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Die Wölfe 5 ~Das Blut des Paten~

Teil V
von

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~Appetitlosigkeit~

Es duftet nach frischem Kakao, das Klappern von Besteck ist zu hören. Als ich die Augen öffne, bin ich allein. Der Platz neben mir ist leer, nur die zurückgeworfene, zweite Decke erinnert noch daran, dass er neben mir gelegen hat. War ja klar, dass auf seine Worte kein Verlass ist. Wahrscheinlich ist Toni gegangen, als er sich sicher war, dass ich fest eingeschlafen bin. Ich seufze und schließe die brennenden Augen. Ob er wohl schon mit Anette bei Aaron ist? Wie lange mag ich wohl geschlafen habe? Ich fühle mich kein Stück erholter.

"Anette wollte nicht mehr warten, sie ist allein zu Aaron gefahren. Hier nimm! Und jetzt will ich die ganze Geschichte von vorn hören!" Raphael? Mit wem spricht er da? Die Zimmertür steht weit offen, Licht aus dem Flur fällt herein.

"Danke! Nun, wo soll ich da anfangen?" Toni? Er ist noch hier? Die Beiden sprechen miteinander, ohne sich die Köpfe einzuschlagen? Irgendwas muss ich verpasst haben. Aber ich freue mich darüber. Wenn sie sich endlich einmal aussprechen vertragen sie sich vielleicht und das Zusammenleben wird um einiges leichter.

„Ich wollte eigentlich nur ein paar Besorgungen für den Wiederaufbau der Fabrik machen. Ich war zu Fuß unterwegs, als mich Jemand von hinten gepackt hat und in eine Seitenstraße zog. Ich kann mich nur noch an einen harten Schlag auf den Hinterkopf erinnern. Als ich wieder zu mir kam, waren meine Hände auf den Rücken gefesselt und ich spürte einen Pistolenlauf am Kopf. Ich kniete vor Michael und dachte sofort, dass es nun vorbei wäre. Aber er hatte überhaupt kein Interesse dran mich zu töten“, in Tonis Stimme mischt sich Ekel und Abscheu, „Er langweilt sich schon seit Jahren und hat sich ein abartiges Spiel für mich und Enrico ausgedacht. Ich sollte ihn verraten und in dem Glauben lassen, dass ich für die Drachen arbeite. Ich habe ihn ausgelacht, doch als ich Robin neben ihm knien sah, mit dem Gesicht voller blauer Flecken und den Augen blutunterlaufen, wusste ich sofort, dass er die Kinder hat. Er hat kein Wort gesagt, sondern seine Waffe auf Robin gerichtet und ihr in den Bauch geschossen.“ Ich schlucke schwer. Was hat Robin wohl in ihren letzten Tagen erleben müssen, bevor sie getötet wurde? Sicher hat sie nichts unversucht gelassen, um mit den Kindern zu entkommen, sonst wäre sie nicht so übel zugerichtet worden. Ich höre Raphael schwer durchatmen, dann fährt Toni fort: „Wenn ich nicht auch noch dabei zusehen wollte, wie er meine Tochter erschießt, sollte ich tun, was er verlangt. Er hat Kira aus einem angrenzenden Zimmer geholt und sie vor mir auf den Boden geworfen. Sie hat so entsetzlich geweint ...“, Toni unterbricht seine Erzählung, er braucht eine gefühlte Ewigkeit, um sich wieder zu fangen.

„Ich wollte nicht nachgeben, aber als er ihr die Kleider vom Leib riss und sie an Ort und Stelle vergewaltigen wollte, habe ich ihm alles versprochen, was er hören wollte.“ Der Kerl schreckt wirklich vor nichts zurück.

„Er hat mich noch einen ganzen Tag lang festgehalten und Robin beim Sterben zusehen lassen, bevor ich mich schließlich hinter irgendwelchen Mülltonnen in Brooklyn wieder gefunden habe ...“

„Warum hast du nicht mit uns gesprochen, wir hätten uns schon zusammen was einfallen lassen“, verlangt mein Bruder zu wissen. Die Frage habe ich ihm auch schon gestellt und die Antwort darauf war nicht wirklich befriedigend gewesen. Ob er jetzt eine besser hat?

„Ich hatte nicht mal ganz sechs Stunden Zeit Michaels Anweisungen folge zu leisten. Ich war total durch den Wind und wusste überhaupt nicht, was ich tun sollte. Auf dem Heimweg ist mir durch Zufall Jan über den Weg gelaufen, er war gerade erst aus Italien zurück und genauso fertig, wie ich. Wir haben dann zusammen versucht einen Plan zu entwickeln: Wir wollten Michaels Spiel nur mitspielen, um Zeit zu gewinnen. Ich wusste ja, dass er deinen Bruder nicht töten wollte und habe gehofft Enrico hält lange genug durch, bis ich heraus gefunden habe, wo die Kinder festgehalten werden. Jan sollte jeden Abend zur selben Zeit auf dem Dach des Hochhauses auf mich warten. Wenn ich die Kinder finde, wollte ich sie zu ihm bringen und dann Enrico holen." Damit hat er sich ganz schön viel Zeit gelassen. Ich atme durch und versuche die Erinnerungen der letzten Tage zu verdrängen.

"Michaels Leibwächter ist ein guter Freund von mir, er war mein Mentor während meiner Zeit bei den Drachen und wie ein Vater für mich. Ich habe gehofft ihn überreden zu können, mir zu helfen. Das ist mir auch gelungen, ohne ihn säße ich jetzt nicht hier, nur leider hat das alles viel zu lange gedauert. Ich weiß nicht was Michael mit deinem Bruder in der Zeit gemacht hat, aber Enrico muss sich wie der Teufel gewehrt haben.“ Ein merkwürdiger Ausdruck von Stolz ist Tonis Stimme anzuhören.

„Und das findest du gut?“

„Nein! So war es nicht gemeint. Ich dachte nur er wäre längst tot, aber er war es nicht. Er ist viel stärker als ich. Ich hab schon nach 'nem halben Tag schlapp gemacht.“

„Das sieht dir ähnlich!“ Toni sagt nichts mehr und auch Raphael schweigt von nun an.
 

Die Ruhe ist bedrückend. Müdigkeit überkommt mich und ich döse langsam wieder ein, bis mich Raphaels Stimme aufschreckt: „Und er hat euch einfach so entkommen lassen?“ Toni schweigt einen Moment. Der Löffel in seiner Tasse klappert.

