Zum Inhalt der Seite

Am Tag ist es leicht

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Unfug

An dem Tag, an dem Mutter ein Jahr lang tot ist, ist Vater wieder auf einer Mission. Statt ihm ist es Inoichi, der mit Ibiki und Ima zu dem steinernen Denkmal der Gefallenen geht und einen Blumenstrauß hinlegt. Ima nutzt die Gelegenheit, um Mutter alle möglichen Dinge zu erzählen, dass Ibiki schon acht ist, dass sie jetzt auch auf die Akademie geht, dass alle gesund und munter sind.

Ibiki ist still. Er redet nie mit Mutter, weil er nicht glaubt, dass es sie noch gibt. Ima mag der Gedanke gefallen, dass Mutter im Himmel ist und alles sieht, was sie tun, aber Ibiki macht das Angst. Wenn Mutter alles sehen würde, wüsste sie auch, wie Vater ihn behandelt, dass er Ibiki noch immer kaum ansieht, auch wenn er ihn nicht mehr geschlagen hat. Und das braucht Mutter nicht zu wissen, genauso wenig wie Ima. Es würde sie nur traurig machen.
 

Es passiert im darauf folgenden Sommer, an einem drückend heißen Tag. Die Kinder spielen auf einem alten Trainingsplatz in einem nördlichen Viertel Konohas, ein sandiger Hinterhof mit einem verrosteten Maschendrahtzaun und ein paar Zielscheiben an Holzpfählen. Einige Jungen aus Ibikis Klasse sind da, Gai und Asuma und Tokara, und noch ein paar andere, die Ibiki nur entfernt kennt. Sie werfen ihre schon reichlich stumpfen Shuriken und Kunais auf die Zielscheiben und üben ein bisschen Henge no Jutsu, oder sie spielen fangen oder treten den alten Ball herum, den irgendjemand in einem Gebüsch gefunden hat. Als es zu dämmern beginnt, werden einige Kinder von ihren Eltern abgeholt, und die anderen gehen nach und nach heim.

„Kommst du mit, Ibiki?“, fragt Gai, als nur noch sie beide da sind.

„Nein“, antwortet Ibiki. „Ich bleibe noch.“

„Ich muss wirklich los, sonst verpasse ich das Abendessen. Willst du vielleicht mit uns essen?“

Früher hat Ibiki das manchmal getan. Er mag die Maito-Familie sehr. Gais Vater redet viel und gerne und sagt nie nein, wenn man fragt, ob er einen Huckepack trägt. Gais Mutter ist eine eher leise, unauffällige Frau, aber ihre Kochkünste sind ein Wunder. Dennoch schüttelt Ibiki den Kopf.

„Ich übe noch ein bisschen. Henge no Jutsu kann ich gar nicht.“

Gai grinst und zeigt ihm den Daumen nach oben. „Das ist gut, Ibiki! Du musst deine Schwächen erkennen und an ihnen arbeiten. Schwächen lassen sich in Stärken verwandeln!“

Amüsiert zieht Ibiki die Augenbrauen hoch. „Wer sagt das?“

„Mein Papa“, antwortet Gai strahlend.

Ibikis Lächeln wankt. „Dann wird es wohl stimmen.“

Offenbar deutet Gai seine Reaktion falsch, denn er ballt wütend die Fäuste. „Mein Papa mag nur Genin sein, aber er weiß viele Sachen! Und er ist verdammt stark!“

„Ich weiß. Ich beneide dich um deinen Papa.“

Verwirrt lässt Gai die Fäuste sinken und lacht. „Ach ... ja, er ist große Klasse! Aber deiner ist doch auch nicht schlecht. Mein Papa erzählt, dass er ein sehr guter Shinobi ist.“

„Schon.“

„Jedenfalls, viel Erfolg beim Üben!“, sagt Gai und schlägt Ibiki auf die Schulter. „Ich sehe dich dann morgen!“

„Bis morgen, Gai.“

Er dreht sich um und geht, und Ibiki sieht ihm eine Weile lang nach. Er ist müde, der Schweiß läuft ihm an den Schläfen herunter, aber er kann sich nicht dazu überwinden, nach Hause zu gehen. Vater ist gestern Abend wiedergekommen, noch hat er ihn kaum zu Gesicht bekommen. Heute wollen sie alle zusammen essen gehen, aber Ibiki hat keine Lust.

