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Die Wölfe 5 ~Das Blut des Paten~

Teil V
von

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~Ums nackte Überleben~

Ich heule, bis ich keine Tränen mehr habe, dann starre ich ins Leere. Die Welt um mich herum hört auf zu existieren. Ich höre auf zu existieren.
 

Schritte auf dem Flur, ich schließe die Augen. Nur noch ein Moment, dann ist alles vorbei. Die Tür schiebt sich auf, Licht flutetet den Raum, doch irgendetwas ist anders. Irgendetwas, an dem Schatten, der in der Tür stehen bleibt, ist mir vertraut. Die Gestalt betrachtet die verteilten Splitter des Anhängers am Boden, dann sieht sie zu mir. Ich schließe die Augen wieder, mein Ende will ich nicht sehen. Hoffentlich geht es wenigstens schnell und es ist nicht allzu schmerzhaft. Ein Seufzen ist zu hören, dann kommen die Schritte näher, bis sie direkt vor mir ersterben. Eine Hand berührt mich am Kopf. Ich zucke zusammen und weiche mit bebendem Körper und Herzen zurück. Panisch blicke ich auf die Hand, die sich schon wieder nach mir ausstreckt. Bloß keine Berührungen mehr, keine Schläge mehr, lasst mich doch einfach sterben.

"Enrico, schon gut!" Nein, nichts ist gut! Ich will nicht mehr und schüttle immer wieder mit dem Kopf. Eine warme Hand legt sich auf meine Wage. Nein! Ich zucke zusammen und zittere noch heftiger. Er geht vor mir in die Hocke, sein Daumen streicht ganz sacht über meine Wange und jagt mir einen kalten Schauer den Rücken hinab, Tränen überfluten mein Gesicht. Bitte, ich habe genug!

"Enrico, sieh mich an!" Nein, ich will nichts mehr sehen!

"Enrico, ich tue dir nichts. Bitte, sieh mich an!" Die Stimme ist sanft und weinerlich, das ist sie schon die ganze Zeit. Wo bleiben die harten, erniedrigenden Worte, das kalte und boshafte Lachen?

"Bitte ..." Ich schaue auf und sehe direkt in zwei gläserne, smaragdgrüne Augen. Toni? Aber er müsste doch inzwischen tot sein, Moment, bin ich dann auch schon ...

"Sind wir tot?", will ich mit schwacher Stimme wissen. Er schüttelt sacht mit dem Kopf, während ein wehmütiges Lächeln über seine Lippen huscht.

"Nein, sind wir nicht", antwortet er leise. Noch immer liegt seine heiße Hand auf meiner Wange, noch immer spüre ich seinen Daumen ganz sacht auf und ab streicheln. Das ist die erste Wärme seit Tagen und auch in seinem Blick liegt etwas Wärmendes, etwas Fürsorgliches. Immer mehr Tränen fluten meine Sicht. Was für ein grausamer Scherz, dass er es nun ist, der zu Ende bringen soll, was er als Kind nicht übers Herz gebracht hat.

"Bitte, mach es schnell und schmerzlos!", flehe ich inständig doch er schüttelt wieder den Kopf. Will er mir nicht mal das gönnen?

"Wir verschwinden jetzt von hier", sagt er stattdessen. Ungläubig sehe ich in die grünen Augen. Verschwinden? Aber wohin denn? Kann er es nicht einfach hier zu Ende bringen?

"Kannst du aufstehen?" Ich sehe ihn erst ungläubig, dann finster an. Soll das ein Scherz sein? Sehe ich so aus, als wenn ich aufstehen könnte? Toni seufzt, als sein Blick meinen geschundenen Körper abfährt. Ich sehe unter ihm hinweg und schließe die Augen. Ich will so nicht von ihm gemustert werden.

Tonis Hände legen sich um meine Arme, er setzt mich auf. Ein starkes Hämmern durchzieht meinen schweren Kopf und lässt mich laut stöhnen. Ich halte es nicht aus zu Sitzen, mein ganzer Unterleib zerreißt in dieser Position und auch mein restlicher Körper bebt unter den tausend Dornen, die sich durch ihn zu bohren scheinen. Mit beiden Armen umklammere ich mich selbst und will den Schmerz hinausschreien, doch Toni legt mir die Hand über den Mund. Hastig atme ich durch die Nase aus und ein und sehe ihn furchtsam an.

"Bitte, versuch leise zu sein", fleht er inständig und sieht immer wieder durch die offene Tür in den Flur. Ich schlucke schwer und zittere heftig, ich glaube nicht, dass ich es aushalten kann, ruhig zu sein. Immer wieder atme ich aus und ein, doch es wird einfach nicht erträglicher. Kann er mich denn nicht einfach töten, dann habe ich es hinter mir.

Sein Blick wendet sich wieder mir zu, er nimmt die Hand von meinem Mund. Als ich mich im Sitzen immer weiter zusammenkrümme, sieht er mich voller Sorge an. Ich schaue grimmig zurück - das kommt eindeutig zu spät.

Toni schiebt sich sein fleckiges Hemd von den Schultern, ich sehe ihm erschrocken dabei zu. Was hat er denn vor? Er legt es mir über die Schulter. Als es sich über meine eisige Haut legt, kann ich seine Körperwärme noch darin spüren. Mit zitternden Fingern greife ich nach dem dünnen Stoff und ziehe ihn enger um mich. Mir ist so entsetzlich kalt. Toni verknotet die Ärmel auf meinem Brustkorb, dann dreht er mir den Rücken zu und geht vor mir in die Hocke.

"Komm, ich trage dich." Auffordernd hält er die Hände hinter den Rücken, doch ich zögere. Wohin will er mich denn bringen? Wird es dort noch schrecklicher sein, als hier?

"Enrico, beeil dich! Uns läuft die Zeit davon", drängt er, doch ich rühre mich nicht, schüttle nur abwehrend mit dem Kopf. Toni sieht über die Schulter zurück und betrachtet mich eine Weile auffordernd. Als ich seiner Bitte nicht nachkomme, seufzt er resigniert und dreht sich ganz zu mir. Er nimmt mein Gesicht in beide Hände und sieht mich eindringlich an.

"Enrico, bitte! Ich erkläre dir alles, wenn wir in Sicherheit sind, aber jetzt müssen wir von hier verschwinden, bevor es zu spät ist!" Es ist doch schon längst zu spät! Michael hat es geschafft, er hat meinen Willen gebrochen. Ich sehne mich nur noch nach dem Tode. Tränen strömen mir in großen Bächen übers Gesicht, Tonis Umrisse verschwimmen.

"Warum hast du mir das angetan?", schluchze ich. Auch in Tonis Augen sammeln sich Tränen, als er auf mich einredet, laufen sie ihm über die Wangen: "Bitte, ich erkläre es dir, wenn wir aus dieser Hölle hier raus sind. Lass uns jetzt gehen, bitte! Ich will hier weg, aber nicht ohne dich. Lass uns verschwinden, bevor sie was merken." Er rutscht kraftlos auf die Knie und fällt mir mit dem Kopf in den Schoß. Seid er hier ist, sehe ich ihn das erste Mal richtig an. Sein Oberkörper ist mit Brandwunden, Schnitten und blauen Flecken überzogen, seine linke Wange ist geschwollen und seine Unterlippe aufgeplatzt. Dann habe ich mich also nicht verhört, als ich seinen Schrei im Badezimmer hörte. Er wurde hier genauso festgehalten und gefoltert wie ich, aber warum in Gottes Namen hat er uns denn nur in diese Lage gebracht? Ich seufze schwer. Wenn ich das herausfinden will, muss ich ihm wohl oder übel noch einmal mein Leben anvertrauen.

"Na schön! Ich will hier auch weg." Toni sieht mich wieder an. Hoffnung spiegelt sich in seinen nassen Augen und steckt mich an. Mit seiner Hilfe entkommen wir vielleicht wirklich. Aber an seinem Verrat ändert das überhaupt nichts.

Er nickt und dreht mir den Rücken zu, auffordernd sieht er über die Schulter zurück. Ich hebe meine schmerzenden Arme und lege sie ihm zittern über die Schultern und um den Hals. Sein Oberkörper ist angenehm warm. Ich lehne mich an ihn und atme auf, als das unerträgliche Zittern meines Körper ein wenig nach lässt.

"Willst du die mitnehmen?", will er wissen. Verwirrt sehe ich ihn an und folge seinem Blick auf den Schreibtisch. Die Waffe, die Michael mir in den Rücken geworfen hat, liegt nun neben mir. Es ist meine eigne. Ich betrachte das Wolfsrudel auf dem Lauf und den Elfenbeingriff. Noch vor ein paar Minuten hätte sie dort liegen bleiben können und es wäre mir egal gewesen, aber wenn wir wirklich entkommen können, dann kann sie noch mal nützlich sein. Mir fallen meine Worte zu Michael während der Folter ein, als ich ihm den Tod androhte. Er wollte warten, sollte ich ihm entkommen. Überhebliches, sadistisches Arschloch! Wenn ich wirklich überlebe, mache ich meinen Schwur wahr.

