Zum Inhalt der Seite

Federspiel

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Pläneschmiede

Ash, Misty und Gary schwiegen. Schon vorher zu wissen, wie eine Geschichte endete, schon zu wissen, dass sie kein Happy End haben würde, nahm ihr leider nichts von ihrem Schrecken und ihrer Grausamkeit. Was Mary ihnen da erzählt hatte, das war nicht nur keine schöne Geschichte gewesen; es war das Furchtbarste, was sie jemals gehört hatten.

„Natürlich weiß niemand genau, ob es sich damals nun wirklich exakt so zugetragen hat. Und jeder, der die Geschichte erzählt, schmückt einen anderen Teil etwas aus. Manche behaupten, Lawrence hätte voreilig gehandelt und die Situation hätte vielleicht noch gerettet werden können. Andere sagen, er hatte keine Wahl, weil die drei wirklich kurz davor waren, sich gegenseitig zu töten, und dass John wirklich vorhatte, die Welt in einen Krieg zu stürzen, sodass neu erwachten Federn vielleicht gar nicht genug Zeit geblieben wäre, etwas gegen ihn zu unternehmen. Die Wahrheit kennen allein diejenigen, die dabei waren; und von denen lebt heute natürlich niemand mehr.“

Wie zu sich selbst schüttelte Ash den Kopf. Auch wenn Marys Erzählung grauenvoll gewesen war, es brachte nichts, sich jetzt in Kummer über den damaligen Ausgang zu verlieren. Jetzt waren er, Misty und Gary die drei Federn, deren Auftrag es war, Ishi zu besiegen und einem Menschen vor dem Tod zu bewahren. Die Geschichte war grausam gewesen – aber hoffentlich hatte sie auch einige Anhaltspunkte geliefert, die ihnen bei ihrer eigenen Mission von Nutzen sein würden.

„Mary, die drei Federn in Ihrer Geschichte… sie haben mit Waffen gekämpft?“ Mary nickte.

„Ja, anscheinend ist es den Federn möglich, ihre Energien in bestimmte Formen zu zwingen.“

„Stimmt, ich habe mit Wazu doch auch schon einmal einen Schild errichtet.“ Sie verschwieg, dass es im Kampf gegen Ash gewesen war.

„Meistens wählen die Federn wohl Schwerter, weil es sich damit besser kämpfen lässt als mit bloßen Energiekugeln.“

„Auch, wenn man den Umgang mit Waffen überhaupt nicht gewohnt ist? Ich stell mir das schwieriger vor, als einfach nur Energie in die Gegend zu schießen.“

„Ich weiß es natürlich nicht aus eigener Erfahrung, aber mit den von Ellenki, Wazu oder Fii geschaffenen Waffen sollen die Federn ganz automatisch umgehen können. Vielleicht solltet ihr es einfach mal versuchen?“

„Wir werden ganz sicher nicht mit irgendwelchen Waffen kämpfen!“ Gary, der sich bis eben aus dem Gespräch herausgehalten hatte, war nun aufgesprungen und blickte die anderen drei ungläubig an. „Falls ihr es vergessen habt, wir suchen nach einer Möglichkeit, Ishi friedlich zu besiegen, ohne den Menschen, der sie beherrscht, umzubringen! Ich glaube nicht, dass Waffen da sehr förderlich wären.“

„Das seh' ich anders“, entgegnete Misty. „Natürlich haben wir nicht von vornherein vor, den Ishi-Träger zu töten. Trotzdem denke ich, dass es durchaus von Vorteil wäre, wenn wir unsere Energien besser beherrschen könnten. Und ganz ehrlich… ich denke auch, dass es gut ist, für den Ernstfall gerüstet zu sein.“ Ihre Stimme war leise geworden. „Du hast doch gehört, wie das Ganze beim letzten Mal ausgegangen ist. Und bevor ich Ash oder dir wehtu…“ Sie ließ ihren Satz unbeendet. „Noch dazu hat sich jetzt nach Marys Geschichte ja immer noch keine Möglichkeit gezeigt, wie man Ishi ansonsten besiegen könnte.“

