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Fachidiot

Die Schmieden von Dravasuum
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier beginnt unser erstes Abenteuer.
Es erzählt von der jungen Ellydre Lillaraya die sich in das Heiligtum ihres Volkes schleicht und den Stab Morendras um einen Gefallen bittet.
Vielleicht hätte sie ihren Wunsch etwas genauer aussprechen sollen, vielleicht hat aber auch Morendras seinen eigenen Willen.
Ihre Leibwache Xii begleitet sie auf ihrer Reise in eine Ferne Welt, wo sie auf einen eigenwilligen Menschen mit dem Namen Philipp stoßen.

Viel Spaß beim lesen,
Das Rotquäppchen Komplett anzeigen

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Prolog

Langsam und vorsichtig schoben sich ihre Füße über den glatten Steinboden, bedacht keinen Ton von sich zu geben nachdem sie sich an den Wachen vorbei geschlichen hatten.

Die letzte Pforte war passiert und ihr Ziel war am anderen Ende der riesigen Halle zu erkennen.

Zu beiden Seiten reihten sich Sturmeichen wie stille Bewacher auf.

Hastig warf eine der beiden Gestalten einen Blick über ihre Schulter während sie auf der Linken Seite der Halle zu dem ersten Stamm huschte.

Der anderen Stockte ein jedes Mal der Atem wenn sie diesen Ort betrat.

Das Rauschen der Eichenblätter über ihnen drang an ihr Ohr wie ein Flüstern, vertraut und doch nicht verständlich. Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen als sie den Schutz des Stammes verließ hinter dem sie in Deckung gegangen waren. Das leise Zischen ihrer Begleitung ignorierte sie.

Es war sowieso ein Wunder das sie niemand gesehen hatte, unauffällig war ihre Gestalt trotz des Umhanges in den sie sich gewickelt hatte nicht.

Langes Haar, türkis wie das Wasser des Tarmarellsees, fiel weit an ihrem Rücken hinab.

Am Rand ihrer Stirn, oberhalb ihrer Schläfen, wuchsen zwei kahle Äste nach hinten die sich in viele Zweige teilten. Ihr machte die Last nichts aus, nur wenn sie schlief und das Gleichgewicht verlor weil ein unverschämter Vogel sich darauf nieder ließ, murrte sie. Dann wünschte sie sich ihre Äste hin und wieder einmal weg.

Sie trat in das frühe Licht des Morgens das durch das Geäst, und die hohen Fenster zu allen Seiten einfiel.

Ihre tiefgrünen Augen hefteten sich auf das Ziel am Ende der Halle.

Die riesigen Steinfliesen waren aufgebrochen und aus ihnen drang der Stamm einer Sturmeiche die sehr alt geworden sein musste bevor sie ihr Leben ließ. Der Stamm war doppelt so groß wie derer die vor ihr in Reihe und Glied standen.

Genau in dessen Mitte ruhte ein Stab, vollkommen gerade dem Himmel entgegen, als hätte man ihn feste in die Überreste der Eiche gerammt.

Sein Holz war dunkel und knorrig, weiter oben gabelte er sich, formte einem schmalen Bogen dessen Enden sich an der Spitze wieder trafen um eng verschlungen erneut zusammenzufinden.

Das Gebilde schraubte sich ein kleines Stück abwärts, in seinem Ende ruhte ein ovaler Stein.

Neugierige Augen taxierten den Stab als ihre Füße vor dem Stamm zum Stillstand kamen, ihre Begleitung huschte noch immer leise fluchend voran während sie sich immer wieder hinter den Sturmeichen versteckte und nervös zu der sich entfernenden Pforte in ihrem Rücken blickte.

„Da ist er... der Stab Morendras. Er soll jeden Herzenswunsch erfüllen.“

Leise flüsterte die junge Frau mit den Ästen auf dem Haupt die Worte mehr zu sich selbst.

Vorsichtig griff sie nach dem Stab und zog ihn mühelos aus der kleinen Kuhle, in der er geruht hatte.

Erst jetzt bemerkte sie all die kleinen Bernsteine die hier und da zwischen dem knorrigen Holz hervor lugten.

Aber keiner war so klar wie der in der Mitte.

„Wir sollten das nicht tun Lilly...“ zischte die Stimme dicht hinter ihr.

Grinsend drehte sie sich mit dem Stab in der Hand um und blickte ihre Begleiterin, ihre Leibwache, und beste Freundin an. Ihr gesamter Körper war durch einen dunklen Umhang verhüllt, doch sie musste ihr Gesicht nicht sehen um den strengen, mahnenden Blick unter der Kapuze zu erahnen.

„Xii! Vertrau mir! Du musst dich nicht unbehaglich fühlen. Ich habe alles durchdacht!“

„Ich vertraue euch, genau das bereitet mir ja Unbehagen...“

Schmunzelnd betrachtete sie wieder den Stab in ihren Händen und holte tief Luft. Ihre Züge wurden ernster als sie Xii den Rücken wieder zuwendete.

„Bitte Morendras... ich muss es wissen. Sind sie wirklich alle gleich?“

Langsam, mit klopfendem Herzen hob sie den Stab mit beiden Händen über den Kopf und atmete tief durch.

Die Ranken die ihre Körper von den Händen bis zu den Ellenbogen und von den Füßen bis zu ihren Knien zierten, schnürten sich enger um sie.

Mit erhobener Stimme und neu gefundenem Mut starrte sie in den klaren Bernstein.

„Zeige mir die Menschen! Bringe mich fort von hier!“

Feste Hände packten sie an ihrem Umhang und rissen sie ein Stück nach hinten, doch sie merkte es bereits. Die Magie.

Sie kribbelte in ihren Händen und suchte sich ihren Weg den ganzen Körper entlang. Der Stein in der Mitte des Stabes begann zu schimmern und kleine leuchtende Partikel sammelten sich um ihn. Der Anblick erinnerte sie an kleine Glühwürmchen.

„Hört auf damit Lilly! Was tut ihr denn da! So war das nicht abgemacht!“

Wütend verkrampften sich die Hände die ihren Umhang gepackt hatten zu Fäusten.

„Ihr wolltet ihn euch nur ansehen!“

Mit einem entschuldigenden Lächelnd drehte Lilly sich um und zuckte mit den Schultern.

„Kleine Änderung meines Vorhabens... entschuldige bitte.“

Gerade als sie noch etwas sagen wollte spürte sie wie sich die Magie des Stabes entlud. Ein Gefühl von Freude überkam sie, es hatte funktioniert, sie hatte ihren Herzenswunsch geäußert und die Magie hatte sie erhört.

Der Boden schwand unter ihren Füßen und die Welt um sie herum verblasste bis nichts als Finsternis sie einhüllte. Ihr Herz drohte vor Aufregung in ihrer Brust zu zerspringen, doch noch bevor sie das Hochgefühl ihres eigenen Triumphs genießen konnte, verließ die Magie sie mit einem schmerzhaften Ruck der ihre Sinne für den Bruchteil einer Sekunde benebelte. Dann passierte alles ganz schnell.

Ein kalter Wind riss an ihr und sie starrte geradewegs in einen klaren Sternenhimmel bevor sie in die Tiefe stürzte. Sie geriet ins Taumeln und stieß einen gellenden Schrei in die Nacht aus, vor Schreck entglitt ihr Morendras aus den Fingern. Mit schreckgeweiteten Augen konnte sie erkennen wie der Stab seine Form veränderte.

Um sie herum nahm sie viele grelle Lichter wahr, seltsame Schatten in der Nacht von hohen Gebilden. Ihr Körper drehte sich im Fall und sie konnte sehen wie auch Xii unter ihr in die Finsternis stürzte und scheinbar schrumpfte.

Alles geschah nur in wenigen Sekunden und ließen ihr keine Gelegenheit einen klaren Gedanken zu fassen. Erst als die ersten Äste von Bäumen weg knickten reagierte sie.

In Gedanken bat sie die Bäume um Hilfe ihren Sturz abzufangen, aber es hatte nicht die gewünschte Reaktion. Die Bäume erhörten sie nicht.

Schmerzhaft brachen dickere Äste unter ihr weg als sie versuchte sich daran fest zu klammern.

Unter einem dumpfen Stöhnen empfing sie schließlich der weiche Waldboden. Jede Faser ihres Körpers schmerzte und die Welt um sie herum drehte sich. Ein leiser Klagelaut war alles was sie noch von sich geben konnte während sie in die raschelnden Äste hinauf blickte und eine erlösende Dunkelheit sie umfing.

Das letzte woran sie dachte waren die merkwürdigen Geräusche die sie wahr genommen hatte bevor das Rauschen in ihren Ohren alles übertönte.

Fremde Geräusche die sie nicht kannte und mit denen sie nichts anfangen konnte.
 

Von all dem was nur wenige Meter von seinem Zimmerfenster entfernt vor sich ging, bekam er nichts mit, obwohl er direkt daneben saß.

Nichts von dem Lichtblitz am Himmel, und wie in dessen Echo zwei Gestalten sichtbar wurden bevor sie in die Finsternis der Wälder tauchten.

Sein Blick war starr auf den Bildschirm vor sich geheftet der ihn schon vor Stunden in eine andere Welt entführt hatte.

Durch große, runde Kopfhörer die seine Ohren betäubten drangen Stimmen weit entfernter Menschen zu ihm durch und ließen ihn schmunzeln.

