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New Reign

Wie Game of Thrones, nur mit Digimon. [Video-Opening online]
von

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Sonnenfinsternis


 

Tag 152

 

Während der ersten Nacht und dem darauffolgenden Tag hatte T.K. beschlossen, Klecks zu töten.

Er wusste nicht, wie er überhaupt auf den Gedanken kam, und er schämte sich zuerst dafür. Vermutlich waren es Hunger, Durst und Müdigkeit. Obwohl es in dem Schrank im Giga-Haus stockfinster war, drangen die lauten Stimmen der Marodeure an sein Ohr, die raue Scherze trieben, lachten und feierten. Erst einmal hatten sie ihm etwas zu trinken gebracht, Wasser in einem Schnapsglas, das immerhin so groß wie ein Eimer war. Zu essen hatte er noch nichts bekommen.

In Gedanken war er bei Kari oder auch bei Ken. Wenn er könnte, würde er mit bloßen Fäusten gegen RiseGreymon und seine Spießgesellen kämpfen, aber er bekam nicht einmal die Schranktür auf. Hilflos musste er auf ein unbekanntes Schicksal warten, während er als Einziger wirklich wusste, was in der DigiWelt vor sich ging! Diese Ohnmacht machte ihn wahnsinnig – wahnsinnig und rasend.

Kari hatte ein Schattenwesen geheiratet und sich bereit erklärt, seinen Nachwuchs auszutragen, nur um in diesen verrückten Krieg eintreten und die DigiWelt retten zu können! Und nun hatte sich herausgestellt, dass sie sich alle geirrt hatten. Ken war nicht die Gefahr, er war die einzige Rettung. Sie müssten nichts weiter tun, als sich ihm anzuschließen, weniger noch: Vermutlich reichte es, wenn sie ihn nicht mehr bekämpften!

Wegen eines riesigen Irrtums hatte Kari ihr Leben weggeworfen. Das würde er Klecks nie verzeihen. Er würde das Schattenwesen dazu zwingen, ihre Vereinbarung zu annullieren, und wenn er es mit Gewalt tat! Sollte Kari ihn dafür hassen. Ken hassten auch alle, und er tat das Richtige.

Selbst Patamon konnte ihn nicht aufbauen. Sein Zeitgefühl war ihm längst abhanden gekommen. War es noch Tag oder schon wieder Nacht? Oder war der zweite Tag seit seiner Gefangennahme angebrochen?

Seine Gedanken wurden schwärzer, je länger er in der Dunkelheit hockte.

 

 

Der Sturm wurde unerträglich. Sand wehte in Tais Augen, als er sich an WarGreymons Rückenschild klammerte. Sein Umhang zerrte und riss an ihm. Welche Teufelei hatte der DigimonKaiser nun wieder ausgeheckt? Hinter dem Wirbel aus Schwarz und Braun war das finstere Knäuel kaum noch zu erkennen, aber Tai fühlte die Kälte, die davon ausging, viel lebensfeindlicher als die Wüste bei Nacht, viel schlimmer als die schneidenden Sturmböen in Frigimons Eisregion.

Zu dem Sturm kam ein Saugen hinzu. Der Himmel hatte sich verfinstert, und etwas schien dunkle Gewitterwolken in die Nähe der Stachelkugel zu ziehen. Schwarze Blitze zuckten über den Horizont, pures Chaos über ihnen, Sand und Dunkelheit und schwarze Kristalle und wirbelnde Wolken und unnatürliches Wetterleuchten …

Aus den Augenwinkeln sah Tai, wie Willis den Mund aufriss und auf etwas zeigte. Der DigimonKaiser und seine Digimon glitten auf den Sturmwinden in die Höhe. Tai schrie WarGreymon etwas ins Ohr, aber er verstand seine eigenen Worte nicht.

Dann kehrte sich die Sogwirkung endgültig um, und seine Sinne kehrten zu ihm zurück, genau wie sich der fortgeschwemmte Sand aufzubäumen schien und in den Krater zurückschwappte, den die kantige Dunkelheit verursacht hatte. Er sah dunkelblaue und violette Blitze über die Oberfläche des Dings laufen, sich aufspalten und weiterspringen. Der Himmel war wieder nachtschwarz geworden, und dort oben blitzte und grollte es ebenfalls, als braute sich ein Unwetter zusammen, wie es diese Wüste sicherlich noch nie gesehen hatte. Was war mit der Sonne geschehen?