„Ich weiß nicht. Es war schon seltsam, dass alle Türen offen standen. Ich dachte erst Butch hat das organisiert, aber er wollte mir nur mit den Kindern helfen, nicht bei meiner und Enricos Flucht.“

Das hört sich fast so an, als wenn es noch nicht vorbei wäre. Ich schlucke schwer. Was wenn selbst die Flucht aus dem Hochhaus, Teil von Michaels Plan war. Immerhin war es schon mehr als seltsam, dass die ganze Etage wie ausgestorben wirkte und wir völlig unbehelligt entkommen konnten. Mir fallen Michaels Worte wieder ein, dass er auf mich warten wollte, wenn ich ihm entkommen kann. Ich traue ihm durchaus zu, dass er herausfinden will, ob ich nach all dem wirklich wieder auf die Beine komme. Seufzend sehe ich an die dunkle Zimmerdecke. Das Spiel geht also weiter?
 

„Und wie soll es jetzt weiter gehen?“, will Raphael irgendwann wissen.

„Ich weiß nicht. Michael wird niemals Ruhe geben, bis Enrico und ich tot sind.“

„Ja und deiner Tochter geht es auch beschissen und die Chancen stehen gut, dass sie wieder als Zielscheibe herhalten muss, um dich zu erpressen. Ich finde Anettes Vorschlag gar nicht so übel. Verlasst die Stadt und fangt irgendwo ein neues Leben an!“ Sind die Beiden etwa wieder zusammen? Wenn Toni wirklich die Stadt verlässt und ein neues Leben beginnen will, was mache ich denn dann? Wie nett von Raphael, dass er dieses Vorhaben auch noch unterstützt. Verdammt! Und ich habe mich noch gefreut, dass sie sich mal aussprechen. Am liebsten möchte ich jetzt aufstehen und auch etwas dazu sagen, doch mein Körper gehorcht mir nicht und immer wenn ich versuche nach ihnen zu rufen, bekomme ich ein so starkes Kratzen im Hals, dass ich heftig husten muss. Ich bin dazu verdammt ihnen tatenlos zuhören zu müssen.

„Was ist mit Enrico?“ Ja, genau! Was ist mit mir? Ich brauche Toni, mehr als Raphael sich das vorstellen kann, ganz besonders nach allem was passiert ist.

„Der ist doch bei uns gut aufgehoben. Er hat hier seine Familie, die sich um ihn kümmern wird. Vielleicht bekomme ich ihn ja nach diesem ganzen Scheiß auch endlich dazu, bei den Locos auszusteigen.“ Ist das Raphaels Ernst? Hat er vergessen, wer die Locos sind? Selbst wenn ich wollte, Aaron würde mich nie aus seinen Geschäften entlassen. Ich kann noch so hoch in seiner Gunst stehen, lebend komme ich da nicht mehr raus und selbst wenn, sitzen mir noch immer die Drachen im Nacken. Ein normales Leben, nach seinen Vorstellungen, ist nie wieder drin. Wann begreift er das endlich?

„Enrico geht in seiner Position als Chef der Wölfe voll auf. Er würde sich niemals aus dem organisierten Verbrechen zurückziehen“, setzt Toni Raphael entgegen. Da hat er nicht ganz unrecht, ich liebe meine Stellung und meine Aufgaben im Clan.

„Und was ist mit dir?“

„Ich kenne nur das Leben als Auftragskiller“, erklärt Toni kleinlaut.

„Dann solltest du vielleicht mal was Neues kennen lernen.“ Raphael versucht es wirklich mit allen Mitteln. Warum will er Toni nur unbedingt loswerden?

Zwischen den Beiden stellt sich Schweigen ein. Eine unangenehme Ruhe erfüllt die Luft. Ich seufze schwer und hoffe inständig, dass sich Toni nicht überreden lässt. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn er wirklich die Stadt verlässt.
 

„Was empfindest du eigentlich für meinen kleinen Bruder?“, will Raphael wissen. Endlich mal eine anständige Frage - das würde mich ja auch mal brennend interessieren. Toni lässt sich mit seiner Antwort lange Zeit, ich höre sein resigniertes Seufzen bis hierher.

„Mehr als ich mit Worten ausdrücken könnte.“ Ernsthaft? Ich spüre, wie mir die Hitze in den Kopf steigt.

„Liebst du ihn?“

„Ja!“, sagt er zögernd. Mir wird noch heißer.

„Du weißt schon, wie krank das ist, was ihr beide da miteinander treibt, oder?“ Ich höre Toni schwer durchatmen, er sagt nichts, rührt nur in seiner Tasse herum.

„Wenn du wirklich was für meinen Bruder empfindest, dann lasse ihn zur Ruhe kommen und mach sein Leben nicht noch mehr kaputt, als du's schon die ganzen Jahre getan hast!“ Schönen Dank auch Raphael. Die Freude über Tonis Worte verpufft augenblicklich. Wenn mein Bruder weiter so auf seinen Schuldgefühlen herumreitet, dann wird Toni auf jeden Fall das Weite suchen. Mein Bruder erhebt sich und geht, seine Schritte verlieren sich auf der Treppe in den ersten Stock.

Toni bleibt noch eine ganze Weile sitzen, hin und wieder höre ich ihn mit dem Löffel in seiner Tasse rühren, schließlich stellt er sie geräuschvoll auf dem Tisch ab und steht auf. Seine Schritte nähern sich dem Flur, er kommt zu mir. Ich halte den Atem an und sehe erwartungsvoll zur Tür. Wie er sich wohl entschieden hat?

„Du bist ja wach. Wie lange hast du denn schon zugehört?“ Stellt er fest, als er ins Zimmer sieht. Er bleibt in der Tür stehen und lehnt sich mit dem Rücken an den Rahmen, dann verschränkt er die Arme vor der Brust und sieht unter meinem Blick hinweg.

„Lange genug! Willst du wirklich die Stadt verlassen?“ Toni seufzt und lässt sich mit der Antwort Zeit. Kein gutes Zeichen.

„Ich ertrage dieses Leben einfach nicht mehr. Die ständige Angst um meine Familie und immer die Bullen im Nacken zu haben. Das ist doch kein Leben!“ Das sind doch nicht seine Worte, sondern die von Anette und Raphael. Wir sind Profis, mit der Polizei hatten wir nur einmal Stress und das lediglich wegen eines geklauten Autos. Mit ein paar Dollar unter der Hand, ist das schnell erledigt gewesen. Seine einzige Sorge ist also mal wieder seine Familie? Ich könnte so kotzen. Dass er wirklich etwas für mich empfindet, nehme ich ihm so langsam nicht mehr ab.

„Dann hau doch ab! Ist ja nicht so, als wenn ich dich hier brauchen würde.“ Ich dränge die Tränen zurück, die sich in mir stauen und wende meinen Blick von ihm ab. Ist denn in den letzten Tagen nicht schon genug passiert? Muss auch noch Toni aus meinem Leben verschwinden? Michael hätte mich gleich an Ort und Stelle erschießen sollen, dann müsste ich das hier nicht auch noch ertragen.

