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Die Geister die wir riefen...

von

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„Na los, streck dich Knirps!“, vorsichtig balancierte Tyson Kai auf seinen Schultern und lüpfte den kleineren Körper näher an die baumelnden Früchte über ihnen heran. „Wenn du heute noch etwas essen willst musst du dich anstrengen.“

„Mache ich doch!“, wehrte sich das Kind gegen Tysons stillen Vorwurf. Kais Fingerspitzen schafften es gerade mal dem Apfel einen leichten Stups zu verpassen. Es hatte nur so viel Wirkung dass die Frucht leicht ins Wippen geriet, aber nicht von ihrem Platz rückte.

„Da geht noch was, mach dich lang!“

Aufmüpfig stampfte Kai mit dem rechten Fuß auf Tysons Schulter auf, was ihn schmerzhaft jaulen ließ.

„Mach das nochmal und wir spielen Rodeo!“

Ein ungläubiges Schnauben war die Antwort, dass Tyson schwer an Kais alte Starallüren erinnerte. Es steckte doch noch Feuer in dem Bengel.

„Halt die Klappe und zappel nicht so!“, kam es herrisch.

„Wenn ich zappel merkst du das schon.“

„Schlimmer als jetzt kann es nicht werden. Hey!“

Kai rief überrascht aus.

„Hör auf!“

Tyson begann übermütig auf der Stelle zu hüpfen. Als Kai mit den Händen fuchtelte um nicht die Balance zu verlieren, begann er schallend zu lachen.

„So wird das nie etwas mit dem Essen!“, klagte Kai genervt und krallte sich an Tysons Haarschopf fest, um nicht unsanft von seiner provisorischen Leiter zu stürzen. Dieser hüpfte jedoch unbeirrt auf der Stelle weiter und flötete: „Entschuldige dich. Sonst höre ich nicht auf.“

„Nein!“, kam es stur.

Tyson machte einen solchen Satz das es Kai, mit einem erschrockenen Ausruf, für einen Moment in die Luft hob, doch gab er darauf Acht, dass das Kind sicher auf seinem Rücken landete. Panisch schlangen sich zwei Arme um seinen Hals, was ganz in Tysons Sinne lag. Da sprang er schon übermütig mit seinem klammernden Anhängsel durch das hohe Graß, dass eine wundervoll weiche Matte abgegeben hätte, wäre Kai widererwarten von ihm abgefallen.

„Tyson bleib ern-…“

Er tat einen hohen Satz.

„Bleib ern-…“

Ein weiterer Sprung unterbrach das Kind in seinem Vorhaben Tyson zur Ordnung zu rufen.

„Du bist bescheuert!“, es lag bei weitem nicht mehr so viel Ernsthaftigkeit in dieser Aussage wie der Junge wohl wollte, denn das Spiel begann ihm zu gefallen. Man hörte förmlich wie er gegen den Schalk in seiner Stimme ankämpfte. Tyson begann sich zu schütteln, wie ein nasser Hund, da prustete Kai.

„Und jetzt der Hubschrauber!“, er wirbelte im Kreis, da erfüllte ein Freudenschrei die Lichtung. Einige Meter entfernt grinste Max über dieses Schauspiel.

„Seht euch die beiden an. Ein Herz und eine Seele.“, meinte er an Ray und Allegro gewandt. Als der sich den anderen Jungen zuwandte, hatte Tyson Kai über die Schulter geworfen und drehte sich mit ihm.

„So viel zum verletzten Arm…“, kommentierte er trocken.

Falls Tyson das Tempo beibehielten sollte war es nur eine Frage der Zeit bis sich einer von ihnen übergeben würde.

„Er holt den Kleinen ganz schön aus der Reserve.“, meinte Allegro und kratzte sich mit den Hinterbeinen am Ohr. Sein angestammter Platz auf Maxs Schulter war ihm etwas langweilig geworden, da hatte er neben Ray auf dem Ast Platz genommen. Der war damit beschäftigt zu den höher hängenden Früchten hinauf zu kraxeln, da sie seiner Meinung nach reifer waren. „Gehen die beiden immer so vertraut miteinander um?“

Max und Ray blickten ihn verdattert an, dann lachten sie schallend auf. Die Springmaus starrte die beiden Jungen irritiert an und fragte: „War meine Frage so töricht?“

Max winkte beschwichtigend ab.

„Nein, nein. Eigentlich ist nichts Seltsames daran. Aber hätte uns jemand vor ein paar Tagen so eine Frage gestellt…“

„Was war denn vorher?“

„Die beiden haben sich sonst nur in den Haaren.“

„Oh.“, Allegro hielt in seiner Bewegung inne und schaute Max aus großen dunklen Knopfaugen an. „Mit Verlaub, aber das mag ich gar nicht glauben meine Herren! Seht doch nur diese wundervolle Innigkeit.“

„Ja, jetzt vielleicht.“, lachte Ray freudlos auf. Er warf Max eine Frucht hinab. „Falls wir aber unsere alten Körper bekommen sollten und Kai wieder bei klarem Verstand ist, wird das schnell in der Luft verpuffen.“

„So so so. Ist das so?“, es klang erfreut, als wüsste Allegro mehr. „Naja, selbst wenn das der Fall sein sollte, werden den beiden doch diese Momente hier bleiben. Sicherlich wissen sie das im Prinzip sämtliche ihrer Streitigkeiten rein oberflächlicher Natur sind.“

„Du kennst die beiden noch nicht so lange. Woher willst du das wissen?“, fragte Max.

„Meine Güte, das riecht man doch!“, tadelte Allegro ihn kopfschüttelnd. Es klang so vorwurfsvoll, als hätte Max wissen wollen, ob Fische im Meer leben. Erneut kratzte sich die Strommaus hinter den Ohren und begann zu fluchen. Vor ein paar Stunden hatte Allegro ihnen die Vermutung kundgetan, dass ihm Galman einige Bit Beast Flöhe als Andenken vermacht hatte.

„Wie riecht so etwas?“, wollte Ray wissen. Er konnte sich partout nicht vorstellen, das Bit Beast so viel mehr Eindrücke von ihrer Umwelt, allein durch ihren Geruchssinn erhielten.

„Ach, ich vergesse mich immer. Ihr Menschen seid primitiver veranlagt.“

„Ich fühle mich ein wenig zum Primaten degradiert.“, klagte Max.

Allegro zuckte mit den Achseln.