"Wir nehmen sie mit!", entscheide ich und greife nach ihr.

"Ist sie geladen?", will Toni wissen, als ich sie an mich nehme und meinen Arm wieder über seine Schulter lege.

"Nein!"

"Wäre ja auch zu schön gewesen." Er greift nach meinen Beinen und lädt mich ganz auf seinen Rücken. Sein Atem geht ruckartig, er braucht zwei Versuche, um sich aufzurichten. Seine Muskeln zittern unter der Anstrengung. Er hat sicher starke Schmerzen, aber da muss er jetzt durch. Meinen hämmernden Kopf lege ich auf seiner Schulter ab und versuche den Schmerz meines eigenen Körpers zu ertragen, ohne bei jeder seiner Bewegungen, aufzuschreien.

Toni geht zur Tür und späht auf den langen Flur davor. Kein Laut ist zu hören, niemand außer uns, scheint hier zu sein, denn auch hinter den etlichen anderen Türen, ist alles ruhig. Toni wagt sich auf den hell erleuchteten Flur und läuft in Richtung Fahrstuhl los. Ich erinnere mich an den Schlüssel, der in Butchs Manteltasche verschwunden ist. Ohne ihn können wir den Aufzug nicht benutzen. Ob Toni ihm den Schlüssel abgenommen hat? Wir folgen dem Gang bis zum Fahrstuhl und biegen an ihm nach rechts in einen weiteren Flur ab. Verwirrt sehe ich zurück, während wir uns immer weiter von ihm entfernen. Es gibt doch nur diesen einen Weg nach unten. Verschwinden wir doch nicht von hier? Misstrauisch sehe ich ihn an. Wir bleiben vor einer Tür stehen, die letzte im Gang.

"Mach du sie auf, ich hab keine Hand frei!", bittet er und geht ein Stück in die Hocke, damit ich die Klinke erreichen kann. Ich strecke meine zitternde Hand nur zögernd aus und sehe Toni warnend an. Wenn das wieder eine Falle ist, schlage ich ihm mit der Pistole den Hinterkopf ein.

"Jetzt mach schon!", fordert er ungeduldig. Ich atme tief durch, drücke die Klinke und stoße die Tür weit auf. Eine Treppenhaus öffnet sich, dessen einzige Treppe nach oben führt. Wir wollen also aufs Dach? Ich atme erleichtert durch und lege meinen Kopf zurück auf Tonis Schulter. Anscheinend bringt er uns wirklich von hier weg. Das Hochhaus hat sicher eine Feuerleiter, die vom Dach nach unten führt. So umgehen wir den Fahrstuhl und müssen nicht durch die Empfangshalle. Wie gut, dass er noch klar denken kann, ich kann es nicht mehr.

Toni läuft die Stufen hinauf, doch auf knapp der Hälfte, hält er inne. Schwer atmend lehnt er sich gegen die Wand hinter dem Geländer. Er schwitzt so stark, dass ihm der Schweiß von den klammen Haaren in die Augen läuft.

"Wenn du jetzt schlapp machst und wir deswegen drauf gehen, reiß ich dir in der Hölle den Arsch auf!", schnauze ich ihn an.

"Danke für dein Mitgefühl!", entgegnet er und drückt sich keuchend von der Wand ab. Ein blutiger Abdruck seiner Hand bleibt auf ihr zurück. Mit quälend langsamen Schritten erklimmt er die nächsten Stufen.

"Ich will für dich hoffen, dass du wirklich einen triftigen Grund, für all das hier hast!" Toni sagt nichts mehr, er ist zu sehr damit beschäftigt, nicht unter meinem Gewicht zusammenzubrechen. Als wir endlich die letzte Stufe erreichen, geht sein Atem so stockend, dass ich damit rechne, dass er jeden Moment zusammenbricht. Jetzt tun mir meine harten Worte fast leid, doch ich bin immer noch viel zu wütend, um etwas Aufmunterndes zu sagen. Ihm Käfig hatte er auch keine Freundlichkeit für mich übrig.
 

Die Tür zum Dach öffne ich uns ebenfalls. Eisiger Wind und Regen schlägt uns entgegen, er pfeift über die Ränder des Hochhauses und drückt gegen die Tür. Tonis dünnes Hemd weht weit von meinem Körper weg. Augenblicklich verspannen sich all meine Muskeln, gepeinigt schreie ich auf und drücke mich eng an Tonis warmen Körper. Was gäbe ich jetzt nicht alles für ein heißes Kaminfeuer und ein vorgewärmtes Bett. Auch Toni beginnt unter dem schneidenden Wind zu zittern, dennoch tritt er ins Freie. Die Tür schlägt vom Wind erfasst hinter uns ins Schloss. Es ist Nacht, der Himmel ist bewölkt und der volle Mond ist zum großen Teil von ihnen verdeckt. Eisiger Regen prasselt auf uns herab und frisst sich mit scharfen Zähnen in meine Haut. Ich zittere so stark, dass ich kaum die Waffe in meiner Hand halten kann.
 

Toni sieht sich suchend um, als wenn er jemanden hier oben erwarten würde und ich tue es ihm irritiert gleich. Wer, wenn nicht ein Drache, sollte hier auf uns warten?

Aus dem Schatten des Geländers der Feuerschutztreppe, löst sich eine Gestalt. Sie kommt mit eiligen Schritten auf uns zu. Der junge Mann ist nicht viel größer als ich und seine Bewegungen kommen mir vertraut vor.

"Jan, nimm ihn mir ab!", ruft Toni dem Mann zu, der vor uns zum Stehen kommt. Jan? Hier in New York? Aber er müsste doch in Italien sein.

Jan zieht mich von Tonis Rücken und lädt mich auf seinen eigenen, seine Klamotten sind durchnässt, seine Körper ist eiskalt. Ich sehen mich nach Tonis warmen Oberkörper und werde von heftigem Zittern geschüttelt.

Von meinem Gewicht befreit sackt Toni vor uns auf die Knie.

"Verdammt, warum hat das alles so lange gedauert? Ich dachte sie hätten euch umgelegt."

"Das hätten sie auch fast", keucht Toni und stützt sich auf seine Knie. Er braucht einen Moment wieder zu Atem zu kommen, dann spricht er weiter: "Es lief nicht so, wie wir's geplant hatten." Wir? Heißt das Toni und Jan haben sich das hier zusammen ausgedacht?

"Hast du sie in Sicherheit gebracht?", will Toni nach einer langen Pause wissen. Sie? Wen meint er damit? Wer musste in Sicherheit gebracht werden?

"Ja, keine Sorge. Alle Drei sind bei Aaron!" Alle Drei? Verflucht, von wem reden die Beiden bitte?

"Kann mir endlich mal jemand sagen, was hier gespielt wird?", schreie ich gegen den heulenden Wind an.

"Er ist eiskalt, Toni", bemerkt Jan und sieht über die Schulter besorgt zu mir.

"Ja, ich weiß, wir müssen sofort aus diesem Regen raus! Bist du mit dem Auto hier?", entgegnet Toni und stemmt sich wieder auf die Beine. Beide ignorieren meine Frage. Ich will sie noch einmal stellen, doch meine Lippen und mein ganzer Kiefer zittern so stark, dass ich keine Worte mehr formen kann.

"Ja, mit was denn sonst!"

"Dann nichts wie weg von hier!"
 

Über die Feuerleiter steigen wir hinab. Der eisige Regen und der heulende Wind betäuben meinen Körper, ich kann weder meine Hände noch Füße spüren, selbst meine Gedanken sind wie eingefroren. Ich versuche aus dem Gespräch der Beiden schlau zu werden, doch ich kann keine Zusammenhänge mehr ziehen, habe beinah vergessen, was sie gesagt haben.

Als wir endlich die Treppe hinter uns gelassen haben und das Auto erreichen, steigt Toni als erster ein. Er klettert auf die Rückbank und streckt auffordernd die Arme aus, als er sagt: "Gib ihn mir!" Ich bin beinah besinnungslos vor Kälte, als sie mich zu ihm auf die Rückbank bugsieren und ich wieder die Wärme von Tonis Körper spüren kann. Obwohl er mit uns durch den kalten Regen gelaufen ist, glüht er förmlich. Hat er Fieber oder liegt das an den etlichen geschwollenen Verletzungen. Ganz egal, ich finde es sehr angenehm und rolle mich über ihm zusammen. Jan steigt auf der Fahrerseite ein und klemmt sich hinter das Lenkrad, er wirft die Tür nach sich zu und startet den Motor.

