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Die Wölfe 5 ~Das Blut des Paten~

Teil V
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ja, es hat lange gedauert, aber nun bin ich doch endlich mal wieder zum Schreiben gekommen.
Dabei fehlen gar nicht mehr so viele Kapitel, bis dieser Teil der Geschichte zu Ende ist. Aber irgendwie habe ich einfach nicht die richtigen Worte gefunden.
Dafür bin ich jetzt recht zufrieden mit dem Streitgespräch zwischen Enrico und Aaron^^.
Ist etwas heftiger ausgefallen, als ich es geplant habe, aber deswegen mag ich es nur noch mehr.
Naja, lange Rede kurzer Sinn. Viel Spaß mit diesem Kapitel. Komplett anzeigen

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~Die Ohrfeige~

Verdammte Handschellen! Die Teile sehen echt aus und lassen sich einfach nicht öffnen. Dann gehören sie also tatsächlich Jan? Seufzend betrachte ich die roten Striemen, die einmal rund um meine Gelenke verlaufen. Ich folge der Kette, die um eine der Stäbe des Bettes gebunden ist. Wenn ich mich richtig an den Zusammenbau erinnere, kann man die Stäbe herausdrehen. Ich mache mich ans Werk und schaffe es tatsächlich den Stab aus der Halterung zu lösen. Vom Bettgestell bin ich nun erst einmal befreit, so weit so gut. Ich rolle mit den Schultern, um die Verspannung darin zu lösen, das Blut läuft mir in die Arme zurück, es kribbelt entsetzlich. Seufzend rutsche ich an den Rand des Bettes und schaue mich im Raum um. Ich brauche irgendwas langes, biegsames, eine Büroklammer vielleicht. In meinem Schreibtisch liegt bestimmt irgendwo eine herum. Mein erstes Ziel ist die Tischplatte, doch bis auf einen Füllfederhalter, kann ich unter den etlichen Kleidungsstücken, die sich dort türmen, nichts finden. Ich muss wirklich mal wieder aufräumen. Die Hose ist schon von letzter Woche und das Hemd darunter hat noch länger kein Wasser gesehen. Der Rest meiner Garderobe verteilt sich auf dem Boden und dem Holzstuhl, vor dem Schreibtisch. Hoffentlich finde ich in meinem Kleiderschrank noch frische Klamotten.

In der Schublade unter der Tischplatte werde ich endlich fündig. Ich biege die Büroklammer auf, bis sie mir lang genug erscheint. An das Ende knicke ich einen kleinen Hacken und schiebe den in das Schlüsselloch. Etwas umständlich suche ich nach dem richtigen Punkt, meine Hand ist mir immer wieder im Weg, doch schließlich höre ich das erlösende Klicken und die erste Schelle löst sich. Ich atme auf und reibe mir über die wunde Stelle. Sie brennt inzwischen heftig, die obere Hautschicht hat sich abgelöst und das blanke Fleisch liegt frei. Warum lasse ich mich auch immer auf so einen Scheiß ein? Die zweite Schelle lässt sich wesentlich leichter lösen, doch auch dort hat sich das Metall tief in meine Haut gefressen.

Auf die Idee mich nach der Nummer wieder frei zu lassen, ist Jan anscheinend nicht gekommen. Oder hatte er gar keine Gelegenheit mehr dazu? Dunkel kann ich mich daran erinnern, das Toni ihn von meinem Bett gezerrt hat. Also habe ich wirklich mit dem Kerl gepennt? Ich schnaube verächtlich und werfe die Handschellen gemeinsam mit der Büroklammer in das Schubfach. Schwungvoll schiebe ich es zu.

Ich klebe am ganzen Körper. Ist das von Jan? Ich brauche dringend eine Dusche.