„Pardon für diesen Affront. Aber wie soll ich euch so etwas erklären? Ich wittere einfach dass die beiden einen sehr tiefen Respekt voreinander haben… und auch sehr viel Sympathie.“ Allegro stemmte sich kurz auf die Hinterpfoten und schnupperte mit der Schnauze voraus den beiden anderen Jungen entgegen. „Vielleicht auch Zuneigung. Die Grenzen sind ziemlich vage.“

Etwas verwundert tauschten Max und Ray vielsagende Blicke aus. Es schien ihnen unbegreiflich wie viel mehr Allegro aufschnappte. Das sich Tyson und Kai nicht ganz so zuwider waren, wie sie immer taten, war ihnen klar, aber die Springmaus brachte viel mehr Einblicke auf den Tisch, als sie es jemals mit ihrer äußerst beschränkten Wahrnehmung hätten merken können.

„Und du meinst wirklich beide?“, fragte Ray ungläubig. Er flüsterte. Wobei er sich nicht sicher war weshalb. Ihm schien als würden sie in den Tagebüchern ihrer Freunde schnüffeln.

„Ja natürlich.“, Allegro begann wie verrückt hinter seinem Ohr zu kratzen. „Dieser verflixte Affe! Das ist ja nicht auszuhalten!“

Er blickte sehnsüchtig zu Kai. In den letzten Stunden hatte er sich öfters von dem Jungen hinter dem Ohr kraulen lassen. Die schmalen Kinderfinger waren viel feiner als jene der Jugendlichen, aber er schien nicht sicher, ob er das Pensum für heute nicht überschritten hatte. Er wollte ja nicht unverschämt wirken…

„Was riechst du eigentlich bei uns?“, wollte Max wissen.

„Bedingungslose Loyalität, Mut und Freundschaft. Eine vorbildliche Kombination! Ihr alle seid sehr vertraut euch gegenüber. Ich hatte ehrlich gesagt nie erwartet, einen so festen Zusammenhalt gerade unter Menschen zu finden. Es hat mich von dem Moment an beeindruckt, als ich eure Gruppe zum ersten Mal gerochen habe.“ Er sprang ungeduldig auf. „Allerdings ist eure Note doch anders als die zwischen Tyson und Kai. Da scheint die Chemie noch ein Ticken besser zu sein. Ich kann euch nicht genau sagen was es ist. Wo wir aber von letzterer Person sprechen… Ich muss mich kurz entschuldigen.“

Allegro hopste in hohem Bogen ins Gras.

Kurz darauf hörten sie Tyson überrascht aufschreien, als sich die Strommaus an seinem Hosenbein hinaufbewegte um zu Kai zu gelangen. Geradezu verzweifelt flehte er um eine erneute Kratzbehandlung. „Hilf mir, Junge! Ich verfalle noch dem Wahnsinn!“

Dabei ließ er Ray und Max zurück, die doch gerne noch etwas weiter „Mäuschen“ gespielt hätten.

„Kaum zu Glauben, oder?“, brach Max schließlich die Stille.

„Wenn man bedenkt wie die beiden sich sonst fetzen? Ja allerdings.“, warf Ray ratlos ein.

„Ich muss zugeben – ich bin etwas neidisch.“

„Worauf?“, blinzelte Ray irritiert

„Das Tyson schon immer einen besonderen Draht zu Kai hat war mir klar, aber das übersteigt jetzt doch meine Erwartungen.“

„Als besonderen Draht würde ich das nicht gleich bezeichnen! Vielleicht irrt sich Allegro auch.“

Max schüttelte den Kopf.

„Nein. Es war schon immer eine Vermutung von mir, aber man muss hier wohl einfach zwischen den Zeilen lesen.“

„Da ist leider wenig Spielraum zwischen, Halt die Klappe Tyson, oder, Kai du scheiß Eisklotz.“

„Das Eheleben hat dich abgestumpft.“, bemerkte Max nachsichtig. „Hast du wirklich vergessen wie die Kämpfe zwischen den beiden abliefen? Wie sie sich hineingesteigert haben und plötzlich auf einer Wellenlänge schwebten, obwohl sie doch von Grund auf so verschieden sind? Das war keine blinde Rivalität. In diesen Momenten hatte ich das Gefühl, dass ihre Freundschaft viel tiefer geht. Als wäre ich auf einem Abstellgleis gelandet und das wo mich doch alle als Tysons besten Freund bezeichnen.“

„Das hat er selbst behauptet.“

„Er ist sich doch gar nicht bewusst wer ihm wirklich nahe steht. Vielleicht versucht er uns alle gleich zu behandeln, doch in gewisser Weise hat auch er seine Favoriten. Mit uns beiden kann er reden und scherzen, aber Kai… der geht ihm auf eine andere Weise nahe. Wahrscheinlich brauchen beide diese Sticheleien, anders können sie doch gar nicht miteinander umgehen.“

„Altes Ehepaar.“, noch bevor er den Satz zu Ende gesprochen hatte, wurde ihm bewusst, wie oft er dies den beiden schon vorgeworfen hatte.

Max hielt eine flache Frucht in die Höhe und begutachtete sie argwöhnisch.

„Ist das eine Bergpfirsich?“

„Jepp.“

„Und die wächst im Apfelbaum?“

„Zusammen mit einigen Birnen und da oben sehe ich eine Nektarine.“

„Total seltsam. Stell dir mal vor solche Bäume gebe es in unserer Welt. Jeder würde sich so einen in den Garten stellen.“, Max biss herzhaft hinein.

„Mm. Ein Wunder das da keine Würstchen wachsen.“, dann griff Ray das Thema aber wieder auf. „Kai geht Tyson nahe… Was für eine merkwürdige Wortwahl.“

„So kommt es mir einfach vor. Ich kann es nicht besser ausdrücken.“, Max zuckte mit den Achseln. „Das die beiden nicht ohne einander aber auch nicht miteinander können, dürfte dir auch aufgefallen sein. Egal wie viele Streitereien sie haben, letztendlich finden sie sich trotzdem wieder an einem Tisch. Das hat sich seit unserer Bladebreakerzeit nicht geändert.“

„Hmm…“, Ray dachte an das letzte Match das die beiden miteinander ausgefochten hatten.

Das Bild von damals lag noch klar vor seinen Augen.

