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Auf den zweiten Blick

von

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Ohnmacht

Am nächsten Tag war Luca aufgefallen, dass Jochen ihn eingeschlossen hatte. Anfangs störte ihn das weniger. Er schaffte es eh nur unter Schmerzen, das Bett zu verlassen und solange er eingeschlossen war, ließ der Mann ihn gewöhnlich in Ruhe. Glücklicherweise hatte Jochen seine persönlichen Sachen nicht angefasst. Nur die Krankenversicherungskarte war wieder verschwunden gewesen.

Jetzt, fast zwei Tage später, fand er es nicht mehr so toll. Die Kekse, die er von der netten Nachbarin bekommen hatte, waren bereits seit einer Woche aufgegessen und auch sein Wasservorrat neigte sich dem Ende.

Irgendwann hatte das Hungergefühl nachgelassen und seitdem fühlte Luca sich eigentlich ganz gut, wenn man davon absah, dass man seine Rippen jetzt sehr deutlich sehen konnte. Er war schon immer sehr dünn gewesen, aber noch nie so dünn wie jetzt. Er musste dringend wieder etwas essen, am besten mit vielen Kalorien. Nur, wo sollte er das herbekommen. Sein Geld reichte nicht für mehr als ein Brötchen für die Schule. Danach aß er, was er aus der Küche mitgehen lassen konnte. Manchmal war seine Ausbeute üppig, dann gab es wieder Tage, an denen er fast nichts bekam.

Morgen würde er endlich wieder in die Schule gehen können. Er freute sich schon darauf, seine Freund, besonders Nicholas, wiederzusehen. Inzwischen stritt er es auch nicht mehr ab, sich in den Schwarzhaarigen verliebt zu haben. Er hatte seit Beginn der Ferien viel Zeit gehabt, nachzudenken und war zu dem Schluss gekommen, dass er wenigstens zu sich selbst ehrlich sein sollte. Trotzdem würde er seine Gefühle für sich behalten. Es war besser, wenn Nicholas nichts davon wusste. Luca wollte ihn nichts als Freund verlieren und genau das würde er. Nicholas würde sich ihm gegenüber anders verhalten, wenn er von seinen Gefühlen wüsste. Und das wollte der Siebzehnjährige auf keinen Fall.

Luca nahm den letzten Schluck aus seiner Wasserflasche. Dann legte er sich aufs Bett und wartete, bis Jochen und Sonja schlafen gingen. Erst als er sich völlig sicher war, dass die beiden schliefen, krabbelte er wieder aus dem Bett und öffnete das Fenster. Was er jetzt tat, war gefährlich. Wenn er dabei erwischt wurde, könnte er sich den Rest der Woche vor Schmerzen kaum rühren. deswegen tat er es nur selten, nur wenn es absolut notwendig war.

Heute war es nötig. Wenn er morgen in die Schule gehen wollte, musste er sich duschen, irgendwie. Und da Jochen ihn nicht aus seinem Zimmer lassen würde, musste er sich anderweitig helfen. Er schnappte sich ein Badetuch und ein Stück Seife, dass er vor einer Weile aus dem Badezimmer mitgehen lassen hatte, etwas anderes hatte er nicht.

Dann kletterte er aus dem Fenster, verschloss es wieder mit dem Stein, damit keiner sah, dass es geöffnet war. Dann lief er in den Garten, wo er durch ein Loch im Zaun auf das Grundstück seiner Nachbarin schlüpfte. Sie hatte in ihrer Grillecke hinter dem Haus einen Wasserhahn. Wohl, damit sich ihre Gäste nach dem Essen gleich draußen die Hände waschen konnten. Es floss auch nur kaltes Wasser. Doch das musste reichen.

Hoffentlich hat sie ihn noch nicht abgestellt, dachte Luca, während er durch das Gebüsch schlich. Doch er hatte Glück. Die Nachbarin schien es noch nicht für nötig gehalten zu haben. Als er den Hahn aufdrehte, begann das Wasser zu fließen. Schnell schlüpfte er aus seinen Klamotten. Es war dunkel, also würde ihn keiner sehen können. Und für Schamgefühl hatte er außerdem keine Zeit. Es musste schnell gehen, bevor sie oder ein anderer der in der Nähe wohnenden Menschen aufwachte.