Trotz des dunklen Himmels ließ sich die Umgebung geradezu abartig gut ausmachen. Tai erschien plötzlich alles bunter und greller, aber genau diese Intensität der Farben war es, die den Sand, seine Freunde und ihre Digimon unnatürlich und falsch erscheinen ließ. Als wäre etwas in der Natur aus den Fugen geraten, das sich auf natürliche Weise nicht mehr einrenken konnte …

Airdramon, Stingmon und der DigimonKaiser schwebten plötzlich direkt neben Tai und betrachteten das Schauspiel. „Was hast du angerichtet?“, schrie Tai ihm zu. Er konnte wieder etwas hören.

Mit starrem Blick beobachtete der Kaiser das Spektakel. Vielleicht wäre er nun leichte Beute gewesen – doch ein Donnerschlag riss Tais Aufmerksamkeit von ihm fort. Immer neue Blitze sprangen vom Himmel auf den Schattenwürfel – oder war es umgekehrt? War es nicht dieses Ding, das Kugelblitze auf die Wolken überspringen ließ?

Etwas geschah damit. Die Elektrizität schmolz Risse in die Oberfläche – wie das vonstattenging, konnte Tai hinterher gar nicht mehr sagen. Das düstere Licht sank irgendwie darin ein, und es war kaum zu sagen, wann sie verschmolzen waren. Dann waberte das Ding wie ein Turm aus Gewitterwolken, ballte sich noch einmal zusammen – und ein neuerlicher Windstoß, viel heftiger als alle anderen zuvor, riss die DigiRitter mit sich. Tais eigener Schrei gellte in seinen Ohren, als die Welt Purzelbäume schlug. Er verlor den Halt, rauschte davon in finsterer Kühle, überschlug sich und tauchte irgendwann in eine Sanddüne.

Der Sturz raubte ihm fast das Bewusstsein. Sand drang in seine Nase und seinen Mund, kratzte in seinem Hals und stahl ihm den Atem, juckte auf seiner Haut. Hustend und würgend kämpfte Tai sich daraus hervor, zwang sich, das brennende Auge zu öffnen.

Das schwarze Gebilde hatte sich verwandelt. Tai erblickte ein schreckliches Ungetüm.

 

 

Sie waren allesamt irgendwo in der Wüste abgestürzt. MetallGarurumon war neben ihm, und Matt wollte sich vergewissern, dass seinen Kameraden nichts geschehen war, doch er konnte den Blick nicht von dem Monstrum abwenden, das unter dem wolkenverhangenen Himmel erschienen war.

Das Digimon war riesig. Es hatte weder Arme noch Beine; aus seinem Rumpf wuchsen blütenförmig Panzerplatten, dick wie Felsen, darunter züngelten Abermillionen schwarz glänzender Haare, dick wie Tentakel. Die Taille war dünn und ebenfalls behaart, der Oberkörper breit und riesenhaft und wiederum von einem hellen Panzer geschützt. Die größten Platten überzogen die Schultern, verziert mit dunklen Flecken, und reflektierten das Licht der Blitze. Dort, wo man die Oberarme vermuten würde, wuchsen nur weitere Stränge wirbelnder, zappelnder Haare. Der Kopf war winzig im Vergleich zu dem übrigen Körper und insektenähnlich, zwei lange Fühler ragten daraus hervor.

Matt brauchte ewig, um alle Einzelheiten zu erkennen. Immer wieder flackerte das Digimon vor seinen Augen, als könnte es sich nur mühsam in dieser Welt halten – aber Matt wusste, dass das ein Irrtum war. Es war die Welt, die instabil geworden war. Rings um die DigiWelt bog sich die Wirklichkeit – nein, sie zerriss! Wie die Blitze von vorhin ästelten sich Risse durch den Himmel und die Wüste, zuckend und sich immer wieder neu bildend, und direkt unter dem Digimon schien etwas anderes aufgetaucht zu sein, eine Mischung aus schwarzem Schlick und Metall und kriechenden Schatten, die vielleicht Lebewesen waren – dafür war an der Stelle die Wüste verschwunden.

Er bemerkte, dass er schrie. Matt schrie sich die Seele aus dem Leib, genau wie die anderen. Kalte Finger schienen nach ihm zu greifen und sein Herz zu zerdrücken. Es war ein Gefühl, das blanke Panik in ihnen auslöste. Als ob etwas Böses, Abscheuliches in sie eindrang und sie von innen heraus veränderte, verdrehte …

Der DigimonKaiser, der Krieg, all das war plötzlich klein und unwichtig. Matt wusste nur eines instinktiv: Dieses Wesen gehörte nicht in die DigiWelt. Es musste zerstört werden, um jeden Preis, oder etwas Furchtbares würde geschehen …

Rapidmon war das Erste, das das neu entstandene Digimon angriff. Es sauste los, ein winziger, goldener Funken vor dem Ungetüm, dessen Größe alles in den Schatten stellte, was Matt je gesehen hatte. Seine Raketen waren noch winziger, und sie erreichten den haarigen Körper erst gar nicht. Sie schienen einfach zu verschwinden, oder sie explodierten schon vorher in den meterbreiten Rissen, die wabernd den Himmel durchzogen.

