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25 Ways to meet someone

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So wieder mal ewig her, seit ich was veröffentlicht habe :D
Das Kapitel wurde noch nicht überarbeitet! (Kann also noch Fehler drin haben)

Ich habe einen Wettbewerb eröffnet, für den ihr die Fortsetzung eines der Kapitel dieser FF schreiben könnt -> http://animexx.onlinewelten.com/wettbewerbe/wettbewerb.php?id=47579
Ich würde mich sehr über eure Teilnahme freuen!
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Sandman

Die vornehme Blässe
 

Takanori fragte sich, was er sich dabei gedacht hatte, nur zwei Tuben Sonnencreme an den Strand mitzunehmen. Heute waren es gute 30° Grad in der Sonne, im Schat-ten für Takanori jedoch gefühlte 40° Grad.

Seine Arme glänzten bereits weiss, gerade rieb er mit Nachdruck über seine hellen Oberschenkel. Er hatte doch tatsächlich die kurzen Shorts angezogen, damit würde er sich den Tod holen, da war sich der Kleine sicher. Den Tod im Kleide von Hautkrebs. Erst wären es helle und dann dunkle Flecken, die sich über seinen Körper ausbreiten und sein schönes Gesicht entstellen würden, naja, zumindest der Rest von dem was seine Nase übrig gelassen hatte. Er schluckte trocken und goss sich noch einmal eine walnussgrosse Portion in die Handfläche, die er hektisch auf seinen knubbeligen Knien verteilte. Rot würden die noch schlimmer aussehen. Unruhig drückte er die Sonnenbrille wieder die Nase hoch und blickte aus dem Schatten seines riesigen weissen Sonnenschirms über ihm zum Wasser hinüber. Es glitzerte verführerisch und wäre sicherlich angenehm kühl auf seiner erhitzten Haut. Andererseits würde es aber jegliche Creme wieder von seinem Körper waschen, deshalb war es ausgeschlossen, dass er sich in die pralle Sonne begeben würde, um in das bedrohliche Nass zu stür-zen. Lieber blieb er in seinem sicheren Schatten und prüfte, ob nun wirklich jeder freie Zentimeter seines Körpers von UV-Schutz bedeckt war. Gerade wollte er noch seine Füsse eincremen, als ein Ball in weitem Bogen in seine Nähe flog und kurz vor sei-nem Handtuch liegen blieb, zur Hälfte in der Sonne.

«Hey, könntest du den bitte zurück werfen?», erklang gleich darauf eine tiefe Stimme.

Ruki spitzte die Lippen und betrachtete das aufgeblasene Rund abschätzig. Dann suchte er den Besitzer auszumachen, den er nach Kurzem einige Meter entfernt fand, weil dieser zu ihm rüber starrte und offensichtlich wartete. «Hallo, hörst du mich?»

«Ich bin nicht taub.», gab Ruki sofort eingeschnappt zurück.

Als er sich jedoch nach wie vor nicht rührte, kam der blondierte Mann in weiten Schrit-ten, damit er weniger im weichen Sand versank, heran.

«Was ist denn, der beisst nicht.» Verwundert musterte er den zierlichen Jungen auf dem Badetuch, während er andeutend auf den Ball zeigte.

«Danke, das ist mir bewusst.», gab Ruki von sich und schob die Sonnenbrille etwas über die Stirn. Da der Typ genau in der Sonne stand, konnte er ihn mit den dunklen Gläsern sonst kaum erkennen. Er war gross, am Ansatz war die Blondierung bereits etwas ausgewachsen, sein Körper sehnig und vor allem…stark gebräunt. Ruki kraus-te die Nase. Der war ja quasi der laufende nahe Tod.

«Und warum wirfst du ihn dann nicht zurück? Siehst zwar nicht sportlich aus, aber der wiegt ja nur ein paar Gramm…» Bei diesen Worten nahm der Hochgewachsene den mit Luft gefüllten Ball mit den beiden Zeigefinger auf und hob ihn hoch, während er ihn um seine eigene Achse wirbelte, als wäre es die Erdkugel.

