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Verräter

Zwischen Teufel und Engel
von

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Der Himmel, der Ort an dem die Engel wohnten. Einst dachte sie, dass der tiefste Wunsch ihres Herrn wäre, ebenfalls hier zu leben. Doch hatte er sich verweigert, als sie mit einer Möglichkeit zu ihm kam, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Warum?

Ihr Weg führte sie an den weißen Gebäuden entlang auf ein mehrstöckiges Haus zu. Dort residierte Arzael, der einzige Engel, der bereit gewesen war, ihr Hilfe bei ihrem Vorhaben anzubieten. Doch hatte ihr Herr entsetzt abgelehnt, als er hörte, wer ihm helfen wollte. Den Grund herauszufinden war sie heute hier. Das Treppenwerk bis in den dritten Stock hinauf zu laufen war nicht das Problem, die richtige Wohnung zu finden dann schon eher. Rechts, links? Sie sah sich um. Zum Glück traf sie bald auf einen anderen Engel, der hier wohnte und den sie fragen konnte. Eine Antwort bekam sie nur mit einem skeptischen Blick auf ihre Hörner, wurde aber zu der richtigen Tür gewiesen.

Nach einem dreimaligen Klopfen öffnete eine schlanke Engelsdame in strengem Anzug. Auch ihr Blick zog sich an ihren Hörnern entlang, über ihre grünbraune Haut und den gelben Augen hinweg bis sie die weißen Flügel trafen, die aus ihrem Rücken ragten.

„Pheron, nehme ich an?“, fragte die Engelsdame, „Arzael hat dich erwähnt. Möchtest du unter vier Augen mit ihm sprechen?“

Nickend erteilte die Gefragte ihre Zustimmung, woraufhin sie eingelassen wurde. Die Tür schloss sich hinter ihr und die Engelsdame war verschwunden, hinterließ nichts als den sanften Geruch ihres Parfüms. Der Eingangsbereich der Wohnung stellte sich als ein kurzer Flur heraus, mit einem Kleiderhaken und einem Platz für die Schuhe. Aus einer Tür zu ihrer Linken erschien der hohe Engel persönlich, mit einem Lächeln auf seinen glatten Zügen. Er bat sie, sich der Schuhe zu entledigen und dann zu ihm ins Wohnzimmer zu kommen. Der Aufforderung folgend, nahm sie schließlich auf einem Sessel an einem kleinen runden Tisch Platz.

„Was führt dich zu mir?“, fragte Arzael, als er ihr ein Glas mit klarem Wasser anbot.

„Erinnert Ihr Euch, dass Ihr mir Eure Hilfe anbotet, als ich verzweifelt darüber nachgrübelte, wie ich meinem Herrn einen Weg in den Himmel ebnen kann?“, begann sie mit einer Gegenfrage zu berichten. Auf das Nicken ihres Gegenübers hin fuhr sie fort, „Als ich ihm erklärte, dass er sich hier von Euch reinigen lassen müsse, hat er sich gesträubt und ich konnte ihn nicht dazu bewegen, mit mir zu Euch zu kommen. Das erschien mir äußerst seltsam.“

Traurig senkte der Engel seinen Blick.

„Er vertraut mir nicht“, seufzte er, „vielleicht hat ihn die Hölle allerdings auch schon zu sehr verdorben, als dass er überhaupt einem Engel trauen könnte.“

Entsetzt setzte Pheron zu einem Widerspruch an, doch hielt er sie mit einer erhobenen Hand davon ab. Bedauernd meinte er, dass das früher oder später abzusehen gewesen sei, das Misstrauen, das ihrem Herrn entgegen gebracht wurde, hätte sich ja abfärben müssen. Sie überdachte diese Worte und fand sie wenig einleuchtend. Ihr Herr hatte ansonsten immer und allem zum Trotz seine Reinheit und Unschuld bewahren können. Und nur wegen ein paar misstrauischen Stimmen sollte er plötzlich zu einem Gefallenen geworden sein? Sie behielt die Zweifel jedoch für sich, da es aus Arzaels Sicht sicher die einleuchtendste Erklärung war. So verabschiedete sie sich höflich wieder von ihm und verließ seine Wohnung auf dem Weg, auf dem sie gekommen war.
 

