Zum Inhalt der Seite

About a Boy

D&T-Anthology XII
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

About a Boy

About a Boy
 

Vorwort: Es ist eine ganze Weile her, seit ich das letzte Mal was zu Dylan und Tyler geschrieben habe...es ist überhaupt eine ganze Weile her, dass ich überhaupt etwas geschrieben habe bzw. etwas zu Ende geschrieben. Im letzten Jahr habe ich eine ganze Menge Stories angefangen, aber keine davon irgendwie zu Ende gebracht. Das lag zum Teil sicher an der Tatsache, dass ich studiere und arbeite und nicht mehr so viel Zeit hatte, aber zum Teil war ich auch irgendwie faul...und auch irgendwie blockiert, was das Schreiben anging. Ich glaube und hoffe, dass das jetzt vorbei ist. Dieser neue Teil der D&T-Anthology ist – wieder mal – stark von persönlichen Erfahrungen geprägt, aber dennoch eine eigenständige Story, die ganz allein Dylan und Tyler gehört. Ich hoffe es gefällt...und ich hoffe, es gibt noch einige Leser da draußen, die nicht komplett die Schnauze voll von mir haben.
 


 

Es ist eigentlich unlogisch, dass ich noch wach bin. Richtig physikalisch unlogisch. So, als würde man einen Gummiball hoch schmeißen und der würde wie ein Sack Zement nach links gegen die Wand kippen. Denn eigentlich müsste ich müder sein, als jemand, der binnen drei Minuten das komplette Treppenhaus des Empire State Buildings mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von Mach 3 hinter sich gelassen hat, und dabei noch je einen Audi A4 an jedem Fußgelenk hängen hatte.

Wenn nicht schon wegen der Tatsache, dass ich in den letzten drei Tagen nicht mehr als sechs Stunden geschlafen habe – gut, sagen wir halb lauschend, halb murrend gedöst, das kommt der Wahrheit erheblich näher - , dann doch zumindest wegen der zwei mehr als nur gewaltigen Mörderorgasmen, die ich gerade hatte. Den ersten dank Dylans vorwitziger Zunge und seinen Saugqualitäten, die jeden Hochdruckstaubsauger in erbärmlich blassem Licht erscheinen lassen und den Zweiten, als er sich wieder so hinter mich gelegt und mein rechtes Bein so angewinkelt hat, dass er auf eine Art in mich eindringen konnte, die so allumfassend geil ist, dass man eine ganze Buchreihe darüber schreiben könnte – und wir reden dabei von einer Seitenstärke im vierstelligen Bereich, PRO Band wohlgemerkt. Ich müsste also hundemüde sein. Und, verdammte Scheiße, ich BIN auch hundemüde. Mein Körper ist am Ende, total verausgabt, mein Mund ist trocken wie Schmirgelpapier, mein Hals ein biologisch humanes Äquivalent zur Viktorianischen Wüste, ich finde kaum noch die Kraft, mich zu bewegen, selbst das Atmen ist anstrengend und die letzten Reste Flüssigkeit, die in meinem Organismus waren, trocknen in Form von Schweiß auf meiner Haut, ich sollte sofort wegnicken und einratzen. Aber Pustekuchen.

Stattdessen lieg ich wieder wach, starre an die Decke und lausche angestrengt nach den Stimmen, die von unten her gedämpft heraufdringen. Ich könnte auch aufstehen und die Tür ganz aufmachen, dann würde ich besser hören, aber dazu bin ich einfach zu faul. Außerdem, wenn ich schon aufstehe um die Tür aufzumachen, kann ich auch gleich bis zum Treppenabsatz gehen und dort lauschen und wenn ich schon zum Treppenabsatz gehe, kann ich auch gleich runter gehen und mich an die Küchentür lehnen und wenn ich schon zur Küchentür gehe, dann kann ich auch genauso gut zu den Leuten rein gehen und mitreden. Und wenn ich erstmal mitrede, dauert es sicherlich nicht mehr lange, bis die Lautstärke des Gesprächs so hoch ist, dass man es auch von dem Bett aus, in dem ich gerade liege, bestens hören kann, auch mit geschlossener Tür.

Und das wäre in der momentanen Situation nicht gerade förderlich für den Haussegen. Ich meine, gut, das Ding liegt eh schon zerbrochen und entzwei getreten irgendwo in der Gosse und ich bin derzeit höchstwahrscheinlich derjenige im Haus, der sich am meisten um den Erhalt desselbigen sorgt – und das will schon was heißen, wir reden hier immerhin von mir – aber man muss es ja nun dennoch nicht gleich übertreiben.

Nachher wacht Lars noch auf und DANN ist das mit der Lautstärke sowieso Essig.

Als hätten meine Gedanken es heraufbeschworen, wird es unten prompt ein wenig lärmender. Eine dunkle, tiefe Männerstimme spuckt ruckartig und bellend einige Sätze aus, von denen ich nur einige Fragmente mitbekomme - ........sowas geht nicht.....stellst du....bleibt hier....hätte Isabel nie gewollt....so jemand wie.... - woraufhin die zwei anderen beteiligten Stimmen dazu gezwungen werden, ihr Volumen ebenfalls etwas nach oben zu schrauben. Zunächst eine helle, weibliche Stimme, ein wenig aufgeraut durch regelmäßiges Rauchen, die alsbald von einer dritten, wieder männlichen Stimme unterbrochen wird. Beim Klang der Letzteren drehe ich den Kopf automatisch zur Seite, so als ob ich dadurch besser oder mehr hören könnte, so als würden mich die Schallwellen dieser Stimme dann häufiger und geballter Treffen. Und wie so oft bekomme ich davon eine leichte Gänsehaut. Das liegt in erster Linie aber daran, dass ich zwangsläufig daran denken muss, wie diese Stimme mir vor etwa einer halben Stunde lüstern, klar und ohne einen Spur von Scham 'Ich will dich ficken' ins Ohr geraunt hat.

Jetzt klingt Dylans Stimme allerdings nur angepisst und sauer. Was wiederum aber auch kein allzu großes Wunder ist, wenn man sich vor Augen führt, wer da unten mit ihm in der Küche herumsteht.

Man hätte ja eigentlich meinen sollen, dass ich inzwischen so eine Art inneren Sensor für kolossale Katastrophen auslösende Anrufe, oder wie ich sie auch gerne nenne KKAAs, entwickelt habe, so oft wie bei uns schon das Chaos mitsamt buckliger Verwandtschaft durch den Telefonhörer ins Leben marschiert ist. Irgendeine Art von innerem Frühwarnsystem, ein innere Stimme, ein Grummeln im Bauch oder eine drecksverdammte Final-Destination-Vorahnung, aber nichts. Als das Telefon bei uns vor knapp anderthalb Monaten geklingelt hat, hab ich nichts besonderes gespürt oder empfunden. Kein düsteres Omen in meiner Kaffeetasse, keine verstecke Botschaft auf der Titelseite der Zeitung, nicht mal das Fallenlassen eines Glases, korrespondierend mit dem ersten Läuten wie man das aus Horrorfilmen und Krimis kennt. Das einzige, was passiert ist ist, dass ich ein wenig genervt gegrummelt hab, weil ich gerade im Büro vor meinem Laptop saß und an meinem neuen Buch geschrieben habe. Ich bin nämlich seit Neustem so was wie ein angehender Fast-Bestsellerautor. Schon während meiner Schulzeit hab ich immer wieder mal irgendwelche Geschichten aufgeschrieben, die ich dann immer mal an einen Verlag schicken wollte, woraus dann schlussendlich aber nichts geworden ist, weil am Ende eben doch immer meine Zweifel gesiegt haben, ob sich überhaupt irgendjemand auf dieser weiten Erde für den grottenschlechten Mist interessieren könnte, den ich kranker Einzelgänger mir da in meinem soziopathischen Oberstübchen zusammenklamüsert habe. Nach dem Abitur sind die meisten Geschichten meiner Delete-Taste zum Opfer gefallen, nur eine Handvoll Stories, die mir einfach zu sehr am Herz lagen – und die zu viele Seiten hatten, an denen ich zu viele Stunden meines Lebens gesessen habe um sie einfach so in den Papierkorb zu schmeißen - haben es auf einem USB-Stick überlebt. Genau dieser USB-Stick lag über drei Jahre unangesehen in meinem Nachttisch, bis er plötzlich verschwunden war, so wie halt manchmal Sachen einfach verschwinden, obwohl man ganz genau weiß und sich scheiße noch eins SICHER ist, dass man sie nicht weggenommen hat. Ich habe eine Woche danach gesucht und es dann aufgegeben, bis ich fast ein Dreivierteljahr darauf zufällig in ein altes Etui geschaut habe, weil ich dringend einen Füllfederhalter gebraucht habe. Und siehe da, dort fand ich den USB-Stick wieder. Zu der Zeit damals hatte ich gerade meinen Job als Skriptor verloren und sah mich nach meinem langen Krankenhausaufenthalt einer schier ewig andauernden Periode des Nichtstuns und, noch viel schlimmer, des zu-nichts-zu-gebrauchen-Seins gegenüber. Also sah ich mir an, was ich einstmals auf diesen kleinen 4 MB Stick gepackt hatte und begann, es zu überarbeiten. Herausgekommen ist eine Geschichte über zwei junge Männer, die sich gerade dann ineinander verlieben müssen, als der Rest der Welt einer globalen Katastrophe zum Opfer fällt. Ich hab auch damals nicht mit dem Vorsatz geschrieben, das ganze zu veröffentlichen, sondern einfach, damit ich etwas zu tun hatte und nicht immer nur herumgesessen und mich darin bestätigt habe, der unnützeste und schlimmste Versager seit Menschen- und Dinosauriergedenken zu sein. Und es hat ganz wunderbar geholfen, dass muss ich sagen. Auch, wenn ich dennoch nicht um die ein oder andere Depression herum gekommen bin, aber was diese alten Mistbiester angeht, mit denen hab ich Erfahrung, und ich weiß, wie ich die handhaben muss. Was ich nicht so richtig zu handhaben wusste, war die Neugier mit der Dylan mir und meiner Geschichte nachgestellt hat, denn kaum, dass er mitbekommen hatte, dass ich an etwas schreibe – und, was noch viel verderblicher war, etwas, das ich vor ihm geheim hielt – schnüffelte er in meiner Nähe herum und versuchte sie zu lesen. Ich musste siebenundzwanzig Mal das Passwort meines Laptops ändern, SIEBENUNDZWANZIG Mal. Ich meine, es mag ja ganz romantisch anmuten, dass er mich so gut kennt, dass er diese ganzen Passwörter erraten hat, aber ehrlich gesagt finde ich es auch etwas dreist. Zu guter Letzt hab ich sie ihn dann aber doch lesen lassen, weil er, trotz aller Liebe, manchmal echt eine Plage sein kann, vor allem, wenn sich sein unverschämt gutes Aussehen mit seinem patentierten Sei-lieb-zu-mir-dann-bin-ich-lieb-zu-dir-Lächeln paart. Und erst, als er sich mit meinem Laptop ins Büro verkrümelte und gebannt von einer Seite zur nächsten scrollte, bemerkte ich wie nervös ich plötzlich war, wie viele Gedanken ich mir darüber machte, was er von meiner Geschichte halten würde, was ihm gefallen und was ihm nicht gefallen würde. Vier Tage brauchte er, um alles zu lesen und in all der Zeit gab er mir kein einziges Mal zu verstehen, ob er sie gut fand oder nicht. Kein kleines Lob zwischendurch oder eine dezent versteckte Kritik beim Abendbrot, kein verräterisches Augenzwinkern oder Kopfschütteln, das mir irgendeinen Hinweis gegeben hätte, nichts von alledem. Sobald er den Laptop wieder ausgeschaltet und zugeklappt hatte, tat er, als hätte ich nie etwas geschrieben. Demnach war ich gespannt wie Hephaistos' verfluchter Armaggeddon-Bogen, als er schließlich verkündete, er habe die letzte Seite hinter sich gebracht. Ich glaube, zu dem Zeitpunkt begann ich am Nagelbett meiner Finger zu kauen, weil ich die eigentlichen Nägel schon weg gesäbelt hatte vor Nervosität. Und wieder sagte er mir nichts. Kein einziges Wort. Gut, dachte ich mir, wenn er Spielchen spielen will, spielen wir halt Spielchen, das kann ich nämlich auch ganz gut und so tat auch ich so, als wäre nichts gewesen. Wenn er hier meinte, ich würde ihn quengelnd wir ein kleines Kind anheulen, er möge mir doch bitte sein Gott gleiches Urteil verkünden, hatte er sich geschnitten. Ich hatte auch meinen Stolz. Vier Tage späte war mir mein Stolz dann aber relativ scheißegal, ich musste einfach wissen, was er davon hielt. Normalerweise wäre mir die Meinung jedes anderen siebenspurig am After vorbeigegangen, aber bei Dylan ist das was anderes. Ich will seine Meinung zu allem wissen, was ich mache, weil sie mir wichtig ist, so wie er mir wichtig ist. Ich war also drauf und dran, doch wie ein quängelndes Balg zu ihm hinzugehen, mich um seine Beine zu schmeißen und ihn anzuflehen, als er mir einen Brief auf den Tisch knallte und mich breit angrinste.