Auf dem Weg hinaus, fällt mir ein faustgroßes Loch neben dem Türrahmen auf. Wo kommt das denn her? Der Putz hat sich gelöst und gibt den blanken Ziegelstein frei. Kopfschüttelnd verlasse ich mein Zimmer. Der Boden des Flurs ist von roten Punkten gesprenkelt, an der Wand ziehen lange streifen entlang, an einer Stelle klebt ein blutiger Handabdruck. Ja, stimmt, die beiden Idioten haben sich hier geprügelt. Ob Jan das überlebt hat? Wenn Toni erst einmal sauer ist, fällt es ihm schwer seine Wut im Zaum zu halten. Aber er wird doch hoffentlich nicht den Fehler gemacht haben, einen Polizisten hier im Club über den Haufen zu schießen, oder? Den Blutspuren nach zu urteilen ist nicht genug geflossen, um einen Menschen zu töten.

Ich folge dem Flur ins Badezimmer und bin froh endlich die Spuren der letzten Nacht los zu werden.Während das Wasser über meinen Körper strömt, versuche ich mich krampfhaft daran zu erinnern, warum ich mich überhaupt abgeschossen habe. Ich bin bei Aaron gewesen und bis auf die Sache mit den Leibwächtern, war der Tag eigentlich ganz gut gewesen. Mir will kein Grund einfallen, weswegen ich mich so habe zulaufen lassen. Selbst als ich mit einem Handtuch um die Hüften, zurück in mein Zimmer laufe, weiß ich keine Antwort. Scheiß Alkohol!

Während ich in meinen Kleiderschrank nach frischen Klamotten suche und das Glück habe noch eine Hose, Hemd und Unterhose zu finden, fällt mein Blick auf das verwüstete Bett. Irgendjemand hat am Vortag dort gesessen, als ich heim kam. Stimmt, Kira war hier während …

Mein Blick wandert an die Wand, die ich mir mit Tonis Zimmer teile. Er und Anette! Da ist er, der Grund. Verflucht! Was macht mir dieser Scheißkerl, dann eine solche Szene? Er ist doch der verlogene Bastard, nicht ich. Ich knalle meinen Kleiderschrank zu und ziehe mir die gefundenen Klamotten über, dann umrunde ich mein Bett. Vor dem geöffneten Geldkoffer bleibe ich stehen. Dämlicher Idiot! Ich verkaufe nicht, aber das mit Anette tue ich mir auch nicht mehr an. Wenn sie einziehen, ziehe ich eben aus. Einen auf heile Familie machen, kann ich genau so gut wie er. Den Koffer klappe ich zu und verschließe die Schnallen. Ich will sein elendes Geld nicht.

Mit dem Koffer im Schlepptau, betrete ich ohne anzuklopfen, Tonis Zimmer. Anette ist gerade dabei ihrer Tochter dass Kleid vom Vortag überzuziehen. Es ist noch immer dreckig, dafür ist das Gesicht des Kindes nun sauber. Auch ihre Haare sind gekämmt und nicht mehr so strohig, wie am Vorabend.

Toni sitzt auf seinem Bett und bindet sich gerade die Schuhe, seine Augen mustern mich grimmig, seine Mundwinkel verzieht er für eine mahnende Anklage, doch ich komme ihm zuvor.

„Ich verkaufe nicht!“ Den Koffer werfe ich ihm zu Füßen. Er legt die Stirn in Falten und schaut noch verbissener. Wieder holt er Luft, um etwas zu sagen, doch ich will seinen Einspruch nicht hören.

„Schau nicht so! Ich werde schon ausziehen, keine Sorge! Den Scheiß hier tue ich mir nicht mehr an!“ Ich schaue zu Anette und Kira, damit auch kein Zweifel aufkommt, was ich meine, dann wende ich mich um und gehe.

„Mach mit meinem Zimmer, was du willst, mir egal!“, füge ich an und verlasse den Raum. Doch bevor ich die Tür schließe, wende ich mich noch einmal um.

„Ach und nur damit du es weißt, ich habe schon Ersatz für dich!“, mein letzter finsterer Blick gilt Toni. Mein bester Freund sieht mich fragend an, ich schaue grimmig zurück und knalle die Tür nach mir zu.

„Warum lässt du so mit dir reden? Du bist jetzt der Chef hier, benehme dich auch mal so!“, fordert Anette so laut, dass ich sie selbst durch die geschlossene Tür hindurch hören kann.