Er hämmerte auf die Tastatur vor sich und scherte sich nicht um das Chaos das in seinem Zimmer herrschte. Überall lagen Kleidungsstücke, leere Flaschen und seine Umhängetasche achtlos auf dem Boden verstreut. Bücher, Stifte und ein Schreibblock waren halb heraus gerutscht.

„So Leute. Bin off´, morgen Uni.“

Stille erfüllte das Zimmer mit dem schummrigen Licht das neben dem Bildschirm seine Schreibtischlampe spendete. Er rollte hinter den Gläsern, gefasst in ein schwarzes Gestell, das ihm ein höheres Seevermögen erlaubte, die Augen und seufzte unter einem amüsierten Zucken seines Mundwinkels.

„In Ordnung... Eines noch!“

Wieder hämmerte er in die Tasten und merkte nicht wie die Zeit verging.

Mit beiden Händen hielt der ziemlich wütende Ork eine barbarische Streitaxt vor seinen massiven Körper und rannte auf den Krieger zu.

Geifer troff von seinen Hauern als er einen bestialischen Schrei ausstieß und er die Entfernung von einigen Metern mit nur wenigen Schritten hinter sich brachte.

Der Boden vibrierte unter den schweren, mit Stahl besetzten Stiefeln, doch der Krieger zog vollkommen gelassen sein Schwert. Die epische Rüstung glänzte im Sonnenlicht als sich das Licht auf der Klinge seiner Waffe brach bevor er sie seinem Angreifer in den Leib rammte.

Der Ork ging mit einem gurgelnden Laut zu Boden und blieb reglos liegen.

Ohne zu zögern beugte sich der Krieger hinab und plünderte ein paar Goldmünzen und einen gräulichen Stofffetzen.

Das Gesicht des Kriegers blieb regungslos während sich vor dem Bildschirm ein Schmollmund bildete, gefolgt von einem genervten Seufzen.

„Schon wieder nicht gedroppt...“

Unter einem Gähnen streckte er seine steif gesessenen Knochen und legte seine Brille ab.

Müde rieb er sich die Augen und schüttelte den Kopf.

„Jetzt sollte ich aber schlafen gehen...“

Die großen Kopfhörer streifte er sich träge ab und vernahm erst jetzt einen merkwürdigen Ton. Das Schrille Piepsen bohrte sich nervend in sein Ohr, murrend drehte er sich zu der Quelle des Geräusches um und blinzelte ein paar mal. Unmöglich.

Blind tastete er nach seiner Brille und setzte sie sich wieder auf während er sich etwas nach vorne beugte um die Anzeige seines digitalen Weckers zu betrachten.

Dort leuchtete wirklich die Zahl Sechs, gefolgt von zwei Nullen. Vor Schreck weitete er die Augen, fuhr von seinem Stuhl auf und schwankte. Wie viele Stunden hatte er seine Beine nicht mehr bewegt?

Ungläubig starrte er zum Fenster hinaus und betrachtete die Dächer der Nachbarn über denen langsam die Sonne empor stieg.

„Das darf doch nicht wahr sein! Verdammt!“

Hektisch los rennend stolperte er fast über seine Tasche und verschwand zur Tür hinaus.

Nach einer Katzenwäsche schlüpfte er wie benebelt in frische Kleidung und kramte seine Sachen zusammen. Eilig polterte er die Treppe in das Erdgeschoss seines Elternhauses hinunter und machte einen Bogen um seine Mutter die durch den Aufruhr aus der Küche gelockt wurde.

„Phili! Schau mich mal an! Hast du wieder die halbe Nacht lang am Computer gesessen? Du hast ganz dunkle Augenringe!

Phili!!!“

Genervt zog er sich seine Schuhe an und versuchte sie so gut es ging zu ignorieren. Wie er es hasste wenn sie diesen Spitznamen benutzte.

„Philipp!!!“

Nun wurde es ernst und er sah zu das er die Türklinke in die Hand bekam, das Tor zur Freiheit.

„Mamaaaaaaa, ich muss zur Uni. Entschuldige, wir sprechen später ja?“

Kaum standen die Worte in dem schmalen Raum da erschütterte ein leichter Knall das Haus und die Tür hatte sich geschlossen.

„Oh das gibt es nicht! Dieses Früchtchen!“

Mit zorniger Miene stampfte sie zurück in die Küche. Der Geruch frischen Kaffees lag in der Luft und sie ließ sich schwungvoll auf ihrem Platz an dem gedeckten Tisch nieder.

Ihre grünen Augen hoben sich zu der Tageszeitung die das Gesicht ihres Mannes verbargen.

Auf der Titelseite war ein großer Bericht abgedruckt das mehrere Leute etwas merkwürdiges über dem kleinen Wäldchen am Rand der Stadt hatten nieder gehen sehen. Aber niemand hatte erkennen können um was es sich handelte.

Die Schlagzeile beachtete sie gar nicht und trat ihrem Gegenüber leicht gegen das Schienbein.

„Metthew! Schau mich an wenn ich dich wütend anstarre.“

Die Zeitung senkte sich langsam und ihr Mann betrachtete das zornige Gesicht seiner Liebsten. Ein Lächeln bildete sich inmitten des gepflegten Dreitagebarts.

Ordentlich faltete er das abgedruckte Tor zur Welt zusammen und legte es neben den Teller mit der angebissenen Scheibe Brot.

„Schau doch nicht so, du begünstigst nur deine ersten Falten“

Während er einen plötzlichen wiederkehrenden Schmerz an seinem Schienbein spürte musste er lachen und verbesserte sich rasch.

„Kyara, du machst dir zu viele Gedanken. Unser Junge ist schon alt genug dass er weiß was er tut.

Seine Klausuren fallen doch super aus!“

Beschwichtigend hob er eine Hand als sie ihren rot geschminkten Mund öffnete und sich empört aufplusterte.

„Ich weiß sein Zimmer könnte etwas mehr Ordnung gebrauchen. Und ich weiß auch um deine Sorgen...

Am Wochenende mache ich einen Ausflug mit ihm und fühle ihm auf den Zahn. Zufrieden?“

Grinsend betrachtete er wie sie sich eine locke ihres blonden Haares um den Finger wickelte. Ein gutes Zeichen.

Mit einem langen Seufzen ließ sie die Locke von ihrem Finger gleiten und stützte ihr Kinn in ihre Hand.

„In Ordnung... Aber er ist doch mein Kleiner. Ich muss mir Sorgen um ihn machen. Und jetzt roll nicht wieder die Augen! Auch wenn er fünfzig ist, ist er immer noch mein Kleiner und ich werde mir Sorgen um ihn machen.“
 

Mit zügigen Schritten hatte er die Straße überquert und es schon nach wenigen Minuten an den Rand des kleinen Waldes geschafft. Der Waldrand war wie ein kleiner Park gestaltet, hier und da standen Bänke zum Rasten, zum Abend hin erhellten Laternen die Pfade und der Hauptweg führte an einem kleinen Fischweiher vorbei.

Durch diesen Park ging er immer, denn außer ein paar Verrückten die nichts besserer zu tun hatten als um diese Uhrzeit noch vor der Arbeit eine Runde im Kreis zu rennen, und Leuten die wegen ihrer Hunde hinaus mussten, traf er auf keine Menschen. Es war ein kleiner Umweg, aber er genoss die Ruhe.

Später musste er schon genug Fremde und flüchtige Bekannte in seinem näheren Umfeld dulden.

Etwas genervt das er in der Eile seine Kopfhörer vergessen hatte um sich auf seinem Weg von Musik beschallen zu lassen, ließ er die ersten Baumreihen hinter sich.

Nach einem ausgiebigen gähnen schob er sich seine Hände in die Taschen seiner Sweatjacke und machte sich Gedanken wie er den Tag nur überstehen sollte.

Er merkte erst gar nicht wie schnelle Schritte auf ihn zukamen.

Aus dem Augenwinkel sah er hektische Bewegungen und hob seinen Blick. Für einen kurzen Moment stockten seine Schritte, begleitet von einem skeptischen Stirnrunzeln.

„Was zum...?! Bitte nicht auch das noch...“

Eine junge Frau etwa Mitte Zwanzig, was auch seinem Alter entsprach, kam mit wild gestikulierenden Armen auf ihn zugeeilt und rief Dinge in einer Sprache die er noch nie gehört hatte, und die so fremd klang das er sie nicht einmal einordnen konnte.

Ihr Haar war türkis und sie trug für die noch ziemlich kühle Frühlingsluft viel zu wenig Kleidung.

Ihr Bauch war unbekleidet und das was sie darüber trug wirkte wie der Brustschutz einer Magierrobe aus einem der Videospiele mit denen er sich die Nächte um die Ohren schlug. Um ihre Hüften schlang sich ein ebenso passender Gürtel aus Ranken und hielt vorne und hinten jeweils eine lange Stoffbahn die bis zu ihren Knien herab fiel.

Die Furchen auf seiner Stirn wurden tiefer und er versuchte schnellen Schrittes einen Bogen um sie zu machen. Er wollte nur in seine Universität und den Tag hinter sich bringen, und anschließend Schlaf nachholen.

Seine Taktik funktionierte nicht und die junge Frau blieb, noch immer mit beiden Armen gestikulierend, vor ihm stehen.

In ihrem Blick spiegelte sich Hoffnung und Freude wieder, als sie so nahe vor ihm stand fiel ihm auf das sie barfuß unterwegs war. Dazu hatte ihre Kleidung auch schon bessere Tage hinter sich gehabt. Sie war an manchen Stellen zerrissen und verdreckt.

