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Sowas wie Liebe: Neji

von

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Aller Anfang ist schwer...

»Hier sind wir, Hiashi. Herzlichen Glückwunsch zum 3. Geburtstag, Hinata...«

Sie ist süß, Vater...

Was hast du denn Vater? Warum bist du traurig?

»Ich nehme Neji dann mit...«

Eh?

»Ja...«

Vater...

»Verzeih mir, Neji...«

Vater? VATER!

»Komm mit, Neji...«

Was wollt ihr von mir? Lasst mich los! Ihr tut mir weh! Vater, hilf mir doch!

»Es könnte jetzt ein bisschen wehtun...


 

Ich schrecke aus dem Schlaf und schreie kurz auf. Hastig atmend sitze ich im Bett und Schweißperlen laufen mir über die Schläfen. Schon wieder dieser Traum... Ich lege meine Hand auf die Stirn und bleibe so einen Moment sitzen. Langsam beruhigt sich mein Atem wieder und ich schaue zur Uhr. Es ist 3 Uhr morgens. Um 7 trifft sich erst das Team. Eigentlich könnte ich mich nochmal hinlegen und weiterschlafen. Wenn denn überhaupt noch an Schlaf zu denken wäre... Gedankenverloren streiche ich mir die Haare aus dem Gesicht, die wild durcheinander herunterhängen und verlasse dann das Bett. Was ich jetzt gebrauchen kann, ist eine Abkühlung. Ich schiebe eine Tür zu einem Nebenraum auf und betrete dann das Bad. Und an meinem Spiegelbild bleibe ich hängen. Da prangt es auf meiner Stirn. Dieses verfluchte Zeichen. Und es wird immer, bis an mein Lebensende, dort sein. Meine Hand ballt sich zur Faust. Mein Blick heftet sich auf das grüne X auf meiner Stirn. Kurze Erinnerungen blitzen durch meinen Kopf. Über meinen Vater und über diese Tortur. Nein, ich habe die Schmerzen nicht vergessen, die ich damals hatte, als man mir dieses Zeichen einprägte. Wütend drehe ich mich vom Spiegel weg und betrete die Dusche. Ich lasse eiskaltes Wasser über mich laufen, um die Müdigkeit zu vertreiben. Dann drehe ich das Wasser wärmer und dusche mich schnell ab.

Nach der Dusche trockne ich mich schnell ab, ziehe mir etwas über und setze mich auf die Fensterbank in meinem Zimmer. Draußen ist noch alles ruhig und verlassen. Mein Blick wandert zu einem Foto auf meinem Schreibtisch. Ein Foto meines Vaters, das bei meiner Geburt gemacht wurde. Glücklich hält er ein Baby – mich – in seinen Armen. Es ist das einzige Foto meines Vaters, was ich habe. Ich weiß auch nicht, ob es noch mehr gibt... Als nächstes schaue ich auf den Kalender, der in einer kleinen, unscheinbaren Ecke hängt. Bald ist mein 13. Geburtstag. Aber ich werde ihn nicht feiern. Und in einem halben Jahr ungefähr, Ende Dezember, nur wenige Tage nach Hinatas Geburtstag und dem Tag, an dem ich das Juin erhielt... ist sein Todestag. Und ich würde wie jedes Jahr sein Grab besuchen. Man sollte meinen, dass man nach 9 Jahren über den Tod eines Menschen hinwegkommen könnte. Doch ich habe es nicht geschafft. Trotz aller Bemühungen gibt es etwas, was das 'Genie aus Konoha' nicht zustande bringen konnte.

Gequält lache ich auf. Welch Ironie des Schicksals...
 

Ich stehe auf und verlasse das Anwesen. Die Luft ist kühl und der Himmel ist noch dunkel. Nur am Horizont wird es langsam hell. Meine Beine tragen mich in den Wald, zu unserem Trainingsplatz. Hier sind die Vögel schon wach und zwitschern vor sich her. Hier kann ich Ruhe finden... Ich lasse mich an einem Baum nieder und schließe die Augen. Beim meditieren kann ich meine Gedanken ordnen und für einen Augenblick verbannen. Dann kann ich mich auf wesentliche Dinge konzentrieren und für den Moment inneren Frieden finden.

Doch der erste äußerliche Einfluss reißt mich nach ca. 3 Stunden aus meiner Konzentration.