„Ach sei still!“, murrt Toni. Ihr Streit interessiert mich nicht. Ich folge dem Flur bis zur Feuerschutztür und betrete den Club. Als die Tür nach mir zufällt, atme ich tief durch. Niemand ist hier, die Tische und Sofas sind verwaist, die Barhocker stehen mit ihrer Sitzfläche auf dem Tresen. Alles ist sauber und aufgeräumt. Wie kommt Toni nur darauf, dass ich das hier aufgebe? Ich habe viel zu viel Geld, Schweiß und Herzblut hier rein gesteckt.

Aber so wie es jetzt läuft, kann es auch nicht weiter gehen. Seufzend sehe ich auf die Tür zurück. Etwas Abstand kann uns beiden nicht schaden. Soll er mich ruhig auch mal vermissen und sich darüber klar werden, was er nun eigentlich will. Dann muss ich eben in den sauren Apfel beißen und bei Aaron einziehen, so spare ich mir wenigstens das ständige Pendeln und die Streitereien mit meiner Frau. Mit diesem Entschluss, mache ich mich auf den Weg zum Anwesen des Paten.
 

Als ich es erreiche, geht die Sonne gerade hinter den Tannen auf. Alles ist ruhig, bis auf das Gebell von Scotch und Brandy, die mir entgegen kommen und dem Gezwitscher der Vögel, in den Baumkronen der Tannen. Sicher schlafen sie alle noch. Ob wenigstens Jester wach ist? Mein Magen hängt mir in den Kniekehlen.

Im Vorbeigehen streichle ich den beiden Wachhunden durchs glatte Fell, sie folgen mir bis zur Haustür und sehen mir erwartungsvoll dabei zu, wie ich sie aufschließe. Kaum öffnet sie sich, drängen sie an mir vorbei und stürmen den Flur entlang. Ihr Interesse gilt der Küche, in der sie ohne Umwege verschwinden. In der kurzen Zeit, die ich zurück bin, habe ich Aarons gute Erziehung schon über den Haufen geworfen. Immer wenn ich mir Frühstück mache, fällt für die Beiden etwas ab, sicher sitzen sie schon erwartungsvoll vor dem Vorratsschrank und schnüffeln nach den Würsten, die dort hängen.

Wurst mit Brot, darauf habe ich jetzt auch Appetit. Ich folge den Hunden in die Küche, die wie vermutet vor dem Schrank sitzen und mich mit ihren Blicken fixieren. Auch hier ist alles ruhig, Jester ist noch nicht aufgestanden, mein Frühstück werde ich mir heute wohl selbst machen müssen. Um an den Schrank zu kommen, schiebe ich die Hunde zur Seite.

Salami und abgehangener Schinken, für den Anfang wird es reichen, noch etwas Brot und ich kann den gröbsten Hunger bekämpfen. Scotch und Brandy weichen mir nicht von der Seite, ihre Köpfe reiben an meinen Beinen, ich muss aufpassen nicht über ihre Pfoten zu stolpern. Mit den Lebensmitteln lasse ich mich auf einen der Holzstühle nieder und beiße ein großes Stück aus dem Schinken heraus. Als ich es hastig verschlinge, steigt mir Scotch auf die Oberschenkel und schnuppert in meinem Gesicht herum. Er wird keine Ruhe geben, bis er nicht ein Stück abbekommen hat, doch ich bin selbst noch viel zu hungrig, um mit ihm zu teilen. Genervt stoße ich ihn weg und widme mich der Salami. Zwischen zwei Bissen schiebe ich mir noch ein Stück Brot in den Mund. Meine Backen sind so voll, dass ich die großen Stücke kaum beißen kann.
 

Ein unheilvoller Schatten dringt in den Raum, zwei mächtige Schultern schieben sich durch den Türrahmen, graues Barthaar kräuselt sich um die grimmigen Mundwinkel. Mit festen Schritten hält Aaron auf mich zu. Seine ernster Blick durchbohrt mich und nimmt mich gefangen. Was habe ich angestellt? Ich schaue ihn mit einem verlegenen Lächeln an und zwinge Wurst und Brot hinunter.

Wortlos bleibt der Pate vor mir stehen, er holt weit aus und schlägt zu. Seine Hand trifft mich ungebremst im Gesicht und fegt mich von Stuhl. Fassungslos blicke ich zu ihm auf und greife mir an die getroffene Wange. Sie flammt feurig und pulsiert heiß. Womit habe ich das verdient?

