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Auf den zweiten Blick

von

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Warnungen und Drohungen *

Nicholas war gerade dabei, mit Sheila die Gäste zu bewirten, damit sie auch ja nicht auf die Idee kam, in die Küche zu gehen und mit ihren nicht vorhandenen Kochküsten das Weihnachtsessen zu ruinieren, als sein Handy klingelte. Zuerst wollte er den Anruf nicht annehmen, doch dann fiel sein Blick auf die Nummer. Eine schlimme Vorahnung überkam ihn. Wenn Peter ihn zu dieser Zeit anrief, musste es wichtig sein. Er stürmte aus dem Zimmer und drückte gleichzeitig auf den grünen Hörer. „Ja?“

„Kannst du rüberkommen?“, erklang Ninas aufgeregte Stimme am anderen Ende der Leitung, „Luca ist zusammengebrochen und lässt keinen mehr an sich heran.“

„Ich bin gleich da!“, rief er. Inzwischen stand er vor der Garderobe. Schnell sprang er in seine Stiefel und zog sich seine Winterjacke über. Auf Mütze und Schal verzichtete er. Es war zwar kalt draußen, aber bis zu Luca dauerte es keine drei Minuten. Wenn er rannte, war er noch schneller da.

„Wo gehst du hin?“, wollte Sheila wissen, die ihm hinterhergegangen war.

„Zu Luca“, antwortete Nicholas knapp, „Kann sein, ich komm erst morgen wieder. Wartet nicht auf mich.“ So schnell er konnte, rannte er zum Haus seines Freundes.

Nina erwartete ihn bereits und ließ ihn ein, ohne eine Begrüßung zu verlangen. „Er ist im Wohnzimmer“, war das einzige, was sie sagte.

Der Schwarzhaarige sprang aus seinen Stiefel und ließ sie, genau wie seine Jacke, irgendwie im Flur liegen. Er würde sie auch später noch wegräumen können. Jetzt musste er erst einmal zu seinem Freund. Er fand den Blonden an der Wand sitzend, die Arme um das gesunde Bein geschlungen, am ganzen Körper zitternd. Peter kniete neben ihm und versuchte, auf ihn einzureden. Doch es schien, als würde Luca ihn nicht einmal wahrnehmen. Zu seiner Verwunderung stand Wagner, sein Geschichtslehrer, direkt neben Peter, doch darüber würde er sich später Gedanken machen.

Als Peter ihn bemerkte, schaute er auf. Die Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Nicholas nickte ihm zu, ehe er sich neben seinem Freund auf den Boden fallen ließ und ihn in seine Arme zog.

Sofort versteifte Luca sich und versuchte, sich aus der Umarmung zu befreien. Aber Nicholas ließ nicht locker. Vorsichtig, aber bestimmt hielt er den Blonden fest.

„Shh“, flüsterte er und strich ihm über Kopf und Rücken, „Es ist alles gut.“ Dann wandte er sich an die Gäste, die ihm mit einer Mischung aus Erstaunen und Verwirrung musterten. „Lasst uns allein.“ Er sprach nicht laut, weil er Luca nicht unnötig erschrecken wollte.

Zwar wurden die Bewegungen des Blonden schwächer, aber er war noch lange nicht dabei, ruhig zu werden. Immer wieder flüsterte Nicholas ihm beruhigende Worte zu. „Ich bin hier. Alles ist gut.“

Peter, der immer noch neben ihm kniete, beobachtete ihn aufmerksam.

Gegen ihn sagte der Schwarzhaarige nichts. Er wusste, Luca vertraute seinem Vater. Außerdem musste der Mann lernen, wie er seinen Sohn, im Falle einer neuen Panikattacke, beruhigte. Immer würde es nicht funktionieren, ihn anzurufen. Was, wenn er gerade nicht da war? Dann musste sich jemand anderes um seinen Freund kümmern.

Langsam ließ das Zittern nach. Luca schien ihn erkannt zu haben, denn er krallte sich an seinem Pullover fest und vergrub sein Gesicht an Nicholas‘ Schulter. Der Schwarzhaarige bemerkte, dass der Stoff langsam nass wurde. Außerdem spürte er Lucas Körper beben. „Hey, es ist alles okay“, redete er ruhig auf ihn ein.