„Enrico ...“, beginnt Toni beschwichtigend und drückt sich vom Türrahmen ab, doch ich will nichts davon hören. Als er zu mir kommt, sehe ich ihn ernst an und schreie so laut, es meine kratzende Stimme zulässt: „Glaubst du ich ertrage dieses Leben? Der einzige Grund, warum ich es bisher ausgehalten habe, bist du!“ Die lauten Worte, strengen mich so sehr an, dass mich ein weiterer Hustenanfall überkommt. Toni bleibt auf halber Strecke stehen und mustert mich erst besorgt, dann traurig, schließlich wendet er sich ab. Als ich mich wieder beruhigt habe, sagt er leise aber bestimmt: „Ich hätte dich fast getötet. Ich habe dir immer nur Unglück gebracht. Du bist ohne mich besser dran.“ Ich sehe ihn fassungslos an. Ist das seine Rechtfertigung sich aus dem Staub zu machen? Er dreht sich um und verlässt das Zimmer, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen.

„Warte!“, rufe ich ihm atemlos hinterher, doch er bleibt nicht stehen. Ich schiebe die Bettdecke von mir und stemme mich mit aller Gewalt nach oben, doch die Kraft meiner Arme reicht nicht aus, ich falle zurück ins Kissen.

„Toni!“, rufe ich ihm nach doch seine Schritte entfernen sich nur noch schneller. Es dauert nicht lange, bis die Haustür nach ihm ins Schloss fällt. Kraftlos sinke ich zurück auf die Matratze und atme schwer. Ein Gefühl der völligen Leere breitet sich in mir aus. Na wenigstens kann es jetzt nicht mehr schlimmer kommen. Ich schließe die Augen und wünsche mir noch immer, ich hätte diese ganze Folter nicht überlebt.
 

"Guten Morgen!", weckt mich die ruhige Stimme meines Bruders. Grelles Sonnenlicht fällt durch die Fenster ins Zimmer, das Rauschen des Meeres ist zu hören. Raphael betrachtet mich mit einem sanften Lächeln. Es riecht nach Pfefferminztee und frischem Gebäck. Er hält ein Tablett in der Hand und schaut erwartungsvoll zu mir. Ich rümpfe die Nase und ziehe mir die Decke weit über den Kopf. Er kann sich die Mühe sparen, ich will weder wach sein, noch etwas essen.

Raphael setzt sich zu mir, die Matratze senkt sich unter seinem Gewicht. Das Tablett stellt er auf dem Nachtisch ab, dann hebt er die Bettdecke von meinem Kopf. Ich schaue ihn grimmig an, doch er lächelt noch immer.

"Komm schon, du musst was essen, damit du wieder zu Kräften kommst."

"Verschwinde!", maule ich angriffslustig. Ich habe nicht vergessen, was er am Abend zuvor angerichtet hat und wenn er nicht augenblicklich mein Zimmer verlässt, bekommt er all meine Wut darüber zu spüren.

"Machst du schon wieder so ein Theater?", meint Jan und tritt ans Bett. Seufzend reise ich an der Decke und ziehe sie mir wieder über den Kopf. Können sie mich nicht einfach in Ruhe lassen? Was macht Jan überhaupt noch hier? Ist er vorläufig bei Raphael untergekommen? Wie ärgerlich, ihn kann ich hier überhaupt nicht gebrauchen.

"Vergiss es, wenn er nicht will, dann ist es aussichtslos. Hab mich fünf Jahre lange mit ihm herum geärgert", meint Jan. Seine Stimme klingt seltsam. Hat er etwa getrunken? So früh am Morgen? Ich hebe die Decke ein kleines Stück an und kann tatsächlich eine Flasche in seiner Hand erkennen. Bier zum Frühstück, ist ja widerlich. Ich ziehe die Decke übers Gesicht und rolle mich ein. Vielleicht gehen sie beide, wenn sie merken, dass ich nicht mehr reagiere.

"Ich lass es dir hier stehen." Raphael erhebt sich, die Matratze hebt sich langsam.

"Wo ist überhaupt Toni?", will Jan wissen, während er und mein Bruder das Zimmer verlassen.

"Bei seiner Familie, wo er hingehört!" Ich brumme bei seinen Worten.

"Na dann viel Spaß! Enrico ist unausstehlich, wenn er nicht da ist."

"Er wird sich dran gewöhnen müssen!" Ich will mich nicht daran gewöhnen. Sie können froh sein, dass ich mich viel zu schlecht fühle, um hier einen Aufstand zu proben. Seufzend ziehe ich die Decke von meinem Kopf und schaue zum Kissen neben mir. Toni hat darauf geschlafen, zumindest eine Weile. Ich ziehe es mit unter meine Decke und rolle mich darauf ein. Es riecht sogar noch ein wenig nach ihm. Wieder muss ich seufzen. Obwohl das Haus voller Menschen ist, fühle ich mich einsamer, als je zuvor.
 

Ich muss wieder eingeschlafen sein, denn es dämmert bereits, als ich von einem brennenden Durst geweckt werde. Das Tablett, das Raphael am Morgen gebracht hat, steht noch immer auf meinem Nachttisch. Der Tee ist inzwischen sicher kalt, aber das stört mich nicht, so kann ich ihn wenigstens schnell trinken. Ich schäle mich aus der Bettdecke und versuche mich an den Rand des Bettes zu ziehen doch jede Bewegung schmerzt. Ein unerträglicher Druck lastet auf meinem Brustkorb, meine Muskeln scheinen zu zerreißen und meine Haut fühlt sich an, als wenn sie in flüssiges Eisen getaucht wurde. Ich stöhne gequält und lasse den Kopf zurück ins Kissen fallen, sehnsüchtig blicke ich zu der Tasse auf dem Tablett. Ich schaffe es nicht mal, die Hand danach auszustrecken. Verdammt! Mein Mund ist ausgetrocknet und meine Kehle kratzig und rau. Der Versuch nach meinem Bruder zu rufen endet in einem Hustenanfall. Mein Kopf scheint dabei zu explodieren, es hämmert und dröhnt in ihm, als wenn ganze Lastzüge kreuz und quer darin herum fahren würden. In meinen Magen sticht eine gähnende Leere, er rebelliert mit lautem Knurren und das, was diesen Schmerz auslöschen könnte, steht nur knapp zwei Armlängen von mir entfernt und ich komme nicht ran. Oh, man! Warum habe ich nicht gegessen und getrunken, als Raphael am Morgen bei mir war? Ich hasse mein Leben! Resigniert versenke ich mein Gesicht im Kissen.