„Steh auf! Wir haben zu reden!“, befiehlt er und stemmt die Arme in die Seite. Ich begreife noch immer nicht, was ich verbrochen habe, doch ich wage nicht nach dem Grund zu fragen. Während ich den Schmerz weg reibe, stehe ich auf. Aaron dreht sich kommentarlos um und geht voraus, ich folge ihm zügig. Er führt mich ins Wohnzimmer und deutet dort auf einen der beiden Ledersessel.

„Setzen!“, ordnet er an. Ich gehorche und betrachte den alten Mann fragend. Noch immer bin ich mir keiner Schuld bewusst, ich bin doch gerade erst zurück gekommen und es ist auch nicht das erste Mal, dass ich seine Vorratskammer plündere. Also, wofür war die Ohrfeige?

„Du wirst dich bei meinen Geschäftspartnern für dein schändliches Verhalten entschuldigen! Haben wir und verstanden?“ Geschäftspartner? Meint er die beiden Möchtegern-Aufpasser von gestern Abend? Ich hole Luft um etwas zu erwidern, doch Aaron wettert weiter: „Ich habe dir viel zu viel durchgehen lassen, aber damit ist jetzt Schluss! In diesem Haus gelten noch immer meine Regeln und ich erwarte von dir, dass du tust, was ich dir sage. Noch habe ich hier das Sagen! Hast du mich verstanden?“ Na schön, ich habe es übertrieben, aber dieser ständige Befehlston geht mir einfach auf die Nerven. Ich soll sein Nachfolger werden, aber alle wichtigen Entscheidungen trifft er allein und ich soll einfach nur blind gehorchen? Das kann ich nicht, das bin nicht ich. Wenn er einen Schoßhund braucht, dann hätte er nicht mich wählen dürfen.

„Okay, okay … Schon gut! Es tut mir leid! Aber …!“

„Halt den Rand, ich bin noch nicht fertig!“ Immer noch nicht? Ich hab es doch längst verstanden, ich hätte nicht so einen Wirbel machen dürfen, aber ...

Aaron baut sich drohend vor mir auf, er beugt sich hinab und kläfft weiter: „Du stehst schon viel zu lange in meiner Gunst, dabei ist mir langsam schleierhaft, warum überhaupt. Du tust, was du willst und bringst meine ganzen Geschäfte durcheinander. Ich weiß nie, was du als nächstes für Unheil anrichtest und sobald es ernst wird, haust du ab und kommst dann wieder, als wenn nichts gewesen wäre.“ Okay, ich habe wirklich vergessen, worüber wir gestritten haben, aber doch nur, weil ich noch tausend andere Probleme am Hals habe, als nur ihn und seine krummen Geschäfte. Glaubt er wirklich es gibt nur die Locos für mich? Ich habe auch noch ein eigenes Leben und ganz besonders einen eigenen Willen.

„Du bist unverschämt, hast keine Manieren und ...“, schimpft er unaufhörlich. Mir reicht es, als wenn er so viel besser wäre. Das höre ich mir nicht länger an. Ich stehe auf und trete ihm entgegen.

„Und du bist arrogant und selbstgefällig. Alles muss nach deinem Willen geschehen. Du bist einfach schon viel zu lange der Chef der Locos. Ich soll dein Nachfolger werden, aber du triffst alle wichtigen Entscheidungen ohne mich. Du bestimmst über mein Leben, als wenn es dir gehören würde. Nur weil du meinen Bruder gerettet hast, musste ich für dich den Auftragskiller spielen, nur weil deine Tochter schwanger war, musste ich sie heiraten und nur weil du keinen besseren für den Job hast, soll ich dein Nachfolger werden. Ich bin kein Kind mehr, ich kann selbst entscheiden und ich brauche keine Aufpasser. Weder diese Gorillas, noch dich!“

„Komm mir nicht auf die Tour Junge! Die Sache mit den Leibwächtern ist eine unumgängliche Notwenigkeit. Ich bin zu alt, um meinen Nachfolger noch einmal zu verlieren!“

„Es geht nicht immer nur um dich und den Clan. Ich habe auch noch ein eigenes Leben!“

„Wenn du dich von mir abwendest, hast du überhaupt kein Leben mehr!“

„Weil du mich dann töten lässt? Den Mann deiner Tochter? Den Vater deiner Enkelkinder? Ich habe keine Angst vor dir, Aaron! Mir sitzen viel schlimmere Feinde im Nacken!“

„Du hattest mich noch nie zum Feind!“ Aaron erhebt drohen den Zeigefinger und geht einen Schritt auf mich zu. Ich weiche nicht zurück, schaue ihn unvermittelt wütend an.

