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Home, sweet home?

Rumishipping vs. Rocketshipping
von

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Ein Schritt nach vorn und zwei zurück

Es war noch keine Stunde vergangen und doch hatte Kojiro den Wald bereits hinter sich gelassen. Die grüne Umgebung lichtete sich nach und nach, bis er einen schmalen Wanderpfad erreicht hatte, der sich nur wenige Meter weiter in zwei Richtungen gabelte.

An jener Gabelung war ein Wegweiser angebracht, dessen zwei Zeiger einmal in Richtung Osten und einmal in Richtung Westen wiesen. Nach Osten würde nur eine weitere Wanderroute führen, von der Kojiro nicht wusste, wo diese wiederum hinführen würde. Ginge er nach Westen, würde er nach drei Kilometern in eine kleine Stadt kommen, in der es dann auch ein Pokémon-Center geben würde laut dem kleinen Medizinsymbol auf dem Holzzeiger. Der Name sagte ihm allerdings nichts.

Er verschränkte in einer nachdenklichen Geste die Arme vor dem Körper und legte den Kopf schief. Wirklich abwägen tat er die Alternativen allerdings nicht. Letzten Endes war es egal, für welchen Weg er sich entscheiden würde – ein Ziel gab es nicht für ihn. Zumindest nicht in dieser Richtung, da müsste er schon wieder umkehren.

„Auf gar keinen Fall!“, rief er laut aus und raufte sich dabei die Haare. Wenn eines feststand, dann, dass er nicht noch einmal umkehren konnte. Nicht jetzt, nicht so.

Aber wohin sollte er? Was sollte er tun? Was wollte er überhaupt tun?

Kurz blickte er sich um und fand einen größeren Stein am Wegesrand, auf den er sich schließlich setzte. Er musste nachdenken.

Das versuchte er auch, doch er kam nicht sonderlich weit. Es gab einfach keine Möglichkeit für ihn. Keinen Ort, wo er hingehen konnte und auch keine Alternative, die er für die nächste Zeit nutzen könnte, um ein wenig Abstand von Musashi zu haben. Nur für einen Tag oder zwei, das sollte genügen, um die Temperamente zu kühlen. Dann sähe alles schon wieder ganz anders aus und er könnte wieder zu ihnen zurückkehren, so wie immer.

Bei dem Gedanken schielte er über seine Schulter zurück in Richtung des Waldes, aus dem er gekommen war. Vorsichtig, als fürchtete er ein schreckliches Monster hinter sich, das ihn verfolgt haben könnte. Natürlich war dort aber nichts – nichts, bis auf den verlassenen Trampelpfad.

‚Nein‘, schoss es ihm durch den Kopf und er wandte den Blick wieder nach vorne und blickte starr zu Boden. ‚Ich kann nicht zurück. Nicht schon wieder. Und… nein, es geht nicht.‘

Musashi hatte sich klar und deutlich ihm gegenüber ausgedrückt. Sie wollte, dass er verschwand. Sie wollte ihn nicht mehr sehen, nicht mehr länger um sich haben. Er war nur eine Bürde für sie. Eine nutzlose Last, von der sie nicht profitieren und die sie nicht gebrauchen konnte. Sie konnte gut auf ihn verzichten.

Je öfter er sich das ins Gedächtnis rief und die Worte wieder und wieder abspulen ließ, umso mehr glaubte er daran. Natürlich kannte er das hitzige Temperament seiner Freundin und natürlich war es nicht ihr erster Streit dieser Art gewesen, dennoch schloss er es aus, dass sie ihn nur aus einem Affekt heraus zum Gehen aufgefordert hatte. Hätte sie es aus diesem Grund getan, dann hätte sie ihn doch aufgehalten? Oder wäre ihm gefolgt? Nicht sofort, vielleicht, aber sie hätte ihn doch nicht wirklich gehen lassen, oder?

Noch einmal blickte er hinter sich und hoffte in seinem Inneren, den Schatten der Freundin irgendwo aus Richtung der Waldbäume erkennen zu können. Doch da war nichts. Natürlich nicht. Sie war ihm nicht gefolgt, wieso auch?

