Zum Inhalt der Seite

Und er lächelte

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kerker

Erst neun lange Tage nach der Aussprache mit Vern kam Cullen dazu mit Anders zu sprechen. Er hatte einen anderen Gefangenen in den Zellentrakt gebracht; einen durchtriebenen, wirklich gefährlichen Mann aus dem finsteren Tevinter, der viel wusste, doch noch nicht dazu bereit war zu reden. Meredith wollte diesen Mann in Einzelhaft schmoren lassen, bis seine Lippen nicht mehr versiegelt blieben.

Der dunkelhaarige Abtrünnige, den man mit einem temporären Magiebann belegt hatte, warf Cullen noch einen stechend bösen Blick zu, bevor der Knight-Captain die Zellentür hinter ihm schloss. Der Templer verkniff es sich währenddessen den aufgebrachten Tevinteraner mitleidig anzusehen. Dieser war zwar ein, wohl Blutmagie wirkender Magier aus dem Imperium und eine Gefahr für den Zirkel Kirkwalls; dennoch war er ein Mensch mit Würde. Die aggressiven Magierjäger, die ihn in der Oberstadt festgenommen hatten, hatten ihn als Abschaum beschimpft und vor ihm ausgespuckt... Etwas, das Cullen selbst nie tun würde. Seit Kinloch Hold stand er Magiebegabten zwar sehr, sehr skeptisch gegenüber, doch mittlerweile wusste er, dass man sie nicht hassen musste. Nicht alle.

Der Blick des Kriegers wanderte aus den Augenwinkeln zur Seite, den düsteren Gang entlang. Anders' Zelle befand sich von hier aus ein paar feuchte Nischen weiter. Das hier war also seine Chance mit dem ander Magier Kontakt aufzunehmen.

Die schwer bewaffnete Kerkerwache, die in Sichtweite stand, linste noch immer neugierig her, doch dies nur des exotischen Tevinteraners wegen. Der bedächtige Knight-Captain selbst war kein direkter Magnet für argwöhnische Aufmerksamkeit. Cullen sah dem starrenden Soldaten entgegen und winkte ab; es war ein Zeichen dafür, dass alles in Ordnung sei. Und daher entfernte sich der Wachmann auch wieder ein paar Fuß weit, um seiner Pflicht nachzugehen. Oder eher: Dem Würfelspiel mit seinem Ordensbruder, der vorhin am Eingang zum Kerker gestanden hatte.
 

In Ordnung, das war in Cullen's aufgerüttelter Welt jedoch nichts. Und diese ungute Annahme verstärkte sich, sobald er vor die Zelle Anders' trat.

Mit dem Rücken zur massiven Gittertür saß der Blondschopf im Moder. Vermutlich hatte ihn die Kraft in den zittrigen Beinen verlassen. Der sonst so penible Heiler war verdreckt und sein schulterlanges Haar hing ihm lose und unfrisiert vom Haupt. Cullen ballte die Fäuste in einem Anflug von tiefem Entsetzen und sein Ausdruck sprach Bände.

„Anders“, wisperte er. Und im Gegenzug zu seinem ersten Besuch hier unten wendete sich der verwahrloste Magier auch sofort zu ihm um. Doch er sagte nichts; aus tiefbraunen Augen sah er zu dem Templer auf und wirkte wie ein gebrochener Mann. Es schmerzte sehr den sonst so aufsässigen Rebellen so zu sehen. Was hatte man hier unten bloß mit ihm angestellt??
 

Sich noch einmal verstohlen nach den beiden Kerkerwachen umsehend ging Cullen vor dem Blonden in die Hocke. Leise klapperte seine massive Rüstung dabei. Dem traurigen Blick des Geistheilers ausweichend holte der Kurzhaarige Luft zum Sprechen.

Oh, Erbauer steh ihm bei.

„Ich habe einen Plan dich von hier fort zu bringen...“, flüsterte der etwas unsichere Knight-Captain und der stumme Magier in der Zelle verengte seine Augen prüfend. Aberplötzlich wirkte er um einiges wacher als noch zuvor. Natürlich.

„Wir haben Verbündete im Lazarett. Du musst dich krank stellen. Fürchterlich krank“, setzte Cullen hastig fort, denn wer wusste schon, wie viel Zeit er hätte, bevor eine der neugierigen Wachen um die Ecke bog?