Immerhin freut Ima sich, denkt er, während er die Kunais aus den Zielscheiben zieht und einige Schritte weiter weg geht. Er versucht, das Ziel zu treffen, aber er kann sich nicht konzentrieren. Er hat zu viele Gedanken in seinem Kopf. Imas leuchtende Augen, als Vater zurückgekommen ist. Wie sie auf ihn zu gerannt ist und ihn umarmt hat. Ihr Lachen. Sie hat keine Ahnung von dem, was zwischen Ibiki und Vater vorgeht, und wenn es nach Ibiki geht, kann das ruhig so bleiben.

„Ibiki.“

Er hört die Stimme und dreht sich langsam um. Vater steht an der Öffnung im Zaun und sieht zu ihm herüber.

„Da bist du ja. Einer von deinen Freunden hat gesagt, ich sollte mal nachsehen, ob du noch hier bist.“

Ibiki fällt nichts zu sagen ein. Vater kommt näher und sieht sich auf dem Trainingsplatz um. Er betrachtet die in der Zielscheibe steckenden Kunais und hebt eine Augenbraue.

„Hast du die geworfen?“

„Ja“, antwortet Ibiki und weiß, dass sie nicht annähernd das Zentrum der Scheibe getroffen haben. Vater sagt nichts dazu, und das ist vielleicht das Schlimmste, was er hätte sagen können.

„Aber ich kann andere Sachen besser“, bemerkt Ibiki.

„Zum Beispiel?“

„Genjutsu. Ich bin sehr gut in Genjutsu.“

Er hat erwartet, dass Vater wenigstens ein bisschen anerkennend aussehen würde, aber das tut er nicht.

„Mein Sensei hat gesagt, das ist ein Talent“, fährt Ibiki etwas entmutigt fort. „Weil man ziemlich exakte Chakrakontrolle dafür braucht. Es kommt nicht oft vor, besonders nicht in meinem Alter. Er hat gesagt, dass ich mich darauf konzentrieren soll.“

„Und wenn ein feindlicher Shinobi mit einem Schwert auf dich zukommt?“, fragt Vater. „Welches Genjutsu hilft dir dann?“

Sein Spott lässt Ibiki zusammenzucken. „Ich dachte ... Sensei hat gesagt ...“

Innerhalb eines Wimpernschlages ist Vater verschwunden. Ibiki schnappt erschrocken nach Luft, und im nächsten Moment steht Vater hinter ihm und hat ihm den rechten Arm auf den Rücken gedreht.

„So ein Unfug. Genjutsus sind hübsche Spielereien. In einem Kampf Mann gegen Mann nützen sie dir gar nichts.“

„Aber Sensei hat gesagt ...“, beginnt Ibiki.

„Wenn du anderer Meinung bist, dann zeig mir, was du kannst. Befreie dich.“

Ibiki will die Hände nach vorn nehmen, um irgendein Siegel zu schließen, aber Vater umklammert seinen rechten Arm und biegt ihn etwas höher. Ibiki beugt sich vor, damit es nicht wehtut.

„Ich ... ich kann nicht, Vater.“

„Natürlich nicht.“

Mit einem Ruck lässt Vater ihn los. Ibiki stolpert einen Schritt nach vorn, fängt sich und richtet sich auf. Vater mustert ihn eingehend. Er weiß nicht recht, was das ist in seinem Blick.

„Um dich aus manchen Situationen zu befreien, brauchst du körperliche Kraft und ein paar Tricks, was Taijutsu angeht. Aber dafür bist du einfach noch zu klein.“

„Ich bin ja erst acht. Nächsten März werde ich neun.“

„Selbst für einen Achtjährigen bist du zu klein“, erwidert Vater ungnädig. „Zu mickrig. Kein Wunder, essen tust du ja nicht anständig. Der Alltag eines Shinobi ist hart, die kleinsten Dinge können über Leben und Tod entscheiden. Und bei deiner körperlichen Verfassung sehe ich schwarz.“

„Ich werde mich anstrengen“, murmelt Ibiki und ballt die Fäuste an seinen Seiten.

Vater wirkt, als wollte er irgendetwas sagen, aber dann schüttelt er den Kopf und wendet sich ab.

„Komm mit. Wir wollten doch zusammen essen, hast du das vergessen?“

„Nein“, flüstert Ibiki und folgt ihm.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück