal verflog der Älteren das Grinsen, als sie in den roten Iriden sich selbst sah. Sich, die kleine Schlampe...

Sie fasste sich an den Kopf.

„Wie oft habt ihr beiden euch schon geliebt?“

Das Mädchen quietschte. Bewusst hatte man sie verlegen gemacht, Chatgaia verstand sie eben, gelegentlich auch zu gut für ihren Geschmack. Sollte sie ehrlich antworten...?

„Ein paar Mal...“, murmelte sie leise und auf den beinahe gefährlichen Blick der hübschen Frau entgegnete sie dann lauter, „Beinahe jeden Tag! Manchmal auch mehrmals! Bitte verrate mich nicht...“

Sie wusste nicht, dass ihre Großtante sie besser verstand als die meisten anderen. Sie kam nach ihr, dachte sich letztere leise seufzend und bedauerte sie einen Moment lang darum. Unter den Rüschen war sie alles andere als unschuldig...

Sie schielte sie nachdenklich an.

Ich weiß nicht, ob es dir noch nicht aufgefallen ist..., hatte sie vor nicht all zu langer Zeit zu ihrer Stieftochter gesagt, Aber deine Tochter hat für ihr Alter einen nicht zu ignorierenden Vorbau – wie alle Frauen in meiner Familie. Ich empfehle, ihr einmal einen BH zu schenken.

Choraly hatte das gar nicht so toll gefunden und bloß säuerlich geschnaubt.

Ach was!, hatte sie trotzig wie ein Kind erwidert, Sie ist doch noch jung! Außerdem haben wir es bereits einmal versucht, sie meint, das würde sie nerven, sie möchte keinen.

Chatgaia mochte die Dinger auch nicht und trug sie nur ihrem Mann zuliebe. Wenn es erlaubt gewesen wäre, dann hätte sie den Spinner, der das lästige Kleidungsstück erfunden hatte, dafür verflucht. Aber zumindest bei dieser Frechheit hatte sie sich im Griff und konnte sich zurückhalten.

Ach, war an sich auch gleich.

„Ich nehme an, dadurch, dass deine Mutter wohl nicht Bescheid weiß, hast du diesen gewissen Tee auch nicht getrunken – aber auf die Woche geachtet sicherlich. Wer ist denn eigentlich der Glückliche?“

Genau das war das Problem. Samili senkte den Blick tief. Oh Himmel...

„Da hast du jetzt gerade die peinlichen Punkte angesprochen – ich habe eben überhaupt nicht darauf geachtet, ich... ich habe gar nicht so weit gedacht! Und wer es ist willst du sicher gar nicht wissen...“
 

Die Ältere fuhr zu ihr herum. Moment – die Gute war ihr doch nicht derart ähnlich, wie sie gedacht hatte. Sie ihrerseits hatte seit frühester Jugend genau auf das geachtet, was sie so getrieben hatte... und mit wem. Ein kalter Schauer überkam sie und für einige Augenblicke vergaß sie ihre Misere komplett, während Takoda sich wenige Zimmer weiter gerade versuchte in den Schlaf zu weinen.

„Mit anderen Worten, du wolltest dich mit mir unterhalten, weil du... du... schwanger sein könntest von irgendeinem Abschaum? Samili, was soll ich denn da bitte von halten?!“

Das Mädchen senkte den Blick vor Verlegenheit tief. Ihr war gar nicht aufgefallen, wie dämlich sie gewesen war, während sie immer und immer wieder zu Genda gerannt war, damit er ihr diese gewisse, spannende Hitze geben konnte, die beide so liebten. Erst, als ihr am voran gegangenen Morgen furchtbar schlecht gewesen war, waren ihr beängstigende Gedanken über die möglichen Folgen ihres naiven Handelns gekommen. Sie war dabei, sich ihr Leben zu verbauen... jetzt hatte sie Hilfe gesucht.

„Tut mir Leid...“, erwiderte sie kleinlaut und die Ältere schüttelte ungläubig den Kopf.

„Schön!“, schnappte diese und erhob sich, um ein Fenster zu öffnen, auf dessen äußerer Bank ein paar kleine Töpfe mit Kräutern standen. Sie zupfte von verschiedenen Blätter ab und tat sie in eine Schale, die sie darauf aus einem Schrank nahm... und ein kleines, scharfes Messer.

„Gleich haben wir Gewissheit, du kleines Flittchen, ach!“

Chatgaia trat auf sie zu und hatte sie schneller in die Hand geschnitten, als die Jüngere „Au!“ sagen konnte. Ihr Blut tropfte in die Schüssel mit den Medizin-Kräutern und als die Blutung aufhörte, wurden diese darin zermalmt und das Ganze mit Wasser vermengt, das die Heilerin aus dem Badezimmer nahm. Das widerliche Gebräu landete dann ebenfalls auf der Fensterbank.

„Und jetzt sagst du mir seinen Namen!“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust, während sie vor ihrer Fast-Enkelin stand. Diese wagte nicht, auf zu sehen.

„Ist doch völlig egal...“, entgegnete sie nur murmelnd.

Das war so unsagbar peinlich! Warum hatte sie auch so gedankenlos sein müssen, dümmer laufen hatte es wirklich nicht können!

„Und was ist, wenn das kleine Mädchen wirklich Leben in sich hat?! Da wirst du uns wohl den Namen des Vaters verraten müssen!“

Sie schlug sich die Hände vor das tomatenrote Gesicht. Sie hatte ja Recht, aber... es war so furchtbar...

„Ich schäme mich so!“, klagte sie gedämpft, „Genda! Genda Timaro!“
 

Das verschlug der Älteren tatsächlich einen Moment lang die Sprache.

Ihre niedliche, hübsche Großnichte, wohlbehütet und zivilisiert, und der rüpelhafte, hässliche Adoptivsohn von Imera, der Mädchen abfüllte, um sie flach legen zu können, weil sie freiwillig nicht zu ihm kamen... das war eine eindeutig verkehrte Welt, in der sie gerade lebte.

„Dein Geschmack scheint sehr eigene Wege zu gehen, Samili...“, murmelte sie so betroffen, „Ich erkenne in diesem Jungen weder äußere, noch innere Schönheit...“

Sie selbst besaß immerhin äußere, fiel ihr ein. Sicherlich nicht in den Augen aller, aber viele bedachten sie mit gierigen oder neidischen Blicken, das merkte sie und wenn sie es nicht selbst tat, taten es ihre Götter für sie. Es machte sie heimlich sehr stolz...

Die Kleine fuhr auf.

„Er besitzt innere Schönheit! Irgendwo... ich finde sie noch! Er ist kein schlechter Mensch, ich... ich mag ihn gern!“

Es tat ihr gut, es auszusprechen. Mit allen Leuten, bei denen sie überhaupt den Namen ihres Geliebten in den Mund genommen hatte, hatte sie schlecht über ihn gesprochen... dabei mochte sie ihn doch. Sie mochte ihn wirklich und wusste nicht einmal, weshalb sie es tat... er war wirklich nicht schön und grantig obendrein...