Mit einem selbstironischen Lächeln auf den Lippen blickte er wieder nach vorne und beugte sich vor, schlang die Arme um seine Knie und senkte den Kopf darauf. Er wollte nichts sehen, wollte nichts hören und er wollte an nichts mehr denken. An nichts, bis auf seine Selbstzweifel, die ihm immer wieder und wieder seine Schuld vorhielten und ihn einen naiven Volltrottel schimpften, der in der Tat einfach nichts von selbst auf die Reihe bekam. Nichts, außer rumzujammern und keine Lösung für seine Probleme zu finden.

 

So verharrte er für einige Zeit, bis er sich schließlich wieder aufrappelte und sich abrupt von seinem Platz erhob. Auch wenn er noch immer keine Lösung für seine verzwickte Situation gefunden hatte, so war er zumindest schon mal so weit gekommen, dass er nicht länger nur herumsitzen und sich selbst bemitleiden wollte. Zurück konnte er zwar im Augenblick nicht mehr, doch ihm blieb noch immer der Weg nach vorne. Wenn er es nur versuchte, dann würde sich sicherlich auch etwas ergeben, womit er die verbockten Dinge wieder in ein rechtes Lot rücken könnte. So musste es einfach sein, denn vom Nichtstun konnte sich schließlich auch nichts ändern. Und dass Musashi ihm noch nachkommen würde… Sicher, das würde er sich von Herzen wünschen und die Hoffnung wollte einfach nicht in ihm erlöschen, aber sich darauf verlassen konnte er auch nicht.

Er entschied sich spontan für den Weg nach Westen, in Richtung Stadt. Das war nicht weit weg und vielleicht, sollten Musashi und Nyasu doch noch nach ihm suchen, würden seine Freunde auch eher diese Wegmöglichkeit vorziehen für ihre Suche. Vielleicht könnte er sich dort im Pokémon-Center einquartieren, Pokémon hatte er ja schließlich und so gesehen war er auch ein Pokémon-Trainer, nur registriert war er eben nicht. Selbstverständlich nicht. Aber da würde es schon einen Weg geben, daran wollte er zumindest glauben.

So schritt er also voran und begegnete unterwegs keiner Menschenseele. Nur hin und wieder konnte er ein Pokémon durchs hohe Gras huschen sehen, die sich aber nicht weiter von dem Menschen stören ließen. Und so zog eine halbe Stunde an ihm vorüber, bis er endlich an eine Straße kam, die das letzte Stück zur Stadt wies. Weit war es nun nicht mehr, vielleicht zehn weitere Minuten, und dann müsste er nur noch das Pokémon-Center finden.

Nur vorsichtshalber zog er sich die Jacke seiner Uniform über den Kopf und steckte sie sich halb in die Hose, sodass nur noch ein Stück des weißen Stoffes an seinem rechten Bein heraushing. Wenn er auch nur die geringste Chance haben wollte, sich im Pokémon-Center eine Unterkunft zu erschleichen, dann durfte er sich auf gar keinen Fall als ein Mitglied von Team Rocket zu erkennen geben. Normal war das ja weniger das Problem, weil er für den Fall der Fälle immer Musashi und Nyasu bei sich gehabt hatte, die doch teilweise etwas schneller schalteten als er. Doch nun war er allein unterwegs und konnte sich das Risiko nicht leisten.

Er hatte die Stadt nun fast erreicht und konnte sogar schon die ersten Häuser sehen. Doch noch ehe er das Willkommensschild passieren konnte, kam plötzlich alles Schlag auf Schlag.