Luca schrubbte sich mit der Seife gründlich ab. Schon nach wenigen Sekunden spürte er seine Finger nicht mehr, aber da musste er durch. Das Wasser würde nicht wärmer werden, wenn er trödelte. Als er mit seinem Körper fertig war, widmete er sich seinem Haaren. Er wusste, es war nicht gerade gut, sie mit Seife zu waschen, aber er hatte nichts anderes. Also seifte er sie großzügig ein. Dann schrubbte er etwas, ehe er seinen Kopf unter dem Wasserstrahl hielt und die Seife wieder ausspülte. Diesen Prozess wiederholte er, um sicher zu gehen, dass er keine Stelle übersehen hatte.

Er drehte den Wasserhahn wieder zu und wickelte sich in sein Badetuch. Dann schnappte er sich seine Klamotten, schlüpfte in die Schuhe und beeilte sich, das Grundstück zu verlassen.

Da seine Finger immer noch taub vom kalten Wasser waren, dauerte es, bis er es zurück in sein Zimmer geschafft hatte. Erschöpft und völlig aus der Puste, der Essensentzug machte sich bemerkbar, ließ er sich auf sein Bett fallen. Er wartete, bis er wieder halbwegs zu Atem gekommen war, dann schloss er das Fenster und rubbelte sich trocken. Danach bürstete er sein Haar. Es dauerte länger als sonst, da es sich einfach nicht bürsten lassen wollte. Deswegen bevorzugte er es, Shampoo zu benutzen. Vielleicht sollte er Sonja mal eine Flasche entwenden.

Danach kuschelte er sich in seine Bettdecke und wartete darauf, dass sein Körper wieder warm wurde. Irgendwann schlief er darüber ein.
 

Als er am nächsten Morgen aufwachte, war ihm immer noch etwas kalt, aber seine Haare waren inzwischen getrocknet. Er bürstete sie ein weiteres Mal, ehe er in seine Klamotten für die Schule schlüpfte und das Zimmer durch das Fenster verließ. Auch das Armband, welches er zum Geburtstag bekommen hatte, hatte er angelegt. Er wollte nicht, dass seine Freunde Fragen stellten und das würden sie, wenn er es nicht trug. Er musste nur dran denken, es nach der Schule gut zu verstecken, damit Jochen es nicht fand.

Auf dem Weg zur Bushaltestelle kaufte er sich sein übliches Brötchen. Dann wartete er auf den Bus. Schon als er an der Haltestelle war, bemerkte er, dass ihm leicht schwindlig war. Außerdem begann er, zu frieren. Das mit dem Waschen war wohl doch keine so gute Idee gewesen. Anscheinend hatte er sich dabei eine Erkältung zugezogen. Doch das ließ sich jetzt nicht mehr ändern. In die Schule würde er trotzdem gehen. wo sollte er auch sonst hin?

Im Bus merkte er, wie er seinen Kopf immer wieder gegen die kühle Scheibe lehnte. Außerdem schien seine Stirn zu glühen. Deswegen ging er nicht wie sonst immer gleich ins Klassenzimmer, sondern machte einen Umweg auf die Toiletten. Dort wusch er sich das Gesicht mit kaltem Wasser und füllte seine Flasche. Erst danach lief er zum Zimmer.

Nicholas und René waren bereits da. René begrüßte ihn auch sogleich lautstart. „Morgen, Luca. Na, wie waren die Ferien?“

„Ganz okay“, log der Blondhaarige, ehe er sich auf seinen Platz fallen ließ.

„Hast du noch schön mit seinen Eltern gefeiert, als sie wieder zu Hause waren?“, wollte René wissen.

Luca nickte. Würde er etwas anderes behaupten, würden sie vielleicht Verdacht schöpfen und das wollte er um jeden Preis verhindern. Also blieb ihn nichts anderes übrig, als seine Freunde zu belügen.

„Morgen“, grüßte ihn jetzt auch Nicholas.

Als Luca in die leuchtend grünen Augen seines Banknachbars blickte, begann sein Herz, schneller zu schlagen. Sein Mund wurde trocken und das Schwindelgefühl verstärkte sich.

„Morgen“, nuschelte er und wandte schnell seinen Blick ab. Um nicht unhöflich zu wirken begann er, seine Schulsachen auszupacken. Dann nahm er einen Schluck aus seiner Flasche.

„Ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte Nicholas besorgt. Ich schien aufgefallen zu sein, dass etwas nicht stimmte.

