Zum Inhalt der Seite

Und er lächelte

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Liam

Der Cassus - oder in Ferelden auch Haring genannt -, der letzte Monat dieses trostlosen Jahres, trieb eisig kalte Windzüge durch die schmalen Gassen der Unterstadt. Die Nächte waren schon seit geraumer Zeit länger als die Tage und auch heute würde die Sonne, wenn sie denn überhaupt sichtbar werden würde, um ihre Stellung am Himmel über Kirkwall kämpfen müssen.

Hatte der zähe Hochnebel die Stadt der Ketten vor ein, zwei Wochen noch in ein tristes Grau getaucht, so fielen die kleinen Wassertropfen dieses dreckigen Dunstes heute in filigranen Schneeflocken auf die Häuser des Armenviertels. Verschwörerisch still tanzten sie über den düsteren Himmel, um sich schlussendlich wahllos auf irgendwelchen Mauern, Dächern oder Köpfen von Bettlern niederzulassen.
 

Massiv gepanzerte Stahlstiefel traten, begleitet von einem knirschenden Geräusch, in den knöchelhohen Neuschnee. Schwere Schritte, das Aneinanderreiben von Metallteilen und das leise Rasseln der Kettenhemden, die die acht Templer unter ihren Uniformen trugen, erfüllten die Umgebung. Ab und an wurde leise geflüstert, besonders die Jüngeren unter den Männern tauschten ab und an kurze Blicke aus. Vermutlich sahen sie sich dabei hinter den neutralen Stahlschichten ihrer Helme verunsichert, genervt oder aufgeregt entgegen. So, als würden sie diese essentiellen Teile ihrer Rüstungen manchmal für wenige Atemzüge lang vergessen und die Mimik ihrer Kumpanen deuten, oder zumindest erahnen, können. Ja, vielleicht neigte man, wenn es um solch gewohnte Uniformsteile ging, tatsächlich dazu.
 

Der einzige Mann der achtköpfigen Gruppe, der keinen schützenden Stahlhelm, doch eine aufwändigere Rüstung trug als seine Kameraden, schritt einige Schritte hektisch vor seinen sieben Ordensbrüdern voran, führte sie schweigend und zielsicheren Blickes durch die Slums. Seine aufmerksamen Augen schweiften dabei durch die nähere Umgebung, sie suchten. Die raue, winterliche Witterung trug nicht unbedingt zu guten Sichtverhältnissen bei und auch das fahle Licht der Dämmerung erschwerte das Sehen, doch der hohe Lyriumanteil im Blut des Knight-Captain verriet ihm die ungefähre Richtung seines Ziels.

Oder besser gesagt: seiner Zielperson.
 

Vor vielen Monaten waren unzählige Flüchtlinge nach Kirkwall gekommen, dutzende Verzweifelte, die nach einer gelungenen Flucht vor der letzten Verderbnis Asyl in dieser Stadt gesucht hatten.

Menschen aus Ferelden, Cullen's Heimat.

Viele von ihnen waren von Handelsschiffen hierher gebracht worden, vermutlich hatten deren Kapitäne für die Überstellung unmenschlich viel Bezahlung, materieller und immaterieller Art, gefordert und sich so eine goldene Nase - und mehr - verdient.
 

Unter den besagten Flüchtlingen, die es in die Stadt geschafft hatten, hatten sich neben ehemaligen Bauern, Händlern und Adligen auch Magier befunden. Abtrünnige der Zirkel im südlichen Teil Thedas', die die vergangene Schlacht gegen den Erzdämon und die darauf folgende Nachkriegsstimmung zur Flucht genutzt hatten. Den Großteil dieser Personen hatte man direkt an den Stadttoren Kirkwalls abgefangen. Einige Wenige hatten es jedoch geschafft in die Stadt der Ketten zu gelangen und in der Bevölkerung unterzutauchen.

Der Templerorden hatte, was diese Angelegenheit anging, auch heute noch alle Hände voll zu tun. Meist ließen sich die, auf der Straße lebenden, halb verhungerten Abtrünnigen aus Ferelden und Umgebung widerstandslos abführen und hatten den Templern die letzten Monate über – außer der vielen Arbeit – nur mindere Sorgen beschert.

Doch seit wenigen Wochen sorgte ein Brief aus Vigils Wacht für Aufregung in den oberen Rängen des Ordens in der Galgenburg.

Die Kommandantin der Grauen Wächter, Solona Amell, selbst, hatte Boten in alle größeren Teile Thedas' entsandt, um deren führende Templer vor einem Mann namens Liam zu warnen, der unlängst dutzende Männer und Frauen - der Grauen Wächter und der Kirche gleichermaßen – wie im Wahn getötet haben soll. Man sprach über ein wahres Gemetzel, Mord und Amoklauf... doch die Gründe dafür erschienen bis heute noch schleierhaft.

