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Verstecktes Leben im Abseits

Tabuthema Homosexualität in der Männerdomäne Fußball
von

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<07> .... Flanke von Außen

Als Kind ist noch alles ganz einfach. Du findest ein Hobby, vielleicht auch zwei oder drei. Du betreibst es, weil du Spaß daran hast. Es geht nicht darum, ob du gut oder schlecht bist, sondern nur darum, wie viel Freude es dir bereitet. Doch du wirst älter, besser in manchen Dingen und an anderen verlierst du das Interesse. Du entwickelst neue Hobbys, alte bleiben erhalten und wenn du Glück hast, warst du von Anfang an mit einem entsprechenden Talent gesegnet, das lediglich erkannt werden musste. Ist dies der Fall, so kannst du es mit dem richtigen Training entsprechend fördern, kannst besser werden, noch viel mehr Spaß daran haben.

Für viele geht der Weg an dieser Stelle zu Ende, doch für den Fall, dass du besonders großes Glück hast und die Sache richtig angegangen bist, dann kann dein Weg steil bergauf gehen. Natürlich musst du dafür kämpfen und vieles bleibt dabei auf der Strecke. Du lässt Freunde zurück, verlierst hier und da einen Teil deines jugendlichen Lebens, doch dafür ist aus deinem Hobby mittlerweile ein Traum geworden. Und mit jedem Schritt, den du weiter voran gehst, kommst du einem Ziel näher, von dem unendlich viele Kinder träumen, die niemals die Chance haben werden, es zu erreichen. Aber dir bietet sie sich und im rechten Moment hast du sie erkannt und ergriffen.

Ab nun, wenn alles ideal läuft, kommst du immer weiter, immer schneller voran, höher, wirst besser, immer öfter gelobt, abgeworben vom einen Verein zum nächsten, dann noch einen weiter. Irgendwann kostest du eine Million, dann zwei, dann so viele, dass du es dir nicht mehr vorstellen kannst. Und du verdienst selbst viel, viel Geld, dein Kontostand steigt, du kannst dir alles leisten, von dem du je geträumt hast. Jeder kennt dich, viele lieben dich, noch viele mehr beneiden dich… Du bist ein Held, du bist ein Idol.

Außerdem gibt es vielleicht auch noch das Glück auf der privaten Seite. Hier hast du eine Frau an deiner Seite, eine wundervolle, intelligente Frau, die dich heiraten will. Sie spricht von Kindern, will mit dir eine Familie gründen und lacht mit dir darüber, wie ihr euch irgendwann im Rollstuhl Geschichten erzählen werdet. Mit ihr kannst du einen weiteren Schritt zur Vervollständigung deines Lebens gehen. Es mag dir wie ein modernes Märchen erscheinen, wie eine ideale Geschichte, wie das, was sich jeder wünschen mag. Und du kannst es erhalten für einen ganz geringen Preis. Alles, was du dafür aufgeben musst, ist ein winziger Teil deiner selbst. Er ist für andere unsichtbar, keiner kennt ihn, du hast dich lange für ihn vor dir selbst geschämt, ihn vor anderen verborgen und wirst dich mit ihm noch viel länger verstecken müssen. Diesen Teil zu verlieren, ist das nicht ein kleiner Preis, im Gegenzug zu all dem, was du dafür zurück bekommen kannst?
 

Es ist komisch, wenn man die Dinge auf diese Weise betrachtet; allgemein, wenig problematisiert… Dann erscheint der Preis sicherlich nicht besonders groß, immerhin hat man ihn schon lange gezahlt, da wird man es auch weiter tun können.

Auch ich habe lange genauso gedacht, habe angenommen, dass es reicht, um zufrieden zu sein. Ich habe doch so viel bekommen, kann ich dann nicht dieses wenige einfach vermissen und vergessen? Man mag es glauben, doch in der Realität reicht die Erfüllung eines Kindheitstraumes nur selten aus, um wirklich glücklich zu werden. Allerdings ist das nichts Offensichtliches und so erkennt man wohlmöglich zu spät, dass einen alles Geld der Welt nicht glücklich machen kann. Es bereichert dich, aber es erfüllt dich nicht. Auch die Frau an deiner Seite ist nicht das, was du dir wirklich wünschst. Du magst ihre Nähe und liebst es, mit ihr zu reden, doch sie ist nicht genug. Und selbst auf dem Feld vergisst du nicht mehr alles um dich herum, dabei spielst du mittlerweile auf der Weltbühne, jeder Fußballfan und noch viele mehr kennen dich und du darfst auf den berühmtesten Plätzen den Ball ins Tor bringen.

