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Auf den zweiten Blick

von

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Der nächste Morgen

Als Luca zu Hause klingelte, öffnete seine Mutter die Tür. „Leise, Jochen schläft. Er hatte einen anstrengenden Tag und muss morgen früh wieder raus", grüßte sie ihn. Sie sagte nichts dazu, dass er so spät kam. Auch zu seinem Outfit meinte sie nichts. Es war fast, als bemerke sie noch nicht einmal, dass etwas mit Luca nicht stimmte. Auch, dass er nicht allein war, schien ihr nicht aufzufallen.

Nicholas musterte sie kurz, schien sie dann aber als normal einzuschätzen. Er lächelte Luca aufmunternd an. „Soll ich noch mit reinkommen?"

Schnell schüttelte der Blonde den Kopf. „Lieber nicht. Ich will Jochen nicht wecken."

Verwundert hob Nicholas die Augenbrauen. „Warum nennst du deinen Vater beim Vornamen?"

„Er ist nicht mein Vater", erklärte Luca. Warum er das tat, wusste er nicht. Vielleicht lag es daran, dass ihn das noch nie jemand gefragt hatte. „Meine Mutter hat ihn vor zehn Jahren geheiratet." Es wunderte ihn etwas, warum Nicholas auf einmal so neugierig war. Er wusste nicht, ob er hätte misstrauisch sein sollen oder genauer darauf achten, was er gefragt wurde. Aber das tat er nicht.

Nicholas bohrte auch nicht weiter. „Tschüss", verabschiedete er sich leise, „Wir sehen uns morgen in der Schule."

„Bis morgen", antwortete Luca ihm. Er wusste, Nicholas hatte ihm eben die Möglichkeit genommen, zu schwänzen, aber das störte ihn nicht. Er hatte eh vorgehabt, in die Schule zu gehen. Jetzt, wo es vielleicht jemanden gab, der ihm half, würde es ganz aushaltbar sein.

Luca huschte schnell ins Haus und schlich in sein Zimmer. Dort packte er schnell die Sachen für den nächsten Tag zusammen. Seine Schultasche ersetzte er durch einen alten Rucksack und anstatt der zerrissenen Hefter nahm er einen Block mit. Zum Glück hatte er heute nicht besonders viele Bücher dabei. Trotzdem wurde es bestimmt teuer, sie zu ersetzen. Wo er wohl das Geld dafür herbekam? Jochen würde es ihm sicher nicht geben. Außerdem brauchte er auch noch ein neues Handy. Sein altes mit zersprungenem Display legte er in die Schreibtischschublade. Vielleicht konnte er es reparieren lassen. Und selbst wenn nicht, die Sim-Karte war sicher noch brauchbar.

Er stellte sich den Wecker auf eine Stunde früher, damit er sicher sein konnte, dass er aus dem Haus war, wenn Jochen aufwachte. Lieber wartete er die Zeit an der Bushaltestelle, als dass er sie in diesem Haus verbrachte.

Luca wartete, bis seine Mutter ebenfalls schlafen ging, dann schlich er sich noch einmal in den Keller, um Nicholas' Klamotten zu waschen. Er wählte das Schnellprogramm der Waschmaschine, immerhin waren die Klamotten nicht dreckig, und wartete, bis sie fertig waren. Danach hängte sie zum Trocknen auf den Wäscheständer, damit sie nicht knitterten. Er betrachtete sein Werk noch einmal und schlich dann in sein Zimmer zurück, wo er sich erschöpft in sein Bett fallen ließ. Der Tag hatte es echt in sich gehabt. Er schloss seine Augen und war wenig später eingeschlafen.
 

So kam es, dass Luca am nächsten Morgen noch genug Zeit hatte, sich Pausenbrote zu schmieren. Das kam nur sehr selten vor. Als er eben an der Tür des Schlafzimmers von seiner Mutter und Jochen vorbeigeschlichen war, hatte er Jochen laut schnarchen gehört. Das bedeutete, selbst wenn er aufwachte, brauchte er noch etwa zehn Minuten, bis er die Küche betrat.

