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Zigarette danach

Naruto & Sasuke/ Other Pairing
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Passend zur Weihnachtszeit nun endlich das neue Kapitel :-) Ich hoffe, dass es euch gefällt und ihr noch ungefähr wisst, worum es in der Geschichte geht! Der "Songtext" von Naruto ist übrigens von 12 Stones.

Eure N0VA Komplett anzeigen

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Das Ende der Vernunft

Da war sie endlich wieder, die meist gehasste Zeit des Jahres: Die Weihnachtszeit. Die Menschen gerieten in den Kaufhäusern und auch Zuhause außer Rand und Band. Selbst in diesem kleinen Haushalt, in dem Sasuke sich momentan befand, brach der Ausnahmezustand aus. Hauptsächlich war es Alexis, die einzige Frau im Haus, die alle mit ihrem Wahn, dass die Bude astrein auf Weihnachten vorbereitet sein musste, bekloppt machte. In den letzten Tagen vor Heilig Abend brachten Naruto und Sasuke gefühlte hundert Lichterketten rund herum ums ganze Haus verteilt und an jedem noch so kleinen Büschlein an und hingen dreimal die Kugeln am Weihnachtsbaum um. Jeden Abend ging Sasuke mit äußerst mieser Laune zu Bett und wenn er - kurz bevor er endlich zur Ruhe kam - von unten die Weihnachtsmusik dudeln hörte, kochte er fast über.

Das Schlimmste war dieser Zwang, der automatisch mit Weihnachten einher ging, für jeden Menschen, der einem irgendwie nahe stand, irgendetwas kaufen zu müssen. Irgendetwas, das man gebrauchen kann und demjenigen gefällt, der es geschenkt bekommt. Dieses Jahr musste er zwar seine eigene Familie nicht beschenken, dafür jedoch eine andere. Lediglich eine hübsche Postkarte mit ein paar netten, oberflächlichen Zeilen darüber wie toll der Aufenthalt sei, schickte er in seine Heimat. Wäre seine Mutter nicht gewesen, hätte er vermutlich überhaupt kein Lebenszeichen von sich gegeben.

Einige Tage und Nächte hatte er über die Wahl der Geschenke gegrübelt. Letzten Endes entschied er sich für ein Ebook für Will, der sowieso den lieben langen Tag mit nichts anderem als Lesen beschäftigt war sobald er nach Hause kam, dazu alle Staffeln von Grace Anatomy für Alexis, die nahezu bei jedem Essen von dieser Serie schwärmte und ein Diktiergerät für Naruto, damit er endlich mal im 21. Jahrhundert ankam, in dem man in der Regel nicht mehr mit Block und Bleistift wichtige, schnell verflogene Gedanken notierte. Alles lag hübsch eingepackt unter dem Weihnachtsbaum. Die Verkäuferin hatte sich wirklich Mühe gegeben. Vielleicht war es Sasukes kokettes Lächeln gewesen - mit dem er sie beobachtet hatte - das ungeahnte Talente in ihr weckte.

Sein Blick glitt aus dem Fenster heraus. Das Wetter machte die Weihnachtszeit auch nicht erträglicher. Es verbreitete viel mehr eine erdrückende Stimmung. Eine graue, kalte und matschige Welt so weit das Auge reicht. Von schimmerndem weißen Schnee fehlte jede Spur. Dabei ist er das Einzige, was diese Zeit zumindest einigermaßen erträglich gestaltet. Sasuke bewunderte die melancholische Schönheit des Schnees. Vor allem, wenn Schneeflocken, schimmernd wie einzelne Kristalle, mit der Leichtigkeit von Federn zu Boden tänzeln.

»Katze«, raunte ihm Naruto von der Seite ins Ohr.

Sasukes Kopf schnellte herum und ihre Stirnen krachten aufeinander. Ein Geräusch, als träfe massive Eiche auf noch massivere Eiche, erklang. Gleichzeitig schrien sie unter Schmerzen auf und rieben sich mit der Hand über die betroffene Stelle. Der Uchiha verzog das Gesicht. »Hör doch endlich mal auf mit dem Scheiß, dann passiert so was auch nicht, du selten dämlicher Idiot.«

»Hör du lieber auf, in der Gegend rumzuträumen, wenn du mit anderen Leuten zusammensitzt«, sagte Naruto und wandte dabei den Kopf von ihm ab, »selber Idiot.«

Der Kamin flackerte gemütlich in der Mitte des Raums und spendete die Wärme, die allein durch einen einzigen Blick nach draußen verloren zu gehen schien. Es war eine schweigsame Atmosphäre, in der sie saßen. Ruhig und melancholisch und seltsam schön. Ihre Bäuche waren gefüllt von dem Festmahl, das Alexis zubereitet hatte. Eine gefüllte Weihnachtsgans mit allerlei Köstlichkeiten, eine gelungene Champagnercreme zum Nachtisch und einen exzellenten Rotwein, der das Ganze wunderbar abrundete, hatten ihre von kleinen Brandnarben überzogenen Hände gezaubert. So gut hatte er lange nicht mehr gegessen. Nur war sein Bauch so überfüllt, dass er das Gefühl hatte, das Essen stünde ihm noch immer in der Speiseröhre und fände einfach nicht den Weg in seinen Magen.

»Was haltet ihr davon, wenn wir nun zum Höhepunkt des Tages kommen, Jungs? Die Bescherung wartet«, sagte Will mit einem warmen Lächeln auf den Lippen und niemand im Raum konnte sich seiner Magie entziehen. Alle nickten und Will erhob sich. Es begann eine Familientradition, bei der der Raum nur noch mit Kerzen und dem Feuer des Kamins erhellt wurde. Aus allen Ecken ertönte ein weihnachtlicher Chor und Will verteilte die Geschenke, die beschriftet unter dem Baum lagen. An jedem Päckchen hing ein kleiner Zettel, auf dem der Name in fein säuberlichen Buchstaben geschrieben stand, für den es bestimmt war. Naruto erhielt zwei der Geschenke, Sasuke eins und Alexis und Will jeweils drei.

»Welches ist von dir?«, flüsterte Naruto und Sasuke sah ihn mit hochgehobenen Augenbrauen an. »Siehst du schon, wenn du es öffnest«, entgegnete er, doch Naruto grinste nur breit. »Ich will es aber noch nicht öffnen. Nun sag schon.«

Seufzend verwies der Uchiha auf das kleinere Päckchen, das hübsch in grünes Weihnachtspapier eingehüllt, nur Sekunden später in Narutos Händen ruhte. Er legte es beiseite.

»Meins kriegst du auch später«, zwinkerte er und die Hitze des Kamins schoss durch Sasukes gesamten Körper. Durch seine Arme und Beine, durch seinen Kopf und seinen Hals und alle trafen sie sich in der Mitte, bündelten sich und ihm wäre um ein Haar schlecht geworden.

Als die Musik verklang, nickte Will in Sasukes Richtung. Er nahm es als Zeichen, als Aufforderung, dass nun der richtige Moment gekommen war. Behutsam löste er die Bänder, die den großen Karton umgaben und auch das Tesafilm. Neben ihm rutschte Naruto unruhig von der einen auf die andere Seite.

»Ein Pullover«, stellte er fest und hielt ihn prüfend nach oben. Er bestand aus einem weichen Stoff in winterlichem Weiß und auf Brusthöhe war mit braunem Faden dieses typische weihnachtliche Muster eingestrickt. Vor ein oder zwei Jahren hatte er lange nach einem Exemplar wie diesem gesucht. Irgendwann hatte er es gefrustet aufgegeben. In den zahlreichen Läden hatte er einfach nur die reinste Scheiße gefunden. Entweder qualitativ minderwertig oder die Farbgebung gefiel ihm nicht. Der hier war annähernd perfekt.

»Gefällt er dir?«, fragte Alexis, die ihn gespannt beobachtete.