Wieder nahm er Blickkontakt zu dem blonden Magier auf, der nun doch recht... hoffnungsvoll aussah. Dies kitzelte die Mundwinkel des nervösen Templers; doch sein verhaltenes Lächeln erreichte seine müden Augen nicht.

„Schaffst du das?“Musternd wanderte sein Blick über den Angesprochenen und er biss die Kiefer fest aufeinander. Anders sah wirklich übel aus. Verwahrlost und viel zu dünn.

Und dann war da noch etwas, das Cullen die Eingeweide verknotete... diese unausgesprochene Sache, die seine rauen Lippen seit Tagen verlassen wollte, doch zu der er nicht imstande war sie zu sagen. Es... es raste ihm immer und immer wieder durch den Kopf, auch jetzt, doch er besaß nicht den Mut dazu es einfach auszusprechen:

'Mach dir keine Sorgen', hätte es sanft seiner Kehle entkommen sollen 'Ich liebe dich.'

Es waren nur simple Worte und doch machten sie ihm fürchterliche Angst. Ihm, dem gestandenen Knight-Captain Kirkwalls. Sie hatten ihn heimgesucht die letzten Tage, geträumt hatte er gar davon sie dem Geistheiler zu sagen. Es war ein beklemmendes Gefühl nicht aus seiner Haut heraus zu kommen, doch Cullen konnte einfach nicht anders.

Oder doch?

Die forschenden Augen nach wie vor auf den Magier in der Zelle gerichtet wartete er ab. Doch worauf hoffte er überhaupt? Darauf, dass Anders etwas sagte? Alles Wichtige war doch schon ausgesprochen. Alles Essentielle für Anders' baldige Flucht jedenfalls.

Der betretene Soldat hätte sich nun schwerfällig aufrappeln und gehen sollen, stattdessen blieb er wie festgewurzelt sitzen. In der Hocke vor dem Häufchen Elend aus Anderfels.

Nach mehreren Anläufen schaffte es der Blonde dann tatsächlich auch etwas zu entgegnen. Mehrmals holte er Luft, hielt inne, dachte nach und atmete wieder tief ein, bevor er endlich sprach. Cullen erwartete ein impulsives, ärgerliches 'Arschloch', doch stattdessen bedankte sich Anders bei ihm. Die Mimik des Kirchenbruders entgleiste für nur einen kurzen Moment, ehe er bemerkte, dass er vergessen hatte zu atmen.

Der eingekerkerte Heiler aus der Dunkelstadt hatte sich bei ihm bedankt. Dies mit einer Stimme, die am liebsten gebrochen wäre, doch Anders riss sich offenbar gewaltsam am Riemen. Es ging ihm schlecht.

„... Es tut mir leid“, kam es dann über die trockenen Lippen des Templers und er befeuchtete sie sich beiläufig mit der Zunge, ehe er sich mit den Fingern über den Nasenrücken fuhr und nahezu beschämt wegsah.

Ja, es tat ihm leid, was man mit dem Blondschopf angestellt hatte, doch dies half jenem jetzt auch nicht weiter. Er musste sich todkrank stellen und den Stein ins Rollen bringen, dann würde sich seine Situation bald bessern.

Auch Anders sah nun fort. Als wäre er hiermit fertig und der Templer vor seiner Zelle nicht mehr existent, zog er die Beine an und starrte wieder der schimmligen Wand entgegen.

Cullen presste die Lippen aufeinander und atmete tief durch die Nase aus; dann war er im Begriff aufzustehen.

Er hätte Anders gerne... gewisse Dinge gesagt. Doch er konnte einfach nicht. Vermutlich würde ihm der Geistheiler in seinem momentanen Zustand ja auch nicht einmal zuhören.
 

„Cullen“, ertönte es leise hinter dem verbohrten Knight-Captain, als der sich schon zum Gehen abgewandt hatte. Er sah über seine Schulter zurück und sah, wie sich der Blondschopf eilig erhoben hatte und nun direkt an seiner Gittertüre stand. Bittend sah er dem Templer hinterher; es war ein stummes 'Komm zurück', das in seinen trügerisch treuen, braunen Augen lag.

Und zurück, das ging der nachdenkliche Kurzhaarige dann auch. Nur, um Anders fragend, und mit einer gewissen Verunsicherung im Blick, entgegen zu sehen.

Was wollte der Blonde denn noch?
 