„Hallo Neji“, begrüßt mich Lee fröhlich. Ich öffne meine Augen nicht. Ich möchte nicht gestört werden. Also grummel ich nur irgendwas unverständliches und lasse es dabei beruhen. Lee würde ohnehin jetzt mit dem Training anfangen und mich in Ruhe lassen. Doch es dauert nicht sehr lange und auch der zweite äußerliche Einfluss reißt mich aus meiner Konzentration...

„Hallo TenTen!“, höre ich Lee rufen und er entfernt sich von seinem Ursprungsort.

„Hallo Lee“, kann ich nun auch TenTen hören. Beide kommen wieder näher. Angestrengt versuche ich mich wieder auf meine Meditation zu konzentrieren, aber es klappt nicht so recht.

„Na, bist du fit heute? Sensei Gai hat großes mit uns vor.“ Ach, sieh an... Lee scheint also schon zu wissen, was heute auf dem Trainingsplan steht? In seiner Stimme jedenfalls schwingt die pure Begeisterung und Freude mit.

„Egal was wir heute machen werden, die erste, die zusammenbrechen wird, ist TenTen. Ob sie nun fit ist oder nicht.“

„Ach und woher willst du das bitteschön wissen?“ TenTen klingt sauer. Ich öffne meine Augen und schaue sie an.

„Weil es dein Schicksal ist. Du bist schwach zur Welt gekommen und wirst immer schwach bleiben. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Gewöhn dich besser dran.“ Ich kann sehen, wie ihre Hände zu Fäusten werden und in Ihrer Stimme ist die Wut nicht zu überhören.

„Ich glaube aber nicht an das Schicksal.“ So eine Antwort habe ich von einer unwissenden erwartet. Mit meiner Konzentration ist es nun eh hin. Also stehe ich auf und gehe auf TenTen zu. Sie hat ja keine Ahnung was es heißt, dem Schicksal willenlos ausgeliefert zu sein.

„Das solltest du aber. Denn das Schicksal bestimmt unser Leben von Geburt an. Es gibt vor was du bist, wer du bist und wie du bist. Und dieses Schicksal kannst du nicht ändern. Es wird dein Leben immer bestimmen.“

TenTen schaut mich schweigend an. Ihr fehlen die Worte. Sofort erkenne ich an ihrem Blick, dass sie einen gedanklichen Konflikt mit sich austrägt. Dann mischt Lee sich ein und stellt sich schützend vor TenTen. Pah, als ob er sie vor der Realität beschützen könnte!

„Sei dir da mal nicht so sicher, Neji. TenTen mag jetzt nicht so stark sein wie du, aber eines Tages wird sie dich sicher besiegen.“ Ich muss kurz auflachen und schaue Lee dann durchdringend an. Und er erwidert meinen Blick tapfer.

„Diesen Tag möchte ich sehen…“
 

Und wie aus dem Nichts erscheint Sensei Gai aus einer Rauchsäule, die plötzlich zwischen uns auftauchte.

„Du solltest die Frauen nicht unterschätzen, Neji. Der Tag, an dem TenTen dich besiegen wird ist der Tag, an dem du vor Hochmut dein Training vernachlässigen wirst.“ Bitte was? Mein Blick wandert von Sensei Gai rüber zu TenTen, die angefangen hat zu lachen. Auch Lee nickt.

„Wahre Worte von einem wahren Meister.“ Wollen die sich über mich lustig machen? Über mich, dem Genie? Ich unterdrücke meine Wut und meine weiteren Kommentare, stattdessen drehe ich mich um und verschränke die Arme vor der Brust.

„Meine Ziele lassen es nicht zu, dass ich das Training vernachlässigen werde.“ Denn niemals würde ich mein Ziel aus den Augen verlieren: Es als Mitglied der Zweigfamilie zu etwas zu bringen. Nicht so zu enden wie die restlichen Mitglieder.

„Dann sollten wir jetzt am besten sofort mit dem Training beginnen, solange das Feuer der Jugend noch in euch brennt.“ Sensei Gai scheint motiviert zu sein. Denn wie sich herausstellte, gab es für heute keine Mission für uns. Wir trainierten den ganzen Tag. Seisei Gai ging das komplette Programm mit uns durch. Und wie ich bereits erwähnte war TenTen wirklich die erste, die zusammenbrach und nach Luft schnappte. Aus dem Augenwinkel schaute ich zu ihr und beobachtete sie während Sensei Gai weiter den Rhythmus der Übungen angab. Heute würde der erste Tag sein, an dem wir privat trainieren. Und neben ihrer Deckung muss sie wohl auch noch etwas an der Ausdauer arbeiten...

Gemeinsam stellen wir uns nun auf Senseis Anweisung hin in den Pferdestand (*). 3 Minuten in diesem unmöglichen Stand. Aber gut, was solls. Ich schließe meine Augen und konzentriere mich auf andere Sachen. Ich versuche mir das heutige Training mit TenTen ins Gedächtnis zu rufen. Wie würde ich am besten vorgehen? Wo fange ich an? Zwischendurch merke ich, wie Sensei Gai meinen Stand korrigiert. Aber ich kümmer mich nicht weiter drum, ich lasse es einfach über mich ergehen und lenke mich von den Schmerzen in meinen Beinen ab.

„Das Training ist für heute beendet. Geht nach Hause und ruht euch aus. Morgen machen wir das gleiche, wenn es keine Mission für uns gibt“, sagt Sensei Gai zum Schluss. Ich öffne meine Augen und stelle mich wieder normal hin. Ich schaue zu Lee, der durch die Gegend springt als wäre nichts gewesen. Dann wandert mein Blick weiter zu TenTen, die ziemlich mitgenommen aussieht. Ihre Beine zittern. Dann verabschiedet der Sensei sich und zusammen mit Lee verschwindet er. Mein Blick wandert wieder zu TenTen und ich drehe mich zu ihr.

„Wir machen 2 Stunden Pause und werden uns ein wenig frisch machen. Dann treffen wir uns bei mir.“

Ich sehe wie sie nickt, aber sie scheint keine Lust mehr zu haben nach diesem Trainingsprogramm. Aber sie soll bloss nicht hoffen, dass ich sie schonen werde. Ich drehe mich um und gehe.
 

Wieder Zuhause dusche ich kurz meinen Körper ab und ziehe mir frische Klamotten an. Das Stirnband habe ich abgelegt. Als ich das Bad verlasse, schaue ich nicht in den Spiegel. Vorhin beim Training fiel es mir leicht, nicht an den Traum von heute morgen zu denken. Es war kein einfacher Albtraum. Nein, es war Realität. Immer wieder erinnere ich mich an Momente aus meiner Kindheit, als mein Vater noch lebte. Zurück in meinem Zimmer schaue ich noch einmal auf den Kalender. In einem halben Jahr...

Ich setze mich auf die Fensterbank und hänge meinen Gedanken hinterher. Auch TenTen ist Teil meiner Gedanken. Aber nicht wegen dem Training... Sie scheint immer so fröhlich. Und so unbekümmert. Glaubt sie wirklich nicht an das Schicksal? Aber das ist doch völlig unmöglich. Es muss doch etwas geben, was das Leben lenkt. Man hat mir seit meiner Kindheit beigebracht, dass der Lebensweg eines Menschen von Anfang an vorbestimmt ist und man ihn nur noch beschreiten muss. Dass man nicht vom Weg abweichen kann, egal wie er auch aussehen mag. Ist sie etwa der festen Überzeugung, dass sie ihr Leben selbst bestimmen kann? Nein... völlig ausgeschlossen... Soweit ich weiß sind ihre Eltern keine Ninja. Wahrscheinlich nehmen sie das Leben sowieso schon, wie es kommt und wissen nicht einmal von der Existenz des Schicksals. Das jedenfalls würde erklären, warum TenTen da nicht dran glaubt.

Ich schaue aus dem Fenster. Dort trainiert Hiashi mit Hanabi. Obwohl sie jünger ist, übertrifft sie ihre Schwester Hinata bei weitem. Sie scheinen das Training grade zu beenden, denn Hanabi verbeugt sich kurz und läuft dann wieder in das Anwesen. Hiashi bleibt noch eine Weile dort im Hof stehen, dann dreht er sich um und schaut in meine Richtung. Schnell wende ich den Blick ab. Auch wenn ich sonst immer sehr stark und von mir selbst überzeugt bin, seinem Blick kann ich nicht standhalten. Hiashi ist zwar mein Onkel, aber er wirkt auf mich wie ein Fremder. Zwischen uns liegen so viele Differenzen, dass er es mittlerweile aufgegeben hat, sich ordentlich um mich zu kümmern. Er lässt mich mein Ding machen, mein Leben leben. Er mischt sich nicht in meine Angelegenheiten ein. Aber er versucht auch nicht, unser gestörtes Verhältnis zu bessern. Er fragt nie nach, wie es mir geht. Es interessiert ihn einfach nicht mehr.

