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Auf den zweiten Blick

von

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Nicholas wird wütend

Entsetzt starrten sowohl die Schüler als auch Frau Schiller an die Tafel. Keiner sagte etwas. Keiner rührte sich. Auch die Lehrerin sagte nichts.

Auch Luca war geschockt. Mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Tränen stiegen ihm in die Augen und er schluchzte leise. Am liebsten wäre er weggelaufen, doch er konnte sich nicht rühren. Seine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding. Er war sich sicher, würde er jetzt versuchen, aufzustehen, würden sie nachgeben und er würde zusammenbrechen. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als sitzen zu bleiben.

Die Tränen liefen ihm über das Gesicht. Wieso tat keiner etwas? Von seinen Mitschülern hatte er ja nichts anderes erwartet, aber als Lehrerin musste Frau Schiller jetzt eingreifen, oder? Sie konnte es nicht länger ignorieren. Doch sie tat nichts.

Die Klasse begann, zu murmeln. Luca hörte, wie Thomas leise lachte und Leonie kicherte. Ihm wurde schlecht. Er wollte weg von hier! Egal, wohin, überall war es besser! Doch er konnte sich nicht rühren.

Durch die vielen Tränen nahm er seine Umgebung nur noch verschwommen wahr, aber das interessierte ihn nicht. Warum unternahm niemand etwas? Er senkte seinen Blick und starrte auf den Tisch vor sich. Er konnte seine Mitschüler nicht mehr ansehen, nicht, nachdem sie dieses Foto gesehen hatten

Ein Stuhl wurde zurückgeschoben und jemand stand auf. Luca hörte Schritte, jemand ging zur Tafel. Immer noch wagte er nicht, aufzusehen.

„Ihr seid doch alle krank!", erklang Nicholas' wütende Stimme aus der Richtung der Tafel.

Luca fuhr zusammen, wischte sich schnell die Tränen aus den Augen und schaute nach vorn.

Tatsächlich! Nicholas stand vor der Klasse. Seine grünen Augen blitzten gefährlich und verliehen ihm ein raubtierartiges Aussehen. Er erinnerte Luca an einen Panther, kurz bevor er seine Beute angriff.

„Hier fehlt ein Komma", stellte Nicholas betont nüchtern fest und deutete auf die in Kreide an die Tafel geschriebenen Worte. Es sah fast so aus, als würde er das Komma setzen, doch er tat es nicht. Stattdessen griff er nach dem Foto und riss es von der Tafel. Er zerknüllte es und warf es ins Waschbecken. Danach drehte er das Wasser auf.

Während das Foto einweichte, riss er Lucas zerschnittene Unterhose von der Tafel und warf sie in den Müll. Dann schnappte er sich den Schwamm und wischte die Drohung von der Tafel. Er warf den Schwamm ins Waschbecken und nahm das inzwischen völlig aufgeweichte, zerknüllte Foto, aus dem die im Wasser gelöste Farbe tropfte, heraus. Als er zur Lehrerin ging, hinterließ er einige Tropfen auf dem Boden, doch das schien ihn nicht zu interessieren. Vor Frau Schiller blieb er stehen. Er warf ihr einen abfälligen Blick zu, ehe er ihr das zerknüllte Foto an die Stirn drückte. Die Farbe lief ihr über das Gesicht bis zu ihrer hellrosa Bluse, die sich am Kragen langsam verfärbte.

„Vielleicht kommen Sie nächstes Mal ihren Verpflichtungen nach!", sagte er bedrohlich leise.

Dann entfernte er sich wieder von der Tafel. Allerdings ging er nicht zu seinem Platz, sondern blieb vor Jans Tisch stehen. Er packte Jan am Kragen und warf ihn neben seine Bank.

„W- Was soll das?", rief Jan erschrocken.

„Spiel nicht den Ahnungslosen!", brauste Nicholas auf, „Das an der Tafel war deine Handschrift."