„Ich helfe dir!“ Magnamon zog wie ein heller Streifen Morgenlicht über den geschwärzten Himmelsbogen. Auch wenn alles verfinstert war, die Sonne selbst schien ihre ganze Hoffnung in das Digimon zu setzen, so hell leuchtete seine Panzerung auf. Magnamon breitete die Arme aus und versank in einer golden glühenden Kugel, blendend hell und beruhigend in der kalten Dunkelheit. Es war ein Schwall puren Lichts, der auf das Digimon zuschoss. Auch davon tranken die Risse, doch genug erreichte den Körper des Ungeheuers.

Wenn Magnamon die Sonne war, dann war das andere Digimon eine absolute Sonnenfinsternis. Der Lichtstrahl traf es in der Brust, Gold kletterte über seinen Panzer, seinen ungeschützten Rumpf – und verglühte. Als die Schatten zurückkehrten, schienen sie noch finsterer als zuvor.

„Was ist los?“, hörte Matt Davis auf einer Düne rufen. „Hat es nicht gewirkt?“

Erstmals bewegte sich das Untier. Sein Kopf ruckte träge hin und her, schien die beiden goldenen Digimon zu bemerken. Und dann, plötzlich, ohne dass es etwas getan zu haben schien, krümmten die beiden sich wie unter Schmerzen.

„Magnamon! Was ist los?“ Davis stolperte eilig die Düne herunter.

Die beiden versuchten, sich in Sicherheit zu bringen. Das goldene Leuchten ihrer Rüstungen wurde schwächer – und irgendwann war es ganz verschwunden. Zwei winzige Digimon fielen in den Sand, nicht weit von Matt entfernt.

„Chibomon!“, rief Davis. Er und Willis eilten zu ihren Partnern.

Das Digimon, das Veemon kaum mehr ähnlich sah, schlug träge die Augen auf, als er es hochhob. „Es tut mir leid, Davis“, hauchte es. „Ich hatte plötzlich überhaupt keine Kraft mehr …“ Es schien einzuschlafen.

„Was? Chibomon! Nicht – bleib wach!“, rief Davis, während Willis nur ausdruckslos auf seinen bewusstlosen Partner starrte. Lopmon auf seiner Schulter sah aus, als würde es gleich in Tränen ausbrechen.

„Was ist das für ein Ding?“, rief Matt entsetzt und starrte das Untier an, das sich immer noch kaum geregt hatte. Seine Stimme zitterte.

„Matt! Davis!“ Tai kam angelaufen, stapfte durch den Sand. Ernst begegnete er Matts Blick. „Sie sind zurückdigitiert?“

„Ich weiß nicht, ob wir dieses Ding besiegen können“, murmelte Willis.

„Sei nicht so pessimistisch, es muss einen Weg geben“, herrschte ihn Tai an.

„Und welchen?“, rief Matt herausfordernd. Die Worte brachen einfach aus ihm hervor. „Selbst eine so starke Attacke konnte ihm nichts anhaben!“

„Wir haben noch WarGreymon und MetallGarurumon“, erinnerte ihn Tai. „Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben! Oder willst du feige den Schwanz einkneifen, ohne es versucht zu haben?“

Matt biss die Zähne zusammen und ballte die Fäuste. Das Untier flößte ihm Angst ein. Gewaltige Angst. Seine bloße Präsenz ließ ihn erschauern. Ihnen allen musste es so gehen. Aber Tai schien seine Furcht in Wut umzuwandeln – und Entschlossenheit. „Du bist ein beeindruckender Kerl“, murmelte Matt zähneknirschend.

„Was?“

„Wenn du Mimi damals geheiratet hättest, wäre sicher alles anders gekommen. Du hättest es besser gemacht als ich. Du bist der Drachenkönig, der die Hauptverantwortung in diesem Krieg trägt. Und du trägst sie mit Recht.“

Tai starrte ihn an. „Und du bist ein Idiot“, sagte er trocken.

Nun hob Matt verwirrt die Augenbrauen. Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit so etwas.

„Du bist ein Idiot!“, wiederholte Tai. „Von wegen, besser gemacht. Ich dachte, du bist arrogant. Seit wann blickst du derart zu mir auf? Was habe ich schon geleistet? Ich habe mich fangen lassen, ich war unfähig zu kämpfen, während du mein Reich verteidigt hast. Verdammt, die anderen haben mir erzählt, wie dich MetallPhantomon fast aufgespießt hat, und trotzdem stehst du hier und kämpfst noch immer!“

Matt wollte etwas entgegnen, doch er klappte sprachlos den Mund wieder zu. Verblüfft starrte er Tai an, dann verzogen sich seine Lippen wie von allein zu einem Lächeln. Tai grinste, und plötzlich brachen sie beide in Gelächter aus.