Wenn ich nicht so verblüfft gewesen wäre, hätte mir das Grinsen eindeutig Angst gemacht, aber so nahm ich einfach nur den Umschlag, riss ihn auf und las den Inhalt. Kurzum, Dylan hatte meine Geschichte so gut gefallen, dass er, sehr wohl wissend, dass ich selbst das niemals über mich bringen würde, einfach ein Manuskript an mehrere Verlage geschickt hatte. Und von denen hatte einer sein Interesse bekundet.

So begann dann meine „Karriere“ als Autor, die mir bis jetzt drei kleine Buchpreise, ein recht rentables Monatseinkommen und sogar ein längeres Interview in einer Kulturradiosendung gebracht hat. Ich bekomme sogar regelmäßig ein paar Fanbriefe, was ich anfangs irgendwie surreal fand – Fanbriefe bekommen sonst nur Leute wie Angelina Jolie oder Lady Gaga – aber inzwischen hab ich mich schon richtig daran gewöhnt. Um aber mal zum eigentlichen Thema zurückzukommen, ich saß also wieder mal vor dem Laptop und schrieb an meinem zweiten Buch, als das Telefon klingelte und ich, wie schon einmal erwähnt, nicht irgendeinen Schwächeanfall bekam, der mir signalisieren sollte, dass dort am anderen Ende der Leitung der Teufel mit einer neuen Runde seines Lieblingsspiels Tyler-Breakdown wartete, sondern lediglich genervt von der Tastatur aufsah und nach Dylan schrie, er solle doch mal bitte rangehen. Prompt kam von oben ein ebenso genervtes Gebrülle von wegen er könne jetzt nicht. Ich brüllte zurück, warum denn nicht, er brüllte wieder herunter, weil er gerade aus der Dusche käme und splitterfasernackt sei. Also stand ich seufzend auf, klappte den Laptop zu und trabte zum Telefon. Und vielleicht hätte das alles noch einen anderen Werdegang genommen, wenn zumindest während dieser siebenunddreißig Schritte irgendetwas geschehen wäre um mich vorzuwarnen, doch alles, was passierte war, dass ich mir den Fuß am Türrahmen stieß, laut fluchte und schlussendlich nach dem Hörer griff, ihn ans Ohr hielt und mich ganz normal, wenn auch etwas angepisst, meldete.

Von diesem Moment an ging alles konsequent den Bach runter, und ich meine wirklich konsequent, ohne Wenn und Aber, Schlag auf Schlag krachte alles, was wir bisher an Normalität wiedererlangt hatten, in sich zusammen und riss uns mit sich.

Am anderen Ende war Dylans Mutter, wie ich erst nach einigen Augenblicken bemerkte, denn genau die dauerte es, bis Nicole Drechsler endlich ihren Mund aufbekam und nüchtern und trocken nach ihrem Sohn fragte. Ich kannte diese Art eigentlich schon zu Genüge, diese betont emotionslose Art, darauf bedacht, bloß nicht zuviel mit mir zu reden und unsere Konversation auf das absolut Nötigste zu beschränken. Früher hat mir das was ausgemacht und ab und an, wenn ich gerade besonders gemein drauf war, hab ich Herr oder Frau Drechsler mit Absicht in ein kleines Gespräch verwickelt um sie damit etwas zu ärgern, aber inzwischen ist es mir vollkommen egal, erstens rufen die nämlich sowieso nicht so oft an und zweitens habe ich längst eingesehen, dass ich mit seinen Erzeugern nie und nimmer auf einen grünen Zweig kommen werde, vermutlich nicht mal dann, wenn ich mich zu einer Frau umoperieren lassen würde. Dennoch war an der Art und Weise wie sie klang diesmal etwas anders. Vielleicht war es die Tatsache, dass ihre Stimme sich auch gepresst anhörte, so, als müsse sie sich arg zusammenreißen um normal und verständlich zu sprechen, eventuell war es auch einfach die merkwürdig unterschwellige Abneigung, nicht gegen mich, sondern gegen das Gespräch allgemein, so als würde sie am liebsten alles andere tun, nur nicht dieses Gespräch führen.

Ich legte also den Hörer zur Seite und rief zu Dylan herauf, dass seine Mutter dran sei und sie etwas mit ihm besprechen wolle. Von oben drang daraufhin das Quietschen des Duschabziehers an meine Ohren, ehe seine tiefe Stimme noch immer etwas genervt antwortete, er würde gleich zurückrufen.

Genau das gab ich an Nicole weiter und war bereits im Begriff wieder aufzulegen, als mich ihre plötzlich ins Panische hochgekurbelte Stimme davon abhielt und mir eindringlich erklärte, sie müsse ihn jetzt sprechen. Und nicht einfach nur in zwei Minuten jetzt, sondern JETZT, so wie in JETZT GLEICH SOFORT!

Gut, ab da begann ich dann doch zu merken, dass hier grad etwas ganz gewaltig schief ging, also rief ich Dylan mit all meiner Stimmenstärke herunter. Nach einigem Gegrummel polterte er schließlich die Treppe runter und nahm mir – nur in Unterhose und Socken – den Hörer ab, wobei ich es mir nicht nehmen ließ ihm beim Rückmarsch zum Laptop anerkennend auf seinen Knackarsch zu schlagen. Ich war auch spontan wieder etwas besser drauf und das mehr als nur scharf machende Spiel seiner Gesäßmuskeln, wenn er sein Gewicht von einem Bein aufs andere verlagerte, ließ mich sogar den merkwürdigen, warnenden Unterton vergessen, den ich vorhin noch so deutlich am Telefon gespürt und wahrgenommen hatte. Ich schaffte es bis zu meinem Schreibtisch. Gerade als ich mich wieder hinsetzen wollte, hallte ein entsetzlich lauter Schrei durch unser Haus. Ich erschrak so sehr, dass ich mit dem Knie gegen die Schreibtischseite knallte, doch den Schmerz spürte ich gar nicht. Mein Gehirn war zu sehr damit beschäftigt, diesen Schrei als das Wort 'WAS?!' zu identifizieren, ehe es alle nur möglichen Energien dazu verwandte, mich so schnell wie nur denkbar zurück zu Dylan zu bringen.

Es hatte sich gar nicht so viel verändert. Er trug immer nur noch Socken und seine Unterhose – eine weiße eng anliegende von Calvin Klein – hatte den Hörer in der Hand und kehrte mir den Rücken zu und doch wusste ich sofort, dass so eben etwas furchtbar Schreckliches geschehen war. Nicht einfach nur ein Weltuntergang, sondern ein kosmischer Gewaltschlag, der alles Leben vernichtet hat. Es klingt blöd, aber das konnte ich allein an seiner Haltung sehen, es irgendwie fühlen.

Ich stand eine ganze Weile einfach nur so da, unfähig irgendetwas anderes zu tun, als ihn anzustarren und alle Szenarien durchzugehen, die sich hier gerade abspielen konnten. Mein erster Gedanke war, dass es sein Vater war, ein zweiter Schlaganfall, ein Herzinfarkt, irgendetwas in der Art, dann kam mir die Idee, dass es war mit der Firma zu tun hatte, Konkurs, pleite, Steuerhinterziehung, jemand war vielleicht im Knast oder wurde angezeigt, ein Brand im Haus oder Einbruch, scheiße auch, ich glaube, wenn ich da weitergestanden hätte, wäre es mir auch irgendwann durchaus möglich erschienen, wenn die Drechslers mit einem Flugzeug durch ein Zeitraumkontinuum gefallen wären und aus einem Paralleluniversum aus anrufen würden um uns vor der Zukunft zu warnen.

Aber dann senkte Dylan plötzlich den Kopf und sagte:“ Is in Ordnung, wir machen uns sofort auf den Weg..............ja..............bye, Ma.“ Es waren nicht die Worte, oder die Tatsache, dass er nicht mal hinsah, als der Hörer aus seiner Hand rutschte und zu Boden fiel, es war die Art wie er sie sagte. Ich kann nicht wirklich beschreiben, wie es klang, aber es war Angst einflößend, richtig, richtig Angst einflößend.

