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Gut ist nur ein Wort

wenn Welten sich kreuzen
von

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Zähne zeigen

„Wir sind nicht alleine. Im Wald ist noch jemand.“ Feline sah zu Frederico, gespannt darauf, wie er reagieren würde.

„Woher weißt du das?“ Beinahe wäre sie zusammengezuckt. Er klang wütend.

„Ich habe es gehört. Eine Frau hat mit jemanden gesprochen.“

„Ich habe nichts gehört.“ Oh oh. Das war nicht nur Misstrauen und Wut, was in seiner Stimme mitschwang. Es war mehr. Bedrohlicher. Doch würde sie auf keinen Fall hier bleiben, weil er schlechter hörte, als sie. Sie würde gehen. Notfalls ohne ihn. Viel lag ihr nicht an ihm, anderseits konnte es einen Grund haben, warum sie beide hier waren.

Feline spannte ihre Muskeln an. Wer wusste schon, wie er reagieren würde?

„Seitdem ich hier bin, haben sich meine Sinne verbessert. Es ist also logisch, dass ich Dinge höre, die Sie nicht hören können.“ Okay. Das war vielleicht nicht sehr geschickt formuliert.

Frederico stand abrupt auf und lief auf sie zu. Ohne zu registrieren, was sie tat, fauchte Feline und ging in die Knie. Ein seltsames Gefühl kribbelte in ihren Fingerspitzen. Doch wusste sie, was es war. Ihre Fingernägel mochten zwar spitz sein, aber jetzt fuhr sie die Krallen aus. Sie war bereit zum Kämpfen.

Es passierte nicht. Er stand vor ihr und sah sie an. Feline erwiderte den Blick, sah ihm in die Augen, die kalt in tiefen Höhlen lagen. Ihr fiel auf, dass um seine Pupillen ein giftgrüner Rand war. Gruselig. Aber das sagte gerade die Richtige.

„Ich komme mit, doch solltest du mich anlügen, wirst du büßen müssen. Verstanden?“

Feline nickte.

„Laufe vor.“

Sie nickte erneut und tat wie ihr geheißen. Das hätte sie so oder so gemacht. Dennoch war es ihr unangenehm, Frederico nicht sehen zu können. Sie traute ihm genauso wenig wie er ihr. Vielleicht war das auch gut so. Momentan vertraute sie sich nicht einmal selbst.
 

Es dauerte nicht lange, bis sie die Person, zu der die Stimme gehörte, gefunden hatten. Es war ein Mädchen, oder eine Frau, Feline war sich nicht sicher, mit blonden Haaren und, mit Verlaub gesagt, unpraktischer Kleidung. Neben ihr stand ein junger Mann, etwa in ihrem Alter. Er bemerkte sie zuerst und winkte ihnen zu. Dann drehte sich das Mädchen zu ihnen.

„Hallo“, sagte sie und stockte, als sie sie genauer ansah. Kein Wunder. Sie mussten ein tolles Bild abgeben. Der eine durchlöchert und voller Blut, die andere mehr Raubtier als Mensch. Ja, das erweckte Vertrauen.

„Hallo“, sagte Feline und lächelte, bedacht ihre Zähne nicht zu zeigen, schüchtern.

„Ihr seid auch nicht von hier, oder?“
 

Zugegebenermaßen waren beide, Sunny und Ciel, geschockt, als sie die Beiden sahen. Der erste Gedanke, der Ciel kam, als er die Frau sah, war, dass sie krank sein musste. Graue Haut war normalerweise an Anzeichen für eine Vergiftung. Eventuell eine Erkrankung an der Leber, doch sah sie gesund und kraftvoll aus.

Sunny dachte an Filme, als sie den Mann sah. Er sah aus, als ob er erschossen wurde. Aber das konnte nicht sein. Man lebte nicht mehr, wenn man von Kugeln auseinander gerissen wurde. Oder?
 

„Nein, sind wir nicht“, sagte das Mädchen, „wir sind beide hier vor kurzem aufgewacht.“

„Und ihr wisst nicht, wo wir sind, oder?“

„Nein.“ Sie grinste „Aber ich bin mir sicher, dass wir das noch herausfinden.“

Das war Optimismus. Sympathisches Mädchen, aber vermutlich würde sie das jetzt von jedem anderen Menschen sagen. Verglichen mit Frederico war es auch jeder.