Doch all das reicht dir nicht. All das kann dich nicht so glücklich machen, dass es dir diesen winzigen Teil deiner selbst zurückgibt, den du vor langer Zeit irgendwo auf dem Weg verloren hast. Es erfüllt dich nicht, hilft dir nicht, nachts einzuschlafen, wenn du Gedanken hast, die du nicht haben darfst. Es hilft dir nicht, wenn du dich im Spiegel betrachtest und dafür hasst, wie du lebst. Es hilft dir nicht, dein Leben zu lieben, geschweige denn dich selbst.

Im Gegenteil. Eigentlich machen all die Sachen, die du erreicht hast und die du wie selbstverständlich bekommst, das alles nur noch viel schlimmer. Denn du weißt doch, wärest du damals nicht zum Sportverein gegangen oder hättest dir einmal eine Sehne ganz böse gerissen, dann wäre es anders gekommen; dann wärest du jetzt vielleicht bei der Sportzeitung tätig oder als Handwerker. Dann hättest du keine Millionen, vielleicht noch nicht mal ein paar Zehntausend auf dem Konto. Die hübsche Freundin hättest du wahrscheinlich nie kennengelernt und wenn es hoch käme hättest du in den jungen Jahren gerade mal zwei oder drei fremde Länder bereist. Doch dafür könntest du du selbst sein – du wärest frei!
 

Es war nicht, wie man jetzt annehmen mag, Dennis, der mich dies hat realisieren lassen. Es lag nicht an dem Telefongespräch mit ihm oder dass ich ihn irgendwie sonderlich arg vermisste. Es war etwas anderes, das in mir zerbrach, als ich erfuhr, dass ich schon in der übernächsten Woche mein erstes Training in der Nationalelf haben könnte. Allerdings realisierte ich es erst, nachdem ich Dennis das mit dem Versteckspiel gesagt und aufgelegt hatte.

Danach saß ich im Wohnzimmer und fühlte mich leer. Das war komisch, denn eigentlich hatte sich soeben mein größter Traum erfüllt. Ich würde in die Nationalelf kommen, würde einer der ganz großen werden und im nächsten Jahr, wenn ich mich gut machte, unser Team zum Weltmeistertitel begleiten. Trotzdem fühlte ich mich unbeschreiblich leer, denn es gab keinen Menschen für mich, nach dem ich mich in diesem Augenblick sehnte.

Natürlich, ich freute mich darauf, es meinen Eltern zu sagen, Sophie und Miriam. Doch das war ein anderes Gefühl; es füllte die Leere nicht. Und auch Dennis war bei weitem nicht diese Person. Ihn hatte ich angerufen, weil wir uns einmal versprochen hatten, dass wir einander als erstes Bescheid geben würden, wenn wir entweder richtig berühmt oder Vater werden würden. Ich hatte das Versprechen gehalten, doch ich wusste auch, hätte es eine Person in meinem Leben gegeben, die mir wichtiger war als jede andere, dann wäre sie an erster Stelle gestanden. Doch die gab es nicht.

Vielleicht hätte es damals Karim werden können, immerhin hatte ich vor Jahren in einer ähnlichen, wenn auch viel kleineren Situation zuerst an ihn gedacht, doch die Zeit war längst vorbei. Mittlerweile empfand ich nur noch Reue ihm gegenüber, schon längst keine Liebe mehr. Und es gab einfach niemanden sonst, den ich so sehr liebte, dass er meine erste Person werden würde. Meine wichtigste Person.

Ich wusste sehr gut, dass das alles daran lag, dass ich dazu bereit gewesen war, einen ganz bestimmten Teil meiner selbst zu verleugnen, zu verstecken… zu hassen.

