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Dynamische Systeme

Wichtelgeschichte für Finicella
von

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Parallelen


 

Parallelen haben eine Menge gemeinsam.

Trotzdem begegnen sie sich nie.
 

In der Wohnung von Friedrich Devaney hätte man vom Boden essen können. Sie war akkurat aufgeräumt, sauber und strukturiert, in einem Wort: Ordentlich. Immer. Wenn es Leute gegeben hätte, die ihn regelmäßig besuchten, so hätten sie zu keiner Zeit eine Veränderung in diesem Arrangement feststellen können. Zumindest war das früher der Fall gewesen.

Jetzt warf Houwang gerade eine Bananenschale nach dem Mülleimer, verfehlte um Haaresbreite und traf den Drucker. Friedrich hätte sich darüber aufregen können. Im Grunde hätte er sich darüber aufregen müssen, denn selbst wenn Houwang den Mülleimer getroffen hätte, wäre es der Papiermülleimer gewesen und nicht der Kompostmüll. Und Bananenschalen gehörten nicht in den Papiermüll. Friedrich Devaney legte großen Wert auf Mülltrennung. Vorwurfsvoll sah er zu Houwang hinüber. Der kleine Kerl wippte auf einem von Friedrichs blauen Hockern, den furchtbar unbequemen, aber wundervoll symmetrischen Hockern ohne Lehne, hin und her. Seufzend stand Friedrich auf, hob die Bananenschale auf und brachte sie in die Küche. Dann nahm er aus der Obstschale eine weitere Banane (die Obstschale enthielt nichts außer Bananen), und ging in sein Arbeitszimmer, das gleichzeitig sein Schlafzimmer war, zurück. Inzwischen saß Houwang auf seinem Schreibtischstuhl und grinste. Mit der Andeutung eines milden Lächelns, warf Friedrich ihm die Banane zu und ließ sich auf sein Bett fallen. An Arbeiten war ohnehin nicht mehr zu denken.

Houwang machte sich lautstark über die Banane her. Er liebte Bananen. Was kein Wunder war, denn Graf D hatte ihn Friedrich ausdrücklich als Affen verkauft. Als Affen! Klar, eine sehr seltene, spezielle Art von Affe, nicht leicht zu bekommen, beinahe ausgestorben. Aber für Friedrich sah er im Laden, und auch jetzt noch aus wie ein Junge von ungefähr zwölf Jahren. Ein Junge mit rötlichen Locken, die ihm weich und geschwungen ins Gesicht fielen und einem vollen, beinahe weiblichem Mund.

Er kniff die Augen zusammen und betrachtete seinen Affen (Affen!) durch die beinahe geschlossenen Lider. Es war nicht von der Hand zu weisen, dass eine gewisse Ähnlichkeit zu einem Affen bestand, und damit meinte Friedrich nicht nur die Bananen. Vielmehr war es die ganze Art, wie der Junge sich bewegte, wie er auf dem Hocker hin und her zappelte, wie er sich fahrig die Wange kratzte und wie er sich am Abend glücklich lächelnd am Fußende von Friedrichs Bett zusammenrollte. Er erinnerte Friedrich an diese kleinen, pelzigen Äffchen, die er aus dem Zoo kannte. Die sich von Liane zu Liane schwangen, lachten, kreischten und sich gegenseitig durch die Baumkronen jagten. Als Kind hatte er stundenlang vor dem Gehege gestanden, das vielmehr eine tiefe, einbetonierte Grube war, in der die Tiere ihr Unwesen trieben. Sie waren so unorganisiert, so laut, so … chaotisch. Er konnte sie stundenlang betrachten und dabei jede Minute das Bedürfnis haben, den Blick verstört abzuwenden und weiterzugehen. Er, der schon damals klare Strukturen geliebt hatte. Aber das Chaos, das ihm selber so fremd war, zog ihn an. Und so stand er da mit dem wachen Blick eines Kindes und beobachtete, analysierte und versuchte ein System in diesem wilden, tobendem Tohuwabohu zu finden. Bis heute war es ihm nicht gelungen. Doch jetzt saß einer aus dieser wilden Horde bei ihm auf dem Schreibtischstuhl, den Mund voller Banane und erzählte irgendetwas über die gesellschaftliche Wichtigkeit von Bananen. Und obwohl er ihn erst zwei Tage hatte, hatte er dieses Bündel Leben bereits ins Herz geschlossen. Wie, wusste er selber nicht genau. Fest stand nur, dass er Houwang um keinen Preis wieder hergeben wollte, trotz Ungezogenheit, trotz Wildheit und trotz Chaos.

Sein Blick wanderte von seinem neuen, den Schreibtisch blockierenden Gefährten über seine restliche, spartanische Einrichtung und blieb an seinem schmalen Bücherregal hängen, in dem er die Ordner mit seinen Artikeln und Forschungsarbeiten aufbewahrte. Sie waren alphabetisch sortiert und standen nebeneinander auf dem Brett. Unter dem Buchstaben V wie “Verschiedenes” hatte er am Montagabend, als er mit Houwang nach Hause gekommen war, den Vertrag eingeheftet, den Graf D ihm gegeben hatte. Darauf hatte der Besitzer des Petshops drei Bedingungen vermerkt, die den Kauf besiegeln sollten. Friedrich ging sie in Gedanken durch. Er sollte erstens darauf achten, dass Houwnag keine Flöhe bekam. Das war nicht schwer, denn er hatte nicht vor sich selber oder seinen Schützling auch nur in die Nähe von etwas zu lassen, das dreckig genug war, um Flöhe zu haben. Zweitens durfte Houwang nur frisches Obst und Gemüse bekommen; auch das war einfach zu erfüllen, schließlich war er tatsächlich (angeblich?) ein Affe und stürzte sich begierig auf alles Obst, das Friedrich ihm brachte. Und zuletzt durfte er sein neu erworbenes Haustier niemals einsperren. Das war der Punkt, der Friedrich zu Anfang Kopfzerbrechen bereitet hatte, denn er wohnte alleine und war tagsüber die meiste Zeit an der Universität. Allerdings hatte sich Houwang, trotz seiner chaotischen Neigung, als ungewöhnlich gesellschaftsfähig erwiesen. Er hatte ihn am ersten Abend - testweise - zu einem kleinen Spaziergang mit hinaus auf die Straße genommen und war überrascht über die plötzliche Ruhe seines Begleiters. Der Junge ging brav an seiner Hand, lächelte entgegenkommende Passanten spitzbübisch an und erntete nicht selten ein Lächeln im Gegenzug. Nach diesem Erlebnis hatte Friedrich es gewagt, ihn am nächsten Morgen mit in die Uni zu nehmen und auch dort hatte er sich - allen Vorbehalten zum Trotz - ausgesprochen gut betragen und sowohl bei seinen Kollegen, als auch bei den Studenten einen durchweg positiven Eindruck hinterlassen.

„Wo haben Sie den kleinen Kerl denn her, Mr Devaney?” „Wie heißt er denn?” „Der ist ja wirklich lieb!”

