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Auf den zweiten Blick

von

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Ninas Familie

„Die Klöße können geformt werden“, rief Nina, während sie durch das Haus eilte und den Tisch deckte. Da Luca nichts Besseres zu tun hatte, hatte er sich dazu entschlossen, ihr beim Essen kochen zu helfen.

Ute hatte bis Silvester Urlaub genommen, um Weihnachten mit ihrer Familie zu feiern, weswegen Nina kochte. Das machte die junge Frau auch recht gut, fand der Siebzehnjährige. Nur hatte sie sich mit der Zeit etwas verschätzt, weswegen sie sich jetzt beeilen mussten, damit das Essen noch rechtzeitig fertig wurde. Glücklicherweise waren nur ihre und Peters Eltern eingeladen, weswegen es wohl nicht zu peinlich werden würde, wenn sie das Essen etwas später servierten.

Auch Peter war schon zum Helfen verdonnert worden und stand jetzt gemeinsam mit seinem Sohn vor der Schüssel mit dem Kloßteig, den Nina eben nach Utes Rezept angerührt hatte.

„Und wie macht man das jetzt?“, fragte Peter, während er die gelbliche Masse mit gerunzelter Stirn betrachtete.

Luca seufzte. „Hast du noch nie gekocht?“ Er nahm sich etwas von der Masse und deutete seinem Vater an, es ihm nachzumachen. „Also, du nimmst den Teig, packst ein oder zwei Semmelwürfel…“ Er deutete auf die Pfanne, in der er vorhin die gewürfelte Semmel gesalzen und angebraten hatte.“ „und rollst es zu einer Kugel.“ Irgendwie kam er sich vor, als sei er im falschen Film. Oder als verarsche ihn sein Vater. Welcher erwachsene Mensch wusste denn nicht, wie man Klöße formte.? Als er allerdings das Ergebnis sah, wurde ihm klar, dass Peter wohl noch nie eine Küche von innen gesehen hatte. „Die Semmelwürfel gehören in den Kloß. In die Mitte. Sie dürfen also nicht mehr zu sehen sein.“

Peter schaute zwischen ihm und seinem Kloß hin und her, ehe er ihn ausbesserte. Der zweite Versuch klappte dann auf Anhieb und als Nina wenig später zurück in die Küche kam, waren alle geformt und Luca setzte gerade den großen Kochtopf auf den Ofen. Glücklicherweise befand sich das Waschbecken neben den Kochplatten und man konnte den Wasserhahn herausziehen, sonst hätte er es wohl nicht geschafft. Er konnte sein Bein zwar wieder etwas belasten, aber zum Laufen reichte es noch nicht aus.

„Hast du das Wasser gesalzen?“, fragte Nina sofort.

„Natürlich“, antwortete Luca prompt, woraufhin die junge Frau lächelte.

„Wenigstens einer der Männer, in diesem Haus, kann kochen“, freute sie sich.

Peter lachte. „Hast du sonst noch irgendwelche Wünsche?“

„Die Getränke müssen noch ins Speisezimmer“, erwiderte Nina keck, während sie die Klöße ins inzwischen kochende Wasser gab.

Peter warf ihr einen leicht genervten Blick zu, kam der Aufforderung aber nach.
 

Als es wenig später klingelte, hatte Luca sich gerade umgezogen.

„Öffnest du bitte die Tür?“, rief Nina ihm zu, da sowohl sie als auch Peter noch nicht ganz fertig waren.

„Geht klar“, antwortete er ihr in gleicher Lautstärke, ehe er in den Flur humpelte, wo er den Knopf drückte, das das Tor neben der Einfahrt öffnete. Während die Gäste über das verschneite Grundstück liefen, eilte er zur Tür. Doch als er diese öffnete, um die Gäste einzulassen, hätte er sie beinahe vor deren Nase wieder zugeschlagen. Ihm gegenüber stand sein Geschichtslehrer, Herr Wagner.

Allerdings schien er nicht der einzige zu sein, der erschrocken war. Wagner erging es ähnlich. Ihm war der Mund aufgeklappt und einen Augenblick lang starrte er den Siebzehnjährigen sprachlos an. Dann hatte er sich wieder gefangen. „Willst du uns nicht rein lassen? Es ist kalt.“

Schnell trat Luca einen Schritt zur Seite und ließ Wagner und dessen Frau eintreten. Der abschätzende Blick, den sie ihm zuwarfen, entging ihm nicht, doch er tat, als hätte er es nicht bemerkt und schloss leise die Tür. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Was machte Wagner hier? Er hatte gedacht, nur die Familie sei eingeladen. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Ninas Nachname war auch Wagner. Das erklärte die Anwesenheit seines Lehrers, er war Ninas Vater.