Ich suhlte mich noch ein bisschen in Selbstmitleid, dann raffte ich mich endlich wieder zusammen und rief Miriam an. Ich dachte mir, dass sie es sicher schaffen würde, mich aufzumuntern, und so war es dann auch, selbst wenn das Gefühl mich nicht vollends durchströmte. Anschließend rief ich meine Familie an; meine Mutter brach in Freudentränen aus. Dann war es wieder still in meiner Wohnung. Viel zu still, so dass es mich fast auffraß, weshalb ich beschloss, die Jungs aus meiner Mannschaft zusammenzutrommeln. Wir würden feiern und mit Thomas könnte ich direkt taktische Pläne für meine Rolle in der Nationalelf schmieden, denn er war selbst im letzten Jahr dazugestoßen. Ablenkung, die suchte und brauchte ich jetzt.
 

Ein paar Tage später rief ich Dennis erneut an. Er hätte mich seinerseits nicht erreichen können, da meine Nummer nicht öffentlich und zudem verdeckt gewesen, und bei meinen Eltern hätte er wohl auch nie nachgefragt. Umso mehr freute er sich, als ich mich wieder bei ihm meldete. Sofort entschuldigte ich mich dafür, so plötzlich aufgelegt zu haben, doch weiter erklärte ich ihm das mit dem Versteckspiel nicht, denn ich hätte keine Ausrede gewusst; natürlich, ich hatte darüber nachgedacht, aber mir war keine plausible eingefallen. Zum Glück fragte Dennis gar nicht erst danach; vielleicht war er der Ansicht, dass ich schon darüber reden würde, wenn ich es wollte, oder er begriff, dass die Distanz zwischen uns mit den Jahren zu groß geworden war, als dass er einfach fragen konnte. Also telefonierten wir einfach ganz normal miteinander, ganze drei Stunden lang. Wir hatten viel aufzuholen, viel zu erzählen. Es war schön, mit ihm zu reden, machte Spaß und tat sehr gut. Ich erinnerte mich wieder daran, warum ich damals so gut mit ihm befreundet gewesen war, und es war schön, zu sehen, dass man sich nicht zu sehr verändert hatte, um diesen Draht wieder aufzunehmen. Anschließend versprachen wir einander, dass wir ab jetzt öfter telefonieren würden.

Das nächste Mal war dann auch schon zwei Monate später, da seine Freundin schwanger war.
 

„Hat sich für Sie etwas geändert?“

„Nachdem ich in die Elf gekommen bin?“

„Indirekt… eher, nachdem Sie zu der Erkenntnis über sich gekommen sind.“

„Erstmal nicht wirklich, schließlich hatte ich das erreicht, wovon ich geträumt hatte. Ich wusste nun zwar, dass mir etwas Entscheidendes fehlte, doch gleichzeitig hätte, es zu suchen, bedeutet, diesen Traum platzen zu lassen, ihn aufzugeben… und dazu war ich nicht bereit.“

„Also haben Sie weitergemacht?“

„Genau. Ich verdrängte es.“

„Und das funktionierte?“

„Zum Teil. Manchmal lag ich nachts wach und konnte nicht aufhören, über meine Situation nachzudenken… Dann fragte ich mich, wie es weitergehen würde, doch ich änderte nichts.“

„Hat Miriam etwas bemerkt?“

„Nein. Vor ihr und vor allen anderen war ich ganz der alte. Sie bekamen nicht mit, dass mir etwas fehlte… und manchmal dachte ich, ich würde vielleicht einfach zu viel verlangen…“

„Inwiefern?“

„Naja… Ich wurde schnell erfolgreich in der Nationalelf, Miriam und ich zogen zusammen. Eigentlich war es ein perfektes Leben, wieso also war es mir nicht genug? Wieso verspürte ich in mir drin dieses sonderbare Gefühl einer ganz speziellen Einsamkeit?“
 

Zum Glück hatte ich nur wenig Zeit, um viel darüber nachzudenken, was genau es war, das mir fehlte. Ich spielte noch immer bei meinem festen Verein und zusätzlich war ich nun auch noch einer der besten Spieler unseres Land und als solcher bei zunächst vielen, dann bei fast jedem Länderspiel gewünscht. Außerdem rückte die WM merklich näher und die Aufregung in diese Richtung stieg. Würden wir es vielleicht schaffen, dieses Jahr endlich wieder den Titel zu holen?