Für Friedrich, der sonst nicht nur zurückhalten, sondern geradezu scheu war, war dieser plötzliche Kontakt mit Menschen, die ihn - zugegeben - bereits sehr lange umgaben, aber mit denen er zuvor kaum mehr als das übliche Guten Morgen gewechselt hatte, etwas Neues und Ungewöhnliches. Schon immer tat er sich schwer, auf andere zuzugehen und mit ihnen ein Gespräch zu beginnen. Dass die Menschen nun auf ihn zukamen, machte die Sache einfacher und auf einmal, mit Houwang, der lachend an seinem Arm hing, fiel es ihm auch viel einfacher, sich mit ihnen zu unterhalten.

Lediglich bei ihm in der Wohnung zeigte sich Houwang von einer völlig anderen Seite. Er war laut, wild und unkontrolliert. In der ersten Nacht war Friedrich von einem lauten Schlag aufgewacht, nur um sein Haustier zu sehen, das mit flinken Bewegungen seine Ordner aus dem Regal zog, diese fahrig durchblätterte und dann zur Seite warf. Als Friedrich aufgewacht war, war er gerade dabei, den Ordner, der ein großes Teilgebiet seiner Doktorarbeit abdeckte („Sharkovskii’s Theorem - Period three implies chaos”) zu “lesen” und mit einem roten Stift seine eigenen Annotationen vorzunehmen. Den Ordner und dessen Inhalt selber brauchte Friedrich eigentlich nicht mehr, denn er hatte ein gutes Gedächtnis und beschäftigte sich zur Zeit sowieso mit einem Thema, das nur lose mit diesem zusammenhing, aber Unordnung, das konnte er auf den Tod nicht ausstehen! Zumindest nicht in seiner Wohnung.

Er war aufgestanden auf, hatte tief Luft geholt, um ein ernstes Wörtchen mit dem kleinen Ruhestörer zu reden, und direkt in zwei große, goldenen Kinderaugen geschaut. Die Moralpredigt blieb ihm sprichwörtlich im Hals stecken. Und so tat er nichts weiter als Houwang zu erklären, dass er es nicht gern habe, wenn man seine Sachen durcheinander brachte und dass er dies in Zukunft vermeiden solle. Währenddessen sammelte er die im Zimmer verstreuten Ordner ein und stellte sie sorgfältig zurück an ihren Platz. Houwang half sogar dabei. Er strich die Seiten glatt, reichte ihm die dicken Folianten, fragte neugierig, nach welchem System diese im Regal angeordnet seien und versprach, in Zukunft besser aufzupassen. Am nächsten Tag jedoch war Friedrichs Kleiderschrank “inspiziert” und das Unterste im wahrsten Sinne des Wortes zuoberst gekehrt worden.
 

Chris saß auf Ds Sofa und langweilte sich. Es kam nicht oft vor, dass er sich im Petshop langweilte, denn es gab so unglaublich viel zu sehen und so viele Leute, die man treffen konnte, dass man eigentlich immer beschäftigt war. Aber heute war ein Tag, an dem einfach gar nichts passierte. Kein einziger Besucher war bisher im Laden gewesen. Die Bewohner des Ladens waren träge und zu nichts zu gebrauchen, denn es war heiß und stickig, besonders jetzt um die Mittagszeit. T-chan lag in der Ecke und döste, die Augen halb geschlossen, die Haare verwuschelt. Auf seiner Stirn glänzte Schweiß. Pon-chan hatte der Hitze ebenfalls nachgegeben und schlief zusammengerollt auf dem Sofa, den Kopf auf Chris’ Schoß. Dadurch hatte Chris nicht nur nichts zu tun, sondern auch noch stark eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten. Na toll. Genervt sah er sich im Laden um, über dem eine ungewöhnliche, erschöpfte Stille lag.

Wieso schliefen die alle mitten am Tag? Gut, es war heiß, aber das war doch kein Grund ihn einfach so alleine zu lassen! Sogar D war weiß Gott wohin verschwunden! Ein paar Minuten lang beschäftigte Chris sich damit, zu versuchen, ebenfalls einzuschlafen. Aber natürlich klappte das nicht, denn je mehr er sich darauf konzentrierte, desto wacher wurde er. Am Ende war er noch wacher als zuvor. Und noch gelangweilter. Pon-chans Kopf begann langsam schwerer zu werden und Chris konnte sich nicht bewegen, ohne sie zu wecken. Leider traute er sich auch nicht, den Schlaf seiner sonst so treuen Begleiter zu stören, denn Pon-chan hatte die Angewohnheit, zu kratzen und zu beißen, wenn man sie unvermittelt aufweckte. Und das eine Mal als er T-chan aufgeschreckt hatte, war dieser wirklich böse geworden und hatte ihn angebrüllt. Chris blinzelte ein paar Mal und zog die Nase hoch, um dieses entwürdigende Erlebnis aus seinen Gedanken zu verdrängen. Ganz besonders die Tatsache, dass er damals, von T-chans Wut verschüchtert, angefangen hatte zu weinen. Das würde ihm bestimmt jetzt nicht mehr passieren, denn er war schon eine Zeit lang hier und an T-chans Wutanfälle gewöhnt, aber das hieß noch lange nicht, dass man einen solchen provozieren musste.

Er hob einen Fuß und versuchte damit an den Unterteller mit ein paar Keksresten auf dem Beistelltischchen zu kommen. Vorsichtig streckte er sein Bein und angelte ebenso vorsichtig danach, streckte sich ein Stückchen, angelte, streckte sich weiter und -

Die kleine Glocke am Eingang bimmelte, als die Tür aufgestoßen wurde. Chris wäre beinahe vom Sofa gefallen, so sehr hatte er sich in seiner Verrenkung angespannt. Pon-chan schreckte mit einem verwirrten Quieken auf und grub ihre Fingernägel in seinen Oberschenkel.

‚Autsch!’

Engelsgleich schwebte der Graf aus der Hintertür des Ladens auf die Besucher zu. Trotz der Hitze trug er einen weiten Kimono, der mit einem blau-weißen Muster bedeckt war, das Lilien und Wasser darstellte. Ein lautes, demonstrativ genervtes Grummeln aus der Ecke verkündete, dass auch T-Chan aufgewacht war. Während er sich den Oberschenkel rieb, breitete sich auf Chris’ Gesicht ein Grinsen aus,. Endlich war wieder etwas los!

„Herzlich Willkommen in Graf Ds Laden für Haustiere”, begrüßte D seine Kunden. „Ich bin nicht der Graf selber, sondern sein Enkel. Der Graf ist mein Großvater. Er ist zur Zeit auf Reisen, deshalb vertrete ich ihn.”

Die Kunden grüßten höflich zurück. Es handelte sich um eine Frau, die von einem ungefähr sechzehnjährigen Mädchen begleitet wurde; offenbar Mutter und Tochter. Zum Schutz gegen die Sonne hatten sie Hüte aufgesetzt, um die sie ein schwarzes Band gewickelt hatten. Sogar Chris konnte erkennen, dass sie zu dem reicheren Teil der Bevölkerung von Miami gehören mussten, denn ihre Kleidung machte einen sehr edlen Eindruck. Außerdem hatten beide ein besondere Haltung, so als wüssten sie genau um ihren Status. Nur das Mädchen wirkte ein wenig anders als ihre Mutter, wie eine Seiltänzerin, die für einen kurzen Moment das Gleichgewicht verloren hat, und für den Rest ihres Hochseilaktes um ihre Balance ringt.

‚Komisch’, sagte Chris zu Pon-chan. ‚Sie sind beide ganz schwarz angezogen, obwohl es doch Sommer ist. Sogar lange Hosen haben sie an!’