Der Blonde folgte den Beiden zurück ins Wohnzimmer, wo sie die Gäste empfangen wollten. Erst später würden sie ins Speisezimmer gehen. Auf dem Weg sah er Nina in der Küche hantieren. Sie trug jetzt ein dunkelrotes, langes Abendkleid und eine pinke Schürze, die es wohl vor Flecken schützen sollte. Jetzt wusste er auch, warum sie darauf bestanden hatte, dass er die ordentliche, schwarze Jeans und ein langärmliches Hemd anzog. Auf eine Krawatte hatte sie glücklicherweise nicht bestanden.

Peter empfing ihre Eltern herzlich und bat ihnen an, sich zu setzen, was sie auch taten. Wenig später brachte Nina ihnen und Peter ein Glas Sekt zum Anstoßen. „Möchtest du auch eins?“, fragte sie Luca.

Der Siebzehnjährige schüttelte den Kopf. „Lieber nicht.“ Seine Toleranz war nicht so hoch.

Wagner, der hinter seiner Tochter stand, zog skeptisch die Brauen nach oben. Offenbar gefiel es ihm nicht, dass Nina Luca ein alkoholhaltiges Getränk angeboten hatte. Und obwohl er in Peters Blickfeld stand, machte er sich keine Mühe, seine persönliche Abneigung Luca gegenüber zu verbergen.

Sie wollten gerade anstoßen, als es erneut klingelte. Diesmal war Peter derjenige, der die Tür öffnete. Nina verschwand zurück in die Küche, wohl um die restlichen Sektgläser zu holen, und ließ Luca mit ihren Eltern allein. Ihre Mutter, die ein schickes, dunkelblaues Kleid trug, und deren Haare Haare streng zu einem Haarknoten gebunden waren, musterte ihn von oben herab, als hielte sie sich für etwas Besseres. Dann reichte sie ihm ihren Pelzmantel.

Hilflos schaute Luca zuerst auf das Kleidungsstück, dann auf seine Krücken. Erwartete die Frau gerade ernsthaft, dass er ihren Mantel an die Garderobe hängte, an der sie vorhin vorbeigelaufen war?

„Willst du meiner Frau nicht helfen?“, fragte Wagner, hörbar gereizt.

Wie denn, hätte Luca am liebsten gefragt, was er aber der Höflichkeit wegen ließ. Das hier waren Ninas Eltern und obwohl die zwei sich gerade aufführten wie die letzten Arschlöcher, durfte er es sich mit ihnen nicht verscherzen.

Er wollte gerade den Mantel entgegennehmen, als sein Vater zurückkam und ihn Ninas Mutter abnahm. Kommentarlos hängte er ihn an die Garderobe.

Hinter ihm traten seine Eltern, die ebenfalls sehr festlich gekleidet waren, ins Wohnzimmer. Auch sie musterten Luca, schienen allerdings nur neugierig zu sein.

„Du bist also Luca“, begrüßte die Frau ihn freundlich, ehe sie ihrem Sohn am Ohr zog, „Wie konntest du mir nur einen so süßen Enkel verschweigen?“ Sie legte Luca die Hände auf seine Schultern und lächelte ihn freundlich an. „Ich bin Klara, du kannst mich aber gern auch Oma nennen.“

„Jetzt überfall den armen Jungen doch nicht so“, mahnte ihr Mann sie und reichte dem Siebzehnjährigen die Hand, „Ich bin Georg, aber du kannst auch gern Opa zu mir sagen.“

„Luca“, antwortete der Siebzehnjährige leicht verdutzt. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Peters Eltern so offen, ihm gegenüber, waren. So langsam begriff er auch, dass sie nicht nur die Eltern seines Vaters, sondern auch seine Großeltern waren. Der Gedanke fühlte sich seltsam an. Nicht unschön, sondern nur ungewohnt.

„Hier riecht es aber lecker“, stellte Klara fest, „Wie weit seid ihr denn mit dem Essen?“ Sie verschwand mit ihrem Mann und Peter in die Küche.

Wieder ließ man Luca mit seinem Geschichtslehrer allein. Er konnte gar nicht so schnell schauen, da stand der Mann ihm schon gegenüber.