Jedenfalls hatte Knight-Commander Meredith kein Wort darüber verloren und angeordnet Kirkwall nach der potentiellen Bedrohung, dem wahnsinnigen Deserteur der Grauen Wächter abzusuchen.
 

Zunächst hatte es bezüglich des Aufenthalts dieses Magiers nur wenig, ja, beinahe überhaupt keine Gewissheit gegeben, doch Meredith's Methoden waren radikal und ihre Prinzipien verlangten ausdrücklich danach stets durchgesetzt zu werden.
 

So hatte der Orden gesucht...

Und gefunden.
 

Ein dürrer, glatzköpfiger Bettler aus der Dunkelstadt hatte den Templern wichtige Informationen, hinsichtlich des Mannes aus Amaranthine, für weniger als zehn Silber verkauft.

Womöglich hatte er die Münzen noch am selben Abend verspielt oder für das billige Bier im Gehängten ausgegeben - und vielleicht lebte er nun ob der klirrenden Kälte nicht einmal mehr, war elendiglich erfroren.

'Ja, der ist blond und wohl aus Anderfels, so, wie er redet. Mhm. Folgt den Laternen und ihr findet ihn.' hatte der Obdachlose mit gedämpfter Stimmlage und hektisch vor sich hingemurmelt, sich dabei forschend umgesehen – wie ein Dieb, der in das Eigentum irgendeiner reichen Adelsfamilie einzubrechen gedachte.

'Er betreibt eine Klinik in der Dunkelstadt, betritt die Unterstadt nur in den frühen Morgenstunden, wenn es noch finster ist draußen. Meistens am Ersten und am vierten Tag der Woche.' ein geheimnisvoller Unterton war in der Stimme des Abgemagerten mitgeschwungen, als spreche er von einer Sagengestalt.

Er hatte die Silbermünzen daraufhin eilig in seiner Hosentasche verschwinden lassen, verunsichert gelacht und somit seine wenigen, schiefen und faulen Zähne entblößt.

Schlussendlich war dann noch ein Name gefallen. Einer, der die rechte Hand Meredith's, Knight-Captain Cullen, dazu veranlasst hatte, sich persönlich in die Angelegenheit zu involvieren.
 

Bis zu dem Zusammentreffen mit dem bezahlten Informanten aus der Dunkelstadt hatte der Deserteur der Grauen, Liam, der Amokläufer, kein klares Gesicht besessen, doch seit man seinen geläufigen Rufnamen kannte, wusste zumindest Einer, nach welchen Merkmalen man suchen musste.

Keiner der Templer in Kirkwall kannte das Gesicht des gesuchten Abtrünnigen aus Amaranthine. Niemand außer der Knight-Captain der Galgenburg, war er in jungen Jahren auch als Wache im Turm des Zirkels in Ferelden stationiert gewesen. Dem Zirkel, dem angeblich auch der gesuchte Magier angehört hatte, bevor ihn die Grauen Wächter wohl während eines Fluchtversuchs rekrutiert hatten.

Und Cullen hatte mehr noch in seinem Kopf als 'Ander Akzent, blonde Haare, relativ groß und braune Augen', er sah das dümmlich grinsende Gesicht dieses einst so rebellischen und kecken Magiers noch ganz genau vor seinem geistigen Auge.
 

Anders.
 

Der Knight-Captain verlangsamte seinen Schritt und verengte seine Augen zu finsteren Schlitzen.

Lange war der Orden im Dunklen getappt, hatte nach einem Phantom gesucht, doch heute würde die Falle zuschnappen. Heute würden die Templer den Abtrünnigen erwischen und diesmal gäbe es keine Wächterkommandantin, die ihn retten würde. Denn seit deren Meldung aus Vigils Wacht war der Magier, der Mörder, vogelfrei. Er würde gehängt werden, nein, brennen.
 

Nach nur wenigen Metern beinahe schon lauernd-langsamen Dahinschreitens, erhob Cullen eine seiner behandschuhten Hände, um seinen Männern anzuweisen stehen zu bleiben. Auch er selbst hielt inne und hob seinen grimmigen Blick, als würde er konzentriert lauschen.

Es war ruhig in der Unterstadt, nur wenige Stadtbewohner – meist Händler - waren zu dieser frühen Stunde bereits auf den Beinen, um ihren alltäglichen Geschäften nachzugehen und um sich um den Aufbau ihrer Marktstände zu kümmern. Man konnte nicht weit entfernt, vielleicht ein, zwei Straßen weiter, am Markt, wenige Stimmen hören, die ruhig miteinander sprachen und beinahe von dem Pfeifen des eisigen Windes und dem Geklapper von gefüllten Kisten übertönt wurden.
 