»Sehr«, entgegnete Sasuke mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie erwiderte es und in diesem Moment, so glaubte er, kamen sie sich um einiges näher.

»Vielen Dank«, sagte er und sah zu den beiden, die ihm dieses Geschenk gemacht hatten.

»Den hat meine Frau mit viel Mühe selbst gestrickt. Ich musste dutzende Flüche ertragen, als sie bei dem Muster angekommen war«, lächelte Will und Sasuke lachte kurz auf. Alexis verzog derart das Gesicht, als durchlebe sie diese nervenaufreibenden Stunden ein weiteres Mal.

»Jetzt ich, jetzt ich!«, rief Naruto und riss bereits unruhig an dem Geschenkpapier. Rote Papierfetzen segelten zu Boden und im Hintergrund ertönte neben dem feierlichen Summen der Flammen auch Wills genervtes Organ. »Dieser Junge«, knurrte er, aber seine Lippen formten ein herzliches Lächeln und seine Augen waren derart gütig und so voller Wärme, als betrachte er seinen leiblichen Sohn. Sasukes Muskeln verspannten sich für einen Moment; ihn durchzuckte ein Gefühl der Einsamkeit und Eifersucht.

»Partnerlook!«, quietschte Naruto und hielt einen weiteren Pullover direkt neben Sasukes. »Nur die Farben sind umgedreht! Cool, danke, Mum... Und Dad, fürs Flüche ertragen«, grinste er meterbreit und drückte beiden einen Kuss auf die Wange. Er war absolut euphorisch, total hibbelig aufgrund des Geschenks. Schön, aber anstrengend.

Während sich Naruto den Pullover über den Kopf zog und Sasuke anhielt, es ihm nachzumachen, wurde dem jungen Uchiha eines bewusst: Seit er hier war, war das hier einer der schönsten Momente für die Familie. Er hatte sich selten so fehl am Platz gefühlt wie jetzt.

»Wir wollen gleich noch unseren Spaziergang machen. Kommt ihr mit?«, fragte Alexis und griff nach ihrer Teetasse, die neben ein wenig Gebäck, ein paar Gläsern und den Resten von Narutos Attentat auf das Geschenkpapier, auf dem kleinen Couchtisch stand. Es duftete nach Vanille und Roibusch, Lebkuchen und Spekulatius.

»Es ist so schön draußen«, fügte sie mit einem sehnsüchtigen Blick aus dem Fenster hinaus, hinzu. »Auch wenn der Schnee nicht ganz das ist, was ich mir dieses Jahr erhofft habe«, lächelte sie verlegen, als habe sie das Abendessen versalzen.

»Nee, ich hab mein Geschenk für Sasuke noch oben, Mum.«

Die Teetasse klirrte, als sie wieder auf ihre Untertasse zurückgestellt wurde. Dampf zwirbelte sich wie eine milchige Flamme in die Höhe.

»Dann hol es doch runter, mein Schatz.«

Sasuke grinste bei seinem Gedankenspiel. »Das macht er schon oft genug, keine Sorge. Er macht sich gern selbst Geschenke zum Runterholen.«

Narutos Gesicht verzog sich zu einer nachdenklichen Grimasse. Mit einem Mal entgleisten ihm fast die Gesichtszüge. »Besser nicht«, schmunzelte er und in Sasuke wuchs ein ungutes Gefühl heran. Er wunderte sich über dieses merkwürdige Verhalten.

Alexis beließ es dabei, entgegen Sasukes stiller Hoffnung, sie würde der Sache auf den Grund gehen, und wandte sich wieder den verschlossenen Geschenken zu. »Ich bin schon ganz gespannt, was meine Männer dieses Mal für mich ausgesucht haben«, sagte sie mit leichtem Sarkasmus in der Stimme. »Hoffentlich noch mehr Kochbücher«, schmunzelte sie und Sasuke hob prompt die Augenbrauen an. Sie hatten ihr allen Ernstes zu Weihnachten Kochbücher geschenkt? Kaum merkbar schüttelte er den Kopf und räusperte sich.

»Du erzählst doch immer wie gerne du kochst«, murmelte Naruto kleinlaut und mit geröteten Wangen, um seine Fehlentscheidung wenigstens irgendwie zu rechtfertigen.

»Ich hab mich ja auch gefreut, mein Schatz«, lächelte sie und legte ihrem Adoptivsohn eine Hand auf die Schulter, als wolle sie sagen: Komm schon, ich will dich doch nur ein wenig aufziehen. Ihr Ziel hatte sie problemlos erreicht. Naruto schämte sich im Nachhinein regelrecht für sein Standardgeschenk. Kochbücher – das war fast so unkreativ wie Parfum oder Haushaltsgeräte als Präsent für eine Frau. Sasuke schenkte so etwas immer nur dann, wenn es ausdrücklich gewünscht wurde. Seit seinem vierzehnten Lebensjahr versuchte er irgendwie außergewöhnliche, individuelle und praktische Geschenke aufzutreiben. Es war wahnsinnig anstrengend und ein Aufwand, der nur selten ausreichend gewürdigt wurde. Damals hatte ihn Itachi immer als unkreativen Pragmatiker bezeichnet, wenn er mit ganz gewöhnlichen Geschenken zu Weihnachten oder zum Geburtstag ankam. Nach wenigen unerträglichen Jahren hatte Sasuke von den Sticheleien seines Bruders entschieden die Schnauze voll gehabt. Seitdem gab er sich eben mehr Mühe, als der komplette Rest, den er kannte und hörte zu, wenn seine Mitmenschen – die er später beschenken würden müsste – darüber sprachen, was sie gerne mochten und was nicht.

Will legte Holz nach, während Alexis begann, das Papier mit ihren filigranen Fingern von der kleinen Schachtel zu lösen, die sie in den Händen hielt. Ihr Adoptivsohn wurde von Sekunde zu Sekunde unruhiger. »Hoffentlich hast du etwas Gescheites gekauft, Naruto«, dachte Sasuke und sah Alexis dabei zu, wie sie eine feine, silberne Kette hervorzog. An ihr baumelte ein Anhänger in der Form einer Blume, die Sasuke nicht kannte. Alexis wiegte diesen Anhänger mit solcher Vorsicht in ihren Händen, dass der Uchiha sich sicher war, dass er eine weitaus tiefere Bedeutung haben musste, als bloße Ästhetik. Sie sah mit glänzenden Augen auf und lächelte so voller Wärme und Liebe für diesen jungen Mann, der neben Sasuke auf der Couch saß, dass Sasuke seine eigene Anwesenheit allmählich kaum mehr ertrug. Sein Blick sank auf den Tisch, wieder musterte er das Gedeck und atmete den herrlichen Duft ganz bewusst ein. Er versuchte, sich auf die banale Schönheit dieses Anblicks zu konzentrieren, alles andere auszublenden, doch es war schlichtweg unmöglich.

»Danke, mein Liebling«, hörte er sie sagen und sah aus dem Augenwinkel, dass sie ihn auf die Stirn küsste. Alle Anspannung war plötzlich aus Narutos Körper gewichen. Er saß ganz ruhig da, mit hängenden Schultern und in einer vollkommen lässigen Pose.

Mit einem letzten, ja nahezu sehnsüchtigen Blick, legte sie die Kette zurück in die Schachtel, wie einen Schatz, den sie ewig verloren glaubte. Sie wirkte selig und diese Stimmung schien sich auf den Rest zu übertragen, nur auf Sasuke nicht. Er saß mit einem mulmigen Gefühl im Bauch dort, das von Minute zu Minute schlimmer zu werden schien; wie ein mit Lichtgeschwindigkeit anschwellendes Geschwür.

Sie freute sich auch über die folgenden beiden Geschenke; über den wunderschönen, roséfarbenen Pullover, den sie von Will bekam und über Sasukes DVD-Sammlung. Doch nichts konnte sie mehr begeistern, als die Kette von Naruto, auf die sie stets ein Auge warf. Sie wirkte wie jemand, der sein Handgepäck bewacht, damit es nicht geklaut werden kann.