Er fand sich selbst wieder auf der Tribüne, unter all jenen Schaulustigen, die nur für Tyson und Kai gekommen waren… und ja, wenn er genau darüber nachdachte war er verdammt eifersüchtig gewesen. Er hatte es nicht ins Finale geschafft, obwohl er wirklich zu allem bereit gewesen war. Das stundenlange Training – er hatte förmlich Blut und Wasser geschwitzt. Nur um dann doch im Halbfinale an Kai zu scheitern. Es war ihm vorgekommen als würde es letztendlich immer auf diese Konstellation hinauslaufen… Eine Konstellation die ihn nicht mit Inbegriff.

Er war dazu verdammt gewesen letztendlich immer als Zuschauer im Finale zu versauern.

Die Menge neben ihm hatte aufgeregt mit den Füßen gestrampelt und auch wenn Max ihm gegenüber nun einräumte, dass auch er manchmal neidisch gewesen war, hatte er sich zu dieser Zeit nichts anmerken lassen. Viel mehr hatte er aus vollem Hals gejohlt und seine Freunde aus ganzer Seele damit angeheizt.

Hatte er damals auch für Tyson und Kai gejubelt? Ray wusste es nicht mehr.
 

Er hätte ihnen aber lieber den Hals umdrehen sollen…
 

Der heftige Wunsch kam so unvermittelt das ihm sein Atem stockte.

Was hatte er da gerade gedacht?

Als ihm die Tragweite seiner Gedanken bewusst wurde, wandelte sich sein Gesicht in eine aschfahle Maske. Aus welchem dunklen Winkel seiner Seele entstammte denn diese Boshaftigkeit? Er war sich sicher dass er damals genauso lauthals wie Max gejubelt hatte.

Natürlich war er angesäuert gewesen zum Zuschauer degradiert worden zu sein, dennoch war da doch nicht nur Missgunst gewesen, sondern in erster Linie kameradschaftlicher Respekt!

Ray schüttelte sich. Das entsprach gar nicht seiner Natur und er wunderte sich über sich selbst. So wollte er nicht sein. Er spähte zu Max als hätte dieser seine Gedanken erhaschen können. Der prustete aber unwissend als sich die anderen beiden Jungen wieder ihrer eigentlichen Aufgaben entsannen und das Gezanke erneut losging, da Tyson einfach nicht still hielt. Rays Finger wurden schweißnass und er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, indem er sich auf seine Arbeit konzertierte. Es war nur ein fieser Gedanke gewesen.

Zwischen gedacht und getan lag ein großer Unterschied – so versuchte er es sich zumindest einzureden. Doch ein Funken Zweifel blieb.
 

*
 

Kazuya zog sich die Jacke bis zum Kinn und nestelte an dem Schal herum, den er als zusätzlichen Schutz vor der Kälte unter den Kragen stopfte. Es war viel zu kalt für einen Oktobertag und niemals wäre ihm eingefallen, dass es schneien könnte als er heute Morgen das Haus verließ. Da half auch die dünne Übergangsjacke nur mäßig.

Dennoch hatte er es sich nicht nehmen wollen seine abendlichen Stunden am Ufer des Kandaflusses zu verbringen. Er studierte Kunst und sobald die letzten Sonnenstrahlen auf die Fluten trafen, gab dies eine malerische Landschaft, die er gerne zu Übungszwecken einfing. Es wurde hier nie langweilig, da die anwesenden Personen ständig ein neues Bild ergaben. Selbst jetzt, wo der Neuschnee die Ufer in ein fahles Weiß hüllte, hatte die Kulisse etwas wundervoll Friedvolles. Ein anderer wäre an seiner Stelle nachhause gegangen. Er war nicht vorbereitet auf den plötzlichen Temperatursturz, dennoch nahm er es der Kunst zuliebe in Kauf, mit einer durchnässten Jeanshose im Gras zu sitzen, während die Flocken langsam vom Himmel tänzelten.

Wenn die kreativen Säfte flossen musste man unverzüglich an die Arbeit.

Vor allem in jenem Moment, wenn der Schnee der Landschaft etwas Melancholisches verlieh. Es war der gnadenlose Übergang von der bunten Herbstpracht zur Stille des Winters.

Die ersten Linien waren schnell gezogen. Mit dem skizzieren hatte er selten Probleme. Er musste kaum radieren, denn seine Züge waren sicher. Bald war er vertieft in die Einzelheiten. Die raren Grasflächen die noch unter der Schneeschicht hervor schauten, die tiefhängenden Wolken welche die Strahlen nur mäßig hindurch ließen.

Kazuya hoffte er könne nur ansatzweiße die Stimmung einfangen.

Bald war er mit den Wellen beschäftigt. Hier machte die Liebe zum Detail das Gesamtbild aus. Ein Tropfen der sich von den Wellen löste, weiße Gischt hier und da, dort die Andeutung einer stärkeren Strömung und die kräuselten Bewegungen um das goldschimmernde Objekt am anderen Ufer.

Was war das überhaupt?

Er kniff die Augen zusammen und stierte auf die Stelle.

Zunächst hatte es gewirkt als würden Sonnenstrahlen von dort reflektiert werden, wie bei einem Spiegel, doch dazu kamen die Strahlen zu selten durch die Wolkendecke. Das Objekt hing an einem Ast fest, welcher achtlos am Ufer liegengelassen worden war. Womöglich handelte es sich dabei um einen Ball und einige Kinder hatten mit dem Ast versucht, ihn aus den Fluten zu ziehen. Doch auf dem zweiten Blick war das Objekt oval und - so obskur es klang – es schien aus dem Innern heraus hell zu flimmern. Eine größere Welle erfasste es und drohte es davon zu spülen, da obsiegte Kazuyas Neugier. Bevor es davon getrieben wurde, wollte er wissen was das war.

Es sah zumindest nicht nach ordinärem Müll aus.

Kazuya erhob sich von seinem Sitzplatz und kletterte den Hang zum Gehweg hinauf. Ein Radfahrer schimpfte dort über die Straße, die sich durch Feuchtigkeit und Kälte innerhalb von Stunden in eine spiegelglatte Oberfläche verwandelt hatte. Manche Passanten nahmen den aktuellen Wetterumsturz mit Humor, manche eben weniger.

Kazuya gehörte nicht zu der Sorte Mensch die sich gerne über Dinge aufregte, die man ohnehin nicht ändern konnte. Er folgte dem Verlauf des Gehwegs, über eine schmale Brücke, auf die andere Seite. Dabei huschte sein Augenmerk manches Mal zu dem merkwürdigen Objekt in den Fluten. Kurz nachdem er die Brücke hinter sich gelassen hatte, fand er eine kleine Treppe. Vorsichtig folgte Kazuya den glatten Stufen hinab zum Ufer. Hier führte ein kleiner Pfad am Gewässer entlang, der im Sommer gerne von Sportlern zum Joggen verwendet wurde.