Es sollte dann tatsächlich fast drei nervenaufreibende Stunden dauern, bis mein werter Freund mir auch sagen konnte, was denn nun daheim vorgefallen war, das ihm so arg aufs Gemüt geschlagen, um nicht zu sagen, sein Gemüt komplett ZERschlagen hatte. Ich habe ihn natürlich gefragt, was los sei, aber er war in diesen drei Stunden in etwa so sprachlos, als hätte man ihm soeben ambulant die Stimmenbänder mitsamt Adamsapfel entfernt. Und dann war da dieser Blick, mit dem er mich bei meinem ersten Fragen ansah und auch der Ton seiner Stimme, mit der er mich bat – und es mir zugleich auch irgendwie befahl – den nächstmöglichen Flug nach Deutschland zu buchen.

Was ich dann natürlich auch sofort getan habe. Und wissen Sie, was merkwürdig, auf eine gewisse, fast unscheinbare Art sogar irgendwie unheimlich daran war? Es hat reibungslos geklappt. Sofort, beim allerersten Versuch. Normalerweise, so habe zumindest ich diese miese, stets schlecht gelaunte Gewitterhexe namens Leben kennen gelernt, geht nämlich NIE etwas reibungslos von statten, schon gar nicht einfach so und vor allem nicht dann, wenn man es gerade eilig hat. Dann haut sie einem immer ordentlich was rein. Handys, die plötzlich hinter Wandschränken oder in Sofaritzen liegen, obwohl man sich nicht erklären kann, wie die Dinger dorthin kommen. Computer, die einen partout nicht ins Internet lassen wollen oder gerade dann abschmieren, wenn man auf den Buchungsbutton klicken möchte. Airline-Mitarbeiterinnen am Telefon, die offenbar gerade simultan ihre Tage haben, von ihrem Freund mit der besten Freundin betrogen wurden und zehn Pfund zugenommen haben, was sie einen dann auch gleich spüren lassen, indem sie einen so miesepetrig anmotzen, dass einem der Hörer unter dem Ohr wegrottet. Und logischerweise die ewig kleine Leier vom Koffer, der nicht zugehen will und der obligatorischen Kleinigkeit – vorzugsweise Pass oder Kreditkarten – die man vergisst, was man erst am Flughafen oder am besten noch im Flug mitten über dem Atlantik bemerkt. Ich weiß gar nicht, wieviel Zeit und wie viele Kilowatt Nerven ich damit schon verplempert habe, mich über so etwas aufzuregen. - und mir eben Pass und Kreditkarten nachschicken zu lassen. Aber an jenem Tag dauerte die ganze Prozedur, vom Anklicken des Internetbrowsers bis zum Platzsuchen in Reihe 7 der zweiten Klasse von BritAir International vielleicht eine Dreiviertelstunde Plus Minus zehn Minuten. Selbst auf dem Hinweg zum Flughafen gab es keine wie auch immer gearteten Turbulenzen, keine auf Dauerrot geschalteten Ampeln, keine Staus, kein Sekundensturm, der einem ganze Eichen und Fichten vor die Motorhaube pustet, selbst die ewig währende Mission einen Parkplatz auf dem Flughafengelände zu finden, blieb uns erspart. Mich darüber freuen konnte ich natürlich nicht, immerhin war der Anlass für den Heimflug alles andere als toll, aber ich denke,ich war schon irgendwie beeindruckt. Und vielleicht, so hab ich bei mir selbst gedacht, während Dylan neben mir aus dem Fenster starrte und immer noch ein bisschen blasser wurde, weiß auch das Leben oder Schicksal oder was es nun auch immer ist, wann Schluss ist. So eine Art Präzedenzfall in Murphy's Gesetz, die große Ausnahme, die die Regel bestätigt. Denn ganz ehrlich, ich glaube, wenn auch nur eine einzige dieser vielen Sachen passiert wäre, ja, selbst, wenn lediglich die Erdnusstüte, die er im Flugzeug aufgemacht hat, so aufgeplatzt wäre, dass ihm die ganzen Nüsse auf den Boden gefallen wären, dann wäre irgendetwas in ihm gerissen. Etwas Entscheidendes, etwas, das zu reparieren unheimlich schwer, ja, wahrscheinlich sogar irreparabel gewesen wäre.

Seit diesem Tag, seit diesem Flug, sind nun fast siebenunddreißig Tage vergangen. Siebenunddreißig Tage, in denen sich die Welt irgendwie ganz enorm verändert hat. Nicht offensichtlich, aber irgendwie in ihren Kleinigkeiten, in ihrem Erscheinungsbild. So, als ob sich mein Betrachtungsblickwinkel ein bisschen nach links oder rechts verschoben hätte. So wie das bei mir mit dem Schnee war. Als Kind fand ich Schnee immer toll, so wie vermutlich jedes Kind das tut. Schnee stand immer für Schneeballschlachten, Schneemänner und dafür, dass bald Weihnachten ist, auch wenn Weihnachten für mich nie wirklich viel abgeworfen hat. Deswegen war auch ich immer ein kleines Bisschen am grinsen, wenn irgendwann im November oder Dezember die ersten Schneeflocken vom Himmel regneten. So lange bis mein Vater irgendwann, in dem Jahr, bevor er für immer aus meinem Leben verschwunden ist, von mir wollte, dass ich ihm einen Sechserpack Bier vom Supermarkt hole, weil er selbst, als er das letzte Mal einen Sechserpack holen war, von der Polizei angehalten und seines Führerscheins entledigt worden war. So weit kein Problem, es war nicht das erste Mal und es sollte auch nicht das letzte Mal sein. Und da das Auto, mit dem mein Vater letztes Mal einen Sechserpack holen wollte, eingestampft werden musste – Daddy hatte ihn nämlich versehentlich in der Schaufensterauslage eines Reformhauses geparkt, deswegen war die Polizei auch erst auf ihn aufmerksam geworden. - fuhr ich also mit dem Rad los. Es war Mitte November und der erste Schnee war schon wieder weggeschmolzen, es war relativ kühl, aber nicht kalt und so entschied ich mich gegen Handschuhe und Mütze, denn mit dem Rad war man binnen zehn Minuten beim Supermarkt. Ich schaffte es in acht. Der Laden war jedoch so voll mit Leuten, dass sich an allen Kassen ewig lange Schlangen gebildet hatten. Und die längste war natürlich an der Kasse, an der die alte Russin mit den aufgemalten Augenbrauen saß, die einen nie nach dem Ausweis fragte, selbst dann, wenn man Wodka kaufen wollte, aber noch nicht mal über das Fließband gucken konnte. Möglichst unauffällig schlich ich zur Getränkeabteilung und holte einen Sechserpack Haake Beck. In der Zeitschriftenabteilung nahm ich zwei Hefte mit – einmal ein Mickey Mouse Heft und eine Tageszeitung – um den Sechserpack auf dem Fließband zumindest ein bisschen abzudecken, damit mich nicht so viele mitleidige und empörte Blicke treffen würden. Als ich noch etwas unschlüssig vor einer Tüte Gummifröschen stand, fing es draußen an zu schneien. Nicht nur ein bisschen, sondern richtig. Ich dachte mir nichts dabei. Es würde schon wieder aufhören, so wie sonst auch. Als ich endlich mein Sechserpack auf das Band stellen und die Zeitungen darüber drapieren konnte, gab es die ersten Probleme mit der elektrischen Schiebetür, weil soviel Schnee von draußen dagegen drückte. Und als ich schließlich meine Fünf Mark fünfzig bezahlt hatte, tobte draußen ein einziger Schneesturm.

Ja, ich hätte warten können, ja, ich hätte einfach mit den anderen Leuten im Eingangsbereich stehen bleiben sollen, mir eventuell ein weiches Brötchen bei der Bäckerei kaufen. Aber das hätte bedeutet, die nächsten zwei Wochen nicht richtig sitzen zu können und mir blöde Ausreden dafür auszudenken, nicht am Sportunterricht teilnehmen zu können, damit niemand in der Umkleide meine blauen Flecken sieht. Also ging ich raus, packte alles in meinen Rucksack und fuhr los. Ich schaffte etwa dreihundert Meter. Die Schneedecke war locker ihre sieben Zentimeter hoch und ich hatte ständig das Gefühl als würde ich über Eierschalen fahren. Immer, wenn mein Hinterrad nach links oder rechts ausscherte, schnappte ich erschrocken nach Luft, woraufhin mir gleich der Hals weh tat, weil ich einen Schwall eisiger Kristalle eingeatmet hatte. In einer Kurve erwischte ich dann eine verdeckte Eisschicht, mein Rad rutschte weg und ich knallte auf den Asphalt. Ich hab mir den rechten Oberschenkel aufgeschürft, mir die Rippen geprellt und zudem tat mein Handgelenk weh, weil ich mich damit abzufangen versucht habe. Aber zum Jammern blieb keine Zeit, ich musste nach Hause. Dass vier der sechs Flaschen bei dem Sturz kaputt gegangen sind, habe ich nicht bemerkt. Ich kämpfte mich also hoch und schob zu Fuß weiter, denn, wie ich da erst bemerkte, war bei dem Sturz die Kette abgesprungen und meine Hände waren inzwischen so taub, dass ich schon Mühe hatte, den Lenker zu greifen. Ich brauchte für den Heimweg fast eine halbe Stunde und als ich ankam, war ich durchgefroren, hatte Ohrenschmerzen, nasse Füße und stank nach ausgelaufenem Bier. Für das zu spät kommen bekam ich vier Schläge, für die kaputten Flaschen noch ein paar dazu und für das Kaputt machen meines Rads als Zugabe ein Dutzend Ohrfeigen. Darüber hinaus lag ich zwei Wochen mit einer Grippe flach. Seither finde ich Schnee scheiße und wünsche mir einfach nur, dass er wieder weggeht, wenn er fällt.

So in etwa ist das jetzt auch. Das Haus, in dem ich jetzt bin, das Zimmer, in dem ich liege, all das hab ich schon oft gesehen und früher fand ich es immer toll hier zu sein. Es hatte etwas von Urlaub machen, von ausschlafen und rumdösen und irgendwann gegen Mittag aufstehen. Doch jetzt seh ich die Bilder an der Wand oder die Deko auf den Schränken und finde es nur noch traurig und entsetzlich.