"Gib mir deine Jacke!", fordert Toni.

"Warum ist er den nackt?", will Jan wissen, als er sich die Jacke auszieht und über denn Sitz reicht. Von innen ist sie zwar feucht aber auch angenehm warm. Toni legt sie mir über den Rücken und ich ziehe sie krampfhaft über meine Schultern. Ich schlottere am ganzen Körper und auch Tonis Arme, die er nun um mich legt, können daran nichts ändern.

"Frag lieber nicht!", entgegnet Toni und auch ich habe keine Lust Jan zu antworten.

"Hält er durch, bis wir bei Raphael sind?" Jan lenkt den Wagen auf die Straße und beschleunigt.

"Ich weiß es nicht! Ich habe noch niemanden erlebt, der Michael so lange die Stirn geboten hat. Eigentlich müsste er längst tot sein. Je schneller wir bei Raph sind, umso besser." Der Wagen wird immer schneller und bringt uns endlich weg von diesem Ort. Jan ist der beste Fahrer, den mein Clan je beschäftigt hat, er schafft es selbst auf regennasser Fahrbahn, jeden Verfolger abzuschütteln. Alle Anspannung fällt von mir ab, mit ihm am Steuer, sind wir in Sicherheit.

Toni legt den Kopf zurück und schließt die Augen, er atmet einige Male tief durch, auch er beginnt sich zu entspannen.
 

Noch immer wird mein Körper von Kälte und Schmerz geschüttelt. Nur unmerklich kehrt etwas Leben in meine Gliedmaßen zurück. Es brennt und sticht entsetzlich in meinen Füßen und Händen. Ich atme gequält und kann das Zittern einfach nicht abstellen. Trotzdem will ich es jetzt endlich wissen und keusche angestrengt: "Jetzt sind wir in Sicherheit! Also! Warum?" Toni seufzt hörbar, er braucht noch zwei tiefe Atemzüge, bevor er mir entgegnet: "Sie hatten unsere Kinder!" Ich schlucke schwer und sehe Toni ins Gesicht. Ist das sein Ernst? Er sieht mich nicht an, hat die Augen noch immer geschlossen und atmet schwer. Von ihm sehe ich in den Rückspiegel zu Jan. Das kann doch gar nicht sein, Amy, Rene und Kira sind doch in Italien, in Sicherheit, weit Weg von diesem ganzen Chaos.

"Ich verstehe nicht", sage ich zweifelnd.

"Butch ist mir nach Italien gefolgt, als ich dich zur Heimkehr überreden wollte. Er hat uns die ganze Zeit beschattet. Als wir zurück nach New York sind, ist er auf Anweisung von Michael in Italien geblieben." Toni unterbricht seine Erzählung und atmet noch schwerer, scheinbar fehlt ihm die Kraft, die Geschichte zu Ende zu bringen.

"Ich war arbeiten, als er ins Sommerhaus eingedrungen ist. Er hat Lui erschossen und Robin und die Kinder mitgenommen", erzählt Jan die Geschichte weiter. Seine Stimme ist monoton und bricht immer wieder ab. 'Lui ist tot' - hämmert es durch meinen Kopf. Der Mann, dem ich das Wiedersehen mit Toni zu verdanken habe, der mich stütze, als ich das Laufen neu lernte, der mir die Tabletten aus der Hand riss, als ich den Inhalt der ganzen Packung schlucken wollte. Jans bester Freund! Ich sehe in den Rückspiegel und kann in den Augen unseres Fahrers Verzweiflung und Schmerz lesen. Die Beiden waren genau so eng miteinander, wie ich und Toni. Scheiße! Ich weiß nicht, was ich sagen soll, bis mir einfällt, das Toni auf dem Dach von drei Personen gesprochen hat, die nun in Sicherheit sind. Es müssten mit Robin aber vier sein.

"Was ist mit Robin?", will ich wissen und ahne die Antwort bereits.

"Butch hat sie nur am Leben gelassen, damit sie sich während der Überfahrt um die Kinder kümmert. Michael hat sie vor meinen Augen erschossen. Danach hat er mir gedroht, dasselbe mit den Kindern zu tun, wenn ich dich nicht ausliefere. Ich konnte nichts mehr für sie tun, sie ist in meinen Armen verblutet", antwortet Toni. Atemlos sehe ich immer wieder zwischen Jan und ihm hin und her. Nein!

"Nein! Robin ist nicht tot! Ich habe doch vor ein paar Tagen noch mit ihr telefoniert! Sie ist nicht ... sie ist doch ..." Tränen schießen mir in die Augen, doch keine einzige rollt mir über die Wange. In mir wird alles kalt, als ich an sie und das ungeborene Kind denke.

"Was ist mit dem Kind?", will ich atemlos wissen.

"Ich musste erst Rene, Amy und Kira finden und befreien, bevor ich dich holen konnte. Sie sind jetzt bei Aaron." Diese Kinder meine ich doch gar nicht.

"Nein, ich meine das Kind von Robin und mir! Das in ihrem Bauch!"

"Robin war schwanger?", rufen Toni und Jan fast zeitgleich.

"Ja!", antworte ich mit bebender Stimme. Ein fetter Kloß bildet sich in meiner Kehle und lässt mich schwer schlucken.

"Wenn sie schwanger war, dann ist es mit ihr gestorben!", entgegnet Toni nach einem Moment des Schweigens.

Verdammt, warum hab ich mir nur gewünscht, dass dieses Kind nie geboren wird? Mein Atem überschlägt sich und kratzt durch meine wunde Lunge. Ich beginne zu husten und kann mich einfach nicht beruhigen. Krampfhaft ringe ich nach Atem und huste immer wieder Blut aus.

"Enrico? Verdammt! Jan beeil dich!", drängt Toni und reibt mir beruhigend über den Rücken, doch der Hustenanfall lässt nicht nach. Er raubt mir meine letzte Kraft und lässt mich atemlos in Dunkelheit fallen.

"Ich fahre doch schon so schnell, wie ich kann!", höre ich noch Jan, bevor sämtliche Geräusche verstummen.
 

"Zwei Rippen sind gebrochen, der Rest sind Prellungen", höre ich Susens Stimme. Ihre Hände tasten meinen Oberkörper ab.

"Argghh!", stöhne ich auf und versuche vor ihrer Berührung zu fliehen, doch ich kann mich nicht bewegen. Alle meine Muskeln brennen und ziehen sich immer wieder krampfhaft zusammen. Die Wärme des Raumes, bohrt sich mit tausend Nadeln in meine eisige Haut. Gott, ich will was gegen diese unerträglichen Schmerzen, am besten eine Überdosis Morphium, dann spüre ich wenigstens nie wieder etwas und schlafe friedlich ein. Wenn ich doch nur meine bebenden Lippen unter Kontrolle bringen könnte, um Susen darum zu bitten, doch ich tue mich schon schwer damit, die Augen zu öffnen.

Es ist nicht nur Susen bei mir, um mich herum kann ich noch Raphael und Jan erkennen, ihre Gesichter sind sorgenvoll. Steht es denn so schlecht um mich?

"Er ist stark unterkühlt und dehydriert. Raphael hol ein Glas Wasser, Jan im Gästezimmer sind Decken, hol sie her!" Eine warme Decke wäre wirklich schön. Ich sehe Jan sehnsüchtig nach, hoffentlich beeilt er sich. Susens Blick wendet sich wieder mir zu. Als sie bemerkt, dass ich wach bin, lächelt sie sanft und legt mir ihre warme Hand auf die Wange.

"Hey, willkommen zurück!", säuselt sie. Was meint sie damit? Hat sie mich wiederbeleben müssen? Deswegen die gebrochenen Rippen, oder waren sie vorher schon kaputt? Ich stöhne gequält.

"Hast du was gegen die Schmerzen? Ich halt das nicht mehr aus", flehe ich sie an, doch meine Worte sind nicht lauter als ein Flüstern. Sie versteht mich trotzdem und nickt.

"Ich hol dir was." Als sie geht, kommt Jan mit einer weichen Wolldecke zurück. Er legt sie über mich, doch ich spüre kaum eine Veränderung. Ich schlottere noch immer am ganzen Körper und das obwohl im Kamin, neben mir, ein heißes Feuer lodert. Raphael kommt mit einem Glas Wasser zurück, er stellt es auf dem kleinen Tisch und kommt dann zu mir. Damit ich trinken kann, muss er mich aufrichten.