Doch Luca schüttelte nur den Kopf und klammerte sich noch mehr an ihn.

Nicholas sah zurück zu den Gästen, die um ihn und seinen Freund herumstanden und sie musterten, wie Schaulustige nach einem Autounfall. „Sind wir hier im Zoo?“, zischte er aufgebracht, „Seht zu, dass ihr hier rauskommt!“

Er spürte, wie Luca zusammenzuckte, sich aber sonst nicht weiter stören ließ.

Zuerst schien es, als würden die Gäste sich immer noch nicht rühren, dann verließen sie leise den Raum. Bei Wagner musste Peter allerdings nachhelfen, sonst wäre der Lehrer wohl einfach stehen geblieben und hätte weiter zugeschaut. Er packte den Mann am Oberarm und schob ihn aus dem Wohnzimmer. Danach schloss er die Tür, blieb aber im Zimmer.

„Was ist passiert?“, fragte der Schwarzhaarige ihn leise.

„Das weiß ich auch nicht genau“, antwortete Peter, „Ich war mit meinen Eltern in der Küche. Da müsstest du schon Ninas Eltern fragen. Sie waren bei ihm.“

Nicholas schnaubte. „Die Panikattacke eben kam nicht allein. Das heißt, sie müssen irgendwas getan haben, um ihn in diesen Zustand zu versetzen. Glaubst du wirklich, dass sie die Wahrheit sagen werden?“ Auch wenn er es momentan aus Rücksicht auf Luca nicht zeigte, war er wütend. Ihm war klar, dass Wagner es auf Luca abgesehen hatte. Wenn der Mann sich noch einmal an seinem Freund verging, dazu zählte auch verbal, wusste er nicht, wozu er fähig war.

Es klopfte an der Tür und Nina lugte herein. „Möchtest du mitessen?“, erkundigte sie sich leise bei Nicholas.

„Wenn es keine Umstände macht“, meinte der Schwarzhaarige.

„Das tut es nicht, keine Sorge. Ich habe genug gekocht.“ Die Frau lächelte. „Dann lege ich ein weiteres Gedeck auf. In zwanzig Minuten gibt es Essen.“

„Ist das in Ordnung?“, fragte Peter seinen Sohn, „Ihr könnt es auch gerne mir in Lucas Zimmer nehmen.“

„Es geht schon“, nuschelte Luca, ehe er sich von Nicholas löste. Mir der Hand wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht und zwang sich zu einem Lächeln.

„Wenn du meinst“, sagte Peter.

Auch Nicholas war skeptisch, aber wenn Luca es sich zutraute, würde er ihn nicht daran hindern. Wenn er genau darüber nachdachte, war es vielleicht sogar besser, wenn der Blonde nicht flüchtete, sondern sich seinen Problemen stellte. Er brachte seinen Freund ins Bad, wo dieser sich erst einmal das Gesicht wusch, um die Spuren von den Tränen zu beseitigen. Dann warteten sie, bis er nicht mehr so verweint aussah, ehe sie das Speisezimmer betraten.

Nina hatte, wie versprochen, ein weiteres Gedeck auf den Tisch gelegt und die Sitzordnung außerdem so organisiert, dass Luca zwischen Nicholas und Peter saß.

Der Schwarzhaarige bemerkte den erleichterten Ausdruck seines Freundes darüber, kommentierte ihn allerdings nicht. Stattdessen schaute er an sich herunter. Im Gegensatz zu den anderen trug er nur eine ausgewaschene Jeans und ein Sweatshirt. „Irgendwie komme ich mir hier gerade etwas ‚Underdressed‘ vor“, versuchte er die Stimmung aufzuheitern. Normalerweise tat er so etwas nicht, aber er wollte die anderen irgendwie von Luca ablenken.

Peter lachte höflich. „Das macht nichts. Der Anruf war so kurzfristig, dass du gar keine Chance hattest, dich umzuziehen.“

„Willst du uns den Jungen nicht vorstellen?“, fragte eine Frau, die der Schwarzhaarige aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Peter als dessen Mutter vermutete. Sie machte einen netten Eindruck.