Es war ein Autounfall. Das einfache Prinzip von Übersteuerung und Fliehkraft. Zu viel Geschwindigkeit plus abruptes Rumreißen des Lenkrads ergibt nun mal immer Überschlag mit Punktlandung im Straßengraben. Laut der Polizei war es ein Reh auf der Fahrbahn, aber Dylans Mutter ist der Meinung, dass es eher der gute alte Johnny Walker war, der Bernholt vom Fahren abgelenkt hat. Wie auch immer, der dunkelblaue BMW von Isabel und Bernholt Drechsler-Hagen ist auf dem Heimweg von einer Firmenfete von der Straße abgekommen und nach mehreren 360-Grad-Piouretten auf dem Dach gelandet. Bernholt war auf der Stelle tot, Isabel hat es noch bis ins Krankenhaus geschafft. Als Dylans Mutter bei uns anrief, hatte der Arzt ihr bereits erklärt, dass Isabels Verletzungen so schwerwiegend seien, dass man nichts machen könnte. Der Arzt gab ihr noch eine knappe Stunde. Tatsächlich hat sie noch acht Stunden durchgehalten, lange genug, dass sich ihre Eltern, Dylan und sogar ich von ihr verabschieden konnten. Was komisch war. Man weiß nie, was man sagen soll. Weder am Anfang, noch am Ende. Jedes Wort scheint so klein zu sein, unbedeutend. Schließlich hab ich sie mit Dylan und ihren Eltern allein gelassen und bin knapp zwei Stunden wirr und lustlos durch die Krankenhausflure geirrt. Als ich wieder kam, saß Dylan draußen auf dem Boden des Flurs und starrte an die gegenüberliegende Wand. Ich hab hinunter geguckt auf den Kaffee, den ich ihm besorgt hatte und hab ihn weggeschmissen. Dann bin ich zu ihm, hab mich wortlos neben ihn gesetzt und ihn zu mir gezogen. Sein Griff war schmerzhaft, seine Tränen heiß und seine Verzweiflung schier endlos. Ich hab selbst zwischendurch geweint, mich aber gezwungen aufzuhören. Und dann, naja, an die darauf folgenden Tage kann ich mich eigentlich nicht so recht erinnern, wenn ich ehrlich bin. Ich meine, klar, ich weiß schon in etwa, was da war, dass wir am ersten Tag nach Isabels Tod Spaghetti gegessen haben – bzw. lustlos darin herumgestochen und das meiste weggeschmissen. Dass ich am zweiten Tag nach Isabels Tod fast den ganzen Vormittag Schnee geschippt habe, sowohl die Einfahrt, als auch die Strasse vor dem Grundstück, den Betonplattenpfad ums Haus herum und natürlich die Terrasse im Hintergarten. Und am Nachmittag hab ich es nochmal gemacht, weil es beim Mittagessen wieder anfing zu schneien. Ich weiß sogar noch, dass ich am dritten Tag nach Isabels Tod die 'Muppets Weihnachtsgeschichte' im Fernsehen geguckt und das erste Mal kein einzige Mal gelacht habe. All das weiß ich, und doch erscheinen diese Tage in meiner Erinnerung nicht wie drei voneinander abgetrennte Tage, sondern mehr wie eine einzige graue, wabrige Masse, die an einem klebt und einen festhält. Und jetzt ist da dieses merkwürdige Gefühl, wenn ich auf eines der vielen Fotos schaue, auf denen Isabell Drechlser-Hagen zu sehen ist. Fast ein wenig so wie dieses heftige Hungergefühl, wenn man denkt, der Magen verdaut sich gerade selbst, nur dass es nicht weggeht, wenn man etwas isst. Es fühlt sich wirklich so an wie ein Loch. Und manchmal denke ich, wenn sich dieses Loch schon bei Isabel so entsetzlich anfühlt, dann will ich gar nicht wissen, wie es dann erst bei Dylan wäre.

In diesem Moment wird es unten wieder lauter. Offenbar ist mein Name wieder irgendwo gefallen oder Dylan hat Widerworte gegeben, denn es ist ganz eindeutig die Stimme von Dylans Vater, die nun in ihrem bedrohlichen Bariton von unten herauf hallt. Sofort erheben sich auch die von Dylan und seiner Mutter, die eine um ihm Paroli zu bieten, die andere um den Lärmpegel wieder herab zu senken. Ob das nun klappt oder nicht – der Lautstärke nach zu urteilen eher nicht – ist mir nun aber gerade egal, der verbale Kampf da unten ist mehr eine Art Nebengeräusch, worauf ich mich konzentriere, ist die Stille aus dem Südteil des Flurs, auf dem auch das Schlafzimmer liegt, indem ich mich gerade befinde. Noch ist alles ruhig. Dann meine ich etwas gehört zu haben. Ich setze mich auf und lausche angestrengter, blende den Krach von unten und die gepolterten Rechtfertigungen aus. Es ist wieder ruhig. Doch dann ist es da. Ein leises Grummeln. Gemischt mit merklich aufgebrachtem Blubbern.

Seufzend stehe ich auf, ziehe mir eine Jogginghose an und mache mich auf den Weg. Je näher ich der Tür am Ende des Flurs komme und je deutlicher ich den aus Pappmaschee und Bastelkarton gefertigten Elefanten sehe, der an genau jener klebt und einen Regenschirm mit seinem Rüssel festhält, desto lauter wird das Geräusch. Aus dem Wimmern wird nun ein empörtes Meckern, untermalt mit dem ein oder anderen erstickten Seufzer der Verzweiflung. Ich drücke die Tür, die eh ein Stück offen stand, vorsichtig auf. Das Licht des Flurs löst eine Welt voller Spielzeuge aus den Schatten des Zimmers, Stofftiere auf einem Schrank, eine Wickelkommode, ein Mobile mit Flugzeugen, Stofftücher, Bausteine. Und inmitten all dieser Zeitvertreiber steht ein Gitterbett und mitten in diesem Gitterbett sitzt der Mensch, der vermutlich am meisten unter dem Tod von Isabel und Bernholt leidet und der gleichzeitig als einziger noch gar nicht weiß, dass sie für immer weg sind: ihr Sohn Lars.

Er sitzt im Schneidersitz, seine Decke hat er weggestrampelt, sein Lieblingsstofftuch – ein Rotes aus Seide – liegt achtlos daneben und er selbst meckert und schimpft und jault und weint. Ich kenne ihn zwar noch nicht so lange, aber inzwischen weiß ich, welche Geräusche seinerseits einfach nur normales Gezeter sind und welche man ernst nehmen muss. Der Kleine ist zwar schon fünf Jahre alt, kann aber immer noch nicht sprechen. Und vermutlich wird er das auch nie können. Er leidet nämlich an einer sehr seltenen Krankheit, dem so genannten Pallister-Killian-Syndrom. Was genau dafür verantwortlich ist und wie es sich auswirkt, hab ich bisher noch nicht ganz verstanden bzw. mich nicht getraut, jemanden danach zu fragen. Hier sind zunächst einmal alle mit trauern beschäftigt, da werden sie wohl kaum bereit und in der Lage sein noch mal eben einem eh nicht gerade so willkommenen Kerl wie mir einen wissenschaftlich fundierten und mit Bildbeispielen gespickten Vortrag darüber zu halten. Aber ich hab mich etwas im Internet schlau gemacht und grob weiß ich, was los ist. Wichtig ist einfach zu wissen, dass er in seiner Entwicklung sowohl motorisch als auch geistig etwas verzögert ist. Er hat wesentlich später das Laufen gelernt, als normale Kinder. Und sprechen wird er vermutlich nie können, wie schon gesagt, wobei das nicht heißt, dass er nicht kommunizieren kann. Er hat für sein Alter eine geradezu gigantische Bandbreite an Lauten, von denen ich mir erst einen Bruchteil erklären und zuordnen kann. Und er wirkt stets desinteressiert. So als würde er seine Umwelt gar nicht wahrnehmen oder als würde sie ihn nicht interessieren. Ein bisschen so wie ich. Aber dieser Eindruck täuscht, wie zumindest ich hier meine. Wenn man sich nämlich ein bisschen mit ihm beschäftigt, sieht er einen schon irgendwann an und inzwischen bin ich mir sogar sicher, dass er mich nicht nur kennt, sondern auch erkennt. Deswegen wandert sein Kopf jetzt auch erstmal nach oben und er sieht mich ein paar Sekunden lang abschätzend an. Dann wird sein Meckern ein bisschen weniger penetrant und er schnieft. Offenbar ist er vom Geschrei da unten aufgewacht und nun zum einen verwirrt und zum anderen müde. Außerdem denke ich, dass er schon irgendwie spürt, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt. Ich gehe zum Bett und stütze mich am Rand ab, sehe zu Lars herunter und überlege, was ich jetzt machen soll. Zunächst greife ich mir seine Spieluhr, ein grinsender Halbmond mit Schnur, doch kaum, dass das Gutenachtliedchen erklingt, fängt er an zu motzen, als hätte ich ihn persönlich beleidigt. Was ich sogar nachvollziehen kann, die Musik, die dieses ewig psychedelische Stoffungetüm von sich gibt ist schlichtweg scheiße. Ich hab nie verstehen können, wie man dabei einschlafen kann. Mich persönlich beschleichen bei solchen Harmonien immer brutale Massakerfantasien voller Blut und Gezeter und dem ein oder anderen durch die Luft segelnden Kopf. Aber gut, das tut zunächst nichts zur Sache.

Den Halbmond schmeiße ich achtlos in die unendlichen weiten des Kinderzimmers und stattdessen nehme ich mir nun das rote Seidentuch zur Hand. Momentan ist das sein Lieblingsspielzeug, er rennt dauernd mit diesem Ding durch die Gegend und hält es sich über den Kopf oder ins Gesicht. Offenbar mag er das Gefühl der Seide auf der Haut, oder er findet es spannend die Welt durch diesen roten Feinmaschenschleier zu sehen, wer weiß.

Einen Augenblick scheint es zu funktionieren, er blickt zu dem Tuch herüber, dass ich ihm hinhalte, und für ein paar Sekunden sieht es aus als würde er darüber nachdenken. Und dann brüllt er plötzlich los, als hätte ich ihn nicht nur beleidigt, sondern ihm eine gelangt, aber so richtig.

Gut, das Seidentuch also auch nicht.

Ich überlege nun selbst haarscharf, was ich machen kann, während Lars schon die ersten Wuttränen über die Backen kullern.

