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Abseits des Weges

Erinnerungen sind wie Fragmente
von

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Du warst meine Loreley

Ich erinnere mich noch gut an unsere erste Begegnung. Sie war einfach da, stieg aus diesem Wasserloch wie eine Erscheinung und schien sich absolut nicht um mein Erstaunen zu kümmern.

Es war vollkommen normal, dass Leute darin badeten, aber sie... sie... ich finde heute noch keine Worte für sie. Ihre ganze Erscheinung faszinierte mich vom ersten Augenblick an.

Damals erschien sie mir wie ein Wesen, das nicht von dieser Welt sein konnte, zu makellos war ihre Erscheinung, zu perfekt jeder einzelne ihrer Schritte.

Hätte ich meiner damaligen Intuition nur vertraut, mir wäre viel Schmerz erspart geblieben.

Doch stattdessen näherte ich mich ihr, um sie für mich zu gewinnen. Ich wollte, dass sie mich liebt und begehrte, so wie ich es bei ihr tat.

Zuerst erschien sie verschreckt, als ob sie es nicht gewohnt wäre, dass ein Mann sie ansprechen würde, doch das legte sich bald. Mit jedem Tag vertraute sie mir mehr, bis ich sogar ihren Namen erfuhr: Loreley.

Ein Name aus uralten Zeiten, es hieß, dass eine Undine namens Loreley Männer auf den falschen Weg führte, sie in den Tod schickte, um sich an ihrer Verzweiflung zu laben.

Dieser Name hätte mich misstrauisch machen müssen, aber in meiner Verliebtheit blendete ich jegliche Bedenken einfach aus.

Kaum hatte ich ihren Namen erfahren, verstärkte ich mein Werben noch einmal.

Sie musste einfach mir gehören. Ich wusste genau, dass ich ohne sie nicht mehr leben könnte.

Also tat ich alles, was mir einfiel. Ich schenkte ihr Blumen, schickte ihr Liebesbriefe und komponierte sogar Balladen, die ich ihr schließlich vortrug.

Mit jeder Tat konnte ich sehen, wie das Eis um ihr Herz ein Stück mehr schmolz.

In meinem Bestreben, sie für mich zu gewinnen, bemerkte ich nicht, wie mein eigenes Leben Stück für Stück zerbrach. Freunde wandten sich von mir ab, meine Familie sagte sich von mir los und auch meine Arbeit als Schneider litt darunter, da ich nicht mehr in der Lage war, mich zu konzentrieren, solange es nicht um meine Angebetete ging.

Noch nie zuvor hatte Liebe mich und mein ansonsten eher logisches Wesen derart verblendet.

Und dann kam der Tag an dem mein Herzenswunsch in Erfüllung ging.

Loreley erhörte meine Liebesbekundungen und schenkte mir ihr Herz.

In jenem Moment war ich der glücklichste Mann in ganz Király.

Was kümmerten mich verlorene Freunde, mich verlassende Verwandte oder das Ausbleiben von Kundschaft solange ich Loreley an meiner Seite wusste?

Was brauchte ich mehr als sie?

Die gemeinsamen Monate schienen ein Segen zu sein, wir waren glücklich und die Zeit flog nur so dahin. Doch irgendwann wurde mir bewusst, dass etwas sehr Fundamentales in unserer Beziehung fehlte: Nähe.

Loreley bekundete stets, wie sehr sie mich liebte, doch vermied sie jegliche Berührungen, nicht einmal ihre Hand durfte ich halten.

Ich begehrte sie mehr als je zuvor, weswegen ich diesen Zustand nicht hinnehmen wollte.

Ich stellte sie zur Rede und nach einer nervlich anstrengenden Diskussion über die Bedeutung einer Beziehung, erlebten wir eine leidenschaftliche Nacht miteinander, der noch viele weitere folgten.

Jede einzelne verwurzelte sich tief in meinem Gedächtnis, noch heute gehören sie zu den wertvollsten Erinnerungen, die ich besitze.

