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Und er lächelte

von

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Höhle des Löwen

Anders spielte mit. Vorerst.

Als Cullen ihn aus seiner kleinen Zelle geholt hatte, hatte er brav und stumm darauf gewartet, dass jener voranging. Den blonden Kopf hatte der Magier gesenkt gehalten, doch die kalten Hände zu Fäusten geballt. Es war wahrscheinlich ein innerer Krieg, der nun in dem Heiler tobte, als er hinter dem Knight-Captain die Stufen, die aus dem Keller heraus führten, nach oben schritt. Auf wackeligen Beinen tat Anders dies; bestimmt war er geschwächt und hungrig. Sicherlich hatte man ihm nichts zu essen gegeben sondern ihn nach seinem Erwachen sogleich hier runter gezerrt. Die Frage war bloß: Warum hatte man das so überstürzt getan? Hatte der Blondschopf bereits etwas ausgefressen?

Die Wachen hatten den beiden Männern forschend hinterher gesehen, als sie gegangen waren. An Cullen's Worten hatten sie nicht gezweifelt: Er müsse 'den Neuen' zum Verhör holen, dringend mit ihm reden und käme schon gut allein mit dem 'harmlosen Abtrünnigen' zurecht. Cullen sei ja auch schließlich die rechte Hand Merediths und das verdienter Weise. Niemand hatte seine Taten und Aussagen zu hinterfragen und er könne mit 'seinem Zeugen' ohnehin verfahren wie er wollte.

Wie ein Objekt hatte er Anders in diesem kurzen Gespräch mit den beiden neugierigen Wachmännern dargestellt. Wie ein kleines Kind oder ein dämliches Haustier, das man herum bugsieren konnte wie man wollte. Und natürlich hatte dies dem stolzen Magier nicht gefallen. Er hatte zwar nichts gesagt, doch Cullen hatte gesehen, wie dessen Kiefer gemahlt hatten. Wie er die braunen, glasigen Augen zu Schlitzen verengt und dann rasch fort gesehen hatte.

Vor den zwei Ordensbrüdern hatte der Knight-Captain Anders dann nicht einmal einen beschwichtigenden Blick zuwerfen können; kein stummes 'Tut mir leid.'. Das holte er aber in dem Moment nach, als er mit dem anderen ins Freie trat: Tief atmete er die kühle Nachtluft ein. Hier, im weiten Vorhof zu den Verwaltungszimmern, standen zwar hier und da Wachposten herum, doch befanden sie sich nicht in direkter Hörweite. Zudem schienen sie ihrem Vorgesetzten gerade nicht sehr viel Beachtung zu schenken. Vielleicht waren sie müde. Es war spät – oder konnte man bereits sagen: früh? - und die Männer und Frauen warteten auf die Wachablösen. Man sah nicht wenige von ihnen von einem tauben Bein auf das andere treten, sich gähnend strecken oder sich die Schultern lockern.

Ein leises Seufzen verließ die trockene Kehle Cullens und er berührte Anders kurz am Oberarm, um dessen Aufmerksamkeit zu erlangen. Der Magier hielt sofort inne, beinahe schon alarmbereit. Er schien aufs äußerste angespannt und nervös zu sein. Das war schlecht. Cullen winkte ab, um das Gemüt des anderen einzubremsen.

„Tut mir leid, das hier muss sein. Vertrau mir einfach, in Ordnung?“ brachte der Knight-Captain gedämpft heraus, als seine Augen kurz den argwöhnischen Blick des Heilers suchten „Nicht jeder hier ist dein Feind.“. Und mit diesen Worten, die hoffentlich Wirkung zeigen würden, schob der Templer den aufgewühlten Abtrünnigen nun vor sich her. Zuerst passierte dies nur holprig, denn Anders sträubte sich etwas; doch dann ging er unter Führung einsichtig voran; dem großen Verwaltungsgebäude und somit Cullen's Schreibstube entgegen. Der Knight-Captain schickte dabei innerlich Stoßgebete, in denen er darum bat, dass doch alles gut gehen sollte, gen Himmel.
 