„Na, das nützt wohl nix, Großer.“, beschließe ich schlussendlich, beuge mich über das Gitter, greife ihm unter die Arme und hebe ihn hoch. Da Lars schon stolze fünf ist und zudem auch nicht gerade ein Hämpfling, schreit mein Rücken ein wenig gepeinigt auf, aber das ignoriere ich gekonnt. Außerdem hab ich vom vielen Lieferungen-Schleppen fürs Restaurant und dem Yoga durchaus ein paar gut genährte Oberarm- und Rückenmuskeln abgekommen. Als ich ihn schließlich sicher auf dem Arm habe, sieht er sich zunächst einmal beeindruckt um und für den Bruchteil eines Augenblicks schafft es der für ihn ungewöhnliche Blickwinkel auf sein kleines Reich ihn davon abzulenken, dass er ja eigentlich ganz arg die Schnauze voll hatte von allem und jedem. Aber dann gähnt er plötzlich, reibt sich mit einer kleinen, zur Faust geballten Hand das linke Auge und dann geht das Gemecker von vorne los. Ich seufze, drücke ihn ein wenig an mich und lege ihm meine freie Hand auf den Rücken. „Ich kann dich ja verstehen, kleiner Mann. Ich würde in diesem Haus hier auch die Krise kriegen, aber Rummaulen bringt uns hier beide echt nicht weiter. Mach mal deine Augen wieder zu und schlaf, sonst haste morgen früh gar nicht genug Kraft mir wieder dein Marmeladenbrot in Gesicht zu klatschen.“, versuche ich sehr liberal und ruhig ihn zu überreden, aber wieder mal nutzt alles gute Zureden gar nichts. Ich hätte ihm genauso gut die ersten zwei Strophen vom Zauberlehrling auf Suaheli vortragen können.

Da offenbar überhaupt nichts mehr hilft, dämmert mir nun auch allmählich, dass es wohl oder übel darauf hinauslaufen wird, meine Geheimwaffe auszupacken. Aber bevor ich das tun kann, muss ich zunächst einige Vorbereitungen treffen. Ich gehe also vorsichtig zur Tür und spähe auf den Flur hinaus. Die Stimmen von unten sind nun kurzzeitig verstummt und einen jähen Moment des Schreckens rechne ich damit, gleich das Tappen von drei Paar Füßen auf der Treppe zu hören, doch nach wenigen Sekunden fängt Dylan die Diskussion anscheinend erneut von vorne an, denn kurz darauf herrscht wieder eine angeregte und aufgeheizte Debatte da unten.

Nun gut, da der Flur gesichert ist, kann ich ja nun loslegen. Obwohl, nein, vorsichtshalber schiebe ich die Tür wieder soweit zu, dass sie nur einen Spalt breit offen steht. Sicher ist sicher. Nachher hören die mich noch.

Nachdem nun aber endgültig die Luft rein ist, räuspere ich mich kurz, mache den ersten Schritt nach links, hole dann Luft und fange an.

Warum der kleine Scheißer ausgerechnet auf Nancy Sinatra's „Bang Bang, he shot me down“ steht, weiß ich nicht und ich denke, auf diese Frage würde mir auch kein Kindererziehungsratgeber eine Antwort geben können. Fakt ist aber, dass er es tut. Ich meine, ich habe einige Lieder durchprobieren müssen. Lady Gaga mag er beispielsweise gar nicht, als ich ihm einmal die erste Strophe von 'Paparazzi' vorsingen wollte, hat er mich angeguckt als wollte er sagen, ich sei wohl völlig plemplem im Oberstübchen. Und als ich ihm rein aus Ermangelung irgendwelcher anderen Optionen mal die Titelmelodie zu „Gremlins – Kleine Monster“ vorgesummt hab, wäre er mir fast heruntergefallen, weil er sich plötzlich so gewehrt hat. Gut, das mag in beiden Fällen auch daran gelegen haben, dass ich nicht singen kann, aber wichtig ist ja schlussendlich nur, dass ihm zumindest Miss Sinatra zu gefallen scheint. Wie ich auf diesen Song gekommen bin, weiß ich allerdings genauso wenig. Ich war eines Nachmittags vor fünf Tagen mit ihm allein im Haus und er hatte Ohrenschmerzen und da kleine Kinder nichts anderes dagegen machen können, als weinen und schreien, hat er halt ununterbrochen am Stück geweint und geschrien. Und da ich irgendwann alle nur erdenklichen Möglichkeiten durch hatte, wie man ein Kleinkind beruhigen kann und er weder eine Flasche warmer Milch, noch sein Lieblingsspielzeug, noch eine neue Windel, noch seine Kuscheldecke haben wollte – und Wodka und/oder Schlaftabletten durfte ich ihm ja nicht geben – griff ich nach dem altbewährten was-vorsingen. Dass mir nun ausgerechnet Nancy Sinatras Lied zuerst einfiel, mochte daran liegen, dass ich am Abend zuvor Kill Bill im Fernsehen gesehen habe und das Lied ja das Intro bildet, aber sei es drum, es hat gewirkt.

Genau das macht es jetzt nämlich auch.

Das Meckern an meinem rechten Ohr wird natürlich zunächst noch lauter – wahrscheinlich hat er angenommen ich malträtiere ihn heute mit Madonna oder Celine Dion – aber dann, nachdem er die ihm wohl bekannte Melodie erkennt, wird er ein wenig leiser. Seine Hände ballen sich nicht mehr zu kovulsivisch zuckenden Fäusten, sondern legen sich locker um meinen Hals. Da ich natürlich ein Mann bin, entgleiten mir dementsprechend die höheren Töne, wobei es geradezu himmelschreiend wohlwollend wäre, zu behaupten, ich würde überhaupt irgendwelche Töne treffen, aber das macht Lars offenbar nichts. Ich schätze, dass es einfach um die beruhigende, tiefe Tonlage geht. Vielleicht ist es auch gar nicht das Lied, sondern viel mehr die Tatsache, dass ich währenddessen immer wieder langsam in seinem Zimmer auf und ab gehe, aber als ich schließlich das dritte Mal von vorne anfange, ist Lars weitestgehend verstummt, stattdessen spüre ich nun eine nasse Wärme, die sich auf meiner rechten Schulter ausbreitet. Aber gut, Dylan sabbert manchmal auch nachts im Schlaf. Auch, wenn ich mir jetzt durchaus wünsche, ich hätte noch ein T-Shirt angezogen, bevor ich hergekommen bin.

Aus Sicherheit beschließe ich das Lied noch ein viertes Mal zu singen und weitere sieben Runden im Kinderzimmer zu drehen, nur um wirklich ganz sicher zu gehen, dass Lars auch wirklich schläft.

Allerdings komme ich nur etwa bis zur ersten Wiederholung des Refrains, denn als ich mich umdrehe, sehe ich plötzlich Dylan im Türrahmen stehen und erschrecke so dermaßen, dass mir beinahe ein nicht sehr männliches und zudem auch nicht gerade sehr leises Quieken entfährt. Im letzten Moment schlucke ich es aber herunter und schaue nochmals auf Lars herunter. Der kleine Mann schläft erleichternderweise noch.

Dann wird mir jedoch bewusst, dass Dylan gerade nicht nur gesehen hat wie ich seinen kleinen Neffen herumtrage, sondern dass er auch sehr wohl gehört hat wie ich singe. Und ich glaube, es gibt nichts, was ich je weniger wollte, als dass er mich singen hört. Okay, ich wollte auch nie vor ihm weinen oder strippen oder kotzen, aber im Laufe der Jahre hat sich dies alles schon zu getragen. - Ersteres und letzteres unfreiwillig wie ich anfügen möchte. Aber singen, oh nein, nicht mal, wenn man mir gedroht hätte mich mit einer 70-jährigen Nymphomanin nackt in einen Raum zu sperren. Und in fünfzehn Jahren Beziehung habe ich es bisher auch ganz meisterhaft geschafft, genau das zu verhindern. Und nun diese Scheiße!

Spontan fängt mein Kopf an zu glühen wie das Reklameschild eines Edelbordells und ich weiß nicht recht weswegen ich mehr erröte. Weil er mich singen gehört hat oder weil es im Grunde absolut kindisch ist, als 29 Jahre alter, erwachsener, wahlberechtigter Mann wegen so etwas rot zu werden.

„Wie lange stehst du schon da?“, frage ich schließlich und sehe dabei unsicher zu ihm herüber.

Dylan trägt eine lange, grau-schwarz karierte Schlafanzughose und dazu ein quietschgelbes T-Shirt. Er lehnt mit vor der Brust verschränkten Armen in der Tür und sieht einfach nur zum Anbeißen aus. Und er grinst. Bzw. er lächelt und das auf eine sehr high wirkende Art. Außerdem guckt er mich so merkwürdig an.

„Lange genug, denke ich.“, entgegnet er und dieser Blick schwankt nun irgendwo zwischen trauriger Melancholie und unbändigem Verliebt-sein, wenn ich mal so frei sein darf um ihn psychologisch zu interpretieren.

„Bild dir jetzt aber nichts ein. Du kriegst kein Gute-Nacht-Lied von mir vorgesummt.“, brumme ich zynisch um meine Scham zu überspielen und gehe dann zum Gitterbett zurück um Lars behutsam wieder hinzulegen und ihn ordentlich zuzudecken. Und nur so nebenbei wird mir klar, dass ich soeben den ersten Witz seit Isabels Tod gerissen habe. Irgendwie fühle ich mich plötzlich ganz schlecht und der Zwang zu Dylan zu sehen wird fast übermenschlich, weil ich nicht weiß, wie er darauf reagiert. Ist er schon wieder bereit für meine Art von Humor? Kann er schon wieder lachen? Nimmt er mir das jetzt übel? Und warum denke ich in letzter über jede Kleinigkeit so akribisch nach?

„Zu dumm, ich hatte mich schon so auf deine Interpretation von „Private Dancer“ gefreut.“

Er steht plötzlich neben mir am Gitterbett und schaut auf Lars herab. Und ich begreife, dass dieser komische Blick nicht mir, sondern ihm galt. Es ist merkwürdig Dylan zu sehen wie er jemand anderes als mich so intensiv anguckt. Ich bin deswegen nicht eifersüchtig – zumindest nicht viel – sondern eher fasziniert. Und mir wird wieder mal bewusst, wie viele Menschen wiederum eifersüchtig auf mich sind, weil dieser unglaubliche Mann sie alle einfach ausblendet und nur mich wahrnimmt.

Ich will gerade etwas erwidern, als er seine Hand auf meine legt. Seine Haut ist heiß und verschwitzt und ich weiß sofort, dass jetzt irgendwas kommt, irgendwas Großes.