Später am Tag, sie durchstreifte mal wieder ziellos die gewaltigen Ausmaße des Himmels, meinte sie unter all den weißgeflügelten Wesen die Statur ihres Herrn aufblitzen zu sehen. Sie beeilte sich, diesem Eindruck nachzuforschen und fand sich wenige Augenblicke später vor demjenigen wieder, dem sie ihre Loyalität geschworen hatte. Ihre Überraschung und Freude musste deutlich auf ihrem Gesicht abzulesen gewesen sein, denn mit einem Lachen in der Stimme sprach er sie an.

„Erscheint es dir so seltsam, dass ich hier auftauche? Dann lass mich erklären. Ich bin zwar ein Verstoßener, doch zählt meine Stimme bei Entscheidungen über den Bestimmungsort der Seelen immer noch einiges.“

Mit großen Augen sah Pheron zu ihrem Herrn und Meister auf, der hier mit seinen schwarzen Flügeln so fehl am Platz zu sein schien.

„Man lässt Euch mitdiskutieren, wenn es um eine Seele geht?“, wunderte sie sich. Davon hatte sie noch nichts gewusst, auch wenn es sicher seinen Sinn und Zweck hatte.

„Was ist eine Diskussion schon ohne ernstzunehmenden Gegner?“, erwiderte ihr Gegenüber, hob dann aber eine Hand an die Stirn und meinte: „Lange halte ich es in diesen geweihten Gefilden trotzdem nicht aus. Glaub nicht, dass deine Bemühungen umsonst waren, bitte. Es ist nur…“

Eingehend studierte sie das Gesicht des Mannes vor ihr. Seine weiblichen Züge, deren Perfektion nur von wenigen erreicht werden konnte, verrieten eine Befangenheit, die sie bisher noch nicht an ihm gesehen hatte.

„… dieser Ort scheint etwas gegen mich zu haben. Zudem gewinne ich langsam selber den Eindruck, dass mir die Position, in die ich gezwungen wurde, mehr Freiheiten bietet als ich bisher gedacht hatte.“, gestand er ihr, seine olivgrünen Augen freundlich in ihre gelben verankert.

„Ist das der Grund, warum Ihr nicht mit kommen wolltet, als ich einen Weg gefunden hatte?“, fragte sie. Ihr Meister sah sich prüfend nach allen Seiten um, bevor er eine Antwort gab. Das war nicht typisch für ihn, irgendetwas musste ihn wirklich beunruhigen.

„Nein“, setzte er schließlich an, „das war nicht der Grund. Mein Schwanken ob der Entscheidung, ob ich hierher gehöre, ist von jüngerem Alter. Den Grund meiner Weigerung von damals möchte ich dir nicht verschweigen, doch ist hier nicht der richtige Ort, um ihn auszusprechen. Triff mich auf der Menschenwelt, da du nicht mehr in die Hölle kommen kannst.“

Ohne ein weiteres Wort drückte er ihr einen kleinen Zettel in die Hand und eilte dann selbst zu einem der Portale, die auf die Erde führten. Pheron blickte seinem roten Schopf noch eine Weile nach, dann betrachtete sie seine verschnörkelte Schrift auf dem Zettel und wunderte sich, wann er ihn geschrieben hatte. Ein Ort, eine Straße, eine Uhrzeit und ein Tag waren darauf geschrieben. Möglicherweise ein Ort und Zeitpunkt, zu dem er mehr erzählen konnte als jetzt. Sie presste den kleinen Zettel an ihre Brust und ließ die Daten in ihrem Kopf kreisen. Fast ein heimliches Treffen, was sie da vorgeschlagen bekommen hatte. Auf jeden Fall ließ es ihr Herz höher schlagen, ohne dass sie sich des Grundes so recht bewusst war.
 

Knapp eine Woche später war der entsprechende Zeitpunkt erreicht, sie begab sich nachts auf die Erde herab, auf der sie sowohl ihr dämonenartiges Aussehen als auch ihre Flügel schnell verbarg. Die richtige Stadt hatte sie durch das Portal schon erreicht, eine italienische Kleinstadt. Nun machte sie sich auf, auch die richtige Straße zu finden. Zum Glück hatte sie vorher Zeit gehabt, den Stadtplan ordentlich zu studieren, sodass sie nun nach einer inneren Karte zu dem vereinbarten Ort finden konnte.