„Seid ihr noch bei Trost?“, rief Willis aufgebracht. „Was ist so lustig?“

Matt grinste schief. „Wir hätten uns vielleicht nicht von Anfang an streiten sollen. Vielleicht hätten wir dann mehr erreicht.“

„Du sagst es“, meinte Tai. „Das war hirnlose Rivalität.“ Er hielt ihm die Hand hin. „Gemeinsam gegen dieses Ding?“

„Gemeinsam.“ Matt schlug ein.

Und ihre Digimon digitierten.

MetallGarurumon und WarGreymon schienen zu schrumpfen, bis nur noch ihre Helme übrig waren. Gleißendes Licht wuchs daraus hervor, bildete einen Körper, der die Helme wie als Handschuhe trug. Ein wallender Umhang floss von seinen Schultern, als ein herrschaftliches Digimon unter dem finsteren Himmel aufgetaucht war.

Mit offenen Mündern starrten Matt und Tai ihm nach, als es sich in den Kampf stürzte.

 

 

„Omnimon“, murmelte Ken, als er das Digimon sah. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie in dieser Welt auch verschmelzen können.“

Als sein neues Schwarzturmdigimon vollendet gewesen war, war er wie erstarrt gewesen. Doch als seine Glieder sich nicht mehr bewegen ließen, hatten sich endlich seine Gedanken wieder zu drehen begonnen. Er fühlte wieder etwas, und wenn es nur blanke Angst war.

Du hast dich nicht an unsere Regeln gehalten Ken“, sagte Deemon. „Diese Türme waren für mich bestimmt.

Und was willst du dagegen tun? Es war eine Notfallmaßnahme. Morgen baue ich dir dafür die dreifache Menge. Wenn ich dann noch lebe. Das Versprechen fiel ihm leicht. Morgen würde vielleicht schon alles vorbei sein. Was sagst du zu meinem neuen Digimon? Hat dich mein Zug überrascht?

Er war nicht übel“, sagte Deemon nach einer Weile, die allein schon seine Überraschung bekundete. „Ein Digimon jenseits des Mega-Levels, das nicht existieren dürfte. Arkadimon.

Arkadimon. Ken hatte nicht gewusst, wie er es nennen sollte. Er hätte nicht gedacht, dass so ein Ding überhaupt einen Namen hatte. Ob es auch eine Seele hat?

„Was sollen wir machen, Ken?“, fragte Stingmon neben ihm.

„Wir fliehen“, sagte er. „Wir müssen Arukenimon und Mummymon finden. Obwohl ich nicht glaube, dass wir dieses Untier kontrollieren können.“

Stingmon hob ihn hoch, gerade als Omnimon sich mit einer Wucht, die man in dieser Version der DigiWelt noch nie gesehen hatte, auf seinen Feind warf.

Arkadimon schien es als Gegner anzuerkennen, denn endlich bewegte es sich. Seine Haar-Tentakel wallten auf und schossen ihm wie Speere entgegen. Mit einem Streich seines Schwertes verschaffte Omnimon sich wieder Luft. Die gekappten Haare wuchsen sofort nach. Als das Ritterdigimon ihm so nahe kam, flackerte auch sein Körper, als sähe man es nur durch eine Luftspiegelung. Ken wusste, woher das kam. BlackWarGreymon hatte damals die Phasen in Bewegung gebracht. Arkadimon riss sie gewaltsam auseinander. Die Schatten, die in den flimmernden Rissen auftauchten, mussten Wesen und Dinge aus anderen Welten sein, die sich vielleicht in der DigiWelt manifestieren würden, wenn die Risse durch die Phasenverschiebung nicht selbst so gebeutelt werden würden.

Das Ritterdigimon hob den rechten Arm. In Garurumons Helm erschien ein Kanonenrohr, und es schoss mehrere Lichtkugeln auf Arkadimons Körper ab. Sie zerplatzten wirkungslos an dessen Panzerung, zerfetzten allerdings seinen haarigen Unterkörper.

„Meinst du, sie haben eine Chance?“, fragte Stingmon.

„Ich weiß nicht.“ Kens eigene Kreation flößte ihm Angst ein. Kalte Panik war seinen Hals empor gekrochen, kaum dass die Türme sich vereint hatten. Es war keine rationale Furcht, sondern etwas, das allein Arkadimons Existenz auslöste. „Ich habe nichts dagegen, wenn sie es besiegen“, hörte er sich sagen.

 

 

Tai brüllte aus Leibeskräften, als er ihr gemeinsames Digimon anfeuerte. Matt blieb stumm, und Willis und Davis blickten ihm nur ehrfürchtig nach. Omnimon umkreiste das Ungeheuer, nicht mit der Geschwindigkeit Rapidmons, dafür eleganter. Sein Schwert zerhackte Haarstränge, riss Funken aus dem Insektenpanzer. Immer wieder musste es plötzlich die Richtung ändern, als direkt vor ihm diese merkwürdigen Risse erschienen, und einmal wurde es halb verschluckt, flimmerte, wurde dann aber wieder sichtbar.

Als seine Kanone ein Loch in die Taille des Wesens stanzte, schrien die DigiRitter erfreut auf – doch im nächsten Moment wuchsen die Haare nach und vereinten seine beiden Körperhälften wieder. „Mist“, fluchte Tai.

„Sie dürfen nicht nachgeben“, sagte Matt. „Es muss irgendwo einen wunden Punkt haben!“

Omnimon versuchte es als Nächstes beim Kopf des Untiers. Mit wehendem Mantel flog es in die Höhe, prachtvoll trotzdem die Dunkelheit an seinen Umrissen zerrte. Zappelnde Tentakel griffen nach ihm, doch mit kunstvollen Schwertschwüngen hackte es sich den Weg frei.

Dann war es mit dem Wesen auf einer Augenhöhe und gab einen Schuss ab, größer als alle zuvor.

Die verwaschene Lichtkugel ließ Tai nicht genau erkennen, was passierte, doch irgendwie verglomm sie wirkungslos – und im nächsten Moment stieß Omnimon einen markdurchdringenden, zweistimmigen Schrei aus. Es sah aus, als würde es in der Mitte auseinandergerissen; sein Körper verschwand im Licht der Digitation. MetallGarurumon und WarGreymon blieben übrig, wurden von dem Wesen fortgeweht und wie zuvor die Goldenen wurden sie wieder zu Babydigimon und stürzten über der Wüste ab. Sie landeten knapp außerhalb des schwarzen Abgrunds, der sich unter dem Monster aufgetan hatte.

Die DigiRitter erstarrten betroffen. Omnimon war auch nicht stark genug? „Lopmon, hol sie da raus“, murmelte Willis mit belegter Stimme. Sein verbleibendes Digimon digitierte zweimal, bis es eine Art großer Hase war, der mit kräftigen Beinen durch die Wüste rannte, direkt auf das finstere Digimon zu.

„Wir sind erledigt“, murmelte Davis, als das unbezwingbare Wesen den Kopf in ihre Richtung drehte.

 

 

Man sah gar nicht, dass Arkadimon angriff. Man sah nur die Auswirkungen. Ken und Stingmon flogen auf die Festung zu, um die sich noch einige Schwarzturmdigimon tummelten. Außerdem erkannte er einen ganzen Schwarm Megadramon, die von Osten her seine Verteidiger angriff. Das musste Tais Drachenstaffel sein, von der er gehört hatte. Offenbar vermissten sie ihren Anführer und handelten sie auf eigene Faust – oder der Kampf in der Wüste hatte sie angelockt. Sie umkreisten und bombardierten die Festung, als an der Stelle plötzlich eine blendend weiße Kugel auftauchte, sich vergrößerte, bis sie den ganzen Festungskorpus verschluckt hatte – und dann verschwand. Ken sah für den Bruchteil einer Sekunde noch die Umrisse der Festung, dann wurde sie auf einen Schlag in Datenmüll verwandelt, der in den Himmel davontrieb. Von den Megadramon war keine Spur mehr zu sehen.

Ken hielt den Atem an. Das war also die Macht dieses Scheusals … „Ken!“, rief Stingmon. „Cody und die internationalen DigiRitter waren noch in der Festung!“

Die Worte trafen ihn wie ein Schlag. Was habe ich getan?

 

 

Das hasenartige Antylamon brachte Botamon und Punimon zu den DigiRittern und reichte ihnen dann die Hand. Willis war der Erste, der aufsprang und auf seine Schulter kletterte. „Kommt schon“, rief er. „Sagt mir nicht, dass ich Antylamon gegen diese Biest schicken soll! Das ist Wahnsinn! Machen wir lieber, das wir hier fortkommen!“

Selbst Davis hatte nichts gegen eine Flucht einzuwenden. Noch hatte das Digimon sie nicht angegriffen – dafür war urplötzlich die Festung in der Ferne explodiert. Er zweifelte nicht daran, dass dieses Untier dafür verantwortlich war. Es war viel zu stark. In der ganzen DigiWelt konnte es kein Digimon geben, das es mit ihm aufnehmen konnte!

Er ergriff Willis‘ Arm und ließ sich von ihm auf Antylamon ziehen. Als auch die anderen mit bitterer Miene aufgestiegen waren, rannte das Digimon in die Wüste davon.