"Ahh!", schreie ich, als er meine wunden Arme berührt und mich in eine sitzende Position drückt. Raphael setzt sich hinter mich aufs Sofa und lehnt mich an seinen Oberkörper. Ich genieße seine Körperwärme und versuche aus dem Glas zu trinken, das er an meine aufgesprungenen Lippen führt, doch ich kann kaum schlucken. Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Ich brauche eine gefühlte Ewigkeit, bis ich das Glas zur Hälfte gelehrt habe, dann kann ich die Kraft dafür nicht mehr aufbringen und drehe den Kopf weg. Susen kommt mit einer Spritze zurück. Das erste Mal überhaupt, freue ich mich darüber, eine Nadel zu sehen und störe mich nicht daran, als sie sich in meine Haut schiebt und ihren Inhalt in meine Blutbahn jagt. Ein Gefühl der Taubheit verteilt sich in meinem Körper. Ich atme erleichtert durch, schließe die Augen und lehne den Kopf an die Schulter meines Bruders. Schlafen, ich will nur noch schlafen.

"Er ist immer noch eiskalt!", mein Raphael besorgt. Susen zieht ein Fieberthermometer aus meiner Achsel, von dem ich erst jetzt merke, dass es dort war. Ich schaue müde zu ihr auf, während sie die Zahlen von der Skala abliest. Ihr Blick verdunkelt sich.

"Seine Körpertemperatur ist sogar noch gefallen", erklärt sie mit einem zitternden Unterton. Will sie damit sagen, ich erfriere hier mitten im warmen Wohnzimmer?

"Wir müssen irgendwie Wärme in ihn rein kriegen." Hilfesuchend sieht sie die anderen Beiden an.

"Wie wäre es mit einem heißen Bad?", schlägt Jan vor. Ich erschrecke fürchterlich bei dem Gedanken und sehe ihn kopfschüttelnd an. Bloß keine Badewanne, bloß kein Wasser! Doch weder er noch Susen und Raphael achten auf meinen Protest.

"Gute Idee, aber wir müssen die Temperatur schrittweise erhöhen, sonst fällt er uns noch in einen Schockzustand", gibt Susen zu bedenken, "Ich lass schon mal etwas Wasser ein!" Oh man, ich will doch nur schlafen. Ich spüre Raphaels Arme, wie sie unter meinen Körper gleiten. Er hebt mich unter der Decke heraus, die von mir herabrutscht. Ein eisiger Schauer ergreift von mir Besitz. Ich will wieder zurück und sehe sehnsüchtig auf das Sofa, während Raphael mich in den ersten Stock trägt.

Susen hat die Wanne zu einem Viertel gefüllt und dreht gerade den Hahn zu, als wir das Badezimmer betreten. Der Anblick des Wassers, lässt Panik in mir aufsteigen, mein Herz beginnt zu rasen und ich atme immer schneller. Ich will da nicht rein! Flehend sehe ich in das Gesicht meines Bruders, doch er sieht mich nicht an.

"Ich will nicht", protestiere ich, doch zu leise, um gehört zu werden. Er trägt mich bis zum Wannenrand und hebt mich darüber hinweg. Nein! Ich kralle meine Hände in sein Hemd und schreie nun kraftvoller: "Ich will nicht!" Verstört sehen mich alle Drei an.

"Es ist doch nur lauwarm!", versichert mir Susen. Sie schöpft mit ihrer holen Hand etwas Wasser aus der Wanne und lässt es über meinen Fuß fließen. Als es meine Haut berührt, hämmert die Erinnerung durch meinen Kopf. Das eisige Wasser, Michaels Pranken die mich unter Wasser drücken, seine Schläge, sein Gewicht, das er mir in den Rücken stemmt. Nein, ich will das nicht!

Als Raphael mich in die Wanne setzte, hallte ich mich krampfhaft an ihm fest und versuche vergeblich, mich aus dem Wasser zu stemmen.

"Neinn! Lasst mich hier raus!", schreie ich sie panisch an und rutsche immer wieder mit den Beinen weg.

"Enrico! Was ist denn los?" Raphael sieht mich verständnislos an und auch Jan und Susen wirken verstört. Doch mir ist alles egal, so lange ich nur aus dieser Wanne rauskomme.

"Es ist doch nur Wasser", pflichtet mir Susen in beruhigendem Ton zu, doch ich halte nicht still. Als sie versucht meine verkrampften Hände von Raphael zu lösen, schlage und trete ich nach ihr. Ich treffe sie ihm Gesicht. Erschrocken weicht sie zurück und reibt sich über die getroffene Wange. Ich spüre Jan und Raphaels Hände die meine Arme und Beine fixieren, während ich noch immer wild um mich schlage. Sie versuchen zu verhindern, dass ich mich an den Armaturen des Badezimmers verletze, doch für mich ist es, als wenn ich wieder von Michael festgehalten werde. Ich strample und zerre an ihnen und verteile das wenige Wasser in der Wanne im ganzen Badezimmer.

"Enrico, was ist den nur los mit dir?"

"Beruhige dich doch!"

"Dir passiert doch nichts!"

All ihr gutes Zureden erreicht mich nicht. Ich wehre mich weiter, bis Susen endlich ein Einsehen hat: "Das bringt nichts! Heb ihn raus!" Als ich Raphaels Arme unter mir spüren kann und er mich aus der Wanne hebt, kralle ich mich atemlos in seine Kleidung und vergrabe den Kopf unter seinem Arm. Ich bekomme kaum noch Luft und das Herz schlägt mir noch immer bis zum Hals.

"Ich will nicht! Ich will nicht mehr!", stammle ich immer wieder und zittere heftig.

"Was haben diese Schweine nur mit dir gemacht?", will Raphael mit einer Mischung aus Sorge und Wut wissen, doch ich weigere mich ihm zu Antworten. Nur langsam ebbt die Panik in mir ab und das Rauschen in meinen Ohren lässt nach. Die Kraft weicht aus meinem Körper und ich sacke, wie ein Häufchen Elend, in den Armen meines Bruders zusammen.

"Darf, darf ich es probieren?" Toni steht in der Tür des Badezimmers und sieht verstohlen zu mir und Raphael. Seinen Oberkörper zieren etliche Verbände. Wer ihm die wohl angelegt hat? Susen war doch die ganze Zeit bei mir.

Die Gesichtszüge meines Bruder verhärten sich, hasserfüllt sieht er Toni an, als er schreit: "Gerade du! Was machst du überhaupt noch hier? Ich habe dir doch gesagt, du sollst verschwinden, sobald Anette sich um deine Wunden gekümmert hat!"

"Ich habe den Tumult hier oben gehört und ...", Toni holt tief Luft, seine Haltung straft sich, er sieht Raphael direkt an, als er weiter spricht, "Lass es mich probieren!" Versucht er sich gerade gegen meinen Bruder aufzulehnen? Das hat er noch nie getan. Raphaels Blick wird noch zorniger.

"Verschwinde aus meinen Augen, bevor ich mich vergesse!" Tonis Atem geht schneller, seine Hände ballen sich zu Fäusten, doch er rührt sich kein Stück vom Fleck.

"Er stirbt, wenn er noch weiter auskühlt und ihr werdet ihn nie in diese Wanne rein bekommen", entgegnet Toni standhaft. Raphael holt schon Luft für einen erneuten Rauswurf, doch bevor er etwas sagen kann legt ihm Jan seine Hand auf die Schulter und meint: "Ich gebe es ja nicht gern zu, aber er hat recht. Wenn jemand Enrico wieder aufwärmen kann, dann er." Jan setzt einen vielsagenden Blick auf. Ich betrachte ihn mit einer hoch gezogenen Augenbraue. Was will er denn damit sagen? Raphael sieht von ihm zu Toni, dann zu mir, schließlich seufzt er resigniert. Er geht auf Toni zu und bleibt vor ihm stehen.

"Wenn er auch nur einen blauen Fleck mehr hat, drehe ich dir eigenhändig den Hals um!" Toni sieht ernst zurück und weicht dem Blick Raphaels nicht wie sonst aus. Beiden liefern sich einen stummen Machtkampf, schließlich legt mich Raphael in seine Arme.

"Lasst uns allein!", fordert Toni und drückt mich besitzergreifend an sich. Hat er etwa Angst, Raphael überlegt es sich noch einmal anders? Wieder holt mein großer Bruder Luft, um seinem Unmut darüber hinauszuschreien, doch einmal mehr geht Jan dazwischen. Er drückt ihm mit der flachen Hand in den Rücken und schiebt ihn aus der Tür, dabei sieht er ihn kopfschüttelnd an. Auch Susen kommt zu ihm und legt ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter.

"Lass uns gehen!", sagt sie mit zuckersüßer Stimme und warmen Lächeln.

"Höre ich auch nur einen Schrei im Wohnzimmer, bist du fällig!", droht Raphael noch einmal, dann geht er tatsächlich. Auch Susen und Jan verlassen das Badezimmer. Erst als sich die Tür schließt, lockert sich Tonis Haltung. Er seufzt hörbar und sieht für einen Moment an die Decke.