„Es freut mich, dass du daran glauben kannst.“, riss Chatgaia sie aus ihren Gedanken, „Aber, Mädchen, was tun wir, wenn sich dein Blut verfärbt? Sollen wir es weg machen, ohne es deinen Eltern zu sagen? Dazu reichen meine Kenntnisse noch...“

Der Gedanke tat der kinderlieben Frau irgendwo weh, aber er war vernünftig, das wusste sie, obgleich sie in den letzten Wochen immerzu mehr als nur unvernünftig gewesen war. Samili war viel zu jung für so etwas, ganz egal, wie reich ihre Eltern waren und wie viele Ammen ihr hätten helfen können. Das war nichts für sie. Und schon gar nicht, wenn Genda der werdende Vater war... der würde sie doch mit dem Hintern nicht mehr ansehen, wenn er das erfahren würde. Wenn er nach seinem Ziehvater kam, würde er niemals etwas von dem Kind wissen wollen...

„Das war sicher falscher Alarm!“, beschwichtigte ihre Großnichte sie oder versuchte es zumindest, dabei theatralisch mit den Händen in der Luft herum wedelnd, „Und wenn doch, dann müssen es meine Eltern unbedingt wissen!“

Die Ältere nickte, dabei verstand sie sie falsch.

„Da bekommst du meinen vollen Respekt für deine Ehrlichkeit, Samili. Das wird dir sicher Ärger machen, aber auch dein Gewissen reinigen. Es wird auch deine Eltern positiv beeindrucken, dass du dich ihnen anvertraust, obwohl sie es eigentlich nie hätten erfahren müssen, das zeigt deine starke Persönlichkeit.“

In dem Mädchen zog sich etwas äußerst schmerzhaft zusammen. Sie hatte zuvor niemals darüber nachgedacht, aber nun, wo diese Entscheidung auf einen Schlag möglicherweise so nahe war, war sie sich sicher, das, was vielleicht in ihr war, nicht töten zu können. Sie wollte das nicht... sie wollte ihren jungen Körper auch keiner solchen Belastung aussetzen, aber das nahm sie lieber in Kauf, als ein unschuldiges Baby zum Tode zu verurteilen. Ihr Baby...

„Ich kann es aber nicht aus meinem Körper spülen mit dem komischen Gift-Tee da...“, sie senkte den Blick noch tiefer als ohnehin schon, „Meine Götter sagen, dass ich das nicht darf. Das hatte schon seinen Sinn, weißt du?“

Als sie aufsah, blickte sie in ein durch und durch empörtes Gesicht, dessen Mund dennoch gefasst zu ihr sprach.

„Deine Götter? Vermagst du die in deinem Alter überhaupt schon richtig zu verstehen?! Wie will ein kleines Mädchen sich um einen Säugling kümmern, das ist absurd!“

Sie wandte sich ab und der Schale mit dem Blut-Kräuter-Gemisch zu.

„Na wundervoll...“
 

--
 

Als Chatgaia wieder ihre Stube betrat, wurde sie von Blicken voller Vorwurf beinahe gerichtet. Imera war weg, sie wusste nicht, wann und warum er gegangen war – sie wollte es auch nicht wissen.

Als Mayora gerade ansetzen wollte, sie anzufauchen, kam sie ihm zuvor.

„Spare dir deinen Atem.“, riet sie ihm mit üblichem Stolz, „Du hast gerade ganz andere Probleme.“

Das reichte, um die anderen aus dem Konzept zu reißen. Uda Magafi, der mit tief gesenktem Haupt auf dem Sofa saß, reagierte kaum, ebenso Serenka und Odohri, die neben ihm hockten. Choraly und Mayora waren da aufmerksamer, auf die kam es wohl auch an.

„Wo ist Samili?“, fiel der brünetten Frau da auch schon auf und ihre Stiefmutter sah ihr sehr eindringlich in ihr Gesicht. Das würde ihr nicht gefallen, denn auch wenn sie ihren Kindern viel Freiraum ließen, waren sie als Eltern irgendwo auch recht streng – Mayora überraschender Weise sogar noch mehr als seine Gattin.

„Samili wartet in meinem Schlafzimmer, sie hat sich nicht getraut, mit zu kommen.“

Ihre Worte zeigten Wirkung, als nun auch ihr eigener Mann etwas irritiert aufsah. Hier ging es schließlich um seine Enkelin, war ja nicht so, dass er da keinerlei Verantwortung hatte.

„Was hat sie angestellt?“, wollte Mayora da missgelaunt wissen, während der Blick seiner Tante ihn mehr und mehr ängstigte, so lange, bis sie ihn senkte und er so die gewisse Schärfe verlor.

„Es gefällt euch wohl kaum, dass eure Tochter ganz und gar nach mir zu kommen scheint.“, begann sie die Erklärung sachte, „Nun, wie es scheint, führt die junge Dame eine Beziehung... mit Genda Timaro.“

„Ich bring ihn um!“

Choralys geistesgegenwärtige Reaktion verhinderte, dass ihr Mann auf der Stelle aus dem Raum tobte, als sie ihn mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, am Oberarm festhielt, allerdings alles andere als begeistert. Ihr Glück in diesem Moment war, dass der wenig Ältere ohnehin nicht besonders stämmig und von seinem immer häufiger auftretenden Fieber etwas geschwächt war. Das war auch so ein ewiges, leidiges Thema...

„Warte damit noch.“, bat seine Tante ihn wenig beeindruckt darauf, als sie die Aufmerksamkeit aus düsteren Blicken wieder erlangt hatte, „Es geht noch weiter. Mit Sicherheit kann ich es zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht sagen, aber laut des ziemlich zuverlässigen Tests meiner verehrten Großmutter, ist euer dummes Kind... schwanger.“

„Ich bringe ihn auch um!“, zur Überraschung aller war es nun Uda Magafi gewesen, der entrüstet aufgesprungen war. Da vergaß man doch glatt das eigene Leid bei einer derart törichten Enkelin.

Ihre Eltern waren für den Augenblick zu geschockt zum weiteren Reagieren, aber als Chatgaia noch einen drauf setzte, hätten sie am liebsten geheult.

„Und sie weigert sich, den Tee zu trinken, der das kleine Leben aus ihr spülen würde. Sie meint, ihre Götter würden es ihr verbieten.“
 

Serenka und Odohri warfen sich sehr dumme Blicke zu, als die Erwachsenen gemeinsam das Haus verließen, nachdem Chatgaia sie darum gebeten hatte, ab und an unbedingt nach Takoda zu sehen, davon ausgehend, wie lange sie weg bleiben würden. Das konnte unter Umständen dauern.