Schließlich blieb sie stehen, ein kalter Schauer lief ihr den Rücken herunter, trotz dass sie ihr Ziel erreicht hatte. Es war eine dunkle, schmale und kaum beleuchtete Seitenstraße. Ihre Augen suchten hektisch alles ab, doch es schien keine Seele an diesem kalten Ort zu sein. Langsam setzte sie sich in Bewegung, lief tiefer in die unheimliche Straße. „Noch scheint er nicht hier zu sein.“, überlegte sie.

Abrupt blieb sie stehen. Ein Geräusch!

Sie lauschte angestrengt, doch nun hörte sie nichts mehr. Mit rasendem Herzen drehte sie sich um, blickte in die Dunkelheit. Aber es war immer noch nichts und niemand zu sehen. „Ist da wer? Zeige dich!“, rief sie in die Stille der Nacht. Bald darauf allerdings bereute sie es, denn aus den Schatten traten mehrere vermummte Gestalten. Sie wich einen Schritt zurück.

„Er kann dir doch nicht etwa eine Falle gestellt haben?“, flüsterte eine Stimme von einem Dach herunter, die sie irgendwie nie an diesem Ort vermutet hätte. Der Kreis um sie herum wurde immer enger und mit der Zeit blitzten im fahlen Mondlicht auch immer wieder einige Schwerter auf.

„Das würde er niemals tun!“, widersprach sie, auch wenn ihr die Situation gar nicht gefiel. Er konnte sie nicht hintergehen, das war unmöglich. Als es keinen Ausweg mehr aus dem Kreis gab, sprang die Person vom Dach herunter, auf dass sie auf derselben Augenhöhe mit ihrem Opfer war. Da Pheron mit einem baldigen Angriff der Leute um sie herum rechnete, verließ sie die Gestalt der Menschenfrau, die sie gewählt hatte und begab sich in Gefechtsstellung.

„Nein, würde er nicht. Und ich weiß nun auch, wieso.“, beschied die Stimme, der Unbekannte zog sich die Kapuze vom Kopf und stellte sich ins Sternenlicht. Seine weißen Haare reflektierten es und schienen unglaublich schön, doch auch eiskalt wie seine Augen. Verwirrt löste Pheron ihre angespannte Stellung wieder auf.

„Arzael?“, fragte sie verwundert und blickte dann irritiert auf die verhüllten Gestalten um sie herum, die sich bei näherer Betrachtung als Engel herausstellten, die zwar ihre Flügel in einer anderen Dimension verbargen, jedoch ihren heiligen Glanz nicht versteckt hielten. „Was soll das?“

„Das frage ich dich, Phanonphtheronxeryl! Hattest du nicht geschworen, dem Himmel treu zu bleiben und deiner ursprünglichen Heimat den Rücken zu kehren?“, blaffte der hohe Engel und nutzte ihren vollständigen Dämonennamen, um den anderen noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, wer sie vor ihrem Aufstieg gewesen war.

„Ja, das habe ich. Und ich habe meinen Schwur nicht gebrochen“, verteidigte sie sich.

„Lügen bringt dich nicht weiter, treibt dich nur noch mehr ins Verderben“, wischte er ihren Einwand beiseite, „du hast dich mit dem Teufel höchstselbst heute hier verabredet, um ihm die Geheimnisse des Himmels zu verraten.“

„Woher wisst Ihr…“, begann sie, bemerkte dann jedoch, was ihr da vorgeworfen wurde und brach sprachlos vor Verblüffung ab.

„Er hat dich verraten, mein Kind“, behauptete er nachsichtig, „er ist nun einmal der Teufel und kann seinen Trieben nicht widerstehen. Oder warum, meinst du, ist er jetzt noch nicht hier?“

Unbehaglich sah sie sich um. In der Tat war weit und breit noch nichts von ihrem Herrn zu sehen. Was hielt ihn auf? Um dieser nagenden Frage aus dem Weg zu gehen, wandte sie sich wieder an den Engel, der das Gespräch mit ihr führte.

„Habt Ihr nicht selber vor wenigen Monaten noch zugegeben, dass er nicht so teuflisch ist, wie alle behaupten?“, wandte sie trotzig ein.