Es wurde dunkel und die ersten Straßenlaternen gingen flackernd an. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt so lange hier zu bleiben. Seine Freundin würde ihn sicherlich ungeduldig erwarten, wenn er nicht bald zum Abendessen nach Hause kam. Doch das schimmernde Objekt war zwischen den dunklen Fluten schnell ausgemacht. Ratlos kniete sich Kazuya herab und betrachtete seinen Fund.

Es schien… ein Ei zu sein?

Ein Ei dessen blasse Schale nicht verbergen konnte, dass etwas Helles in seinem Innern heranwuchs. Es wirkte wie ein leuchtender Herzschlag der in kräftigen Intervallen pulsierte.

„Was zum Himmel bist du?“, fragte Kazuya aus faszinierten Augen.

Er warf einen Blick um seine Umgebung.

Zurzeit war niemand hier.

Dann krempelte er die Ärmel hoch und griff ins kalte Wasser. Das Ei war so groß wie ein Fußball und die Schale fühlte sich tatsächlich zerbrechlich an, nicht als ob es künstlich wäre. Zu seiner Überraschung strahlte es eine immense Wärme aus. Seine Finger bemerkten nicht einmal mehr die Eiseskälte der Fluten dadurch.

Es bedurfte schon zwei Hände um das Ei aus dem Wasser zu ziehen. Einige Minuten nestelte Kazuya an den Zweigen herum, die es eingefangen hielten, bis er den Ast genervt mit dem Fuß fortstieß. Das Geäst entließ seinen Fang und rutschte durch die Strömung ins Wasser. Bald trieb es im Dunkel davon und war nicht mehr auszumachen, doch dafür hatte Kazuya ohnehin keine Augen mehr. Seine Aufmerksamkeit galt allein dem irrealen Objekt das er entdeckt hatte.

Er drehte es in den Händen und musste gestehen dass es wirklich wundervoll anzusehen war. Wann immer das Herz im Innern schlug, entsandte es ein angenehmes Prickeln an seine Fingerkuppe. Ihm ging ein herrlicher Schauer über den Rücken. Desto länger er es hielt, desto intensiver wurde das Gefühl, als würde es auf seinen gesamten Körper übergreifen.

Selbst sein Magen begann zu flirren, als schwirrten tausende Schmetterlinge darin herum.

Er wurde träge und glücklich zugleich. Bald vergaß er die Zeit und gab sich damit zufrieden, inmitten des Schnees am Ufer zu sitzen und einfach nur dieses Ei zu halten. Um noch mehr von diesem herrlichen Schauern zu erfahren, legte er es sich auf den Schoß um vorsichtig seinen Oberkörper darauf zu stützen. Das war die reinste Droge… Wie ein Gefühlstaumel.

Ein verrückter Trip oder ein bevorstehender Orgasmus!

Er seufzte und setzte seinen Kopf auf die Schale. Seine Lider schlossen sich und nie mehr wollte Kazuya aufstehen. Desto länger er das Ei hielt, desto heißer wurde es.

Jedenfalls empfand Kazuya es so…

Denn eigentlich war es sein eigener Körper der einfach nur erkaltete. Das Ei auf seinem Schoß pochte dafür umso schneller. Die Schneeflocken fielen auf Haar und Schultern, hinterließen eine weiße Schicht. Sein Atem ging nur noch langsam und niemand war noch auf den Straßen unterwegs, um den jungen Mann zu retten, welcher dort am Ufer leise verstarb, während das Ei auf seinem Schoß ihm das restliche bisschen Lebensenergie aufsaugte.
 

*
 

Hana Amori hatte Hitoshi Kinomiya vor vier Jahren bei ihrem Studium in Osaka kennen und lieben gelernt. Sie mochte souveräne Männer und ihr Verlobter war die leibliche Verkörperung eines solchen. Er war intelligent, attraktiv und selbstbewusst.

Zwar schimpften ihn manche Neider als hochnäsigen Arsch, doch wusste er durchaus wovon er sprach. Denn wirklich beeindruckt hatten sie die politischen und wirtschaftlichen Debatten, die sie im Kreise ihrer Kommilitonen nach einer Vorlesung führten. Hitoshi war darin stets als Wortführer aufgetreten und wusste seinen Standpunkt geschickt zu argumentieren. Er hörte sich die Meinungen der anderen ruhig an und konterte so schnell, dass er selbst ihr so manches Mal den Wind aus den Segeln nahm. Dabei sagte man ihr stets nach dass sie äußerst Redegewand war. Sie brauchte sich zumindest nicht zu verstecken. Während einem dieser Wortgefechte war dann wohl der Funken übergesprungen, denn schon bald fanden sich beide in einer leidenschaftlichen Affäre, die später zu einer innigen Beziehung wurde – trotz anfänglicher Stolpersteine.

Hitoshis Familie war zwar einmal groß in der Presse aufgrund des früheren Beybladehype, doch man konnte nicht behaupten, dass sie sich dadurch zu Millionären gemausert hatten. Ganz im Gegenteil zu Hanas Familie, die mit dem landesweit ausgestrahlten Fernsehsender, ein gutes Polster auf dem Konto wusste. Zwar war Hitoshi nicht mittellos, doch ihr Vater hatte doch die Nase gerümpft, als sie ihm von seiner früheren Karriere erzählte.

„Na den Göttern sei Dank hat er sich wenigstens umorientiert, “ war sein bissiges Kommentar gewesen. Doch bald hatte sich seine Meinung geändert, denn Hitoshi überraschte ihren Vater positiv. Nach seinem Studium traute er ihm sogar eine Stelle in der Redaktion zu.

„Ob er das immer noch tun wird nach dieser Geschichte?“, fragte sich Hana und biss sich auf die Unterlippe. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, welche Folgen diese Sache mit sich ziehen würde, zumal Ming-Ming ausgerechnet bei ihrem Sender angestellt gewesen war.

Innerlich tadelte sich Hana, das sie nicht früher bemerkt hatte, dass etwas im Busch lag.
 

Allein der Anruf diesen morgen, der wirklich zu einer unverschämten Uhrzeit kam, hätte sie stutzig machen müssen. Hitoshi war in seine Hose geschlüpft, obwohl sie doch seine Wärme im Bett sogleich schmerzlich vermisste. Auf ihre schlaftrunkene Frage wo er hin wolle, hatte er nur nachsichtig gelächelt.