„Jetzt komme ich gar nicht mehr mit.“, gestand der Ältere kopfschüttelnd, „Zuerst das mit deinem Bruder und jetzt... ist meine Schwester... schwanger?! Du meine Güte! Und das von diesem komischen Genda!“

Das konnte sich der Junge gar nicht vorstellen, sie war doch noch so klein. Scheinbar gar nicht so sehr... dabei hatte er selbst noch nie ein Mädchen geküsst, das fand er sehr ärgerlich. Serenka erahnte seine Gedanken dank seiner Götter und lächelte schwach.

„Mein... Halbbruder hat einmal Yivakavi geküsst, danach bin ich mir ähnlich vorgekommen, so glaube ich...“

Odohri senkte darauf den Blick wieder. Serenka hatte Schmerzen... und er konnte nichts dagegen tun, das verursachte in ihm selbst welche. Vor dem, was er als nächstes sagen musste, grauste es ihm etwas.

„Wir müssen nach Takoda schauen...“

Der Jüngere bejahte stimmlos. Als sie sich erhoben, ließ er sich bis zur Tür an der Hand nehmen, dann stoppte er unwillkürlich glucksend.

„Ich fürchte, wir benehmen uns wie falsch gepolte oder kleine Kinder, nicht wahr? Lass uns aufhören mit dem Unsinn, Bruder...“

Der Angesprochene seufzte und kratzte sich etwas unbeholfen am Kopf. Er suchte nach den richtigen Worten... wenn er ihm sagte, dass er so gewirkt hatte, als bräuchte er diese Stütze, beleidigte er ihn damit sicher.

„War nicht böse gemeint.“, entgegnete er deshalb bloß leise und Serenka umarmte ihn noch einmal kurz, ehe er an ihm vorbei trat.

„Weiß ich.“, er bemühte sich darum, fröhlicher zu klingen, als er war, „Ich bin froh, dass ich dich habe. Einen besseren besten Freund zu haben ist nicht möglich, meinen größten Respekt dafür, dass du jemanden wie meine Wenigkeit bereits so lange aushältst.“
 

Ob Takoda wach war oder schlief, konnte niemand sagen. Seine Augen waren halb geöffnet, aber er schien nichts zu sehen, als er leicht zitternd in seinem Bett lag.

Die älteren Jungen setzten sich vorsichtig zu ihm, dabei wagten sie es kaum, sich gegenseitig anzuschauen angesichts der erbärmlichen Situation des Jüngeren.

„Hörst du uns?“, wagte Odohri sich nach ewigen Augenblicken zu erkundigen. Als Antwort erhielt er zunächst bloß ein schwaches Zucken. Bis Worte folgten, verging eine ziemlich lange Zeit.

„Ich... verstehe das nicht.“, sagte der Kleine, „Vor ein... paar Wochen... da... da war noch alles gut, ich denke. Und jetzt...“

Er schloss seine blauen Iriden, die er heimlich zu hassen gelernt hatte.

„Jetzt... will ich am liebsten sterben.“

„Das wirst du zu meinem allerhöchsten Leidwesen noch früh genug, so fürchte ich!“, fuhr sein Halbbruder ihm ungeahnt scharf ins Wort und sein Cousin seufzte leise, kaum hörbar.

Irgendwie verstand er ihn ja... aber war das wirklich ein Grund, sterben zu wollen? Für ihn eigentlich nicht, so dachte er sich...

„Vielleicht solltest du versuchen, zu schlafen... richtig meine ich. Morgen sieht die Welt sicher schon viel besser aus.“

Er hatte keine Ahnung, ob er das, was er da sagte, auch genau so meinte, aber er hoffte zumindest inständig, dass es so zutreffen würde. Takoda sagte nichts, schien aber zu gehorchen, als er sich etwas entspannte und sein Gesicht leise atmend abwandte.
 

--
 

„Ah!“

Tainini schrie erschrocken auf, als irgendwer die Haustür gewaltsam aufstieß, was ein lautes, reichlich unschönes Geräusch verursachte.

Hätte ihr Mann nicht gerade vor ihr gestanden, dann hätte Lilliann darauf gewettet, dass es Imera war, doch auch der schien nicht wirklich eine Ahnung zu haben, was sein verwirrter und etwas verärgerter Blick zeigte.

Verdammt, er musste sich endlich mit seiner Liebsten aussprechen, damit seine Familie wieder in Ordnung kam...

Ihn traf beinahe der Schlag, als die, die er gerade zurückgelassen hatte, wieder vor ihm standen.

„Was ist denn jetzt noch?!“, schnappte er negativ überrascht und Maigi fasste sich ahnungslos an den Kopf. Was wollten die ganzen Leute in seiner Küche...?

Dass es nichts mit ihm zu tun hatte, bemerkte das Dorfoberhaupt schnell, als sein Zwilling Genda, der auf einem Stuhl in der Ecke gesessen und gelesen hatte, am Kragen packte und sehr gewaltsam zu sich hochzog. Lilli schrie empört auf, ihr Sohn schien nach einem kurzen Moment der Verwirrung bereits zu ahnen, worum, oder besser, um wen es hier zu gehen schien. Weh tat er ihm so ohnehin nicht, er war größer als der Grünhaarige...

„Was erlaubst du elende Missgeburt dir, meine Tochter zu schwängern?!“

Auf die erste Verblüffung folgte zunächst Schweigen. Bei manchen über die grob übermittelte Nachricht, bei anderen allein über die Tatsache, dass ausgerechnet Mayora jemand anderes als Missgeburt bezeichnete.

„Was?!“, schnappte Maigi dann als Erster, „Samili ist schwanger? Von Genda?!“

Lilliann wandte sich erbleichend an ihren Sohn.

„Kann das sein? Weißt du etwas davon?!“

Die Aufmerksamkeit lag geschlossen auf dem Jungen, dessen Blick keinen Aufschluss gab. Seine Worte wurden erwartet. Und seine erste, weltbewegende Reaktion auf diesen Satz, der unter Umständen sein Leben verändern konnte, war:

„Ups...“
 

Darauf fing er sich prompt eine Ohrfeige und seine Mutter konnte Mayora seine Reaktion nicht einmal verübeln. Genda tat es auch nicht, obgleich er empört schnaubte, als er sich die gerade abgeklungene Wange rieb. Grünhaarige Kerle waren gefährlich, hatte er gelernt.

„Ja.“, entgegnete er dann, „Ja, ist schon möglich. Dumm gelaufen... eben ups.“

Sie wurden unterbrochen, als eine weitere Person den Raum betrat, völlig außer Atem und definitiv sauer.

„Ihr habt mich in eurem blöden Schlafzimmer vergessen!“, empörte sich die, um die es die ganze Zeit ging und stemmte die Hände in die Hüften, „Wie ich jetzt gerannt bin, ach! Ah ja, eure Haustüre hier sieht übrigens ungesund aus...“

Der strenge Blick ihrer Mutter traf sie.

„Ich bin schwer enttäuscht, ich hoffe, das weißt du.“, sprach sie mit bebender Stimme, „Und dass du diesen Tee trinkst ist selbstverständlich, am besten bereits heute Abend.“
 

Samili schwindelte es. Sie lehnte sich etwas an den Rahmen der Küchentür an, während alle Blicke, falls vorhanden, auf ihr ruhten und auf ihre Reaktion warteten. Sie sah zu Genda.