Dass Cullen's stille Bitten an den Erbauer nicht erhört worden waren, stellte er leider viel zu früh schon fest: Sobald er die Türe zu seinem Arbeitszimmer hinter sich geschlossen hatte, machte sein 'Gefangener' Ärger: Der Templer hatte gerade noch den Schlüssel im Türschloss umdrehen können, da spürte er schon, wie ihn der aufbrausende Blonde barsch am breiten Kragen packte und mit einem Ruck gegen die Pforte presste. Mit dem Gesicht voran gegen das massive Holz hätte sich Cullen nun beinahe erschrocken; aber eben nur beinahe. Denn natürlich hatte er damit gerechnet, dass Anders ihn angreifen würde, sobald sie alleine waren.

Tja, was hatte er denn schon erwartet? In Ruhe mit diesem... Dummkopf sprechen zu können? Hier? Er wäre ein Narr gewesen hätte er dies geglaubt.

Ohne sich in irgendeiner Weise zu wehren blieb Cullen nun stehen und ließ zu, dass Anders ihm in Windeseile einen Arm auf den Rücken drehte. Es wunderte ihn derweil nicht, dass der andere Mann dies dermaßen schnell fertig brachte und so gut beherrschte, dass der nachfolgende Schmerz den Templer für wenige Sekunden lange lähmen wollte. Cullen hielt den Atem mit schmerzverzerrt zusammengekniffenem Auge an.

Anders war sein Leben lang ein abtrünniger Rebell gewesen, ganz klar hatte er in dieser Zeit nicht immer nur mithilfe der Magie gekämpft. Er hatte sich bestimmt auch hin und wieder körperlich erwehren müssen, nicht wahr? Doch glaubte er gegen einen gestandenen Templerhauptmann ankommen zu können? Irgendwo zwischen knirschenden Zähnen schlich ein schwaches, bemitleidendes Schmunzeln über das Gesicht des Älteren.

„Du hast mich verraten, du Arschloch!“ knurrte der empörte Anders irgendwo hinter ihm; Cullen konnte dessen warmen, aufgeregten Atem im Nacken spüren. Oh, bei Andraste! Würde der Geistheiler gleich noch torhafter vorgehen und magische Fähigkeiten einsetzen, um damit gegen Cullen vorzugehen? Hier, in der Höhle des Löwen?

„Wieso??“ spie der Blonde weiter und sein Griff an Cullen's Unterarm verstärkte sich merkbar „Warum hast du das getan, Cullen??“

„Lass mich los und ich erklärs dir.“ am liebsten hätte der bedrängte Cullen den anderen nun von sich gestoßen. Ihn fort gerempelt und ihm, hätte er dann nicht wieder gekuscht, eine ordentliche Rechte verpasst. Er hätte dem Blonden am liebsten gezeigt wer hier, in der Galgenburg, die Hosen an hatte. Einen aufgebrachten Magier in seine Schranken zu weisen gehörte erstens zu der Berufung des Knight-Captains und zweitens musste man nicht sonderlich schlau sein, um zu ahnen, dass es nicht gesund war als 'Insasse' eines Zirkels auszurasten. Ein Funken Mana würde ausreichen und dieser kleine Raum hier würde in den nächsten Sekunden vor Templern überquellen. Eine ungute Vorstellung, wenn man daran dachte wer und was Anders war: Ein gesuchter Verbrecher, Abtrünniger und eine vermeintliche Abscheulichkeit.

Aber Cullen behielt die Ruhe. Noch. Denn so gut die Idee, einen rebellierenden Magier zu belehren und zurechtzuweisen, auch war... der Templer hatte es hier schlussendlich mit Anders zu tun. Dieser Kerl reagierte auf dominantes Verhalten durch ein Kirchenmitglied mindestens mit genau so viel aufbrausendem Getue und Sturheit. Umso lauter Cullen nun mit ihm geschrien hätte, desto verheerender hätte der nachsichtige Magiebegabte gegen ihn geschlagen. Man bekämpfte Hochmut und naiven Stolz nicht mit Gebrüll oder ausufernder Gewalt, so viel hatte der Knight-Captain in seiner langen Laufbahn als Ordensbruder gelernt.
 