„Du mich auch nicht!“

„Hört auf!“ Eine weiße Gestalt taucht zwischen uns auf, kleine Hände schieben uns auseinander. Dunkle Reh-Augen mustern mich wütend. Die glockenhelle Stimme meiner Tochter lässt uns inne halten.

„Aufhören!“, befiehlt sie noch einmal und schaut abwechselt zwischen uns hin und her. Ich atme tief durch, mit verschränkten Armen wende ich meinen Blick von Aaron ab. Wie schafft es dieser alte Mann nur immer wieder, mich derart auf die Palme zu bringen? Der Pate seufzt hörbar, auch er wendet sich von mir ab und dreht mir den Rücken zu. Mit den Armen in die Seite gestemmt, atmet er durch. Eine gefühlte Ewigkeit verharren wir in dieser Position. Ämys Knopfaugen mustern mich unentwegt, als wenn sie etwas von mir erwarten würde, doch ich bin noch immer viel zu aufgebracht, um etwas versöhnliches zu sagen. Dieser arrogante Sack und seine dämlichen Drohungen, ziehen bei mir nicht.

Amys kleine Hand greift meine, sie schaut mich mit ihrem schrägen Dackelblick an, als sie sagt „Habt euch lieb!“ Wenn das nur so einfach wäre. Ich schaue von ihr zu Aaron, der sich noch immer von mir abwendet. Ich hasse es mich mit ihm zu streiten und ich kann es nicht leiden, wenn er schlecht von mir denkt. So viele Dinge, habe ich nur getan, um von ihm geschätzt zu werden.

„Aaron ich will nicht, dass wir Feinde sind. Du bist der einzige Vater der immer für mich da war. Alles was ich will, ist das du mir und meinen Entscheidungen vertraust.“

„Mhm, deinen Entscheidungen vertrauen … tze“ Aaron zuckt gleichmütig mit den Schultern. Mein Appell scheint nicht angekommen zu sein. Warum sage ich ihm das überhaupt? Wir sind ja nicht mal Blutsverwandt, ich bin nur sein Schwiegersohn, mehr nicht. Als er sich nach mir umdreht, schaue ich zur Seite weg.

„Du bist noch so jung ...“, beginnt er mit ungewohnt weicher Stimme. Irritiert schaue ich ihm ins Gesicht, seine Augen sind gläsern, doch sein Blick ist gefasst und ernst.

„... und trotzdem dem Tod so viel näher, als ich es bin.“ Wie meint er das den? Erschrocken betrachte ich seine kantigen Gesichtszüge, doch ich kann nicht in ihnen lesen.

„Mir war ein eigener Sohn nicht vergönnt gewesen, aber ich hatte dich. Schon als du das erste mal zu mir kamst und mich mir offen und ehrlich erzählt hast, was dir, Antonio und deinem Bruder passiert ist, hatte ich einen Narren an dir gefressen. Oft sehe ich noch den kleinen Jungen vor mir, manchmal vergesse ich einfach, dass du inzwischen ein Mann geworden bist!“ Bin ich? Mir steigt die Hitze in den Kopf, verlegen sehe ich unter seinem stolzen Blick hinweg.

„Aber du bist auch viel zu oft stur, wie ein kleiner Junge, unvorsichtig und übermütig. Ich habe dich schon einmal beerdigen müssen, zwinge mich nicht, das noch einmal erleben zu müssen.“ Würde er mich denn wirklich vermissen? Ich schlucke schwer und wage noch immer nicht, ihn anzusehen.