Da sie ihn immer noch mit ihrem irren Geplapper seinen Kopf malträtierte hob er beide Hände und fiel ihr grob ins Wort.

„Ja, alles klar. Gute Show, und jetzt geh zu deinen Freunden in den weißen Westen zurück, in Ordnung?“

Genervt ging er um sie herum und rückte sich mit Zeige- und Mittelfinger seine Brille zurecht.

„Mitten in der Woche und so früh am Morgen.... Cosplayer werden auch immer verrückter.“

Mit langen Schritten wollte er so schnell wie möglich Distanz zwischen sie und sich bringen, doch er kam nicht weit da riss jemand an seinem Ärmel und hielt ihn vom weitergehen ab.

Wütend fuhr er herum und wollte sie gerade für ihr unmögliches Benehmen an herrschen als er ihr Gesicht immer näher kommen sah.

Seine Augen weiteten sich, doch noch bevor er reagieren konnte prallte ihre Stirn fest gegen seine.

Hätte die Verrückte ihn nicht an der Kleidung gepackt, er wäre sicher einige Schritte zurück getaumelt und hätte sich unsanft auf dem kalten Waldpfad platziert.

„SAG MAL SPINNST DU VÖLLIG?!“

Zornig riss er sich von ihr los und ging zwei Schritte zurück, vor Schmerzen stöhnend fuhr er sich mit beiden Händen unter sein wuscheliges, Pony und schob sein walnußbraunes Haar zurück. Vorsichtig tastete er die schmerzende Stelle ab und rechnete schon damit wenn er seine Fingerspitzen betrachtete, das sie mit einer roten Flüssigkeit bedeckt sein würden.

Tief zog er die Luft des Morgens in sich hinein und blähte seine Lungen während er sich in Gedanken schon überlegte was er ihr alles an den Kopf schmeißen sollte.

Ihr freudiger Blick mit dem sie über das ganze Gesicht strahlte nahm ihm den Wind aus den Segeln. Obwohl sich auf ihrer Stirn schon ein roter Fleck ausbreitete schien ihr die Kopfnuss nichts ausgemacht zu haben. Ihre beiden Handinnenflächen legten sich aneinander und sie flötete voller Glückseligkeit.

„Jetzt verstehe ich deine Sprache! Das war also das Problem.“

„Problem? Ich kann dir gleich ein Problem geben!“

Wütend rieb er sich mit einer Hand immer noch die Stirn und ging weitere Schritte rückwärts.

„Mädel, Keine Ahnung was das für ein Spiel ist aber dafür habe ich keine Zeit und erst recht keine Nerven!“

Rasch machte sie einen Schritt auf ihn zu und legte ihm beide Hände auf die Brust. In ihren Augen spiegelte sich aufkommende Verzweiflung wieder und ihre Stimme wurde flehend.

Viele kleine Strähnen standen von ihrem glatten Haar in alle Himmelsrichtungen ab als hätte sie ihren Kopf die ganze Nacht durch Kissen gewälzt.

„Bitte! Ich brauche deine Hilfe! Xii ist fort und ich kann sie nirgends finden.“

Sichtlich genervt von dem Theater schob er grob ihre Hände fort. Sicher würden ihre Freunde hinter dem nächsten Busch sitzen und sich totlachen. Vielleicht hatte sie auch eine Wette verloren und musste sich den ganzen Tag wie eine Irre verhalten die aus einer Klinik ausgebrochen war.

Gerade als er sich wieder abgewendet hatte schlang sie ihre Arme um ihn und drückte sich fest an seinen Rücken.

Er zog ganz langsam einen tiefen Atemzug der frischen Waldluft durch seine sich blähende Nase ein, und biss sich auf die Unterlippe um Ruhe zu bewahren, wenn er eines mehr hasste als sich mit irgendwelchen Fremden unterhalten zu müssen, war es wenn man ihn ungefragt berührte. Und diese Art von Berührung war eindeutig zu innig.

Mit vor Wut lodernden Augen sah er über seine Schulter und blickte in große, grüne Augen die ihn flehend ansahen. Ein verräterischer Schimmer vernebelte ihren Blick und ihre Unterlippe begann gefährlich zu zucken.

Ihre zarte Stimme drang wie ein Flüstern des Windes an sein Ohr. Sie brach fast, so sehr zitterte sie.

„Bitte. Hilf mir sie zu finden. Sie ist irgendwo da draußen und könnte verletzt sein.“

Qualvoll rutschte der Kloß in seinem Hals hinunter bevor er ein resignierendes Seufzen von sich gab und beide Arme soweit anhob wie sie es in ihrem Klammergriff zuließ.

„Ok, ok. Ich helfe dir, aber bitte fass mich einfach nicht mehr an.“

Sofort hellten sich ihre Züge auf und das Strahlen von vorhin kehrte zurück. Sie entließ ihn aus ihrer Umarmung und rannte schnellen Schrittes geradewegs in das Unterholz.

Als er nicht sofort folgte winkte sie ihn eilig heran.

„Na komm schon! Mir nach!“

Er seufzte schwer, richtete seine Brille und folgte ihr weniger motiviert. Das ungute Gefühl beschlich ihn gerade in sein Verderben zu rennen.

Mit großen Schritten stieg er über Wurzeln und Sträucher, rümpfte die Nase als ihm der Gedanke kam wie viele Hundehaufen hier lauern könnten. Immer wieder musste die Verrückte auf ihn warten und trieb ihn zur Eile an. Der Untergrund auf dem sie sich bewegten schien ihr gar nichts auszumachen.

„Sag mir mal wie diese... Xii denn überhaupt aussieht, und wie in aller Welt sie es geschafft hat sich in diesem Wald zu verlaufen?!“

Ihre Füße fanden ohne Probleme Halt auf einem alten Baumstamm der bereits von Moos und Pilzen in Beschlag genommen wurde. Während ihr Blick suchend umher schweifte beantwortete sie seine Frage.

„Oh, stimmt! Sie hat rötliches Fell mit weißen Mustern. An ihren Beinen und Armen ist es schwarz. Sie müsste...“

„Toll, wir suchen deine Katze oder was?“

Verwundert blinzelte sie ihn an und legte fragend den Kopf zur Seite.

„Katze?“

Ihm blieb nur noch eines übrig. Den Kopf zu schütteln und diesen Tag zu verfluchen bevor er überhaupt richtig begonnen hatte. Er fragte sich was er verbrochen hatte und ob er nicht lieber zu Hause geblieben wäre. Dann läge er nun in seinem bequemen Bett und würde den Schlaf der letzten Nacht nachholen.

Während er seinen Gedanken nachhing und ihr immer weiter in das Unterholz folgte fiel sein Blick erneut auf ihre Füße. Das feuchte Moos über das sie stieg hatte den größten Teil des Schmutzes beseitigt und ihm wurden all die kleinen Kratzer und Schürfwunden bewusst.

„Du suchst schon eine ganze Weile oder?“

„Wie lange weiß ich gar nicht. Es war Nacht als wir gefallen sind, aber es dauerte eine Weile bis ich wieder zu mir gekommen war.“

Skeptisch schoss eine seiner Brauen in die Höhe und seine Gereiztheit nahm wieder zu als seine Schuhspitze in einer Wurzel hängen blieb.

„Gefallen? Vom Himmel oder was?“

Mit großen Augen bestaunte sie ihn und nickte knapp.

„Ja, hast du uns gesehen?“

Verächtlich zuckte seine Oberlippe bevor er einmal tief durchatmete. Auf dem Absatz machte er kehrt und stapfte wütend in die Richtung aus der sie gekommen waren. Zornig herrschte er sie im Gehen noch über die Schulter an und ärgerte sich über seine eigene Dummheit.

„In Ordnung Mädel. Ich wollte dir helfen! Aber wenn du nichts besseres zu tun hast als mich an der Nase herum zu führen, dann mach deinen Kram alleine. Ich bin doch nicht blöd.“

All die vergeudete Zeit schürte seine Wut über die gesamte Situation. Ihre Verwirrten Fragen was er denn meinte oder ihre Bitte nicht wieder zu gehen, ignorierte er nun vollkommen.

In seiner steigenden Rage merkte er gar nicht das er den falschen Weg zurück einschlug und noch tiefer in das Unterholz eindrang. Diesmal konnte sie mit ihm nicht mehr Schritt halten und rief immer wieder nach dem unbekannten Helfer.

Sein Fuß blieb wieder an etwas hängen, verhedderte sich so sehr das er so schnell nicht reagieren konnte, und zu Boden fiel.

Fast hätte er all seinen Frust in einem wütenden Schrei entladen als er sich wieder auf die Seite drehte und versuchte seinen Fuß frei zu bekommen.

„Xiiiiiiiii!“

Die Verrückte rief laut den Namen ihrer Freundin und ging direkt neben ihr auf die Knie. Entsetzt starrte sie auf das kleine Wesen das wimmernd alle Viere von sich streckte. Der linke Hinterlauf hatte sich in einer Drahtschlinge verfangen und war bereits blutig gescheuert als sie sich anscheinend versucht hatte zu befreien.

Ungläubig richtete er seine Brille und starrte den kleinen Fuchs an. Es machte den Anschein das es noch ein Jungtier sein musste, doch er konnte sich nicht dran erinnern je einen Fuchs gesehen zu haben dessen Fell so leuchtend rot war.