Will war im Gegensatz zu Alexis kein Mann der großen Worte. Er freute sich mehr im Stillen und für sich selbst über das, was er zu Weihnachten bekam. Sein plötzliches, andauerndes Lächeln war für jeden im Raum Danksagung genug.

»Du hättest nicht so teure Geschenke kaufen sollen«, tadelte Alexis den jungen Uchiha, nachdem jeder noch einmal genügend Zeit hatte, seine Errungenschaften genauer zu beäugen und einen Schluck Tee zu trinken oder ein paar Kekse zu essen. »Ich fühle mich ganz schlecht«, sagte sie und betrachtete ihren gestrickten Pullover, der Sasukes Oberkörper schmückte.

»Ich bin leider handwerklich nicht so begabt und ich wollte mir sicher sein, dass ihr euch über die Geschenke freut. Ich für meinen Teil könnte mir kein schöneres wünschen«, lächelte er und sein Herz machte einen Satz, als er in ihre vor Freude und Überraschung strahlenden Augen sah. Weit aufgerissen, wie die eines Kindes, während Naruto bloß die Augen verdrehte. Manchmal, genau für solche Augenblicke, lohnte sich der ganze vorige Stress. Manchmal war es Geschenk genug, einfach nur jemand anderen glücklich zu sehen und zu wissen, dass man selbst nicht ganz unschuldig daran ist. Das ist der Zauber von Weihnachten. Ein Zauber, der Sasuke zwar nur selten erreichte, aber wenn er ihn doch einmal fand, dann wusste selbst der junge Uchiha, der wirklich nicht viel von diesem Fest hielt, wie wichtig und schön es war, anderen Menschen eine kleine Freude zu bereiten.

Alexis klatschte vor Freude sogar in die Hände. »Wunderbar«, sagte sie und stand auf. »Wir werden uns jetzt auf den Weg machen. Seid ihr sicher, dass ihr nicht mit wollt?«, fragte sie noch einmal an ihre beiden Jungs gerichtet.

»Nein, danke«, grinste Naruto und sie erwiderte es, machte aber einen zwiespältigen Eindruck. Auf der einen Seite war sie offenkundig enttäuscht, dass sie alleine mit ihrem Mann gehen musste, andererseits – so ließen es zumindest ihre Blicke erahnen, die sie Will ständig zuwarf – schien sie gerade über diesen Umstand auch irgendwie froh zu sein. Ein bisschen Zweisamkeit in dem weißen Wunderland, in das sich ihre Heimat zu Heilig Abend doch noch größtenteils verwandelt hatte, etwas Romantischeres konnte man sich kaum vorstellen.

Zum Abschied gab sie beiden einen leichten Kuss auf die Wange. Eine simple Geste mit großer Wirkung: Sie steigerte Sasukes fast verloren geglaubtes Zugehörigkeitsgefühl in dieser Familie und gab ihm den nötigen Schwung, den er brauchte, um für das Bevorstehende gewappnet zu sein.

Sie verfolgten mit gleichem Interesse das Spektakel, das sich ihnen bot. Alexis war wie so oft in absoluter Hektik, Weihnachten hin oder her. Es dauerte keine drei Minuten und die Tür fiel mit einem letzten Murren, das eindeutig aus Wills Kehle stammte, ins Schloss.

Naruto und Sasuke warfen sich ein Grinsen zu.

Es vergingen nur Sekunden, in denen sie alleine nebeneinander saßen – in letzter Zeit waren sie so oft nur zu zweit gewesen – und die Luft um sie herum wurde dicker. Sie schwoll an und nahm ihnen ihre Leichtigkeit, mit der sie miteinander umgehen konnten.

Es war die Atmosphäre. Die Kerzen und der Kamin, der Nelkengeruch und die bereitgestellten Kekse, die weiße kalte Pracht, die draußen die Welt bedeckte und vor allem die Zweisamkeit, die alle Eindrücke um ein Vielfaches verstärkte. Ihr Resultat war die unbestreitbare, nicht mit aller Gewalt von der Hand zu weisende Romantik.

»Bereit?«, fragte Naruto mit seinem typischen, breiten Grinsen, das Sasuke aufatmen ließ. Es vermittelte ihm ein gewisses Maß an Sicherheit; Gewohnheit – etwas, an dem er sich auch später noch festhalten konnte.

Er nickte knapp und sie gingen zusammen hinauf in ihr gemeinsames Zimmer, das im Gegensatz zur Stube nicht halb so viel Wärme barg. Die Temperatur war zu niedrig, das Zimmerlicht zu grell und der Geruch eine Mischung aus Aftershave, Deo und Weichspüler. Eine gewisse, beißende Note von verschwitzten Sportklamotten schwang zusätzlich mit; eindeutig aus Narutos Ecke.

Unter dem Bett zog der Blonde zwei Päckchen und einen Umschlag hervor. Beides platzierte er vor sich auf dem knarrenden Holzfußboden. Naruto kreiste mit den Zehen und seine Augen leuchteten erneut auf, während er gebannt im Schneidersitz auf seinen Freund wartete.

Noch einmal holte er tief Luft, dann legte auch Sasuke sein Geschenk auf dem Boden ab und setzte sich ihm gegenüber. Für ein paar Sekunden betrachteten sie einander, stillschweigend und forschend; nachdenklich, wie man einen Fremden betrachtet, den man eigentlich zu kennen glaubt.

»Fang du an«, sagte Sasuke, der Narutos hibbeliges Verhalten langsam nicht mehr ertragen konnte. Kaum hatten seine Lippen diese Worte geformt, schoss eine flinke Hand hervor, die direkt nach dem Geschenk griff, als trachte sie ihm nach dem ohnehin schon kurzen Leben. Krampfhaft bemühte sich Naruto, das Geschenkpapier nicht einfach in Fetzen zu reißen, sondern es fein säuberlich von dem Karton zu lösen, dessen Aufschrift seine Augen in die eines Goldfischs verwandelte. Sasuke beobachtete die Szenerie nur mit einem innerlichen Grinsen, äußerlich blieb er komplett unberührt.

»Ein Diktiergerät!«, rief Naruto feierlich und sein ganzes Gesicht erstrahlte in so hellem Glanz, dass es jedes Xenonlicht in den Schatten gestellt hätte.

»Wahnsinn, danke«, grinste er und noch ehe Sasuke auch nur die Gelegenheit fand, zu reagieren, hatte sich Naruto auch schon herübergelehnt, um ihn einmal fest und herzlich zu drücken.

»Gern«, presste der Uchiha nur atemlos hervor und richtete den Blick wieder auf die ungeöffneten Geschenke – seine Geschenke.

»Na los«, hielt ihn Naruto an, »mach schon auf.«

Einen Moment nahm sich Sasuke noch Zeit, um sich innerlich zu sammeln, dann griff er zunächst nach dem Briefumschlag. Es verwunderte ihn, dass Naruto ihm eine Karte schrieb. Er selbst hatte nur auf ein kleines Kärtchen »Frohe Weihnachten!« draufgeschrieben – und zwar bei jedem. In diesem Sinne nichts Besonderes, aber zweckmäßig.

Kurz wiegte er den weißen Umschlag in den Händen, auf dem sein Name in großen Buchstaben geschrieben stand. Er musterte ihn wie etwas, mit dem man nicht wirklich etwas anzufangen weiß; wo man sich nicht sicher ist wie man am besten damit umgehen soll.

»Drauf geschissen.«

In einer einzigen fließenden Bewegung hatte er den zugeklebten Umschlag geöffnet und zog – tatsächlich – eine waschechte Weihnachtskarte hervor und keinen Scherzartikel mit eingebauter Lachsackfunktion.
 

Lieber Sasuke,

ich wünsche dir Frohe Weihnachten und hoffe, dass das Weihnachtsfest bei uns für dich annähernd so schön ist wie bei euch zuhause!