„Kannst du dir nicht vorstellen, dass ich viele meiner Entscheidungen zu deinem Schutz gefällt habe?“ Wenn ich genau darüber nachdenke, irgendwie schon. Die Anschläge der letzten Wochen wären mit ein paar fähigen Leibwächtern, vielleicht zu verhindern gewesen.

„Es tut mir leid!“, murmle ich. Aaron schweigt, mit einem resignierten Seufzen, lässt er sich in seinem Sessel sinken.

„Setz dich und lass uns reden!“, schlägt er vor. Ich tue ihm den Gefallen und winke meine Tochter zu mir. Sie lächelt erleichtert und klettert auf meinen Schoss. Während sie sich in meinen Armen einrollt, betrachte ich sie sanft. Wie schafft es dieses kleine Mädchen nur, zwei sture Streithähne wie uns, so einfach zur Räson zu bringen? Sie ist wirklich etwas besonderes. Ich streichle ihr über das seidige, schwarze Haar, sie genießt die Berührung sichtlich und lächelt vergnügt. Auch sie würde schmerzlich unter meinem Verlust leiden. Wahrscheinlich bin ich einfach nur ein Egoist.

„Die Idee mit den Leibwächtern, ist vielleicht doch keine so schlechte“, gebe ich zu und lächle in Aarons Richtung. Der alte Mann schaut verblüfft zurück.

„Woher kommt auf einmal die späte Einsicht?“

„Du hattest schon die ganze Zeit recht, ich konnte mir nur einfach nicht vorstellen, mit jemand anderem, als Toni zusammen zu arbeiten.“

„Darf ich ganz offen sein?“, will Aaron wissen. Ich nicke.

„Antonio ist ein ausgezeichneter Scharfschütze, aber kein besonders guter Leibwächter, zumindest nicht für dich.“ Wie kommt er denn darauf? Toni hat sich schon dutzende Kugeln für mich eingefangen, wir haben einander unzählige male das Leben gerettet. Wir sind ein gutes Team, ist ihm das nie aufgefallen?

„Versteh mich nicht falsch, ihr habt all die Jahre ausgezeichnete Arbeit geleistet, aber ihr steht euch einfach viel zu nah. Das ist auch der Grund, warum diese Erpressungsgeschichte mit Michael funktionieren konnte. Ein Leibwächter sollte jemand sein, denn du ohne mit der Wimper zu zucken über die Klinge springen lassen kannst, um dein eigenes Leben zu retten.“ Jemand den ich ohne zu zögern opfern würde? So habe ich die Sache noch nie gesehen. Diese beiden Russen, die Aaron angeheuert hat, sind mir völlig egal, ich kann sie nicht mal leiden. Wenn sie meinetwegen draufgehen, würde mich das kaum berühren. Für Toni hingegen, würde ich mich selbst in die Schusslinie stellen.

„Du hast gar nicht so unrecht! Na schön, versuchen wir es mit den beiden Gorillas. Mal sehen, wie lange sie in meinem Alltag überleben werden!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Satomi
2015-12-31T17:00:54+00:00 31.12.2015 18:00
Beim ersten Mal lesen im Forum musste ich schon fies grinsen. Streit im Paradies. xD
Und Amy schaffte sowas doch immer, sie war doch der kleine Liebling.
Die Ohrfeige hatte er aber mal verdient und noch viel mehr!!!

PS.: Hast du in der letzten Zeit Post gehabt? xP
Antwort von:  Enrico
31.12.2015 18:24
Jab hab dir auch in meinem Forum geschrieben.
Bin endlich mal wieder zum Schreiben gekommen. Dachte mir schon dass dir die Sache mit der Orfeige gefallen wird. ^-^ hatte mir erst überlegt wie Rene wohl darauf reagieren würde wennn er zusieht aber Amy war mir dann fürs deeskalieren lieber.
Antwort von:  Satomi
31.12.2015 18:28
Kann erst im neuem Jahr wieder online, kenn mein Passwort fürs Forum nicht mehr.
Jup, haste recht. xD
Nope, wenn war es Amy und nicht Rene, der hätte eher gewollt, dass sein Dad mehr Prügel bezieht.
Antwort von:  Enrico
31.12.2015 18:36
Jab so habe ich das auch eingeschätzt.^-^


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