Völlig perplex richtete er sich langsam wieder auf, ließ dabei die beiden aber keine Sekunde aus den Augen. Nachdem er wieder näher gekommen war, erblickte auch er das blutverkrustete Fell. Der Draht hatte sich tief in das Fleisch gegraben und jagte ihm bei dem Anblick des leidenden Tieres einen kalten Schauer über den Rücken.

„Das sieht nicht gut aus. Wir sollten es zu einem Tierarzt bringen.“

Behutsam strich die junge Frau dem Fuchs über den Kopf, die Sorge in ihren Augen war deutlich zu erkennen. Ganz vorsichtig befreite sie ihre treue Begleiterin von der Schlinge und zog sie auf ihre Knie.

„Xii... Ein Großteil meiner Kraft ist fort. Ich spüre es. Aber es muss reichen...“

Mit einem tiefen Atemzug schloss sie ihre Augen und legte beide Hände auf den kleinen pelzigen Körper.

Ihm erschien es wie eine Ewigkeit dass sie dort so saß, still und konzentriert bis ihre Stimme als leises Flüstern erklang.

„Ewiglich das Grün, klar und reich dein Atem.

Wohlbehütet im finsteren Grunde, ruht immerdar dein Garten.

Kehre ein, mein Geist ist frei.

Auf das es gibt keine Macht, die uns entzwei.

Borge mir, Leib und Seele nun.

Kenne den Preis, in deinen Armen werde ich ruhn.“

Während sie die Worte wie einen Singsang ertönen ließ, dessen Rhythmus ihn schier hypnotisiert hatte, begann ein grünliches Licht sich um ihre Hände zu manifestieren.

Wie kleine durchsichtige Tentakeln schlängelte sich das Licht ihre Unterarme bis zu den Ellenbogen hinauf bis es auf den Körper des kleinen Fuchses begann überzugreifen.

Seine Füße schienen wie festgewurzelt, verweigerten ihm jeden Befehl sich in Bewegung zu setzen und bis ans andere Ende der Welt zu rennen.

Zur gleichen Zeit versuchte sein Verstand krampfhaft zu verstehen was seine Augen dort gerade wahr nahmen.

Die blutigen Wunden verheilten und die Hinterläufe zuckten als würden sie mit neuem Leben erfüllt.

Er blinzelte ein paar Mal heftig und riss seinen Blick hoch, zu dem Gesicht der jungen Frau.

Es gelang ihm ebenso wenig seinen Mund zu schließen, als auch seinen Füßen endlich wieder befehligen zu können.

Stattdessen kippte er bei dem Anblick der sich ihm bot nach hinten in das weiche Laub und gab ein paar unverständliche Laute von sich.

Vorhin waren ihm, etwas hinter ihrem Stirnansatz, in ihrem Haar zwei Knubbel aufgefallen die wie zusammen geschrumpfte, knorrige Ansätze von Ästen aussahen. Er hielt sie für einen passenden Kopfschmuck für ihr zerlumptes Kostüm, aber nun waren sie gewachsen. Gewaltig gewachsen.

Auf ihrem Kopf waren die zwei Knubbel zu stolzen Ästen ausgewachsen die sich in alle Richtungen feingliedrig erstreckten.

Innerhalb weniger Augenblicke bildeten sich kleine Blätter die heran wuchsen und an einer Stelle entstand eine Knospe.

Mit den letzten Worten die diese merkwürdige Frau sprach, erblühte die Knospe. Strahlend weiß öffnete sie sich in dem Zwielicht des Waldes und wirkte genau so fremd wie alles in diesem Moment, was sich an diesem Platz befand.

Völlig erschöpft sanken ihre Schultern nach vorn und ihr Kinn neigte sich mit einem Ruck auf ihre Brust, als würde sie sich jetzt erst dem Gewicht das auf ihr thronte bewusst werden.

Feine Schweißperlen rannten ihr Gesicht hinab und benetzten ihre zitternden Hände von denen sich das mysteriöse grünliche Licht wieder gelöst hatte, und verschwunden war.

„Wa-Was … um... alles in der Welt... war das?!“

Viel zu schrill krächzte er die Worte hervor und begann am ganzen Leib zu zittern.

Er träumte noch! Das musste es sein. Er war über seiner Tastatur eingeschlafen und träumte diesen ganzen verrückten Schwachsinn nur!

Endlich fand er die Kraft wieder sich von dem kühlen Waldboden zu erheben. Viel zu schnell, denn er schwankte als hätte er zu tief ins Glas geschaut.

Ein paar vereinzelte Blätter lösten sich von seinem Hosenboden und schwebten hinab während er mit einer zitternden Hand auf die immer noch kniende Frau zeigte.

„Das ist gerade nicht passiert! Damit das klar ist!

Verdammt noch eins!“

Überfordert raufte er sich die Haare und bleckte wütend die Zähne. Als hätte ihn etwas gestochen, wirbelte er herum und rannte so schnell er nur konnte davon.

Irgendwohin, nur weit genug fort von dieser Irren!
 

Von seinen Worten bekam sie kaum etwas mit, sie konzentrierte sich noch viel zu sehr auf die sanfte Berührung die ihr diese fremde Präsenz geschenkt hatte.

Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen und sie hauchte leise nur ein einzelnes Wort.

„Danke.“

Vorsichtig pflückte sie die weiße Blüte von ihrem Haupt. Augenblicklich färbte sie sich in tiefes Schwarz bevor sie zwischen ihren Lippen verschwand.

Als hätte sie in etwas bitteres gebissen verzog sie das Gesicht. Die Blätter ihrer Äste rieselten zu Boden, und die knorrigen Auswüchse zogen sich langsam wieder zurück, bis nur noch die zwei Stümpfe von zuvor übrig blieben.

Der kleine Fuchs stellte sich, noch ziemlich wackelig auf den Beinen, wieder auf und schüttelte sich erst einmal ausgiebig als wäre er nie verletzt gewesen. Keine seiner Wunden war noch zu sehen.

Das Tier blickte sich mit aufgestellten Ohren um, und hob erst dann den Kopf als eine zitternde Hand über seinen Kopf streichelte.

Ein völlig erschöpftes Gesicht lächelte auf es herab und flüsterte leise.

„Xii, jetzt schau doch nicht so vorwurfsvoll! Ich sollte eher dich tadeln in so eine Falle zu tappen!“

Xii hingegen fand das ganze nicht sehr amüsant und sprang von den Beinen ihrer Freundin runter. Schnuppernd hielt sie die Nase in den Wind und hüpfte einmal im Kreis bevor sie wütend los fauchte.

„Wo um alles in der Welt sind wir hier? Ich kenne diese Gerüche nicht, und fühle mich meiner Kraft beraubt.“

Sie setzte sich auf ihre Hinterläufe und betrachtete eine ihrer Pfötchen.

„Diese Gestalt... ist so winzig! Ich habe schon versucht meine Form wieder anzunehmen aber es geschieht nichts!

Lilly! Was habt ihr mit uns gemacht!? Sagt dem Stab Morendras er soll uns wieder zurück schicken!“

Die junge Frau schürzte nachdenklich die Lippen und kratzte sich hinter einem ihrer Ohren.

Ein leises Seufzen war zu hören dann blickte sie hinauf in die Baumkronen.

„Ja weißt du... Was den Stab betrifft... ich befürchte ich habe ihn verloren.“

Xii stellten sich augenblicklich die Haare auf und sie machte einen Katzenbuckel.

„Verloren? Das kann nicht euer ernst sein! Ihr habt den Stab Morendras verloren? Das heiligste und mächtigste Relikt das eurem Volk noch geblieben ist? Ich kann einfach nicht glauben...“

Bevor der kleine Fuchs seine Standpauke weiter führen konnte verdeckte eine Hand seine Schnauze.

Zornig schnappte Xii nach der Hand und verspürte Enttäuschung als sie zu schnell wieder zurück gezogen wurde.

„Immerhin hast du deine Zunge nicht verloren! Also denken wir mal optimistisch.

Er muss hier irgendwo sein. Als wir... vom Himmel gefallen sind ist er mir aus der Hand geglitten und liegt sicher nur wenige Meter entfernt herum.“

Sichtlich motiviert stemmte Lilly sich auf die Beine und knickte sofort wieder ein.

Erschöpft fuhr sie sich über die Stirn und holte tief Luft.

„Gib mir nur ein paar Minuten. Irgendwie bin ich wohl ein wenig eingerostet.“

Xii starrte sie dunkel an und schwieg bevor sie ihre Freundin wirklich noch anfiel. Ihren Optimismus konnte sie nicht ganz teilen.

Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht, und sie wollte nicht lange genug an diesem Ort bleiben um herauszufinden was es war.
 

Er hörte den zornigen Fluch nicht einmal den der Jogger ihm nachrief , der fast von ihm über den Haufen gerannt wurde. Krampfhaft versuchte er zu verdrängen was eben in dem Wald passiert war, den er jetzt so schnell wie möglich hinter sich lassen wollte.

Nichts davon konnte er sich erklären, es passte nicht in seine Logik.

Wenn das ein Traum war, wieso wachte er dann nicht auf? Er bemerkte den Schmerz wie seine Umhängetasche beim Rennen immer wieder gegen seine Beine schlug, er merkte wie die kühle Luft in seinen Lungen wegen der Anstrengung begann zu brennen und er merkte wie bescheuert er aussehen mochte, so wie ihn jeder Passant anstarrte.