„Nicholas Lemke“, sagte er höflicher, als er sich in der Schule vorgestellt hatte, „Lucas Freund.“

Sie lächelte freundlich. „Ihr scheint ja richtig gute Freunde zu sein“, stellte sie fest. Sie bezog sich wohl darauf, dass er Luca hatte beruhigen können.

„Das andere ‚Freund‘“, korrigierte Luca sie leise.

Nicholas konnte beobachten, wie ihr Gehirn arbeitete und sie wenig später nur ein intelligentes „Oh“ herausbrachte. Das war es, mehr nicht. Sie schien nicht abgeneigt zu sein, nur überrascht.

„Warum hast du mir nichts gesagt, Peter“, tadelte sie ihren Sohn, „Wenn ich gewusst hätte, dass mein Enkel so einen bezaubernden Freund hat, hätte ich ihm doch etwas mitgebracht!“

„Bezaubernd?“ Wagner, der sich bis eben im Hintergrund gehalten hatte, kam betont langsam auf ihn zu.

Sofort zog Nicholas seinen Freund hinter sich und stellte sich zwischen ihn und den Mann. „Hast du noch nicht genug angerichtet?! Halt dich von ihm fern!“

„Wie redest du denn mit mir?“, empörte sich der Lehrer, „Zeig gefälligst etwas Respekt deinen Mitmenschen gegenüber!“

„Den hast du nicht verdient!“, gab Nicholas wütend zurück. Nur zu gut erinnerte er sich daran, wie der Mann mit Luca umgesprungen war.

„Was meinst du damit?“, mischte Peter sich ein.

Nicholas schaute ihn an. „Kennst du die Statue mit den drei Affen? Einer hält sich die Augen zu, ein anderer die Ohren und einer den Mund. Sie passt perfekt zu dieser homophoben Entschuldigung von einem Lehrer!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Aaron94
2018-03-13T21:15:45+00:00 13.03.2018 22:15
🙈🙉🙊
Von:  tenshi_90
2014-05-11T13:14:34+00:00 11.05.2014 15:14
Wie gut, dass Nicholas so schnell vorbei kommen konnte... Und Peters Eltern finde ich sehr sympathisch... Im Gegensatz zu Ninas Eltern sind diese sehr tolerant... Es wird Zeit, dass Wagner in seine Schranken verwiesen wird. So kann er nicht mit Luca umgehen.
Antwort von:  Seira-sempai
19.05.2014 14:44
Nicht alle Eltern sind tolerant und nicht alle intolerant. Es gibt solche und solche.
Und Peter wird natürlich nicht zulassen, dass Wagner noch weiter auf Luca herumhackt…
Von:  chrono87
2014-05-11T10:12:03+00:00 11.05.2014 12:12
Die Reaktion der Großeltern ist super. Sie sind tolerant. Peter hätte auch mehr davon bekommen sollen, aber egal. Er hat sich ja damit abgefunden, dass sein Sohn schwul ist. Ist auch besser für ihn, sonst hat er nur Probleme und Nicholas ist wirklich der perfekte Schwiegersohn, zumal er ebenfalls aus guten Verhältnissen kommt und sich durchzusetzen weiß.
Ninas Vater mag ich nicht. Er war mir von Anfang an sehr unsympatisch. Ich hoffe er bekommt sein Fett weg. Er hat es verdient, dass ihn mal jemand in die Schranken weißt, denn anscheinend denkt er, er kommt mit allem durch. Und vor Nicholas hat er Angst!
Antwort von:  Seira-sempai
19.05.2014 14:49
Nicht jeder kann ein homophober Arsch sein. Außerdem reicht es, wenn Ninas Eltern Luca nicht mögen. Da sollten Peters Eltern dann schon nett sein.
Nicholas? Der perfekte Schwiegersohn? Du vergisst seine kriminelle Vergangenheit. Der Kerl ist vorbestraft! (Du weißt schon, wo er die drei Kerle verprügelt hat. Er war über 14, also strafmündig)
Wagner ist auch nicht zum mögen da. Dafür gibt es andere, nettere Charaktere. Keine Angst, Peter wird sich schon noch um ihn kümmern.
Natürlich hat er Angst vor Nicholas. Der Junge könnte ihm alle Knochen brechen, wenn er wollte.


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