Ich schließe die Augen und erinnere mich zurück. Wie oft kam er früher zu mir und hat versucht, wie ein Vater zu mir zu sein. Und wie oft ist er wieder gegangen, ohne etwas erreicht zu haben. Irgendwann hatte er es ganz aufgegeben. Ich hatte ihm klar gemacht, dass er einfach kein Ersatz sein kann. Er hätte dieser Rolle nicht gerecht werden können. Ich schaue wieder aus dem Fenster und sehe, dass Hiashi den Blick abgewendet hat und nun auch wieder das Anwesen betritt.

Und kurze Zeit später klopft es an meiner Tür. Erst dachte ich, dass mein Onkel es wäre, doch dann höre ich Hinatas Stimme.

„Entschuldige die Störung, Nii-san. TenTen ist hier und möchte dich sprechen.“

Nii-san... Sie benutzt dieses Wort immer noch. Und innerlich weiß ich, dass sie auch nicht damit aufhören würde. Sie glaubt einfach immer noch an das Gute in mir und an die alten Zeiten, in denen ich diese Bezeichnung noch gerecht wurde. Ich stehe auf und gehe zur Tür. Und als ich diese öffne, stehen Hinata und TenTen vor mir. Sofort verschwindet Hinata wieder in den Gängen des Anwesens. Ich schaue ihr nach und als sie nicht mehr zu sehen ist, schaue ich TenTen an.

„Also... da bin ich. Zum Training.“ Sie ist nervös, das sehe ich ihr an. Ich schweige und lasse meinen Blick einen Moment auf ihr ruhen. Dann drehe ich mich um.

„Warte kurz“, sage ich zu ihr und verschwinde schnell im Bad, wo noch mein Stirnband liegt. Ich schaue in den Spiegel, noch einmal auf das Juin und binde mir dann das Stirnband um. Sofort verlasse ich das Bad wieder und gehe zu TenTen.

„Folge mir“, sage ich in üblichen Ton zu ihr, schiebe die Tür schnell zu und gehe an ihr vorbei. Am Ende des Ganges erreichen wir den Hinterhof. Ich verlasse den Flur und betrete den sandigen Boden.

„Werden wir hier trainieren?“ Ich nicke. TenTen betritt ebenfalls den Hof und stellt sich mir gegenüber. Ich schaue sie an.

„Ich möchte, dass wir zuerst einen Trainingskampf machen, damit ich sehen kann, wie weit am Anfang wir beginnen müssen. Ich greife dich also an und du versuchst, meine Angrifft abzuwehren. Zuerst fangen wir ohne Waffen an. Dann arbeiten wir uns langsam vorwärts. Klar soweit?“ TenTen schluckt, nickt dann aber. Sehr gut. Ich begebe mich in Angriffsposition, TenTen nimmt Abwehrhaltung ein. Fertig. Los! Ich laufe auf sie zu. Ich beobachte sie genau, fixiere sie mit meinem Blick. Sie scheint unvorbereitet. In Sekundenschnelle bin ich bei ihr und attakiere sie. Ich ziele auf ihren Kopf und Körper. Die ersten Schläge wehrt sie ganz gut ab. Dann ziele ich meinen Schlag direkt auf ihr Gesicht und gekonnt duckt sie sich unter ihm hinweg. Aber sie hebt ihre Arme. Sie hat keine Stütze, um das Gleichgewicht in der Hocke zu behalten. Das werde ich ausnutzen und sie aus dem Gleichgewicht bringen. Schnell greife ich mir ihre Arme, springe und schwinge mich über sie hinweg. Dabei lasse ich sie keinen Moment aus den Augen. Sie schaut hoch, sieht mir ebenfalls in die Augen. Eine grimmige Entschlossenheit liegt in ihrem Blick, doch dann verliert sie plötzlich das Gleichgewicht. Schnell lass ich ihre Arme los und komme auf meinen Füßen hinter ihr auf. Und noch eh sie sich fangen kann, drehe ich mich und verpasse ihr einen Tritt. Schnell begebe ich mich wieder in einen sicheren Stand und nehme meine Kampfhaltung ein. TenTen fliegt über den Hof und rutscht einige Meter auf dem Boden weiter. Was sollte das eben? Wenn sie schon ihre Arme zur Deckung hebt, sollte sie wenigstens in einem sicheren Stand sein. Aber in einer einfachen Hocke kann keiner so einfach das Gleichgewicht behalten. Das werden wir also auch noch üben müssen... Ich seufze. Langsam richtet TenTen sich wieder auf und hebt ihre Deckung. Ich fixiere sie wieder mit meinem Blick und laufe erneut los. Vor ihr angekommen hole ich aus und Schlage. Doch was zur...? TenTen kneift die Augen zusammen und versteckt ihr Gesicht komplett hinter ihren Armen! Warum?!