„Das dachte ich mir.“ Sie machte eine kurze Pause. „Ich bin Feline Schwarz.“ Einen Grund, ihren Begleiter vorzustellen, sah sie nicht. Erstens, weil ein erwachsener Mann in der Lage sein sollte, es selbst zu tun und zweitens, weil sie ihn nicht mochte. Das war der Hauptgrund.

„Sunny Rose“, stellte sie sich vor, „und das ist Ciel. Seinen Nachnamen kenne ich nicht, aber er kann's mir nicht sagen. Eigentlich kann er überhaupt nichts sagen.“

Feline wandte sich zu Ciel. „Oh, du bist also stumm?“

Er nickte. Feline konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ihre Unsicherheit, was sie nach der Schule tun wollte, hatte sich endlich ausgezahlt.

„Ich kann ein wenig Gebärdensprache.“

Jetzt war es er, der grinste.

Aber sicher nur Deutsche, oder?

Feline blinzelte. „Ja, natürlich.“

Weil ihr nicht Deutsch redet und auch nicht Englisch.

Das einzige, was ihr dazu einfiel war ein „Hä?“, dem sie nach einigen Sekunden ein „was reden wir dann?“, hinzufügte.

Ich weiß es nicht genau. Aber ich vermute, es ist Japanisch.

„Das ist ein Scherz, oder?“

Nein. Schau dir genauer an, welche Bewegungen ich mache. Sie sind anders. Mir kommen sie locker von der Hand, als ob ich nie etwas anderes gemacht hätte, aber wenn du darauf achtest, merkst du es. Ich komme aus Frankreich und du, wenn ich mir deinen Namen anhöre, aus Deutschland. Ich spreche kein Wort Deutsch. Aber du verstehst mich einwandfrei.

„Du hast Recht.“ Das war seltsam. Sehr seltsam.

„Was ist los?“, wollte Sunny wissen. Neugierig sah sie zwischen Feline und Ciel hin und her. „Wir sprechen nicht unsere Landessprache, sondern Japanisch.“

Sunny reagiert wie Feline. „Hä? Ich dachte wir reden Englisch.“
 

Frederico nicht.

„Und das soll ich glauben?“ Feline zuckte zusammen und wirbelte herum. Es war ein Fehler gewesen, weiter nach vorne zu gehen, während er hinter ihr blieb und ihm noch dazu den Rücken zuzukehren. Ohne es zu wollen, wich sie zurück und er kam näher.

„Ich weiß doch auch, dass das total seltsam klingt. Aber warum sollte ich Sie anlügen? Ich hab dafür keinen Grund.“

„Und ich auch nicht“, warf Sunny, offensichtlich geschockt, ein. „Ciel vermutlich genauso wenig.“ Dieser nickte.

„Natürlich“, sagte Frederico bedrohlich ruhig, „es ist vollkommen wahrscheinlich, dass ich eine andere Sprache spreche und zufällig kann das Tier den Stummen verstehen. Natürlich.“

Tier? Hatte er das tatsächlich gesagt? Feline gab ein Fauchen von sich, klang dabei nicht mehr wie ein Mensch.

„Verstehen Sie doch endlich! Das ist kein Scherz, verdammte Scheiße!“

„Ruhe! Ich lass mich nicht verarschen!“
 

Jetzt reichte es Amaro. Was auch immer diese Frau war, ein Mensch war sie nicht und sie log. Ein Schritt näher an sie heran. Wie schon am Bach machte sie sich bereit für einen Kampf. Es war ihm nicht entgangen.

„Ich verarsche Sie nicht. Ich weiß nicht, was für ein Problem Sie haben, aber Sie haben definitiv eins.“

Jetzt wurde sie auch noch frech.

„Noch ein Wort und ich werde eines meiner Probleme gleich erledigen. Dich.“

„Versuchen Sie es.“ Das Tier grinste ein groteskes Grinsen.