Darauf erwiderte Jan nichts. Nicholas schnappte sich dessen Tasche und schüttete ihren Inhalt auf die Bank. Diesen durchwühlte er, bis er Jans Geldbörse gefunden hatte. Er öffnete sie und entnahm ihr das Gesamte Geld. „Das reicht nicht. "Kritisch beäugte er die Scheine und die wenigen Münzen, ehe er sie in seine Hosentasche steckte.

Erneut baute er sich über Jan auf. „Wer war noch beteiligt?", fragte er. Dabei war seine Körperhaltung so drohend, dass es wohl keiner gewagt hätte, die Frage nicht zu beantworten.

„Thomas und Martin", flüsterte Jan, aber es war trotzdem Verständlich, „Und Leonie, es war ihre Idee."

Nicholas wandte sich an die anderen drei, die erschrocken vor ihm zurückwichen. Wie auch bei Jan, schüttete er ihre Schultaschen aus, schnappte sich ihr Portmonee und entnahm das ganze Geld. Die leeren Geldbörsen warf er wieder auf den Boden.

Keiner hielt ihn auf. Alle starrten sie ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und Bestürzung, teilweise aber auch Bewunderung oder Anerkennung an.

Nicholas ging auf den immer noch geschockten Luca zu und blieb vor dessen Bank stehen. Er legte das gesamte Geld, dass er Thomas Gang eben abgenommen hatte, auf den Tisch. „Das müsste reichen, um deine Sachen zu ersetzen, oder?", erkundigte er sich.

Fassungslos starrte Luca zuerst Nicholas, dann das Geld an. So viel hatte er noch nie besessen. Zögernd nickte er und steckte das Geld ein.

Nicholas nickte ihm noch einmal zu, dann setzte er sich zurück auf seinen Platz.

Wenig später klingelte es. Frau Schiller nutzte das, um möglichst schnell aus dem Raum zu verschwinden.

Thomas, Leonie, Jan und Martin warfen ihm wütende Blicke zu, doch sie unternahmen nichts. Nicht ein einziger dummer Kommentar kam über ihre Lippen.

Lucas Blick wanderte zu Nicholas, der ihn zu beobachten schien. Ihm fiel auf, dass er sich noch gar nicht bedankt hatte. Entschlossen wischte Luca sich die letzten Tränen aus dem Gesicht und ging auf Nicholas zu. Leider hielt seine Entschlossenheit nicht so lange, wie er es gerne gehabt hätte, denn als er vor Nicholas stehen blieb, der ihn abwartend musterte, wusste er nicht, was er sagen sollte.

Auch die anderen schauten ihn an.

„Ich- ähm... also", stotterte Luca und hätte sich am liebsten geohrfeigt. Blöder konnte er sich wirklich nicht aufführen. Konnte er sich nicht einmal zusammenreißen? Gestern hatte er auch normal mit Nicholas sprechen können. Er biss sich auf die Unterlippe und ballte die Hände zu Fäusten, ehe er einen neuen Versuch startete: „Ich wollte mich bedanken, für eben..."

Nicholas nickte ihm zu und deutete auf den leeren Stuhl neben ihm. Als Luca ihn verwirrt ansah, seufzte er, packte den Blonden am Arm und drückte ihn auf den Stuhl. Irritiert ließ Luca es über sich ergehen.

Ein unangenehmes Schweigen entstand. Nervös faltete er seine Hände ineinander und schaute die anderen, die ihn immer noch musterten, unsicher an. Dabei war er unbewusst näher an Nicholas herangerutscht, der es zwar bemerkte, sich aber nicht davon stören ließ.

Rebecka brach das Schweigen, indem sie Luca freundlich lächelnd ihre Hand hinhielt. „Lass dich von den bösen Jungs nicht einschüchtern. Sie tun nur so. In Wirklichkeit tun sie keiner Fliege etwas zuleide. Ich bin Rebecka, aber meine Freunde nennen mich Becky." Als Luca nicht darauf reagierte, packte sie seine Hand und schüttelte diese.

René, der neben ihr saß, grinste. „Da Nicholas es nicht für nötig hält, und vorzustellen, mache wir es eben selbst. Ich bin René, Nicholas bester Freund, wie sind seit dem Kindergarten unzertrennlich." Sein Grinsen wurde breiter. „Becky scheint richtig angetan von dir zu sein. Ich hoffe, ich muss mir keine Sorgen machen, dass du mir die Freundin ausspannst."