„Dich loslassen? Sicherlich nicht!“ blaffte der blonde Heiler und beharrte darauf den hochrangigen Templer lieber gegen dessen eigene Türe zu drängen als vernünftig zu sein. Es war schon irgendwie abwegig zu hoffen, dass Anders einfach so und ohne Diskussion loslassen würde, und dies ärgerte Cullen. Tief atmete er aus. Wie würde der fereldener Magier weiter verfahren wollen? Wollte er den geduldigen Krieger ewig festhalten? Ihn zu Tode schimpfen?

„Wir können gerne die ganze Nacht so stehen bleiben.“ entgegnete der Kurzhaarige und versuchte dabei gelassen zu klingen. Doch gelassen, das war er keineswegs. War er seit Stunden nicht. Seine Templersinne und seine ungeteilte Aufmerksamkeit waren auf den dummen Magier hinter sich gerichtet. Cullen's Körper befand sich in gefährlicher Alarmbereitschaft, denn mittlerweile wusste er ungefähr, mit wem – oder eher: womit – er es hier zu tun hatte. Im Ernstfall wäre es für den physisch Stärkeren nicht sonderlich schwer gewesen den geschwächten Geistheiler von sich zu schubsen und ihn so unschädlich als möglich zu machen. Darum machte sich der Krieger auch keine wirklichen Sorgen um sich selbst. Sorgen, die machte er sich wegen dem restlichen Orden; wegen dem Dutzend Wachen vorn im Hof und den vielen Besänftigten, die ihre Ohren immer überall hatten.

„Anders, komm runter und lass mich los.“ bat Cullen noch einmal in übertrieben sachlichem Ton und tatsächlich spürte er kaum einen Moment später, wie der wankelmütige Magiebegabte ein wenig lockerer ließ.

„Und? Was dann?“ fragte der Dunkelstädter dabei aufgewühlt und mit nach wie vor viel zu lauter Stimme „Wer sagt mir, dass du nicht-“

„Hätte ich dich sonst aus dem Kerker geholt?“

Anders verstummte. Er sah wohl langsam ein, dass sein Verfolgungswahn einmal mehr vollends übertriebene Ausmaße annahm. Natürlich war es ihm nicht zu verdenken, dass er sich hier, in einem großen Magierzirkel, eingekesselt fühlte. Doch es wäre klug gewesen zu überlegen, ob man nicht auch in solch einer bedrohlichen Umgebung 'Freunde' oder Verbündete hatte. Etwas, das Cullen sogleich ansprach. Und als er in diesem Zug das Wort 'Freunde' von sich gab, ließ der Abtrünnige in seinem Rücken schließlich los. Endlich.
 

Nur zögerlich wendete sich Cullen zu Anders um, denn man konnte nie wissen, wie ein ängstlicher Abtrünniger auf zu schnelle Bewegungen reagierte. Es war mit solchen Leuten wie mit wilden Tieren, sie waren unberechenbar. Unberechenbar und gefährlich. So viel der unvorsichtige Templer seinem Gegenüber in den vergangenen Wochen vertraut hatte, so sehr misstraute er diesem nun auch. Denn er wusste nicht genau, womit er hier rechnen musste. Mit einem Dämon? Einem Geist? Mit etwas völlig anderem? Er hoffte auf Antworten.

Mit der Tür im Rücken blieb Cullen jetzt stehen und sah einem völlig grantigen Magier entgegen, der sich rücklings ein, zwei Schritte von ihm entfernt hatte. Seine Haltung war offensiv, man merkte, dass er im Notfall sofort angreifen würde. Oh, wie ihn seine Angst gerade verblendete...

„Jetzt mal ganz langsam...“ fing der Knight-Captain abwehrend an und hoffte inständig darauf, dass sich Anders beruhigen würde „Mach keine Dummheiten. Ich will mit dir reden können wie mit einem normalen Menschen.“.

„Reden?“ lachte der eingeengte Magier verächtlich und dachte nicht daran seine, zum Kampf erhobenen Hände, sinken lassen. Noch knisterten keine kampfmagischen Funken zwischen den zitternden Fingern, doch das könnte sich ja schlagartig ändern „Und dazu hast du mich verschleppen müssen??“.