Mit dem Messer schnitt Luca sich die Scheiben vom Brot, die Brotschneidemaschine würde nur zu viel Lärm machen und womöglich Jochen wecken. Darauf konnte er gut verzichten. Er belegte seine Brote großzügig mit Schinken und Käse, strich sogar Butter aufs Brot, ehe er sie in Frischhaltefolie einwickelte. Wie jeden anderen Tag auch füllte er seine Trinkflasche mit Leitungswasser. Dann eilte er in den Keller, wo er schnell Nicholas' Klamotten, die inzwischen trocken waren, zusammenlegte und vorsichtig in seinen Rucksack packte. Er hörte noch, wie die Schlafzimmertür seiner Eltern geöffnet wurde und verließ eilig, aber trotzdem leise, das Haus.

Gemütlich schlenderte er zur Bushaltestelle. Er hatte noch reichlich Zeit, die er nutzte, um einen kleinen Umweg zu laufen. Er kam an der Brücke vorbei, von der er sich hatte stürzen wollen. Vielleicht war es doch nicht so schlimm, dass er es nicht durchgezogen hatte. Auch wenn es ihm immer noch etwas peinlich war, wie Nicholas ihn gestern vorgefunden hatte, war er froh, dass sein Klassenkamerad ihm geholfen hatte. Ob er ihm wieder half, wenn er an Thomas' Gang geriet oder war das eine einmalige Aktion gewesen?

Gern würde Luca mehr über Nicholas erfahren. Auch wenn er es vielleicht nicht zugeben wollte, der Schwarzhaarige faszinierte ihn. Er hatte etwas an sich, was Luca anzog. Allerdings traute Luca sich sicher nicht, ihn heute anzusprechen. Er würde nur vor lauter Scham im Boden versinken.

Nicholas hatte ihn nackt gesehen! Und Nicholas war so freundlich zu ihm gewesen, hatte sich den ganzen Abend um ihn gekümmert. Das hatte Luca ihm gar nicht zugetraut. Er hatte ihn für unfreundlicher gehalten. Aber vielleicht hatte Nicholas auch einfach nur Mitleid mit ihm gehabt.

Luca hob einen Stein auf und warf ihn in das langsam fließende Wasser. Mit einem leisen 'Platsch' kam dieser an der Wasseroberfläche auf und ging unter. Dem Stein folgte ein zweiter und ein dritter, bis Luca genug vom Steine werfen und ins Wasser starren hatte.

Er lief zurück zur Bushaltestelle. Unterwegs kam er bei dem Bäcker vorbei, bei dem er sich sonst immer seine Brötchen holte. Heute würde er keins brauchen.

An der Haltestelle wartete er nur noch kurz auf den Bus. Als er an der Schule wieder ausstieg, fiel ihm auf, dass etwas nicht stimmte. Von Thomas und dessen Gang war keine Spur, was Ärger bedeutete. Aufmerksam schaute Luca sich um, konnte sie aber nicht entdecken, weswegen er ins Klassenzimmer ging. Auch dort waren sie nicht. Außer ihm war noch keiner im Zimmer. Schnell legte er Nicholas' Klamotten auf dessen Platz.

Dann ließ er sich auf seinen Stuhl fallen und wartete, bis das Zimmer sich füllte. Noch immer hörte er nichts von Thomas' Gang. Sein schlechtes Gefühl stieg. Irgendwas stimmte hier nicht, aber er wusste nicht, was. Oder war er einfach nur paranoid?

Nicholas betrat das Zimmer, nickte ihm kurz zu und ging an seinen Platz. Ein schwaches Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht, als er die sauber zusammengefalteten Klamotten entdeckte, die er anschließend in seinem Rucksack verstaute.

Die Zwillinge Florian und Fabian betraten laut lachend und herumalbernd das Zimmer. Sie schubsten sich noch ein paar Mal und verstrubelten sich gegenseitig ihr dunkelgrünes Haar, sie hatten es wohl erneut gefärbt, ehe sie sich auf ihre Plätze fallen ließen. Irgendwie kam es Luca seltsam vor, wie sie sich verhielten. Irgendetwas stimmte nicht, aber er kam nicht darauf, was es war.