Besonders weil die nächste Stufe unserer Beziehung keine sonderlich erinnerungswürdige ist.

An einem wundervollen Sommerabend, ein Jahr nach unserem ersten Treffen, kamen wir an dem Ort zusammen, an dem wir uns das erste Mal begegnet waren. Ich war fest entschlossen, ihr einen Antrag zu machen, so dass sie mich nie wieder verlassen könnte. Wir würden für immer zusammen bleiben, egal was kommen würde, zumindest dachte ich das vor dem Treffen noch.

Doch bevor ich dazu kam, sie zu fragen, fiel mir auf, wie schweigsam und gedanklich abwesend Loreley an diesem Tag war.

Besorgt sprach ich sie darauf an, worauf sie mir offenbarte, dass sie mir ein Geheimnis anvertrauen müsste. Ich versicherte ihr, dass ich es bewahren würde, so lange ich lebte.

Doch auf das, was sie mir erzählte, war ich in keiner Weise vorbereitet gewesen.

„Ich bin die Undine Loreley aus der Legende.“

Ich war wie vom Donner gerührt. Für einen kurzen Augenblick hielt ich es für einen Scherz, verzog bereits mein Gesicht, um zu lachen, doch meine Mimik hielt in einer scheußlichen Grimasse inne.

Sie dagegen sah mich unbewegt an. Im Nachhinein glaube ich, dass Besorgnis in ihrem Blick zu lesen war, doch in jenem Moment kam mir dieser Gedanke nicht.

Nein, in jenem Moment reifte in mir die Erkenntnis, dass das letzte Jahr meines Lebens nur Teil ihres Plans gewesen war, um nun auch mich zu ihren Opfern zählen zu können.

Noch vor wenigen Minuten war ich so glücklich gewesen, aber nun lag meine Welt in Trümmern vor mir, zerstört von einem einzigen Satz.

Reue und Hass stieg in mir auf. Reue, dass ich nicht auf die Warnungen meiner Freunde und Verwandte gehört hatte; Hass, dass ich meiner eigenen Intuition keinen Glauben hatte schenken wollen.

Die Magie der Undine war meine einzige Erklärung dafür. Sie musste mich für all das geblendet haben, wie sonst sollten dieses Wesen es schaffen, all die Männer in ihr Verderben zu locken?

Statt mich weiter mit dieser Frage aufzuhalten, wandte ich mich wortlos von Loreley ab und ging davon. Sie versuchte noch, mich aufzuhalten, doch von ihrem Zauber befreit, ließ ich das nicht zu und ging einfach weiter.

Fort von diesem Ort, dieser Frau, die mein Leben zerstört hatte und auch von der Stadt, die ich kannte und liebte. Ich ließ alles zurück, um neu anzufangen und erfuhr so nicht den Grund, weswegen Loreley mir ihr Geheimnis offenbarte.
 

„Und was denkst du, war der Grund?“

So abrupt aus seiner Erzählung gerissen, blickte der Schneider fragend auf.

Der Gastwirt, ein freundlicher älterer Herr, der stets mit jedem per du zu sein schien, sah ihn neugierig an und wartete auf eine Antwort auf seine Frage. Dass er diese Geschichte überhaupt zu hören bekommen hatte, verdankte er seiner Art und seiner Neugier, die bei diesem Reisenden sofort angeschlagen hatte. Immerhin sah man nicht oft Schneider, die ohne ihr Handwerkszeug durch das Land reisten und in Tavernen rasteten.

Der Schneider hob die Schultern. „Ich wusste es lange nicht. Und ehrlich gesagt bin ich mir auch noch nicht ganz sicher.“

„Aber du musst doch eine Vermutung haben“, sagte der Wirt hoffnungsvoll, begierig, mehr zu erfahren.