Bloss ein Schnauben war von dem Kleineren zu hören. «Ja, das weiss ich auch…» Er zögerte und strich sich eine Strähne aus den Augen. Den studierenden Blick spürte er genau auf sich, welcher schlussendlich bei den Sonnencremeflaschen haften blieb.

«…Deine Zehen sind in der Sonne.»

Erschrocken zuckte der Kleinere mit seinen Füssen zurück, merkte aber gleichzeitig, dass sie im Schatten gewesen waren. Böse blitzte er zum anderen hoch, der ange-fangen hatte zu lachen. «Sorry, wollte es nur testen. Hast du ne Sonnenallergie?»

«Neeein…noch nicht. Und das soll auch so bleiben.» Ruki schlang die Arme um seine angewinkelten Beine. Das Schmunzeln auf den schmalen Lippen seines Gegenübers verwirrte ihn.

«Hm, und deshalb willst du den ganzen schönen Tag unter dem Schirm verbringen? Wieso geht man an den Strand, wenn man sich nicht sonnt, nicht schwimmen geht und auch sonst nichts macht in der Sonne oder im Meer?»

Der Kleinere spitzte die Lippen und zog sie nach oben, während er die Nase etwas rümpfte. «Um zu entspannen. Und das kann ich nur, wenn ich weiss, dass ich mir nicht zur gleichen Zeit Melanome heranzüchte.»

«Wie soll das passieren? Du hast wahrscheinlich die ganze Tube geleert!» Er zeigte mit dem Finger auf die Flasche mit der Aufschrift 50+.

«Neein, hab ich nicht. Ich hab ausserdem helle Haut, die hat das nötig.»

«He! Rei! Kommst du mal wieder oder klebst du fest?! Reisst du da jemanden auf?», ertönte Gejohle einige Meter hinter ihnen. Die Kumpel des Ballspielers wollten weiter-machen.

Der Angesprochene lachte bloss auf und warf nur einen kurzen Blick hinter sich. «Hey, komm doch mit. Wir könnten nochmals einen Spieler gebrauchen und du bist jetzt absolut abgesichert mit so viel Creme. Das macht Spass.»

Der Kleine blickte missmutig auf seine dunkel lackierten Zehen und grub sie in den Sand. «Ich fühl mich ganz wohl hier. Ich…ich hab ein Buch dabei und wollte etwas lesen.» Er klappte die Sonnenbrille zurück auf die Nase.

«Bah, das kann man auch zu Hause! Jetzt komm schon. Nur ein Spiel. Du kannst dein Shirt ja anlassen.»

«Mhh…ne lass mal…» Ruki schüttelte den Kopf, doch da wurde ihm eine Hand hin-gestreckt. «Bitte! Dann hör ich auch auf, dich zu nerven.»

«Sicher?» Das wäre eigentlich ein gutes Angebot. Er war schon ne Weile hier und es stimmte schon, er langweilte sich und das Buch war nicht sonderlich interessant. Der Einband hatte viel mehr versprochen. Und dann hätte er wenigstens etwas Sinnvolles am Strand gemacht. Ein kleines Spiel und dann sofort wieder unter den Schirm. Der Dunkelhaarige biss sich auf die Unterlippe, seufzte tief und nahm die Hand, wurde darauf so heftig in die Höhe gezogen, dass er stolperte. Weit flog er aber nicht, der Grössere hatte ihn geistesgegenwärtig aufgefangen. «Hoppla. Na also.» Schon wurde er über den heissen Sand geschleift. Die Freunde, die vorhin gerufen hatten, muster-ten den Neuankömmling neugierig. «Das ist ja gar kein Mädchen. Aber süss ja trotz-dem.»

«He Kazuo, halt deine Klappe!», gab der Mann, der immer noch den Ball hielt, von sich. «Also das ist…eh…» «…Ruki», half der Dunkelhaarige nach, der über seinen Arm rieb. Er konnte die Hitze schon spüren und wie die Sonnenstrahlen durch seine Haut drangen um dort Zellen zu verändern.

«Ruki, okay. Ich bin Reita, der mit dem grossen Maul ist Kazuo und der mit den schlecht gefärbten Haaren ist Minoru.» Die beiden Genannten grüssten freundlich, obwohl sie das seltsame Benehmen des Neulings bemerkten.

«Na gut, dann sind wir jetzt zu viert und können in Paaren spielen!»

«Klar, wir wissen auch genau, mit wem du spielen willst!», grinste Kazuo breit und zwinkerte Ruki ziemlich anzüglich zu. Dieser blickte verschreckt zu Reita hoch, doch der sah nicht zu ihm, sondern verdrehte demonstrativ die Augen für Kazuo. Dies be-ruhigte den Kleineren wiederum und er sah zu, wie die anderen beiden sich etwas entfernten, um das Spiel wieder aufzunehmen.
 

Die unerschrockene Bräune
 

«Na, war doch gar nicht so schlimm, oder?», grinste Reita. Sie deponierten gerade den Ball bei den Handtüchern von ihm und seinen beiden Freunden, welche gerade kreischend in Richtung Wasser rannten und in die Fluten sprangen.

Reita blickte ihnen grinsend nach und warf dann einen Blick auf den Kleineren, des-sen Augen hinter den riesigen Gläsern der Sonnenbrille kaum zu erkennen waren.

«Kommst du…auch mit ins Wasser?», fragte er hoffnungsvoll, auch wenn er die Ant-wort schon kannte.

«Ne, da wasch ich mir ja alle Sonnencreme ab und ich hab nicht noch mehr dabei…ist zu riskant.», kam die etwas verkniffene Antwort. Der Grössere konnte sich allerdings nicht dem Gefühl erwehren, dass der andere eigentlich schon gerne wollte. Doch sei-ne unerklärliche Angst vor Hautkrebs hielt ihn davon ab. Wie jemand, der so jung war überhaupt diese schon fast krankhafte Angst besitzen konnte, war ihm ein Rätsel.

Nachdenklich kräuselte Reita die Lippen. «Okay, ich sag dir was. Lassen wir das Meer einfach mal Meer sein und gehen ein Eis essen.» Er zeigte mit der Hand den Strand hinauf, wo es eine Eisdiele gab, vor der verschiedenfarbige kleine Zweiertische mit riesigen Sonnenschirmen aufgestellt waren.

Die Antwort dauerte ein Zögern und ein überlegender Blick zum Liegeplatz des Kleine-ren, dann aber wurde eingewilligt. «Ich muss nur kurz mein Geld holen…»

«Ach was, das zwei Eisbecher werden mich nicht arm machen», schmunzelte Reita und zog den Kleineren mit sich die Anhöhe hinauf, vorbei an Leuten, die das Wetter genossen, lachten und Eis in Waffeln assen.

Als sie in zur Eistheke traten, wehte ihnen der Wind der Klimaanlage kühl entgegen und sein neuer Bekannter entspannte sich zusehends, beugte sich vor und betrachte-te die grosse Auslage durch das Glasfenster. Er gab Laute von sich, die Reita zum Grinsen brachten. Die fragende Verkäuferin richtete sich an den Grösseren, der grins-te und Schokolade und Pistazie bestellte. Währenddessen hatte der Dunkelhaarige neben ihm immer noch keine Entscheidung treffen können und druckste herum. «Also ich hätte gerne…ehm…Joghurt und äh…Himbe…nein vielleicht lieber…Melone…eh ja.» Er kaute auf seiner Lippe herum, während der Blondierte bezahlte.

Sie setzten sich nach draussen unter einen gerade freigewordenen pinken Sonnen-schirm. Eine Weile leckten sie an der sich schnell verflüssigenden Süssigkeit, bis Reita beschloss, den Kleinen nicht mehr einfach nur anzustarren, der ab und an auf das Wasser sah, sondern etwas mit ihm zu reden.

«Eh…» Ganz intelligent, vielleicht hätte er den Gedanken auch erst zu Ende gebracht und sich noch überlegt, was er denn mit ihm bereden wollte.

«Eh also…wieso…wieso hast du solche Panik in der Sonne?» Noch während er es aussprach, merkte er, dass es taktisch ganz unklug formuliert war und auch gerade mit der Tür ins Haus zu fallen war ja wohl nicht sonderlich klug.

Der Kleinere schien ihn durch die dunklen Gläser zu fixieren – sicher war sich Reita da aber nicht, bis der andere sich die Brille auf den Kopf schob und ihm immer noch stumm musterte. Etwas Meloneneis tropfte auf den Tisch.

«Ich hab keine ‘Panik’. Ich bin nur vernünftig. Ausserdem sind wir in Japan, da ist eine Blässe ja sowohl Tradition wie auch viel gesünder für unsere helle Haut.» Wieder be-äugte er den Grösseren, dieses Mal die gebräunten Arme mit den von der Sonne ganz aufgehellten Härchen und die blanke Brust, von der er den Blick aber rasch wie-der hob.

«Aha, naja, aber wir leben auch im 21. Jahrhundert. Da gibt es Sonnencreme und niemand malt sich mehr weiss an, um noch heller zu wirken. Naja, einige Frauen viel-leicht schon, aber es ist Sommer und wir haben das Meer!»

«Wenn du dir Krebs holen willst, dann bitte, aber ich tu das sicher nicht!» Noch mehr Eis tropfte auf den Tisch und der Dunkelhaarige leckte hastig den Rand seiner Waffel ab. Reita war einen Moment nicht imstande, etwas zu antworten. Er fixierte eine lange Sekunde die pinke Zunge, die flink die Tropfen auffingen.

«Eh…» Es war wirklich heiss, warum war ihm das bis jetzt noch nicht so aufgefallen?

«Hm…mhm, okay.» Reita hob die Augen wieder in die des anderen, in welchen sich die Sonne spiegelte. «Verstehe…du kanntest jemanden, der an Hautkrebs gestorben ist?» Bevor er noch weiter nachdachte, waren die Worte einfach so aus ihm heraus gesprudelt. Es war eine intuitive Schlussfolgerung und er riss damit offensichtlich un-beabsichtigt eine Wunde auf, denn der Dunkelhaarige erstarrte und schloss den Mund schlagartig. Das Eis war vergessen. Die Sonne scheinbar aus den dunklen Iriden komplett verschwunden wie eine ausgelöschte Kerze.

Am liebsten hätte Reita sich geschlagen. Wie taktlos konnte man sein.

«Ich…ich muss jetzt gehen.» Der Kleinere stand so abrupt auf, dass der Stuhl nach hinten fiel. «Nein warte! Sorry, wir müssen nicht darüber reden, es war nur so eine blöde Frage…» Der Rest von seinem Schokoladeneis fiel zu Boden, als er ebenfalls aufsprang. Doch alles was er bekam war ein vernichtender Blick, vernichtend, aber auch verzweifelt. Dann sah er nur noch den Rücken des anderen, welcher den Strand wieder hinunter stürmte und seine Sachen in seine Tasche zurückwarf.

Als Reita unten ankam, versuchte der Junge gerade, seinen Sonnenschirm zuzuklap-pen, doch der klemmte. Ohne zu überlegen ging er ihm zu Hand und faltete ihn zu-sammen, steckte ihn in die dazugehörige Stofftasche. Derweil hatte der Dunkelhaari-ge seine Tasche geschultert. Sand klebte an ihm. «Du musst nicht wegen mir gehen, ich lass dich auch in Ruhe…», bot Reita an. Er fühlte sich miserabel. Andere Men-schen zu verletzten tat er zwar manchmal, aber dann absichtlich. Wenn es so pas-sierte wie gerade eben, dann fühlte er sich schlecht. Den Kleinen zu verletzen war gemein, wo er doch so offensichtlich mit etwas zu kämpfen hatte.

«Ich hätte gar nie herkommen sollen…», murmelte der Kleinere mit einem schwachen Lächeln und nahm den Schirm entgegen und stapfte den heissen Sand hinauf.

Reitas Magen zog sich zusammen, das Eis schmeckte plötzlich bitter und so, als ob es wieder raus wollte. «Kann ich es nicht wieder gut machen irgendwie?»