„Vielleicht trauern sie um jemanden?”, erwiderte sie nachdenklich. „Dann trägt man doch Schwarz, oder?”

Das Mädchen hob den Kopf und schaute zu ihnen herüber. Es hatte große, dunkle Augen und einen seltsam durchdringenden Blick. Chris überkam das Bedürfnis, sich hinter dem Sofa zu verstecken. Pon-Chan zog der vermeintlichen Konkurrentin eine Grimasse und zeigte ihre spitzen Zähne. Sofort wandte das Mädchen den Blick wieder ab.

„Was kann ich für Sie tun?”, wollte D in seiner samtweichen Stimme wissen.

Es war die Mutter, die das Wort ergriff, während das Mädchen sich verwundert im Laden umsah. Chris konnte das gut verstehen, schließlich erwartete man in einem Laden für Haustiere richtige Tiere und nicht die Menschen, die über den ganzen Innenraum verteilt herumlungerten, lachten, aßen oder sich leise unterhielten. Außer Q-chan, der zur Abwechslung einmal nicht um den Kopf des Grafen flatterte, sondern ermattet auf seiner Schulter saß, hatte Chris noch kein einziges Tier hier gesehen. Und Q-chan war nicht mal ein richtiges Tier, zumindest keines, das man im Lexikon finden konnte.

„Wir suchen einen Hund.”

Normale Verkäufer hätten jetzt nach Rasse, Größe oder anderen gewünschten Eigenschaften des Tieres gefragt; nicht so D. Er musterte die beiden lediglich einige Augenblicke lang und lächelte dann dünnlippig. „Ich denke, ich habe genau das Richtige für Sie. Folgen Sie mir bitte.” Und wie gewöhnlich machte er sich auf den Weg zur Hintertür, die in die weiten Gänge mit den exotischsten Räumen hinter dem Verkaufsraum des Ladens führte. Schnell stand Chris auf, um ihnen zu folgen und sofort hatte er Pon-chan an seiner Seite. T-chan jedoch hatte den Kopf wieder auf den Boden sinken lassen und war offensichtlich erneut weggedämmert. Stumm entschieden beide, dass sie bei dieser Unternehmung auf ihn verzichten würden.

Die beiden beeilten sich, dem Grafen und seiner Begleitung durch die Tür zu folgen und fanden sich dann, zusammen mit Mutter und Tochter, in dem großen Flur wieder, von dem aus man alle anderen Flure und Zimmer erreichen konnte. Angenehme Kühle und Dunkelheit umfing sie. Chris erkannte den erstaunten Ausdruck auf dem Gesicht der Frauen wieder, den er schon so oft gesehen hatte, und den auch er getragen haben musste, als er das erste Mal in den hinteren Teil des Ladens vorgedrungen war. Von außen wirkte die schmale Erscheinung der Fassade nicht so, als könne sich dahinter ein derartig riesiger Komplex befinden.

„Hier entlang.” D schritt weit aus und führte die kleine Gruppe den breiten Gang hinunter.

Sie passierten eine Tür, die einen Spalt weit offen stand. Weder D noch die Frau bemerkten dies, da sie in ein Gespräch über die Aufgabe des Hundes als Wachhund sprachen, doch das Mädchen blieb stehen. Einen Moment rang sie mit sich selbst, dann schaute sie in das dahinterliegende Zimmer. Auch Chris und Pon-chan waren stehengeblieben, um zu sehen, welche Erscheinung ihnen dort begegnen würde.

Da wurde die Tür auf einmal weiter aufgestoßen und auf der Schwelle stand eine Frau. Sie hatte lange, weiße Haare, die sie zu einem Zopf gebunden hatte und die in langen Windungen über ihren Rücken liefen und bis auf den Boden reichten. Ihre Augen waren groß, hatten eine rötliche Farbe und in ihnen lag der Blick, den Chris schon bei so vielen Bewohners des Ladens gesehen hatte. Etwas, das anderen Menschen fehlte. Etwas Wildes, Unkontrollierbares. Der Reihe nach betrachtete die Frau sie ohne zu blinzeln, bevor ihr Blick zu dem Mädchen zurückkehrte.

„Ent – entschuldigung”, stotterte das Mädchen, wobei sie einen hilfesuchenden Blick zu Chris warf. „Ich wollte Sie nicht stören. Entschuldigung.”

„Das macht nichts”, erwiderte die Frau. Sie hatte eine seltsame Art zu sprechen. Die scharfen Konsonanten kamen zischend und ein wenig in die Länge gezogen hervor. Ohne dass er wusste warum, lief Chris ein Schauer über den Rücken. Hilfesuchend schaute er sich nach Pon-chan um, doch sie befand sich nicht mehr neben ihm und war auch sonst aus Chris’ unmittelbarer Umgebung verschwunden. Vermutlich war sie irgendwo in den Schatten untergetaucht. Der Flur war lang und düster und man konnte nur ein paar Meter weit sehen. Bereits jetzt war die Stimme des Grafen nur noch leise zu vernehmen, während seine Gestalt und die seiner Begleitung bereits in der Dunkelheit verschwunden waren. Sicher war Pon-chan ihnen gefolgt, auch wenn sie ihm ruhig hätte Bescheid geben können.

Die raue Stimme der Frau riss ihn aus seinen Gedanken. „Wie ist dein Name?”

‚Ich bin Chris’, antwortete Chris sofort, nur um zu bemerken, dass nicht er gemeint war. Die Angesprochene schien dies selber nicht sofort zu begreifen, denn sie zögerte, druckste herum und antwortete schließlich zaghaft: „Mein ... mein Name ist Magdalena.”

‚Sie ist viel älter als ich, aber viel unsicherer’, dachte Chris erstaunt. Doch vielleicht lag es auch daran, dass Chris den Petshop bereits so gut kannte und an vieles gewöhnt war. Wäre er an seinem ersten Tag nicht Felippe begegnet, sondern dieser Frau, von der eine lähmende Kälte ausging, hätte er vermutlich auch so reagiert. Sogar Pon-chan hatte, wie es schien, die Fluch ergriffen. Oder war sie in das Zimmer der Frau geschlüpft? Unauffällig versuchte Chris an der Frau vorbei in den Raum dahinter zu schauen, doch auch dort war es sehr dunkel, sodass er nichts erkennen konnte und näher heran traute er sich nicht.

„Deine Freundin ist in diese Richtung gelaufen”, ertönte die raue Stimme auf einmal wieder. Der Kopf der Frau zuckte nach vorne und deutete eine Bewegung in die Richtung an, in die der Graf verschwunden war.

‚Ähm ... vielen Dank”, erwiderte er höflich und nickte mit dem Kopf. Höflichkeit war das beste Mittel, um sich hier Ärger vom Hals zu halten. Außer man hatte es mit T-chan zu tun.

„Keine Ursache.”

Verwirrt blickte das Mädchen, Magdalena, von Chris zu der Frau. Sie hatte nur die Hälfte des Dialoges mitbekommen.

„Wer sind Sie?”, wandte sie sich dann vorsichtig an die Frau.