Jetzt geht es ans Eingemachte, mein Freund.

Öffne zuerst das grüne Päckchen und tu einfach, was du tun musst! Greif tief hinein! Ich meine es ernst! GREIF TIEF HINEIN! ;-)

Du findest dort ein blaues, ein rotes und ein grünes Zettelchen. Öffne zuerst das grüne, dann das rote und zuletzt das blaue Zettelchen!

Dein Naruto

PS: Nicht schummeln! Halte dich an die Reihenfolge!


 

Sasuke las diese Botschaft zweimal sorgfältig durch und schüttelte kaum merklich den Kopf. Er hatte zwar niemals eine Schnitzeljagd mitgemacht, aber das hier erinnerte ihn irgendwie daran. Eine Art Spiel also, falls auf den Zettelchen irgendwelche Rätsel drauf standen, die es zu lösen galt. Spiele konnten witzig sein. Spiele konnten langweilig sein und Spiele konnten den Uchiha im schlimmsten Fall richtig auf die Palme bringen, wenn sie sich als absolute Zeitverschwendung entpuppten. Spiele mit Sasuke waren ergo immer ein Risiko; reine Spekulation, schlimmer als im Aktiengeschäft.

Mit skeptischem Blick sah Sasuke zu Naruto auf und konnte nicht anders, als ihm zumindest eine ernsthafte Chance zu geben. Dafür freute er sich selbst schon viel zu sehr über seine eigene Idee. Mühe hatte er sich allemal gegeben und einem Menschen, der sich Mühe gab, um für einen anderen ein Geschenk vorzubereiten, dem durfte man diesen Augenblick des Stolzes einfach nicht zerstören. Deshalb spielte Sasuke das Spiel vorerst mit, je nachdem wie und in welche Richtung es sich letztendlich entwickelte.

Seine Augen wanderten nun forschender auf die verpackten Geschenke – ein grünes und ein rotes. Zuerst das Grüne. Es war zwar kleiner, aber auch höher als das rote Päckchen. Das rote hatte irgendwie die Form eines Buchs, aber auch nicht direkt, dafür war es wiederum zu groß.

Er schob die Gedanken vorerst beiseite, damit die Überraschung später auch von Herzen kam; ob nun positiv oder negativ.

Behutsam löste Sasuke das Geschenkpapier, bis er einen kleinen braunen Karton in den Händen hielt. Etwas, das den Karton fast vollständig ausfüllte, befand sich darin. Allmählich kochte die Neugierde nun doch in ihm hoch, trotzdem – oder gerade deshalb – hielt er sich dazu an, ruhig zu bleiben. Er arbeitete so langsam, dass Naruto vom ständigen hin- und herwippen allmählich umzukippen drohte.

Schlussendlich hielt er eine weitere Verpackung in der Hand: Eine längliche schwarze Dose mit einem Schraubverschluss.

Sasuke sah kurz auf und versuchte aus Narutos Gesichtszügen zu erkennen, ob es sich hierbei um diesen blöden ›ich lasse dich zehntausend Verpackungen auspacken, bis du ein Sandkorn in den Händen hältst‹-Witz handeln sollte. Aus Naruto konnte er in diesem Moment allerdings nicht schlau werden. Er spiegelte eine Mischung aus purer Anspannung und Amüsement wider.

Mit einem lauten Seufzen widmete sich Sasuke wieder seinem Geschenk und wagte den nächsten Schritt: Er drehte den Verschluss auf.

Was dort auf ihn wartete, ließ seine Gesichtszüge Achterbahn fahren. Ein paar Sekunden sah er einfach nur hinein, ohne den genauen Inhalt bewusst wahrzunehmen, dann weiteten sich seine Augen auf eine Größe, dass er das Gefühl hatte, sie würden jeden Moment hinausfallen. Er wollte wegsehen; konnte aber nicht – das Ganze war wie ein Unfall. Er versuchte es immer wieder, bis er an einem Punkt ankam, wo er es einfach nur noch anstarrte – sein Geschenk. Sasuke war mit dieser Art von Scherz einfach nicht leicht zu ködern.

Erst als ihn sein regelrecht apathischer Zustand wieder verließ, bemerkte er Narutos Lachen. »Eine Überraschung, die mir gelungen ist, Sasuke!«, feierte er sich selbst und schüttelte aufgeregt mit beiden Händen an seinen Schultern. »Der Hammer! Dein Gesicht! Das hätte ich filmen müssen, ich Idiot!«

Naruto lachte ungehalten; Sasuke war wie vom Blitz getroffen. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit, ließ er wieder von ihm ab und lehnte sich zurück. »Du erinnerst dich an das, was in der Karte steht? Greif hinein!«

Das Grinsen des Blonden wurde breiter, als es sein Gesicht eigentlich zulassen sollte. »Na los, jetzt greif schon rein!«, drängte er und prompt fand Sasuke seine Stimme wieder.

»Sag mal, hast du sie noch alle?«, tobte er los. »Was soll der Scheiß hier denn?«, schrie er und deutete mit dem Finger auf den Inhalt der Dose.

»Das ist widerlich! So etwas ernsthaft als Weihnachtsgeschenk verkaufen zu wollen!«

Naruto zog einen Schmollmund. Mit einer derartigen Ablehnung schien er nicht gerechnet zu haben. Auch nicht damit, dass sich Sasuke dergestalt in Rage schreien würde. Allmählich nahm sein Gesicht vor Wut und mangelnder Sauerstoffzufuhr die Farbe einer reifen Tomate an.

»Schnauze!«, brüllte Naruto dazwischen, zeigte mit nacktem Finger auf den angezogenen Sasuke. Baff hielt der Uchiha für einen Moment die Luft an. »Du bist ein Mann, du musst solche Geschenke mögen! Und jetzt greif endlich rein!«

Sasukes Augen funkelten lichterloh.

»Ich werde da bestimmt nicht reingreifen!«

»Greif rein!«

»Nein!«

Ihre Gesichter kamen sich wutentbrannt und zerknirscht immer näher. Sie starrten sich an und Naruto sammelte sich einen Moment. Er bemerkte selbst, dass er hier nicht weiterkam. Trotzdem fiel ihm keine andere Lösung ein, als es noch einmal zu versuchen; dieses Mal etwas ruhiger.

»Würdest du bitte in die gottverdammte Muschi greifen und aufhören, dich wie ein kleines Kind aufzuspielen?«

Naruto beobachtete weiter Sasukes angespannte Visage und fügte schnell hinzu: »Äh, bitte...? Du willst doch sicher den Rest deiner Geschenke sehen, oder nicht? Der Rest ist auch nicht... so was.«

Einen Augenblick senkte Sasuke die Lider und atmete tief durch. »Gut, schön. Ich greife rein, du Vollidiot.«

Er streckte seine Finger und führte sie durch die Öffnung. »Also gefühlsecht ist das aber nicht«, sagte er mit einem mikroskopisch kleinen Schmunzeln auf den Lippen und fühlte bereits das Papier in seinen Fingern.

Tatsächlich zog er ein grünes, ein rotes und ein blaues Zettelchen hervor. Alle hatten sie dieselbe Größe und Sasuke erinnerte sich an die Reihenfolge: Zuerst das grüne. Trotz der bereits unschönen Überraschung – mehr oder weniger – gefiel ihm dieses Spiel bis dato recht gut. Zumindest war es nicht langweilig, sondern recht unterhaltsam. Zeitweise mochte und begehrte er das Ungewisse.
 

Für einsame und kalte Nächte ;-) Ich wette, du wirst dafür Verwendung finden!


 

Sasuke grinste; er konnte gar nicht anders und Naruto, der sich direkt bestätigt fühlte, doch keinen Griff ins Klo gelandet zu haben, erwiderte es mit Hingabe.

»Zu blöd, dass du nachts immer im Zimmer bist«, grinste er, stieß bei Narutos Gesichtsausdruck jedoch nur auf ein großes, imaginäres Fragezeichen.