Es wird bedrückend still. Nach allem, was passiert ist, fühlt es sich seltsam an, mit ihm ganz allein zu sein. Sonst genieße ich so einen Moment, doch nur ein Blick auf die Badewanne und ein eisiger Schauer läuft mir den Rücken hinab.

"Bitte, nicht in die Badewanne", flehe ich inständig und mit kraftloser Stimme. Tonis Blick wendet sich wieder mir zu, er zwingt sich ein Lächeln ins Gesicht, als er sagt: "Was denn? Du willst nicht mir mir zusammen baden? Bis du krank?" Es soll ein Scherz sein, doch wir können beide nicht wirklich darüber lachen.

Toni trägt mich bis zum Rand der Wanne. Ich schüttle immer wieder mit dem Kopf und spüre, wie mein Puls zu rasen beginnt. Gibt es denn keinen anderen Weg, meine Körpertemperatur zu stabilisieren? Ich habe kein Kraft gegen die Erinnerungen anzukämpfen, die einmal mehr in mir toben.

Toni setzt mich auf dem Wannenrand ab und lässt nur meine Füße ins Wasser hängen. Es sticht und kribbelt in meinen Zehen, dabei hat Susen doch behauptet, es wäre nicht warm. Mir erscheint es kochend heiß. Ich ziehe die Beine an, doch meine Bauchmuskeln schmerzen so sehr, dass ich sie schnell wieder fallen lasse.

Mein ganzer Brustkorb ist schwarz und dunkelblau verfärbt, auch meine Beine sind fast vollständig mit blauen und grünen Flecken übersät. Etliche Schürfwunden und Kratzer ziehen sich über die Knie und über meine beiden Unterarme. Die wenigen Stellen, die nicht von Blutergüssen oder Schrammen übersät sind, sind kreideweiß und bilden einen erschreckenden Kontrast. Oh man, ich sehe aus, wie eine wandelnde Leiche.

Toni legt mir ein Handtuch über die Schultern, dass ich sofort schützend umschlinge.

"Kannst du alleine sitzen?", will er von mir wissen. Ich versuche mich von seiner Hand zu lösen, um es zu testen. Es fällt mir schwer, aber es geht. Susens Mittel wirkt bereits, ich spüre kaum etwas und auch das Stechen in meinen Zehen wird langsam erträglicher. Als Toni merkt, dass es auch ohne seine Hilfe geht, entfernt er sich einen Schritt von mir und öffnet seine Hose. Ich zucke zusammen und sehe ängstlich über die Schulter zu ihm.

"Was hast du vor?", will ich mit bebenden Stimme von ihm wissen. Ein warmes Lächeln umspielt seine Lippen, als er sich die Hose und Unterhose von den Beinen streift.

"Ich hab seit drei Tagen kein Wasser mehr gesehen. Bevor Raphael mich wirklich raus schmeißt, könnte ich auch ein heißes Bad vertragen." Er setzt sich zu mir auf den Wannenrand und dreht den Knauf für das warme Wasser auf. Ich sehe zu, wie es sich verteilt und der Pegel in der Wanne zu steigen beginnt. Unwillkürlich beginne ich mich zu verkrampfen. Bald ist es genug, um darin untergetaucht zu werden. Mir stockt der Atem, ich fühle mich, wie in jenen furchtbaren Moment unter Wasser. Abwesend starre ich in den Strahl, der aus dem Wasserhahn läuft.

Tonis besorgter Blick ruht auf mir, doch ich kann nicht mehr reagieren. Immer wieder sehe ich schäumendes Wasser und tausend entweichende Luftblasen. Tonis warme Hand legt sich über meine krampfenden Finger, er steigt vor mir in die Wanne. Der Strahl des Wassers und die sich füllende Wanne werden von seinen weichen Gesichtszügen und den grünen Augen ersetzt. Er löst die Umklammerung meiner Hände und zieht sie zu sich auf seinen Brustkorb. Das Handtuch fällt von meinen Schultern, ein Schauer lässt mich erzittern. Seine Hände und sein Oberkörper sind heißer, als das Wasser, das sich um meine Fußknöchel verteilt und meine Beine hinauf wandert.

"Sie nur mich an und nicht das Wasser!", sagt er und zieht mich langsam zu sich. Ich stemme mich dagegen und schüttle mit dem Kopf.

"Vertrau mir!", fordert er sanft. Vertrauen? Ist das sein ernst? Ich ziehe meine Hände zurück und sehe ihn grimmig an.

"Das verlangst du nicht ernsthaft, nach allem was ..." Ein heftiger Schwindel überkommt mich, alles dreht sich. Ich kippe nach vorn, ihm genau in die Arme. Verdammt, warum ausgerechnet jetzt? Jetzt, wo ich ihn anschreien und verfluchen will.

Toni legt seine Arme um mich und lehnt sich in der Wanne zurück. Er zieht mich mit sich, hinein in das warme Wasser, dass sich um uns herum verteilt. Panisch versuche ich mich aus seiner Umarmung zu befreien.

"Lass mich los!", keife ich und schlage mit den Fäusten auf seinen Oberkörper ein.

"Ich will hier aus! Lass mich hier raus!", brülle ich ihn an, doch er gibt mich nicht frei. Ich schlage noch fester zu und treffe einen großen roten Fleck auf seinem Verband. Er schreit laut auf und wirft den Kopf in den Nacken, hastig zieht er die Luft zwischen den zusammengebissenen Zähnen ein. Ich schaue erschrocken und betrachte meine Faust, die auf dem Verband ruht. Warmes Blut sickert hindurch.

"Tut ... tut mir leid", stammle ich und betrachte ihn besorgt. Er hat die Augen geschlossen und atmet noch immer gequält.

"Schon gut", meint er mit zusammen gebissenen Zähnen und sieht an die Decke, "Ich hab's nicht anders verdient! Schlag nur zu, so lange du willst, wenn es dir hilft. Aber ich werde dich nicht loslassen, bevor du nicht wieder aufgewärmt bist." Tränen spiegeln sich in seinen Augen, doch er drängt sie zurück. Eigentlich hat er es wirklich nicht anders verdient, ich sollte seinen Oberkörper so lange bearbeiten, bis der ganze Verband rot ist, aber meine Wut ist schon in dem Moment verpufft gewesen, als er laut aufgeschrien hat. Resigniert lege ich meinen Kopf auf seinen Oberkörper und seufze schwer.

Die Wärme des Wassers und Tonis Körper sucht sich langsam ihren Weg in meine bebenden Muskeln. Das Zittern lässt nach und hört schließlich gänzlich auf. Es tut gut, so unendlich gut, dass ich es wage die Augen zu schließen. Nichts, keine Erinnerungen nur wollige Wärme und das ermüdende Gefühl der völligen Erschöpfung. Als das Wasser hoch genug steht, dass es auch meinen Rücken umschließt, dreht Toni den Wasserhahn zu.
 

Wir liegen eine ganze Weile schweigend da und gehen beide unseren Gedanken nach. Wenn Toni wirklich um das Leben unserer Kinder erpresst wurde, kann ich zumindest verstehen, warum das alles passieren musste. Aber warum hat er mich nicht eingeweiht? Vielleicht wäre uns zusammen etwas besseres eingefallen.

"Warum hast du's mir nicht gesagt?", will ich noch völlig in Gedanken versunken wissen. Toni seufzt hörbar, sein Brustkorb hebt sich unter mir. Er braucht einen Moment, bevor er mir antwortet: "Es war Teil der Bedingungen, dass du nicht Bescheid weist." Toni atmet schwer ein, dann überschlagen sich seine Wort. "Ich wollte es dir trotzdem sagen, aber ich wusste nicht wie und ich hatte auch Angst, du würdest nicht freiwillig mitkommen und er würde die Kinder dann töten oder noch schlimmer. Er hatte Kira schon das Kleid runter gerissen und ..."

"Schon gut!", unterbreche ich ihn. Eigentlich will ich davon gar nichts mehr hören. Ich habe schon verstanden, natürlich ist seine Tochter wichtiger als ich und er hat ja auch meinen Kindern damit das Leben gerettet. Vielleicht hat er sogar recht und ich hätte gar nicht den Mut gehabt, mich so einer Situation freiwillig auszusetzen. Immerhin habe ich mich die letzten Jahre auch davor gedrückt, aber trotzdem. Also Toni Luft holt, um etwas zu sagen, komme ich ihm zuvor: "Ich verstehe schon, du wolltest deine Tochter schützen und du hast damit ja auch meinen Kindern das Leben gerettet, aber ..." Ich mache eine kurze Pause und bin mir nicht sicher, ob ich den Gedanken wirklich aussprechen soll. "... auch wenn das jetzt egoistisch klingt, ich wünschte, ich wäre dir wenigstens einmal wichtiger, als alle anderen Menschen." Resigniert schließe ich die Augen und spüren einen heftigen Stich im Herzen. Es ist ja nur natürlich, das Kira, Rene und Amy Vorrang haben, trotzdem tut es weh, dass es so ist. Toni schweigt, nur sein ruckartiger Atem verrät mir, dass er über meine Worte nachdenkt.
 