So langsam ging ihm die Puste aus und er drosselte sein Tempo als er den Wald mit dem kleinen Park hinter sich ließ und auf eine belebtere Straße einbog.

Japsend stützte er sich auf seinen Knien ab und wartete das sein Puls sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Fest kniff er seine Augen zusammen und presste die Lippen aufeinander bis aus ihnen jegliche Farbe gewichen war.

„In Ordnung Philipp... Du reißt dich jetzt zusammen, bringst den Tag hinter dich und schläft danach mindestens vierzehn Stunden.

Dann ist alles wieder normal! Keine Halluzinationen mehr!“

Langsam stellte er sich wieder gerade hin, richtete sich mit der rechten Hand seine Brille und fuhr sich durch sein wuscheliges, braunes Haar.

Als wäre nichts gewesen schlenderte er in die Universität wie an jedem anderen normalen Tag auch.

Er setzte sich stumm auf seinen Platz in dem großen Saal und lauschte den Worten die auf ihn einprasselten, machte Notizen ohne wirklich zu zuhören.

Mit aller Konzentration versuchte er sich an seinem Alltag fest zu klammern, zu vergessen was er an diesem Morgen erlebt hatte.

Doch immer wieder schlich sich diese Erinnerung in seine Gedanken. Vor seinem inneren Auge sah er türkisfarbenes Haar und ein grünes Licht. Äste die wuchsen und innerhalb weniger Momente Blätter trugen wie ein Baum im Frühling.

In diesen Augenblicken biss er sich fest auf die Unterlippe und konzentrierte sich noch mehr auf seine Umwelt.

Der Morgen wich dem Nachmittag und er hatte es endlich geschafft das ganze Erlebte als ein Hirngespinst abzutun. Alles bekam eine Logik. Er war einfach übermüdet gewesen und der Schlafmangel gepaart mit zu spätem essen hatte ihm einen Streich gespielt.

Sogar die Stelle an der er die Kopfnuss bekommen hatte, was in Wirklichkeit ja nicht passiert war, tat schon nicht mehr weh.

Natürlich gab es auch keinen Grund wieso er nicht den üblichen Umweg durch das kleine Waldstück nehmen sollte. Stur, den Blick nach vorn gerichtet ging er zügig auf den schmalen Kiesweg und ließ das eiserne Gatter hinter sich.

Gut die Hälfte hatte er schon geschafft und ein triumphierendes Lächeln umspielte seine Lippen. Was hatte er auch erwartet? Das diese Traumgestalt irgendwo hinter dem nächsten Busch saß und lauerte bis sie ihn anspringen konnte?

Er gab einen verächtlichen Laut von sich und ein Grinsen zeichnete sich auf seinen Zügen ab.

Augenblicklich gefror es zu Eis und seine Füße erstarrten.

Es war kein Busch hinter dem sie saß, sondern eine ganz gewöhnliche Parkbank.

Als hätte sie seinen Duft gewittert sah sie auf und lächelte ihn freundlich an.

„Da bist du ja endlich! Du warst so plötzlich weg und meine Beine waren so weich das ich dich nicht suchen konnte. Eigentlich war das ganz schön unhöflich von dir.

Aber immerhin hast du Xii für mich gefunden, und ich konnte mich noch gar nicht bedanken.“

Mit jedem ihrer Worte klappte seine Kinnlade ein Stückchen mehr herunter.

Die Arbeit des ganzen Tages war zunichte gemacht worden, in nur einem kleinen Augenblick.

Seine beiden Hände ballten sich zu Fäusten und begannen zu zittern. Wütend machte er einen Schritt auf sie zu und setzte ihr seinen Zeigefinger auf die Brust.

„Lass mich einfach in Ruhe! Ich habe den ganzen Tag gebraucht um mir zu sagen das es dich nicht gibt und dass das alles heute Morgen gar nicht passiert ist, verstanden?“

Die junge Frau legte den Kopf schief und blinzelte ein paar mal verwirrt.

„Mich soll es nicht geben? Aber ich stehe doch hier. Was redest du für wirre Dinge?“

Noch mehr verwirrte er sie als er die Arme in die Luft riss und wütend aufschrie. Xii, die sie in der Armbeuge trug zuckte mit den Ohren und murrte wegen der Lautstärke die der Kerl an den Tag legte.

Bevor sie ihn fragen konnte ob ihm denn etwas weh tat rannte er schon wieder los und beharrte darauf das sie ihn in Ruhe lassen sollte.

Lilly war aber von ihren Eltern gut erzogen worden und würde ihn nicht so einfach entkommen lassen ohne sich richtig bedankt zu haben.

Außerdem trug sie die Hoffnung in sich das er ihr helfen könnte den Stab Morendras wiederzufinden, schließlich hatte er auch Xii gefunden!

Da sie wieder fit war nahm sie unverzüglich die Verfolgung auf und rannte Philipp hinterher.

Sie staunte nicht schlecht wie schnell er war, als würde er um sein Leben rennen.
 

Völlig außer Atem hatte er endlich das Elternhaus erreicht und bog in Windeseile in die Einfahrt ab.

Noch einen Blick warf er über die Schulter, aber von dieser Verrückten war nichts zu sehen.

Er schickte ein Stoßgebet gen Himmel und fischte mit zitternden Händen seinen Schlüsselbund hervor.

Fluchend brauchte er ein paar Anläufe bis er es geschafft hatte die Tür zu öffnen und sie unter lautem Knall wieder hinter sich zu schließen.

Mit beiden Händen stützte er sich auf seinen Knien ab und schnappte einige Male nach Luft.

„Ich glaube das alles einfach nicht...“

Unter einem Stöhnen streifte er sich die Schuhe ab und schob sie mit dem Fuß auf die Matte. Seine Eltern waren noch arbeiten und seine Schwester würde erst in einigen Stunden nach Hause kommen, also genug Zeit sich hinzulegen, zu schlafen und hoffentlich ohne wild gewordene Cosplayerinnen aufzuwachen.

Eilig stapfte er die Treppe in den ersten Stock hinauf und öffnete die Tür zu seinem Zimmer.

Achtlos ließ er die Tasche zu Boden fallen und auch die Sweatjacke wurde von seinen Schultern gestreift und blieb mitten im Zimmer liegen.

Seine Brille legte er auf den ganzen Krempel der sich auf seinem Schreibtisch angehäuft hatte, darum wie er sie später wiederfinden sollte, machte er sich keine Gedanken.

Hauptsache er konnte erst einmal schlafen.

Mit einem lauten Ächzen ließ er sich in seinen bequemen Sitzsack aus schwarzem Kunstleder fallen.

Den Kopf legte er weit in den Nacken und rieb sich mit den Händen über sein Gesicht.

Schlapp sanken seine Arme zu beiden Seiten des Sitzsackes herunter und in nur wenigen Sekunden wurden seine Atemzüge tief.

Gerade als der erlösende Schlaf über ihn kommen wollte schreckte er auf weil ein lautes Geräusch an sein Ohr drang.

Mit klopfendem Herzen lauschte er, und musste nicht lange warten. Irgendwas flog erneut gegen seine Fensterscheibe und das war äußerst beunruhigend. Unter seinem Fenster befand sich der heimische Garten und dort hatte niemand etwas zu suchen.

„Mein Gott! Was ist denn jetzt wieder?“

Schwerfällig hob er sich in die Höhe und schlurfte zu dem Schreibtisch hinüber, irgendwas knallte wieder gegen seine Scheibe und brachte ihn dazu mit den Zähnen zu knirschen.

Seine Finger ertasteten wie durch ein Wunder die Brille und er ging zum Fenster das links neben seinem Schreibtisch lag.

Vorsichtig blickte er hinab, aber außer dem kleinen Gemüsebeet seiner Mutter, der Regentonne, der Hecke des Grundstückes und dem Stamm des großen Walnussbaumes konnte er nichts ungewöhnliches erkennen.

Seufzend kratzte er sich an seinem Hinterkopf und machte einen Schritt von dem Fenster weg, vielleicht hörte er jetzt schon Dinge die es gar nicht gab.

Doch bevor er sich das ganze schön reden konnte, erblickte er es.

Zum wiederholten Mal an diesem Tag entgleisten ihm die Gesichtszüge und er glaubte an einen schlechten Traum aus dem er nicht erwachen konnte.

Mit einem Ruck riss er das Fenster auf und brüllte der jungen Frau mit türkisfarbenen Haar zu, die auf seiner Höhe in den Ästen des Walnussbaumes saß.

„Was um alles in der Welt machst du da? Was stimmt mit dir nicht!? Hast du mich allen ernstes verfolgt und... kletterst in die Bäume... anderer Leute?“

Er war fassungslos und raufte sich vor lauter Unglauben die Haare.

Sie würde sich noch alle Knochen im Leib brechen, und dann war er dran. Wie sollte er das der Polizei erklären? Das er vor einer Verrückten mit magischen Kräften verfolgt wurde, diese alleine auf einen Baum geklettert war und nach einer unaufmerksamen Bewegung in die Tiefe gestürzt war?

Natürlich kannte er sie nicht, und war vollkommen unschuldig.

Sehr glaubwürdig.

Lilly winkte ihm derweil mit einem freudigen Lächeln zu. Als würde so etwas zu ihrem Alltag gehören, robbte sie auf dem Ast nach vorn, die Beine fest um ihn geschlungen. Xii saß auf ihrer Schulter als gäbe es gerade keinen bequemeren Platz.