„Es ist nicht so wie du denkst.“ meinte Cullen daraufhin und verblieb damit in seiner Defensivhaltung. Obgleich in ihm ein wenig Ärger aufkam, versuchte er erwachsen zu handeln. Wenigstens einer der Beteiligten sollte das nämlich tun...

„Ach, und wie ist es dann?“ hakte der misstrauische Blonde vor ihm nach. Ein klein wenig skeptische Neugierde hatte sich in dessen Unterton eingeschlichen. Gut. Hoffentlich glaubte er dem Templer nun bald.

„Ich habe dich schwer verletzt in der Dunkelstadt aufgelesen und wollte helfen.“ dass Cullen den anderen Mann selbst verwundet hatte überging er in diesem prekären Augenblick geflissentlich. Das war ein Thema... das er eigentlich nie mehr ansprechen wollte.

„Aha.“

Anders. Wirklich.“ wie lange würde sich Cullen denn noch verteidigen müssen, obwohl er eigentlich nur unterstützen wollte? Er sah sich hier nicht als Buhmann. Jedenfalls nicht vollkommen. Daher regte ihn das unkooperative Verhalten Anders' auch irgendwo auf. Er versuchte seine verzweifelte Wut hinunterzuschlucken „Wenn du nicht vorhast mir glauben zu wollen, können wir das hier auch gleich beenden.“.

„Und dann was?“ schnitt die Stimme der Jüngeren scharf durch den Raum und der anwesende Templer seufzte einmal wieder tief. Cullen rieb sich die Schläfe und bemühte sich darum nicht mit den Augen zu rollen. Er bekam noch Kopfschmerzen.

„Dann bringe ich dich hier raus.“

Der, noch nicht so ganz überzeugte, Heiler runzelte die Stirn und wirkte schließlich doch um einen Deut... verwundert. Überrascht darüber, dass der Knight-Captain für ihn seine Brüder und Schwestern hintergehen und belügen wollte. Ein wenig ließ er nun auch seine erhobenen Hände sinken. Cullen hielt sich davon ab sichtlich erleichtert aufzuatmen.

„Ich weiß noch nicht genau wie, aber du hast mein Wort.“ Ob Anders wusste, dass das Wort dieses Templers viel bedeutete? Er war ein ehrenwerter Mann. Auch im Umgang mit Magiebegabten „Ich bringe dich wieder raus. Versprochen. Aber zuerst will ich ganz ruhig mit dir sprechen und alles klären.“.

Nun senkten sich die Arme des alarmierten Abtrünnigen wieder ganz. Er antwortete nicht, doch sein Leib, der sich wieder etwas entspannte, sagte genug. Es dauerte dann kaum drei Wimpernschläge, da stand Anders einigermaßen legere und mit verschränkten Armen da. Er wartete ungeduldig ab, wollte wissen, was Cullen denn so wichtiges zu besprechen hatte. Noch verstand der Magier nichts von der angespannten Allgemeinsituation und wie er überhaupt in diese hatte hineinrutschen können. Das sollte sich aber sehr bald ändern.
 

„Ich habe dich tatsächlich aus der Dunkelstadt hierher gebracht. Weil ich keine andere Wahl hatte. Ich wollte helfen, verstehst du?“ fing Cullen also seine erklärende Ansprache an. Er hatte sich zuvor, also nachdem er den versehrten Anders den Zirkelheilern übergeben hatte, eigentlich überlegt was er nun sagen wollte. Er hatte sich mühsam eine Rechtfertigung für seine halsbrecherische Aktion zurecht gelegt. Doch keines seiner geplanten Worte fiel ihm nun, da er sie gut gebrauchen hätte können, ein.

Ob man ihm anmerkte, dass er nervös war? Dass er trotz allem, und obwohl er seinen Freund gerettet hatte, ein schlechtes Gewissen besaß und sich gerade vorkam wie der letzte Idiot?