Der Unterricht begann wie immer. Nach der Begrüßung rief ihre Deutschlehrerin, Frau Schiller, wie der Dichter Schiller, einen Schüler nach vorn und ließ ihn die letzte Stunde zusammenfassen. Erst danach ging es weiter. Luca befand das für eine gute Idee, denn so bekam er gleich mit, was er verpasst hatte.

Fabian musste an die Tafel. Allerdings benahm er sich etwas seltsam, fand Luca. Letztens war er aufgedrehter. Er schaute zu Florian, dem anderen Zwilling, der mit einem breiten Grinsen auf seinem Platz saß und seinem Bruder zuwinkte. Das hatte Florian noch nie getan, Fabian war für gewöhnlich der, der die Grimassen schnitt. Es war fast, als hätten sie die Rollen getauscht. Aber natürlich! So musste es sein. Zumindest war es denkbar. Die Zwillinge hatten schon so manchen Blödsinn getrieben und unterscheiden konnte sie eh keiner, zumindest keiner der Lehrer.

Nach der kurzen Wiederholung, die der Zwilling recht gut hinbekam, begann Schiller den Unterricht. Sie klappte die Tafel herum, um etwas anzuschreiben, als sie mitten in ihrer Bewegung stoppte.

An der Tafel hing, farbig, die gesamte Länge verbrauchend, aus einzelnen A4-Blättern zusammengepuzzelt das Foto, das Thomas gestern von Luca geschossen hatte. Daneben hing seine Unterhose, die sie ihm vom Körper geschnitten hatten, und über der Unterhose stand in Kreide mit großen Druckbuchstaben geschrieben: „VERRECK ENDLICH DU ELENDE SCHWUCHTEL!"



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  mizzan
2014-03-05T22:46:49+00:00 05.03.2014 23:46
Irgendwie hatte ich gehofft, dass Lucas Mutter sich vielleicht irgendwie verdächtig verhält, damit Nicholas etwas bemerkt. Aber Fehlanzeige... Wäre wohl auch zu schön gewesen, um wahr zu sein...
Antwort von:  Seira-sempai
06.03.2014 23:07
Dann wäre meine Fanfic nach 15 Kapiteln schon zu Ende. So kurze Geschichten schreibe ich schon seit Jahren nicht mehr. Die Geschätzte Länge beträgt über 100 Kapitel. Es wird also noch einiges passieren.
Von:  chrono87
2013-12-10T19:09:21+00:00 10.12.2013 20:09
Oh Gott. Was für eine Situation. Würde mich nicht wundern, wenn Luca erneut die Flucht ergriff. Das war mehr als eine Demütigung! Thomas wusste wirklich wie man etwas toppen konnte. Möchte mal wissen woher er all seine kleinen, sadistischen Einfälle hat. Er hätte es ja so verdient selbst mal so zu änden, mit nem Dildo im Arsch.
Vielleicht sollte Nicholas sich mal einfallen lassen auch sadistisch zu sein. XDDD
Antwort von:  Seira-sempai
10.12.2013 20:14
Ja, Luca möchte am liebsten die Flucht ergreifen. Ist aber verständlich.
Woher Thomas die ganzen Einfälle hat? Keine Ahnung. Wahrscheinlich sitzt er den ganzen lieben langen Tag zu Hause und überlegt, was sie als nächstes mit ihm anstellen könnten. Außerdem ist er nicht allein. Leonie, Jan und Martin könnten auch zur Idee beigesteuert haben.
Nein, Nicholas wird nicht zu den selben Waffen greifen, wie Thomas, dazu ist er viel zu stolz. Er mag es nicht, schmutzig zu kämpfen. Aber keine Angst, Thomas und seine Gang bekommen trotzdem ihr Fett weg. Nur geht Nicholas eben anders vor.
Von:  Medieval
2013-12-10T16:51:39+00:00 10.12.2013 17:51
War ja klar das das nur die ruhe vor dem Sturm war >.<
Bin gespannt wie die Leherer und die anderen darauf reagieren
Vielleicht öffnet ihnen das die Augen und jemand unternimmt mal was gegen die Gruppe...
Antwort von:  Seira-sempai
10.12.2013 17:57
Natürlich war das nur die Ruhe vor dem Sturm. Aber keine Angst, ab jetzt wird es langsam besser, aber wirklich nur langsam.


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