„Mach die Augen auf!“ Einen kurzen Moment öffnet sie sie tatsächlich wieder, doch ich sehe ihre Lider zucken. Mit jedem Schlag und jedem Tritt könnte sie ihre Augen sofort wieder schließen. Das ist gar nicht gut. Wenn sie soetwas auch bei unseren Missionen bringt, könnte es gefährlich werden... Und schon sind ihre Augen wieder zu. Da ich sie nicht ernsthaft verletzen möchte, stoppe ich meine Angriffe, richte mich auf und schaue sie an.

„Du sollst die Augen aufmachen!“ Ich sage es kühler als gewollt. Aber das ist mir auch Recht. Was fällt ihr ein? Sie öffnet die Augen langsam und vorsichtig und lässt die Abwehr sinken. Ich schaue sie durchdringend an.

„Warum schließt du deine Augen?“

„Weil... Ich...“ Unsicherheit. Angst. Schwäche. All das kann ich an ihrer Stimme hören und in ihren Augen lesen.

„Wenn du Angst hast, solltest du besser keine Ninja werden! Wenn du deinen Gegner nicht siehst, dann kann es ganz schnell gefährlich werden. Nicht nur für dich, sondern auch für das Team. Merk dir das.“

TenTen nickt. Aber hat sie das auch verstanden? Kann sie umsetzen, was ich von ihr verlange? Macht dieses ganze Training mit ihr überhaupt Sinn? Ich dachte, es wäre nur die Deckung, an der wir arbeiten müssen, aber scheinbar habe ich zuviel erwartet. Obwohl genau das auch zu erwarten war... Gott, war ich blind... Das Schicksal hat sie also noch schwächer gemacht, als es mir bisher aufgefallen ist...

Ausdauer, Deckung, Schwäche besiegen. Die Ausdauer kommt von alleine, wenn sie mit mir trainiert. Innerlich muss ich leicht lächeln. Sie wird sich schon noch an mein Tempo gewöhnen. Die Deckung werde ich zusammen mit der Schwäche machen... Wieder seufze ich. Das kann ja was werden...

„Dann fangen wir ganz von vorn an. Zuerst musst du deine Augen offen lassen. Das werden wir als erstes üben.“ Und gleichzeitig werden wir langsam an deiner Deckung arbeiten. Aber das sage ich ihr nicht. Vielleicht bekommt sie es auch so auf die Reihe. TenTen nickt und schaut mich an. Kurz kann ich Hoffnungslosigkeit in ihrem Blick erkennen, doch dann ändert es sich in Trotzigkeit. Ich erwidere ihren Blick und gehe einige Schritte auf sie zu.

„Die Augen zu schließen, wenn etwas schnell näher kommt, ist ein völlig normaler Reflex. Aber er ist hinderlich, wenn du kämpfen musst. Darum muss du lernen, ihn zu überwinden und die Augen offen zu lassen. Du musst sehen können, um reagieren zu können.“ Ich schaue sie an und mache eine kurze Pause, um ihre Reaktion zu sehen. Doch sie erwidert einfach nur meinen Blick.

„Wenn ich jetzt gleich schlage, konzentrierst du dich nicht auf mich, sondern auf dich. Du musst dagegen ankämpfen, deinem Reflex zu folgen. Verstanden?“ Ein unsicheres nicken.

„Neji... Wirst du deinen Schlag durchziehen?“, fragt sie. Doch ich schüttel den Kopf. Ich habe nicht vor, sie gleich am ersten Tag zu überfordern.