«Nein.» Der Kleinere drehte sich nicht mehr um, er war schon fast oben, auch wenn er keuchte. Ratlos lief Reita ihm ein paar Schritte nach.

«Es tut mir Leid!» Vom Kleineren kam keine Antwort, er war nun auf der Anhöhe und lief Richtung Parkplatz. Mit einem leisen Fluch rannte Reita ihm nun doch nach, stol-perte aber und legte sich der Länge nach in den trockenen Sand. Als er sich hochrap-pelte, fiel sein Blick auf ein kleines Büchlein. Verdutzt hob er es hoch, es klappte auf. Es war eine Agenda. Rasch blätterte Reita nach vorne, während er das Schlagen von Autotüren wahrnahm. Auf der ersten Seite stand ein Name und eine Adresse. Ob das der Kleine verloren hatte? Der Name hatte zwar nichts mit ‘Ruki’ gemeinsam, aber das war ja eh nur ein Spitzname.

«Hey, ich hab…» Reita sank im weichen Untergrund ein, als er sich hinauf kämpfte. Doch ein schwarzer Mini schob sich gerade aus der Parklücke und brauste davon, noch bevor Reita das Auto erreicht hätte.
 

*
 

Zwei Tage später las Reita abermals die Adresse durch. Unter dem Namen stand eine Strasse mit Nummer, die Zeile für die Telefonnummer war leer geblieben. Reita schlug das Büchlein wieder zu und seufzte leise. Sollte er jetzt wirklich über die Stras-se gehen? Das wäre Stalking. Belästigung. Der Kleine würde ihm wahrscheinlich den Kopf abreissen oder die Polizei rufen. Aber vielleicht hätte er die Agenda ja trotzdem gerne zurück?

Abermals besah er sich das weisse Haus mit den blauen Dachziegeln, der Treppe zum Eingang und dem amerikanischen Briefkasten. Rasch sah er nach links und rechts. Kein Auto zu sehen. Hastig überquerte er den Teer und hüpfte die Stufen rauf. Bevor er nochmals nachdenken konnte, drückte er rasch die Klingel, die unerwartet laut durch das Haus und die Tür drang, sodass der Blondierte zusammen zuckte.

Es ging einen Moment, dann hörte man Schritte durch den Gang und die Tür wurde so heftig aufgerissen, dass es einen Moment wirkte, als würde sie aus den Angeln gehoben.

Er wurde von dunklen Augen gemustert, bevor sein Gegenüber sich an den Türrah-men lehnte und ihn angrinste. «Hi!»

Reita hatte derweil seine Zunge verschluckt. Vor ihm stand ein komplett Unbekannter.

Der Fremde war in seinem Alter, aber sicherlich nicht verwandt mit dem Kleinen, den er eigentlich gehofft hatte zu sehen. Er war noch grösser als er selbst, sehr dünn, hat-te eine lange gerade Nase und mandelförmige Augen. Und er trug ein unverschämtes Grinsen auf den vollen Lippen.

«Ich sagte ‘Hi’, willst du nicht auch was sagen? Immerhin hast du bei mir geklingelt und nicht umgekehrt.»

«Eh…also…» Reita schielte auf das Klingelschild, doch der Nachname stimmte über-ein mit dem in der Agenda. Da ihm nichts besseres einfiel, hielt er dem jungen Mann einfach das Büchlein hin.

Die Katzenaugen wanderten erst seinen Körper hinunter, bevor sie sich ansahen, was er in der Hand hielt, doch das Objekt wurde dann mit einem Aufschrei quittiert.

«He, du hast ja meine Agenda!» Er riss sie ihm aus der Hand und blätterte sie kurz mit dem Daumen durch. «Wo hast du denn die gefunden? Dachte schon, ich seh die nie wieder. Hätte sie nie bei Taka liegen lassen sollen. Das Chaos, das der hat: war ja logisch, dass die dann verschwindet…» Er blickte wieder hoch, das geschlossene Buch in seiner Hand. «Danke, voll nett! Möchtest du einen Finderlohn? Lässt du dich mit Kaffee bezahlen? Oder hast du was anderes erwartet?» Das Grinsen wurde brei-ter. «Falls du ne hübsche Schnalle erwartet hast, sei nicht enttäuscht, ich kann auch ziemlich gut küssen.» Der Mann wippte mit den Augenbrauen, seine Mundwinkel im-mer noch angezogen.