Sie wusste selbst, dass die Worte ihrer Mutter vernünftig waren und wenn sie in sich hinein hörte, dann war sie sicherlich noch nicht soweit, sich ein eigenes Kind zu wünschen, aber sie konnte dieses Getränk nicht zu sich nehmen...

Die Erinnerung an die Stimmen, die auf dem Weg hier her zu ihr gesprochen hatten, ließ sie zusammenzucken.

Du darfst es nicht töten!

Es muss leben!

Stelle dich deinem Schicksal!

Schicksal war gut, fand sie, ihr Schicksal machte es ihr im Moment gerade ziemlich schwer. Mit einem Mal kamen ihr die Tränen.

„Ich kann es nicht töten, Mami!“, jammerte sie, „Ich darf das nicht, wenn ich es tue, wird es mein Leben zerstören!“

Chatgaia hob eine Braue. Imera zischte.

„Kinder machen wahrlich nur Ärger! Höre doch einfach darauf, was man dir sagt, Mädchen!“

„Das tu ich doch, genau das mache ich!“, sie schluchzte herzergreifend, „Soll ich das menschliche Urteil meiner Mutter über das der Götter des Feuers stellen? Wie könnte ich das bitte verantworten?!“
 

„Siehst du, was du angerichtet hast?!“

Mayora fauchte und schüttelte Genda unsanft, während dieser irritiert zu dem weinenden Mädchen sah.

Das war ja wirklich dumm gelaufen. Sie bekam ein Baby... von ihm? Wie bescheuert, sie war wohl doch noch zu jung gewesen, wenn sie es nicht geschafft hatte, darauf zu achten, wann sie miteinander schliefen. Jetzt war es ohnehin zu spät...

Ihm fiel darauf etwas ein, was er gar nicht einmal so schlecht fand.

„Ich kenne mich mit der Verbindung zu den Göttern ja nicht aus, aber das halte ich in deinem Alter auch für äußerst unvernünftig, Samili!“, sprach unterdessen auch seine Mutter auf das Mädchen ein.

„Selbst ich war älter...“, stimmte auch Tainini mit ein und die Grünhaarige sank verzweifelt zu Boden. Uda Magafi, der ihr am nächsten gestanden hatte, erbarmte sich, sich zu ihr zu knien und etwas zu sich zu ziehen, um sie zu trösten, obwohl sie es in seinen Augen nicht ganz verdient hatte. Aber er konnte seine Enkelin doch nicht weinen sehen... Seine Enkelin, die im Begriff war, ihn mit Mitte fünfzig zum Urgroßvater zu machen, das war gemein!

Genda grinste unwillkürlich leicht, dann ergriff er das Wort.

„Und wenn ich sie zur Frau nehme und wir eine Familie werden? Eine... sehr junge, zugegeben.“

Chatgaia hob nicht weniger verblüfft als alle anderen beide Brauen, als auch sie in sich hinein hörte, so, wie es ihre Großnichte zuvor wohl getan hatte. Wenn sie Recht hatte, mit dem, was sie da sprach, dann würden die Götter ihr das Selbe sagen.

„Das kommt gar nicht in Frage, du Spinner!“, versuchte Imera seinem Fast-Sohn den Garaus zu machen, „Sehr jung, dass ich nicht lache, VIEL zu jung! Als ob du dich um die arme Kleine kümmern würdest, ich weiß ja nicht, was hier gerade in dich gefahren ist, aber das lässt du gefälligst bleiben!“

„Außerdem würde ich dir nie mein Kind überlassen!“, schnappte Mayora darauf zustimmend. Keiner von ihnen schaffte es auch nur annähernd, den Jungen zu verstehen.

Er sah wieder zu der Grünhaarigen, in ihr an sich bildhübsches, aber vom weinen verzerrtes Gesicht. Wirklich... sie war hübsch. Er senkte den Blick etwas.

„Lasst uns das doch versuchen.“, bat er in ungewohnt höflichem Ton und der Magier vor ihm war beinahe im Begriff, ihn ein weiteres Mal zu schlagen, riss sich aber unter einem vorwurfsvollen Blick seitens Maigi noch einmal zusammen. Einmischen wollte dieser sich nicht, aber der Kerl sollte nicht in seiner Küche durchdrehen und den notgeilen Jungen verprügeln, Himmel...

„Verstehst du das nicht?!“, schrie der Ältere da dennoch und seine Frau war sich beinahe sicher, dass er am Abend wieder unter seinem Fieber würde leiden müssen, „Sie ist fast noch ein Kind! Du selbst bist es beinahe noch, du bist kaum älter, auch wenn du dich so aufspielst! Du kannst das nicht!“

„Und dir meine Tochter zur Frau geben wir dir erst recht nicht!“, fügte Choraly hinzu, deren Vater daraufhin schnaubte, aber ignoriert wurde.

„Man könnte das Mädchen ja auch einmal fragen...“

Lilliann fuhr sich gestresst durchs Haar. Als ob sie nicht genügend Probleme gehabt hätte, war ja wundervoll. An sich hatte ihr Sohn sich wirklich noch eine Ohrfeige verdient, so ein Ärger!

„Du bist dazu doch noch gar nicht in der Lage, Genda, du arbeitest nicht und bist kein bisschen liebevoll, so schwer es mir auch fällt, das über mein eigenes Kind zu sagen!“

„Ich kann sehr wohl liebevoll sein!“, wehrte sich der Junge nur und Samili kuschelte sich verzweifelt an ihren Großvater.

„Ich muss dieses Baby bekommen, mit oder ohne Genda! Meine Götter wollen es! Ich muss es tun!“

Sie blinzelte kurz zu dem, mit dem sie zu häufig das Bett geteilt hatte. In seinen Augen war keine Wut oder Enttäuschung, anders, als sie gedacht hatte, es schien beinahe, als würde ihn der Umstand gar nicht stören. Und er... wollte sie zu Frau nehmen? Zur Frau?! Was ging in ihm vor?!

„Ich stehe zu dem, was ich gemacht habe!“, schnarrte der Brünette scheinheilig und Choraly kreischte auf, als ihr nichts mehr einfiel.

Warum waren die unempfänglich für ihre Worte?! Sie waren zu jung und sie wollte für ihre Tochter einen anständigen Mann!

„Keine Widerrede! Finger weg von meinem Kind und du...“, sie wandte sich der weinenden Samili zu, „Du trinkst diesen verdammten Tee und mir ist vollkommen egal, was dir deine blöden Götter angeblich sagen, ich bin deine Mutter, ich weiß, was gut für sich ist!“

„Höre auf sie!“, forderte auch Lilliann und ihr Mann stimmte mit ein.