Die Abstände zwischen den Gitterstäben der Zellentür waren eng, doch sie reichten aus, um ein paar Finger durch sie hindurch zu stecken. Und das tat der wankelmütige Anders im nächsten Augenblick auch. Irritiert betrachtete Cullen dies und wich im ersten Moment sogar ein klein wenig zurück. Hätte der Magier es geschafft seinen Arm durch die Tür hindurchzuzwängen, so hätte er dem überraschten Templer vermutlich die Hand entgegengestreckt. So musste er sich aber damit zufrieden geben, dass nur seine kalten Finger durch die Schlitze nach draußen passten.

Die rehbraunen Augen des Magiers sahen dem überrumpelten Templer folglich bitter entgegen, sie waren etwas gerötet und glasig; die Finger des Blonden zitterten.

Es brach dem Knight-Captain das Herz den anderen so zu sehen und er schluckte schwer. Ein paar Wimpernschläge lang wusste er nicht so recht, wie er reagieren sollte. Doch dann, nachdem er sich noch einmal vorsichtig nach anderen Templern umgesehen hatte, beugte er sich dem 'Käfig' Anders' entgegen. Sein Blick wanderte unschlüssig über das verdreckte Gesicht des Magiebegabten und er biss sich auf die Zunge, um sich ein mitleidendes Stöhnen zu verkneifen. Sein Inneres drehte sich, ob der Konfrontation mit dem Zustand des anderen Mannes, um und er fühlte ein unerträgliches Stechen in der Brust. Er zog die Augenbrauen leicht zusammen, als er dem bittenden Blick des Abtrünnigen dann auswich, weil er diesem einfach nicht mehr standhalten konnte.

Und dann streifte sich der Templer den Handschuh von seiner Rechten. Das, um sie anschließend der breiten Zellengittertür entgegen zu heben. Er tat dies in einer Weise, als hätte er Angst davor sich an dem glatten Stahl zu verbrennen. Seine Fingerspitzen stießen vorsichtig an die Haut seines Gegenübers, bevor sich seine Finger zögerlich langsam mit denen Anders' verhakten.

Der wortlose Krieger sank mit der Stirn voran an die nüchternen Zellenstäbe. Die Augen niederschlagend atmete der nachgiebige Cullen nun tief aus.

Es war... ungewohnt die Hand eines gefährlichen Magiers so zu halten, wie er es gerade tat. Natürlich waren sie beide sich in der Vergangenheit des Öfteren näher gekommen. Doch dies überwiegend in einem ganz anderen Kontext, mit Wut im Bauch oder einfach nur getrieben von fragwürdigem sexuellem Verlangen, das gestillt werden musste.

Das hier war etwas anderes. Etwas völlig anderes. Es war seltsam und vielleicht auch vollkommen falsch, doch es linderte das flaue Gefühl im Magen des wirren Knight-Captains etwas. Ja, es fühlte sich gut an, obwohl es absolut verquer erschien.

Genau so verquer wie die Gedanken bezüglich Anders, die ihn seit Tagen plagten.

Doch was sollte Cullen tun? Er konnte gegen das Chaos in seinem Kopf nichts ausrichten. Und ehrlich gesagt... wollte er dies auch gar nicht. Er wollte sich nicht weiter belügen und dunkle Tatsachen über seine Gefühlswelt verdrängen oder hinunterschlucken. Dafür war es längst zu spät.

Es war traurig, dass es erst so weit kommen musste, dass er dies realisieren konnte. Es war verwerflich wie tief er sich – und auch Anders – hatte gen Boden hatte zwängen müssen, damit ihm dieser eine Knopf aufging...

Der Mundwinkel des Templers zuckte zur Seite und er öffnete die Augen wieder um ein Stück weit. Noch immer lag sein Kopf an den kühlen Gitterstäben und seine Finger klammerten sich unbewusst fest an die des gefangenen Magiers. Dies musste Anders doch bestimmt schmerzen; doch er gab keinen Laut von sich.
 

Cullen öffnete die trockenen Lippen und atmete flach ein, um etwas zu sagen. Doch er zögerte etwas, weil er fürchtete seine Stimme würde versagen.

„Anders, ich-“, fing er dann mit gesenktem Ton an.