„Ich muss was mit dir bereden, Kleiner.“

Schön zu wissen, dass meine Intuition wieder zurückgekommen ist. Allerdings hilft mir das auch nichts gegen den überdimensionalen Kloß, der nun in meinem Hals sitzt.

„Es geht um Bell...“, beginnt er und starrt dann eine ganze Weile ins Leere. Die Tatsache, dass er den Kosenamen für seine Schwester benutzt, lässt mich kurz frösteln. Ich drehe meine Hand um und verhake meine Finger mit seinen.

„Ich hab mit ihr gesprochen kurz bevor sie....als sie.........ich.....ich musste ihr etwas versprechen.“

Seine Stimme stottert wie ein Auto nach Einlösung der Abwrackprämie und seine Hand zittert. Sein Blick ist weiterhin starr, aber ich kann sehen wie sich Wasser darin sammelt. Wasser, das er unter großer Mühe herunterkämpft.

„Normalerweise hätte ich das erst mit dir besprechen müssen, aber du warst nicht da und wir wussten beide nicht, wie lange wir noch Zeit haben und...“. Jetzt sehe ich wie ein wenig Wasser es dennoch schafft, an seiner Wange herunterzulaufen.

Er sieht wieder auf Lars herunter, der friedlich vor sich hin schnarcht und keine Ahnung hat, dass über seinem kleinen Bettchen gerade zwei gestandene junge Männer um ihre Fassung ringen.

„Ich musste ihr versprechen, mich um Lars zu kümmern.“

Ein Moment der Stille, dann sieht er mich an. Fragend. Und auch irgendwie skeptisch.

„Meine Eltern sind zwar dagegen, weil sie denken, dass ein Kind nur EINEN Vater braucht, aber ich habe beschlossen Lars zu uns zu holen. Die Papiere dafür sind schon fertig, Isabell hatte das bereits alles in ihrem Testament geregelt.“

Sein Blick wird noch skeptischer und jetzt auch noch ganz unnachahmlich bettelnd.

„Ich kann verstehen, wenn du dagegen bist, aber die Sache ist nun mal die, dass Lars spezielle Pflege braucht und meine Eltern sind nun mal schon beide jenseits der 60. Mein Vater kann ihn nicht mal mehr hochheben, weil er es in der Bandscheibe hat und meine Mutter ist auch nicht gerade die nervlich belastbarste Person, die ich kenne. Außerdem sind wir finanziell abgesichert und du verstehst dich ja ganz offenbar ganz prima mit ihm und...“

Ich lege ihm die andere Hand auf den Mund und muss schmunzeln. Nicht über ihn, sondern über mich, weil ich so lange gebraucht habe, diesen Blick zu deuten. Er hatte Angst. Angst, dass ich dagegen sein könnte. Angst, dass ich ihn in ein Ultimatum zwinge, indem es heißt: mein Status als sein Lebenspartner gegen den letzten Willen seiner toten Schwester. Und ich muss schmunzeln darüber wie erleichtert ich bin zu merken, dass mir dieses Ultimatum ferner liegt als alles andere.

„Is okay, Großer.“

Dylan sieht mich groß an. Verdattert. Und unbeschreiblich – Verzeihen Sie den Ausfall ins Girli-Jargon – niedlich.

„Dir ist aber klar, was das bedeutet, oder? Meine Eltern sind strikt dagegen und ich konnte sie auch gerade eben nicht davon abbringen, zur Not auch vor Gericht zu gehen. Wir werden vermutlich einige Termine beim Anwalt haben und uns eine ganze Menge intimer und unangebrachter Fragen gefallen lassen müssen. Ganz zu schweigen vom Windeln wechseln, den ganzen Therapien, den Arztterminen, den Umbauten am Haus...“

Ich lege ihm wieder meine Hand auf den Mund und warte bis er endlich still ist und mich ansieht. Und dann nicke ich einfach. Anders scheint er es ja nicht zu kapieren. Und auch, wenn ich es irgendwo durchaus ein wenig bedenklich finde, ich muss nur einmal in seine Augen schauen um zu wissen, dass das Wort 'bedenklich' jetzt nicht existiert.
 


 

.....
 

Ich bringe sie um. Ich bringe sie eigenhändig um. Ich weiß zwar noch nicht genau wie, aber mir wird schon noch was einfallen. Zur Not hau ich ihr einfach solange mit diesem bescheuerten Aktenordner auf den Schädel bis er total zusammen gematscht ist. Oder ich drehe so lange an ihrem dürren Hühnerhals bis sie sich selbst auf ihren blöden Hintern gucken kann. Ist auch ganz egal, wie, aber sie WIRD definitiv qualvoll und langsam sterben.

„Und Sie sind Ihrer Meinung nach darauf vorbereitet, ein Kind mit einer solchen Einschränkung bei sich aufzunehmen?“

Ja, und diese blöde Tuse bringe ich dann gleich danach um, schießt er mir durch den Kopf. Oder beide zusammen, dann wäre es in einem Abwasch erledigt. Aber gut, ich bin ja immer noch deutscher Staatsbürger und im deutschen Rechtssystem kommt es nun ja nicht ganz so gut an, zwei Frauen brutal zu Gekröse zu verarbeiten, zumal, wenn eine von ihnen auch noch selbst für den Staat arbeitet, demnach zwinge ich mich wieder zur Ruhe, atme viermal gaaaanz tief durch und setze erneut meine eigens hierfür einstudierte Ich-bin-genauso-wie-der-Rest-der-konservativen-Herde-Maske auf, obwohl ich nicht glaube, dass sie sehr überzeugend ist. Als ich mich heute so im Spiegel angeguckt habe, sah ich eher so aus, als hätte ich gestern Abend zu viele Pflaumen gegessen und müsste dringen mal aufs Klo.

„Aber natürlich sind wir das. Unser Haus ist bestens für ein Kind mit einer so schwerwiegenden Krankheit ausgestattet. Und ich glaube auch kaum, dass es einen besseren Ort für ein Kind gibt, als bei seinen Großeltern, wenn die Eltern – Gott hab sie selig – nicht mehr sind.“, entgegnet Dylans Mutter so perfekt als habe sie das ganze vorher auswendig gelernt. Hat sie vermutlich auch, so wie die wieder aussieht. Bei der ist doch nichts zufällig. Die hat ihr komplettes Aussehen – und das ihres Mannes auch – vom elegant-langen Rock über die dezente Bluse bis hin zum leichten Make up doch ganz gezielt ausgewählt. Die perfekte Oma, kultiviert, zivilisiert, streng gläubig und so abartig ideal dafür, ein Kind großzuziehen, dass Mary Poppins neben ihr aussieht wie Courtney Love.

Unter dem Tisch, an dem wir zu fünft sitzen – Dylans Eltern, Dylan, die Dame vom Jugendamt und meine Wenigkeit – ballt sich meine Hand so sehr zur Faust, dass es beinahe blutet, weil sich meine Nägel so in mein Fleisch bohren. Schon seit einer Stunde darf ich hier sitzen und mir diese gequirlte Scheiße anhören. Und ich weiß auch ganz ehrlich nicht, was mich mehr aufregt. Dieses großkotzige Getue, mit dem sich diese dreimal blöde Glucke vom Jugendamt hier als alles wissende Urteilsgeberin profiliert, der man doch ja bitte mit Unterwürfigkeit und Nachbeterei begegnen soll, da sie ja so ungemein gebildet und studiert und promoviert und in ätherischen Ölen einbalsamiert ist; das mehr als nur dreiste Gerede von Frau Drechsler, die sich und ihren Ehemann als perfektestes Paar seit Adam und Eva – und Frau Drechsler hätte ja natürlich NIE auf die böse, böse, wahrscheinlich auch noch homosexuelle Schlange gehört – hinstellt und dauernd schön verpackte Seitenhiebe auf mich loslässt in der Art, dass ich ja nur ein selbstsüchtiger, betrügerischer, kindischer Idiot wäre, der sein Geld damit verdient, Kitschromane zu schreiben, in denen sodomistische Handlungen verheerlicht werden und sonst nur faul auf seiner ja eventuell schon HIV-verseuchten Haut liegt; oder schlicht die Tatsache, dass ich mich hier zurücknehmen muss, damit wir auch ja nicht der tollen Frau Dr. Jugendamt widersprechen, denn dann könnte die ja das Sorgerecht für Lars an Dylans Eltern vergeben.

Dabei verstehe ich sowieso nicht, wieso das überhaupt in Erwägung gezogen wird. Immerhin hat Isabell Drechsler-Hagen in ihrem Testament festsetzen lassen, dass, im Falle ihres Ablebens und dem ihres Mannes, ihr Bruder das Sorgerecht bekommen soll. Aber sei es drum, wahrscheinlich gab es da wieder irgendwo eine Anwältin oder Richterin, die mit Dylans Mutter zusammen zur Elite-Schule gegangen ist oder mit ihr zusammen wöchentlich zum Golf spielen geht und die hat dann alles in die Wege geleitet.

„Und Sie haben Bedenken, ein Kind mit derartigen Einschränkungen bei Ihren Eltern zu lassen, Herr Drechsler?“, fragt die Frau vom Amt – ich meine sie heißt Frau Schmidt – nun Dylan. Ihr Kopf dreht sich dabei wie ein emotionsloser Kran von einer Seite zur anderen.

„Ja, die habe ich. Sehen Sie, ich will meinen Eltern nicht zu nahe treten und ich kann verstehen, dass sie sich um Lars kümmern wollen, aber Fakt ist nun mal, dass Lars inzwischen kein kleines Baby mehr ist, aber dennoch oftmals wie ein Baby behandelt werden muss. Ich selbst habe manchmal schon Probleme, ihn hochzuheben oder auf dem Arm zu halten. Wie sollen meine Eltern das dann schaffen?“

Sofort dreht sich der Kran wieder zurück zu Dylans Mutter.

„Aber Dylan, ich bitte dich. Ich mag zwar schon 61 sein, aber ich werde immer noch mit einem Kind fertig, ich habe dich und deine Schwester immerhin auch großgezogen.“

Bei Isabells Erwähnung zuckt Dylans Hand unter dem Tisch ganz kurz zusammen.

„Ich kann den Punkt von Herrn Drechsler sehr wohl nachvollziehen.“, quakt Frau Schmidt dazwischen und für den Bruchteil des Herzschlags eines Blinzelns finde ich die gute Frau sympathisch, aber dann fällt ihr Blick auf mich und mir wird ganz anders, „aber andererseits stimmt es auch, dass Ihre Eltern jahrelange Erfahrung im Umgang mit Kindern haben und Sie und Ihr Partner diesbezüglich noch gänzlich unerfahren sind. Hinzu kommt noch, dass wir es hier nicht mit einem gesunden, sondern mit einem beträchtlich eingeschränkten Kind...“

Und da ist es mir dann endgültig zu viel. Und obwohl ich mit Dylan abgemacht hatte, dass ich ihm das Reden überlasse und nur stillschweigend daneben sitzen werde und obwohl ich ebenso weiß, dass das, was ich jetzt tun werde, dumm und kindisch und alles andere als erwachsen ist, ich kann einfach nicht anders.