Cullen musste sich nicht vieler Gesten bedienen, um seinen sieben Begleitern anzuzeigen, dass sie an Ort und Stelle verharren sollten. Mit einer kurzen, abwinkenden Bewegung seiner zuvor noch angehobenen Hand, deutete er an, auf ein Kommando seinerseits zu warten, ehe er sich selbst wieder zögerlich in Bewegung setzte.

Er spürte die Magie, das Band zum Nichts, das von dem Gesuchten ausging und meinte Anders' bekannte Stimme, die er jahrelang nicht mehr vernommen hatte, auch einem der nahe sprechenden Männer zuordnen zu können.
 

Und tatsächlich.

Als der Templer im Dunkel einiger heruntergekommener Häuser auf den Markt des dreckigen Viertels trat, erblickte er ihn.

Sich einen schleißigen, dunklen Wollumhang übergeworfen, stand Anders unweit an dem Verkaufsstand einer zierlichen Frau und unterhielt sich, handelte offensichtlich, mit ihr. Die blonden, halblangen Haare des Magiers fielen ihm strähnig in das recht bleiche Gesicht und seine dunkel unterzeichneten Augen sahen der Händlerin matt entgegen, als er mit den Schultern zuckte und in einer ratlosen Geste den Kopf schüttelte. Sein Atem stieg als weißer Hauch auf, während er mit gesenkter Stimme sprach und sich seinen fleckigen, schweren Mantel enger um den schmalen Körper zog. Zittrige Hände, die in abgetragene Handschuhe gehüllt waren, klammerten sich an den wärmenden Baumwollstoff und resigniert seufzend zog der Abtrünnige seine Schultern an. Als helfe ihm das gegen die Kälte, die die raue Jahreszeit in das Land trieb.
 

Anders sah nicht gut aus.
 

Was war es, das Cullen dazu veranlasste, wie angewurzelt dazustehen und diesem alten Bekannten, ja, vielleicht sogar einem totgeglaubten... 'Freund', mit geweiteten Augen und leicht geöffneten Lippen entgegen zu starren?

Eine morbide Faszination darüber, wie sehr sich der blonde Magier, das damalige Sonnenscheinkind des Zirkels in Ferelden, verändert hatte?

Fassungslosigkeit über die – beinah bittere – Erkenntnis, die einem vor Augen führte, dass jegliche Leidenschaft aus Anders, dem hoffnungslosen Romantiker und Draufgänger, gewichen zu sein schien?

Oder Enttäuschung darüber, dass die Miene des Abtrünnigen ungewohnt krank und wie versteinert wirkte, sich auf dessen Lippen nicht ein mal eine schwache Andeutung eines Lächelns abzeichnete?
 

… Anders hatte stets gelacht.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Schneizel
2012-05-02T19:12:11+00:00 02.05.2012 21:12
Ich find's irgendwie spannend, Cullen mal von dir geschrieben zu lesen.
Ich mein, jeder geht ja doch etwas anders an 'nen Chara ran, und du hast ja auch deinen eigenen Stil. Deinen Anders kenne ich, aber gerade Cullen gerade von dir, ich find das spannend.
Gefällt mir.

Vor allem gefällt mir das Ende, wo Anders dann endlich auftaucht.
Er hat irgendwie was von 'nem Geist; er macht nicht wirklich etwas, ist gar nicht richtig da, nur in Cullens Gedanken.
Also ich würde das als Anlass nehmen, ihn wahnsinnig zu machen, aber da nehm ich ja eh alles zum Anlass für... mal schauen, was du draus machst :D
Es kommt jedenfalls sehr gut rüber, wie überfordert Cullen mit der Situation ist, und das schaffst du mit wenigen Worten.
Du legst noch nicht den kompletten Konlfikt aus - und das ist gut so, denn erstens wäre das zu viel für den Leser, und zweitens würdest du dir damit den Spannungsaufbau ruinieren.
Außerdem reicht das, was du am Ende von Cullen zeigst, vollkommen aus - er macht sich Sorgen um Anders, und alles hat einen bitteren Beigeschmack.
Von:  Renalanfordgirl
2011-12-25T20:22:09+00:00 25.12.2011 21:22
Hach Mensch nach deiner Beschreibung will man Änders-Schmänders nur noch in den Arm nehmen und knuddeln >////<
Ich finde du bringst vorallem die Atmosphäre wunderbar rüber ;3


Zurück