Doch das metallene Klappern von einer Rüstung ließ den melancholischen Knight-Captain innehalten und aufhorchen. Sofort hob er seinen Kopf dem Geräusch, das sich näherte, entgegen und seine Augen weiteten sich. Augenblicklich wich er von der Zellentür vor sich zurück. Ohne seinen alarmierten Blick von dem Gang, um dessen Ecke gleich eine der Kerkerwachen biegen würde, fort zu reißen, blaffte der Knight-Captain ein paar abrupte, gespielt verärgerte Worte: „Knight-Commander Meredith wird euch bald zum Verhör holen lassen“.

Ein Templer marschierte nun tatsächlich in das Blickfeld Cullens und sofort wendete sich der Fereldener wieder Anders zu. In seinen Augen lag etwas entschuldigendes, als er seine Schauspielerei nicht beendete, um den Wachmann nicht misstrauisch zu stimmen: „Also erlaubt euch keinen weiteren Fehltritt, verstanden?“

Obwohl der eingeschlossene Blonde den vielsagenden Blick des Knight-Captains zunächst wissend erwiderte, wendete er sich dennoch ab. Mit vor dem Körper verschränkten Armen tat er dies und er ließ den langhaarigen Kopf wieder an die Zellenwand sinken. Mit dem Rücken halb dem Soldaten zugewendet verharrte er.

'Jaja, Templerarsch', erwiderte Anders dann halbherzig. Und die Kerkerwache hielt aufgrund dieser Aussage kurz inne, um Cullen einen säuerlich-fragenden Blick zuzuwerfen. Doch jener winkte nur wieder ab und schüttelte den Kopf dabei, wie man es über ein dummes Kind tat.

Und es funktionierte. Die Wache ging gemächlich weiter und dem Knight-Captain fiel ob dieser Tatsache ein kleiner Stein vom Herzen.
 

Als der andere, aufmerksame Templer aus seinem Sichtfeld verschwunden war, sah Cullen wieder zu dem Häufchen Elend in der Gefängniszelle zurück. Doch Anders machte keine Anstalten mehr sich wieder zu ihm umzuwenden. Er hatte sich gar hingesetzt und die Beine angezogen. Wie apathisch verblieb er also zusammengekauert in seinem Drecksloch und bot dem hochgestellten Soldaten bloß seine Rückansicht.

Über Cullen's Gesicht huschte ein Anflug von Enttäuschung.

Enttäuschung darüber, dass er dem Abtrünnigen vorhin nicht sagen hatte können, wie er fühlte. Denn, ja, er hätte es getan; hatte es doch schon beinah ausgesprochen gehabt.

Und Enttäuschung darüber, dass ihn der flatterhafte Magier nun urplötzlich wieder mit Desinteresse strafte. Doch der Templer fasste sich schnell und fuhr sich mit der Hand durch den Nacken, ehe er sich halb abwendete, um zu gehen.
 

Er würde Anders von hier raus schaffen.

Und dann hätte er genug Zeit, um mit dem Blondschopf zu sprechen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  -Gwenny-
2014-12-31T16:29:55+00:00 31.12.2014 17:29
Ui ich bin durch und tut mir leid, dass ich jetzt erst schreibe, aber ich hätte wohl nicht gewusst. was ich zu jedem einzelnen Kapitel sagen sollte außer: Ich liebe es!!
*___*
Dein Schreibstiel ist einfach super und die Beiden sind eindeutig eines meiner Lieblingspairs aus DA, ich war total begeistert deine Geschichte zu finden und hab sie jetzt auch in einem Rutsch durchgelesen. Totaaal super und ich werd auch definitiv dabei bleiben!! ^-^~
Die Story iss...Wahnsinn! *-*

Ganz großes Lob, hör bitte nicht auf <3
lg ♥
Antwort von:  Crevan
14.01.2015 00:39
Dankeee für das liebe Lob! Freut mich voll, dass die FF so gefällt, dass man sie in einem Rutsch durchlesen kann :3
Von:  Arinee
2014-12-25T08:11:17+00:00 25.12.2014 09:11
Hallo,
ich mag deine Story wirklich, wirklich gerne :) Ich hoffe, dass es bald weiter geht und (da ich ein ausgesprochener Fan von Happy Endings bin) sich alles zum Guten wendet. Dein Schreibstil ist klasse!
Antwort von:  Crevan
25.12.2014 16:25
Danke für das Lob :)
Und ja, es wird bald weitergehen ;D


Zurück