 

 

„Hier lang, schneller!“, keuchte Cody und stolperte über Felsen und durch Sand. Er und Armadillomon führten die anderen Menschen. Als er die Gewitterwolken im Westen gesehen hatte, hatte er gewusst, dass das nichts Gutes bedeuten konnte. Da die Festung ohnehin infiltriert worden war, hatte er instinktiv beschlossen, die Schützlinge seines Kaisers anderswo unterzubringen.

Diese Entscheidung hatte ihnen allen das Leben gerettet, wie es aussah. Sie waren noch nicht weit gekommen, als hinter ihnen plötzlich eine gewaltige Lichtkuppel aufragte und die Festung einfach zu existieren aufhörte. Nun waren sie auf dem Weg zum Meer. Cody wusste nicht, wohin sie fliehen sollten, doch was immer den gewaltigen Felsen zerstört hatte, konnte ihnen auf den Fersen sein.

Selbst Nadine war ohne Murren mit ihm gekommen. Bisher hatte die Schwarze Rose keine Gefahr wirklich ernst genommen, aber vor dem Schrecken, der sich irgendwo in der Wüste befand, schien selbst sie plötzlich Angst zu haben. Cody hörte sie murmeln, während sie über Felsen und Dünen kletterten: „Ich werde nicht sterben. Ich werde ihm zeigen, dass ich überlebe.“

Sie kamen an mehreren Linien von reglosen Schwarzturmdigimon vorbei. Vor ihnen sollte eigentlich längst die Sonne aufgehen, aber der Himmel war bis zum Horizont pechschwarz. Was ging hier nur vor?

 

 

Ken fand Oikawa und sein Digimon vor dem Krater sitzend, der einst die Festung gewesen war. Wobei Krater das falsche Wort war: Viel eher war es ein Loch, das bis zum Mittelpunkt der Welt zu reichen schien. An seinen Rändern flimmerte es, wo die Phasen instabil geworden waren. Jeder, der hineinklettern würde, würde entweder in tausend kleine Stücke zerrissen werden oder eine Welt der Finsternis betreten, das wusste Ken.

„Weißt du, was mit Cody und den internationalen DigiRittern ist?“, fragte Ken, als Stingmon ihn absetzte und erschöpft zu Wormmon zurückdigitierte.

Oikawa schüttelte den Kopf. Er sprach seine Vorwürfe nicht aus, doch Ken las sie in seinem Blick. Ken versuchte, ihn zu ignorieren, und betrachtete die Zerstörung. Sie war vollkommen. Nichts war mehr übrig, absolut nichts. Vernichtet von einer Attacke, die man nicht einmal gesehen hatte.

Er drehte sich um und sah Arkadimons massige Gestalt gen Norden schweben, langsam, aber seine Größte mochte seine Geschwindigkeit Lügen strafen. „Wohin will es wohl?“, murmelte er.

„Ich glaube, es sucht nach etwas“, sagte Arukenimon, das eben auf Airdramon zu ihnen stieß. Hinter ihm lag Mummymon, das wohl seit geraumer Zeit bewusstlos war. „Du liebe Zeit …“ Selbst Arukenimon fand keine Worte, um die Zerstörung hier zu beschreiben.

„Und was kann es suchen?“, fragte Oikawa düster.

„Keine Ahnung. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, starke Gegner.“

„Nein“, murmelte Ken. „Es ist nicht wie BlackWarGreymon oder Megidramon. Es ist völlig anders, das spüre ich. Es hat sicher keine Seele, vielleicht nicht einmal ein Bewusstsein. Es ist Fleisch gewordene Dunkelheit, sonst nichts.“

„Ach ja? Und da bist du dir sicher?“, fragte Arukenimon.

„Nein“, gab er zu. „Es ist nur so ein Gefühl. Es lebt nicht wirklich. Aber ich glaube, es sucht nach Leben. Omnimon hat gegen es verloren, dann kam die Festung dran, und daraufhin hat es sich in Bewegung gesetzt. Die Schwarzturm-Digimon scheint es gar nicht zu bemerkten, wahrscheinlich, weil sie anorganisch sind. Nicht mehr als Türme mit Beinen. Und außerdem hält es auf die Arkadenstadt zu. Dort gibt es eine große Menge an Leben – vermutlich wird es davon angezogen. Um es zu vernichten.“ Schon sein letztes Monster hatte damals die Arkadenstadt zerstört … Ken schüttelte den Gedanken ab. „Kommt“, sagte er und stieg auf den Rücken des Airdramons. „Hier ist nichts mehr zu holen.“

„Und wohin willst du?“, fragte Oikawa grimmig.