„Das, was ihr da vorhabt, kann nur schief gehen!“

Er schnaubte, als er kurzzeitig an seine eigene Misere dachte... nun ja, immerhin, das hier brachte Abwechslung. Zwar nicht unbedingt positiv...

„Wisst ihr doch gar nicht!“, wehrte Genda sich weiter, „Wenn sie sagt, sie will ein Baby bekommen, dann wird sie das auch!“

„Das hast du nicht zu entscheiden!“, wurde er von Mayora darauf angefahren und Maigi schnaufte.

„Und das alles in meiner Küche, schämt ihr euch nicht?!“

„Dazu ist später Zeit...“, erwiderte Imera nur müde und Lilli faltete die Hände seufzend.

„Tut uns Leid...“

Genda ereiferte sich unterdessen weiter am Streit mit dem Magier.

„Du aber auch nicht! Das ist ihre Sache!“

„Ihre Sache? Dieses Kind würde von dem Geld leben, dass ich und meine Frau verdienen, da werden wir sehr wohl ein paar Worte mitzureden haben!“

Choraly quiekte abermals.

„Einmal davon abgesehen, dass sie noch keine sechzehn Jahre, also noch nicht volljährig ist! Wir bestimmen, was mit ihr geschieht!“

„Aber ihr habt keine Ahnung!“, jammerte Samili weiter und Genda drängte sich an ihrem Vater vorbei zu ihr, wurde aber von Uda abgehalten, ihr zu nahe zu kommen.

„Wer weiß schon, was du vorhast...“

„Gar nichts!“, empörte er sich, näherte sich dennoch und griff nach der Hand des Mädchens, „Werde meine Frau! ... sobald du kannst.“

Sie starrte ihn verwirrt von seiner Zuwendung an.

Ich nutze dich nur aus!

Du nervst zwar an sich, aber zu manchen Sachen bist du echt zu gebrauchen...

Notgeiles Kind! Aber gut, dass du da bist...

Warum wollte er jetzt eine Beziehung zu ihr, die an sich auf Gefühlen basieren sollte? Sie sah nichts Falsches in seinen wie immer recht dunkel unterlaufenen Augen. Sie verstand es nicht... auf eine seltsame Art vertraute sie ihm in diesem Moment und ihre Götter bestärkten sie darin, etwas Richtiges zu tun.

„Ich glaube... ich sollte deine Frau werden!“

Irgendwie glaubte sie sich selbst kaum, an sich wollte sie doch viel lieber ihre Jugend als adliges Mädchen in der großen Stadt genießen, aber ihre Worte waren dennoch die Wahrheit. Ihr Gegenüber grinste, Uda Magafi schnaubte und schubste den Jüngeren von seiner Enkelin weg, worauf er gezwungen war, sie los zu lassen.

Einen Moment lang verharrte sein Blick noch auf dem hübschen Gesicht, dann wandte er sich den anderen zu und schenkte ihnen ein siegessicheres Grinsen. Die gaben sich nicht so einfach geschlagen.

„Ich gebe dir meine Tochter nicht, du hässlicher Bastard!“, schrie Mayora außer sich.

„Und dieses Kind schminkst du dir auch ab!“, stimmte seine Frau mit ein und Lilli seufzte kurz, ehe sie dagegen anbrüllte.

„Dieses „hässlicher Bastard“ verbitte ich mir aber! Und du, Genda, hörst jetzt auf mit dem Unsinn, sei nicht so unvernünftig!“

„Und höre auf, so zu grinsen!“, ereiferte sich auch Imera weiter und der Junge fasste sich an den Kopf und wollte gerade lautstark etwas erwidern, da unterbrach Chatgaia sie schrill.
 

„Jetzt reicht es aber!“, in ihrer Stimme lag eine so wichtige Entschlossenheit, dass es niemand wagte, sich ihrer Aufforderung zu widersetzen, „So dumm es auch klingt und so wenig ich es euch verüble, wenn ihr mir nach allem, was geschehen ist, nicht mehr vertraut – an Samilis Worten ist etwas dran. Die Götter des Feuers würden ihren Kindern niemals etwas Falsches empfehlen.“

Sie machte eine Spannungspause und das grünhaarige Mädchen, das sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte, blinzelte sich irritiert die Tränen aus dem Gesicht. Sie hatte Recht gehabt, diese Stimmen waren keine Einbildung gewesen!

„Ich fürchte, sie wird nicht damit klar kommen, wenn sie diesen Tee trinken soll... nichts geschieht ohne Grund und wenn es etwas Schlechtes wäre, dann hättest du, Mayora, es doch gar nicht erst zugelassen. Wir wissen immerhin um dein Sein...“

Götterkind, ja. Er errötete. Warum hatte er das nicht verhindert?! Warum hatten seine eigenen Götter, seine Eltern, ihn nicht gewarnt? Stattdessen hatten sie ihn sich künstlich über Kura aufregen lassen, das war so ärgerlich!

Er senkte den Blick. Choraly schnaubte.

„Das kommt so trotzdem alles nicht in Frage...“, sie war leiser geworden, doch die Bestimmtheit in ihrer Stimme war hartnäckig nicht gewichen.

„Damit schadest du ihr.“, war die trockene Entgegnung ihrer Stiefmutter und sie senkte den Blick verunsichert schnaubend. Chatgaia war eine Magierin ohne gleichen, wenn sie so etwas sagte, dann wusste sie, wovon sie sprach. Dass sie das Mädchen, das sie doch so sehr liebte wie ihre eigene Enkelin, in Gefahr bringen würde, stand außer Frage.

Lilliann sah verwirrt zwischen den anderen hin und her.

„Was bedeutet das jetzt?“

„Das wir das Ganze ziemlich überdenken müssen.“, war die Antwort seitens Mayora und Samili rannte an allen vorbei zu ihrer Großtante und stürzte sich in ihre Arme. Sie hatte ihr geholfen! Sie hatte zu ihr gestanden!

„Danke!“, schrie sie beinahe, während sie ihr Gesicht am Hals der Älteren vergrub, „Ich wusste, ich kann auf dich zählen! Ich habe dich so lieb!“

Auf sie zählen können, na immerhin eine. Die Frau erwiderte die Umarmung seufzend. Sie war doch eigentlich ein gutes Mädchen... ein gutes Mädchen, das nun einmal einen verheerenden Fehler gemacht hatte, der sich nun nicht mehr rechtmäßig rückgängig machen ließ.

„Na gut!“, Mayora kratzte sich am Kopf, „Und was wird jetzt aus ihm?“

Er deutete auf Genda, der nun etwas verloren blinzelte, als mit einem Mal aller erwarteten, dass nun er reagierte. Das tat er nach einem Augenblick auch, als er Imera am Ärmel packte und ihn aus dem Raum zog, ehe der sich hätte widersetzen können.

„Wir müssen reden!“
 

Sie fanden sich in der Stube wieder. Der Junge konnte es seinem an sich so verhassten Adoptivvater nicht verübeln, dass er ihn ziemlich verwirrt und überrumpelt anschaute. Er seufzte, ehe er ihn mit einem festen Blick bedachte.