„Mein Name ...”, murmelte die Frau schwer und blinzelte. Oder vielmehr kniff sie ihre Augen langsam zu und öffnete sie dann ebenso langsam wieder. Chris fiel auf, dass Iris und Pupille das gesamte Auge füllten. „Mein voller Name ist Bai Suzhen, aber der Graf nennt mich Bai-chan.” Ihr Kopf wiegte in einer pendelnden Bewegung hin und her. Chris und Magdalena folgten ihr wie hypnotisiert mit den Augen.

Auf einmal streckte sie die Hand aus und berührte Magdalenas Gesicht ganz leicht, so als wolle sie überprüfen, dass das Mädchen wirklich da war.

„Du erinnerst mich an jemanden.” Träge kamen ihr die Worte über die Lippen und es schien, als sei sie gedanklich bereits mit etwas völlig anderem beschäftigt. „Ich weiß nicht ...” Als sei sie in eine Art Trance gefallen. „Ich habe dich den Gang hinunterkommen hören und daran, wie du deine Füße aufsetzt, habe ich gespürt, dass ich dich kenne.”

Chris hatte verschreckt ein paar Schritte zurück gemacht. Die seltsam wiegenden Bewegungen der entrückten Frau waren ihm nicht geheuer. Er wünschte Pon-chan wäre hier, oder noch besser, T-chan. Magdalena hingegen schien ganz im Bann der Frau zu stehen. Mit aufgerissenen Augen starrte sie ihr ins Gesicht und schwang kaum merklich mit ihren Bewegungen mit.

Urplötzlich, als hätte sie ein Zeichen vernommen, dass sonst niemand wahrnehmen konnte, brach die Frau ihre Konzentration, ließ die Hand vom Gesicht des Mädchens fallen und zog sich in einer schnellen Bewegung zurück.

„Ich muss gehen. Auf Wiedersehen, Magdalena.”

Chris, der stocksteif im Schatten stand, würdigte sie keines Blickes. Mit einem metallischen Klacken schloss sich die Tür. Chris und Magdalena standen alleine im Gang. Von D gab es keine Spur mehr. Nun, da die verwirrende Präsenz der Frau mit den weißen Haaren keine solche Macht mehr auf ihn ausübte, begann Chris sich zu fragen, ob er als Ds Gehilfe - gewissermaßen! - die Pflicht hatte, die Kundin zurück in den Laden zu führen. Schließlich hatte er keine Ahnung, wo der Graf sich gerade befand und sich in dem Labyrinth aus Gängen zu verlaufen, war keine besonders verlockende Vorstellung. Nachdenklich legte er die Stirn in Falten. Sollte er es vielleicht trotzdem versuchen? Aber was wenn er eine falsche Tür erwischte und sie bei einem der unangenehmeren Bewohnern des Ladens landeten? Auch Honlon konnte ein erschreckender Anblick sein, wenn man nicht wusste, dass sich drei Individuen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, einen Körper teilten. Am sichersten wäre es doch, wenn er das Mädchen einfach zurück in den Laden brachte, um dort auf die Rückkehr des Grafs zu warten. Er wollte ihr das gerade kommunizieren, als sich Magdalena bereits behutsam an ihn wandte.

„Wer war diese Frau?“

‚Ich kenne sie noch nicht“, antwortete Chris wahrheitsgetreu. ‚Eine Bewohnerin des Ladens, nehme ich an.’

Magdalena schaute ihn erwartungsvoll an. Chris schaute erwartungsvoll zurück. Einige Sekunden verstrichen.

‚Oh, Mist!’, schoss es Chris plötzlich durch den Kopf. ‚Sie kann mich nicht verstehen!’

Dadurch, dass er die meiste Zeit bei den Tieren des Ladens verbrachte und diese, genauso wie Leon und der Graf, ihn problemlos verstehen konnten, ließ ihn manchmal vergessen, dass die meisten anderen Menschen dies nicht vermochten. Er zuckte die Achseln und machte ein ratloses Gesicht.

Neugierig schaute Magdalena ihn an. „Sprichst du nicht?”

Kopfschütteln.

„Aber du verstehst was ich sage?”

Was für eine dumme Frage! Heftig nickte er.

„Warst du denn schon immer stumm?”

Kopfschütteln. Langsam wurde ihm dieses Frage-Antwort-Spiel etwas lästig und er deutete den Gang hinab in Richtung des Ladens, um ihre zu verstehen zu geben, dass sie besser dorthin zurückkehrten.

Sie seufzte schwer, doch anstatt auf seinen Hinweis zu reagieren, lehnte sie sich mit geschlossenen Augen gegen die Wand.

„Ist etwas passiert, wodurch du aufgehört hast zu sprechen?”

Unsicher zuckte Chris abermals die Schultern. Er konnte sich noch genau an Sam und ihre wütenden Worte erinnern, aber genau wollte er darüber nicht nachdenken. Die Zeit hier in Ds Laden hatte ihn vieles vergessen lassen und zumindest für den Moment wollte er, dass dies auch so blieb. Magdalena behielt ihre Position unverändert bei und Chris, der zu dem Schluss kam, dass er sie wohl schlecht am Ärmel durch die Gänge zerren konnte, blieb wartend neben ihr stehen. Sie wirkte auf einmal sehr traurig und müde und viel älter, als noch wenige Minuten zuvor.

Auf einmal begann sie leise zu sprechen: „Wir sind hierher gekommen, weil meine kleine Schwester unbedingt einen Hund will. Einen großen, starken Hund, der sie beschützen kann. Ich glaube nicht, dass das etwas hilft. Aber ich muss mitkommen und den Hund aussuchen. So ist das immer, weißt du?”

Sie schaute Chris an, als erwarte sie eine Antwort. Er versuchte sich an einem wissenden Lächeln. Anscheinend musste er überzeugend gewirkt haben, denn sie fuhr mit schwacher Stimme fort. „Seit Papa gestorben ist, hat Cecilia Angst. Cecilia ist meine kleine Schwester. Sie glaubt, dass sie ständig in Gefahr ist. Sie ist erst zehn, sie versteht glaube ich nicht wirklich, was passiert. Sie ist einfach noch zu jung.”

Chris, der zehn war, konnte dem nicht zustimmen. Er selber wusste ja sehr gut, was um ihn herum passierte. Er zog ein trotziges Gesicht, das sein Missfallen ausdrücken sollte. Leider ging seine schauspielerische Ausdruckskraft verloren, weil Magdalena ihn nicht ansah.

„Papa wurde … er ist … also, am Sonntag ist seine Beerdigung und Mama will unbedingt, dass wir bis dahin diesen Hund haben. Aber ich weiß wirklich nicht, was das bringen soll.” Bei „wirklich” rutschte ihre Stimme auf beunruhigende Weise nach oben, so als würde sie gleich anfangen zu weinen. Unsicher ging Chris auf sie zu. Was er tun musste, sollte sie tatsächlich anfangen zu weinen, wusste er nicht. Stattdessen hoffte er lieber inständig darauf, dass es nicht dazu kommen würde.

„Ich … ich will nur, dass Papa wieder da ist.”

Chris hatte ihr Gesicht genau im Auge. Weinte sie? Nein, Tränen sah er keine. Nur ihre Unterlippe zitterte ein wenig. Kurz kämpfte sie mit sich, bevor sie resolut die Nase hochzog. „Es tut mir leid, ich hätte dir das nicht -”

„Chris! Chris! Da seid ihr ja!” Mit wehenden Haaren kam Pon-chan den Gang entlanggelaufen. Ihre Wangen waren gerötet vom Laufen und sie hatte ihr Kleid gerafft, damit sie nicht drauftrat. Vor Chris und Magdalena bremste sie ab, holte ein paar Mal tief Luft und verkündete dann: “D hat mich geschickt, um euch zu holen. Er sagt, ich soll das Mädchen zu ihm bringen.” Sie deutete auf Magdalena. „Du kannst auch mitkommen”, fügte sie an Chris gewandt hinzu.