„Zu Großvater.“, der Kuss auf ihre Stirn hatte sie wohlig aufseufzen lassen. „Ich bin zum Frühstück wieder da.“

Doch Hitoshi kam nicht.

Sie hatte sich geärgert aber nichts dabei gedacht.

Lieber schmollte sie allein am Küchentisch bei einer Schale Müsli und ermahnte sich, ihm solche Sperenzien auszutreiben bevor sie heirateten. Gegen Mittag war er jedoch noch immer nicht in ihr Apartment zurückgekommen. Hana musste sich zusammenreißen, um ihm nicht sofort eine eingeschnappte Nachricht auf sein Handy zu schicken. Sie hielt nichts von Frauen die an ihren Männern wie die Kletten klebten. So wollte sie nie werden, dazu war ihr Denken viel zu modern. Um sich abzulenken verbrannte sie lieber ein paar Kalorien auf dem Crosstrainer. Dabei ließ sie auch gerne das Radio laufen… und so erfuhr sie überhaupt vom gestrigen Brand bei dem Anwesen des Geschäftsmagnat Hiwatari.

Hana musste stutzten, denn Hitoshi hatte ihr gegenüber erwähnt, dass sein kleiner Bruder mit dem Besitzer dieses Unternehmens eng befreundet war und auch er Kai Hiwatari persönlich kannte. Sie war ziemlich beeindruckt gewesen, gerade weil man über die Familie Hiwatari wenig wusste. Sowohl geschäftlich als auch privat, ließ man sich dort nicht in die Karten schauen.

Etwas erleichtert darüber dass niemand zu Tode gekommen war, nutzte sie dennoch diese Nachricht als fadenscheinigen Vorwand, um ihren Freund anzurufen. Der ging jedoch nicht ans Handy. Sie rief bei seinem Großvater an. Auch dort meldete sich niemand. Ihre weibliche Intuition sagte ihr schließlich dass etwas nicht stimmte.

Kurzentschlossen klaubte sie sich ihre Autoschlüssel und fuhr persönlich zum Kinomiya Dojo – nur um ein Gebäude vorzufinden dessen Eingang mit neongelben Polizeisperrband versiegelt war. Sie hatte entsetzt auf das im Wind flatternde Plastik gestarrt und musste an sich halten nicht in Panik zu verfallen. Ihre Befürchtungen verschlimmerten sich noch, als sie zwei Polizeibeamten vor der Einfahrt des Nachbarhauses mit einer Kamera hantieren sah. Sie fotografierten die mit Kreide eingezeichneten Umrisse eines Menschen von Asphalt ab – und einer großen vertrocknenden Blutlache.

Es war ein schauriger Anblick.

Kurzerhand sprach sie die beiden Männer an. Diese wollten zunächst keine Auskunft geben, bis Hana sich als Hitoshis Verlobte vorstellte und daraufhin zur zuständigen Zentrale verwiesen wurde. In ihren schlimmsten Träumen hätte sie nicht geglaubt, den heutigen Nachmittag in einem Polizeirevier zu verbringen und als man sie endlich zu Hiro vorließ, hätte sie am liebsten angefangen wie ein Schlosshund zu heulen.

Ihr einst so optimistischer Verlobter, saß auf einer Pritsche und starrte verloren zum einzigen Fenster hinauf, dessen Gitter zwischen hier und der Außenwelt lagen. Mit ihm auf der Pritsche kauerte ein anderer Insasse, der unter seiner Jacke schlief. Er stank nach Alkohol.

Wahrscheinlich hatte man ihn diese Nacht von der Straße aufgegabelt.

Als Hana die Gitterstäbe umschloss erblickte sie die Handschellen an Hitoshis Gelenken. Es schnürte ihr die Kehle so zu, dass sie nur mit beklommener Stimme auf sich aufmerksam machen konnte. Sofort als er seinen Namen hörte, schnellte sein Gesicht zu ihr.

„Hana?“, Hiro wurde aschfahl. „Wie hast du mich gefunden?“

„Deine Verlobte ist kein dummes Blondchen.“, seufzte sie. „Warum hast du mich nicht angerufen? Du müsstest doch wissen wie deine Rechte lauten.“

Er zuckte mit den Schultern. Sie stöhnte gequält auf.

„Hast du wirklich gedacht du könntest das Ganze hier auf eigener Faust im stillen Kämmerchen klären?“

„Einen Versuch war es wert.“, grinste Hitoshi nur matt.

Immerhin hatte er seinen Humor nicht verloren. Sie schmunzelte und blickte zum Beamten neben ihr. „Darf ich zu ihm?“

„Natürlich. Einen Kaffee und etwas Kuchen noch gefällig?“

Ihr lag auf der Zunge ihn als „Arschloch“ zu beschimpfen, doch leider gab es etwas wie Beamtenbeleidigung. Daher blieb es nur bei einem bösen Blick.

„Hiro, wie konnte das nur passieren?“, fragte Hana ihren Verlobten geradeheraus. „Stimmt es wirklich das Ming-Ming deinetwegen tot ist?“

„Ich wünschte ich könnte das verneinen.“, kam es nüchtern. Ihm fiel es sichtlich schwer die Tatsache laut auszusprechen, so gut kannte sie ihn.

„Wie?“

Er atmete hörbar aus. Dann schilderte Hitoshi ihr sämtliche Vorfälle die während seiner Abwesenheit geschehen waren. Sie war mehr als einmal überrascht, was sich innerhalb von einem Tag alles abspielen konnte. Die Anschuldigungen gegen Takao, der Brand bei den Hiwataris, der verschwundene Großvater, selbst ein Angriff auf eine Krankenschwester… und überall waren die ehemaligen Bladebreakers in der Nähe. Das Misstrauen der Polizei lag wohl auf der Hand, nachdem die Gruppe sich in Luft aufgelöst hatte.

Da war Hitoshis „Unfall“ nur der Tropfen der das Fass zum Überlaufen brachte.

Es kränkte sie dass er nach all den Vorfällen nicht in Erwägung gezogen hatte sie anzurufen.

„Spätestens als dein Bruder verschwunden ist hättest du mich benachrichtigen müssen.“, klagte sie ihn an. „Wir wollen nächstes Jahr heiraten und du ziehst mich nie in eure Probleme mit ein. So werde ich nie einen besseren Draht zu deiner Familie bekommen.“

„Fang bitte nicht jetzt damit an.“, es kam so abgekämpft das sie ihm den Wunsch nicht abschlagen mochte. Hana wusste um seine heimliche Sorge die Kinomiyas seien zu durchschnittlich für eine Familie ihres Kalibers. Dabei war Hana sicher, dass ihr Vater und Mr. Kinomiya schnell die Sakegläser heben würden, sollte Hitoshi mal einem Familientreffen zustimmen.