„Das ist ein Gespräch, das ich gern mit meinem Vater geführt hätte!“, begann er, „Jemand anderes als du war aber nicht übrig dafür.“

Der Ältere hob eine Braue, riss sich aber angesichts des Vertrauens, das man ihm entgegen brachte, zusammen. Erstaunlich, dass er das überhaupt noch konnte, stellte er überrascht fest, an einem solchen Tag. Er wünschte sich, ihn aus dem Kalender streichen zu können...

„Es ist so...“, sprach Genda da, „Du musst mir helfen, du musst unbedingt dafür sorgen, dass ich bei Samili bleiben kann. Dass... die mich dann wohl mit in die Stadt nehmen. Auch wenn das gruselig ist...“

Er senkte den Blick tief, während er mit einem Fuß auf dem hölzernen Boden herumscharrte. Kaliri-Holz, wie fast alles in diesem Ort. Kein Baum wuchs so schnell und in so großen Mengen nach wie dieser.

„Warum willst du das auf dich nehmen?“, wurde er zurückgefragt, völlig ruhig, „Wenn du Vater wirst, wirst du gerade einmal fünfzehn sein... willst du das wirklich?“

Es dauerte etwas, bis der Jüngere antwortete. Er blinzelte in das goldene Licht hinter den Fenstern... ihm fehlte jede Ahnung darüber, wie spät es war. Es war aber auch egal in diesem Moment.

„Geplant war das nicht.“, räumte er dann ein, „Aber ich will das, es... ist meine Chance. Ich meine...“

Genda sah seinem Gegenüber wieder ins Gesicht. Er war unglücklich.

„Sieh mich an!“, forderte er, „Wer will schon etwas von mir wissen? Ich bin hässlich und unsympathisch! Samili mag mich vielleicht, da lasse ich sie mir doch nicht davon rennen, wenn ich vielleicht eine akzeptable Zukunft mit ihr haben kann!“

Er errötete.

„Man muss schließlich sehen, wo man bleibt...“
 

Imera hob beide Brauen. Irgendwo hatte er ja Recht, im Ort war er alles andere als beliebt, aber richtig überzeugen tat das den Mann nicht. Da musste es doch andere Möglichkeiten geben... sein Fast-Sohn nahm ihm den Wind aus den Segeln.

„Außerdem steht es jetzt so gut wie fest, sie wird dieses Baby bekommen. Ich stehe zu dem, was ich getan habe.“

Unbeabsichtigt versetzte er dem Dorfoberhaupt mit seinen Worten einen kleinen Stich. Er hatte Takoda gezeugt und stand nicht zu ihm... und würde es nie tun. Das war falsch, das wusste er, und dennoch... er wollte nichts mit diesem Kind zu tun haben. Da war er einfach egoistisch und würde es bleiben. Zu den Worten, die ein Mann einmal gesprochen hatte, musste er schließlich auch stehen, so hatte sein Vater immer gesagt.

An Gendas Überzeugung war jedoch nicht zu rütteln. Dennoch, eine wichtige Frage lag ihm noch auf den Lippen.

„Liebst du dieses Mädchen denn? Wenn du sie nicht begehrst, ist das Ganze sinnlos, egal wie vernünftig es klingen mag... für dich.“

Die Antwort ließ auf sich warten. So war sie immerhin halbwegs wohlüberlegt, dachte sich Imera, als er die Arme vor der Brust verschränkte, geduldig auf die Reaktion seines Gegenübers wartend, das seinen Blick zu gesenkt hielt.
 

Liebte er sie? Konnte er überhaupt irgendwen lieben?

Mich trieb die Neugierde...!

Ich bin eine gute Zuhörerin, glaube es mir, ich schwöre!

Wurdest du denn oft geschlagen?

Du schon wieder? Sag mal, das... ach!

Da, wo ich herkomme, trifft man nicht auf Individuen wie dich, die sperrt man nämlich ein.

Mochte sie ihn denn? Sie hatten oft das Bett geteilt, das war wahr, aber mochte sie ihn? Ach, das zählte nicht! Selbst wenn nicht, er würde sie irgendwie von sich überzeugen können, auch wenn es nur durch seine nicht vorhandenen Fähigkeiten als Vater war.

Vater... er mochte Babies. Sie waren unschuldig.

Er sah ernst auf.

„Ich denke, ich liebe sie. Hilf mir, bitte.“
 

--
 

Es waren wenige Tage vergangen, als sich die Situation grundlegend änderte.

„Das ist alles... furchtbar dumm gelaufen. Tut mir Leid.“

Imera seufzte. Sein braunes Haar wehte wild um seinen Kopf herum dank des Windes, den die Flugmaschine verursachte. Wenigstens bekam er dank der gefestigten kleinen Startbahn der Station kaum Staub ab.

„Wir wären ohnehin in der nächsten Zeit zurückgekehrt.“, antwortete Uda Magafi dumpf, aber recht laut, um den Krach der warm laufenden Rotoren zu übertönen, „Die Stadt erscheint mir wieder sicher für meine Familie.“
 

„Ich würde gerne mitkommen, jawohl!“, Yivakavi spielte mit Takodas Händen und lachte. Der Blick des Jungen war düster, wie er seit einigen Tagen immer war. Wie eine Regenwolke, die sich einfach nicht ausregnen konnte.

„Du wirst mich vermissen, ich denke.“, sprach er gleichmütig, „Du lachst nur, weil du mir nicht zeigen willst, dass du in Wahrheit weinst.“

Das Mädchen hielt inne. Einen Moment starrte es sein Gegenüber aus den verschiedenen Augen entgeistert an, dann beugte es sich nach vorn und küsste es kurz auf den Mund, ehe es sich wortlos umdrehte und den Weg zurück Richtung Oase rannte. Vermutlich würden sie sich nie wieder sehen. Es war besser so.
 

Lilliann weinte bitterlich, während sie sich an ihren ältesten Sohn klammerte, der nur wortlos auf sie hinab sah.

„Du nimmst mir meine letzte Erinnerung an deinen Vater!“, warf sie ihm vor, „Wie kannst du mir das antun, Genda?“

Er seufzte und drückte sie fest an sich.

„Du hast doch noch die Mädchen... ich werde dich stolz machen. Dich und Papa. Wir sehen uns wieder, versprochen.“

Er küsste sie auf den rot-blonden Schopf und zum ersten Mal seit langer Zeit spürte er, wie viel sie ihm eigentlich bedeutete. Seine Mama...

Er hatte sich dafür entschieden, ein Mann zu werden. Sein Blick wanderte kurz zu Samili, die sich gerade von Teneri verabschiedete. Hoffentlich würde er gut für sie sorgen können. Irgendwie... er hatte ja überhaupt keine Ahnung, was in der Stadt auf ihn warten würde. Was er tat, war ein Wagnis, niemand, von denen, die ihn mitnahmen, mochte ihn wirklich. Zur Not konnte er immer noch zurück... nein, das kam nicht in Frage.