„Fast hätte ich dich verloren! Du kannst ganz schön schnell rennen.“

Sie stellte sich in einer fließenden Bewegung auf, ihre Füße schwankten nicht einmal als sie über den schmalen Ast ein Stück nach vorn balancierte. Mit einer Hand hielt sie sich in dem Geäst über ihr fest.

„Bleib stehen du Irre! Du fällst noch! Warte da, und bewege dich nicht, ich suche nach einer Leiter und hole dich da runter.“

Philipp drehte dem Fenster den Rücken zu und stürzte zu der Tür, in seinem Kopf ratterte es schon wo er eine Leiter her bekommen sollte die so hoch war. Dazu noch möglich unauffällig.

Seine Fingerkuppen berührten die Klinke und plötzlich gab es einen lauten Rums, kurz darauf war ein leises Wehklagen zu hören und ein schmerzliches Ächzen.

Es war ihm, als hörte sein Herz auf zu schlagen und er atmete zweimal tief durch bevor es ihm möglich war sich herum zu drehen.

Wollte er es überhaupt sehen? Diesen Anblick würde er doch nie wieder vergessen!

Sein Herz klopfte wie verrückt und drohte seine Brust zu sprengen als er sich mit zögerlichen Schritten dem Fenster näherte. Die Faust die seinen Magen fest umklammert hielt, drückte immer fester zu und er wechselte in Schnappatmung über.

Seine Knie wurden weich und kalt warme Schauer rauschten abwechselnd seinen Rücken hinab.

Es fehlten nur noch wenige Schritte bis er den Punkt erreicht hatte an dem er sich nur über die Fensterbank lehnen musste um das Grauen in der Tiefe zu erblicken. In diesem Moment erschien eine Hand, die sich an den unteren Fensterrahmen klammerte, dicht gefolgt von der zweiten.

Wieder ertönte das schmerzliche Ächzen, das in diesem Moment wie Musik in seinen Ohren war und sich die junge Frau weiter in die Höhe zog.

Ohne zu zögern griff er nach ihren Armen und zog sie mit einem beherzten Ruck hinein in die Sichere Obhut seines Zimmers.

Die Beiden polterten durch den Schwung zu Boden und er blieb jappsend wie eine Schildkröte auf dem Rücken liegen.

Sie dagegen rappelte sich schnell wieder auf und rieb sich über die schmerzende Nase. Der kleine Fuchs, der sich krampfhaft an ihre Schulter geklammert hatte sprang hinab und bedachte sie mit einem fast vorwurfsvollen Blick.

„Uuuuh... da habe ich mich wohl etwas mit der Höhe verschätzt, fast wäre das ganz schön schief gegangen!“

Die Schildkröte rappelte sich wieder auf und starrte sie wütend und noch immer etwas perplex an.

„Was um alles in der Welt sollte das? Kannst du nicht wie jeder normale Mensch die Klingel benutzen?“

Ihre grünen Augen weiteten sich bei seinen Worten, und noch bevor er sich fragen konnte was sie nun wieder hatte, sprudelte sie freudig erregt los.

„Mensch? Also bist du wirklich ein Mensch? Ich kann es kaum glauben! Dann hat Morendras mich ja doch erhört!“

Mit einer langsamen Bewegung richtete er seine Brille ohne den finsteren Blick von ihr zu nehmen.

„Natürlich bin ich ein Mensch... du etwa nicht?“

Im selben Moment fing sein Blick die zwei knorrigen Wucherungen auf ihrem Kopf ein und er bereute seine Frage zugleich. Wollte er das überhaupt wissen?

Seine Worte waren ironisch gewesen doch er fragte sich wie begründet die Ironie gewesen war, nach allem was er schon gesehen hatte.

Ihr Blick ließ ihn nichts gutes erahnen.

Den Kopf leicht zur Seite geneigt betrachtete sie ihn als würde sie ihn fragen ob das denn nicht offensichtlich sei.

„Nein. Ich bin eine Ellydren, erkennt man das nicht?“

Verwundert blickte sie an sich hinab und streckte die Arme aus um sich besser betrachten zu können. Ihre Finger tasteten über ihre Stirn während ihre Mundwinkel herab sanken.

„Irgendwas ist auch komisch... meine Äste sind so klein! Und ich fühle mich als hätte meine Magie mich verlassen.

Aber vielleicht kannst du mir helfen! Ich habe...“

Er brachte sie mit einer harschen Handbewegung zum Schweigen und wechselte in eine kniende Position.

Als könnte es seine dröhnenden Kopfschmerzen lindern, massierte er sich den Nasenrücken und atmete einmal tief durch bevor er sie wieder grimmig ansah.

„Ganz langsam... du behauptest kein Mensch zu sein? Sondern eine Elly... was?!“

Wieder legte die junge Frau den Kopf schief als würde er von ihr eine Antwort auf etwas Offensichtliches wollen.

„Ellydren. Du hast noch nie von uns gehört?“

Langsam ließ sie den Blick durch sein Zimmer schweifen und runzelte nachdenklich die Stirn. Diese sonderbaren Möbel, dieser weiche Boden, und all die merkwürdigen Dinge die ihr dort draußen begegnet waren schienen ihr erst jetzt Unbehagen zu bereiten. Sie hatte Dörfer der Menschen schon aus der Ferne gesehen, aber hier war alles so viel fremder.

Als könnte sie etwas Böses heraufbeschwören wechselte sie in einen Flüsterton.

„Sag mal... auf welchem Kontinent bin ich hier gelandet?“

Kurz überlegte er ob er diese Frage wirklich mit einer Antwort würdigen sollte.

„Europa! Was soll...“

„Europa? Ist das sehr weit fort von Ranoth? Das habe ich ja noch nie gehört.“

Erneut massierte er sich den Nasenrücken und atmete einmal tief durch, entweder sie war wirklich irre, eine irre gute Schauspielerin oder tatsächlich war er irre geworden.

Sein Blick fiel auf die kleinen knorrigen Wucherungen auf ihrem Kopf und er streckte zögerlich die Hand danach aus.

Der kleine Fuchs schien davon gar nicht begeistert und knurrte ihn wütend an, ein blecken seiner kleinen spitzen Zähne verdeutlichte seinen Groll noch mehr.

Er stockte in seiner Bewegung.

„Ich möchte diese Äste auf deinem Kopf nur kurz mal berühren ja? Es würde mir sehr weiterhelfen. Denke ich.“

Plötzlich legte sie eine Hand an ihre Wange die prompt errötete, ihr Blick wurde fast vorwurfsvoll und sie haderte einen Moment lang mit sich.

„Du willst sie berühren?“

Der giftig gewordene Fuchs machte einen Satz auf ihn zu, doch noch bevor er die kleinen, spitzen Zähnchen in sein Bein schlagen konnte schnappte sich Lilly das Tierchen und setzte es sich auf den Schoß, mit beiden Händen im festen Griff.

„Xii, bleib ruhig. Wir kennen ihre Sitten ja gar nicht. Vielleicht ist das für sie was anderes.“

Sie straffte den Rücken und blickte den sichtlich überforderten Fremden eindringlich an.

„Nagut. Wenn es dir hilft, erlaube ich es.“

Er schob ihr merkwürdiges Verhalten darauf, dass sie wohl Angst hatte nun enttarnt zu werden und zögerte nach ihrer Erlaubnis nicht mehr länger.

Mit großer Vorsicht tastete er über die Äste, die ein kleines Stück hinter ihrer Stirn aus dem Haar heraus linsten. Sie fühlten sich an wie ganz normale Äste eben, nichts besonderes.

Seine forschen Finger tasteten weiter hinab und er bemerkte ihren konzentrierten und aufmerksamen Blick, der auf sein Gesicht gerichtet war.

Er erreichte die Stelle an der die Äste mit einer kleinen Wulst am Ende auf der Kopfhaut saßen. Das Holz ging geradezu nahtlos in Haut über, und unter dieser konnte er immer noch die Struktur des Holzes spüren bevor das Haar dichter wurde.

Philipp stockte der Atem als ihm bewusst wurde, dass diese Dinger auf ihrem Kopf echt waren. Nachdem er, nur um ein letztes Mal sicher zu gehen, daran zog blieb kein Zweifel. Diese Äste waren angewachsen.

Keine Attrappe, kein Kopfschmuck.

So langsam wurde es Lilly zu bunt wie dieser Fremde an ihren Ästen zog und sie anstarrte als hätte er gerade vor Angst in die Hosen gemacht. Grob schob sie seine Hände von sich und sah ihn vorwurfsvoll an.

„Jetzt reicht es aber. Fremde Sitten hin oder her, bei uns macht man sowas nicht!“

Ihre Worte drangen wie durch dichte Watte, in die sein Kopf gehüllt war, zu ihm durch und er brachte nicht mal eine Entschuldigung hervor.

Stattdessen stammelte er nur leise vor sich hin.

„Das gibt es nicht. Das ist kein verdammter Traum, und diese Dinger auf deinem Kopf sind echt. Ich dachte, ich hätte nur zu wenig geschlafen und das alles hier ist nicht real! Aber es ist real!“

Fest packte er sie an beiden Oberarmen und schüttelte sie durch.