Nebenbei kauften Miriam und ich uns ein Haus und richteten es nach unseren Träumen ein. Zwar wussten wir nicht, wie lange ich an Ort und Stelle verbleiben konnte, doch das war uns mittlerweile gleich. Ich hatte so viel Geld, dass man sich um Umzug und ein neues Zuhause nie Gedanken machen müsste – wieso das also nicht einfach mal genießen? Außerdem tat es mir gut, Miriam jetzt immer bei mir zu wissen, wenn ich in unser gemeinsames Heim kam. So konnte ich auch dort nicht viel nachdenken oder mich einsam fühlen.
 

Mit meinen Kameraden der Nationalelf verstand ich mich bestens. Wir verbrachten viel Zeit miteinander außerhalb der Spiele, zumindest wenn es möglich war. Thomas wurde mein neuer bester Freund, der erste Mann, den ich seit langer Zeit mal wieder an mich heran ließ. Er lag genau auf meiner Wellenlänge, wir unternahmen eine Menge Mist zusammen und hatten viel Spaß. Ein bisschen passierte auch das, was ich befürchtet hatte, wenn ich wieder eine so enge Bindung einginge: ich verguckte mich in ihn. Allerdings nicht allzu stark, vor allem, weil ich ja wusste, dass er in einer glücklichen Heterobeziehung steckte. Dennoch träumte ich dann und wann von ihm und fühlte mich anschließend immer dreckig.

In dieser Zeit, wenn wir in fremden Ländern und Städten waren, begann ich auch wieder, in Sexkinos zu gehen, welche ich im letzten Jahr eher gemieden hatte. Ich war vorsichtiger denn je, nicht erkannt zu werden, aber ich brauchte es auch mehr denn je. Miriam konnte ich, wenn ich wieder Zuhause war, allerdings nur schwer in die Augen schauen.
 

Kurz vor dem ersten Spiel der WM heirateten Thomas und Cheila. Die beiden waren seit drei Jahren ein Paar und liebten sich abgöttisch, das sah man ihnen an. Ich fragte mich manchmal, ob Miriam wohl auch den Punkt ausmachen konnte, der die beiden von uns so dermaßen unterschied. Da sie allerdings nie etwas sagte und mir mehr als glücklich erschien, dachte ich mir, dass ich es mir vielleicht auch nur einbildete, weil ich wusste, dass uns etwas Entscheidendes fehlte, welches ich nicht in unsere Beziehung geben konnte.

Bei der Hochzeit selbst war ich Trauzeuge; eine Ehre, mit der ich nicht gerechnet hatte, immerhin hatte Thomas andere langjährigere Freunde. Doch er sagte mir kurz vorher, dass er niemandem so sehr vertraue wir mir. Er glaubte, dass wir einander alles sagen konnten und immer ehrlich zueinander waren. In dem Moment war ich kurz davor, ihm aus Schuldgefühlen die Wahrheit an den Kopf zu werfen, doch weil er mich dann auch noch so freundschaftlich innig umarmte, konnte ich es einfach nicht. Ich konnte ihm doch seinen wichtigsten Tag nicht kaputt machen! Also stand ich während der Trauung ganz in der Nähe des glücklichen Paares und fragte mich, wann Miriam und ich wohl diesen Schritt gehen würden. Schon lange, da war ich mir sicher, wartete sie auf einen Antrag meinerseits, doch bisher hatte ich es einfach nicht geschafft. Konnte ich sie wirklich derartig belügen und ihr mit einem Ring sagen, dass es niemanden auf der Welt gab, mit dem ich lieber den Rest meines Lebens verbringen wollte? Noch war ich dazu nicht im Stande, denn irgendwo in meinem Herzen hätte ich dann den Funken Hoffnung erstickt, der mir sagte, dass diese gewisse Einsamkeit, welche ich noch immer empfand, irgendwann mit irgendwem vergehen würde.
 

Wie heißt es so schön? Die Liebe klopft meist dann an die Tür, wenn man sie am wenigsten gebrauchen kann. Sie besucht einen in den schwersten Minuten oder dann, wenn man gerade ganz andere Pläne hat. Und im schlimmsten Fall hat sie nicht vor, jemals wieder zu verschwinden.

Auch mich traf sie in einer nicht gerade günstigen Lage, doch zunächst erkannte ich sie gar nicht, so wie einen alten Freund, dessen Gesicht man zwar kennt, aber bei dem man einfach nicht ausmachen kann, weshalb es einem so bekannt erscheint. Ähnlich war es mit meinen Gefühlen; ich hatte einfach verlernt, sie zu deuten. Oder vielleicht hatte ich es auch nie wirklich gekonnt.
 

Ich fand Mathew schon gut aussehend, aber im Grunde war er nicht mein Typ. Ich mochte dunkle Haare, dunkle Augen, große, muskulöse Körper. Mathew war fast das Gegenteil. Er war blond, hatte grüne Augen, war geschätzte vier Zentimeter kleiner als ich und vom Körperbau durchschnittlich bis vollkommen normal. Eigentlich machte ihn sein gesamtes Aussehen nicht zu etwas Besonderem, weshalb ich auch nicht weiter in dieser Beziehung auf ihn achtete, als er uns zum WM-Trainingscamp als einer der neuen Physiotherapeuten vorgestellt wurde. Er war zuständig für Massagen, Verletzungen, Fitnesstraining… für das Wohlbefinden halt. Wenn es rein um den ersten Eindruck ginge, wäre einige der anderen Männer sicherlich interessanter gewesen.

Zunächst gab ich mich auch nicht weiter mit ihm ab, was das private Leben angeht. Es mag oberflächlich klingen, aber irgendwie hatte ich mich noch nie richtig mit den ganzen, nennen wir sie mal Helfern beschäftigt. Ich unterhielt mich teilweise ganz gerne mit ihnen, hatte sportliches Vertrauen ihnen gegenüber, was meinen Körper anging, aber wirklich freundschaftlich waren die Verhältnisse nicht.

Genauso distanziert ging ich also zunächst auch mit Mathew um. Die ersten Tage beachtete ich ihn wenig, wechselte kaum Worte mit ihm und hätte nicht einmal sagen können, welchen Farbton genau seine Augen hatten, doch irgendwann fiel mir dennoch ihr Strahlen auf, das kleine Glitzern, wenn das Licht hinein schien. Vermutlich glichen sie hiermit immer noch fast allen anderen Augen auf der Welt, und dennoch brannte sich irgendetwas daran in meinem Verstand fest und wenn ich die Augen schloss, sah ich seine vor mir. Natürlich beschloss ich sofort, es nicht weiter zu beachten und ignorierte es gar. Erst einmal klappte dies sehr gut, denn mittlerweile war ich ja mehr als geübt darin, meine innersten Gelüste zu unterdrücken, doch es hinderte mich nicht daran, das Bedürfnis zu entwickeln, mit ihm ein kleines bisschen mehr Zeit zu verbringen als mit jedem anderen Fitnesscoach zuvor. Auch hielt es mich nie davon ab, ihm doch wieder so gerne in die Augen zu sehen. Und leider bemerkte ich so mit der Zeit immer mehr Kleinigkeiten an ihm, die mir ausgesprochen gut gefielen.
 

Wenn man für gewisse Zeit sehr eng zusammen arbeitet und lebt, kommt es schnell, dass man sich auch private Dinge anvertraut – zunächst natürlich erst einmal solche, die nicht besonders wichtig sind. Zum Beispiel erfuhr ich von Mathew, dass er bereits 26 Jahre alt war und somit fünf Jahre älter als ich. Auch wusste ich bald, dass er seit drei Jahren keine Beziehung mehr gehabt hatte, doch damals war er sogar verlobt gewesen. Weiterhin sprach er viel von seiner Familie, die ihm sehr wichtig war, und er schwärmte von seinem Hobby, der Fotografie.

Ich merkte eigentlich relativ schnell, dass ich an seinen Lippen hing, wenn er erzählte. Sie waren nicht außergewöhnlich schön, aber ich mochte es, wie er sie bewegte. Und noch viel mehr mochte ich, wie er seine Hände benutzte. Er hatte lange, schlanke Finger, fast schon etwas knochig, und eine sehr gepflegte Haut, obwohl er sich ab und an eine Zigarette gönnte. Trotz dieser Angewohnheit roch er nie nach Rauch, im Gegenteil, ich mochte seinen Geruch sehr gerne. Und wie gesagt, ich liebte es, seine Hände zu beobachten. Irgendwie bewegte er sie äußerst elegant, bedächtig gar, nie überstürzt. Er war nie grob und berührte alles wie mit einer Art ihm eigenen Zärtlichkeit, auch wenn es nur der Geldschein war, den er aus seinem Portmonee nahm. Auch mochte ich es, wie er mit anderen Menschen sprach; wie freundlich er sie anlächelte, seien sie noch so unwichtig, oder wie offen er lachen konnte.

Alles in allem kann man wohl sagen, dass ich sehr schnell meine Augen nicht mehr von ihm nehmen konnte, obwohl er, rein objektiv betrachtet, gar nichts Besonderes an sich hatte. Dennoch war ich froh, wann immer ich einen harmlosen Grund hatte, ihn anzusehen. Und ich konnte einfach nicht anders, als zu lachen, wenn er es tat. Ich musste es gar, denn noch nie hatte ich es als so ansteckend empfunden.

Trotz all dieser sehr eindeutigen Indizien hätte ich nie im Leben zugegeben, dass ich Gefühle für Mathew entwickelt hatte. Das war ausgeschlossen, unmöglich. Ich würde mich nicht hier und jetzt in einen Mann verlieben, erst recht nicht in einen, der etwas mit meiner Arbeit zu tun hatte. Es würde keinen so schwerwiegenderen Fehler in meinem Leben geben!

Also war ich immer mehr darauf bedacht, nicht aufzufallen. Ich versuchte zwar, viel Zeit mit Mathew zu verbringen, aber auf keinen Fall so viel, dass es irgendwie hervorstechen könnte. Daher passte es mir eigentlich ganz gut, dass er schnell zu einem der beliebtesten Physiotherapeuten bei uns geworden war und sich viele gerne mit ihm abgaben. Auf diese Weise fiel ich weniger unter ihnen auf und konnte oft Zeit mit ihm verbringen. Was ich mir dabei nicht eingestand, war die Eifersucht, die ich schnell zu empfinden begann, wann immer Mathew mit jemand anderem zusammen war.
 

Ein paar Tage vor Beginn der WM reiste Miriam an. Sie hatte sich frei nehmen können, was nicht schwer gewesen war, denn sie arbeitete ohnehin nicht für das Geld, sondern weil sie Spaß daran hatte. Das große Turnier wollte sie nun aber auf keinen Fall verpassen und dabei an meiner Seite stehen. Als sie mir gesagt hatte, dass sie kommen würde, hatte es mich gefreut, denn, wie gesagt, ich hatte sie gerne an meiner Seite. Sie tat mir gut und zudem war ich mir sicher, dass sie meine Gefühle wieder etwas ordnen würde.

Eigentlich spielte ich seit Thomas’ Hochzeit sogar hin und wieder mit dem Gedanken, ihr nach Ende der WM einen Heiratsantrag zu machen. Oder vielleicht auch zwischendurch, nach irgendeinem unserer Siege. Als sie nun aber vor mir stand und mich in die Arme schloss, schaffte ich es nicht, mich wirklich aufrichtig zu freuen und dem Gedanken positiv gegenüberzustehen. Mit einem Mal quälte er mich wieder und irgendwas störte mich sehr daran. Mehr denn je fragte ich mich, ob ich sie wirklich auf diese Weise hintergehen könnte, mehr denn je war ich unsicher. Aber noch musste ich es ja nicht tun, noch hatte ich Zeit. Und so stellte ich ihr Mathew einen Tag später vor. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich freuen oder ärgern sollte, als ich merkte, dass sich die beiden von der ersten Sekunde an unheimlich sympathisch waren.
 