In dem warmen Wasser döse ich immer wieder ein. Auch Toni scheint es so zu gehen, denn er schreckt ständig hoch und weckt mich durch seine ruckartigen Bewegungen, schließlich entscheidet er: "Wir sollten raus, bevor wir ganz eingeschlafen sind!" Ich brumme nur unwillig, es ist gerade so schön. Toni legt meine Arme um seinen Hals und drückt sich vom Wannenrand ab.

"Halt dich fest!", fordert er, doch ich mache nicht mal die Augen auf. Müssen wir wirklich aus dem warmen Wasser raus? Toni steht auf und zieht mich auf die Beine. Als sich mein Körper streckt, stöhne ich auf. Die verdammte Schwerkraft reißt an meinen erschöpften Muskeln und lässt mich wieder zittern. Ein Bett, ein Königreich für ein Bett!

Toni steigt mit mir aus der Wanne und legt mir ein frisches Handtuch über die Schultern. Er setzt mich auf dem Deckel der Toilette ab und beginnt sich selbst mit einem zweiten Handtuch abzutrocknen. Ich hingegen schaffe es nicht mal die Arme zu heben. Obwohl ich fest im Handtuch eingewickelt bin, ist mir schon wieder kalt. Seufzend sehe ich dem Wasser dabei zu, wie es meine Beine hinab läuft und auf den Boden tropft.

Toni bindet sich das Handtuch um die Hüften, dann kommt er zu mir und geht vor mir in die Hocke. Seine Hand legt er mir auf die Schulter und sieht mich aufmunternd an.

"Soll ich dir helfen?", will er wissen. Seinem Blick weiche ich aus, ich hasse es auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Ich könnte nicht mal aufstehen, den Deckel des Klos aufklappen und ... das ist genauso beschissen, wie als ich in diesen Ketten hing. Verdammt! Dieses Büro wird mich auf ewig verfolgen. Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen, doch die Bilder wollen nicht aus meinem Kopf verschwinden.

Toni beginnt unaufgefordert damit meine Arme und meinen Rücken abzutrocknen. Immer wieder höre ich ihn leise seufzen, in regelmäßigen Abständen tropft mir etwas auf die Knie. Ich erhebe meinen Blick und sehe ihm ins Gesicht. Er heult ja, aber warum? Sein Blick ist fest auf meinen blauschwarzen Oberkörper gerichtet, schließlich sackt er vor mir auf die Knie und schluchzt laut. Erschrocken sehe ich ihm dabei zu, wie er mir in den Schoß kippt und bitterlich zu weinen anfängt. So habe ich ihn noch nie erlebt. Toni heult nie, schon gar nicht so laut und hemmungslos.

"Es ... es tut mir so leid!", schluchzt er immer wieder, "Ich wollte das alles nicht!" Trotzdem hat er es getan. Obwohl er so herzzerreißend heult, empfinde ich kein Mitleid mit ihm, nur Wut und Hass.

"Warum hast du mich im Käfig fast tot geprügelt?", will ich kalt von ihm wissen. Er sieht mich erschrocken an und weicht schließlich meinem wütenden Blick aus. Als er zu sprechen Beginnt, sieht er auf die weißen Fliesen am Boden:

"Du konntest es nicht sehen, aber Michael stand die ganze Zeit hinterm Käfig. Er hatte Kira bei sich. Immer, wenn ich seiner Meinung nach nicht hart genug zugeschlagen habe, hat sie Prügel kassiert, sie war schon gar nicht mehr bei Sinnen. Er hätte sie getötet!" Er sieht flehend zu mir auf und bittet stumm um Vergebung. Wieder alles nur wegen seiner Tochter, ich kann es ja verstehen aber, das macht es nicht besser.

"Du bist viel stärker als das Kind und du hast einen festen Charakter. Ich habe noch niemanden erlebt, der Michael so in Atem gehalten hat. Ich wusste du würdest lange genug durchhalten, bis ich einen Ausweg gefunden habe. Du bist stärker, als sie alle zusammen."

"Du täuschst dich in mir. Ich habe um meinen Tod gebettelt." Zornig starre ich vor mich hin und weiß nicht mal genau, ob ich auf Toni oder mich selbst wütend bin. Toni hält den Atem an. Mit dieser Antwort hat er offenbar nicht gerechnet. Lautlos fallen ihm immer neue Tränen von den Wangen.

Die Erinnerung an Michaels stinkendem Körper über mir, steigt in mir auf, mir wird schlecht. Mit aller Kraft kämpfe ich gegen die Übelkeit an und atme tief durch, ich schließe die Augen und lege den Kopf in den Nacken.

"Bitte, bring mich ins Bett! Ich will nur noch schlafen und vergessen."

Toni wischt sich die Tränen vom Gesicht, er bemüht sich darum seine Fassung wiederzufinden. Er trocknet meinen restlichen Körper ab und bindet mir dann das Handtuch um die Hüften. Meine Arme legt er sich um den Hals und trägt mich aus dem Badezimmer.
 

Raphael, Susen, Anette und Jan sitzen auf dem Sofa und in den Sesseln verteilt um den Couchtisch. Sie haben dampfende Tassen in ihren Händen. Es riecht nach Tee und Kaffee. Ihre Blicke wenden sich uns zu, als wir die Treppe runterkommen, doch nur Anette sagt etwas: "Sieh zu das du hier fertig wirst, ich will endlich zu Aaron und bei Kira sein!" Ihr aggressiven Worte sind an Toni gerichtet, doch ihr abfälliger Blick gilt uns beiden.

Ich wende mich betreten von ihr ab. Das bedeutet also, selbst wenn ich Raphael überzeugen könnte, Toni wird die Nacht auf keinen Fall hier verbringen. Ich werde also allein sein. Bei dem Gedanken muss ich schwer schlucken.

Toni sieht Anette nicht an, er gibt auch keine Antwort. Unbeeindruckt von den Blicken, die uns folgen, trägt er mich in mein Zimmer. Wenn er mit Anette zu Aaron fährt, werde ich Susen um ein starkes Beruhigungsmittel bitten, in der Hoffnung die nächsten Tage einfach zu verschlafen, dann merke ich wenigstens nicht mehr, dass es wieder einmal seine Familie ist, die vorgeht.
 

Toni schließt die Tür mit dem Schlüssel von innen ab, dann legt er mich vorsichtig auf das Bett und nimmt mir das nasse Handtuch von den Hüften. Er wickelt mich in die Bettdecke, die ganz warm und weich ist. Dort wo sie zuvor gelegen hat, kommt eine metallene Wärmflasche, mit einem roten Stoffüberzug, zum Vorschein. Susen hat sie wohl dahin gelegt, damit das Bettzeug angewärmt ist. Wenn es darauf ankommt, kann sie ganz nett sein. Ich schmiege mich in den weichen Stoff und sehe Toni dabei zu, wie er in meinem Kleiderschrank kramt. Er sucht einen Pyjama heraus und kommt damit zu mir. Ich lächle dankbar und bin froh nicht nackt bleiben zu müssen. Er hilft mir dabei das Oberteil über meine Arme und den Kopf zu streifen. Ich beiße immer wieder die Zähne zusammen, wenn der Stoff über meine wunde Haut reibt. Die Wirkung von Susens Schmerzmittel lässt langsam nach, ich muss sie unbedingt um eine neue Dosis bitten, damit ich später schlafen kann.

Toni befreit mich von der Decke und will mir auch beim Anziehen der Hose helfen, als sich seine Stirn besorgt in Falten legt. Was hat er denn?

"Ich dachte Susen hat sich um deine Verletzungen gekümmert?" Ich schaue noch immer fragend und folge dann seinem Blick auf das Laken. Dort wo ich sitze, hat sich ein roter Fleck zwischen meinen Beinen gebildet.

"Enrico?" Toni klingt ernst und eindringlich, er kniet sich zu mir aufs Bett und packt meine Oberarme.

"Enrico! Was hat das Schein mit dir gemacht?" Stur sehe ich unter seinem Blick hinweg.

"Glaubst du ich bettle wegen ein paar Fausthieben, um einen schnelleren Tod?", ist die einzige Antwort, die ich ihm gebe.

"Ach verdammt! Ich wusste nicht das er so weit gehen würde. Es tut mir leid. Das habe ich nicht gewollt." Toni drückt mich eng an sich, ich kann seine heißen Tränen im Nacken spüren, doch in mir bleibt alles kalt. Nicht mal die Wärme seine Umarmung erreicht mich wirklich.