„Hast du denn überhaupt keinen Anstand?“, fuhr er ihn an, „Einfach deinen Vater die Dinge erledigen zu lassen!“

Erschrocken wich Luca einen Schritt vor ihm zurück. Doch das brachte nichts. Wagner folgte ihm einfach, bis er wenig später mit dem Rücken gegen die Wand stieß.

„Ich rede mit dir!“ Der Mann packte ihn grob an der Schulter.

Luca fuhr zusammen und bevor er wusste, was er tat, hatte er die Hand weggeschlagen. Dabei hatte er kurz eine der Krücken losgelassen, was dazu führte, dass er, aufgrund der ungünstigen Bewegung, das Gleichgewicht verlor. Er versuchte noch, sich an der Wand abzufangen, schaffte es aber nicht, seinen Sturz zu stoppen. Mit einem polternden Geräusch kamen seine Krücken auf dem Boden auf und er landete zwischen ihnen.

„Was ist hier los?“ Erklang die erschrockene Stimme seines Vaters. Doch sie hörte sich seltsam entfernt an. Der Mann eilte auf ihn zu und kniete sich neben ihn. „Luca? Kannst du mich hören?“

Der Siebzehnjährige schaffte es noch, in Peters Richtung zu schauen, doch als sein Vater versuchte, ihn anzufassen, fuhr er zusammen und wich vor ihm zurück. „Nicht“, brachte er heraus, „Geht weg. Ich kann nicht…“

Neben ihm hörte er Wagner schnauben. „Der simuliert doch nur!“

Er nahm eine schnelle Bewegung aus dem Augenwinkel wahr. Danach wurde alles verschwommen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  tenshi_90
2014-05-10T11:54:16+00:00 10.05.2014 13:54
Ach herrje... Das is ja mal ein total fieser Moment.. nicht nur, dass es der gehasste Lehrer ist, sondern auch noch der Vater von Nina... Ich hoffe, Peter weißt ihn jetzt iwie zurecht
Antwort von:  Seira-sempai
19.05.2014 14:49
Natürlich wird Peter das NICHT auf sich sitzen lassen. Und Nina natürlich auch nicht. Nicht, nachdem Nicholas sie so nett aufgeklärt hat. Sie können gar nicht mehr anders, als ihn zu ermahnen und wenn das nichts bringt, rauszuwerfen.
Von:  wasser1991
2014-05-10T10:46:00+00:00 10.05.2014 12:46
Was vor ein A.......loch "knurrrr" wehe du macht nix peter wehe.
Antwort von:  Seira-sempai
19.05.2014 14:49
Die Charaktere sind fiktive Personen, also bitte keine Beleidugungen.
:-)
Von:  chrono87
2014-05-10T10:31:07+00:00 10.05.2014 12:31
Oh man, was für ein Tag für Luca. Erst muss er erkennen, dass sein Lehrer der Vater seiner zukünftigen Stiefmutter ist und dann wird dieser auch noch dermaßen bedrängass er eine extreme Panikattacke bekommt. Ich frag mich echt wie Nina so liebenswürdig werden konnte, wenn ihre Eltern die totalen Snops sind und auf andere herabsehen. Und das schlimme ist, dass sich der Lehrer nicht einmal vor Peter zusammenreißt. Nein, er macht auch da seine negative Haltung Luca gegenüber klar.
Ich bin ja mal gespannt, ob Peter etwas zu diesem Mann sagt oder ob er wie die meisten auch die Augen verschließt. Ich, an Peters Stelle, vielleicht auch an Ninas Stelle, hätte die Beiden schon längst zur Ordnung gerufen und vielleicht sogar wieder nach Hause geschickt. So ein Verhalten ist respektlos und schlägt sich auch auf die Beziehung zum Schwiegersohn nieder - zumindest ist es meistens so.
Antwort von:  Seira-sempai
19.05.2014 14:49
Ja, Lehrer in der Verwandtschaft zu haben, ist nicht leicht.
Viel hat Peter von Wagners Verhalten nicht mitbekommen. Er war schließlich mit seinen Eltern in der Küche. aber keine Angst, er wird nicht zulassen, das irgendsoein dahergelaufener Pädagoge seinen Sohn beschimpft. Und Nina auch nicht, immerhin hat sie Luca schon wirklich lieb gewonnen und das liegt nicht daran, dass er besser kochen kann als sein Vater...


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