„Alles in Ordnung“, log Luca und zwang sich zu einem Lächeln, „Ich war nur etwas in Gedanken.“

„Na dann.“ Nicholas sah nicht aus, als würde er ihm glauben.

„Und, was hast du so in den Ferien gemacht?“, versuchte René ein Gespräch aufzubauen, „Ich bin für ein Wochenende mit Becky und ihren Eltern nach Berlin gefahren. Schön dort.“

„Eigentlich nichts weiter“, antwortete Luca. Sein Schwindelgefühl hatte sich verstärkt. Dazu kam, dass er jetzt ein gleichmäßiges Rauschen hörte, was es schwer machte, seine Freunde zu verstehen. Er musste sich am Tisch festhalten, um nicht vom Stuhl zu kippen.

René sagte etwas, doch er konnte es nicht mehr verstehen. Seine Sicht schwand. Schwarze Ränder grenzten sie immer weiter ein, bis er nichts mehr sah. Er fühlte noch, wie er gegen irgendetwas fiel, danach nichts mehr. 



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  mayu-saya
2014-02-27T19:07:46+00:00 27.02.2014 20:07
sagt "alles in ordnung" und fällt keine 5 sek. danach vom stuhl... luca du bist n held! =D
wie immer n schönes kapi, freu mich schon aufs nächste. ich will wissen wo luca dagegen gefallen ist!=D
Antwort von:  Seira-sempai
27.02.2014 21:08
Wogegen? Natürlich gegen Nicholas! Wo soll er denn sonst gegen fallen? Da wär nur noch die Wand.
Ja, Luca hat sich da ein wenig überschätzt. Er hat nicht geplant, ohnmächtig zu werden.
Von:  chrono87
2014-02-25T20:50:23+00:00 25.02.2014 21:50
Das ist echt hart. So eine Behandlung gegen ein Kind ist grausam. Ich hoffe Jochen wird ebenfalls so behandelt, wenn das alles mal rauskommt. Verdient hätte er es, genauso wie Sonja. So eine Frau würde ich auch nicht als Mutter bezeichnen oder so nach ihr rufen!
Es ist klar, dass er sich was wegholt, wenn er im Herbst draußen duscht. Allerdings kommt das sicher nicht allein vom Wasser. Ich wette das hat vor allem mit dem Essensentzug zu tun. Wogegen ist Luca gefallen? Ich vermute fast, dass es Nicholas ist, aber sicher bin ich mir da nicht. Mal sehen aus welcher Sicht das nächste Kapitel ist.
Antwort von:  Seira-sempai
26.02.2014 22:59
Nicholas' Sicht. Luca ist bewusstlos, also fällt er aus.^^
Keine Sorge, Jochen bekommt schon noch seine Strafe. Im Knast sind sie zu Leuten wie ihm nicht besonders nett. Da wird er schlechter behandelt, wie jemand, der geklaut hat oder wo eingebrochen ist. Es dauert nur noch etwas, bis rauskommt, was er tut. Aber es wird rauskommen.
Von:  tenshi_90
2014-02-25T19:12:57+00:00 25.02.2014 20:12
Ich schreib jetzt mal einn Kommi zu beiden Kapis.

Also, Luca sollte sich endlich jemanden anvertrauen... so kann es doch nicht mehr weitergehen... Iwann bringt ihn das noch um... Ich hoffe, dass jetzt irgendjemand mal handelt und ihn da aus der Hölle rausholt.
Antwort von:  Seira-sempai
26.02.2014 23:01
Luca wird darüber sprechen. Aber erst später. Noch vertraut er Nicholas nicht genug. Und keine Angst, er wird da rausgeholt.
Von:  mayu-saya
2014-02-25T18:47:25+00:00 25.02.2014 19:47
sagt "alles in ordnung" und fällt keine 5 sek. danach vom stuhl... luca du bist n held! =D
wie immer n schönes kapi, freu mich schon aufs nächste. ich will wissen wo luca dagegen gefallen ist!=D
Antwort von:  Seira-sempai
26.02.2014 22:59
Wogegen? Natürlich gegen Nicholas! Wo soll er denn sonst gegen fallen? Da wär nur noch die Wand.
Ja, Luca hat sich da ein wenig überschätzt. Er hat nicht geplant, ohnmächtig zu werden.


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