Kann es noch schlimmer werden? Die Antwort klingelt gleich darauf an der Haustür. Schritte im Wohnzimmer nähert sich der Tür, sie wird geöffnet.

"Wo ist dein Bruder? Ich habe ein Hühnchen mit ihm zu rupfen!", will die Besucherin wissen. Die glockenhelle Stimme meiner Frau, jagt mir einen Schauer den Rücken hinab. Ich bin nicht da. Die Bettdecke ziehe ich mir weit über den Kopf. Was will sie denn von mir?

"Er ist in seinem Zimmer, aber ..." Das Gestöckel ihrer Schuhen kommt schnell näher. Sie ist wütend, das höre ich schon an ihrem Schritt.

"Hallo Raphael!", sagt eine kindliche Stimme im Hintergrund.

"Hallo ihr Beiden. Wie geht es euch denn?" Beide? Hat Judy etwa unsere Kinder mitgebracht. Oh man! Den Gedanken an meine Kinder habe ich absichtlich bei Seite geschoben. Mir reicht es zu wissen, dass sie bei Aaron in Sicherheit sind, aber ich ahne schon, dass genau sie, der Grund für Judys Besuch sind.

Die Tür zu meinem Zimmer wird aufgerissen. Ich ziehe die Decke noch enger um mich und hoffe vergeblich nicht gesehen zu werden. Ihre Schritte kommen um das Bett herum, sie bleibt direkt vor mir stehen.

"Wach auf du Faulpelz! Wir haben zu reden!", schreit sie aufgebracht. Ich rühre mich nicht, gebe keinen Laut von mir.

"Sie sind also in Italien sicher, ja?" Unter ihren anklagenden Worten, schmerzt mein Körper noch mehr. Ich rolle mich unter der Decke immer weiter zusammen und unterdrücke ein Stöhnen. Ich kann doch auch nichts dafür, dass unsere Kinder entführt wurden.

"Jetzt tu nicht so. Ich weiß genau das du wach bist!", schreit sie immer wütender und zieht mir die Decke weg. Die Arme hat sie in die Seiten gestemmt, und ihr rechter Fuß trippelt ungeduldig auf dem Boden. Ich zwinge mir ein verlegenes Lächeln ins Gesicht, während ich die Arme krampfhaft um meinen zerreißenden Brustkorb schlinge. Ihre wütende Mine lockert sich langsam auf, ihre helle Haut wird noch blasser, die Arme lässt sie an sich herab fallen. Sorge schleicht sich in die rehbraunen Mandelaugen. Ich verstehe nicht warum und schaue an mir hinab. Mein Pyjama ist an einigen Stellen rot verfärbt und meine gekrümmte Haltung macht das erbärmliche Bild sicher perfekt. Ich wende meinen Blick von ihr ab. Was muss sie mich in dieser Situation auch so intensiv mustern? Ich will nicht, dass sie mich so sieht.

Judys Lippen formen lautlose Worte.

"Kannst du bitte Susen rufen!", bitte ich mit brüchiger Stimme und hoffe sie verschwindet nun.

"Was ist denn passiert?" Diese Frage werde ich ihr ganz bestimmt nicht beantworten, ich will nicht mehr daran denken, geschweige denn je wieder darüber sprechen.

"Bitte hol einfach deine Schwerster!", bitte ich sie stattdessen noch einmal. Judy streicht mir sacht durch die verschwitzten Haare.

"Mach ich", sagt sie in einem sanften Tonfall und stöckelt zurück zur Tür. Ich sehe ihr erleichtert nach, bis ich einen musternden Blick auf mir spüren kann. Zwei eisblaue Augen starren mich an, als ich zu der Stelle zurück sehe, an der zuvor Judy gestanden hat. Die blonden Haare stehen zerstreut von dem runden Gesicht ab. Die linke Schläfe das Jungen ist gelblich, grün verfärbt, er hat eine Schnittwunde über der rechten Wange und eine Pflaster über der linken Augenbraue. Ich ahne woher die Verletzungen stammen und muss schwer schlucken. Der Blick meines Sohnes ist ernst und vorwurfsvoll.

"Stirbst du jetzt wieder?", will er von mir wissen. Seine Stimme ist kalt und emotionslos. Ein fetter Kloß rutscht mir in die Kehle, denn ich mit noch so viel Schlucken nicht hinunter bekomme. Ist die Frage sein ernst? Ich weiß keine passende Antwort darauf und schweige.

"Du hast versprochen uns würde nichts mehr passieren. Du hast gelogen!", schlussfolgert er und ballt die kleinen Hände zu Fäusten.

"Du bist nicht mal gekommen, um uns zu retten, sondern Toni", schimpft er weiter und wird immer wütender, "Hast du überhaupt gewusst, dass Kira fast gestorben wäre und sie Amy ganz sehr gehauen haben, nur weil sie geweint hat? Wir sind dir doch egal!"

"Das ist nicht wahr!", versuche ich dagegen zu halten, doch meine Stimme ist kaum zu hören. In den nassen Augen meines Sohnes, sehe ich mich selbst. Mir wird schlagartig klar, das er recht hat. Ich habe nicht mal nach ihm und Amy gefragt, wollte gar nicht wissen, wie es ihnen ergangen ist und wie es ihnen jetzt geht.

"Ich wünschte du wärst nicht mein Vater!", setzt Rene nach. Ein eisiger Dolch bohrt sich in mein Herz, die Luft bleibt mir weg. Tränen steigen in mir auf, doch sie schaffen es nicht bis an die Oberfläche. Alles in mir erstarrt zu Eis. Selbst der anklagende Blick Renes erreicht mich jetzt nicht mehr, alles um mich herum hört auf zu existieren.

Wahrscheinlich hat er sogar recht, sie wären besser dran, wenn ich nicht ihr Vater wäre. Nur meinetwegen sind sie in ständiger Gefahr und mussten all diese schrecklichen Dinge erleben.

Das Rene geht, bekomme ich kaum mit, seine Worte hämmern noch immer durch meinen schmerzenden Kopf. Mein eigener Sohn hasst mich und ich kann es ihm nicht mal verübeln.

An der Tür bleibt er noch einmal stehen. Ich spüre seinen finsteren Blick im Rücken, als er sagt: "Von mir aus kannst du ruhig noch mal sterben. Wir brauchen dich nicht!" Ungebremst schlägt Rene die Tür nach sich zu, ich zucke bei dem lauten Knall und der Härte seiner Worte zusammen. Dann wird es ruhig, zu ruhig. Da ist nichts, was die widerhallenden Worte des Kindes in meinem Kopf übertönt. Er muss mich wirklich hassen. Wenn ich könnte, ich würde ihm den Gefallen sogar tun. Vielleicht wäre es wirklich für alle das Beste, wenn ich einfach nicht mehr da wäre.
 