Er nickte und ging ein paar Schritte in ihre Richtung. Dann drehte er sich um und lächelte Magdalena auffordernd an. Zögerlich und ein wenig verwirrt löste sie sich von der Wand und folgte ihnen.

‚Warum bist du abgehauen?’, wollte Chris von Pon-chan wissen. Er war ein wenig beleidigt, dass sie ihn einfach so mit zwei völlig Fremden hatte stehen lassen.

„Diese Frau war gruselig!”, erwiderte sie wie selbstverständlich. „Hast du ihre Augen gesehen. Sooo groß und durchdringend!” Um dies zu demonstrieren, riss sie ihre eigenen Augen so weit auf wie möglich und rollte sie in unterschiedliche Richtungen, sodass Chris lachen musste.

‚So gruselig war die doch gar nicht’, meinte er dann, mutiger als er sich tatsächlich gefühlt hatte.

„Für dich vielleicht nicht”, brummte Pon-chan und verschränkte die Arme vor der Brust. „Aber ich gehe lieber auf Nummer sicher, als dass ich noch von so einer gefressen werde.”
 

Im Sommer stand in L.A. die Hitze. Sie hing zwischen den Häusern, waberte - wie Nebel - über die Höfe und Plätze und nur der seltene Windzug, der um die Straßenecken strich, brachte Linderung. Es war früh am Morgen und trotzdem schon ziemlich heiß, als Friedrich über den Campus schritt. Ein paar Schritte vor ihm hüpfte Houwang. Offensichtlich hatte er einen Schmetterling entdeckt, dem er jetzt neugierig folgte. Ab und zu drehte er sich zu Friedrich um und lächelte oder rief ihm zu er solle sich beeilen. Dabei zeigte er seine spitzen Eckzähne, was ihm eine verschmitzte Wildheit verlieh.

Die Studenten die ihnen entgegenkamen trugen allesamt Shorts oder Miniröcke. Sie unterhielten sich lachend und gaben insgesamt ein recht gutes Bild ab. Eine Schar junger Vögel auf ihrem ersten, eigenen Flug. Friedrich selber hatte - trotz der Hitze - seinen üblichen Anzug an. Damit war man zwar nicht unbedingt gut beraten, wenn man viel draußen unterwegs, war, doch um Glück waren die Hörsäle genau sein Büro klimatisiert. In Gedanken ging er seinen Arbeitsplan für heute durch, als er beinahe in Houwang hineingelaufen wäre, der urplötzlich stehengeblieben war. Der Junge hatte seinen Blick auf eine Gestalt gerichtet, die zügig auf sie zuschritt. Schlagartig verdunkelte sich Friedrichs Gesicht. Auch Houwangs Lächeln erlosch. Nervös schaute er zu Friedrich auf und huschte dann mit einer flinken Bewegung hinter ihn.

Der junge Mann, der ihnen entgegenkam, trug ein weißes T-Shirt, unter dem sich seine Bauchmuskeln abzeichneten, Jeans und eine Sonnenbrille, hatte blond gefärbte Haare und einen sauber rasierten Dreitagebart. Er hätte das typische Bild eines Sunnyboys abgeben können, hätte er nicht eine schwarze Aktentasche unter dem Arm getragen, die so voll mit Büchern und Blättern war, dass sie nicht ganz schloss. Die Ecke eines karierten Blattes, auf dem Friedrich den Rand eines Koordinatensystems ausmachen konnte, guckte an einer Stelle heraus. Obwohl sie beide in derselben Fakultät beschäftigt waren, und sich ihre Forschungsgebiete auch stellenweise überschnitten, hatte Friedrich noch nicht viel Kontakt mit diesem Kollegen gehabt. Seine Indifferenz ihm gegenüber, mit denen er den meisten Menschen, die seine Arbeit betrafen, begegnete, hatte sich seit einigen Wochen in eine tiefe Abneigung gewandelt. Eine Abneigung, von der Jay Block, der jüngste und vermutlich auch beliebteste Professor an der University of California, wenig mitbekommen hatte. Und das sollte nach Möglichkeit auch so bleiben. Dabei kam Friedrich die Tatsache zugute, dass der junge Mann die meiste Zeit mit sich selber beschäftigt war und scheinbar wenig aus seinem Umfeld wahrnahm.

Friedrich und Houwang waren jedoch, platziert in der Mitte des gepflasterten Weges, kaum zu übersehen und so blieb Block zwangsläufig stehen und schenkte beiden ein Lächeln, bei dem er eine menge blendend weißer Zähne zeigte. Es war nicht ganz so strahlend, wie es früher immer gewesen war, doch es hätte gereicht, dachte Friedrich, um eine Horde von Studentinnen dahinschmelzen zu lassen.

„Guten Morgen, Friedrich”, begrüßte Block ihn und benutzte dabei die unter jungen Wissenschaftlern übliche Anrede mit dem Vornamen, „wie ich sehe sind Sie schon früh auf.” Er bemerkte Houwang, der sich neugierig hinter Friedrich hervorgewagt hatte und beugte sich zu ihm hinunter. „Na hallo, wen haben wir denn da?” Diese Begrüßung schien Houwang jedoch nicht zu behagen, denn sofort zog er sich wieder zurück und versteckte sich erneut hinter Friedrichs Rücken.

“Das ist Houwang”, erklärte Friedrich trocken. „Er ist ein wenig scheu.”

Das stimmte ganz und gar nicht, denn Houwang war Menschen gegenüber eigentlich sehr aufgeschlossen. Nur bei bestimmten Personen, das war Friedrich bereits des Öfteren aufgefallen, verhielt er sich wie eine Katze, wenn sie einen Rottweiler erblickt. Nichts konnte ihn dann aus seiner Zurückhaltung reißen, kein Locken, keine Köder, nichts. Dass gerade Jay Block, die Popularität schlechthin, zu den Personen zählte, die Houwang nicht ausstehen konnte, bereitete Friedrich ein grimmiges Vergnügen. Trotzdem konnte er nicht anders, als das unhöfliche Verhalten seines Schützlings zu verteidigen. „Mit Fremden ist er noch nicht so vertraut.“

„Das sehe ich”, lächelte Jay Block schwach richtete sich wieder auf. „Vielleicht liegt es ja an der Sonnenbrille, so etwas kann kleine Kerlchen wie ihn leicht verschrecken.” Er nahm sie ab. Offenbar konnte auch er nicht glauben, dass es jemanden gab, der ihn, den Sunnyboy vom Campus, nicht sofort ins Herz schloss. Friedrich bemerkte mit einer gewissen Anspannung, dass seine Augen gerötet waren und dunkle Ringe hatten. Houwang ließ Blocks Erscheinung ob mit oder ohne Sonnenbrille jedoch völlig kalt.

Nachdem er einige Sekunden auf eine Reaktion gewartet hatte, seufzte Block darum resigniert und zuckte die Achseln. „Da kann man wohl nichts machen. Ganz wie das Herrchen, der Kleine.”