„Hast du bereits einen Anwalt kontaktiert?“

„Nein.“

„Was treibst du denn die ganze Zeit?“

„Ich denke nach…“

„Das solltest du einen Juristen für dich machen lassen! Nachdem was du mir geschildert hast, reden wir hier von Körperverletzung ohne Tötungsabsicht. Schlimmstenfalls fahrlässige Tötung. Wenn du dich aber nicht wehrst, wird man dir anlasten, das du Ming-Ming mundtot machen wolltest, weil sie drohte die Ehre deiner Familie in den Schmutz zu ziehen. Das wäre Mord und du bekommst lebenslänglich!“

Er regte sich nicht. Sie hätte ein Königreich für seine Gedanken gegeben.

„Mein Vater kennt einige gute Anwälte und auch Richter. Wir könnten dafür sorgen das einer seiner Freunde deinen Fall zugewiesen bekommt.“

„Bist du verrückt?!“, herrschte er sie an. Sein Leidensgenosse regte sich schmatzend. Beide blickten auf den Trunkenbold und ahnten dass sie ihn weiterschlafen lassen wollten. Hitoshi erhob sich von der quietschenden Pritsche um sich den Gittern zu nähern.

„Was wirft das für ein Bild auf mich, wenn mich dein Vater nach so einer Aktion aus dem Gefängnis boxt?“

„Es zeigt das deine künftige Familie hinter dir steht.“, sie schob trotzig ihr Kinn vor.

„Es zeigt das ich meinen Posten bekomme habe, weil ich mit der Tochter vom Chef schlafe. Und das ich mir jetzt alles erlaube – sogar einen Mord!“

„Es war ein Unfall!“, pochte sie vehement. „Du bist doch nicht heute Morgen aufgestanden und hast gedacht: Wundervoller Morgen. Ich drehe Ming-Ming nach dem Kaffee den Hals um. Du hast nicht aus Vorsatz gehandelt!“

„Aber aus Affekt.“

„Wer hätte ahnen können dass sie so ungeschickt stolpert!“

„Ich habe keinen Autospiegel abgebrochen, dass ist dir klar, oder?“

„Sag mal willst du dich etwa schuldig bekennen?“

Als er stumm blieb, wurden ihre Augen groß.

„Hiro, ich bitte dich. Sag mir was in dir vorgeht!“

Er blickte sich unbeholfen um, als suche er ein Hilfsmittel, das seine Gedanken in Worte fassen ließ. Im Prinzip war sein ganzes Dasein auf den Kopf gestellt, doch wie ließ sich so etwas schon erklären.

„Ich bin froh dass du nicht dort warst, Hana. Dieses Bild als Ming-Ming das Auto über den Hals gefahren ist. Es ist so brutal gewesen. Weißt du aber was schlimmer ist? Das Geräusch. Dieses furchtbare Gurgeln. Ich kriege es nicht mehr aus dem Kopf.“

Einem Ertrinkenden gleich umgriff er die Gitterstäbe und lehnte seine Stirn an den kalten Stahl. Er wagte kaum die Augen zu schließen, aus Angst das Bild erneut vor sich zu sehen. Er hatte diese Frau gekannt. Sie waren keine Freunde gewesen, aber zumindest Bekannte. Er hatte ihre Mannschaft trainiert und unweigerlich stellte er sich die Reaktion ihres alten Teams vor. Crusher war Ming-Ming auch nach der Bladerzeit sehr nahe gestanden. Ihn würde es besonders treffen. Sie war Mitten im Leben gewesen…

Hanas Finger strichen über seine Wange. Es war wie ein Weckruf.

„Das muss furchtbar gewesen sein.“, flüsterte sie nachsichtig. „Es tut mir so leid dass dir so etwas passiert ist.“

„Sie war noch so jung.“

„Ich weiß, Hiro. Aber ich halte dich nach wie vor nicht für einen Mörder. Ein Täter, ja. Aber nicht aus freiem Willen. Denkst du dir würde das alles so Nahe gehen, wenn du ihr das gewünscht hättest?“

„Womöglich.“, kam es trocken und Hana hoffte ihn umgestimmt zu haben. „Aber die Hilfe deines Vaters werde ich trotzdem nicht annehmen.“

„Warum?“, sie schaute ihn flehend an.

„Ich werde nicht mit Hilfe meines Schwiegervaters den Kopf aus der Schlinge ziehen.“

„Aber wenn du…“

„Nein Hana!“, herrschte er sie an. „Ich habe meinen Posten bekommen, weil wir beide zusammen sind.“

„Weil mein Vater von dir überzeugt ist!“, korrigierte sie, doch Hitoshi überging seine Verlobte mit einem Kopfschütteln.

„Nichtsdestotrotz… Es hat für Unruhe gesorgt. Hätte es deinen Vater nicht gekränkt, wäre ich gar nicht auf sein Angebot eingegangen. Aber das hier ist eine viel heiklere Situation. Was meinst du was passieren wird, wenn herauskommt, dass ich einer Haftstrafe durch Vetternwirtschaft entgangen bin? Der Hexenkessel wird explodieren!“

„Das ist mir egal.“, es war ihr bewusst wie bockig sie klang, doch ihre Angst um Hitoshi überwog und machte Hana blind für die drohenden Konsequenzen. Natürlich hatte ihr Verlobter Recht. Die Presse würde ihre Familie zerreißen, vor allem die Konkurrenz.

„Abgesehen vom wirtschaftlichen Aspekt, könnte ich mich nicht mehr im Spiegel betrachten, wenn ich mich so aus der Affäre ziehe.“, sprach Hitoshi ernst. „Soll ich alle meine moralischen Werte über Bord werfen? Wir wollen eine Familie gründen. Stell dir mal vor unsere Kinder sprechen mich auf diesen Vorfall an. Was soll ich ihnen sagen? Ich habe einen Menschen getötet und bin durch euren Opa mit einem blauen Auge davon gekommen? Ihr dürft euch alles im Leben erlauben so lange ihr Cash auf die Hand zahlen könnt? Was sagt das über ihren Vater aus?“

Er griff nach ihrer Hand und sah sie eindringlich an.