Das Susen wenig später das Zimmer betritt und mich anspricht, bekomme ich nur, wie in dichtem Nebel, mit. Ich starre vor mich hin, kann ihr nicht einmal eine Antwort geben. Selbst als ihr Mittel meinen Körper betäubt, toben die Worte meines Sohnes noch immer so schmerzhaft in meinem Inneren, dass ich keine Erleichterung spüre. Die Behandlung meiner unzähligen Wunden und das gute Zureden von ihr und Judy, bekomme ich nur am Rande mit. Bin ich denn wirklich so schlimm? Hätte ich an Tonis Stelle alles riskiert, um die Kinder zu retten? Ich weiß es nicht, ich war nicht in der Position diese Entscheidung zu fällen und hätte ich gewusst, dass sie in Italien nicht sicher sind, hätte ich sie nie dort gelassen. Dabei ist es scheinbar ganz egal, wo ich sie hinbringe, selbst am Ende der Welt sind sie noch immer meine Kinder und damit das leichteste Ziel mich zu treffen. Mit all dem Chaos in mir, bin ich total überfordert und von außen strömt immer wieder die selbe Aufforderung auf mich ein.

"Du musst aber etwas essen!", ruft Susen mich schon die ganze Zeit an, doch ich will nicht. Der Geruch, der aus der dampfenden Schüssel in ihrer Hand aufsteigt, lässt mich würgen. Es ist irgendein Eintopf, der sicher gut schmeckt, aber ich will nichts essen. Ich bekomme den fetten Kloß in meinem Hals einfach nicht hinunter, der mich immer wieder würgen lässt, wenn sie mir mit dem Löffel zu nah kommt.

"Ich will nichts", sage ich schließlich kraftlos und in der Hoffnung, sie lässt mich endlich in Ruhe.

"Du hast aber schon seit vier Tagen nichts mehr gegessen. Deine Verletzungen können doch gar nicht heilen, wenn du nichts zu dir nimmst", spricht Susen mit Engelsgeduld auf mich ein.

"Na und", entgegne ich ihr stur, doch sie lässt sich nicht beirren. Immer wieder aufs Neue taucht der gefüllte Löffel und die dampfende Schüssel vor mir auf, egal wohin ich den Kopf auch drehe. Ich habe das alles so satt, dieses ganze Leben, ihre Fürsorge und die Unfähigkeit mich und meine Familie zu schützen. Ich hasse es am Leben zu sein!

"Lasst mich in Ruhe!", schreie ich die beiden Frauen an und schlage Susen die Schüssel und den Löffel aus der Hand. Beides fliegt in einem Bogen aus dem Bett und schlägt auf den Boden. Der ganze Inhalt verteilt sich auf Judys Kleid, und läuft ihr die Beine hinab. Kreischend springt sie zur Seite und sieht wütend auf mich zurück.

"Spinnst du jetzt total?", schreit sie und streift sich die heiße Suppe von den Beinen und schüttelt sie von ihren Händen.

"Raus! Lasst mich allein!", schreie ich zurück, bis mich eine Ohrfeige trifft. Susen hat weit ausgeholt und zugeschlagen. Meine Wange beginnt zu feuern, während ich sie erschrocken ansehen. Ohne ein Wort zu sagen, erhebt sie sich, nimmt die Schüssel und den Löffel vom Boden und greift die Hand ihrer Schwester. Während mich meine Frau beim Gehen verständnislos mustert, sieht Susen nicht mehr zurück. Sie löscht das Licht und verlässt mit meiner Frau das Zimmer, die Tür knallt nach ihnen ins Schloss.

Die plötzliche Stille und Dunkelheit verschluckt mich. Eigentlich will ich doch gar nicht allein sein. Warum nur bin ich ein solches Ekel, wenn man mir doch nur helfen will? Mit mir kann man es einfach nicht aushalten. Kein Wunder, dass mein Sohn mich hasst und Toni abhaut. Wieder spuken mir Renes Worte durch den Kopf. Tränen fluten meinen Blick und ich vergrabe das nasse Gesicht in meinen Händen. Ich will nicht mehr, ich will einfach nicht mehr!
 

Ich weiß nicht, wie lange ich einfach nur da sitze und heule, die Zeit verliert ihre Bedeutung. Irgendwann starre ich nur noch an die gegenüberliegende Wand ohne zu denken, ohne zu fühlen.
 

Das Trippeln von kleinen Füßen auf dem Flur, es kommen langsam näher. Die Klinke meiner Tür schnappt drei mal zurück, bis sie sich endlich öffnet. Schwaches Licht fällt durch die Tür herein. Ich sehe nicht hin, will nicht wissen, wer zu mir kommt.

Ruhe, wer auch immer gekommen ist, ist in der Tür stehen geblieben. Der Geruch nach Suppe verteilt sich im Raum, ich schlucke unwillkürlich, schon beim Gedanken an Essen wird mir schlecht. Die kleinen Füße setzten sich wieder in Bewegung, sie kommen zum Bett. Etwas wird auf dem Nachtisch abgestellt. Ganz ruhig und ohne Eile entfernen sich die Schritte wieder. Die Tür schiebt sich zu und alles wird von Dunkelheit verschluckt. Ich atme auf und bin der Meinung wieder allein zu sein, doch im selben Moment klickt der Lichtschalter und der Raum wird in grelles Licht getaucht. Ich kneife die Augen zusammen und blinzle in Richtung Tür. Es ist zu hell um etwas erkennen zu können. Nur die leichtfüßigen Schritte verraten mir, dass mein Besuch zu mir kommt. Missmutig betrachte ich den Schatten, der sich auf das Bett hinaufzieht und über die leere Hälfte robbt. Kinderhände greifen nach der zuvor abgestellten Schüssel und einem Löffel daneben. Der Blick des Kindes ist konzentriert auf den Inhalt gerichtet, während es sich auf den Knie robbend über die Decke bewegt. Die rehbraunen Mandelaugen sagen 'nur nichts verschütten', bis sie endlich meine Hälfte des Bettes erreicht. Das Mädchen setzt sich auf meine Beine und schaut mich lächelnd an. Ich schaue ungläubig zurück. Amy lächelt sonst nicht, niemals, sie tut auch nie etwas, ohne von ihrem Bruder dazu animiert zu werden. In Italien erschien sie mir manchmal, wie ein leere Hülle, die nur hin und wieder von ihrem Bruder bewegt werden konnte. Nun sitzt sie aber vor mir, lebendiger als je zuvor und mit diesem wärmenden Lächeln auf den Lippen. Ihre Haut ist blass aber ich kann keine Verletzungen in ihrem Gesicht erkennen. Das erleichtert mich, bis sie den Löffel in die Schüssel taucht und der Ärmel ihres Pullovers zurückrutscht. In Form von vier länglichen Streifen umschließt ein blauschwarzer Bluterguss ihren zierlichen Arm. Sicher sind das nicht die einzigen Verletzungen, die das Kind davon getragen hat. Ich seufze und kann spüren, wie sich neue Tränen in mir anstauen und schließlich heiß meine Wangen hinablaufen.