„Da bin ich mir nicht sicher…“, mischte sich nun auch Ash wieder ein. „Mary, dass die Federn zu diesem John gesagt haben, er solle Ishi und Mew gehen lassen… ist das eine Tatsache, oder möglicherweise auch nur eines der dazu gedichteten Details?“

„Ganz sicher kann ich es nicht sagen. Aber soweit meine Großmutter mir erzählte, kommt dieser Aspekt wohl in mehreren Varianten der Geschichte vor.“

„Das heißt also, dass es für den Ishi-Träger zumindest prinzipiell möglich sein muss, seine Energie irgendwie wieder loszulassen. Wir können das nicht.“

„Nein… In der Legende stand, dass wir bis zu unserem Tod Federn und die Vögel bis dahin an unserer Seite bleiben.“

„Das scheint mit Mew und Ishi also anders zu sein. Vielleicht ist das ein Punkt, an dem wir anknüpfen können. Wenn wir den Ishi-Träger davon überzeugen können, dass sein Handeln falsch ist und er Ishi wieder loswerden muss.“ Er dachte kurz nach. „Aber mal was ganz anderes – weil Misty gerade die Legende an den Felsen erwähnt hat. Mary, Sie haben doch gesagt, dass Menschen, die sie zufällig entdecken, sie nicht für real halten?“

„Genau, weil ihnen diese Worte zu fantastisch erscheinen.“

„Das mal total außer Acht gelassen – aber das heißt, dass jeder, der zur Insel kommt, die Inschrift lesen kann? Einfach so?“ Mary blinzelte irritiert, während Misty und Gary aufhorchten, wissend, worauf Ash anspielte.

„Ja, natürlich. Warum sollten sie nicht?“

„Weil wir sie nicht sofort lesen konnten. Ich war mit Arktos wohl als erste von uns dreien auf der Insel, und bei mir stand dort nur lückenhaft der erste Abschnitt und ein paar kleinere Bruchstücke.“

„Und bei mir“, fuhr Gary nun fort, „war es immerhin schon ein bisschen mehr Text, aber immer noch nicht alles.“

„Erst, als Zapdos und ich jetzt auch dabei waren, war die Legende komplett. Oder zumindest denken wir, dass sie jetzt vollständig sein müsste. Wenn Sie mal einen Blick darauf werfen würden?“ Sie reichten Mary ihre Notizen, und nachdem diese sie aufmerksam durchgelesen hatte, nickte sie.

„Ja, das ist die gesamte Legende der Federn. So, wie sie draußen an den Felsen steht. Und ich habe bisher noch nie davon gehört, dass sie nicht komplett dort stehen soll.“

„Dann war es wirklich Ishi.“ Ash nickte abermals zu sich selbst. „Wir hatten schon überlegt, ob sie verhindern wollte, dass wir die Legende kennenlernen. Sie muss vor uns auf der Insel gewesen sein und die Legende irgendwie für uns unkenntlich gemacht haben. Zumindest hatte sie das wohl vor.“

„Aber zum Glück für uns ist es ihr anscheinend nicht ganz gelungen“, entgegnete Misty. „Das heißt aber auch, dass Ishi die Legende ebenfalls kennt und weiß, dass es uns gibt und dass wir sie aufhalten wollen.“

„Na ja, aber das war uns ja eigentlich eh schon klar.“ Nachdem Ishi jetzt bereits zweimal versucht hatte, ihre Pläne zu sabotieren, indem sie ihre Schwächen und Ängste ausnutzte. Unschlüssig ging sowohl Ashs als auch Mistys Blick kurz zu Gary, der sich inzwischen wieder gesetzt hatte und nun schweigend aus einem Fenster sah. Sie würden wohl auch diesmal keine Antwort erhalten, also behielten sie ihre Frage für sich.