Friedrich entlockte sich ein halbherziges Lächeln, das mehr einem Zähneblecken geglichen haben musste, denn Block wich - vielleicht unbewusst - zurück. „Ich mach mich dann mal wieder auf die Socken, die Studenten warten nicht gerne”, sagte er mit … war das ein Hauch von Nervosität? Friedrich kam nicht dazu, darüber nachzudenken, denn der junge Mann war bereits an ihm vorbeigerauscht, bevor er überhaupt so etwas wie ein „Ihnen auch einen schönen Tag” oder so unterbringen sollte. Er sagte es trotzdem, auch wenn er sich sicher war, dass Jay Block ihn nicht mehr hörte.

Als er ein Stückchen weg war, löste Houwang sich von Friedrich, schnitt eine Fratze und hängte sich an seinen Arm.

„Den Mann mag ich nicht!”

Augenblicklich wurde Friedrichs Stimmung besser. „Wenn ich ehrlich sein soll, Houwang, ich mag ihn auch nicht besonders.”

Große Augen. „Warum nicht?”

„Warum magst du ihn denn nicht?”, wich Friedrich mit einer Gegenfrage aus.

„Er sieht aus wie jemand, der eine giftige Frucht in der Tasche hat”, erklärt Houwang weise, nickte und strich sich durch den nicht vorhandenen Bart. Er sprach gerne solche Weisheiten aus, auch wenn Friedrich sich nicht ganz sicher war, ob er immer verstand, was sie bedeuteten. „Und warum magst du ihn jetzt nicht?”

„Er …”, Friedrich stockte, unsicher, ob er einem Kind seine Abneigung begreiflich machen konnte. „Er ist kein guter Wissenschaftler”, sagte er schließlich.

Houwang war offensichtlich nicht mit der Antwort zufrieden. „Warum nicht?”

„Weil - siehst du, alle Wissenschaftler müssen Dinge erforschen, neue Dinge finden, verstehst du?”

„So wie du und dein Apparat, an dem du immer arbeiten musst?”

Er schmunzelte. „Apparat” war das einzige Wort, mit dem er Houwang sein derzeitiges Projekt hatte näherbringen können. „Ja, genau so.”

Die Stirn des Jungen legte sich in Falten, als er darüber nachdachte. Schließlich fragte er: „Und dieser Mann hat nichts Neues erfunden?”

„Genau.”

„Aber warum werfen sie ihn dann nicht raus?”

„Weil niemand weiß, dass er nichts erfunden hat.”

„Das heißt, er tut nur so, als ob er forscht, aber in Wirklichkeit macht er gar nichts!” Vor Stolz über diese geniale Schlussfolgerung, streckte Houwang einer entgegenkommenden ältlichen Dame die Zunge raus. Hastig zog Friedrich ihn weiter. Sie betraten das Gebäude und nahmen den Aufzug in den fünften Stock, wo Friedrich sein Büro hatte. Es war kein besonders geräumiges Zimmer, aber er hatte es für sich alleine und es hatte ein vergleichsweise großes Fenster. Obwohl es langgestreckt war wie ein Schlauch (oder eine Besenkammer), passten dort ein Tisch mit mehreren Stühlen und drei große Regale mit Büchern und Akten hinein. Alles war akribisch aufgeräumt.

Friedrich stellte seine Aktentasche ab, ließ sich auf den Schreibtischstuhl fallen, und fuhr seinen Computer hoch. Houwang hatte auf einem der beiden Stühle gegenüber seines Tisches platzgenommen, auf denen sonst immer die Studenten saßen. Mit angezogenen Beinen hockte er dort, so ruhig wie es ihm möglich war, was an normalen Maßstäben gemessen allerdings nicht besonders ruhig war. In Houwang war ständig Bewegung, und so zappelte er auch jetzt herum, fuhr sich durch die Haare, kratzte sich, tippte auf die Lehne, legte den Kopf erst in die eine, dann in die andere Richtung, nahm ein Buch von Friedrichs Schreibtisch, blätterte es durch und legte es wieder zurück. Nur wenn er schlief, lag er völlig still da und manchmal, wenn Friedrich nachts aufwachte, hatte er Angst, der Junge wäre gestorben, so ungewöhnlich war die beinahe totale Regungslosigkeit für ihn.

Anscheinend hatte Houwang die ganze Zeit über nachgedacht, was seine ungewöhnliche Ruhe erklärte, denn auf einmal hob er den Kopf und fragte mit gefurchter Stirn: „Woher weißt du, dass der Mann von eben kein richtiger Forscher ist?”

Einen Moment lang verkrampften sich Friedrichs Hände, dann zwang er sich, sich zu entspannen, indem er tief durchatmete. Sollte er die Wahrheit sagen? Houwang würde es bestimmt nicht verstehen, selbst wenn er es so einfach wie möglich erklärte. Und mit der Wahrheit kamen immer unangenehme Konsequenzen. Allerdings hasste er es zu lügen. Er rieb sich die Stirn. „Ich habe es zufällig herausgefunden.”

„Wie?”

„Jemand … hatte den Apparat … den Jay Block - das ist der Mann von vorhin (Houwang nickte eifrig) - also, den Apparat von dem Jay Block behauptet, er habe ihn erfunden, den hatte schon jemand anderes vor ihm erfunden.”

„Ooooohh.” Hounwang sah ihn mit großen Augen an. „Wer hat ihn denn wirklich erfunden?”

„Ein Student.”

„Und warum hat er nichts gesagt?”

„Er ist nicht mehr hier”, erwiderte er und für einen kurzen Moment dachte er an dunkelbraune Locken und Sommersprossen und verschüchterte, große Augen. „Er, oder vielmehr sie, ist gegangen.”

Houwang kniff die Augen zusammen, während er diese Information verarbeitete, sodass Friedrich schon glaubte, er wäre aus dem Schneider. Doch da hatte er seinen kleinen Begleiter unterschätzt.

„Und warum sagst du nichts?”
 

Der Raum, in dem D seine “Hunde” aufbewahrte (für Chris waren es keine Hunde, sondern eindeutig Menschen), war groß und weitläufig. Es gab eine Glastür nach draußen, die in einen Park mit Bäumen und großen Wiesen führte. Da D und Magdalenas Mutter sich bereits im raum befanden, stand die Tür weit offen. Als sie eintraten, versammelten sich augenblicklich alle Bewohner des Raumes um sie herum, grinsten, lachten, stupsten sich an und betrachteten die Neuankömmlinge mit großen, treuen Augen. Die meisten waren noch sehr jung, doch unter der großen Schar an Kindern und Teenagern gab es auch einige Erwachsene. Ein etwa dreißigjähriger, muskulöser Mann mit schwarzen Haaren und Bart fiel Chris sofort auf, weil er nicht so enthusiastisch wie die anderen reagierte. Er brachte auch keine Bälle oder andere Spielsachen herbei, um sie damit zum Spielen aufzufordern.

„Einer dieser Hund passt bestimmt zu Ihren Vorstellungen”, sagte der Graf höflich und streichelte einem blonden Jungen mit zerwuschelten Haaren über den Kopf.