»Dann bin ich nicht allein, also wird es nie zum Einsatz kommen können, wenn ich mich auf deinen Zettel beziehe«, erklärte er genervt und musste zu seinem Bedauern wieder das Klischee des minderbemittelten Ex-Fottballspielers spüren.

»Verwendung finde ich trotzdem – schließlich hat mich Itachi gebeten, ihm ein Souvenir mitzubringen«, grinste er böswillig und malte sich bereits das dumme Gesicht seines Bruders aus, der niemals damit rechnen würde, dass ihm Sasuke tatsächlich ein solches Geschenk überreichen könnte.

»Passt super in seine Sammlung«, strahlte er.

»Itachi?«, hinterfragte Naruto mit hochgezogenen Augenbrauen. Sasuke sah verblüfft auf. Hatte er ihn noch nie erwähnt oder hatte es Naruto doch nur wieder verplant?

»Mein älterer Bruder.«

»Ach so«, sagte Naruto und wandte betreten den Blick zur Seite ab. Offensichtlich hatte er es doch noch nie erwähnt.

Wie dem auch sei – das nächste Zettelchen wartete darauf, gelesen zu werden. Er öffnete es mit der gleichen Sorgfalt wie beim letzten.
 

Jetzt darfst du das rote Päckchen öffnen. Damit du meine Familie und mich später nicht so einfach vergessen kannst! :D


 

Als ob das ohne ein Geschenk geschehen wäre. Wieder sah Sasuke auf. Er fragte sich zum ersten Mal ernsthaft, was Naruto wohl von ihm hielt. Vermutlich nicht das Beste, selbst wenn er ihm diese Geschenke machte. Mit Sicherheit hielt er ihn noch immer für einen Idioten, der für dieses Leben hier nicht gemacht war. Sasuke sah sein Diktiergerät neben Naruto auf dem Boden liegen. Im Vergleich zu dem, was Naruto sich für einen Aufwand gemacht hatte, war es nichts. Irgendwie der reinste, unpersönliche Schrott. Fuck.

Mit monotonen Bewegungen löste er das Papier und packte ein schlichtes, großes Album aus. Er klappte es auf und betrachtete nacheinander die Einträge und Fotos. Auf der ersten Seite stand in Narutos Handschrift ganz simpel eine Widmung geschrieben:
 

Für Sasuke

von Naruto


 

Auf einmal saß Naruto hinter ihm und deutete mit dem Finger auf verschiedene Aufnahmen, die er gemacht und mit ein bis zwei kurzen Zeilen zum jeweiligen Erlebnis versehen hatte.

»Da waren wir in diesem komischen Restaurant. Hab mal eiskalt die Karte mitgehen lassen«, lachte er und tippte auf die Speisekarte, die er hineingeklebt hatte.

Mit jeder Seite nahm Sasukes Herzschlag an Geschwindigkeit zu. Was war das nun? War es kitschig? War es schön? Oder beides zugleich? War es überhaupt angemessen, dass er ein so... aufwändiges Geschenk von seinem neugewonnenen Freund erhielt?

So viel Mühe steckte hier drin. Wann er wohl beschlossen hatte, ihm dieses Geschenk zu machen? Vermutlich schon relativ früh, denn der Besuch im Restaurant war kurz nach dem ersten Monat seines Aufenthalts gewesen.

Hör bloß auf, dir so viele lächerliche Gedanken zu machen.

Weiter hinten standen ein paar Texte geschrieben, von denen er ein oder zwei wiedererkannte. Das waren Liedtexte von Naruto.
 

»Time moves slowly while you're gone

I haven't heard your voice in quite some time

But I still see your face

I cannot erase the things you've done

And all the ways you kept me hangin' on

Now your gone«


 

»Die sind mir eingefallen, als wir so viel Stress immer hatten. Das war zwar echt nervig, aber irgendwie auch inspirierend«, lachte er leicht verlegen und blätterte weiter.

»Hier, das einzige Bild, wo wir beide zusammen drauf sind. Du siehst wie immer nicht gerade begeistert aus«, schmunzelte Naruto und Sasuke betrachtete das Bild, auf dem der Blonde breit lächelte, während Sasuke verhalten an seinem Getränk nippte und angesäuert zu ihm herüber schielte. Stimmt, das war ihr erster Discobesuch gewesen. Feiern war wirklich überall gleich. Die gleichen Besoffenen, die gleiche Musik, das gleiche Ambiente und der gleiche beschissene Kater am nächsten Tag.

Still blätterten sie weiter und betrachteten gemeinsam die gesammelten Erinnerungen, die hier auf Papier festgehalten wurden. Die Eindrücke, die auf Sasuke wirkten, wurden zunehmend schlimmer. Die Kälte draußen, die Wärme hier drinnen, die verdammte Weihnachtszeit, der leichte Keksgeruch, den Narutos Körper wie naturgegeben verströmte und dieses gottverdammte, wunderschöne Album, das er in den Händen hielt – das alles war eindeutig zu viel.

Sasuke hielt inne und klappte das Buch zu.

»Danke«, sagte er.

»Bitte, bitte«, schmunzelte Naruto hinter ihm. »Los, jetzt den nächsten Zettel!«, drängte er und drückte Sasuke eigenhändig das blaue Papier in die Hand. »Keine Sorge, ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht. Ich weiß ja, wie du bist.«

»Ich weiß ja, wie du bist.«

Der Uchiha atmete noch einmal tief durch. Hier lag kein nächstes Päckchen, das er öffnen konnte, aber Narutos Anspielung war nicht von der Hand zu weisen. Unwahrscheinlich, dass auf dem letzten Zettelchen bloß ein Weihnachtsgruß geschrieben stand. Er entfaltete ihn.
 

Heute ist Weihnachten. Du hast einen Wunsch frei! Egal, was du dir wünschst, solange ich es erfüllen kann, ohne dabei meine Gesundheit oder meine finanzielle Zukunft arg zu gefährden, werde ich ihn dir erfüllen!


 

Sein Herzschlag stieg ihm bis in den Kopf. Er las die paar Zeilen ein zweites Mal. Dann nochmal, während Naruto freudig vor sich hin plapperte.

»Also ich werde von keiner Brücke springen und ich werde auch keinen Kredit über Riesensummen aufnehmen, um dir irgendwelche Wünsche zu erfüllen«, lachte er und kratzte sich leicht am Hinterkopf.

Der Wind peitschte von draußen mit unbändiger Härte gegen das Fenster und zog Sasukes Aufmerksamkeit für einen Moment auf sich. Es stürmte und schneite.

»Ich mache das jedes Jahr für genau eine Person. Ist so meine Tradition... Dieses Jahr bist du dran, auch wenn mir klar ist, dass du dir irgendetwas wünschen wirst, womit ich mich richtig blamiere«, erzählte er weiter, während Sasuke den Schnee bei seinem wilden Tanz beobachtete. Auf einmal wurde ihm heiß und kalt zugleich, als er Narutos Stimme lauschte. Er kannte diese Reaktion seines Körpers nur zu gut.

»Die letzten Nächte hatte ich sogar ein paar Alpträume deshalb und...«

»Schlaf mit mir«, unterbrach ihn Sasuke leise, aber bestimmend, ohne den Blick von dem weißen Traum abzuwenden. Er sagte diesen Satz einfach frei heraus, ohne einen einzigen Gedanken an seine Wirkung zu verschwenden. Er sagte einfach das, was ihm in diesem Moment richtig erschien. Das, was er wollte; und wurde sich auch in den darauffolgenden Sekunden seiner Wortgewalt nicht richtig bewusst. Hinter ihm wurde es zunächst ganz still, bis Naruto plötzlich seine Stimme wiederfand: »Hah, nicht witzig. Ich...«

Naruto brach ab, als sich Sasuke mit einem Mal über die Schulter hinweg zu ihm drehte. In seinem Gesicht war nichts als Ernst zu erkennen und seine Augen leuchteten in einem seltsamen Glanz. Zweifellos, dieser Wunsch war kein Scherz.