„Entschuldigen Sie vielmals, wenn ich Sie hier unterbrechen muss, aber um mal eines klar zu stellen. Lars – denn das Kind, von dem Sie hier die ganze Zeit reden, hat einen Namen und ist kein Handlungsobjekt – ist in keinster Weise auch nur annähernd 'eingeschränkt'. Das Pallister-Killian Syndrom ist zwar noch weitgehend unbekannt und unerforscht, weil es so selten ist, aber es ist allgemein Konsens, dass diese Kinder lediglich eine etwas verzögerte Entwicklung durchmachen, sonst aber ganz normal entwickelt sind. Lars wird genauso laufen und hüpfen und hören und sehen können wie jedes andere Kind, es dauert nur eben ein paar Jahre länger. Er mag vielleicht niemals richtig reden können, aber er kann sehr wohl kommunizieren und im Vergleich zu dem Käse, den ich mir hier anhören muss, finde ich Lars 'Sprache' um einiges sinnvoller und besser.“

Danach tritt erstmal eine unglaublich intensive Stille ein, in der mich alle nur genauso unglaublich erstaunt überrascht anstarren. Dann verfliegt die Überraschung allmählich und wird zu Verärgerung, ebenfalls bei allen Beteiligten, nur in verschieden starken Nuancen. Dylan ist eher verwirrt-verärgert darüber, dass ich mich nicht an unseren tollen Plan halte, die werte Frau Schmidt scheint in erster Linie stinkig zu sein, dass ich an ihrem gottgleichen Allwissenheitspodest gerüttelt habe und Dylans Eltern würden mich am liebsten gleich des Hauses verweisen. Leider ist es dann die taube Nuss vom Jugendamt, die als erstes ihre Sprache wiederfindet.

„Nun, Herr Hill, ich muss doch sehr bitten. Ich kann ja durchaus verstehen, wenn Sie...“

„Sehen Sie! Da haben Sie es doch! Der junge Kerl ist impulsiv und primitiv, er hat keinerlei Benehmen. Und so jemand soll ein Kind erziehen?!“, giftet sogleich Dylans Mutter. Noch ehe ich auch nur auf eine der beiden reagieren kann, hat Dylan schon den Mund aufgemacht.

„Das ist überhaupt nicht wahr! Tyler ist der fürsorglichste Mensch, den ich kenne. Er geht zu jeder Therapie mit Lars, hat immer ein Auge auf ihn, er hat in den ersten Nächten sogar neben Lars Bett auf dem Boden geschlafen, falls Lars aufwachen sollte und in der neuen Umgebung Angst bekommt.“

„Ja, ich kann verstehen, dass er in der Umgebung Angst bekommt. Was ist denn das für ein Umgang, den er bei euch haben wird?“

Wieder will ich was sagen, ähnlich wie Frau Schmidt, aber wir beide werden wieder mal von Dylan abgewürgt.

„Ich bitte dich! Was soll das denn heißen? Was soll es bitte für ein Problem sein, dass ich mit Tyler zusammen bin? Schwul ist nicht gleichbedeutend mit pädophil, Ma!“

„DYLAN! Rede nicht so mit deiner Mutter!“, kommt nun auch noch Dylans Vater dazu und allmählich fange ich an zu begreifen wie das Gespräch in der Küche an jenem Abend gewesen sein muss, als Dylan mir zum ersten Mal gesagt hat, dass wir bald Zuwachs bekommen werden.

Eigentlich liegt mir ja auch so einiges auf der Zunge, was ich loswerden möchte – schon seit einigen Jahren, was das angeht – aber während die gute Dame vom Jugendamt nun auch anfängt mitzukeifen, nehme ich das leise Rauschen links von mir wahr. Ich drehe meinen Kopf zur Seite und neige ihn etwas mehr dem Babyphon entgegen, das dort steht und wie ich erkenne, war dort tatsächlich ein Laut zu hören. Lars muss aufgewacht sein.

Das Streitgespräch und die Amtsfrau sind sofort vergessen und ich stehe auf um zu ihm zu gehen. Bei ihm wächst seit gestern ein neue Backenzahn und vermutlich tut ihm das wieder weh. Gerade als ich die Tür öffne, ruft mich Dylans Vater zurück.

„Wo willst du denn jetzt hin? Sieht dir ähnlich, einfach abzuhauen.“

„Dad, lass ihn in Ruhe!“

„Ich muss Sie alle bitten, sich zu beruhigen und...“

Meine Erklärung lasse ich dann doch bleiben und gehe einfach. Es nutzt eh nichts, da jetzt weiter rumzubocken. Lars braucht mich gerade dringender. Ich hechte schnell durch den Flur und die Treppe nach oben und bin nach wenigen Schritten in Lars Zimmer. Der kleine Kerl sitzt wieder aufrecht im Bett und quängelt leise vor sich hin. Außerdem reibt er sich immer wieder die Backe. Also doch wieder der blöde Backenzahn.

Ich nehme ihn vorsichtig auf den Arm und streichle ihm ein paar Mal über den Kopf.

Ein paar Tränen kullern seine Wange herab, offenbar tut es richtig doll weh.

„Tut mir leid, dass ich dich jetzt erst gehört hab, aber wir Erwachsenen haben da unten wieder mal ganz arg viel Blödsinn erzählt. Und das machen wir Erwachsenen ziemlich gern, weißt du. Also, wenn du schlau bist, wirst du besser nie erwachsen, okay, Lars? Denk nicht mal im Traum daran, haste nur Ärger mit.“

Mein durchaus philosophisch sehr wichtiger Beitrag juckt Lars aber nicht die Bohne. Im Gegenteil, er fängt noch etwas lauter an zu weinen. Auch das leichte Kraulen des Rückens und mein Auf- und Abgehen im Zimmer helfen diesmal nicht. Also gehe ich schnell ins Nebenzimmer und baue dort den alten Ventilator von Dylans Schreibtisch ab.

Als ich wieder zurück in Lars Zimmer gehe, steht die versammelte Mannschaft vor mir und glotzt mich blöde bzw. aufgebracht an. Kommentarlos mogle ich mich durch sie hindurch und setze mich in den Korbstuhl, der neben dem Gitterbett steht. Lars setze ich auf meinen Schoß, stützte ihn mit einer Hand, damit er mir nicht runterfällt und mit der anderen baue ich den Ventilator auf dem kleinen Schränkchen auf, in dem Lars Klamotten aufbewahrt werden.

Dylan und seine Eltern sehen mich nun vollends verdutzt an, Frau Schmidt vom Amt zieht eine ihrer emotionslosen Augenbrauen nach oben.

„Dürfte ich fragen, was genau Sie da machen, Herr Hill.“

Ich grinse die gute Frau süffisant an.

„Nun, während Sie da unten damit beschäftigt waren über Lars wie über ein Stück Ackerland zu verhandeln, ist der kleine Scheißer aufgewacht. Nicht von dem Gebrüll, das ihr da unten veranstaltet habt, sondern, weil bei ihm ein Backenzahn seit gestern wächst und der ihn ziemlich schmerzt. Da ich ihm aber keine Morphiumspritze ins Zahnfleisch jagen kann und er auch keine Flasche nehmen wird, weil die auch an den Zahn stößt, bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn vom Schmerz abzulenken. Und seit Lars vorgestern, als es so brütend heiß war, zum ersten Mal einen Ventilator entdeckt hat, steht er ungemein darauf, Luft ins Gesicht gepustet zu bekommen. Ergo.“

Und schon drücke ich auf den Startknopf.

„Das ist doch wohl lächerlich. Als ob...“, weiter kommt Dylans Mutter nicht, denn kaum, dass sich der Ventilator zu uns dreht und Lars eine starke Brise ins Gesicht bläst, ist der wachsende und nervende Backenzahn vergessen und er schnappt freudig grinsend nach Luft. Als der Strahl ein zweites Mal kommt, klatscht er sogar vor blanker Freude in die Hände und lacht. Und ich muss automatisch mitlachen.

Und wie ich da so sitze wird mir - mal wieder – etwas klar. Etwas ungemein Fundamentales. Also sehe ich zu Dylan und seinen Eltern und der Frau vom Jugendamt und hole tief Luft.

„Tut mir Leid, dass ich vorhin so ausgerastet bin, aber...naja...ich liebe diesen kleinen Scheißer halt. Ich weiß, ich gehöre nicht zu Familie und bin schwul und komme aus schlimmen Verhältnissen und blablabla, aber das ändert nichts daran, dass ich den kleinen Scheißer hier gern hab. Und er mich offenbar auch wein wenig. Also, wenn ihr denkt, er ist hier besser aufgehoben, bitte, dann bleibt er halt hier, aber dann werde ich hier regelmäßig hergeflogen kommen und ihn besuchen, so lange bis ich ein nahe gelegenes Haus gemietet habe, damit ich täglich bei ihm sein kann. Und wenn euch das nicht passt, müsst ihr mich verhaften oder einschläfern lassen, anders werdet ihr mich nicht von ihm weg halten können. Is doch so, oder Dicker?“

Und als hätte er mich verstanden, klatscht mir Lars seine flache Hand ins Gesicht und lacht.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (7)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Liare
2011-11-20T20:15:09+00:00 20.11.2011 21:15
HI,
also eines muss ich sagen, deine DundT Anthology ist eine der besten Shonen Ais von Animexx. Tylers Sarkasmuss ist zum schreien komisch. (selbsverständlich nur für alle außer ihm selbst und seinen Opfern) Würde nur gerne noch etwas über seine Vergangenheit mit seinem dad wissen, da erfährt man nur sehr wenig und was jetzt mit dem Dylans Neffen ist ;)
lg Liare
Von: BlaiseZabini
2010-10-25T20:46:06+00:00 25.10.2010 22:46
ich fand die Geschichte wieder mal einfach nur genial, vorallem weil mir die Jungs auch schon ans Herz gewachsen sind *_*
ich hab mich rießig gefreut als ich vor meinem Urlaub gesehen hab das du ne neue Story drin hast und dann auch noch über die beiden *_*
*immer noch freu*
so nun aber zu der story an sich, ich find sie toll und sie ist wieder mal einfach nur Dylan und Tyler typisch, also einfach nur traumhaft :)
Ich fand es so süß wie Tyler mit dem kleinen umgegangen ist, da sieht man mal wieder das er auch ein Herz hat ^^
aber was ich schade fand ist das du nicht geschrieben hast wie es nun ausging, also das Verfahren, haben sie nun das Sorgerecht? oder nicht? :(
ich bin gespannt auf das was noch kommt und werde die Geschichte weiterhin gespannt verfolgen,
somit verabschiede ich mich erstmal mit schönen Urlaubsgrüßen ^^
Bis dann Blaise ^^
Von:  Trollibaer
2010-07-24T09:34:57+00:00 24.07.2010 11:34
Hallo,
ich habe nur einige deiner D&T Geschichten gelesen, und dies auch mit Abstand zu einander, denn nur *Schicksalsschläge*, auch wenn sie so gut gefühlsmäßig geschrieben sind, sind doch etwas schwer zu verkraften.