Chris begrüßte einige alte Bekannte, denen er auf seinen Touren durch den Laden schon mehrfach begegnet war, während Magdalena und ihre Mutter sich aufmerksam unter den Hunden umsahen. Die meisten hatten einen freundlichen und aufgeschlossenen Gesichtsausdruck. Chris wusste, weil sie es ihm schon oft erzählt hatten, dass jeder von ihnen sich wünschte, von einem Besitzer ausgewählt zu werden. Auch wenn alle Bewohner des Petshops eindeutig Menschen waren, ähnelten diese von ihrem Auftreten her tatsächlich Hunden. Vielleicht, überlegte Chris, war das der Grund, warum der Graf sie als Hunde verkaufte.

Magdalena hatte den großen Mann mit den schwarzen Haaren und den breiten Schultern entdeckt und machte ihre Mutter auf ihn aufmerksam. Sie gingen auf ihn zu und sprachen mit ihm, begutachteten ihn von allen Seiten. Erstaunt sah Chris zu, wie sich dieser Hüne von den beiden Frauen geduldig betrachten und anfassen ließ. Unbemerkt war D zu ihnen getreten.

„Ich dachte mir von Anfang an, dass dieser Ihnen am besten gefallen würde”, säuselte er.

„Er ist groß und sieht gefährlich aus”, bestätigte die Mutter leise und nickte, als würde sie sich an etwas Wichtiges erinnern. „Er wäre bestimmt ein guter Wachhund.”

„Er ist ein ausgezeichneter Wachhund”, bestätigte D, „denn er ist dazu ausgebildet, seinen Herren zu gehorchen und sie wenn nötig zu beschützen. Außerdem scheint er sie zu mögen”

Nach einem kurzen Blick zu Magdalena, nickte die Frau schließlich. „Wir nehmen ihn.”

„Natürlich. Sie können ihn gleich mitnehmen.” D ging zu einem großen, hölzernen Schrank hinüber, der an der Wand stand, und holte eine Leine und ein Halsband hervor. Er band dem Mann beides um und überreichte des andere Ende der Leine Magdalena. „Sein Name ist übrigens Gwyll.“

„Hmpf, so ein Glückspilz”, hörte Chris jemanden hinter sich murmeln. „Ich wäre auch gerne in einen nette Familie gekommen!”

„Ich auch! Ich auch!”, kam die Bestätigung aus vielen Kehlen.

„Ich bin viel süßer als der da”, flötete ein Mädchen mit hellbraunen, lockigen Haaren pikiert. „Ich hätte viel besser zu ihnen gepasst.”

‚Aber sie wollten doch jemanden, der sie beschützen kann’, mischte Chris sich vorsichtig ein.

„Wenn ich will, kann ich ganz schön zubeißen!”, verkündete das Mädchen selbstsicher und offenbarte eine Reihe spitzer Zähne.

Chris grinste. Hätte er die Wahl gehabt, hätte er auch den großen Mann als Beschützer gewählt, auch wenn der ihm ein bisschen unheimlich war. Aber süß war er nicht, da konnte er den anderen von ganzem Herzen zustimmen. Von der Tür aus winkte Pon-chan ihm zu und rief. Die anderen hatten den Raum bereits verlassen. Eilig verabschiedete er sich von seinen Freunden, versprach bald wiederzukommen und lief dann zurück in den Gang. Neben der Tür wartete Pon-chan, die, wie Chris auf einmal feststellte, selten mit ihm die bewohnten Zimmer betrat. Auch von dem grimmig dreinblickenden Mann, der jetzt jedoch lammfromm hinter Magdalena herging, hielt sie einen großen Sicherheitsabstand. Chris beschloss, sie nicht darauf anzusprechen, nachdem er sie vorhin schon mit seiner Frage nach ihrem plötzlichen Verschwinden verärgert hatte. Lieber trödelte er mit ihr ein wenig hinter den anderen her und tat so, als ob ihm der große Abstand nicht auffiele.

Als sie an der Tür vorbeikamen, an der sie zuvor die Frau mit den weißen Haaren gesehen hatten, fiel Pon-chan auf einmal ein, dass sie dem Grafen etwas Wichtiges sagen musste und hastig schloss sie zu den anderen auf. Chris hingegen hatte sofort gesehen, dass die Tür wieder offen stand und verlangsamte seinen Schritt. Im Vorbeigehen lugte er durch den Spalt und starrte direkt in zwei große, weit aufgerissene Augen. Erschrocken stolperte er einen Schritt zur Seite, merkte dann jedoch, dass die Augen nicht auf ihn gerichtet waren. Sie starrten hinter D mit seinen Begleitern her, die sich alle zügig in Richtung der Eingangstür entfernten. Kein Mucks, keine Bewegung war von der Frau zu vernehmen.

Chris schluckte und beeilte sich nun seinerseits, um nicht alleine zurückgelassen zu werden. Er konnte Pon-chan durchaus verstehen. Diese Frau hatte etwas Kaltes an sich, dem er sich nicht erwehren konnte. Und doch zog sie ihn in seinen Bann. Genau wollte er darüber jetzt jedoch nicht nachdenken, und so lief er schneller, bis er Pon-chan erreicht hatte, die neben D ging.

Als sie in den Verkaufsraum des Ladens zurückkehrten, schlug ihnen eine Wand aus heißer Luft entgegen und die Sommerhitze LAs hatte sie wieder in ihrem Griff. Chris stöhnte und wischte sich den Schweiß ab, der augenblicklich auf seiner Stirn ausgebrochen war.

Die Frau unterzeichnete den Vertrag, den D mit allen seinen Kunden abschloss, nahm ihrer Tochter die Leine aus der Hand und die drei verließen den Laden. Kurz bevor sich die Tür hinter ihr schloss, drehte Magdalena sich noch einmal zu Chris um und warf ihm einen langen Blick zu. Er wusste nicht genau, was sie ihm damit sagen wollte, doch er lächelte aufmunternd zurück.

Das wird schon wieder. Auch ich habe meine Mutter verloren. Du kommst bestimmt darüber hinweg.

Dann fiel die Tür zu.
 

Irgendwer hatte den Ventilator aus dem Großraum mit den zahlreichen Büros entwendet. Normalerweise stand dieses Ungetüm von einer Maschine an der Wand neben dem breiten Fenster, ratterte wie ein mittelgroßes Maschinengewehr und musste jeden Morgen mit einem kräftigen Tritt angefeuert werden. Aber wenigstens funktionierte es dann und senkte die Temperatur im Zimmer von „Finnische Sauna” auf „Backofen”. Nur heute eben nicht. Als Leon ins Büro kam, fiel ihm als erstes das fehlende Rattern auf, als nächstes die unsägliche Hitze. Hier drinnen war es genauso heiß wie draußen und mindestens doppelt so stickig. Er holte tief Luft, wie jemand der in Gefahr ist, zu ersticken, und schnauzte einen Rookie an, der gerade mit einem Stapel Akten in den Flur fliehen wollte, was mit dem Ventilator passiert sei. Der arme Kerl warf ihm einen verschreckten Blick hinter seinen dicken Brillengläsern zu und zuckte unbeholfen die Schultern – was keine gute Idee ist, wenn man einen Stapel Akten mit sich herumträgt. Die Oberste rutschte langsam herunter und löste eine wahre Kettenreaktion aus fallenden Akten aus aus. Doch Leon blieb nicht stehen, um sich das mitleiderregende Spektakel anzusehen. Er steuerte geradewegs auf Jill zu, die an ihrem Schreibtisch saß und sich die Haare raufte.