Amy legt den Kopf schief, ihre Augen schauen besorgt. Sie stellt die Schüssel neben uns ab und drückt sich von der Matratze hoch. Ihr kleinen Finger greifen nach mir und wischen die Tränen von meinen Wangen, doch es laufen sofort neue nach. Wie kann man einem kleinen Engel wie ihr, nur weh tun?

Meine Tochter schaut mich grimmig an und wischt noch einmal über meine Wange. Ich zwinge mir ein flüchtiges Lächeln ins Gesicht und dränge die Tränen zurück. Zufriedenes schaut sie mich an und lässt sich wieder auf ihren Hintern fallen, dann holt sie die Schüssel zu sich. Mit dem Löffel rührt sie den Inhalt durch und häuft anschließend einen Teil der Suppe darauf. Genussvoll schiebt sie ihn sich in den Mund und schmatzt absichtlich laut. Irritiert beobachte ich sie. Ich habe damit gerechnet, dass sie geschickt wurde, damit ich esse, nicht aber, dass sie alles allein essen wird. Als sie sich einen zweiten Löffel in den Mund schiebt und noch breiter grinst, beginnt sich mein Magen krampfhaft zusammenzuziehen, er knurrt und rumort schrecklich. Der Duft der Suppe und das genüssliche Gesicht meiner Tochter, machen mich hungrig, verdammt hungrig. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen und ich kann mir einen sehnsüchtigen Blick auf den dritten Löffel nicht verkneifen, der in Amys Mund verschwindet. Das Kind grinst vergnügt und nuschelt mit dem Löffel im Mund: "Mhm ist das lecker!" Erschrocken sehe ich sie an. Hat Amy gerade gesprochen? Das Kind redet nicht! Ich habe drei Monate mit ihr in Italien verbracht und kein einziges Wort von ihr gehört. Laut Toni hat sie seit der Vergewaltigung einfach aufgehört zu sprechen. Ich habe wirklich alles versucht, ihr auch nur ein Wort zu entlocken, vergeblich und jetzt?

Als sie meinen ungläubigen Blick bemerkt, schaut sie noch fröhlicher. Sie schiebt sich einen weiteren vollen Löffel in den Mund und wiederholt: "Mhm, lecker!" Ich weiß nicht ob ich heulen oder mich freuen soll. Ihre zerbrechliche Stimme zu hören, ist wie ein Wunder. Ich bin noch völlig gefesselt davon, als Amy den nächsten Löffel in meine Richtung hält und dabei den Mund weit öffnet, um mir zu zeigen, was ich zu tun habe. Ein wehmütiges Lächeln huscht mir über die Lippen und ein entstelltes Lachen entflieht meiner Kehle. Dieses kleine Mädchen bringt fertig, was alle Erwachsenen vergeblich versucht haben. Ich habe nicht nur Hunger, sondern wirklichen Appetit und esse gern, was sie mir reicht. Den Rest der Schüssel muss ich ganz allein aufessen und immer, wenn ich auch nur einen Moment zögere, schaut mich Amy grimmig an. Doch nach jedem Löffel, der in meinem Mund verschwindet, belohnt sie mich mit ihrem warmen Lächeln. Diesem Kind kann ich einfach nichts abschlagen. Ganz langsam fange ich an Toni zu verstehen. Unsere Kinder können nichts für unsere Taten und wir müssen einfach alles dafür tun, dass sie nicht darunter leiden müssen. Sie sind wichtiger, als wir beide.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Gmork
2014-11-10T10:40:52+00:00 10.11.2014 11:40
Hallo Enrico.
Schon wieder bin ich sehr spät dran, aber ich hatte dir ja schon auf deinem Weblog geschrieben, dass es mir momentan nicht so gut geht. (Immer diese beschissenen Baustellen im Kopf, mit denen man sich zu plagen hat). Tut mir übrigens leid, dass ich nicht auf deine ENS geantwortet habe.. zu viel um die Ohren, wie gesagt.

Aber jetzt hatte ich Zeit das nächste Kapitel zu lesen.. und es hat mich wirklich sehr ergriffen.
Ich muss erstmal ein Danke loswerden. Danke, dass deine Geschichte mir schon das ein oder andere mal den Tag gerettet hat. Klingt vielleicht übertrieben, aber ist so. Man hat etwas worauf man gespannt ist und sich freuen kann und mit solchen kleinen Dingen im Leben laufen die Tage wirklich besser für einen.
Ich bin aber nicht hier um deine Kommentarfunktion vollzusülzen, bitte verzeih.

-> "Danke! Nun, wo soll ich da anfangen?" Toni? Er ist noch hier? Die beiden sprechen miteinander, ohne sich die Köpfe einzuschlagen? Irgendwas muss ich verpasst haben.
Ja, ich habe anscheinend auch irgendwas verpasst. Aber ich freue mich, dass sie ruhig miteinander reden können. Auch wenn ich ehrlich sehr verwundert darüber bin.

->"Er langweilt sich schon seit Jahren und hat sich ein abartiges Spiel für mich und Enrico ausgedacht. Ich sollte ihn verraten und in dem Glauben lassen, dass ich für die Drachen arbeite. Ich habe ihn ausgelacht, doch als ich Robin neben ihm knien sah, mit dem Gesicht voller blauer Flecken und den Augen blutunterlaufen, wusste ich sofort, dass er die Kinder hat. Er hat kein Wort gesagt, sondern seine Waffe auf Robin gerichtet und ihr in den Bauch geschossen.“
Fuck. Das war alles was ich beim Lesen gedacht habe. Robin tut mir einfach unglaublich leid. Sie hatte das nicht verdient. Einfach zum Kotzen, dass immer die Leute sterben müssen, die es am wenigsten verdient haben.