„…Aber ist das nicht irgendwie ganz schön grausam?“ Mistys plötzlicher Themenwechsel ließ die anderen drei aufsehen, doch sie fuhr fort, bevor sie fragen konnten, was sie meinte. „Dass ein Pokémon seinem Trainer immer bedingungslos folgt, meine ich. Mew muss doch gewusst haben, dass Johns Ziel ein schlechtes war und dass es falsch war, was sie da getan haben. Und trotzdem würde es einem Pokémon niemals einfallen, sich seinem Trainer zu widersetzen. Leidet es nicht vielleicht auch darunter? Macht es sich keine Vorwürfe? Ich weiß ja nicht, ob das Mew immer dasselbe ist. Aber Arktos, Zapdos und Lavados…“ Unbewusst griff sie in ihre Tasche mit dem blauen Pokéball. „Die Legende sagt, sie sind so alt wie die Zeit, und es passiert immer wieder, dass Ishi außer Kontrolle gerät… Wie oft haben die drei Vögel vielleicht schon dazu beigetragen, dass jemand getötet wurde? Für die drei wiederholt sich die Geschichte immer und immer wieder… Und sie können nur hilflos zusehen und nichts tun.“

„Sie können etwas tun.“ Überrascht sah Misty Ash an. „Wer wählt die drei Federn wohl aus? Doch bestimmt nicht die drei Mächte selbst, ich meine… das sind schließlich nur… Mächte, also nichts Konkretes oder so. Ich denke, dass wir von Zapdos, Arktos und Lavados auserwählt wurden. Vielleicht sind wir drei deshalb auch so anders, als es die Federn vorher waren. Vielleicht haben die Vögel sich bisher immer Menschen gesucht, die wirklich Meister ihres Elements waren, bestimmte Charaktereigenschaften hatten und darum gut mit ihnen kämpfen konnten. Aber das hat anscheinend zu oft nicht funktioniert. Vielleicht ist es deswegen diesmal anders. Weil wir selbst nicht perfekt sind und darum den Ishi-Menschen besser verstehen können.“

„Und weil wir uns kennen. John hat doch am Ende versucht, die drei Federn gegeneinander aufzuhetzen, weil sie einander fremd waren und sich vielleicht nicht wirklich mochten. Aber ich kenne dich seit Beginn deiner Pokémonreise und Gary fast genauso lange, und ihr seid beide unglaublich wichtig für mich.“ Abermals beschlich Ash das Gefühl, dass es in Mistys und Garys Leben wohl eine gemeinsame Etappe gegeben haben musste, die er verpasst hatte. Aber das war nicht der Zeitpunkt, um danach zu fragen.

„Und was Mew angeht…“ Er dachte einen Augenblick nach und dann, als ihm etwas einzufallen schien, weiteten sich seine Augen überrascht. „Doch, ich glaube, Mew weiß genau, dass es falsch ist, was sie tun. Und ich glaube, es versucht irgendwie, sich dem Ganzen zu widersetzen.“

„Wie kommst du darauf?“

„Als ich… in dieser einen Nacht versucht habe, in dein Zimmer zu kommen…“ Er konnte nicht aussprechen, mit welcher Absicht, nicht vor Mary, und die anderen beiden verstanden ihn auch so. „Da hat mir doch ein Licht die Tür geöffnet.“

„Ja. Das war vermutlich Ishi oder Mew. Und?“

„Das war nicht alles. Als ich dann bei dir war, als du noch geschlafen hast… Kurz bevor…“ Er suchte nach Worten. So erzählt klang das Ganze gerade nicht unbedingt besser, aber Mary war höflich genug, nicht nachzuhaken. „Da war draußen vorm Fenster noch mal ein Licht. Und das hat mich abgelenkt und dich geweckt.“

„Und du meinst…?“

„Ich bin mir jetzt sicher, das Licht war auch Mew. Es war bestimmt in der Nähe und es hat sich absichtlich gezeigt, sich absichtlich verraten, damit ich abgelenkt werde.“

„Das heißt“, begann nun Gary, „dass Mew wirklich weiß, dass es falsch ist, was sie tun. Und dass es auf seine Art versucht, etwas dagegen zu unternehmen.“ Ash nickte.

„Und das heißt auch, dass es noch nicht beschlossene Sache ist, dass sich die Geschichte wiederholen wird. Im Gegenteil, die Chancen stehen nicht schlecht, dass sie diesmal einen anderen Ausgang findet.“

„Und wie wollt ihr jetzt weiter vorgehen?“ Mary sah die drei jungen Pokémontrainer an.