„Du wärst vielleicht verblutet, hätte sich niemand um dich gekümmert. Du warst während des Aufstands der Qunari allein und diese Monster haben dein Zuhause in alle Einzelteile zerlegt.“

Der Templer suchte in der Miene des anderen nach irgendeiner Regung, die ihm verriet, wie dieser sich nun fühlte. Ob er Cullen Glauben schenkte oder nicht. Und in der Tat fand der Templer zuerst ein leichtes Zucken eines Mundwinkels. Dann sah er, wie der zur Rede gestellte Magier die Augenbrauen zusammenzog und flach einatmete bevor er die Lippen zu einer schmalen Kontur zusammenpresste.

„Erinnerst du dich daran, Anders..?“

Anders' Augen hatten den Krieger bis zu diesem Punkt taxiert; angestarrt hatten sie ihn förmlich. Nun aber fingen sie an zu wandern und gar von dem Templerhauptmann fort zu gleiten. Irgendwo an der Wand hinter diesem schienen sie ziellos nach etwas zu suchen. Nach etwas, das sie nicht finden würden: Nach einem Ausweg aus dieser beklemmenden Situation.

„Also nicht.“ schloss der Ordensbruder direkt für seinen stummen Gesprächspartner. Langsam aber sicher schien letzterem aber zu schwanen, was vorgefallen sein musste. Cullen würde ihm nicht erläutern müssen, dass er das Ding, das in dem Dunkelstädter hauste, gesehen hatte.

„Seit wann bist du... so?“

Was?“ entkam es dem ertappten Geistheiler auf diese Frage hin vorschnell und beinah tonlos. Der Kerl blinzelte überfordert ehe er wieder vorsichtigen Blickkontakt suchte. War er zuvor noch so aggressiv und wütend gewesen, so mutete er gerade nahezu ratlos und ängstlich an. Cullen runzelte die Stirn und fuhr sich durch den kurzen Kinnbart.

„Was ist dieses... Ding in dir?“

Stille.

Unruhig hatte der Heiler damit angefangen am breiten Saum seines Baumwollhemdes herum zu friemeln. Konnte es sein, dass er absolut nichts von allem wusste? Oder wusste er zu viel, um es einem pflichtbewussten Templer zu beichten? Prüfend verengte der abwartende Hauptmann die Augen mit den dunklen Ringen darunter. Er war zwar todmüde, doch Anders würde ihm heute nicht mehr auskommen; da konnte der ratlose Rebell vor sich hin schweigen wie und so lange er wollte „Ich weiß es, Anders. Und hätte ich dich deswegen töten wollen, hätte ich bis dato einige Gelegenheiten dazu gehabt...“.
 

„Also gut.“ brummte der Geistheiler schlussendlich und nach einer längeren Pause. Offenbar hatte Cullen es tatsächlich geschafft diesen Mann verbal so weit weichzuklopfen, dass dieser nun wenigstens dazu bereit war vor sich hinzumurmeln. Und das erleichterte den Krieger ungemein; es fühlte sich an wie ein kleiner Sieg. Als hätte er eine hohe Mauer erklommen, hinter der sich Anders die ganze Zeit über versteckt hatte. Verstecken, das konnte er sich sonst sehr gut und darum musste der Templer gerade auch fast lächeln.

Cullen nickte mit einem kurzen, einladenden Wink in die Richtung seines massiven Holztisches, auf dem viele Papiere, Bücher, Feder und Tinte lagen. Davor stand, wie dahinter auch, ein Stuhl; vielleicht wollte sich Anders, nachdem er im verdreckten Kerker hatte stehen müssen, ja setzen. Unschlüssig folgte der besagte dem Wink seines Gegenübers und reckte das Kinn dabei etwas. Daraufhin ging er auf die stumme Einladung ein und ließ sich schwerfällig nieder. Musste gut tun.

„Er ist ein Geist.“ gab der dünne Magier zu sobald er saß.

'Geist'? Der Knight-Captain wusste nicht so recht warum, doch diese klare Antwort machte sein armes Herz vorerst um einiges leichter. Denn besser, man hatte es mit irgendwelchen Geistwesen zu tun als mit rachsüchtigen Dämonen. Er hatte sogar schon von Magiern gehört, die gutmütige Geister in sich trugen und aus ihnen ihre magischen Kräfte zehrten. Wenige wurden von diesen Entitäten gar am Leben gehalten. War dies bei Anders auch so?