„Hana, ich will aufrecht durchs Leben gehen. Bitte nimm mir nicht die Möglichkeit mein letztes bisschen Ehre zu bewahren! Es würde auch mein Gewissen beruhigen, wenn ich auf normalem Wege freigesprochen werde, ohne dass ich mir einen ungerechten Vorteil verschaffe. Falls nicht, sollte es einfach nicht sein. Dann will ich die Strafe auch absitzen.“

Sie erkannte ihre Niederlage und schloss resignierend die Augenlider.

„Dann werden wir wohl nächstes Frühjahr nicht heiraten?“, fragte sie mit beklommener Stimme.

„Ich fürchte nicht, Kleines.“

„In Ordnung. Ich kann warten.“

„Das musst du nicht.“, der Gedanke schnürte ihm den Hals zu, doch er sprach ihn dennoch aus. „Ich werde wahrscheinlich einige Jahre weggesperrt bleiben. Meinen Posten müsst ihr im Sender dann neu besetzen. Wenn ich irgendwann herauskomme bin ich vorbestraft. Das wird es mir nicht leichter machen eine neue Anstellung zu finden.“

Zumal keinen Arbeitgeber sein Abschluss noch interessieren würde. Die Lücke im Lebenslauf mit Verweis auf seine Vorstrafe würde ihn brandmarken.

„Ich weiß, aber das schaffen wir.“

„Du könntest es besser treffen.“

„Halt einfach die Klappe! Ich werde die Verlobung nicht lösen, falls du darauf hinaus willst. Das ist meine Art mir meine Ehre zu erhalten.“

Er schaute sie lange an. Doch dann grinste er.

„Gut gekontert.“

„Wie gesagt, ich bin kein dummes Blondchen.“

„Würde ich nie behaupten.“, raunte er und fuhr Hana über die Wangen. Es war eine Schande dass sie dem prickelnden Gefühl zwischen sich lange Zeit nicht mehr Ausdruck verleihen könnten. Dann wurde Hitoshi jedoch wieder ernst. „Tust du mir aber einen anderen Gefallen?“

„Natürlich. Jeden.“, antwortete sie neugierig.

„Mein Bruder wird beschuldigt meinen Großvater angegriffen zu haben, obwohl er dazu niemals in der Lage wäre.“

„Das ist noch nicht erwiesen.“, antwortete sie vorsichtig.

„Für mich schon! Ich kenne Tyson.“, Hana wünschte sich inständig das auch von sich behaupten zu können. Nur leider hatte man ihr nie die Gelegenheit dazu gegeben. So blieb ihr nichts anderes als ihrem Verlobten zu glauben.

„Was soll ich tun?“

„Du bist ein kluges Köpfchen, dass brauche ich momentan.“

„Schmierst du mir Honig um den Mund?“, ihre Braue zuckte nach oben.

„Nein. Das ist mein voller Ernst. Ich will dass du herausfindest was bei Tyson momentan schief läuft. Etwas muss passiert sein weshalb er und seine Gruppe verschwunden sind.“

Ihr klappte die Kinnlade einen Moment herunter.

„H-Hiro…“, stotterte sie. „Ich fürchte du überschätzt mich! Wenn die Polizei sie nicht findet, wie soll ich das tun?“

„Das tue ich ganz und gar nicht. Du bist eine fabelhafte Journalistin.“

„Das war ich vielleicht vor drei Jahren, bevor ich zur Redaktion gewechselt bin. Ich denke ich bin ganz schön eingerostet.“

„Vertrau mir. Das ist wie Fahrradfahren, so etwas verlernt man nicht. Ich bin ein Menschenkenner.“, schloss er ab. „Jedenfalls ist Tyson unschuldig. Der beste Weg dies zu beweisen ist meinen Großvater zu finden.“

„Ich verstehe…“, Hana dachte nach wo sie anfangen sollte. Zuletzt war der alte Mann im Krankenhaus gesehen worden. Zur selben Zeit waren das Hiwatari Mädchen, als auch Tysons Freunde verschwunden. Es würde schwierig werden dort hinein zu kommen, wo doch erst kürzlich jemand vom Personal angegriffen wurde, aber sämtliche Mysterien nahmen dort ihren Anfang.

„Du sagtest, du wärst mit einem von Tysons Freunden unterwegs gewesen, bevor der Unfall passiert ist?“

„Ja, Kenny.“

„Meintest du nicht dass er den Abend davor bei der Gruppe verbracht hat?“

Hitoshi bejahte. Sie holte ihr Handy hervor und ließ sich von ihm Kennys Adresse geben. Es dürfte nicht Schaden ihn noch einmal auszuhorchen. Auch um den Tathergang bei Ming-Mings Tod von einem Zeugen zu hören. Hana würde Hitoshis Entscheidung respektieren, aber sich ein eigenes Bild zu machen war wohl noch erlaubt.

Der Polizeibeamte tippte neben ihr auf seine Armbanduhr.

„Sie müssen leider gehen.“

Hana nickte und griff ein letztes Mal durch die Gitterstäbe nach der Hand ihres Verlobten.

„Bitte denk daran dass ich dich unterstützen werde. Egal ob du deine Meinung änderst oder nicht. Ich liebe dich deshalb nicht weniger.“

„Danke. Das weiß ich.“

„Schlaf eine Nacht darüber.“

„Das werde ich.“, es war eine Lüge, so gut kannte sie ihn. Sobald Hitoshi einen Standpunkt vertrat, wich er nicht mehr davon ab.

„Bitte finde meinen Großvater.“

„Ich werde alles tun was im Bereich des möglichen ist.“

„Mrs. Amori, es ist Zeit. Sie müssen gehen.“
 


 

ENDE Kapitel 22
 

Ich hatte diese FF eigentlich abgeschrieben, weil mein Interesse für die Serie irgendwann bei Minus 5 angelangt war. Dann bin ich vor Kurzem umgezogen, hatte einen neuen Kabelanbieter mit Maxdome und habe mir in einem Anflug kindlicher Erinnerungen die zweite Staffel noch einmal angesehen und siehe da - die kreativen Säfte fließen seit dem wie verrückt. Dafür sind nun so viele Monate vergangen, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass noch jemand diese FF verfolgt. Außerdem gibt es eine neue Staffel mit neuen Charas - Ich werde alt. O_o
 

Nichtsdestotrotz... The show must go on.

Das hier wird noch fertig geschrieben!

Es ist spät und meine Augen fallen mir bald zu, daher bitte ich Rechtschreibfehler zu entschuldigen. Irgendwann filze ich nochmal die ganze FF durch.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Nasuarda
2015-10-10T12:25:03+00:00 10.10.2015 14:25
Ich bin heil froh, das du weiter geschrieben hast.
Die gute Geschichte wie diese sollte ein Ende finden
und wenn ich Jahre dafür warten muss.
Frei mich schon aufs nächste.

LG Nasuarda
Von:  Akikou_Tsukishima
2015-10-06T11:00:18+00:00 06.10.2015 13:00
Ich muss wissen was da von Ray heimlich Besitz ergriffen hat
Und ob sie alle es doch noch schaffen und Tysons Unschuld bewiesen werden kann.

Und natürlich will ich wissen wer mit wem zusammen kommt
Von:  Glennstar
2015-09-24T17:40:11+00:00 24.09.2015 19:40
So jetzt hat es doch einen Tag länger gedauert, aber ich habe den Rest der ff auch nochmal gelesen ;)
Einfach um wieder reinzukommen. Ich liebe die Idee und wie du sie umgesetzt hast und freue mich, dass es jetzt weitergeht.

Auch wenn es in ihrer Situation vielleicht nicht unbedingt das angebrachteste ist, finde ich es schön wie Kai und Tyson rumalbern. Zunächst fiel es Kai ja sichtlich schwer sich darauf einzulassen, aber irgendwo ist es für ihn ja doch schön auch einfach mal Kind zu sein.
Allegro ist ein Schatz. Wirklich. Ich mag den Kleine nsehr und er sieht halt das, was Max und Ray nie für möglich gehalten hat. Die Idee, dass er das riechen kann, finde ich sehr interessant. Den Menschen bleibt eben viel verborgen und dass Allegro, das riechen kann, gefällt mir. So konnte er auch nochmal sein Wissen demonstrieren :D
Schön finde ich auch, dass Ray und Max das nicht einfach so hinnehmen, sondern wirklich noch darüber nachdenken, als sie dann zu zweit sind. Sie hätten ja auch einfach sagen können, dass das Quatsch ist und sie das besser wissen müssten, weil sie Kai und Tyson schon länger kennen.
Die Welt die du dir ausgedacht hast, lässt einen wirklich viel Träumen. Wenn es schon verschiedenste Früchte an einem Baum gibt, was kommt dann noch alles?
Bestimmt noch einiges, wenn man da an den Wunsch denkt, den Ray da für kurze Zeit hatte. Da kommen jetzt wohl die dunkelsten Gefühle wieder hoch und werden verstärkt.

Kazuya tut mir richtig leid.
Da war er wohl zu neugierig und ist dafür bestraft worden. Ich hab mich schon gefragt, was du mit ihm vorhast und als dann das Ei kam und es golden leuchtete, war mir klar, dass das nichts Gutes sein konnte. Dass der arme Junge jetzt aber im Schnee liegt und niemand ihm helfen kann...

Ich bin auhc mal sehr gespannt, ob Hana etwas mehr herausfinden kann. Es hat mir richtig gut gefallen, dass du erst noch ihre Sicht des Tages geschildert hast und sie nicht direkt die Nachrichten hast sehen lassen. Sowieso bringst du die verschiedenen Perspektiven der Charaktere gut ein. Ich habe nie das Gefühl, dass es zerstückelt wirkt, sondern es fügt sich alles zusammen. Hiro scheint aufgegeben zu haben, hoffentlich kann sie ihm noch irgendwie wieder aufhelfen. Ist aber auch echt eine miese Situation für alle.

Ich freue mich schon auf ein neues Kapitel <3 (egal wann es kommen wird!)
Liebe Grüße
Reika
Von:  Zion108
2015-09-23T14:16:12+00:00 23.09.2015 16:16
OMG thank youu <3<3<3<3
Ich hatte wirklich damit gerechnet das sie so bleibt ohne ende... und jetzt schreibst du weiter.
Ich bin happy richtig happy
Ich freue mich auf weitere chappis

lg Zion
Von:  bloodydream
2015-09-23T11:47:03+00:00 23.09.2015 13:47
Da hast du dich wohl getäuscht^^
Ich habe sehnsüchtig auf weitere Kapitel gewartet und bin nun froh das du die Story zu Ende bringen willst!
Es wäre sehr schade darum gewesen, denn deine Ideen in dieser Geschichte und wie du sie umgesetzt hast, sind einfach klasse.
Sie sind mal etwas anderes^^

Also, man liest sich XD
lg bloody
Von:  Minerva_Noctua
2015-09-23T11:41:53+00:00 23.09.2015 13:41
Hallo Eris!

Erst vor ein paar Wochen habe ich wieder an diese Geschichte gedacht und bedauert, dass sie womöglich unbeendet bleibt.
Umso erfreuter bin ich, dass du wieder entschlossen bist diese vielfältige, spannende Geschichte doch noch zu beenden!
Ich finde es wirklich fantastisch, dass du dich wieder dazu motivieren konntest!
Ich kämpfe selber gegen diese Beyblade-Kreativlosigkeit und vielleicht sollte ich auch wieder ein paar Folgen schauen, um in Schwung zu kommen:D

Das Kapitel hat mir sehr gefallen.
Dein Stil könnte sich etwas verändert haben, aber um sicher zu sein müsste ich nochmal die letzten Kapitel lesen.
Mit Rei ist ja irgendwas bei 'nem Baum passiert. Sein Bit-Beast hat ihn wohl infiltriert. Oder so xD
Allegro wittert echt viel, aber gut. Warum nicht. Es hat zumindest etwas zur Charakterentwicklung (im weitesten Sinne) beigetragen.
Der Abschnitt mit dem Ei war sehr traurig geschrieben. Wirklich sehr gut gemacht!
War in dem Ei Dranzer? Bin ja gespannt, was mit Kai noch geschieht und wann er wieder er selbst wird.
Tyson geht wie immer sehr putzig mit ihm um.
Ich bin gespannt auf Hanas Erkenntnisse.
Ich weiß nicht mehr, was Galux vorhatte, aber das lese ich bei Gelegenheit nach.
Die grauen Tage kommen bald und da kann man sich ja mal mit Decke und iPad in die Ecke kuscheln und lesen:D

Die Dialoge der Jungs waren realistisch und haben mir sehr gut gefallen.
Generell sind alle Beschreibungen lebendig und wunderbar nachvollziehbar.
Du schreibst wirklich sehr sehr schön. Es macht richtig Freude deine Texte zu lesen!

Ich freue mich auf das nächste Kapitel und bin gespannt wie ein Bogen!

Liebe Grüße,

Minerva



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