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Auf den zweiten Blick

von

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Ungewolltes Outing

„Jetzt hör aber mal“, maulte Thomas, „So wie ihr immer rumgeturtelt habt, ist das wirklich schwer zu übersehen. Und die Umarmung an deinem Geburtstag… So umarmt man keinen guten Kumpel!“

„Aber da waren wir noch gar nicht zusammen“, murmelte Luca verwundert und hätte sich am liebsten geohrfeigt. Musste er denn alles ausplaudern?

„Nicht?“ Thomas hob überrascht die Brauen. „Aber ihr seid zusammen, oder?“

„Ja“, antwortete Luca leise, „Seit Samstag.“

Thomas verschluckte sich an seinem Getränk und hustete los. „Nicht dein Ernst!“ Verblüfft starrte er ihn an. Seine Augen waren geweitet und er öffnete den Mund ein paar Mal, um noch etwas zu sagen, schloss ihn aber jedes Mal wieder, ohne dass er ein Wort von sich gegeben hatte.

Jetzt konnte Luca nicht mehr anders und lachte leise. „Nicht du auch noch! Es reicht schon, dass die anderen Wetten am Laufen hatten, wie lange wir noch brauchen!“

Peter räusperte sich und schaute seinen Sohn abwartend an. „Wann hattest du vor, mir von deiner Freundin zu erzählen?“

Luca straffte seine Schultern und erwiderte den Blick. „Du warst die ganze Zeit arbeiten. Ich wollte es dir in Ruhe sagen, nicht irgendwo zwischen Tür und Angel.“ Zu spät fiel ihm auf, dass sein Vater von einer Freundin gesprochen hatte.

„Jetzt komm mal wieder runter, Peter“, meinte Johann, „Dein Sohn ist fast erwachsen. Außerdem wird er bestimmt bald feststellen, dass Sara viel besser für ihn geeignet ist. Du musst dir also keine Sorgen machen.“

Hätte er es gekonnt, hätte er Johann sein Getränk über den Kopf geschüttet, so wütend war er. Was bildete sich dieser Mann eigentlich ein, sich in sein Leben einzumischen? Es war sein Leben und ging niemandem außer ihm, und vielleicht auch Nicholas, etwas an.

Peter nickte. „Du hast recht. Aber vielleicht ist das Mädchen gar nicht so übel. Sie könnte ja auch ganz nett sein.“

Hilflos sah Luca zwischen den beiden Männern hin und her. Warum ging jeder automatisch davon aus, dass er mit einem Mädchen zusammen war?

Thomas schien ähnliche Gedanken zu haben, denn er tippte ihn vorsichtig an, woraufhin Luca zwar kurz zusammenzuckte, sich aber schnell wieder gefangen hatte. „Kann es zufällig sein, dass dein Vater es nicht weiß?“, fragte sein Klassenkamerad leise.

Zuerst wusste Luca nicht, wovon sein Klassenkamerad sprach, doch er verstand es schneller, als ihm lieb war. Leider ging es auch den anderen so, denn während Thomas‘ Familie ihn skeptisch betrachtete, schien Peter empört über diese Aussage. „Gibt es da etwas, was du mir beichten möchtest?“

„Deswegen wollte ich es dir in Ruhe sagen.“ Luca hatte keine Lust, hier noch länger zu bleiben. Er schob seinen zur Hälfte aufgegessenen Teller von sich, schnappte seine Krücken und stand auf. Humpelte lief er zur Garderobe und nahm sich seine Jacke.

„Was tust du da?“, rief Peter. Er sprang auf, rannte ihm hinterher und stellte sich ihm in den Weg.

„Ich gehe“, sagte Luca, was offensichtlich war.

„Nein, das tust du nicht“, widersprach ihm sein Vater sofort, „Wir sind noch nicht fertig. Du sagst mir augenblicklich, was du dir dabei gedacht hast! Mit einem Jungen… Das ist doch nicht normal! Ich verbiete dir, mit dieser Abartig fortzufahren!“

Luca wurde wütend, richtig wütend. Es war, als hätte man in ihm einen Schalter umgelegt. Die Enttäuschung über die Abweisung seines Vaters, die definitiv da war, rückte immer mehr in den Hintergrund, bis er nur noch die Wut spürte. „Was willst du dagegen tun?“, fragte er ruhig, „Mich einsperren? Rauswerfen? Es aus mir rausprügeln? Nur zu, du wärst nicht der erste.“ Er zog seine Jacke an, schloss den Reißverschluss und humpelte an seinem Vater, der ihn nur geschockt anstarrte, vorbei.

„Jochen wusste es?“, fragte Peter, als der Siebzehnjährige gerade den Raum verlassen wollte.

„Natürlich nicht“, antwortete Luca aufgebracht, „Ich bin doch nicht lebensmüde! Er hätte mich totgeprügelt!“ Dann ging er, den Kellner, der gerade den nächsten Gang brachte, ignorierend.

Draußen ließ er sich erst einmal gegen die Wand des Restaurants fallen. Ihm wurde plötzlich klar, was er da eben getan hatte. Was, wenn Peter ihn jetzt wirklich rauswarf? Er hatte keinen Ort, an den er gehen konnte. Blieb er nicht bei seinem Vater, kam er wahrscheinlich in ein Heim und das bedeutete, weit weg von Nicholas.

„Hier bist du“, riss ihn Thomas‘ Stimme aus den Gedanken. Sein Klassenkamerad war ihm gefolgt. Auch er hatte seine Jacke angezogen. Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen lehnte er sich neben Luca an die Wand. „Da drinnen ist gerade die Hölle los.“

Luca seufzte. Unauffällig wich er etwas zurück. Drinnen hatte ihn Thomas‘ Nähe nicht so sehr gestört, aber da waren sie auch nicht allein gewesen. Hier war er sich nicht mehr so sicher, dass er ihm nichts tun würde. Ob er schon einmal seine Sachen packen sollte? Andererseits besaß er nichts, was er würde mitnehmen können. Die Sachen hatte ihm alle Peter gekauft und es fühle sich falsch an, sie als seins zu bezeichnen.

„Bekommst du jetzt Ärger?“, fragte Thomas vorsichtig. Er hatte bemerkt, dass Luca zurückgewichen war, dass sah der Blonde, aber er kommentierte es nicht.

Der Blonde hob die Schultern. „Keine Ahnung.“ Er kannte seinen Vater nicht gut genug, um einschätzen zu können, wie es jetzt weiterging.

„Das tut mir leid“, sagte Thomas leise. Es klang echt.

„Warum bist du auf einmal so nett zu mir?“ Diese Frage stellte Luca sich schon seit einer Weile. Am Tisch vorhin hatte er es noch auf die Anwesenheit ihrer Familien schieben können, aber es war trotzdem seltsam gewesen.

„Weil ich ein Idiot gewesen bin“, antwortete Thomas, „Ich wollte Leonie beeindrucken. Deshalb habe ich getan, was sie von mir verlangte, ohne darüber nachzudenken. Wie sagt man so schön? Liebe macht blind. Ich bin zusätzlich noch an ihr verblödet, und zwar richtig. Ich weiß, was ich getan habe, ist unverzeihlich. Aber-“ Er streckte die Hand nach dem Blonden aus, wollte ihn an der Schulter berühren.

Luca, der mit dieser plötzlichen Bewegung nicht gerechnet hatte, fuhr zusammen.

Als hätte er sich verbrannt, zog Thomas seine Hand wieder zurück. „Es tut mir leid“, flüsterte er. Seine Stimme bebte. „Scheiße! Es tut mir so leid.“

Luca erstarrte. Wie sollte er darauf reagieren? Er wusste, dass es Thomas leid tat, so gut konnte kein Mensch schauspielern. Er schien es aufrichtig zu bereuen, weswegen sich der Blonde entschloss, ihm einen Teil der Last abzunehmen. Er wusste nicht, warum er es tat, nur dass es das Richtige war. Thomas sollte sich keine Schuld für Dinge geben, die Jochen getan hatte. Leise begann er zu sprechen. „Es ist nicht deine Schuld.“

Einen Augenblick lang starrte Thomas ihn verwirrt an, dann legte er ihm die Hand auf die Schulter. Diesmal hatte Luca damit gerechnet, weswegen er nur kurz zusammenzuckte und sich schnell wieder gefangen hatte.

„Red keinen Müll“, schluchzte Thomas, den Tränen nahe, „Natürlich ist das meine Schuld. Ich kann dich ja nicht einmal anfassen, ohne dass du Angst bekommst.“ Er wollte seine Hand zurückziehen.

Doch Luca hinderte ihn daran. Er hielt die Hand fest und schaute seinem Gegenüber in die Augen. „Was du getan hast, war nicht okay. Du hast mir sehr weh getan und auch wenn ich es dir vielleicht irgendwann verzeihen kann, werde ich es wohl nie vergessen. Ich weiß, dass der Großteil von Leonie ausging. Wenn sie nicht dabei war, hast du nur ein paar dumme Sprüche geklopft und mich sonst in Ruhe gelassen.“

Thomas hatte inzwischen den Blick gesenkt und starrte betreten zu Boden.

Nie hätte Luca geglaubt, dass er das mal tun würde, aber es war die einzige Möglichkeit, wie er verhindern konnte, dass Thomas sich weiterhin die Schuld dafür gab. Es wäre nicht richtig. Auch wenn er es wahrscheinlich bereuen würde, er konnte nicht anders. „Jochen hat mich misshandelt.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  chrono87
2014-04-10T10:12:43+00:00 10.04.2014 12:12
Ha ha ha. Damit hat Thomas nicht gerechnet. Da sind sie gerade mal ein paar Tage zusammen und er dachte, dass sie seit Schuljahresbeginn ein Paar sind. Richtig lustig.
Was nicht lustig ist, ist die Reaktion seines Vaters. Ich meine, klar, es ist nicht leicht so etwas zu akzeptieren. Vor allem wenn man in einem Restauran und vor Freunden davon erfährt. Aber so ist das nun einmal. Wo die Liebe hinfällt!
Und nach all den Dingen die Luca durch gemacht hat, ist es auch kein Wunder, dass er gleich vom Schlimmsten ausgeht und Angst hat von seinem Vater vor die Tür gesetzt zu werden.
Tja, das mit dem Geständnis ist dann doch etwas hart. Ich bin gespannt wie Thomas das aufnimmt. Immerhin ist er nicht ganz unschuldig, dass Luca von Jochen verprügelt wurde. Immerhin waren es die Fotos, die sie von Luca geschossen haben und die sie Jochen untergejubelt hatten, dass dieser so richtig ausgeflippt ist.
Antwort von:  Seira-sempai
10.04.2014 21:06
Seit schuljahresbeginn vielleicht nicht. Aber Luca und Nicholas sind sich schon seit einiger Zeuit so nahe, dass man sie als fälschlicherweise für ein Paar halten könnte.
Das mit dem Foto war eine Sache. Jochen hätte auch einen anderen Grund gefunden, Luca zu verprügeln. Außerdem ist Luca kein nachtragender Mensch, was Thomas recht bald feststellen wird...
Von:  tenshi_90
2014-04-09T13:09:47+00:00 09.04.2014 15:09
Ohje.. das is ja mal gar nicht gut verlaufen.. aber ich finde es gut, dass Thomas sich entschuldigt hat.
Antwort von:  Seira-sempai
10.04.2014 21:05
Thomas ist kein schlechter Mensch. Auch er hat ein Gewissen, auch wenn Leonie es erfolgreich abgeschaltet hatte.


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