Er drehte sich ganz herum, um Naruto in die Augen zu sehen. Der Blonde wusste mit dieser ungewohnten, völlig fremden Situation nicht umzugehen und wandte geniert den Blick ab.

Für Sasuke war das alles nichts neues und nichts altes. Er blieb entspannt.

»Wirst du mir meinen Wunsch erfüllen?«, fragte er mit vor Lust bebender Stimme. Er liebte dieses Spiel, wenn er die Fäden in der Hand hielt.

Immer noch verunsichert sah Naruto auf und erwiderte Sasukes Blick. Dieses fast schon devote Verhalten schmeckte dem Uchiha dagegen überhaupt nicht. Seine Augenbrauen zogen sich leicht zusammen. War Naruto etwa eine Lusche im Bett?

»Sasuke... Äh, ich...«, stammelte er drauf los und kratzte sich wieder am Hinterkopf. Der Uchiha beobachtete das peinliche Schauspiel und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Was ist? Bist du ein Versager im Bett?«

Naruto schreckte wie aus einem Alptraum hoch. Sein Gesicht färbte sich tiefrot. »D-das ist mit Sicherheit nicht das Problem!«

Sasuke zuckte mit den Achseln. »Dann gibt es in meinen Augen auch kein Problem mit uns beiden.«

Mit leicht offen stehendem Mund saß ihm Naruto gegenüber. Er konnte es nicht fassen, in welche Richtung sich ihr Beisammensein plötzlich entwickelte.

»W-warum sollte ich mit dir schlafen? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn! Wir sind Kumpels! Wir haben noch nie etwas in der Richtung gemacht. Wir haben uns ja noch nicht einmal geküsst oder so«, gestikulierte Naruto wild mit den Händen und schnappte immer wieder röchelnd nach Luft. Mit einem Ruck packte ihn Sasuke an seinem neuen Pullover, zog ihn zu sich, drückte ihm hart seine Lippen auf den Mund und schob dem paralysierten Naruto für einen Moment die Zunge in den Hals. »Problem behoben«, grinste Sasuke keck und wischte sich mit dem Handrücken den Speichel von den Lippen.

»Beweis es«, forderte Sasuke und ignorierte Narutos abweisendes Verhalten damit ganz einfach. Er griff in das blonde Haar, fuhr mit den Fingern an seiner Kopfhaut entlang und raunte mit dunklem Verlangen: »Beweis mir, dass du kein Versager bist.«

Ein hartes Schlucken war das Resultat. Naruto wusste gar nicht wie ihm geschah, doch dieses Mal erwiderte er die grobe Zärtlichkeit, als Sasuke wieder von ihm Besitz ergriff. Der Uchiha grinste breit, drückte Naruto mit dem leidenschaftlichen Zungenspiel immer tiefer nach unten, bis er schließlich ganz und gar auf ihm lag. Mit einem knappen Blick rief sich Sasuke in Erinnerung, dass sich in diesem Zimmer eigentlich zwei Betten befanden, zu denen sie wechseln konnten. Doch das Gefühl von Holz unter seinen Fingerkuppen war einfach zu verlockend. Hart und unnachgiebig – rau. Früher oder später würde dieses Spiel sowieso die entscheidende Wende einschlagen.

Überraschend schnell vergaß Naruto seine anfängliche Unsicherheit; jedoch nicht seinen Zweifel – seine Berührungen wurden zwar inniger, trotzdem war sich Sasuke sicher, dass er nicht ganz bei der Sache war. Ermüdend sanft wanderte Narutos Hand seinen Rücken stetig auf und ab; immer wieder nur auf und ab. Ansonsten tat sie nichts. Die andere, freie Hand, ruhte ruhig in seinem Nacken; bewegte sich von dort nicht weiter als bis zu seiner Wange. Insgesamt agierte Naruto nicht; er reagierte bloß.

Die Minuten verstrichen und Sasukes Ungeduld wuchs mit kontinuierlich sinkender Erregung. Das, was Naruto ablieferte, war nicht im Geringsten erotisch. Das, was Naruto ablieferte, konnte beim besten Willen nicht sein Ernst sein. Minderbemittelte Ex-Footballspieler hatten zumindest das Klischee des grandiosen Liebhabers zu erfüllen. Dumm wie Kieselstein, dafür aber Muskeln aus Stahl und von verboten energischer Erotik im Bett.

Sasuke wog seine Möglichkeiten ab. Er könnte dieses selten peinliche Vorspiel hier und jetzt beenden, in die nächste Kneipe fahren und dort mit jeder beliebigen Flachzange vermutlich besseren Sex haben, als mit diesem Trottel. Die zweite Möglichkeit war, Naruto zu dirigieren. Ihm jede Berührung, jeden Punkt, den er streifen sollte, vorgekaut in den Mund zu legen: Fass mich dort an, jetzt dort, da nicht. Leider wäre das keine wirkliche Steigerung zum momentanen Dilemma. Die letzte Alternative, die sie beide beinhaltete, wäre... ihn ein wenig zu triezen und in die gewünschte Richtung zu lenken.

Böswillig grinsend leckte er mit der Zunge über Narutos Hals, spürte ihn dergestalt erschaudern, als verteilte er eiskalten Schnee auf seiner nackten Haut. »Was ist los mit dir?«, flüsterte er ihm ins Ohr, biss alles andere als vorsichtig hinein; zog daran. »Etwa noch Jungfrau?«, stichelte er mit leicht belustigter Stimmlage.

Die gewünschte und erwartete Reaktion folgte unmittelbar: Naruto drückte ihn mit einer verblüffend starken Hand von sich weg; hielt ihn auf Abstand. Die schönen blauen Augen funkelten ihm vorwurfsvoll und angriffslustig entgegen. Oh, hatte er etwa einen Nerv getroffen?

»Ich bin mit Sicherheit keine Jungfrau mehr, Sasuke«, brummte er; seine ohnehin markante Stimme wurde noch tiefer; fast bärig.

»Und ich bin mir ziemlich sicher, dass zumindest deine ansehnlichere Seite noch ziemlich jungfräulich ist«, entgegnete er mit nüchternem Blick. »Vielleicht sollte ich dem kleinen, verklemmten Mädchen mal den Rock anheben und den Stock aus ihrem Arsch ziehen?«

Ihre Augen rangen um die Oberhand. Sie trafen aufeinander wie kalte und warme Luft. Wenn man mit etwas Fantasie hinsah, konnte man sogar kleine Funken sprühen sehen.

»Wie war das?«, knirschte der Blonde hervor und seine Finger verkrampften sich dabei in dem faserigen Stoff von Sasukes Pullover. Ein warmer, liebevoller Blick hätte Narutos aufgebrachtes Gemüt eventuell noch beschwichtigen können, doch Sasuke dachte nicht im Entferntesten daran. Viel mehr fing der Spaß für ihn gerade erst an.

»Du bist eben mehr das jungfräuliche Mädchen als der erfahrene Mann«, Sasuke zuckte mit den Schultern, »und wenn du mich so sehr darum bittest, dich im Arm zu halten und dir dabei liebevoll meinen Schwanz in den Arsch zu schieben... Wie könnte ich da schon nein sagen?«

Von der einen auf die andere Sekunde kochte Naruto förmlich über. »Bastard!«, schrie er und ergriff plötzlich die Initiative; erlangte die Oberhand, als er ihre Positionen tauschte – an den Schultern drückte er Sasukes Körper mit eisernem Griff in den unnachgiebigen Holzfußboden, schob sich mehr unbewusst zwischen seine Beine; drückte sie mit antörnender Dominanz auseinander. In diesem Moment stieg die Erregung des Überwältigten um ein beachtliches Maß. Endlich hatte er ihn genau da, wo er ihn haben wollte.