Abschätzend neigte der Schneider den Kopf, als müsste er erst abwägen, ob er darüber mit jemandem reden könnte. Schließlich entschied er sich dafür, dass er es könnte. „Ich habe gehört, dass Loreley tot ist – aber sie soll zwei Kinder zurückgelassen haben, Zwillinge.“

Die Augen des Wirts weiteten sich vor Erstaunen. „Und du meinst, dass es deine Kinder sind?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete der Schneider wahrheitsgemäß. „Aber ich bin entschlossen, es herauszufinden, deswegen suche ich nach den Kindern.

„Weißt du, wo sie sind?“

Die Geschichte schien den Wirt mehr zu interessieren als seine Gäste, die durstig an ihren Tischen saßen und auf Getränke warteten.

Der Schneider schüttelte mit dem Kopf. „Das Dorf, in dem sie einmal lebten, wurde zerstört. Aber ich weiß, dass sie noch leben. Ich muss sie nur finden.“

„Aber woher weißt du denn, wann du sie gefunden hast?“

Er lächelte vielsagend. „Ich kenne ihre Namen.“

„Spann mich nicht auf die Folter“, bat der Wirt, der entweder aus reiner Neugier oder aus dem Willen zu helfen heraus diese Namen wissen wollte. „Wie heißen sie denn?“

Lächelnd schlug der Schneider die Augen nieder, während er sich die beiden Namen ins Gedächtnis rief. Die Namen, die bereits seine Träume heimsuchten, die mit allerlei bunten Vorstellungen, wie ihre erste Begegnung aussehen würde, erfüllt waren.

„Sie heißen Nadia und Aidan.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  LeanaCole
2010-12-29T12:22:28+00:00 29.12.2010 13:22
Ich weiß zwar nicht, warum ich hier nen Kommentar schreiben soll, da Ciela ja schon sehr fleißig war *grins*
Außerdem habe ich keine Ahnung, was das hier mit Custos Vitae zutun hat, aber wenn Alo-chan meinen Komentar wünscht, werde ich ihn ihr mit Freuden geben :3

Ich fand es sehr schön geschrieben und das du Loreley genommen hast, wundert mich nicht, schließlich scheinst du diese Legende sehr zu mögen X3
Ich muss Ciela zustimmen, dass es was märchenhaftes an sich hatte. Es kam mir wirklich wie eines vor... was mich auch nicht wundert, weil ich deine Schwäche für Märchen ja kenne~
Letzendlich tat mir Loreley aber leid und mir kamen fast die Tränen... aber nur fast XD
Ich hätte dem Kerl am Liebsten in den Arsch getreten. Mindestens zehnmal :D
Anyway, was soll ich noch sagen? Ich fands sehr schön :3
Von: abgemeldet
2010-10-21T19:31:48+00:00 21.10.2010 21:31
Endlich ... Endlich finde ich mal Zeit zum lesen! *___*

Ich muss ja an der Stelle mal beschämt zugeben, dass ich mir am Anfang überhaupt keinen Reim darauf machen konnte, was diese Geschichte denn mit SV (und allem drumherum) zu tun haben könnte. ^^"
Da hast du mich eiskalt erwischt. XD
Ich saß vor dem One-Shot und dachte während dem lesen die ganze Zeit darüber nach, welchen Teil ich wohl schon vergessen haben könnte, dass ich keine Verbindung zu SV herstellen konnte. Aber mal genug davon ...

... es war, wie man es von dir gewohnt ist, ein sehr schöner One-Shot. ;)
Bei diesem hier konnte ich mir wieder gut vorstellen, die Geschichte mal in einem Märchenbuch oder so wiederzufinden, da es auf mich irgendwie märchenhaft wirkte, wie alles erzählt würde und mit der Legende. *___*
Ich habe leider keine Ahnung mehr, ob man in SV etwas von den Eltern der beiden Zwillinge erfuhr (ich schäm mich deswegen u_u), aber ich fand es toll, dass man jetzt mehr von ihnen erfahren hat. =3
Als am Ende die Zwillinge erwähnt wurden, war bei mir schon gleich alles klar, ohne das ich ihre Namen hören musste. X3
Was soll ich noch sagen? Es hat mir sehr gefallen und ich freue mich schon auf die nächste Kurzgeschichte. ^___^


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