„Woher kommst du, und was willst du ausgerechnet von mir?“

Sie lockerte ihren Griff und Xii sprang von ihrem Schoß, geradewegs an seine Brust. Mit allen vier Pforten krallte sie sich in sein T-Shirt und grub ihre Zähne knurrend in den dünnen Stoff. Wild riss das zornige Tier den Kopf hin und her, und drang dabei immer tiefer mit seinen Zähnen ein.

Mit einem Satz wich er zurück und fiel mit rudernden Armen auf den Rücken. Mit beiden Händen zerrte er an dem Fuchs und brüllte er solle ihn sofort in Ruhe lassen.

Lilly betrachtete die beiden einen Moment lang schweigend und tauchte in ihren Gedanken ab.

Die leise Vorahnung die sie seit ihrer Ankunft hier gehabt hatte wurde immer greifbarer und sie konnte langsam nicht mehr verleugnen das sie ein ernstes Problem hatte.

Unter einem leisen Seufzen beugte sie sich vor und zerrte solange an Xii bis diese nachgab, und das Stück Stoff das sie als Trophäe heraus gerissen hatte, wieder ausspuckte.

„Xii, ich glaube, wir haben unsere Heimat weiter hinter uns gelassen als wir denken.“

Sie beugte sich näher zu Philipp der wütend und zeternd sein neu gestaltetes T-Shirt betrachtete.

„Sag mir... wie heißt diese Welt hier?“

Er konnte einfach nicht glauben dass dieses kleine Vieh sein lieblings Shirt ruiniert hatte und betrachtete ihre Besitzerin hasserfüllt.

„Diese Welt? Das du nicht von der Erde stammst bezweifle ich langsam nicht mehr, aber ich wäre dir dankbar wenn du dir die nächste Rakete nimmst und abhaust!“

Langsam legte sich Lillys Kopf auf die Seite, sie war offensichtlich verwirrt von seinen Worten und fragte sich was diese Rakete war. Es gab etwas das sie nach Hause bringen konnte?

Erregt robbte sie auf ihren Knien näher an ihn heran und drückte Xii feste an sich.

„Kannst du mich zu so einer... Rakete bringen?“

Philipp schlug die Hände vor das Gesicht und stöhnte laut auf.

Sie merkte das die Lösung wohl doch nicht so greifbar war und ließ die Schultern sinken. Die Enttäuschung war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben und in ihren Augen funkelte es verräterisch.

„Das ich hier lande war nicht so geplant. Mein Wunsch ist schief gegangen... kannst du mir nicht helfen wieder nach Hause zu kommen?“

„Dir helfen? Und wie soll das gehen?“

Sein rechter Nasenflügel begann zu zucken und eine seiner Augenbrauen schoss in die Höhe.

„Ich muss Morendras wieder finden! Er kann mich sicher zurück bringen!“

Mit einer wedelnden Handbewegung deutete er auf den kleinen garstigen Fuchs.

„Ist dieser Morendras auch so ein... Fuchs?“

Als müsste er es doch besser wissen zog sie kurz die Stirn kraus.

„Aber nein! Ich rede von einem Stab. Es heißt er entstammt dem Holz des aller ersten Baumes, Morendras.“

Philipp schloss für einen Moment die Augen ehe er antwortete.

„Wenn ich dir helfe, deinen Stab zu finden, gehst du. Wohin auch immer. Und lässt mich in Frieden. In Ordnung?“

Ihre Stimmung wechselte so rasch wie nur ein Wimpernschlag dauerte, in vollkommene Freude. Xii setzte sie neben sich ab und fiel dem fremden Helfer stürmisch um den Hals. Er kullerte auf den Rücken und versuchte die Irre von sich zu drücken, aber aus ihrem Klammergriff gab es kein Entkommen mehr.

„Danke! Vielen Dank!!!“

„Ja, ist gut! Und jetzt geh runter von mir.“

Als sie seinem Wunsch nachkam rappelte er sich schwerfällig auf und bereute seine Entscheidung jetzt schon. Aber auf die Menschheit konnte er diese Person wohl schlecht los lassen.

Mit einem Hüpfer war auch sie auf den Beinen und hibbelte von einem Bein auf das andere.

„Ich habe ihn verloren als ich fiel! Weit kann er nicht sein. Also los!“

In letzter Sekunde konnte er noch ihren Arm ergreifen bevor sie sich aus dem Fenster stürzen wollte. Schließlich war dies der Weg den sie auch hinein gekommen war.

„Nicht so schnell! So kannst du doch nicht herum laufen. Du brauchst was zum anziehen. Um möglichst nicht aufzufallen.“

Er presste die Lippen fest zusammen und starrte auf ihren Kopf.

„So wenig wie möglich zumindest.“

Nachdenklich rieb er sich das Kinn und betrachtete sie wieder einen ganzen Moment lang.

„Du scheinst so ungefähr die Größe meiner Schwester zu haben. Warte hier und rühre dich nicht von der Stelle. Ich hol dir was.“

Bevor er die Klinke seiner Zimmertür nach unten drücken konnte blickte er sie noch einmal finster an.

„Und geh ein paar Schritte weg vom Fenster.“

In seinem Kopf dröhnte und hämmerte es, was hatte er sich da nur angetan.

Schlürfend näherte er sich der Tür schräg von seiner eigenen und betrat das typische Mädchenzimmer seiner älteren Schwester.

Alles war ordentlich und hatte seinen Platz, es roch nach Parfum und an den Vorhängen ihres Fensters hatte sie kleine Plastikblumen befestigt.

Die Zeit wo Poster von Kerlen mit offenen Hemden und lüsternen Blicken an ihrer Wand gehangen hatten, waren längst vorbei.

Er steuerte ihren Kleiderschrank an und zog die Schiebetür beiseite.

Völlig überfordert zupfte er an einem rosa Kleid und ging die viel zu vielen Stapel mit Oberbekleidung durch.

Mürrisch murmelte er vor sich hin und schnappte sich einfach irgendwas. So viel Auswahl brauchte doch kein Mensch dachte er sich und öffnete eine der breiten Schubladen.

Genau das was noch fehlte fand er auf Anhieb und zog die Mundwinkel weit nach unten.

Mit zwei Fingern angelte er einen weißen Spitzenslip heraus und hielt ihn auf Augenhöhe. Sie würde doch bei all den ganzen Sachen sowieso nicht merken wenn etwas fehlte.

Während er so den Schlüpfer vor sich hielt und nachdachte ob er auch alles hatte drehte er sich zu der Tür und gefror in der nächsten Sekunde.
 

Louisa traute ihren Augen nicht als sie ihren eigenen Bruder dabei erwischte

wie er einen Slip von ihr ziemlich genau betrachtete.

Ihre Kinnlade klappte runter.

Als sich ihre Blicke trafen erwachte sie aus ihrer Starre und ging mit großen Schritten auf ihn zu, ihre Blonden Locken wippten bei jeder Erschütterung auf ihren Schultern.

„Was machst du denn da?! Du Perverser Spinner!“

Bevor er ausweichen konnte holte sie mit ihrer Tasche aus, und schlug sie ihm um die Ohren.

„Das ist doch krank! Machst du das immer wenn ich nicht da bin! Ekelhaft!“

Schützend hob er Schlüpfer und Arme vor sein Gesicht um sich vor dem brutalen Angriff zu schützen. Dabei wich er immer weiter in Richtung Tür zurück.

„Hör auf! Das ist... ein Missverständnis. Ich dachte du kommst erst in einer Stunde nach Hause.“

„Also stöberst du tatsächlich in meiner Unterwäsche! Du Widerling!“

Er verstand das er sich aus dieser Sache wohl nicht so auf die Schnelle herauswinden konnte und ergriff die Flucht.

Sofort donnerte er die Tür seines Zimmers hinter sich zu und schloss sie zur Vorsicht ab.

Lilly hatte sich derweil an diesem komischen Ort etwas umgesehen und betrachtete einen großen schwarzen Kasten und drückte mit den Fingern immer wieder auf diese komische, matte Oberfläche.

Ihr Kopf drehte sich zu Philipp herum und sie fragte sich wieso er so schwer atmete und krampfhaft die Augen zusammen drückte.

„Was ist denn das hier?“

Wütend stapfte er zu ihr und zerrte ihren Arm von dem schwarzen Kasten fort.

„Fass das nicht an! Der Bildschirm ist empfindlich! Den Fernseher habe ich mir erst neu gekauft.“

Laut seufzend fuhr er sich mit einer Hand durch sein Haar.

„Die Sache mit meiner Schwester muss ich später klären. Solang gebe ich dir was zum anziehen von mir.“

Aus seinem weniger gut bestückten Kleiderschrank, die einzige Ecke seines Zimmer wo dank seiner Mutter Ordnung herrschte, zog er einen Kapuzenpullover und eine schwarze Hose.

Kurz hielt er die Luft an und packte noch eine seiner Shorts dazu.

Immer noch schlechter Laune drückte er ihr die Sachen in die Hand.

„Hier. Zieh das an.“

Er ging ein paar Schritte auf und ab während sie die komischen Kleidungsstücke skeptisch betrachtete.

„Du hast gesagt der Stab sei dir beim Fallen verloren gegangen. Dann kann er ja nicht weit von deiner... Absturzstelle liegen.

Die müssen wir finden. Und wenn du das Ding hast, will ich mit dir nichts mehr...“

Ihm blieb das Wort im Hals stecken als er beiläufig einen Blick auf die verrückte Frau mit den türkisfarbenen Haaren und entblößten Brüsten warf, und die gerade dabei war den dünnen Stoff um ihre Hüften zu lösen.