"Es tut mir leid!", schluchzt er wieder. Ich seufze schwer, so langsam kann ich es nicht mehr hören. Von seiner Entschuldigung habe ich auch nichts, das nimmt mir weder die Erinnerungen, noch die Alpträume. Ich werde sicher keine Nacht mehr durchschlafen können, ganz besonders nicht, wenn ich allein bin.

"Bleib wenigstens heute Nacht bei mir!", bitte ich ihn müde und schließe die Augen. Kraftlos sinke ich in seinen Armen und höre seine Antwort nur noch, wie aus weiter Ferne:

"Ich hatte nie vor, heute noch zu gehen!" Deswegen hat er also die Tür abgeschlossen? Bin ich ihm doch ausnahmsweise wichtiger? Ein flüchtiges Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen, bevor ich in einen tiefen Schlaf falle.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Gmork
2014-10-26T12:46:50+00:00 26.10.2014 13:46
Hallo Enrico.
Jetzt hatte ich endlich Zeit dein Kapitel zu lesen. Hab die ganze Woche daran gedacht wies weitergeht und einfach keine Zeit gehabt zu lesen.. Hoffentlich schaffe ich die nächsten beiden auch noch heute. =)

Ohje. Der erste Absatz ist echt hart. Man merkt total, dass Enrico nicht mehr will und das tut beim Lesen richtig in der Seele weh. Wundert mich nicht, dass er denkt, dass Toni ihn jetzt töten wird, ich bin ja irgendwie auch davon ausgegangen. Umso mehr war ich dann verwundert, dass Toni ihn abholen wollte um mit ihn zu fliehen.

->"Toni sieht mich wieder an, Hoffnung spiegelt sich in seinen nassen Augen und steckt mich an. Mit seiner Hilfe entkommen wir vielleicht wirklich. Aber an seinem Verrat ändert das überhaupt nichts."
Enricos Gefühle kommen wieder einmal sehr gut rüber- dieses Schwanken zwischen Misstrauen und der Hoffnung, doch noch entkommen zu können. Obwohl er sein Vertrauen in Toni verloren hat, ist da immer noch dieses Gefühl zwischen den beiden, was der Leser auch deutlich spürt. Ich wüsste nicht, wie ich an seiner Stelle reagieren sollte.

Anscheinend wurde Toni auch gefangen gehalten, ihm scheint es ja auch nicht so gut zu gehen. Irgendwie tut er mir da direkt wieder leid. Bin sehr gespannt, wie es wohl zu dieser Situation gekommen ist.

Ein bisschen wundere ich mich natürlich, warum sie so einfach fliehen können. Irgendwas ist da doch im Busch, die ganze Geschichte wirkt viel zu abgeklärt. Ich glaube fast, dass Michael hat sie absichtlich entkommen lassen. Selbst wenn es Nacht ist, irgendwelche Wachposten müssten eigentlich da sein. Kommt mir auf jeden Fall recht spanisch vor, ich freu mich schon darauf den Grund dafür zu erfahren.
Jan ist hier? Irgendwie finde ich das beunruhigend. Warum ist er nicht mehr in Italien?

->"Sie hatten unsere Kinder!"
Oh nein. Das ändert die Sache. Das ändert wirklich alles. Bin gerade ein bisschen geschockt, was auch daran liegt, dass ich an ihre Kinder so gut wie gar nicht mehr gedacht habe. Michael ist echt so ein Wichser. Nicht zu fassen, wie weit er geht. Aber okay, nach dem letzten Kapitel schockt mich was das angeht eigentlich auch nichts mehr. Aber jetzt kann ich Tonis Verhalten besser nachvollziehen.
Dass Robin und Lui tot sind tut mir sehr leid. Gerade Robin und ihr Baby... Man sollte sich gut überlegen, was man sich wünscht, man bekommt es vielleicht. Aber so hat Enrico es bestimmt nicht gewollt.

Ist Enrico tatsächlich wiederbelebt worden? Wundern würde es mich nicht. Mich wundert es eher, dass er das alles tatsächlich überlebt hat ohne erfrohren oder zumindest verhungert zu sein. Genau, da fällt mir ein, dass ich das noch ansprechen wollte: Enrico war ja mehrere Tage bei Michael gefangen, ich glaube nicht, dass er etwas zu essen oder zu trinken bekommen hat. Eigentlich müsste er mittlerweile ziemlichen Hunger haben, oder? Naja vielleicht wird das ja in den nächsten Kapiteln mal angesprochen. Außer Acht lassen kann man das nämlich nicht...

Ich kann verstehen, dass Enrico Angst hat zu baden und ich bin wieder einmal überrascht wie gut er sich noch zur Wehr setzen kann. Raphaels Reaktion auf Toni kann ich im Übrigen recht gut nachvollziehen. Auch wenn er erpresst wurde und die Kinder gerettet hat, wenn ich an Raphaels Stelle wäre, würde ich auch das Bedürfnis haben ihn aus meiner Wohnung zu schmeißen, oder noch schlimmer. Aber andererseits muss ich auch eingestehen, dass Toni ungerecht behandelt wird. Immerhin hat er zusammen mit Jan den Kindern und auch Enrico das Leben gerettet.

->“Er setzt sich zu mir auf den Wannenrand und dreht den Knauf für das warme Wasser auf. Ich sehe zu, wie es sich verteilt und der Pegel in der Wanne zu steigen beginnt. Unwillkürlich beginne ich mich zu verkrampfen. Bald ist es genug, um darin untergetaucht zu werden.“
Sehr starke Stelle. Man kann es wirklich zu 100% nachempfinden. Aber ich würde mich an Enricos Stelle nicht mit Toni in eine Wanne begeben. Ich verbinde das irgendwie mit der selben Angst vor dem Baden. Eigentlich müsste er sich vor Toni fürchten, ihn noch immer als Verräter ansehen. Schon faszinierend, dass Toni es am Ende doch noch schafft.

->"Es war Teil der Bedingungen, dass du nicht bescheid weist." Toni atmet schwer ein, dann überschlagen sich seine Wort. "Ich wollte es dir trotzdem sagen, aber ich wusste nicht wie und ich hatte auch Angst du würdest nicht freiwillig mitkommen und er würde die Kinder dann töten oder noch schlimmer. Er hatte Kira schon das Kleid runter gerissen und ..."
Ohje. Du machst es mir wirklich nicht leicht auf Toni sauer zu sein. Wenn ich daran denke, was für eine riesige Wut ich in den letzten Kapiteln noch auf ihn hatte.. Die ist fast gar nicht mehr da. Ich glaube, hätte mich mich in Tonis Situation befunden hätte ich wahrscheinlich auch so gehandelt. Ich habe zwar in den letzten Kommentaren noch erwähnt, dass nichts wichtiger ist, als die Person die man liebt, aber die Kinder stehen einfach noch ein paar.. tausende Stufen höher. Langsam kann ich es nachvollziehen. Toni tut mir sehr leid.

-> "... auch wenn das jetzt egoistisch klingt, ich wünschte, ich wäre dir wenigstens einmal wichtiger, als alle anderen Menschen."
Oh ja, das ist übertrieben egoistisch. Enrico hat noch kein einziges Mal nach seinen Kindern gefragt, wie es ihnen geht und er hat noch nicht mal einen Gedanken an ihnen verschwendet. Kann ich absolut nicht nachvollziehen. Macht mich irgendwie ein bisschen sauer. Schon witzig, wie du es schaffst, dass deine Leser ihre Meinung permanent ändern (müssen).

-> "Du konntest es nicht sehen, aber Michael stand die ganze Zeit hinterm Käfig. Er hatte Kira bei sich. Immer, wenn ich seiner Meinung nach nicht hart genug zugeschlagen habe, hat sie Prügel kassiert, sie war schon gar nicht mehr bei Sinnen. Er hätte sie getötet!
Oh je oh je.. Ich frage mich gerade wirklich warum ich jemals sauer auf Toni gewesen war. Ach scheiße man. Du tust deinen Charakteren ja wirklich nur das Schlimmste an. (Nicht böse auffassen ;D) Ich hoffe, dass es Kira jetzt gut geht. Und den Kindern von Enrico auch. Sowas lässt sich mit Sicherheit nicht schnell verarbeiten und ich hoffe einfach, dass sie es alle (auch Toni und Enrico) irgendwie schaffen.