„Und dann begann ja erstmal die WM…“

„Genau. Unser erstes Spiel war am dritten Spieltag und ich konnte es kaum erwarten. Wie lange hatte ich genau darauf gewartet!“

„Das muss ein atemberaubendes Gefühl gewesen sein.“

„Das war es in der Tat. Und auch wenn ich kein Tor schoss, sondern zudem noch diesen blöden Elfmeter in den Sand setzte, war es wirklich einer der tollsten Tage meines Lebens…“

„Weil Sie es endlich so weit geschafft haben?“

„Ich kann mir denken, worauf sie hinaus wollen. Nein, natürlich lag es nicht nur daran. Es lag zu einem großen Teil auch an Mathew, obwohl ich mir dessen nicht bewusst war.“

„Wirklich nicht?“

„Ich verdrängte es. Natürlich merkte ich auch, dass ich immer wieder zur Trainerbank hinüber schaute und mich freute, wenn seine Augen auf mir lagen, doch ich zwang mich, nicht darüber nachzudenken.“

„Und sonst bemerkte es keiner? Miriam? Thomas?“

„Nein, keiner bemerkte es. Bis auf Mathew.“
 

Kapitel 7 - ENDE



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Kommentare zu diesem Kapitel (11)
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Von:  TamakiSuo
2010-09-01T12:52:05+00:00 01.09.2010 14:52
Doch all das reicht dir nicht. All das kann dich nicht so glücklich machen, dass es dir diesen winzigen Teil deiner selbst zurückgibt, den du vor langer Zeit irgendwo auf dem Weg verloren hast.

Das hat mir irgendwie sehr gut gefallen, diese Formulierung ist voll schön :)
Ich finde das ganze Kapitel wieder sehr schön, im Gegensatz zu den anderen irgendwie ruhiger, aber nicht schlechter :D

Wenn ich aus der Schule wiederkomme, lese ich das achte Kapitel, vielleicht ja sogar wirklich bei einem schönen heißen Pfefferminztee ;)

Und das "Außer Mathew" am Ende hat mich richtig neugirieg gemacht O__O
Von:  Card-Master
2010-08-27T23:04:58+00:00 28.08.2010 01:04
Liebe kann echt schwierig sein. Ganz besonders hier.
Man (oder eben ich) fühlt richtig mit dem Protagonisten mit. Ich hoffe wirklich, dass Mathew ihm ein wenig Freude in sein Liebesleben bringt. Verdient hätte er es jedenfalls.
Uh~ Was für eine spannende Stelle. >_>
Ich bin schon gespannt auf das nächste Kapitel. Weiter so :D
Von:  Onlyknow3
2010-08-25T18:27:01+00:00 25.08.2010 20:27
Ja Liebe kann so schön sein wenn man sie geniesen und ausleben darf,es ist aber selbstzerstörerisch sie dann zu leugenen wenn sie zuschlägt.
Armer irrer Fußballer,wann lernst du das deine gefühle es sind die dich Einsam machen weil du sie eben nicht Wahr haben willst.
Das ist meine Einschätzung zu diesem Ignoranten an sich selbst.
Erwarte das nächste Kapitel voller Neugierde was kommt.