Eine schwarze Karosse von Auto bog gerade von der Stadt auf die fortführende Straße. Kojiro hätte sie gar nicht weiter für wahr genommen, wäre ihm nicht aufgefallen, dass es sich um eine Stretchlimousine handelte. Er hatte lange keine solche Limousine mehr gesehen und konnte einfach nicht anders, als stehenzubleiben, sich nach dem Gefährt umzudrehen und ihm irritiert nachzuschauen. In seiner Verwunderung registrierte er erst gar nicht, dass auch die Limousine daraufhin stoppte, die Rückfahrlichter ansprangen und der Wagen im Rückwärtsgang auf ihn zurollte. Oder weniger rollte, schoss hätte es wohl besser getroffen. Denn das führte auch erst dazu, dass der Agent so sehr erschrak, dass er erst viel zu spät bemerkte, wie der Fahrer aus dem Fahrzeug sprang, nach ihm griff, ihn mit geschickten Handgriffen auf den Rücksitz bugsierte und viel zu schnell und mit laut quietschenden Reifen wieder anfuhr.

Als ihm das alles endlich bewusst wurde, war es bereits zu spät. Man hatte ihn auf die schwarzen, ledernen Sitze der geräumigen Rückbank gezwungen und nun blickte er aus den von außen abgedunkelten Fenstern auf die vorbeirauschende Landschaft, durch die er vor wenigen Minuten noch geirrt war.

„Was zum…? Lasst mich raus! Hey, lasst mich sofort hier raus! Was soll denn das?! Heeey!!“, schrie er aus ganzer Kehle und versuchte panisch die Seitentür zu öffnen. Doch sie war durch eine Sicherung abgeriegelt und so hielt man ihn gefangen. Da half auch alles Rütteln nichts.

‚Eine Entführung!‘, schoss es ihm auf einmal durch den Kopf. ‚Man hat mich entführt! Was…? Aber wieso?!‘

„Heeeey! Lasst – Mich – Hier – Raus!“, schrie er noch ein weiteres Mal und schlug nun lautstark gegen die verstärkte Trennwand, hinter der der Fahrer sitzen musste. Er trommelte so lange mit den Fäusten dagegen, bis endlich der Schieber betätigt wurde und er plötzlich in ein älteres Gesicht eines Mannes blickte, der ihm sofort bekannt vorkam.

„Junger Herr, bitte beruhigen Sie sich doch“, sprach der betagte Herr mit tiefer, rauer Stimme, in der Sänfte mitschwang, und der graue Schnurrbart wackelte bei jedem Wort mit.

Erschrocken sprang Kojiro zurück und presste sich, soweit es ihm eben möglich war, auf die Rückbank zurück. Er konnte nicht glauben, was er da sah. Er wollte es nicht glauben. Das konnte einfach nicht wahr sein!

„Jiiya!“, bemerkte er den Namen des Butlers, oder zumindest, wie er halt immer von allen gerufen wurde. „Das ist nicht wahr… Du… du bringst mich doch nicht etwa…?“

„Kojiro-bocchama, bitte beruhigen Sie sich“, wiederholte der Butler ein weiteres Mal und musste aufpassen, dass er die Straße nicht aus dem Blick verlor. „Ich bringe Sie sicher wieder nach Hause, bei meiner Ehre und meiner Pflicht Eurer gnädigen Familie gegenüber.“

„Nein!“, entwich es Kojiro, noch ehe er es hätte kontrollieren können. „Jiiya, bitte halt an und lass mich raus. Ich will nicht…“

„Eure werten Eltern werden überglücklich sein, Euch wiederzusehen, Kojiro-bocchama. Es ist meine hohe Pflicht, Euch wieder wohlbehalten zu ihnen zu bringen.“

„Jiiya!“, protestierte Kojiro erneut. „Bitte, lass mich aussteigen. Ich will nicht nach Hause zurück!“

„Es ist zu Eurem eigenen Besten“, entgegnete der Butler und damit wurde das Fenster wieder zugeschoben.

Wieder sprang Kojiro auf und hämmerte erneut gegen die Trennwand. „Jiiya! Jiiya!! Halte sofort an, ich will nicht!“ Doch es nützte nichts, er war wie ein wehrloses Rattfratz in einer Rattenfalle.