Überrascht grinsen musste er, als er sah, wie Namini, seine pummelige jüngste Schwester, ihren Cousin Korhota schüchtern auf die Wange küsste. Der lachte daraufhin doof. Vielleicht hatte er ihr ja gesagt, dass er auf kräftige Frauen stand oder so...
 

Dramatischer war es an anderer Stelle. Tafaye sah verzweifelt zu seiner hysterisch weinenden Tochter, die völlig am Ende in den Armen ihres Prinzen hing.

„Du darfst nicht gehen!“, schrie sie, „Ich liebe dich!“

Sein Gesicht war hochrot, als er sie deprimiert an sich drückte.

„Ich kann nicht bleiben.“, war seine leise Antwort, „Ich... ich lebe in der Stadt, ich besuche dort die Schule. Es tut mir Leid...“

„Nein!“

Ihr Griff verfestigte sich. Er konnte nicht gehen, sie hatte ihm ihr Herz geschenkt! Und das wusste er auch... ihm kamen die Tränen, als er einen folgenschweren Entschluss fasste.

„Lausche mir!“, forderte er und der Schneider war über den liebevollen Unterton in seiner Stimme überrascht, „Ich kehre zurück! Ich mache den von mir verlangten Schulabschluss, Liebste, dann kehre ich zu dir zurück! Wir entscheiden dann, was wir tun – entweder ich bleibe hier, oder du kommst mit mir, ich schwöre es dir bei allem, was mir heilig ist, Kirima!“

Sie sah bebend zu ihm auf.

„Ist das wahr?“

„Ist es!“

Tafaye räusperte sich, verlegen, die beiden unterbrechen zu müssen.

„Höre mal, Serenka...“, der Junge drückte seine Freundin noch enger an sich als ohnehin schon, „Dann musst du mir auch versprechen, wirklich zu deinem Wort zu stehen. Unsere Familie ist vermutlich die treuste unter der Sonne, Kirima wird auf dich warten, wenn es sein muss tausend Jahre. Nach dem Tod ihrer Mutter habe ich nie wieder eine andere Frau angesehen, ebenso mein Vater und mein Onkel hat Ewigkeiten gebraucht, die Frau, die seinen Heiratsantrag abgelehnt hat, zu vergessen. Wenn du dein Wort nicht hältst, zerstörst du ihr Leben. Falls das also nur daher gesagt war, dann ist das der Augenblick, in dem du...“

„Ich halte mein Wort, ein Magafi hält immer sein Wort!“

Kirima schenkte ihm darauf ein Blick, in dem eine junge, aber grenzenlose Liebe lag. Serenka spürte instinktiv, das mehr dahinter stecken musste... er war fest entschlossen. Er hatte sich verliebt... richtig verliebt, nicht nur ein bisschen. Er würde zurückkehren... das würde er wirklich...
 

Das würden so einige tun. Ob die Wüste Glück oder Unglück brachte war je nach Gesichtspunkt verschieden, doch sie war ein Teil der Bewohner des Magafi-Anwesens in Wakawariwa. Sie würden sie nie abschütteln können. Sand war hartnäckig.
 


 

--------------
 

Das letzte Kapitel, es folgt noch der Epilog in den nächsten Tagen. Danksagungen und so auch wieder da. Ja, ich hoffe, es war nicht zu verwirrend? Und vor allen Dingen ein gelungener Abschluss, so ohne Gemetzel kommt es mir komisch vor ._.'



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Harfe
2010-03-17T17:19:48+00:00 17.03.2010 18:19
So. Ich denke, ich ringe mich durch, ich habe es lange genug aufgeschoben, nachdem mir mein beschissener Computer die erste Version eleminiert hat. >///<
Supertolles 50%-of-Plot-Chapter. :D

Und ist doch toll, ein Abschluss ohne Gemetzel. Oo Ich für meinen Teil mag überhaupt keine Gemetzel... außerdem war´s ja auch so drama und alles. :>

Imera ist... echt Alhata, voll heftig. oô Also irgendwie ist´s logisch, dass das Erbe seines Vaters nicht einfach so an beiden vorüberzieht, aber das hätt´ ich jetzt nicht erwartet. Er ist so böse. ó________ò
Lilli, geh nicht zu ihm zurück! Da wird nix gutes bei rauskommen! °o°
Das war alles ur Drama und ur toll. *.*

... kommen wir gleich zu meiner Lieblingsszene, es ist nicht schwer zu erraten, ich denke(xD): Die Ups-Szene. Ich meine... wie geil ist das? XD Der einleitende Satz dazu überhaupt.Und seine erste, weltbewegende Reaktion auf diesen Satz, der unter Umständen sein Leben verändern konnte, war... XDDD
Und sie wollen heiraten. *.* Genda hat auch seine versteckte romantische Ader! Die Szene ist einfach lieb. <3
Und wie sie sich da an die verschiedensten Dinge erinnern – allesamt irgendwie nicht sonderlich liebevoll. XDD
Auf die erste Verblüffung folgte zunächst Schweigen. Bei manchen über die grob übermittelte Nachricht, bei anderen allein über die Tatsache, dass ausgerechnet Mayora jemand anderes als Missgeburt bezeichnete. → hab mich so abgelacht. Jaja... und wie er Genda schlägt und der:
Grünhaarige Kerle waren gefährlich, hatte er gelernt.
XDD

Uda ist so toll, in dem ganzen Drama ist er echt der Held irgendwie. Sehr, sehr schön, wie er zu seinem Sohn(!) steht(im Gegensatz zu Imera)! Und zu Samili ist er auch lieb wo alle böse auf sie sind. ^^ *stolz auf ihn*

Sein Sprössling Serenka ist aber auch ein kleiner Held. Er und Takoda sind so herzig. Ich liebe, liebe, liebe die Stelle als er ihm die Scherbe aus der Hand schlägt. Total Drama, aber ur Poser wie er ihn aufhält und anschreit und aawww! >////<

Schöne Endszene auch, wie sich noch mal alle Paare verabschieden. ^^
Kirima und Serenka sind so niedlich. ^////^
Takoda und Yivakavi aber auch. Aber das ist eher traurig gewesen. óò Arme Yivakavi. :< Sie soll auch glücklich werden! >///<

Toller Schlussatz. Sand war hartnäckig Überhaupt bezieht sich der letzte Absatz noch mal so schön auf den Titel. ^^ Bei KdW hab ich´s irgendwie nicht so ganz kapiert. XD

Jetzt ist es (so gut wie) vorbei, das hab ich eigentlich noch nicht wirklich gecheckt, ich meine... das ging einfach viel zu schnell! >____<

wundertollste Grüße
Fe
Von:  Linchan
2010-03-14T22:33:59+00:00 14.03.2010 23:33
Das längste Kapi der FF ich denke <3 (Takoda, aaw <3) aaww... und das letzte! Q_________________Q