LG
Onlyknow3
Von:  Tshioni
2010-08-24T13:32:12+00:00 24.08.2010 15:32
wieder so ein verflixtes ende...
da kann man wieder nicht aufhören nachzudenken was im nächsten Kaptiel passiert!
Die beiden letzten Kaptiel waren wirder super toll!
Deine Geschichte zieht mich immer wieder in den Bann!
Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
lg
Tshioni
Von: abgemeldet
2010-08-21T10:48:33+00:00 21.08.2010 12:48
<Diesen Teil zu verlieren, ist das nicht ein kleiner Preis, im Gegenzug zu all dem, was du dafür zurück bekommen kannst?> Jeder Teil von sich selbst - sei er auch noch so klein! - ist ein riesen Verlust, gibt man ihn wirklich auf...
<Doch dafür könntest du du selbst sein – du wärest frei! > Na ja, frei ist er ja eigentlich immer... es zwingt ihn ja keiner, sein Geheimnis zu bewahren, sondern er tut das aus freien Stücken... er sperrt sich selber ein und er ist frei in seiner Entscheidung, ob er das weiter tun will oder nicht...
<So konnte ich auch dort nicht viel nachdenken oder mich einsam fühlen.> Eigentlich kann sie einem Leid tun.. ich meine, sie erwartet etwas ganz anderes von ihm, als er bereit ist, ihr zu geben und eigentlich ist er doch nur bei ihr, weil sie eine Ablenkung darstellt...
<für das Wohlbefinden halt.> :)
<Nein, keiner bemerkte es. Bis auf Mathew.> Na, wenisgtens einer :)
LG cada :)
Von:  Wolkenfee
2010-08-20T09:21:57+00:00 20.08.2010 11:21
Hm, schon wieder hörst du an einer gemeinen Stelle auf ;)
Die Beschreibung von Matthew hat mir gefallen, bin mal gespannt, ob er was sagt und wenn ja, was.
Er denkt also über einen Heiratsantrag nach? Hm, mal sehen, ob er den Gedanken weiter verfolgt...
LG, Fee
Von:  Hannibaellchen
2010-08-20T05:58:49+00:00 20.08.2010 07:58
Er denkt also über nen Heiratsantrag nach? Pfff... auf was für Ideen der Junge so kommt...XD
Naja, zum Glück scheint Matthew ja dann genau im richtigen Moment aufzutauchen. Hoffentlich wird das endlich mal was mit den beiden. Wäre ja langsam mal an der Zeit. Auch wenn es auf Dauer gesehen wohl eh wieder nur Probleme bringen würde, so ein BISSCHEN Glück würd ich dem Protagonisten so langsam schon mal gönnen...
Ich bin gespannt!

LG Bällchen
Von:  Samrachi
2010-08-20T01:40:39+00:00 20.08.2010 03:40
hui ^^ sehr schönes kapitel wieder mal ;)

aber ich muss dich gleich mal auf einen kleinen fehler am schluss aufmerksam machen: Nein, keiner bemerkten es. Bis auf Mathew. Das 'n' bei bemerkteN gehört weg ^^

und du hörst schon wieder bei soeiner spannenden stelle auf ;__; kriegt der protagonist jetzt wieder schwierigkeiten, ein neues tief?
ich fand die beschreibungen matthews sehr gelungen, ich konnte mir ein richtiges bild von ihm in meinem kopf machen xD

hm also ich finde, das mit dem ehiratsantrag wäre nichts gutes für den protagonisten... wenn er jetzt schon so ein schlechtes gefühl dabei hat, sie auch nur eventuell zu fragen... da wird nichts ._.

bin auf das nächste kapitel gespannt ^^
lg samra
Von:  ReiRei-chan
2010-08-19T17:20:46+00:00 19.08.2010 19:20
Ich schließe mich -Ivory- mal an: Du Sau! xD
Immer diese Cliffhanger.. ehrlich, die sollten verboten und weggesperrt werden! Ich bin doch neugierig! Mensch! Sowas tut man einem hoch neugieren Menschen nicht an! ^-^
Irgendwie ist das alles doof, aber das nennt man wohl Leben!
Ich bin einfach nur noch gespannt wie es weiter geht!
Von:  Elena_Jenkins
2010-08-19T15:46:53+00:00 19.08.2010 17:46
Du Sau! Du hast'en doofen Hang zum Cliffhanger xD
Das doch echt gemein! Wie kannst du denn da ende machen?!
Ich auf jeden Fall fand das Kapitel sehr gut, hab aber Fehler gefunden xX An einigen Stellen fehlten Buchstaben o.O Wollts nur ma sagen, tut dem Genuss der Story aber keinen Abbruch.
Auf jeden Fall will ich wissen, ob das mit Metti und ihm was wird oder was da noch so kommt. Wirklich~ sehr sehr sehr spannend~

vlG und *kussi*,
Iv


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