Etwas mehr Happyness wäre ganz nett!!!!!!!!

Warum ich eigentlich mehr als eine gelsenen habe, und die beiden auch weiter verfolgen werde, ist :
entlich mal erwachsener Stoff
kein Emo
Realität
dein Schreibstil
entlich mal ein männlicher Autor!!!!!!!
und weil es einfach gut ist!!!!

liebe Grüße
Trollibaer
Von:  Wanda_Maximoff
2010-07-05T17:34:58+00:00 05.07.2010 19:34
So, endlich hab ich mich durch alles (bisher?!) Vorhandene zu Dylan und Tyler durchgelesen und ich muss sagen: Ja, definitiv gefällt mir Dein Schreibstil - Deine Vergleiche sind einfach klasse - und ich mag die Ideen und Deine Umsetzung derselbigen. Du lässt den Leser gerne am Anfang im Unklaren, habe ich das Gefühl. Schon bei der Geschichte mit Dylans Operation war ich am Rätseln, was er denn nun haben könnte. Das könnte auch daran liegen, dass ich keine medizinische Ausbildung habe und somit nicht weiß, auf was Kopfschmerzen, wie Dylan sie hatte, alles hindeuten können. Aber auch in diesem Kapitel war ich am Rätseln, auch wenn ich gleich den Verdacht mit Dylans Schwester hatte, als dieser Anruf kam. Aber gerade dieses Rätseln mag ich. Es macht schließlich keinen Spaß etwas zu lesen, wenn man schon im Vornherein alles weiß, was noch passieren wird bzw. wie es ausgeht. ^^

Sooo... noch eine kleine Kritik, wenn auch nicht bös gemeint, nur etwas, was mir irgendwie mit jedem Kapitel mehr ins Auge stach: Es waren mir insgesamt fast ein wenig zuviel Schicksalsschläge. Fast schien es mir, als hätten die zwei das Unglück geradezu gepachtet: Der Tumor, der Unfall (und somit auch von beiden der zumindest mögliche Tod), die Geldmisere, Dylans unmögliche Eltern und und und... Vielleicht könnte man sagen, all diese Schicksalsschläge wiegen die starke Liebe der beiden zueinander wieder auf?! Das Gleichgewicht der Welt und so... Ähem... hab wohl zuviele Kitschromane gelesen und solche Filme gesehen. Wie auch immer. Jedenfalls haben mir beide am Ende einfach nur leid getan. Aber vielleicht wurde dieser Eindruck von "das ist zuviel des Schlimmen" auch nur dadurch erweckt, dass die Geschichten eben immer nur diese ganzen Schicksalsschläge beschrieben. Ich weiß auch nicht, kann mich nicht so recht entscheiden, ob mir das jetzt "zuviel des Schlimmen" war oder ob es gerade richtig war.

Die Geschichten an sich gefallen mir nämlich trotzdem sehr gut, man kann sie auch gut jede für sich lesen, ohne die vorangegangene zu kennen, auch wenn sie alle zusammen natürlich ein viel schöneres Bild abgeben.

Zum Schluss dieses Teils fehlte mir dann irgendwie noch ein richtiger Abschluss: Wie ist die Entscheidung der Dame vom Jugendamt - ab zu den Großeltern oder doch lieber bei Onkel und... hm, Onkel lassen? Klar... wenn noch mehr zu Dylan und Tyler kommen sollte, wird diese Frage gewiss noch geklärt, wenn nicht... Na ja, so kann sich jeder ein Ende denken, das ihn/sie glücklich macht. ^^

Mit freundlichem Gruß
Galium_Odoratum
Von:  Schreiberliene
2010-06-28T20:13:13+00:00 28.06.2010 22:13
Hallo,

also, ich bin durch Zufall auf diese Geschichte gestoßen und habe nach der Lektüre dieses Teils gleich bei Teil 1 angefangen und mich wieder bis hierhin vorgelesen.

Und obwohl ich in der Regel keine Kommentare schreibe, wenn ich nicht das Gefühl habe, dem Schreiber damit helfen zu können, hinterlasse ich dir jetzt doch einen, weil du mich mit den Beiden einfach gut unterhalten hast.

Ich bin sehr froh, dass ich endlich einmal eine Geschichte lese, in der nicht ein Partner verkindlicht oder verweiblicht wird und jedweder Realitätssinn verschwindet. Das passiert mir wirklich ausgesprochen selten.
Deine Protagonisten aber wirkten sehr sympathisch, realistisch und man hatte nicht das Gefühl, als ob eine vierzehn bis zweiundzwanzigjährige nach dem Genuss von zu viel Stereotypshonen Ai über etwas schreibt, von dem sie keine Ahnung hat. Im Gegenteil, du findest die richtige Balance, die das ganze glaubhaft werden lässt.
Du schreibst tatsächlich von echten Männern - natürlich mit künstlerischer Freiheit, und ja, ihre Beziehung ist fast zu schön, um wahr zu sein, aber trotzdem wirkt es nicht hemmungslos überspitzt.

Ich fand es auch sehr angenehm, dass du nicht zu viel Drama und Tragik hineingebracht hast; natürlich war der prozentuale Anteil an schweren Schicksalsschlägen höher als im normalen Leben, aber durch deine Schilderung und die Aufarbeitung, die du den Charakteren angedeihen lässt, kann ich damit gut leben. Zudem ertrinkt bei dir niemand konsequent in Selbstmitleid - auch sehr erfrischend.

Dein Stil gefällt mir ebenfalls sehr gut, denn du gehst einen Mittelweg zwischen Umgangssprache und literarischem Schreiben, der den Leser - oder zumindest mich - angenehm durch die Geschichten führt. Auch dein Aufbau sagt mir zu, die Spannung, die du am Anfang dadurch aufbaust, dass man nicht weiß, was genau geschehen ist, die Endpunkte, die das ganze harmonisch ineinander laufen lassen, und, natürlich, die Ironie... [Es freut mich immer wieder, wenn Menschen nicht nur wissen, wie das geschrieben wird, sondern sie sogar meistern, ohne albern zu werden.]

Sehr schön.

Einzig die Episode mit dem Trauma durch den Überfall hat mich nich ganz überzeugt; die Heilung geschieht da etwas sehr naiv, ohne das psychologische Hintergrundwissen und erscheint deswegen konstruiert. Dann noch die Sache mit dem sich näher sein ohne Kondom; mir kommt so etwas immer grenzwertig vor.

Aber im Großen und Ganzen fand ich die Sammlung wirklich toll, die beiden Jungs in jeder Phase ihres Lebens sehr liebenswert und menschlich - kurzum, es freut mich, eine handwerklich und auch inhaltlich so runde Sache gelesen zu haben.

Dankeschön dafür.


Alles Gute,

Anna
Von:  -Lelias-
2010-06-24T17:10:15+00:00 24.06.2010 19:10
Eine unglaublich süße und sehr intensiv erzählte Geschichte!
Ich bin froh das du wieder schreibst.
Also in dem Sinne, wilkommen zurück ;)
Von: abgemeldet
2010-06-24T11:59:48+00:00 24.06.2010 13:59
WOW, du lebst ja noch!^^ Freut mich wirklich, dass du wieder schreiben willst und anscheinend auch Dylan und Tyler noch ein bisschen quälen willst :) Du weißt ja, ich mochte die beiden schon immer!
Deine Art zu schreiben hat sich glücklicher Weise nicht geändert! Ich bin jedes Mal wieder hin und weg, wenn ich deine Vergleiche wie z.B. "Hals ein biologisch humanes Äquivalent zur Viktorianischen Wüste" lese... wie kommt man nur immer wieder auf so was?
<vermutlich nicht mal dann, wenn ich mich zu einer Frau umoperieren lassen würde.> Wahrscheinlich noch weniger, weil die meisten das ja noch viiiiiiiel schlimmer finden, als Homosexualität -.-'
<Seit diesem Tag, seit diesem Flug, sind nun fast siebenunddreißig Tage vergangen.> Himmel,a lso im "Um den heißen Brei herum"-Reden bist du wohl Weltmeister, was? Was ist denn nun passiert... spamm ums bzw. mich doch nicht so auf die Folter!
<ihr Sohn Lars> Oh man... der Kleine kann einem wirklich Leid tun... und Dylan auch... seine Schwester war doch die Einzige, die immer zu ihm gehalten hat...
<Ich kann dich ja verstehen, kleiner Mann.> Ich finde es düß, wie er sich um den Kleinen kümmert... das Arme muss doch jetzt bestimmt bei seinen Großeltern bleiben, oder?
<und Wodka und/oder Schlaftabletten durfte ich ihm ja nicht geben> Wer hat's verboten? XD
<„Ich muss was mit dir bereden, Kleiner.“> Hm, vielleicht doch nicht die Großeltern als neues zu Hause für Lars?^^ In einer der Vorgeschichten - nach der Sache mit der Sekt(?)- bzw. (unfreiwilligen!) Bierdusche - ging es doch mal um das Thema, nicht wahr? :)
<„Ich musste ihr versprechen, mich um Lars zu kümmern.“> Dachte ich's mir doch^^
<na ja... ich liebe diesen kleinen Scheißer halt.> Na also, wenn das die blöde Tussi nicht überzeugt, dann hat die nicht das Beste für das Kind im Kopf, sondern nur ihre Vorurteile gegenüber schwulen Paaren.
<Und als hätte er mich verstanden, klatscht mir Lars seine flache Hand ins Gesicht und lacht.> Gemein, dass du an dieser Stelle aufhörst... na ja, dann hoffe ich einfach mal, dass du bald weiter schreibst und dir die Ideen nie ausgehen werden^^
LG cada :)


Zurück