 

Viel zu schnell hatte er schließlich sein Rufen und Betteln wieder aufgegeben. Er kannte den Butler nur zu gut und wusste, dass er niemals etwas tun würde, was gegen den Wunsch der Familie war. Oder in diesem Fall eher der ausdrückliche Befehl seiner Eltern. Keiner der Bediensteten führte etwas Böses gegen die Familie im Schilde, ganz im Gegenteil. Jeder Einzelne, der für sie im Dienst stand, war sorgsam von seinen Eltern ausgewählt worden und der Familie gegenüber ausgesprochen loyal und ergeben. Auch der Butler war an sich ein herzensguter und äußerst pflichtbewusster Mann, das wusste Kojiro. Er hatte nichts gegen den jungen Herrn, so wie er den Milliardärssohn gerne nannte, und Kojiro glaubte ihm auch, dass er ihn sogar mochte und aufrichtig schätzte. Nur leider wog das Wort seiner Eltern mehr als sein eigener Wille, so war es schon immer gewesen.

Also fügte er sich fürs Erste seinem Schicksal. Eine andere Wahl hatte er ohnehin nicht. Er konnte nur gegen seinen Unmut ankämpfen, die Minuten zählen und warten, bis der Wagen endlich an seinem Ziel angekommen sein würde. Und er hoffte inständig, dass sich das noch möglichst lange hinziehen würde.

Doch irgendwann endet jede Reise einmal und so erreichten sie schon bald das Haupttor zu der Sinnoh-Residenz seiner Familie. Er wusste schon Minuten vorher, dass sie bald angekommen sein müssten, immerhin kannte er die Straßen dieser Gegend noch sehr genau. Er hatte sie schon oft genug aus dem Wagen heraus gesehen.

Die Limousine fuhr ein und kam schließlich gänzlich zum Stehen. Bis aufs Äußerste angespannt wartete Kojiro auf das leise Klicken, das signalisierte, dass die Verriegelung der Türen aufgehoben war und man ihn endlich aus seiner luxuriösen Zelle entließ. Doch es blieb still. Nur die Fahrertür gab einen kurzen Knall von sich, als der Butler ausgestiegen war und die Tür wieder zuschlug. Sonst tat sich aber nichts, seine Tür wurde nicht geöffnet. Der Butler kam nicht einmal an seinem Fenster vorbei, um ihn darüber zu informieren, wie es nun weitergehen sollte. Nichts. Und genau das beunruhigte Kojiro nur umso mehr.

War das nun gut oder schlecht? Auf der einen Seite blieb es ihm so erspart, die sichere Räumlichkeit der Limousine zu verlassen und sich seiner Familie stellen zu müssen. Auf der anderen Seite wiederum bedeutete es ebenso, dass er nach wie vor gefangen war und keine Fluchtmöglichkeit hatte. Früher oder später also würde kommen, was kommen musste – es handelte sich nur noch um einen unbedeutenden Zeitaufschub.

Der auch gar nicht von langer Dauer war. Nur zwei Minuten später hörte er ein Klacken hinter sich und erschrak im ersten Moment, da er niemanden bemerkt hatte, der sich von draußen der Limousine genähert haben könnte. Ein kühler Windzug deutete ihm, dass jemand den Kofferraum geöffnet hatte und das darauffolgende Poltern signalisierte, dass vermutlich irgendwelches Gepäck verstaut wurde. Das ging wohl auch recht schnell, denn schon war erneut dieses Klacken zu hören und der Kofferraum wurde wieder geschlossen. Die Fahrertür wurde als Nächstes geöffnet, ein kurzes Wanken bestätigte den Einstieg eines Fahrers und einen Moment später setzte sich der Wagen erneut in Bewegung. Allem Anschein nach war die Sommerresidenz wohl doch nicht das endgültige Ziel ihrer Reise gewesen.

 

Es blieb Kojiro weiterhin unmöglich, den Butler, der wieder der Fahrer war, irgendwie zu bereden und zumindest in Erfahrung zu bringen, wohin er ihn überhaupt bringen wollte. Der alte Mann blieb starrköpfig und strafte seinen jungen Herrn mit Schweigen, das Kojiro nur dadurch ertragen konnte, indem er wieder starr auf die vorbeirauschende Landschaft schaute.