„Zur File-Insel“, sagte Ken. „Dort habe ich noch etwas Granulat gebunkert. Es sollte reichen.“ Er tastete nach seinem Connector. Das Gerät funktionierte offenbar noch.

„Ken … Willst du etwa noch so ein Digimon erschaffen?“, fragte Wormmon ängstlich.

„Nein. Ich erkläre es euch unterwegs. Steigt auf.“

Oikawa blieb, wo er war. „Ich fürchte, ich habe einen Fehler gemacht“, murmelte er.

„Diese ganze Welt ist ein Fehler.“

Yukio schüttelte den Kopf. „Ich kann dir nicht länger folgen. Tut mir leid.“ Er hielt Lalamon fest im Arm.

Ken sah ihm in die Augen und zog grimmig die Brauen zusammen. „Du hast die Wahl zwischen Arkadimon und mir. Entscheide dich.“

 

 

Auf der ganzen Breite des Gebirgszuges wurde gekämpft, und eine so heftige Schlacht hatte Yolei noch nie erlebt. Die Nordarmee und die Schwarzturmtruppen des DigimonKaisers – die beiden Heere hatten sich längst vermischt wie zwei Flüssigkeiten, die sich nicht vollständig ineinander auflösen konnten. Yolei konnte nicht mehr sagen, wer auf der Siegerstraße war. Sie rannte nur zwischen Wach- und Schützentürmen, Zelten und Bunkern aus Bambus hin und her, floh vor starken Digimon, stürzte sich mit ihrem Degen selbst auf Schwächere, ließ Aquilamon mittelstarke erledigen. Es war wie ein Rausch, aber das war gut so, denn es hinderte sie am Denken.

Überall flogen Attacken und Datensplitter herum, Schreie und Explosionen gellten, und Yolei verließ sich nur auf ihre Instinkte, die sie ausweichen ließen, wenn es auszuweichen galt, und zuschlagen ließen, wenn sich die Gelegenheit bot. Wo die anderen DigiRitter waren, konnte sie nicht sagen. Sie hoffte, dass Izzy in seinem Kommandozelt hinter den Linien noch den Überblick hatte. Und dass Tai und die anderen bald auftauchten und das Ende ihres Feindes verkündeten.

Als die Digimon aus dem Nördlichen Königreich plötzlich Jubelschreie ausstießen, glaubte sie schon, dass Letzteres eingetroffen war. Dann erkannte sie jedoch den wahren Grund für ihre Freude: Die Schwarzturmdigimon flohen. Einige hatten ihr Digimon-Äußeres bereits weitgehend verloren und waren nur noch verformte, schwarze Hüllen, weswegen Yolei sie und ihre Verbündeten gut auseinanderhalten konnte.

Sie ließ den Degen sinken und rutschte an dem Bambusturm hinter ihr zu Boden. „Haben wir es geschafft?“, fragte sie ungläubig. Schweißnass klebte ihr die Uniform am Leib. Sie fröstelte; diese Nacht war besonders kalt.

„Hinterher!“, brüllte jemand. Tatsächlich verfolgten viele Soldaten die Turmdigimon, die sich nicht einmal wehrten, als man ihnen Attacken nachschleuderte. Als würde Tinte von einem Schwamm aufgesogen, verschwanden die dunklen Flecken aus dem verschlungenen Mosaik von Digimon-Körpern.

„Sofort alle zurück!“

Yolei fuhr herum. Izzy kam angelaufen, völlig außer Atem, die Wangen gerötet. Dass er aus seinem Zelt herausrannte, bedeutete nichts Gutes. „Wir müssen sofort abrücken!“, keuchte er. „Willis … Die anderen …“

Er schien Yolei gar nicht zu bemerken und machte Anstalten, an ihr vorbeizulaufen. Sie hielt ihn an den Schultern fest. Das Feuer der Schlacht rauschte noch in ihren Adern. „Was? Was ist los, Izzy?“

Schwer atmend sah er sie an, seine Augen geweitet. Fackelschein ließ sein bleiches Gesicht glänzen wie Wachs. „Willis hat mich eben kontaktiert“, berichtete er. „Wir müssen abrücken … nach Norden! Dort ist ein schreckliches Digimon aufgetaucht, Little Edo ist in Gefahr! Wir müssen ihnen helfen zu fliehen!

Yolei stockte der Atem. Fliehen? Sie hatten immer noch ein schlagkräftiges Heer, und sie sollten fliehen? Doch Izzy schien es ernst zu meinen, und plötzlich merkte sie wieder, wie kalt es war. Zu kalt. Irgendetwas stimmte nicht. „Aber … was für ein Digimon kann das sein? Warum bist du so verängstigt? Was ist mit den anderen?“

„Yolei, ist es dir noch nicht aufgefallen?“, fragte er, anstatt zu antworten.