»Bei der miserablen Bettleistung würde dir keine Frau der Welt auf Dauer treu sein, Naruto«, kicherte Sasuke. Scheiße, es machte ihm ein bisschen zu viel Spaß, den armen Naruto zur Weißglut zu treiben. Beim Anblick seines schockierten Gesichtsausdrucks, musste der Uchiha einmal unweigerlich laut auflachen. Es war witzig – er hatte lange nicht mit dieser Art von Mann geschlafen.

»Halt endlich die Schnauze!«, schrie Naruto mit der Gewalt eines Vulkanausbruchs. Die wenigen Worte erstickten Sasukes bösartiges Lachen wie mangelnder Sauerstoff eine Flamme erstickt. Im Zimmer war es plötzlich ganz still; nur der draußen peitschende Wind sandte ein Lebenszeichen der fröstelnden Kälte, genauso wie Narutos unregelmäßiger Atem und sein wild pulsierender Herzschlag ein Zeichen des wutentbrannten Feuers waren. Das hier war der Punkt an dem sich alles weitere entscheiden sollte. Sasuke setzte alles auf eine Karte.

»Du hast überhaupt keine...«

Verdattert brach der Blonde ab, als ihm die warme, leicht zähflüssige Substanz von der Wange lief. Mit großen Augen starrte er in Sasukes Gesicht, brauchte einen Augenblick um sich zu sammeln und zu realisieren, dass Sasuke ihm allen Ernstes ins Gesicht gespuckt hatte. Einfach so.

Vor blanker Wut verkrampfte sich seine Kiefermuskulatur und für einen Moment verlor er all seine ohnehin seidenfädrige Selbstbeherrschung. Mit der Faust holte er aus, ließ sie schnurstracks auf Sasukes ungerührtes Gesicht zurasen. Im letzten Augenblick entschied er sich anders, änderte den Kurs und schlug die geballte Faust mit voller Wucht in den Boden, direkt neben Sasukes Kopf. Es krachte und schepperte. Die Zeit blieb für einen signifikanten Augenblick stehen; Sasuke blieb die Ruhe selbst; Naruto starrte ihn nur entgeistert an. Nicht fassungslos über seine eigene Reaktion, sondern über Sasukes. Der Uchiha hatte den Kopf nicht reflexartig und schützend zur Seite abgewandt. Verflucht, er hatte nicht einmal geblinzelt!

»Warum hast du nicht endlich mal deine Männlichkeit bewiesen?«, fragte Sasuke und riss Naruto damit aus seiner teilnahmslosen Fassungslosigkeit. »Das war deine Chance.« Mit großen Augen und schwerem Atem starrte er auf den wenig begeisterten, fast schon mitleidig drein blickenden Sasuke herab. Dieses ganze Wirrwarr wollte nicht in Narutos Schädel passen. Er verstand dieses Konstrukt aus Aktion und Reaktion nicht. Vor allem Sasukes Reaktionen waren für ihn wie ein Buch mit sieben Siegeln.

Entgeistert wischte sich der Blonde mit dem Handrücken das von Herzen kommende Geschenk wieder ab. »Ich versteh dich nicht«, sagte Naruto leise und mit trockener Kehle.

Ein hohles Lachen erfüllte plötzlich den Raum. »Du verstehst mich nicht? Frag mich mal!« Auf einmal wurde Sasukes Stimme energischer, lauter. Der sarkastische Unterton war endlich verflogen. »Du verhältst dich nicht annähernd so wie sich ein Mann verhalten sollte.«

Auf Narutos sichtliche Ratlosigkeit reagierte Sasuke mit einem bösen Blick. »Ich erzähle dir jetzt mal was über Männerliebe. Nachdem du ja offensichtlich überhaupt keine Ahnung davon zu haben scheinst.«

Der Blonde wollte sich aufrichten, doch Sasuke griff augenblicklich in den weichen Stoff seines neuen Pullovers und zog ihn wieder zu sich herunter.

»Wenn zwei Männer miteinander schlafen, bleibt die Gefühlsduselei gefälligst zuhause, kapiert? Die kannst du dir für deine sommersprossigen jungfräulichen Mädchen aufheben«, zischte Sasuke und fixierte Naruto mit seinem Blick.

»Es geht darum Tabus auszuleben. Nicht darum, den anderen in den Schlaf zu langweilen.«

Narutos Miene verhärtete sich. Am liebsten hätte er ihm genauso reizend ins Gesicht gespuckt.

»Tabus? Du meinst, dem anderen solange auf den Sack zu gehen, bis ein Faustwechsel entsteht?«, entgegnete er bissig.

Der Uchiha zuckte mit den Schultern. »Wo bleibt der Spaß, wenn der eine sich dem anderen nicht unterwerfen muss? Ein bisschen Schmerz fördert die Lust.«

Für einen Sekundenbruchteil entgleisten Naruto die Gesichtszüge. Er fragte sich, ob Sasuke das wirklich ernst meinte. Verdammte Scheiße, meinte er das wirklich so wie er es sagte?

»Hätte meine Faust dein Gesicht getroffen, wäre das mehr als nur ein bisschen Schmerz geworden«, sagte er. Abgesehen davon, dass ihm die Lust auf Sex schon zu Beginn von Sasukes Beleidigungen vergangen war.

»Mag sein«, grinste der Uchiha und strich mit dem Daumen über Narutos Unterlippe. »Aber bei mir dient der Schmerz sozusagen als Katalysator für die Lust, die ich beim Sex empfinden kann. Je größer der Schmerz, desto größer die Lust.«

Narutos Welt überschlug sich einige Male, als Sasuke ihn daraufhin erneut in ein Feuerwerk des Zungenspiels verwickelte. Er atmete schwer, versuchte die Worte seines Freundes irgendwie zu verarbeiten; scheiterte jedoch kläglich daran. Das Einzige, was er ganz bewusst wahrnahm, waren Sasukes Beine, die sich kräftig und begierig um seine Hüfte legten; ihn näher zu sich heranzogen. So weit, dass Naruto Sasukes deutliche Erregung gegen seine Hose drücken spürte.

»Du kannst einen Mann nur mit Gewalt gefügig machen«, sagte Sasuke nüchtern und strich seinem Partner ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Das liegt in der Natur der Dinge«, fügte er hinzu. »Und du wirst merken, dass du selbst viel lockerer wirst, wenn du deinen Aggressionen einmal Platz machst. Du wirst es mögen, alleiniger Herr der Lage zu sein, glaub mir. Alle Männer mögen das.«

Sasukes Hand fuhr mehr beiläufig zwischen ihre eng aneinander gepressten Körper; ertastete mit den Fingern den Schrittbereich seines Partners und malte die Ränder der Erhebung mit kreisenden Bewegungen nach. »Ich kann all das sein, was du dir in deinen perversesten Träumen wünschst«, raunte er ihm ins Ohr.

Narutos Herz schlug ihm bei Sasukes Worten und seinem dazugehörigen sanften Lächeln bis in den Kopf hinein. Er sprach in einem Atemzug von Lust, Erregung, Schmerz und Erniedrigung und wirkte dabei so ungeheuer... befriedigt. Allein die Vorstellung schien bei ihm ein Feuer zu entfachen. Dabei war diese Kombination seltsam unheimlich; sie grenzte fast an Wahnsinn. Mit den Fingerkuppen fuhr er die feinen Züge nach, die Sasukes fahles Gesicht unbeschreiblich schön machten. Er stellte es sich vor; stellte sich vor wie er ihm erbarmungslose Schläge verpasste, während er ihn fickte; während sie miteinander intim waren. Er drang dabei nicht nur in den Körper ein, sondern auch in etwas viel privateres... in die Gefühlswelt einer Person. Hier war nicht die Rede von ein paar leichten Klapsen auf den Allerwertesten, sondern von hart dominierender Gewalt des einen und stillschweigender Erduldung des anderen. Von Prellungen, von Blut, untermalt von zugleich schmerz- und lusterfüllten Schreien, die je nachdem auch von bitteren Tränen begleitet werden konnten. Könnte er dabei Lust empfinden?