Ich möchte gar nicht wissen, wie Toni sich gefühlt haben muss, als er Enricos Verletzung bemerkt hat. Da ihm bei Michael das Selbe widerfahren ist, kann ich mir es aber allzu gut vorstellen.
Ich finds total gut, wie du die Zerissenheit zwischen den beiden herüberbringst. Toni, der um Verzeihung bittet und Enrico, der ihm wahrscheinlich gern verzeihen würde, aber es einfach nicht kann (was ja auch nachvollziebar ist). Enrico, der vielleicht sogar ein wenig Angst vor Toni hat und trotzdem nicht ohne ihn einschlafen will. Bin sehr gespannt wie es mit den beiden weitergeht.
Vielleicht schaffe ich es ja noch das nächste Kapitel heute zu lesen.

Bis zum nächsten Mal,
Anni
♪♫
Antwort von:  Enrico
26.10.2014 14:40
Hallo Anni,

->Hab die ganze Woche daran gedacht wies weitergeht und einfach keine Zeit gehabt zu lesen.. Hoffentlich schaffe ich die nächsten beiden auch noch heute.
Das würde mich natürlich freuen, aber stresse dich nicht ^^. Hab mich auch über dieses schon riesig gefreut. Es war wahnsinnig interessant zu lesen, wie sich deine Meinung zu Enrico un Toni im Laufe dieses Kapitels verändert hat. Find ich total klasse das ich zu so einer Wendung fähig bin.

->Ein bisschen wundere ich mich natürlich, warum sie so einfach fliehen können. Irgendwas ist da doch im Busch, die ganze Geschichte wirkt viel zu abgeklärt. Ich glaube fast, dass Michael hat sie absichtlich entkommen lassen. Selbst wenn es Nacht ist, irgendwelche Wachposten müssten eigentlich da sein. Kommt mir auf jeden Fall recht spanisch vor, ich freu mich schon darauf den Grund dafür zu erfahren.
Du hast eine erstaunlich gute Aufassungsgabe^^. Dazu kommt mehr im nächsten Kapitel. Aber interessant das einem das hier schon spanisch vor kommt.


->"Sie hatten unsere Kinder!" 
Oh nein. Das ändert die Sache. Das ändert wirklich alles. Bin gerade ein bisschen geschockt, was auch daran liegt, dass ich an ihre Kinder so gut wie gar nicht mehr gedacht habe. Michael ist echt so ein Wichser. Nicht zu fassen, wie weit er geht. Aber okay, nach dem letzten Kapitel schockt mich was das angeht eigentlich auch nichts mehr. Aber jetzt kann ich Tonis Verhalten besser nachvollziehen. 
Dass Robin und Lui tot sind tut mir sehr leid. Gerade Robin und ihr Baby... Man sollte sich gut überlegen, was man sich wünscht, man bekommt es vielleicht. Aber so hat Enrico es bestimmt nicht gewollt.

Ja, das hat sich Enrico so sicher nicht gewünscht. Interessant das der Grund wirklich reicht, um Toni besser verstehen zu können. Das er das alles tun musste ist Tonis Folter gewesen. In Sachen psychoterror macht Michael wirklich keiner etwas vor.

->Ist Enrico tatsächlich wiederbelebt worden? Wundern würde es mich nicht. Mich wundert es eher, dass er das alles tatsächlich überlebt hat ohne erfrohren oder zumindest verhungert zu sein.
Ja ist er, aber das Verhungern geht nicht ganz so schnell. Man kann so ungefähr einen Monat ohne Nachrung auskommen und sieben Tage ohne Wasser. Enrico war drei Tage in Gefangenschaft, also noch keine Gefahr. Das schlimmste war eigentlich die Unterkühlung. Weswegen ich mich darum auch als erstes gekümmert habe. Aber natürlich wird es in den folgenden Kapiteln auch ums Essen gehen. So was wichtiges lasse ich nicht außer acht^^!

->Ich kann verstehen, dass Enrico Angst hat zu baden und ich bin wieder einmal überrascht wie gut er sich noch zur Wehr setzen kann.
Todesangst und Adrenalin sei dank^^. Als die Hintenbrug abstürzte ist eine Mutter mit ihren beiden Kleinkindern aus dem brennenden Luftschiff gesprungen und hat sich dabei die Hüfte gebrochen. Sie konnte trotzdem noch laufen und sich und die Kinder in Sicherheit bringen.

->Aber andererseits muss ich auch eingestehen, dass Toni ungerecht behandelt wird. Immerhin hat er zusammen mit Jan den Kindern und auch Enrico das Leben gerettet.
Damit hat Toni irgendwie immer zu kämpfen. Aber er beginnt zumindest in diesem Kapitel ein bisschen damit sich zur Wehr zu setzen.

->Schon faszinierend, dass Toni es am Ende doch noch schafft.
An der Stelle ist dann das Band der beiden stärker als der Verrat, aber Enrico hatte auch noch nicht lange genug Zeit sich über alles was passiert ist Gedanken zu machen. Hier geht es ja erst mal nur ums überleben. Später wird das mit dem Vertauensverlusst noch eine größere Rolle spielen.


->Ohje. Du machst es mir wirklich nicht leicht auf Toni sauer zu sein. Wenn ich daran denke, was für eine riesige Wut ich in den letzten Kapiteln noch auf ihn hatte.. Die ist fast gar nicht mehr da. Ich glaube, hätte mich mich in Tonis Situation befunden hätte ich wahrscheinlich auch so gehandelt. Ich habe zwar in den letzten Kommentaren noch erwähnt, dass nichts wichtiger ist, als die Person die man liebt, aber die Kinder stehen einfach noch ein paar.. tausende Stufen höher. Langsam kann ich es nachvollziehen. Toni tut mir sehr leid.
Als du das damals geschrieben hattest wollte ich erst antworten, dass es einfach jemand gibt den Toni noch mehr liebt^^. In dem Fall eben seine Tochter, aber ich wollte nichts verraten, sonst wäre dieses Kapitel nicht mehr so eindrücklich gewesen.


->Oh ja, das ist übertrieben egoistisch. Enrico hat noch kein einziges Mal nach seinen Kindern gefragt, wie es ihnen geht und er hat noch nicht mal einen Gedanken an ihnen verschwendet. Kann ich absolut nicht nachvollziehen. Macht mich irgendwie ein bisschen sauer. Schon witzig, wie du es schaffst, dass deine Leser ihre Meinung permanent ändern (müssen).
Zu der Erkenntnis kommt Enrico noch^^. Und ich freue mich riesig, dass ich den Blickwinkel auf meine Charakter immer wieder drehen kann und es wirklich so funktioniert, wie ich das vor hatte. Ja Enrico ist hier wirklich sehr egoistisch. Aber man muss auch rückblickend die letzten Stunden sehen und dass es ihm beschissen geht. Wirklich Zeit über alles nach zu denken hat er noch nicht gehabt. Aber will ihn auch gar nicht zu sehr in Schutz nehmen. Er ist schon ein großer Egoist, das lässt sich nicht leugnen.


->Oh je oh je.. Ich frage mich gerade wirklich warum ich jemals sauer auf Toni gewesen war. Ach scheiße man. Du tust deinen Charakteren ja wirklich nur das Schlimmste an. (Nicht böse auffassen ;D) Ich hoffe, dass es Kira jetzt gut geht. Und den Kindern von Enrico auch. Sowas lässt sich mit Sicherheit nicht schnell verarbeiten und ich hoffe einfach, dass sie es alle (auch Toni und Enrico) irgendwie schaffen.
Die Kinder spielen in den nächsten Kapiteln noch eine größere Rolle und auch die ganzen Traumatas aus der ganzen Sache werden noch eine ganze Weile eine Rolle spielen. Bei der ganzen Sache ist es sogar schwer zu sagen, wem es bei Michael eigentlich schlechter erging, denn ich denke den Menschen dem man liebt so quälen und verraten zu müssen, ist auch eine Art der Folter.

Danke noch mal für deinen wirklich ausführlichen Kommentar. Hast mir eine riesige Freude damit gemacht und dafür hat sich auch das Warten gelohnt^^.

Von:  Greendolf
2014-10-18T12:42:05+00:00 18.10.2014 14:42
Hallo =)
Ich habe in den letzten Zwei Tagen deine Story durchgelesen.
Und ich muss sagen, ich bin völlig hin und weg.
Der Geschichtsverlauf ist sehr komplex aufgebaut und ich finde es super, dass sich im Laufe der Handlung für den Leser auftut, was wirklich passiert ist.
Natürlich sind noch einige Wortlaute drinne die nicht gut klingen, aber niemand ist perfekt.
Ich hoffe du schreibst die Story zu ende, da es echt Potenzial hat =)
(und ich will ja erfahren wie es weiter geht)

LG Miku
Antwort von:  Enrico
18.10.2014 15:39
Hallo Miku,

Es freut mich zu hören das du es bis hier her geschaft hast und das dir die Geschichte gefällt. Ich gebe mir die größte Mühe am Ball zu bleiben und sie zu beenden. Das nächste Kapitel ist auf jeden Fall schon in Arbeit.


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