Reita starrte ihn mit grossen Augen an. In seinem Kopf existierte gerade nur ein Wort: Hilfe. Sein Hirn war sowohl mit der Verarbeitung des Aussehens des Jungen, der die Haare aufwendig toupiert hatte, was ihm aber noch stand, als auch mit dessen flotten Worten beschäftigt.

«Eh…also…»

«Bist du ne Schallplatte mit Kratzer?» Der Fremde verdrehte die Augen. «Also ganz langsam: Wie heisst du?»

«Re…Reita.»

«Sehr schön. Und wo hast du meine Agenda gefunden?» Das Grinsen war jetzt ein etwas mitleidiges Lächeln, so als wäre Reita sehr langsam was Denken anbelangte.

«Strand…»

«Am Strand?» Ein Stirnrunzeln überbrückte einige Sekunden. «Ich war diese Woche noch nicht am Strand…aber Taka…» Der Bewohner des Hauses verengte die Augen und musterte ihn. «Reita...? Bist du der Kerl, den Taka am Strand getroffen hat? Er hat dich erwähnt, obwohl er eigentlich nicht wollte, aber da war so was…»

Reita sagte nichts, aber seine Wangen glühten, weshalb er annahm, dass man ihm die Antwort vom Gesicht ablesen konnte.

«Du bist es!» Und wieder wurde er gemustert, dieses Mal mit unverhohlener Neugier-de und etwas abschätziger. «So gross bist du ja gar nicht, wobei für Taka ist ja jeder gross. Eh…» Es schien im Gehirn des anderen zu rattern und dann zu klicken, Reita konnte es förmlich hören. «Du dachtest wohl, die Agenda gehört ihm was?» Das brei-te Grinsen war wieder da. «Ach schade, ich hätte gerne Spass mit dir gehabt, aber dann hast du dich wohl in Taka verguckt. Nur blöd, dass er dich nicht mehr sehen will, nach deiner bescheuerten Fragerei. So viel Taktgefühl wie ein Stück Treibholz.»

Die Sprudelei von Worten beschämte Reita. Dieser ‘Taka’, von dem der andere immer sprach, war wohl Ruki. Dass der andere sauer auf ihn war, konnte er gut verstehen, doch es so unverblümt von diesem Kerl zu hören war ihm peinlich.

«Das tut mir ja Leid…», brummte er. «Und ich würde es gerne auch wieder gut ma-chen…»

«Hmmm…» Reita wartete geduldig, bis er ein drittes Mal gemustert worden war.

«Also, weisst du was, komm einfach mal rein. Ich hab eh gerade ne Kanne Eistee gemixt. Ich bin übrigens Kouyou, wie du ja schon weisst von der Agenda, aber meine Freunde nennen mich Uruha, das ist mir auch lieber.» Uruha winkte ihn hinein und Reita schlüpfte brav aus den Schuhen, während hinter ihm die Haustüre wieder ge-schlossen wurde.»
 

Zehn Minuten später sassen sie auf einer Terrasse mit zwei Gläser Eistee in der Sonne.

«Also erzähl mir mal deine Version der Geschichte.», bat Uruha ihn, worauf Reita seufzte und etwas zögerlich berichtete, wie er Ruki aka Taka getroffen und unter sei-nem Schirm hervor gelockt hatte und wie dann mit einer dummen Frage alles diesen unguten Lauf genommen hatte.

«Hmm…» Uruha kaute auf einem Pfefferminzblatt herum. «Also ist schon mal ein Wunder, dass du ihn vom Schatten weglocken konntest…aber du hast wirklich weni-ger Taktgefühl als ein Toastbrot!» Der Mann schüttelte seine kunstvolle Mähne, wel-che Reita schon beinah einschüchterte.

«Ja, danke, das hab ich ja dann auch geschnallt. Als ich die Agenda fand, dachte ich, ich könnte mich nochmals bei ihm entschuldigen.»

«Mhm…naja…» Uruha stellte das leere Glas weg und blickte in den blauen Himmel, überlegte. «Ist echt schade, dass dus so versemmelt hast…es würde ihm gut tun, etwas Ablenkung…Ball spielen und Eis essen und so…scheinst ja ein netter Typ zu sein. Gut, auch Trottel haben eine zweite Chance verdient! Ich werde dir helfen», meinte er gönnerhaft und grinste Reita an. «Aber bevor ich dir was gebe, damit du zu ihm Kontakt aufnehmen kannst, werd ich dir was erklären. Ich finde zwar, es wäre an ihm, es dir zu sagen, falls er es möchte, aber wenn ich dir jetzt keinen Hinweis gebe, wirst du deinen Knackarsch beim nächsten Mal noch schlimmer ins Fettnäpfchen set-zen. Das kann ich nicht verantworten, Taka hat schon genug durchgemacht.» Uruha holte tief Luft, während der Reita kurz überlegte, wann der andere Zeit hatte, seinen Arsch abzuchecken oder ob das nur ne Floskel war und was das sein könnte, was er ihm nun sagen würde.

«Kurz gesagt…Taka hat gerade seine Mutter verloren. An Krebs, wie du dir vielleicht denken kannst.» Uruha blieb still und beobachtete genau, wie Reita darauf reagierte.

Dieser wusste aber erst gar nicht, wie er reagieren sollte. Es war ein Schock. Der Kleine war sicher nicht älter als er selbst, also höchstens 17 Jahre alt…so jung seine Mutter zu verlieren und dann auch noch an eine so schlimme Krankheit. Er konnte sich das gar nicht vorstellen. Auch wenn er selbst ab und zu mit seiner Mutter in Streit geriet, wie es in diesem Alter üblich war, liebte er sie dennoch. Da er keinen Vater mehr hatte, war sie seine einzige Bezugsperson.

Er spürte, wie er trocken schluckte und nahm rasch einen Schluck von seinem Eistee, doch es half nichts. «Das ist ja furchtbar…», murmelte er schliesslich, die schmelzen-den Würfel in seinem Glas anstarrend. Er war zugegeben überfordert. Und er spürte heissen, beissenden Hass in sich aufsteigen. Auf sich selbst, wie er so unbedacht den Kleineren ausgefragt hatte, hochgenommen hatte. Sein Magen drehte sich und am liebsten hätte er den Eistee wieder erbrochen.

Uruha klopfte ihm auf die Schulter. «Ist es. Also überleg dir sehr gut, ob du das möch-test und ob du mit seiner Trauer klar kommst. Er mauert, was ja nicht weiter verwun-derlich ist, aber du konntest ihn zu einem Eis einladen, was ich als gutes Zeichen nehme. Dennoch…wenn du nicht mehr Vorsicht walten lässt, wirst du ihm noch schlimmer wehtun und ich lass nicht zu, dass du die ganze Zeit in der Wunde sto-cherst.»

«Nein…ich werde vorsichtig sein, jetzt wo ich es weiss. Und ich werde nichts mehr sagen oder fragen. Aber ich möchte mich entschuldigen und meinen Fehler ausbü-geln.»

Uruha schnalzte nachdenklich mit der Zunge und wiegte den Kopf. «Also gut…ich geb dir…eine Zeit und einen Ort, an dem er sein wird. Dann kannst du ihn da treffen, wenn du es dir gut überlegt hast. Was du daraus machst, musst du selber wissen. Wenn du es versaust, reiss ich dir aber die Eier ab.»


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe einen Wettbewerb eröffnet, für den ihr die Fortsetzung eines der Kapitel dieser FF schreiben könnt -> http://animexx.onlinewelten.com/wettbewerbe/wettbewerb.php?id=47579
Ich würde mich sehr über eure Teilnahme freuen!
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