Die Antwort lag für Naruto auf der Hand. Dafür war er einfach nicht der Typ. Jemandem, mit dem er Intimitäten teilte, konnte er keine ernsthaften Verletzungen zufügen; selbst wenn ihn sein Partner darum bat. Er befreite sich aus Sasukes Griff, erhob sich vom Boden, griff nach seinem neuen Diktiergerät und ging auf wackligen Knien zur Tür, die ihn aus der seltsamen Atmosphäre führen sollte, die sich in ihrem Zimmer gebildet hatte.

»Tut mir leid, Sasuke, aber...«, Naruto stockte und rang nach den richtigen Worten, »das ist...« , er schluckte noch einmal, »echt krank.«

Darauffolgend schlug er die Tür nicht wutentbrannt zu; er ging nicht mit einem Knall; er ging ganz leise, die Treppe hinab, direkt zur Garderobe und nahm geistesabwesend Mantel, Schal und Mütze vom Haken. Wie in Trance wappnete er sich gegen die winterlichen Temperaturen, stopfte das Diktiergerät in die Innentasche seiner Jacke und verließ mit dick gefütterten Stiefeln das warme Haus.

Ein eisiger Wind zog ihm just durch Mark und Bein, als er die ersten Schritte durch den weißen Matsch setzte. Die meisten Häuser waren komplett eingeschneit, nur wenige hatten sich noch die Mühe gemacht, überhaupt Schnee zu schieben. Seit Tagen schneite es unaufhörlich – alles, was beseitigt wurde, kehrte in Minutenschnelle wieder an Ort und Stelle zurück, als sei es niemals fort gewesen.

Naruto zog seinen Schal höher, kurz bis unter die Augenpartie. Es fröstelte ihn, aber die Kälte bescherte ihm auch einen klaren, kühlen Kopf. Hier konnte er besser nachdenken, als in den erdrückend warmen vier Wänden, in denen auch die Ursache für sein Kopfzerbrechen wartete.

Er versenkte die Hände in seinen Jackentaschen und setzte sich ruhig in Bewegung. Kein Ziel vor Augen; nicht einmal ein genauer Weg, den er beschreiten wollte, war in seinem Kopf verankert. Da war nur der Wunsch immer weiter zu gehen und den Rest hinter sich zu lassen. Alles zu vergessen, was in der Realität an unschönen Erinnerungen und Tatsachen hinter jeder Ecke lauerte.

Die Dunkelheit zwang ihn, den Weg an den Straßen entlang zu nehmen. Die wenigen Straßenlaternen, die nur gute zwei Kilometer aus dem Dorf herausführten, spendeten ein angenehmes Licht. Sie standen im Abstand von rund fünfzig Metern zueinander. Es wurde mal heller, mal dunkler. Gut, um nicht die Müdigkeit die Oberhand gewinnen zu lassen.

Irgendwann blieb er an einer der vielen Straßenlaternen einfach stehen, verschnaufte für einen Moment und lehnte sich träge gegen den kalten Eisenpfahl. Naruto legte den Kopf in den Nacken und beobachtete das schöne Bild, das sich ihm bot. Dort oben zeigte sich ein sternklarer Abendhimmel in vollster Pracht. Seine Augen widmeten jedem der kleinen leuchtenden Punkte einen Teil seiner Aufmerksamkeit, ehe er sie müde schloss und tief durchatmete.

Was war eben bloß geschehen?

Kürzlich in die Ecke gedrängte Erinnerungen quollen wieder hervor. Sasuke hatte ernsthaft mit ihm schlafen wollen und es wäre auch kein Problem gewesen, wäre da nur nicht... Naruto ließ den Kopf hängen.

Klar, er hatte vorher noch nie mit einem Mann geschlafen, aber auch nur deshalb nicht, weil sich nie die Gelegenheit mit dem passenden Partner ergeben hatte. Genau genommen war er seit längerer Zeit neugierig gewesen wie es sein mochte, wenn zwei Männer es einander besorgten. Nur war Naruto nicht auf einen Hardcore-BDSM-Fetisch eingestellt gewesen. Die lasche Version, mit ein paar Fesseln und ein paar Klapsen hier und da – vielleicht hätte er es mitgemacht. Aber seinen Partner ernsthaft verletzen?

Unsicher öffnete Naruto seine Augen einen Spalt breit, starrte auf seine immer noch wackligen Knie; unschlüssig, ob es inzwischen die Schuld der beißenden Kälte war.

Machte ihn dieses Verhalten nun wirklich zur Lusche? Naruto selbst glaubte eigentlich nicht daran. Er war sich sicher, dass nicht sein Verhalten das falsche war, sondern Sasukes.

Was war er denn für ein Mensch, dass es ihn erregte von seinem Sexualpartner untergebuttert und misshandelt zu werden?

»Du hast gewaltig 'ne Schraube locker, Sasuke«, grummelte Naruto vor sich hin und drehte mit dem rechten Schuh nachdenklich ein paar Kreise im matschigen Schnee. Zum Vorschein kam ganz allmählich die asphaltierte Straße.

»Alle Männer mögen das.«

Naruto trat wütend in den kleinen Haufen Schnee, der sich neben seinem Schuh aufgetürmt hatte. Es ärgerte ihn, dass Sasuke ihn mit allen anderen Menschen gleichsetzte. Meine Fresse, wer hatte ihm bloß solche Flausen in den Kopf gesetzt?

Es gab genau zwei Möglichkeiten: Entweder, Sasuke war wirklich so eine perverse Dreckssau, der jegliche andere und weniger brutale Form von Sex zuwider war oder aber – und darauf hoffte Naruto insgeheim – er hatte noch nie etwas anderes probiert. Was zugegeben merkwürdig wäre, aber auch nicht merkwürdiger als sein jetziger Fetisch.

Nun, Sasukes Wunsch war es gewesen, dass Naruto mit ihm schlief. Diesen Wunsch hatte er bislang nicht erfüllt, dabei hielt er sich stets an die Versprechen, die er gab.

Allerdings war in dem Satz ›Schlaf mit mir‹ auch keine Rede davon wie der Akt letztendlich auszusehen hatte.

Narutos Mundpartie wurde von einem siegessicheren Lächeln umrandet.

»Vielleicht kommen wir irgendwann doch noch auf einen gemeinsamen Nenner, Sasuke.«

Deutlich entspannter beobachtete Naruto noch ein paar Minuten seine Umgebung; die Umrisse von hohen Bäumen; das Rieseln des Schnees und das Huschen von ein paar kleineren Tieren, die zwischen Baum und Gebüsch umherliefen, ehe er sich mit dem bewusst schwereren Gefühl an seiner Herzseite auf den Heimweg machte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Angel_of_sorrow
2018-11-23T19:54:22+00:00 23.11.2018 20:54
hey ich finde deine ff wirklich toll und würde mich mega freuen wenn du weiter schreiben würdest <3 ich liebe deinen schreibstil und deine ganzen ffs einfach *_______*bitte bitte <333
Von:  Yeliz
2014-05-03T19:24:19+00:00 03.05.2014 21:24
Ich bin begeistert von den Beiden! Von diesem Zusammenspiel von Sasukes und Narutos Charakteren. Diese Situation an sich macht alles spannender und interessanter. Ich bin in vielen Momente aufgeregt, weil ich so sehr mitfiebere. ^^
Ich würde mich auf eine weiteres Kapitel auf jeden Fall freuen, weil diese Idee einfach sehr schön und überhaupt nicht 08/15 ist. Die Charaktere sind gut getroffen und es macht einfach Spaß die beiden zu erleben.

Liebste Grüße
Liz ;)
Von: abgemeldet
2013-12-10T14:01:37+00:00 10.12.2013 15:01
Tolles Kapitel! Oh Gott ich steh so auf Sasuke in deiner FF *-*
Bin echt gespannt wies weitergeht! :-)


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