Noch bevor Amaro ihrer Aufforderung nach kommen wollte, unterbrach das Mädchen (Sunny? Oder so ähnlich. Er wollte sich nicht die Mühe machen und sich ihren Namen merken) die Beiden.

„Jetzt hört auf!“ Schrecklich nervige Stimme. Doch noch nerviger war der Stumme, der es wagte, sich zwischen sie zu stellen und mit seinen Händen herum zu fuchteln. Natürlich verstand das Tier ihn, verlor alle Bedrohlichkeit und richtete sich auf.

Nur widerwillig folgte er ihren Blicken. Vier weitere junge Leute – nicht unbedingt Kinder, aber bei weitem jünger als er – standen zwischen den Bäumen und starrten sie an. Als erstes fiel ihm ein Mädchen auf, das ein blutbesudeltes Kleid trug.

„Wir sind also nicht alleine.“

Gut erkannt. Amaro musterte den Mann, von dem die Worte kamen, misstrauisch. Er war etwa so groß wie er, dunkelhäutig und trug abgenutzte Kleidung. Besonders die Schuhe ließen erkennen, dass er schon viele Kilometer in diesen gelaufen war. Möglich, dass es einfach nur ein seltsamer Modetrend der Jugend war, aber eine Sache schien ihm wahrscheinlicher. Die anderen zwei, eine Frau und ein Mann, waren nicht weiter erwähnenswert.

„Sieht wohl so aus.“ Sunny grinste, schon wieder, oder immer noch, auf diese dämliche Art.
 

Einige Erzählungen, wie sie hier her gekommen sind, wie sie hießen und wie alt sie waren, später, waren sie zu der Lichtung, auf der er aufgewacht war, zurück gekehrt. Selbstverständlich hatte er nichts über sich erzählt, ebenso hielt sich Ruri zurück und Ciel sagte nichts. Doch hatte er das Glück, vollkommen zufällig einen weiteren Übersetzer gefunden zu haben. Ciaran, der Ire, der behinderte Menschen betreute, hatte, so sagte er zumindest, die Sprache der Stummen bei einer Fortbildung gelernt. Zumindest im Ansatz. Welche Zufälle es doch gab.

Amaro hörte keinem von ihnen wirklich zu. Es gab auch nichts, was wirklich wichtig war.

„Ciel studiert Medizin“, erklärte Ciaran, „im fünften Semester.“ Höchst interessant.

Das Tier, Feline, studierte ebenfalls. Allerdings Psychologie. Auch diese Tatsache war ihm egal. Ruri schloss sich den Studierenden an. Ihr Fach war Philosophie. Sunny war Schülerin, wurde aber zum Model ausgebildet und versuchte sich noch dazu als Modeberaterin. Kamil hatte keine feste Arbeit.

„Ich schlage mich mit Gelegenheitsjobs durchs Leben.“ Das bestätigte seine Vermutung.

Die Chemikerin, er hatte ihren Namen vergessen, hatte es geschafft sich selbst in die Luft zu sprengen.

Ciaran war ertrunken, als er seinen besten Freund retten wollte. Das war der Grund, warum Amaro keine Freunde hatte. Sie brachten nur Ärger.

Sie redeten viel unnötiges Zeug, über die Möglichkeiten, wo sie waren und wie sie wieder wegkamen. Amaro war mittlerweile aufgestanden, um von der Gruppe wegzukommen. Das war nicht zum Aushalten.

„Meint ihr, es sind noch mehr hier?“ Die Frage kam von Sunny.

„Nein“, antworten Kamil und Feline gleichzeitig und sprachen damit aus, was Amaro dachte.

„Naja“, sagte Feline nach einige Momenten der Stille, „es ist so ein Gefühl. Als ob wir ...“ Sie beendete den Satz nicht.

Das tat Kamil. „Vollständig wären.“
 

Es würde keiner mehr dazu kommen. Amarao wusste das und die anderen taten es auch. Für einen Moment, so kurz, dass er sofort wieder verflog, bevor er ihn begreifen konnte, spürte er, dass sie gleich waren. Miteinander verbunden.
 

Der Moment wurde ausgelöscht. Verschwand in dem Meer des Misstrauens. Er musste schnell hier weg, sonst würde er noch verrückt werden. Die Anderen waren verrückt. Ganz einfach. Entweder sie glaubten diesen Schwachsinn, oder sie waren gute Schauspieler.