-> „Ich wollte nicht nachgeben, aber als er ihr die Kleider vom Leib riss und sie an Ort und Stelle vergewaltigen wollte, habe ich ihm alles versprochen, was er hören wollte.“
Verständlich. Einfach nur verständlich. Armer Toni. Wer würde anders handeln? Ich bin noch keine Mama, aber dieses Gefühl, dass man beim Lesen bekommt... Man braucht keine eigenen Kinder haben zu müssen um es nachvollziehen zu können. Ich hätte an Tonis Stelle alles getan um sie zu retten. Wenn ich sogar darüber nachdenke hätte ich.. Enrico vielleicht wirklich getötet. Und ich glaube wenn Michael das wirklich von ihm verlangt hätte.. Toni hätte es getan. Und ich kanns ihm nichtmal verübeln. Was hab ich doch für böse Gedanken. ^^

-> "Ich weiß nicht was Michael mit deinem Bruder in der Zeit gemacht hat, aber Enrico muss sich wie der Teufel gewehrt haben. Für gewöhnlich reicht Michael ein Tag den Willen seines Opfers zu brechen.“
Hachja, Enrico. Ich bin noch immer beeindruckt.

-> „Und er hat euch einfach so entkommen lassen?“ Toni schweigt, offensichtlich muss er über diese Frage erst einmal nachdenken. „Ich weiß nicht. Es war schon seltsam, dass alle Türen offen standen. Ich dachte erst Butch hat das organisiert, aber er wollte mir nur mit den Kindern helfen, nicht bei meiner und Enricos Flucht!“
Ich sage ja, da ist was faul... Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir Michael nicht das letzte Mal gesehen haben. Irgendwie ist es schon ehrenhaft von Butch, dass er Toni hilft. Die ganze Geschichte wird mit Sicherheit auch für ihn Konsequenzen haben.. was anderes kann ich mir bei Michael nicht vorstellen.

-> "Ich finde Anettes Vorschlag gar nicht so übel. Verlasst die Stadt und fangt irgendwo ein neues Leben an!“
Ja. Raphael hat Recht, auch wenn Enrico das bestimmt nicht schmeckt. Ich kann Enrico auch verstehen, aber Toni muss für sich und seine Familie entscheiden, was besser ist. Tonis Tochter würde einen weiteren.. Übergriff wahrscheinlich nicht überleben. Das arme Kind tut mir hier am meisten Leid und es ist nur zu natürlich, dass sie vielleicht wirklich irgendwo ein neues Leben anfangen sollten. Um ihrer Tochter Willen.

->„Liebst du ihn?“ 'Ja, tust du?', stelle ich die selbe Frage gedanklich.
„Ja!“, sagt er zögernd.

Na endlich ist es mal draußen. Schon stark von Toni, dass er es tatsächlich zugibt. Das war bestimmt nicht so einfach, das alles über die Lippen zu bringen. Ich freu mich für die beiden.

->„Ich hätte dich fast getötet. Ich habe dir immer nur Unglück gebracht. Du bist ohne mich besser dran.“ Ich sehe ihn mit großen Augen fassungslos an. Ist das seine Rechtfertigung sich aus dem Staub zu machen? Er dreht sich um und verlässt das Zimmer, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen."
War klar, dass diese Euphorie nicht lang anhalten würde. Enrico tat mir an dieser Stelle sehr leid. Aber auch wenn es schmerzt, es ist das beste so. Toni muss schon sehr willensstark sein, jetzt einfach so zu gehen. Ich glaube, dass er Enrico noch gern in den Arm genommen hätte. Aber ich glaube nicht, dass er für immer verschwinden wird. Kann ich mir einfach nicht vorstellen.
Und auch wenn Toni an seine Tochter denken muss, so hoffe ich noch immer, dass die beiden trotzdem noch irgendwie.. zueinander finden. Und zwar so, dass wirklich jeder zufrieden ist. Das wünsche ich mir wirkloch für die beiden.

->"Komm schon, du musst was essen, damit du wieder zu Kräften kommst."
"Verschwinde!", knurre ich angriffslustig.

An dieser Stelle musste ich ein bisschen schmunzeln, weil Enricos Sturheit auf eine seltsame Weise amüsant ist. Gerade, weil ich ihn gut verstehen kann. Nach so viel Scheiße in den letzten Tagen haut auch noch seine große Liebe ab. Da hätte ich ehrlich gesagt auch keinen Bock drauf bemuttert zu werden, erst recht nicht von Raphael. Enrico ist sauer, weil er Toni vertrieben hat.. Ich glaube ich würde mich an seiner Stelle ähnlich verhalten.

-> "In meinen Magen sticht eine gähnende Leere, er rebelliert mit lautem Knurren und das, was diesen Schmerz auslöschen könnte, steht nur knapp zwei Armlängen von mir entfernt und ich komme nicht ran. Oh, man! Warum habe ich nicht gegessen und getrunken, als Raphael am Morgen bei mir war? Ich hasse mein Leben!"
Tja Enrico, selber schuld. Manchmal muss man einfach seinen Stolz überwinden und Hilfe annehmen, wenn sie angeboten wird. Das nennt man jetzt wohl Karma.^^ Seine Gedanken dabei erinnern mich stark an mich selbst. Ich werde auch immer gleich so überemotional. ;D Gefällt mir.

->"Wo ist dein Bruder? Ich habe ein Hühnchen mit ihm zu rupfen!", knurrt die Besucherin. Die glockenhelle Stimme meiner Frau jagt mir einen Schauer den Rücken hinab. "
Ohje, das gibt Ärger. Habe mich schon gefragt, wann Judy auftaucht. An Enricos Stelle würde ich mich schnell verstecken!

->"Sie sind also in Italien sicher, ja?" Unter ihren anklagenden Worten, schmerzt mein Körper noch stärker.
Oh je, das hat gesessen, aber hey.. sie hat doch Recht.
Aber rührend ist, dass sie sich gleich wieder um ihn sorgt. Das rechne ich ihr hoch an!

-> "Du hast versprochen uns würde nichts mehr passieren. Du hast gelogen!", knurrt er und ballt die kleinen Hände zu Fäusten.
"Du bist nicht mal gekommen, um uns zu retten, sondern Toni", schimpft er weiter und wird immer wütender, "Hast du überhaupt gewusst, dass Kira fast gestorben wäre und sie Amy ganz sehr gehauen haben, nur weil sie geweint hat? Wir sind dir doch egal!"

Oh nein, kindliche Wut. Der kann niemand standhalten.

->"Das ist nicht wahr!", versuche ich dagegen zu halten, doch meine Stimme ist kaum zu hören. In den nassen Augen meines Sohnes, sehe ich mich selbst. Mir wird schlagartig klar, das er recht hat. Ich habe nicht mal nach ihm und Amy gefragt, wollte gar nicht wissen, wie es ihnen ergangen ist und wie es ihnen jetzt geht.
Tja, Enrico, so fangen faule Kompromisse an. Ich hoffe, dass jetzt langsam das Einsehen kommt.

->"Von mir aus kannst du ruhig noch mal sterben. Wir brauchen dich nicht!" Ungebremst schlägt Rene die Tür nach sich zu, ich zucke bei dem lauten Knall und der Härte seiner Worte zusammen.
Und noch ein Schlag ins Gesicht. Aber ich kann den jungen Mann verstehen. Gerade als Kind kann man noch nicht alles verstehen, man kennt die Hintergründe nicht, aber die haben einen in dem Alter auch nicht zu interessieren. Seine Reaktion ist sehr menschlich und ich hoffe, dass Enrico daraus die richtigen Schlüsse ziehen wird.

->Bin ich denn wirklich so schlimm? Hätte ich an Tonis Stelle alles riskiert, um die Kinder zu retten? Ich weiß es nicht, ich war nicht in der Position diese Entscheidung zu fällen und hätte ich gewusst, dass sie in Italien nicht sicher sind, hätte ich sie nie dort gelassen.
Ja Enrico, hättest du? Es ist zwar gut, dass diese Erkenntnis kommt, aber sie kommt zu spät. Ich glaube schon, dass Enrico nur das Beste für seine Kinder will, aber er erkennt die Tragweite des Ganzen anscheinend nicht.

->"Raus! Lasst mich allein!", schreie ich zurück, bis mich eine Ohrfeige trifft. Susen hat weit ausgeholt und zugeschlagen. Meine Wange beginnt zu feuern, während ich sie erschrocken ansehen. Ohne ein Wort zu sagen, erhebt sie sich, nimmt die Schüssel und den Löffel vom Boden und greift dann Judys Hand. Während mich meine Frau beim Gehen verständnislos mustert, sieht Susen nicht mehr zurück.
Diesen Absatz fand ich stark. Du hast in wenigen Sätzen Susens Wut richtig gut rübergebracht. Gleichzeitig war es auch reiner Selbstschutz. Alle leiden unter dem Geschehenen und wollen ihm helfen. Wenn man dann aber eine solche Reaktion bekommt, ist es ganz klar, dass man auch irgendwann mal die Schnauze voll hat.

Und nun zur letzten Szene:
Ich war so gerührt. Wie du alles geschrieben hast, diese kindliche unbeschwertheit, einfach toll. Ich finde Amy unheimlich niedlich.

->Amy legt den Kopf schief, ihre rehbraunen Augen schauen besorgt. Sie stellt die Schüssel neben uns ab und drückt sich von der Matratze hoch. Ihr kleinen Finger greifen nach mir und wischen die Tränen von meinen Wangen, doch es laufen sofort neue nach. Wie kann man einem kleinen Engel wie ihr nur weh tun?
Ich finds total super, wie Enrico auf seine Tochter reagiert. Wie er plötzlich erkennt, was alles schief gelaufen ist und dass die Kleine so leichtherzig damit umgeht und es schafft ihn zum Essen zu bewegen. Das hat sie übrigens sehr geschickt angestellt.

->Dieses kleine Mädchen bringt fertig, was alle Erwachsenen vergeblich versucht haben.
So sollte es auch sein. Wenn sie es nicht geschafft hätte, wer dann? (Außer vielleicht Toni Aber ich glaube nicht einmal Toni hätte das fertigbringen können.)

-> Ganz langsam fange ich an Toni zu verstehen. Unsere Kinder können nichts für unsere Taten und wir müssen einfach alles dafür tun, dass sie nicht darunter leiden müssen. Sie sind wichtiger, als wir beide!
Endlich kommt das Erwachen. Ein toller Abschluss des Kapitels. Und obwohl Toni gegangen ist, sehe ich trotzdem ein Licht am Ende des Tunnels. Ich hoffe, dass Enrico vernünftig wird und Amy hat den ersten Schritt dafür getan.

Tolles Kapitel, es war eine Freude es zu lesen.
Auf bald,
Anni
♪♫



->
Antwort von:  Enrico
10.11.2014 12:24
Hallo Anni,

wie lustig, ich habe gerade dir ein Kommentar geschrieben und hatte im selben Moment selbst eines. ^^

Ich weiß ja das es dir nicht so gut geht, deswegen ist es auch nicht so dramatisch das dein Kommentar erst jetzt kommt. Dafür freue ich mich jetzt nur um so mehr. Ich hoffe mal dir geht es inzwischen besser?

Ich kann dir dein Kompliment auch nur zurück geben. Deine Kommis versüßen mir auch immer den Tag. Es ist so toll deinen Gedanken durch das Kapitel zu folgen und besonders gefreut habe ich mich das du den Schluss auch so rund und gut gefunden hast, wie ich selbst.

Hab vielen lieben Dank dafür.
Freu mich auch schon rießig wenn du mal wieder etwas Zeit übrig hast und ich wieder von dir lesen kann.
Von:  Greendolf
2014-10-22T20:28:45+00:00 22.10.2014 22:28
Das Kapitel ist super und total rührend =) Ich verstehe auch nicht, wie sie den Kindern so etwas antuen konnten ;___; das ist echt gemein. Und Enricos Gefühle sind so süß und seine Kinder auch, obwohl ich ja Rene nicht so mag, aber bei dem was er durch machen musste ist seine Reaktion verständlich. Ich bin echt im Zwiespalt....einerseits finde ich Enrico und Judy toll zusammen aber mit Toni ist es wirklich auch schön.....ach wenn es doch nicht so kompliziert wäre die Beziehung xD
Auf jeden Fall ein großes Lob von meiner Seite =D Weiter so !
Antwort von:  Enrico
22.10.2014 23:05
Hey,

es freut mich voll, dass dir das Kapitel gefallen hat. Ich hattr mich damit doch etwas schwer getan fand aber auch besonders die Schlussszene total süß. Schön das sie dir auch gefallen hat. Was Rene angeht so kommt mit ihm im nächsten Kapitel etwas mehr und vielleicht wird er da noch etwas sympathischer aber das Verhältnis zwischen ihm und Enrico bleibt schwierig. Wo hingegen Enrico und Amy ein Herz und eine Seele sind. Ist wohl das Phänomen Vater und Tochter. Papas kleine Prinzessin^.^.
Muss dir auch recht geben das die Beziehung in meiner OF echt kompliziert sind und wohl auch bleiben werden. Ich hoffe das schreckt nicht ab. Bin aber froh das beide Beziehung also von Enrico und Toni und von Judy und Enrico zu funktionieren scheinen.
Dank dir für dein Kommentar.
Antwort von:  Greendolf
23.10.2014 17:36
Ah iwo das die Beziehungen so kompliziert sind finde ich gerade spannend, denn so ist das Ende nicht vorher zu sehen XD
Bitte Bitte =)


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