„Warum hast du ihn in dir?“ Nun war es der große Templer, der die Arme vor seiner Brust verschränkte und sich neben dem deprimierten Abtrünnigen an den Schreibtisch lehnte. Die Augen auf den blonden Mann mit dem Dreitagebart gerichtet fragte er hartnäckig weiter „Und wie lange?“.

Anders wirkte gerade wie ein Häufchen Elend. Er hielt seinen sonst so sturen Kopf ein wenig gesenkt und wich jeglichen Blicken aus. Nervös kaute er auf seiner Unterlippe herum; ganz augenscheinlich fühlte er sich unbehaglich. Verständlich. Einige helle Haarsträhnen hatten sich in sein, von Sorge gezeichnetes, Gesicht verirrt.

„Fünf, sechs Jahre vielleicht?“ meinte er nur knapp „Gerechtigkeit wollte mir helfen.“.

„Wobei? Und warum sollte ein Geist das tun?“

„Er brauchte einen Körper. Und im Austausch für seine Hilfe hab ich mich angeboten. Wir-“

„Er brauchte einen Körper?“ warf der vor den Kopf gestoßene Krieger sofort verdutzt ein. War diese Aussage gerade etwas gewesen, das Cullen beunruhigen sollte? „Anders, du weißt, dass Geister nichts 'brauchen', oder?“.

„Was?“

„Sobald Geister etwas begehren und damit anfangen gewisse... Emotionen und Gelüste zu entwickeln sind sie keine Geister mehr.“ reine, trockene Theorie, die man bereits im Alter eines jungen Templerrekruten beigebracht bekam. Es wunderte Cullen, dass er den anwesenden Magier an diese heikle Tatsache erinnern musste. Hatte dieser Dummkopf das nie gewusst? Hatte er als Novize oder auf seinen 'Reisen' denn nichts gelernt? Beim Erbauer!

„Mhm.“

„'Mhm'?? Anders.“ drängte der Kurzhaarige nun; seine Nervosität ereilte ihn wieder.

„Er hat sich verändert. Das stimmt schon.“ der betroffene Abtrünnige holte noch einmal Luft, um weiter zu sprechen, hielt dann aber inne und fuhr sich bloß mit der Hand durch den Nacken. Er wirkte verloren. So verloren, dass Cullen anfing wirkliches Mitleid mit ihm zu empfinden. Er biss die Kiefer schmerzlich aufeinander und am liebsten hätte er die düsteren Gedanken rund um Anders' 'Gerechtigkeit' nicht weiter gesponnen. Doch er kam nicht drumherum; es war zu spät sich selbst und sein krankes Gegenüber zu belügen. Die Brust des Templers fühlte sich plötzlich so eng an. Viel zu eng für sein Herz und seine Lungen. Er schluckte trocken und die folgende Frage schmeckte bitter auf seiner Zunge:

„Kann es sein, dass er zu einem Dämon geworden ist, Anders?“

„Ich weiß nicht.“ es war für den hadernden Magier ein unsicheres 'Ich weiß nicht.' gewesen. Er wusste es nicht, weil seine Sicht auf diese schwere Angelegenheit schon längst verschwommen war. 'Fünf, sechs Jahre' waren eine lange Zeit. Für Cullen war die Sache aber klar. Leider. Er hatte dieses furchtbare Ding in der Dunkelstadt gesehen, er hatte dessen Zorn erlebt. Kein reiner Geist handelte so. Geister unterstanden gewissen Tugenden und Wut oder Hass waren keine davon. Das, was da im Kopf des Abtrünnigen herumspukte, war ein aggressiver Dämon und Anders damit eine... eine Abscheulichkeit. Die Befürchtung bezüglich dessen hatte sich also wirklich bestätigt. Oh, Cullen wurde es gerade richtig, richtig übel, doch er riss sich am Riemen, weil er bemerkte, dass sein Gesprächspartner dies nicht mehr länger schaffte.