Das Gespräch kam wieder auf das wo zurück.

„Ich habe vorhin etwas gefunden“, sagte Sunny und zog einen Gegenstand aus Metall hervor.

„Ist das das, was ich denke?“ Die Chemikerin schien überrascht.

„Ja. Es ist ein Shuriken.“

Ein was? Amaros Blick lenkte sich auf das, was das Mädchen in der Hand hielt. Ein Wurfstern also.

„Und es ist scharf. Ich habe mich vorhin an den Seiten geschnitten.“

„Wow.“

„Zeig mal her.“ Neugierig nahm Feline das Shuriken in die Hand. „Schwerer, als ich gedacht habe.“ Sie gab es an Ciaran weiter.

„Es ist definitiv echt.“

„Wirf es mal“, verlangte Sunny lächelnd.

„Nur zu gerne.“ Mit einer Begeisterung, die Amaro an einen kleinen Jungen erinnerte, stand Ciaran auf und deutete auf einen Baum. „Mal sehen, ob das so einfach ist, wie es in Animes aussieht.“

Anscheinend war es nicht einfach. Die Waffe traf den Baum, wenn auch knapp, prallte ab und blieb ihm Gebüsch liegen.

„Wir verpassen viel Training.“ Sie lachten und Amaro verdrehte die Augen. Es wäre sicher besser, wenn er wirklich tot gewesen wäre und seine Aussage im Bezug auf das Alter nahm er zurück. Das waren Kinder.

„Was zum?“ Ciaran war bei den Büschen stehen geblieben. „Kommt mal her, das müsst ihr sehen.“

Widerwillig folgte Amaro, mehr aus Misstrauen als aus Neugier. Doch das Tier kam, mit einem Zettel in der Hand, auf halber Strecke auf ihn zu.

„Glauben Sie immer noch, dass das ein Scherz ist? Da.“ Sie drückte ihm das Papier in die Hand, auf dem etwas draufgekrizelt war.

„Na und?“

„Das sind keine lateinischen Buchstaben. Das ist Japanisch. Wir verarschen Sie nicht und das ist der Beweis.“

„Wieso sollte das ein Beweis sein?“

„Weil Sie es lesen können. So wie wir alle.“

Mittlerweile waren die anderen bei ihm. „Wir verstehen auch nicht, was hier abläuft. Ich wollte es zunächst auch nicht glauben“, sagte Kamil ruhig.

„Es gibt keinen logischen Grund hierfür, aber es ist nun mal so“, mischte sich die Chemikerin mit ein.

„Ich kann da gar nichts von lesen.“ Amaro knüllte den Zettel zusammen und schmiss ihn vor Kamils Füße.

„Wie du meinst.“ Kamil hob den Zettel auf. „Aber hol dir zumindest was von der Ausrüstung. Du wirst sie brauchen.“ Er deutete auf die anderen, die aufgeregt mit einander redeten.

Ohne ein Wort zu sagen oder auf sie zu achten, drängte sich Amaro an den dreien vorbei und stampfte zum Waldrand. Hinter sich hörte, wie das Tier leise „Arschloch“ sagte. Wenn sie das meinte. Er würde ihr noch zeigen, dass er es nicht zuließ, dass man Spiele mit ihm spielte.
 

„Also ehrlich, ich glaube, wir sind wirklich in der Naruto-Welt. Ich mein, schaut euch die ganzen Sachen an. Das ist genau wie im Manga.“ Sunnys nervige Stimme war von Begeisterung überschwemmt.

Ciaran schüttelte seinen Kopf. „Das kann doch nicht sein.“

„Aber wieso können wir dann Japanisch? Wieso lag da ein Shuriken? Und warum sind die Klamotten und die Ausrüstung genau wie da?“

„Ja, schon.“ Ciaran blies Luft aus seinen Wangen. „Nur warum? Was sollen wir hier? Das ist das echte Leben und keine Fanfiction.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2012-12-13T18:04:21+00:00 13.12.2012 19:04
Cool *-*
Ich mag Ciel.


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