Luca wurde rot. Verlegen senkte er seinen Blick und starrte auf den Boden.

„Das glaube ich eher weniger. Dafür habe ich oben zu viel und untern zu wenig", meinte Rebecka belustigt. Luca wurde noch roter. Er war sich sicher, inzwischen einer Tomate Konkurrenz zu machen.

„Ich bin Fabian", stellte sich einer der Zwillinge vor, „und das ist mein älterer Bruder Florian."

Skeptisch betrachtete Luca ihn, ehe er nuschelte: „Andersrum."

Nicholas hob fragend die Augenbraue. Auch die Zwillinge schienen verwundert.

„Was hast du gerade gesagt?", fragten sie synchron.

„Ihr habt vor Deutsch die Rollen getauscht", murmelte Luca, nur wenig deutlicher als vorhin.

Die Zwillinge sahen zuerst Luca, dann sich an, ehe sie laut prustend loslachen. „Das gibt's nicht! Bis jetzt ist es noch nie jemandem aufgefallen, unsere Eltern und unsere Schwester mal außen vor. Wie hast du es bemerkt?"

Nicholas, Rebecka und René schienen verwirrt. Sie hatten anscheinend nichts vom Rollentausch bemerkt.

„Als Florian an die Tafel musste, hat Fabian Grimassen geschnitten. Normalerweise ist das immer andersrum", erklärte Luca.

Florian klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. „Weißt du was? Ich glaub, ich mag dich, Kleiner."

Es klingelte zum Unterricht, doch Frau Schiller kam nicht zu ihrer zweiten Unterrichtsstunde, weswegen die Gruppe fröhlich weiterquatschte. Auch, wenn Luca meist nur zuhörte und nur wenig zum Gespräch beisteuerte, so glücklich war er schon lange nicht mehr gewesen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  mizzan
2014-03-05T22:49:56+00:00 05.03.2014 23:49
Wow, wenn ich nicht schon vorher Respekt vor Nicholas gehabt hätte, dann hätte ich es spätestens jetzt. Mich wundert es aber etwas, dass Luca keine Angst vor ihm hat. Aber Nicholas hat ihm dazu wohl auch keinen Grund gegeben...
Antwort von:  Seira-sempai
06.03.2014 23:09
Luca hat durchaus Respekt vor Nicholas. Aber da Nicholas ihm nie einen Grund gegeben hat, ihn zu fürchten, tut er das nicht. Aber ja, Nicholas ist niemand, den ma sich zum Feind machen sollte.
Von:  chrono87
2013-12-11T10:09:56+00:00 11.12.2013 11:09
Das nenne ich mal eine gute Wendung. Mich wundert es, dass er das ausgefärbte Bild nicht Thomas Rachen hinuntergedrückt hat. XD
Nun gut, sie sind einen weiteren Lehrer los. Bin ja mal gespannt der die Dame ersetzt. Doch wohl nicht wieder Neumann XDDD
Auch wenn Luca nicht viel beiträgt, so scheint er endlich einen Anschluss und Freunde gefunden zu haben. Ich kann verstehen, dass er so zurückhaltend ist, immerhin hat er nie Freunde gehabt. Ich hoffe nur dass Becky und Co. nicht frustriert werden und ihn dann fallen lassen - auch wenn ich mir das nicht vorstellen kann.
Antwort von:  Seira-sempai
11.12.2013 11:49
Sorry, da muss ich dich leider enttäuschen. Schiller wird nicht gehen. Sie kommt nächste Woche in einer neuen Bluse wieder zum unterricht. hält aber sehr großen abstand zu nicholas und traut sich nicht, etwas gegen ihn zu sagen.
Natürlich hätte nicholas mit dem bild auch noch was anderes machen können, hat er aber nicht. warum, weiß nur er selbst. aber keine angst, thomas bekommt noch, was er verdieht.
Als Freunde würde ich sie noch nicht bezeichnen, das ist noch ein langer weg. aber der erste schritt ist getan...


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