„Kannst du dieses... Wesen loswerden?“

„Ich glaube nicht.“

„Hast du es schon einmal versucht? Oder daran gedacht es zu versuchen? Ich meine-“

„Cullen. Gib's auf, ja? Ich hab mir den Kopf schon sehr lange darüber zerbrochen und viel mitgemacht. Du musst jetzt nicht einen auf Gutmensch machen und versuchen mir Ratschläge zu geben.“ schnaubte Anders. Sein verzweifelter Trotz verriet, dass er sich angegriffen fühlte.

„Ich bin kein Gutmensch. Und trotzdem möchte ich helfen.“

„Und wieso? Warum sperrst du mich nicht einfach wieder ein?“ schnarrte der Magier. War das eine Träne in seinem Augenwinkel, die er versuchte fort zu blinzeln? „Wieso tötest du mich nicht einfach? Ihr Templer solltet das doch tun oder nicht? Der Zirkel hat mich endlich erwischt und du solltest die Lorbeeren dafür ernten.“

„Ich bin nicht irgendein Templer. Und ehrlich gesagt finde ich es unglaublich, dass du nach allem so denkst.“ schnappte der Stehende, doch sein emotionales Gegenüber überging dies einfach:

„Für deinen Drecksverein wärst du ein Held, nicht wahr?“ 'Drecksverein'? Das war Blasphemie!

Mach dich nicht lustig, Anders, und denke bitte einmal gut nach. Ich habe dich gerettet und stehe nun hier vor dir, um zu helfen...“ Cullen gab einen absolut fassungslosen Laut von sich, schüttelte das brummende Haupt und breitete die Arme schulterzuckend aus. Gram lag in seiner Miene und in seiner rauen Stimme „Und du hast nichts besseres zu tun als in verdammtem Selbstmitleid zu versinken, über den Orden zu schimpfen und mich darum zu bitten dich umzubringen? Hallo?? Bist du zu hart auf den Kopf gefallen?“

„Nein. Ich frage mich nur, warum du das hier machst.“

„Warum sollte ich es nicht tun?“

„Weil du der Knight-Captain Kirkwalls bist. Ich glaube, du bist auf den Kopf gefallen.“

„Und sonst bin ich nichts für dich?“ oh, hätte Cullen nur sich selbst gehört. Dann hätte er verstanden, warum der sitzende Geistheiler seinen perplexen Blick nun anhob und ihm einige schnelle Herzschläge lange vollkommen irritiert entgegen sah. Anders setzte dazu an den unfrisierten Kopf ebenfalls abschätzig schütteln zu wollen, dann schmuggelte sich aber ein verbittertes Schmunzeln auf sein blasses Gesicht. Er sah so aus, als käme ihm gerade irgendeine düstere Erkenntnis.

„Ach, so ist das.“

„Was meinst du?“

„Du willst deine dreckigen Abenteuerchen mit einem gesuchten Abtrünnigen aus der Dunkelstadt nicht missen, ha?“

„Anders, ich bitte dich!“

„Brauchst du das als Ausgleich zu-“ der unbeholfen nach Worten suchende Magier sah fort, um sich kurz im spartanischen Raum umzusehen. Ein dunkler Schatten huschte über sein Gesicht bevor er seinen blonden Kopf wieder gen Templer hob. Er sah den verwirrten Cullen abwertend an, als er seine Tirade fortsetzte; fast schon verächtlich zischte er ein „Als Ausgleich zu dem hier??“.

Was??

Oh, der Knight-Captain glaubte es nicht! Seine Mimik entglitt ihm für eine Sekunde lange und er ballte seine Rechte zur Faust. Doch bevor er zuschlagen konnte, ereilte ihn die Vernunft wieder und er trat einen Schritt vor Anders zurück. Der angestachelte Cullen entspannte seine Finger und erinnerte sich selbst daran zu atmen. Das hatte er ob der vorwerfenden Worte des anderen nämlich vergessen.
 

Eine ganze Weile lang starrten die beiden Männer einander nur an und ihre Ausdrücke hätten verschiedener nicht sein können. Doch was sie beide miteinander teilten war eine wütende Enttäuschung; und totale Sprachlosigkeit.



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