„Tja, gute Frage.“ Ash legte nachdenklich die Stirn in Falten. „Unsere Pläne gingen nur bis hierher, weil wir gehofft hatten, hier Antworten und neue Anweisungen zu finden. Aber jetzt…“

„Vielleicht sollten wir als erstes versuchen, Wazu und die anderen Mächte besser beherrschen zu lernen. Und sie in die Form von Waffen zwingen zu können, für den Notfall.“

„Also bleibt ihr fürs Erste hier?“

„Ja, ich denke schon“, entgegnete Ash. „Allerdings haben wir uns aus dem Pokémoncenter schon ausquartiert, weil Schwester Joy meinte, sie erwartet für heute eine größere Gruppe Pokémontrainer. Und weil wir offiziell ja nur drei Reisende ohne Pokémon sind, haben Trainer im Center natürlich Vorrang… Dürfte nicht so einfach werden, in Dansazu City noch einen Platz zum Übernachten zu finden.“

„Was das betrifft, müsst ihr euch keine Sorgen machen. Viel frei hab ich zwar auch nicht mehr, aber wenn ihr beiden Jungs euch ein Zimmer teilt, dann bekomm ich euch schon noch unter.“

„Wirklich? Das wäre wunderbar, Mary. Vielen Dank!“

Für einen kurzen Moment spielte Gary mit dem Gedanken, Ash und Misty vorzuschlagen, ob nicht lieber sie beide sich das Zimmer teilen wollten. Aber wenn Ash auch nur noch ein bisschen der kleine Junge von damals war, würde er diesen Vorschlag vehement und mit hochrotem Kopf ablehnen.

„Also gut, dann ist das beschlossene Sache.“

Und so sagte er nichts.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  KiraNear
2014-03-30T22:07:06+00:00 31.03.2014 00:07
Ironisch, mir fällt gerade auf, dass ich meinen Rivalen in Pokemon Gelb auch John genannt habe, einfach, weils mir ne Freundin gesagt hat XD
Btw, tolles Kapitel - ja, das mit Ash am Ende hätte ich mir auch gut vorstellen können^^
Von: MiyaToriaka
2014-03-29T11:32:59+00:00 29.03.2014 12:32
Unglaublich, ich hätte das Kapitel jetzt wirklich verpasst, wäre ich nicht zufällig auf die Pokémon-Startseite gegangen. ARGH!
Das Kapitel hat jetzt zwar nichts Besonderes, aber es muss ja irgendwann auch mal Überlegungen und Pläne für den Umgang mit allen Elementen geben, weshalb es natürlich durchaus Sinn macht. Ich kann allerdings jetzt nichts explizietes dazu sagen, da es hier ja nur um so etwas ging und die Handlung stehen geblieben ist. Nach wie vor bin ich aber sehr gespannt, was mit Gary nicht stimmt. Er hat sich quasi aus der ganzen Grübelei raus gehalten, was gar nicht seine Art ist und natürlich weiß der Leser schon seit Ende von Mistys Ishi-Übernahme, das etwas mit ihm nicht stimmt. Du spannst einen da ganz schön auf die Folter und das finde ich gut. Immerhin ist das schon das 15. Kapitel und da muss man die Leser ja noch einiges vorenthalten, damit es interessant bleibt.
Natürlich hoffe ich, dass im nächsten Kapitel "etwas passiert", aber du wirst deine Gründe haben, warum du deine Geschichte so aufbaust, und der Plot wird danach umso überraschender sein.
Mach bitte weiter so. Ich liebe "Federspiel"! ♥

LG
Miya

(PS: Und ich fände -auch wenn es ungebracht an der Stelle ist XD- den Gedanken von Gary, dass er ein Zimmer für sich allein haben will, seeeeehr interessant. *gg* Allerdings bin ich auch gespannt, warum du die Bemerkung "Gary und Misty haben wohl eine gemeinsame Vergangenheit, von der Ash nichts weiß" mit einfließen hast lassen. Das macht mich als 100%igen AGM-Fan noch unruhiger und neugieriger!! ARGH!! XD)


Zurück