Und ah, jetzt wurde auch mal Tais Babywunsch erwähnt <3 ich meine, aawww <3 sie und Maigi sind das absolute Herz-Knuffi-Paar xD ich meine alle anderen haben so ihre Probleme und so aber die herzen immer xD ich meine, dafür haben die andere Probleme xD aber, aaww!^^

Imera hat mir am Anfang voll leid getan... als Teneri so weggegangen ist, ich meine, er hats verdient und dass der Depp sich nichtmal groß bei Lilli entschuldigt oder was in der art machts nicht besser óo aber trotzdem tat er mir voll leid weil alle weglaufen .___. aaww <3 außer Namini, die herzt óò

Und aaw, dass nichtmal Serenka seine Mama noch richtig anherzt ist so traurig .__. natürlich verständlich aber aaww ;____; aaww .____.
Und DER Held dieses Kapis war ja wohl eindeutig Uda. Er ist so toll! Er ist der allerliebste Mann der Welt, ich meine, omg, wie er mit Takoda umgeht da war SO süß .____. er ist so toll! Liebt Uda <3

> „Ohne ihn gäbe es dich heute nicht und das würde ich sehr bedauern.“
Er war sein Sohn. Lange genug hatte er in Einsamkeit darüber nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass es so war. Auf diese Weise konnte er der ganzen Situation auch etwas Gutes abgewinnen. Der Kleine jedoch konnte seine Meinung nicht teilen.
„Ich nicht.“, antwortete er in einem ungewohnten Tonfall, „Ich würde am liebsten auf der Stelle sterben, ich denke.“
Die Szene war ganz, ganz toll .____. das war so schön und gleichzeitig so wahnsinnig traurig! Einer der allerschönsten Abschnitte, finde ich .___.

Ah, dann kommt Imera. Nein, Aggro-Imera! o__O Er war ja SO gruselig, ich meine, wtf!!! xDD

> „Anspruch, dass ich nicht lache! Er ist mir völlig egal, Tante! Von mir aus soll er doch nächstes Jahr draufgehen, mir völlig gleich, ich sehe ihn nicht als meinen Sohn, eher sterbe ich!“
Wie Chatti da auch war mein erster Gedanke: Alhata! [s]klein und rosarot![/s] Ich meine alta, das war so evil... o__O aber es passt voll zu ihm, dass er diese Züge von seinem Vater hat, das ist total gruselig o__o
Und er wird immer schlimmer, die Szene war unheimlich spannend und toll >//////< er dreht so dermaßen am Rad, das ist echt hart! o__O

Und Udachen ist zum zweiten Mal der Held, ich sage ja, er ist DER Poser im Kapi, er ist so cool! o__o Diese ganze Streit-Szene war so toll gemacht, sie hat Mama sehr beeindruckt und sehr gut gefallen <333

Dann, der Schock ever, Takoda und die Scherben o__O ich hatte nicht damit gerechnet, ehrlich gesagt oô und dann, ich meine, boah o__O Das war so Drama... der arme Serenka tat mir auch so leid, das war so hart .____.

> „Ich habe es nur gut gemeint, ich denke.“, rechtfertigte Takoda sich gleichmütig, „Damit ihr nicht mehr streiten müsst.“
Seine blauen Augen trafen auf die gleichen von Imera, die ihn ungläubig anstarrten. Eben diesen Moment nutzte Uda Magafi, um dem jüngeren Mann einen Zahn auszuschlagen.
Die Szene war auch unheimlich aussagend .___. liebt! Herzt an .___.

Ah, dann geht das Chaos erst richtig los, weil alle anderen reinplatzen xD Wie Mayora endlich mal schnallt dass Chatti und Imera was miteinander hatte war zu geil xD er setzt sich neben das Sofa, ich meine lol xD und der arme Uda musste das erzählen xD

Dann Samili und Oma Chatti xD die jetzt abf sind, das war süß mit denen xD Samili war so niedlich! >////< und die dumme Kuh ist schwanger, hahahaha xDDD in dem alter xDD diese Anspielungen dass sie sehr nach Chatti kommt waren cool, ich meine... tut sie einfach ey xDD liegt sicher am Feuer, ich meine, Feuer ist so erotisch oô... xDDD

Dann die Szene wo alle das erfahren - Mayora sagt Ich bring ihn um, dann Uda auch, das war der Hammer xD trotz allen Dramas war viel lustiges in dem Kapi oô cool! <33

Odohri und Serenka waren echt supersüß .___. ich meine, aawww xD und sie halten sich wegen ihres Verhaltens schon selbst für schwul, hahaha xDDD dabei sind sie das doch garnicht xD aaw <3 und das mit Takoda dann, ich meine... aaww .___. Takoda ist so arm! Er ist so süß und so emo .___.

Ah, und DER Hammer war ja immer noch:

> „Was erlaubst du elende Missgeburt dir, meine Tochter zu schwängern?!“
...
„Ups...“

xDDDD ich meine, das hat mich fertiggemacht xD ich hab so gelacht, das war die Härte xDDD Ups, ey! xDD so geil xD
Dass genda sie heiraten wollte war so süß! óo ich meine, die ganze Szene, so drama, alle dagegen, allein Uda ist nochmal der held und herzt sie etwas an óo arme Samili, ich meine, aaww! Und ihre neue abf Oma rettet sie dann, yay <3 aber das war so süß mit ihr und Genda! óò

Die Szene zwischen Genda und Imera hat mir auch total gefallen <3 sie war so lieb und schön, ich meine... aaww <3 er redet mit ihm ja schon irgendwie als wäre er sein Papa, das ist so süß .___.
> „Ich denke, ich liebe sie. Hilf mir, bitte.“
Bitte, das von Genda, der ihn in Kapi zwei noch Penner genannt hat, oder so, lol xDD aaww!!! LIEBT!

Dann der Abschied .____. das wra irgendwie traurig, auch für mich, weil ich halt denke, aaww, es ist vorbei .___. e sist zu Ende, die meisten sehen sich ja zum Glück nochmal, was aber niemals jemand lesen wird weil es nicht geschrieben wird .___. aaww!!

> „Du wirst mich vermissen, ich denke.“, sprach er gleichmütig, „Du lachst nur, weil du mir nicht zeigen willst, dass du in Wahrheit weinst.“
.___________. liebt. Herzt an! Findet sehr schönen Satz .___.

Und aaw, Namini und Korhota herzen oô aaww! <3 Und Serenka und Kirima, die Szene am Schluss war sehr süß und herz!! >//////< Ich fand den Abschluss sehr gelungen und mir hat Gemetzel überhaupt nicht gefehlt hier! <3 Diese Story braucht kein Gemetzel, um schön und toll und spannend zu sein. Ich liebe sie und die Charas so sehr wie ich glaube ich nie eine Geschichte gemocht habe .___. Und der Gedanke, bald nie wieder von den Missgeburten zu hören, ernüchtert mich sehr... aber KdE wird toll werden! <333 Freut sich sehr und liebt, herzt an!! >/////<


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