„Irgendetwas Neues?”

„Dir auch einen wunderschönen guten Morgen, Leon”, schnappte sie genervt, ohne aufzusehen.

„Schön? Was soll an diesem Morgen schön sein?”, erwiderte er. Die Hitze war nicht gerade gut für das Betriebsklima. Vor allem nicht, wenn sie einen solch pikanten Fall hatten. „Wo ist der Ventilator?”

„Ich hab keine Ahnung, Leon. Und jetzt lass mich in Ruhe arbeiten.”

Grummelnd schlurfte er zu seinem Tisch hinüber, der Jills direkt gegenüber stand, und ließ sich mit einem tiefen Seufzer in seinen Stuhl fallen. Er schwitzte, als wäre er einen Marathon gelaufen. Aber immerhin hatte er noch keine riesigen, halbmondförmigen Schweißringe unter den Achseln, wie der Rookie, der es soeben geschafft hatte, seine Akten wieder einzusammeln. Das war allerdings nur ein schwacher Trost. Auf seinem Schreibtisch lagen die Unterlagen, die er gestern Abend hier liegengelassen hatte. Sie gaben heute genauso viele Hinweise wie gestern, nämlich keine.

„Was sagt denn die Familie?”, fragte er Jill. Es war unnötig zu präzisieren, von welcher Familie er sprach, schließlich arbeiteten sie seit drei Tagen ununterbrochen an demselben Fall. Wenn der Ermordete nur nicht so wichtig gewesen wäre! Bereits vor ihnen, den leitenden Kommissaren in diesem Fall, war eine Delegation des Bürgermeisters am Tatort gewesen und hatte ihnen unmissverständlich klar gemacht, dass dieser Fall nationale, wenn nicht gar internationale Brisanz besaß. Anscheinend war Jason Yorke, so hieß das Opfer, an irgendeinem extrem wichtigen Projekt des Geheimdienstes oder Militärs beteiligt gewesen. So ganz genau hatte Leon das leider nicht herausbekommen können, denn noch besser als im Herumkommandieren, waren diese Regierungsmitarbeiter im Verschweigen wichtiger Tatsachen. So wusste er nur, dass jeder ihrer Schritte von irgendeiner Behörde überwacht wurde und dass sie sich – um die Worte seines Chefs zu gebrauchen – „auf keinen Fall einen Fehler erlauben durften”. Bei dem Gedanken an die schwulstigen Reden, die er im Zuge dieses Falls schon über sich hatte ergehen lassen müssen, verdrehte Leon die Augen. Wenn es doch wenigstens nicht auch noch so heiß wäre!

„Die Familie sagt, dass Yorke ein tadelloser Bürger war, der von allen gemocht und respektiert wurde”, sagte Jill und hielt ein Familienfoto hoch. Es zeigt die Familie Yorke, Vater, Mutter und zwei Töchter, vor ihrer ansehnlichen Behausung. Alle lächelten freundlich in die Kamera.

„Das sagen sie doch immer. Der muss doch Dreck am Stecken gehabt haben, sonst wäre er jetzt nicht tot”, brummte Leon. „Gar keinen Hinweis auf irgendwelche Privatfehden?”

„Nein, gar nichts. Nicht mal eine wütende Exfreundin oder so. Yorke hat seine Frau wohl im ersten Collegejahr kennengelernt und seitdem sind sie zusammen. Und was dieses Zeichen, das wir neben ihm gefunden haben, betrifft: Das ist so uneindeutig, dass ich nicht mal sicher bin, ob es wirklich was mit dem Mord zu tun hat.”

Jason Yorke war in einer Seitenstraße gefunden worden, die auf dem Weg von seinem Arbeitsplatz an der University of California zu seinem Haus lag. Er war die kurze Strecke meistens zu Fuß gegangen und an diesem Abend war es ihm zum Verhängnis geworden. Yorke, ein kleiner, beinahe zierlicher Mann mit sandfarbenem, langsam schütter werdendem Haar, hatte lang ausgestreckt auf dem Boden gelegen. Sein Gesicht war ganz ruhig, so als würde er nur ein Nickerchen machen, doch die zahlreichen Schussverletzungen in seiner Brust sagten etwas anderes. Spuren eines Kampfes hatte es keine gegeben, auch von der Tatwaffe fehlte jede Spur. Dabei hatten sie jeden Mülleimer im Umkreis von mehreren Meilen durchsucht. Als sie Yorke gefunden hatten, war es nach Mitternacht gewesen und erst am nächsten Morgen war Jill ein Zeichen aufgefallen, das jemand neben Yorke mit Kreide auf den Boden gemalt hatte. Es war schon etwas verschmiert und nicht gut zu erkennen, was vor allem daran lag, dass niemand so recht sagen konnte, was es darstellen sollte. Leon selbst erinnerte es an eine Stimmgabel, Jill brachte damit Diagramme in Verbindung. Im Grunde bestand die Zeichnung nur aus einer einzelnen Linie, die sich ungefähr auf der Hälfte in einem schwungvollen Bogen in zwei Enden spaltete. Das Ganze war natürlich sehr kryptisch und Leon glaubte auch nicht, dass es sie in dem Fall weiterbringen würde, aber Jill hatte es sich in den Kopf gesetzt, dieses Zeichen zu entschlüsseln.

Am hektischen Zucken ihrer Augen konnte Leon sehen, dass sie schon wieder einen Text über Symbole im Internet überflog.

„Vielleicht ermitteln wir auch in die völlig falsche Richtung”, meinte Leon und stützte den Kopf in die Handfläche. „Vielleicht war es doch ein Raubmord, oder-”

„Ihm wurden weder Wertsachen, noch Schmuck gestohlen”, unterbrach ihn Jill.

„Oder”, fuhr Leon unbeeindruckt fort, „er ist das Opfer eines Bandenkriegs geworden. Ein Kollateralschaden. Oder” (er richtete sich kerzengerade im Stuhl auf) „es hat etwas mit Drogenkartellen oder so zu tun! Hat er kürzlich ein Haustier gekauft?”

Jill hob ruckartig den Kopf. „Du wirst Graf D da nicht schon wieder mit reinziehen!”, knurrte sie. „Deine Besessenheit von ihm wird langsam lächerlich.”

„Es ist eindeutig, dass Morde geschehen, sobald Ds Viecher irgendwo im Spiel sind!”, wehrte sich Leon und sprang auf. „Ich werde ihm jedenfalls mal einen Besuch abstatten, vielleicht kann er uns ja über dieses Zeichen aufklären, das dich so in Beschlag nimmt.”

Mit diesen Worten erhob er sich wieder, wobei einige Papiere von seinem Tisch flatterten, und steuerte auf die Tür zu. Der Gedanke daran, aus dem aufgeheizten Büro herauszukommen, hatte seine Lebensgeister geweckt. Leider stürmte in diesem Moment einer seiner Kollegen herein, puterrot im Gesicht von der Anstrengung, bei diesen Temperaturen gerannt zu sein, schnappte zweimal nach Luft und verkündete: „Sie haben noch eine Leiche gefunden!”


Nachwort zu diesem Kapitel:
(Ich weiß, dass sich parallele Geraden im Unendlichen schneiden. Aber das passte nicht in die Geschichte, also … verzeiht mir diese Ungenauigkeit.) Komplett anzeigen

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