„Was denn?“

„Es müsste längst Morgen sein.“

„Tatsächlich?“ In der Schlacht hatte sie jedes Zeitgefühl verloren. Ihren schmerzenden Muskeln nach zu urteilen, konnten sie auch zwei Jahre gekämpft haben. Plötzlich begriff sie, warum ihr diese Nacht so seltsam vorkam. „Wenn es schon Morgen ist, wo ist dann die Sonne?“ Auch die Sterne waren verschwunden.

Izzy sah sie nur grimmig an. Und plötzlich bekam Yolei Angst um Mimi und Michael, die in Little Edo geblieben waren.

 
 

The age of Shadows has begun

I won’t accept what we’ve become

We stand to lose more than we’ve won

The age of Shadows has begun

(Ayreon – Age of Shadows)
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe neulich geträumt, New Reign wäre abgeschlossen. Naja, drei Kapitel noch, dann ist es so weit!
Hier übrigens ein Bild von der entsprechenden Version von Arkadimon. Ich baue das Vieh irgendwie gern ein, fällt mir auf. Aber immerhin ist es das erste Mal auf diesem Level^^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Juju
2018-07-02T10:00:22+00:00 02.07.2018 12:00
Der erste Satz dieses Kapitels gefällt mir am besten. xD Go T.K.! Ich bin ganz deiner Meinung. Wäre ich da, würde ich dir auf der Stelle aus dem Schrank helfen. Ist schon irgendwie traurig und witzig zugleich, eingesperrt im Schrank. :'D
Okay, also kein Ritterdigimon, sondern Arkadimon. O_O Da wäre ich jetzt nicht drauf gekommen, aber die Idee ist natürlich super. Und das Vieh ist ja auch echt unheimlich und... naja einfach mega. Viel zu stark. :D Hast du etwa auch Cyber Sleuth gespielt?
Dass Magnamon und Rapidmon keine Chance gegen es haben, war mir irgendwie klar. Und dann kam Omegamon (Tai und Matt sind aber auch zu süß :D) und ich dachte so: Yay, jetzt gehts ab! Aber nee, es konnte ja gar nichts ausrichten. Der ganze Schaden, den es verursacht hat, wurde ja sofort geheilt. O.o Und das Vieh ist schon echt krass. Ich finde, du hast es wieder mal super dargestellt, so als die große Zerstörung der DigiWelt. Und mit einem Schlag zerstört es einfach mal die Festung des DigimonKaisers. Als Ken realisert hat, dass Cody da noch drin war, habe ich auch erst mal einen Schock gekriegt. Aber irgendwie dachte ich mir schon: Nee, das glaube ich nicht. Und siehe da, Cody ist mit den ganzen anderen schon abgehauen. Ein Glück.
Und Ken fliegt jetzt zur File-Insel. Ich bin mal gespannt, was er jetzt vorhat. Und was überhaupt sein Plan mit Arkadimon ist. Hofft er, dass es keinen seiner Freunde killt? Ganz schön optimistisch.
Und ich gehe jetzt noch mal zu Kapitel 19... xD
Antwort von:  UrrSharrador
04.07.2018 22:54
Und hier mal wieder danke!
Hm, ich weiß nicht, warum, aber ich erinnere mich gerade an ein gewisses Tai-im-Schrank-Kapitel von dir xD
Nein, Cyber Sleuth kenne ich nicht. Kommt das da auch vor? Ich habe es aus dem V-Tamer-Manga^^ Wo es auf Rookie so stark wie ein Ultra war oder so. Also weiß nicht, ob das in Cyber Sleuth auch so ist, aber das ist einfach ein klasse OP-Digimon :D
Stimmt schon, Ken geht eigentlich schon ein ziemliches Risiko ein^^
Antwort von:  Juju
06.07.2018 10:44
Stimmt, bei mir war es Tai, der in den Schrank gesperrt wurde. :D
Jaaaaa. Also ich bin ja überhaupt nicht so der Zockermensch, aber dann hatten wir hier eine PS4 und dann dachte ich, ein Spiel muss ich mir doch auch mal dafür holen. Und dann kam Cyber Sleuth in Deutschland raus und aaaahhhh es ist wie Pokemon, nur mit Digimon! *_* Und ja, Arkadimon kommt da vor und ist auch sehr stark. Wusste gar nicht, dass das noch woanders auftaucht. xD
Von:  EL-CK
2017-11-12T08:39:18+00:00 12.11.2017 09:39
Ich wusste doch, dass mir das Vieh iwie bekannt vor kam.... Das Kapitel war mal wieder genial... Und trotz all dem Chaos hab ich immer noch etwas Hoffnung für die Digiwelt....


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