„Er hat mich geblendet“, wehrte er ab, „ein weiterer Beweis, wie mächtig und korrupt er ist. Kehr dich von ihm ab und du kannst weiter im Himmel bleiben, ohne die Schmerzen eines Falls erleiden zu müssen“, bot er ihr an und streckte eine Hand nach ihr aus. Sie zog sich jedoch von ihm zurück, so weit es ihr in dem Kreis der Engel möglich war.

„Nein!“, rief sie aus, „Lieber werde ich zu einem Gefallenen Engel, als ihn zu verraten! Ich vertraue ihm, seine freundliche und ehrliche Art kann sich nicht von heute auf morgen geändert haben!“

Mitleidig und beinahe verletzt verzog Arzael sein Gesicht. „Wie du meinst. Ich wollte dich retten, doch nun bleibt uns keine Wahl, wir müssen dich wohl oder übel gefangen nehmen und vor den hohen Rat stellen. Anklage: Gemeinsame Sache mit dem Teufel, willentliche Schädigung des Friedens im Himmel.“

„Wie bitte?“, fauchte die junge Frau, die sich von diesen falschen Anschuldigungen erschlagen fühlte.

„Der hohe Rat wusste, was er sich da in seine Obhut nimmt, Arzael“, brauste eine Stimme durch die Gasse, vor dem Mondlicht tauchte eine Gestalt mit weit gespreizten Engelsflügeln auf. Die Engel erkannten schnell, wen sie da vor sich hatten und der Ring um Pheron begann ins Wanken zu geraten.

„Sieh einer an, wer da persönlich kommt, um seinen Schoßhund aus einer brenzlichen Situation zu retten“, höhnte der Anführer der Engel, „Zekiel Lichtträger, der Teufel. Wenn das nicht als Beschuldigung gegen sie reicht…“

„Tut es nicht und das weißt du“, knurrte der Teufel, „und selbst wenn, ich hole sie lieber zu mir in die Hölle als sie noch länger in deinen vergifteten Krallen zu wissen.“

„Ergreift ihn“, war die einzige Erwiderung, woraufhin sich die Wächter um die Frau schnell neu gruppierten, um dem Befehl nachzukommen. Der Höllenfürst jedoch hielt nicht viel davon, sondern war blitzschnell hinter dem hohen Engel, ein Dolch an dessen Kehle.

„Wollt ihr euren wertvollen Lügenvogel hier wiederhaben, so empfehle ich euch, schleunigst in den Himmel zurück zu kehren und die Sache hier zu vergessen“, drohte er. Tatsächlich zögerten die Engel mit einer weiteren Handlung und als die Klinge gegen die Halsschlagader des hohen Engels gedrückt wurde, machten sie sich Hals über Kopf aus dem Staub.

„Geht doch“, murmelte der Teufel, zog den Kopf seines Gefangenen auf seine Schulter und hauchte ihm ins Ohr: „du lässt deine Anschuldigung auch besser fallen. Es könnte ansonsten unschön enden.“

Widerwillig, aber angesichts der eindeutigen Machtverteilung, stimmte Arzael zu und entschwand auch gen Himmel, kaum dass er freigesetzt wurde. Zekiel steckte sein Messer weg und strich sich seine langen rotschwarzen Haare aus dem Gesicht, bevor er die ehemalige Dämonin anblickte.

„Möchtest du wirklich im Himmel bleiben?“, erkundigte er sich, „nun weißt du, was für Lügen dort lauern. Ich kann dich da oben nicht beschützen.“

„Ich bleibe noch eine Weile“, entschied sie. Zekiel nickte, da er ihre Entschlossenheit kannte.

„Der Grund, warum ich damals deinen Vorschlag ablehnte, war, weil ich diesen Verräter bereits kannte“, erklärte er, den Mond anblickend, als sei er ein Zeuge, der den hohen Engel fallen lassen könne. „Du bist in Gefahr dort oben, er hat sein Netz bereits zu weit gespannt.“

„Dann bleibe ich, um es ein wenig aufzulockern und ihn irgendwann in Eure Gewalt zu bringen“, bestimmte die Angesprochene, der die platonische Liebe in Zekiels Stimme entgangen war. Letzterer blickte nun wieder in ihre zuversichtlichen, gelben Augen. Dann nahm er sie in seine Arme, wünschte ihr viel Erfolg und bat sie, auf sich aufzupassen.

Diesmal erwiderte sie seine Umarmung, welche langsam zur gewohnten Verabschiedung zwischen den beiden wurde.



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