„Nicht am Anfang. Ich werde vorher stoppen.“ Und diesmal kommt ein sicheres nicken. Ihre Augen funkeln entschlossen. Okay, jetzt ist sie wirklich bereit. Ich balle meine Hand zur Faust und lasse sie ohne Vorwarnung vorschnellen. Und wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht stoppe ich meinen Angriff. Ich lächel kaum merkbar. Sie hat tatsächlich die Augen offen gelassen. Ich mache weiter, immer mehr Schläge ohne Vorwarnung. Gut, ich habe mein Tempo im Gegensatz zu vorhin deutlich verringert. Aber wir wollen es ja nicht gleich übertreiben... TenTen wehrt meine Angriffe geschickt ab und sie scheint nicht zu merken, dass ich das Tempo langsam erhöhe. Mit jedem Schlag kehrt Entschlossenheit und Stärke in ihr zurück. Das sehe ich. Ich stoppe.

„Das hat für den Anfang gut geklappt. Aber du weißt nie, wann ein Schlag auf dich zukommt. Du konntest dich jetzt konzentrieren, weil ich die Schläge angekündigt hatte. Aber du musst dich immer konzentrieren. Sobald du siehst, dass etwas auf dich zukommt, musst du in dich kehren.“

„Verstanden!“ Sie lächelt entschlossen. So ist gut. Je mehr Kampfgeist sie hat, desto schneller begreift sie, was ich ihr zeige. So gefällt sie mir!
 

Das Training dauert noch etliche Stunden. Auch wenn wir heute nur versucht haben, ihre Schwäche auszuschalten, hat sie doch beachtliche Fortschritte gemacht. Ich vollführe grade meinen letzten Angriff für heute und TenTen wehrt ihn geschickt ab. Sie hat den Angriff kommen sehen. Nicht schlecht.

„Genug für heute“, sage ich dann und TenTen setzt sich erschöpft auf den Gang. Ich folge ihr und setze mich neben sie. Es ist bereits dunkel und der Mond scheint grade hell genug in den Hof, um solange trainieren zu können.

„Morgen wiederholen wir das, damit du es im Kopf behältst“, sage ich zu ihr und schaue sie aus dem Augenwinkel an. TenTen bringt nur ein erschöpftes Nicken hervor und richtet ihren Blick dann in den Himmel. Ich folge ihrem Blick. Schaut sie nur gedankenverloren hinauf oder schaut sie etwas bestimmtes an? Den Mond? Oder die Sterne?

„Ich sollte nach Hause gehen. Es ist schon spät und morgen früh müssen wir wieder raus...“ Da hat sie Recht. Ich nicke.

„Findest du allein heraus?“ Ich schaue ihr in die Augen. Doch sie antwortet nicht. Sie schaut mich einfach nur an. Und da ist es wieder. Ihr Blick nimmt wie so oft schon zuvor etwas verträumtes an. Wie gerne würde ich in solchen Momenten ihre Gedanken kennen. Wie gerne wüsste ich, was es ist, woran sie denkt und dann so schaut. Egal, was es auch ist, es scheint sie jedenfalls wieder in die Realität geholt zu haben. Schnell schüttelt sie den Kopf.

„Ich fürchte, du musst mir den Weg zeigen.“ War zu erwarten. Auch wenn ich ziemlich viel von ihr verlange und eine Menge voraussetze... Den Weg durch diesen Irrgarten von Anwesen kann man nicht nach dem ersten mal kennen. Ich stehe auf und TenTen tut es mir gleich. Zusammen gehen wir bis zum Eingang. Dort bleibe ich stehen und schaue sie kurz an.

„Danke, Neji“, sagt sie lächelnd, „also dann bis morgen.“ Ich drehe mich um und wende den Blick von ihr ab.

„Bis morgen“ Ohne noch einmal nach hinten zu schauen betrete ich wieder das Anwesen und gehe zu meinem Zimmer. Dort schaue ich auf die Uhr. Kurz vor halb 12 Uhr. Es ist tatsächlich schon sehr spät. Ich gehe ins Bad nebenan und wasche schnell meinen Körper ab. Richtig duschen kann ich morgen auch noch. Dann werfe ich meine verschwitzten Klamotten in den Wäschekorb und werfe mich auf mein Bett. Und auch wenn ich seelisch keine Müdigkeit verspüre merke ich, wie mir bald die Augen zufallen...
 

--- Fortsetzung folgt ---



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