Dieses Mal dauerte die Fahrt wesentlich länger und Kojiro hatte sich irgendwann seiner Müdigkeit hingegeben. Ein wenig Schlaf, seiner Meinung nach in diesem Moment, war immer noch besser, als sich Gedanken darüber zu machen, wohin man ihn wohl dieses Mal bringen würde und wie er sich nur in dieses Schlamassel hatte bringen können. Hätte er doch nur nicht…, darüber wollte er nicht noch einmal nachdenken. Viel wichtiger war, was ihn wohl erwarten würde, doch auch darüber wollte er lieber nicht weiter nachdenken.

Nach einer unbestimmten Zeit, die Kojiro nicht sicher einschätzen konnte durch sein kleines Nickerchen, weckte ihn jemand durch ein ruhiges Rütteln an der Schulter. Im ersten Moment dachte er, dass es Nyasu sein könnte, der ihn im Vergleich zu Musashi meist etwas sanfter geweckt hatte. Erst, als er wieder langsam zu sich kam, erinnerte er sich, dass er sich ja gar nicht mehr bei seinen beiden Freunden befand. Diese Erkenntnis wischte mit einem Mal sämtliche Müdigkeit weg und er rutschte rein aus dem Impuls heraus von der Berührung weg.

„Kojiro-bocchama“, vernahm er die ruhige Stimme des Butlers, „wir sind angekommen.“

„Wo?“, nuschelte Kojiro zurück und wusste nicht recht, ob er das wirklich wissen wollte. Nach einem kurzen Zögern krabbelte er dann aber doch den langen Sitz entlang in Richtung Tür, die der Butler ihm in aller Höflichkeit aufhielt, und trat zögerlich nach draußen. Die Sonne blendete ihn im ersten Moment und er musste sich die Hand über die Augen heben, um etwas erkennen zu können.

‚Oh nein…‘, kommentierte er die neue Umgebung, die er lieber nicht auf Anhieb wiedererkannt hätte, und starrte auf das respektable Anwesen vor ihm. Es war um ein Vielfaches größer und erstreckte sich auf einen viel größeren Raum als die Sommerresidenz, zu der man ihn zuerst gebracht hatte. Das Anwesen vor ihm war die größte der vielen Villen, die im Besitz seiner Familie waren. - Das Haupthaus der Familie. Der goldene Käfig seiner Kindheit.

Kojiro trat ein, zwei Schritte zurück. In Gedanken wägte er bereits ab, ob er sich lieber nach links oder nach rechts drehen sollte, um einen Fluchtversuch zu unternehmen. Er wusste, dass die Chancen gering waren – sowohl, dass er den Butler so einfach überrumpeln könnte, als auch die Wahrscheinlichkeit, dass er überhaupt so schnell eine geeignete Lücke in dem teuer investierten Sicherheitssystem auf dem Grundstück finden würde, von dem er sich sicher war, dass sein Vater ordentlich nachgerüstet haben würde in den vergangenen Jahren –, trotzdem wollte er es zumindest versuchen.

Doch schon wartete die nächste Überraschung auf ihn.

Während er sich noch auf seinen Fluchtplan konzentrierte, bemerkte er das Surren nicht, das sich ihm wie eine Warnung schnell von hinten durch die Luft näherte. Noch ehe er das seltsame, schneidige Geräusch richtig wahrgenommen hatte, sausten auch schon zwei kugelähnliche Objekte um ihn herum und er konnte in der Geschwindigkeit, in der sie ihn auf einmal auf Brusthöhe umkreisten, nicht erkennen, wie sie ein dickes Seil um ihn wickelten. Es presste seine Arme dicht an seinen Körper und brachte ihn ins Straucheln. In dem Moment, in dem sich das Seil eng um ihn festzurrte und sich die beiden Enden mit einem lauten Klicken ineinander verschlossen, verlor er schließlich das Gleichgewicht und landete vornüber auf dem harten Erdboden. Es dauerte einen Moment, in dem er sich erst wieder von dem plötzlichen Schock erholen und das soeben Geschehene begreifen musste, ehe er versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Doch das gestaltete sich als äußerst schwierig, da er seine Hände fest auf seinen Rücken gebunden bemerkte und er kaum Bewegungsfreiraum hatte. Was immer da gerade passiert sein mochte, er fand sich jetzt jedenfalls gefesselt wieder – fest verschnürt wie ein Paket in Menschengröße.

„Was zum…?“, setzte er einen leisen Fluch an, während er versuchte, die Fesseln um seinen Handgelenken zu lockern. Es nützte nichts, das Seil schien sich nur noch fester um ihn zu ziehen und es begann bereits zu schmerzen.

Wer tat ihm so etwas an? Und wieso?

Während er sich diese und ähnliche Fragen stellte, gab er sich alle Mühe, irgendwie auf die Knie zu kommen. Befreien konnte er sich nicht, solange er wie geschlagen am Boden lag. Und er wollte verstehen, was da gerade passiert war. Dafür brauchte er einen freien Blick in seine Umgebung.

Nur wenige Sekunden später war es ihm gelungen, sich in eine kniende Position zu hieven. Weiter kam er aber fürs Erste nicht, da ihm das rechte Bein schmerzte, welches er sich vermutlich bei seinem Aufschlag angeschlagen haben musste, und er brauchte eine kurze Pause. In dieser kurzen Verschnaufpause blickte er sich prüfend um.

‚Es kann kein Attentat auf mich gewesen sein‘, überlegte er still vor sich hin. ‚Unmöglich. Niemand außer Jiiya und meiner Familie dürfte wissen, dass ich hier bin. Also wer…‘ Er hielt in seinen Überlegungen inne und erstarrte mit einem Mal. Wenn er den Butler ausschließen konnte, der als Einziger in seiner Nähe war, und er sich sicher sein konnte, dass seine Eltern niemals so mit ihm umgehen würden, gab es nur noch eine Person, die er in Erwägung ziehen konnte. Nur noch eine weitere Person könnte bereits von seiner Ankunft wissen, und diese Person war niemand Geringeres als…

„Kojiro-samaaa!“, hörte er auch schon just in diesem Moment eine hohe Stimme aus der Ferne rufen und er erschauerte bei dem vertrauten Klang eben jener Stimme. Sie zog seinen Blick wie ein Magnet in jene Richtung, aus der sie gekommen war – aus Richtung der Eingangstore. „Kojiro-samaaa, so eine Freude, nicht wahr? Ihr seid zurück, nicht wahr?“

‚Oh nein‘, dachte er still, da er nicht zum Sprechen in der Lage war. Mit vor Angst geweiteten Augen starrte er zu der Frau hinüber, die mit einer gewaltigen Staubwolke hinter sich geradewegs auf ihn zueilte. Schneller, als es selbst einem Dodri möglich sein dürfte. Er war unfähig, den Blick von ihr abzuwenden, obgleich er sich nichts sehnlicher wünschte, als dass er einfach die Augen schließen und somit das Unabwendbare einfach verschwinden lassen könnte. ‚Nein, bitte nicht… Nicht SIE!‘



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2014-07-21T11:44:43+00:00 21.07.2014 13:44
Du beschreibst Kojiros Zweifel so toll und seine Hoffnung Musashi wäre ihm gefolgt und das alles doch nicht so schlimm ist, wie er denkt.
Die Entführungsszene ist auch klasse. Kurz und prägnant und man erfährt erst mit Kojiro, dass es der Butler war, der ihn unmerklich ins Auto befördert hat.
Nicht nur Kojiro war gespannt auf das was kommen würde, sondern auch ich. Das war wirklich eine abenteuerliche Reise und ich mochte die Zwischenszene mit der Sommerresidenz, bis es dann zum großen Ziel ging.
Überhaupt mag ich es sehr an diesem Kapitel, dass du vieles so beschrieben hast, dass man selbst zuerst nicht weiß was genau passiert und wer oder was dafür verantwortlich sein könnte, auch wenn man schnell eine Ahnung bekommt. ;D
Hach, Rumika. Ich bin schon gespannt auf sie in den nächsten Kapiteln!


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