Mit einem Ruck drehte er sich fort, doch das Bild hatte sich bereits unwiderruflich in seinen Kopf eingebrannt.

„Hast du kein Schamgefühl?! Du bringst mich noch in Teufelsküche!!!“

Sie verwirrte seine Reaktion und fragte sich was nun dieses Schamgefühl wieder sei.

„Aber du hast doch gesagt ich soll das hier anziehen? Wie soll denn das über meine Kleidung gehen? Ich bleibe ja überall hängen.“

Als er nur zeterte sie soll sich einfach schnell anziehen zuckte sie nur mit den Schultern und mühte sich in diese komischen Kleidungsstücke hinein.

Alles war viel zu groß und hing schlaff an ihr herunter aber sie staunte wie weich und angenehm der Stoff auf ihrer Haut lag.

„Das ist gemütlich. Aber ist das nicht furchtbar beengend wenn eure Haut immer verdeckt ist? Wie wollt ihr denn sonst den Wind spüren oder die Gräser um eure Füße?“

Er hinterfragte ihre Worte gar nicht und drehte sich vorsichtig wieder zu ihr herum.

Seine Brille hatte er zur Vorsicht abgenommen, aber als er grob erkennen konnte das sie nicht mehr halbnackt war, setzte er sie sich wieder auf die Nase und hob seine Tasche vom Boden auf.

„Gehen wir... ich will dieses Moren... was auch immer, so schnell wie möglich finden.“

Als er vorsichtig durch die Tür zum Flur hinaus linste hörte er durch die verschlossene Tür seiner Schwester eine Triade von Flüchen und Schimpfwörtern.

Ihm war bewusst das wahrscheinlich jeder ihrer Kontakte gerade auf dem Telefon durchgegangen und darüber in Kenntnis gesetzt wurde was für ein Perversling er war.

Immerhin merkte sie so nicht das ein Paar ihrer Sportschuhe den Besitzer wechselten.

Mit einem unguten Gefühl im Magen, einer Außerirdischen im Rücken und einem tollwütigen Fuchs in deren Armen machte er sich auf den Weg in das kleine Waldstück um den Stab seiner persönlichen Erlösung zu finden.

Die Schatten welche die Bäume warfen wurden von Augenblick länger und länger. Durch das Blätterdach über sich konnte Lilly erkennen dass das Blau des Himmels immer mehr mit einem rötlichen Schimmer durchzogen wurde.

Seufzend schaute sie hinab auf das Laub und trottete ein paar Schritte weiter.

Nicht weit von ihr hüpfte Xii auf einen umgefallenen Baumstamm und ließ ihren Blick schweifen.

Zu ihrer Rechten fluchte der Fremde den sie heute getroffen hatte, als er scheinbar in eine unschöne Hinterlassenschaft getreten war und dann versuchte seinen Schuh am Laub, so gut es eben ging, zu reinigen.

Beide halfen ihr nun seit Stunden schon in diesem Wald nach dem verlorenen Relikt zu suchen das sie wieder in ihre Welt bringen sollte.

Philipp hatte sie beschrieben wie der Stab Morendras aussah, doch eines ließ sie unerwähnt. Als ihr beim Fall vom Himmel der Stab aus den Fingern glitt, hatte sie noch erkennen können wie er seine Form veränderte. Fort waren die Bernsteine die in dem knorrigen Holz eingelassen waren, und fort waren auch die in sanften Windungen verschlungenen Äste. Morendras war zu einem ganz gewöhnlichen Stück Holz geworden wie sie hier zu hunderten herum lagen.

Eher würde sie sich die Zunge abbeißen als auch nur ein Wort darüber zu verlieren, damit Xii nicht in einem Rausch der Raserei alles zerfledderte was ihr zwischen die Zähne kam.

Ein schwerer Kloß steckte in ihrem Hals, sie hatte das wertvollste Erbe ihres Volkes verloren, und dazu absolut keine Vorstellung davon wie sie es wieder finden sollte.

Würde er sich bemerkbar machen wenn sie in seiner Nähe war, oder wenn sie ihn berührte? Vielleicht hatte er aber auch wie sie in dieser Welt alle Magie verloren? Das würde bedeuten das sie hier festsaß, für immer.

Unter einem tiefen Atemzug holte sie Luft. Das war ganz und gar nicht ihre Art zu denken, sie musste sich zusammen reißen. Sie würde Morendras schon finden, nach Hause zurück kehren und die Standpauke ihres Lebens über sich ergehen lassen.
 

Der Schlafmangel zerrte an seinen Kräften, und seine Augenlider wurden von Minute zu Minute schwerer.

Nach einem herzhaften Gähnen bemerkte er das bald die letzten Strahlen der Sonne verloschen sein würden, und sie hatten diesen komischen Stab noch immer nicht gefunden.

Er musste der Tatsache ins Auge blicken dass diese Verrückte heute nicht mehr verschwand.

Gerade als er dazu ansetzte nach ihr zu rufen wurde ihm klar das er so versessen darauf gewesen war sie wieder los zu werden, das er nicht mal nach ihrem Namen gefragt hatte.

„Hey! Du... da... es wird bald dunkel. Wir sollten besser morgen weiter suchen.“

Irgendwas in ihren Augen und daran wie sie ihre Stirn runzelte, verriet ihm das auch unter ihrem Volk ein „Du Da“ nicht die höflichste Anrede war.

Langsam verschränkte er die Arme vor der Brust und deutete ganz beiläufig eine Vorstellung an. „Mein Name ist übrigens Philipp. Und deiner?“

Mit einem Mal hellten sich ihre Gesichtszüge auf und sie sprudelte ohne Umwege drauf los.

„Oh! Stimmt, wir haben uns ja noch gar nicht vorgestellt! Mein Name ist Lillaraya. Nenne mich aber einfach Lilly!

Naja, und Xii kennst du ja.“

Grummelnd fügte er noch hinzu das er auch deren Zähne nur zu gut kennen gelernt hatte und trottete dabei gemächlich in Richtung des Kiesweges der den eigentlichen Wald von dem Park trennte.

Schon aus der Ferne sah er einige Jogger und Leute die mit ihren Hunden spazieren gingen. Hatten die denn um diese Uhrzeit nichts besseres zu tun? Aus dem Augenwinkel musterte er seine Begleitung, seine Schritten verlangsamten sich bis er schließlich stehen blieb.

„Kannst du nicht irgendwas gegen diese... Äste auf deinem Kopf tun? Ich meine, du fällst sowieso schon auf. Aber eine kuriose Haarfarbe lässt sich schon eher erklären als... Bewuchs...“

Für mehrere Sekunden starrte sie ihn einfach nur an, ganz langsam zogen sich ihre Augenbrauen zur Mitte ihrer Stirn hin zusammen.

Plötzlich war die überschwängliche Heiterkeit aus ihrem Gemüt verschwunden und sie blickte ihn an, als hätte er sie zutiefst beleidigt.

„Für Ellydren ist ihr Bewuchs, wie du es nennst, ihr ganzer Stolz. Sie sind ein Geschenk des Lebens. Umso größer er ist, umso mehr Segen wird uns auf unserem Weg entgegengebracht.

Hier auf diesem Planeten sind sie schon auf die Größe meiner Kindheit zurück geschrumpft. Jetzt soll ich sie auch noch ganz verbergen?“

Beschwichtigend hob Philipp seine Hände, ihr zorniger Blick verunsicherte ihn. Genau einen halben Tag kannte er sie erst, aber das sie auch wütend werden könnte, hatte er ihr irgendwie nicht zugetraut.

„Schon gut. Aber die Menschen hier... werden vielleicht komische Fragen stellen und nachher landest du noch als Versuchskaninchen in irgendeinem Labor. Ich will dir nur Ärger ersparen.“

Lilly´s strenger Blick richtete sich auf die Menschen welche den Weg vor ihr passierten, so wenig es ihr auch gefiel, sie musste ihm Recht geben. Seit sie hier war, war sie gezwungen sich vielen fremden Blicken auszusetzen. Was ein Versuchskaninchen und ein Labor war, wusste sie zwar nicht, aber es konnte wohl nichts positives sein.

Ein leises Seufzen war zu hören bevor sie ihre Augen schloss. Nach ein paar Atemzügen hatte sie die nötige Konzentration gefunden und ballte die Hände zu Fäusten.

Philipp befürchtete sie würde gleich in Ohnmacht fallen, so rot wie wie sich ihr Kopf verfärbte. Mit wachsender Überraschung sah er wie sich die Äste Stück für Stück zurück zogen. Als von ihnen nichts mehr zu sehen war atmete Lilly tief aus und tastete am Ansatz ihrer Stirn entlang.

Ihre Lippen umspielte ein zufriedenes Lächeln aufgrund ihrer Willensstärke, just in diesem Moment ging ein Ruck durch ihren Körper und die kleinen Äste wuchsen weiter hinten auf ihrem Kopf wieder heraus.

„Oh...“

„Wie es aussieht müssen wir damit leben...“

Kapitulierend schüttelte er den Kopf und schlürfte weiter durch das Laub auf den Weg zu.
 

Auf leisen Sohlen schlichen die beiden zurück in sein Elternhaus, dicht gefolgt von vier kleinen Pfoten.

Erst als sie es in sein Zimmer geschafft hatten konnte er erleichtert aufatmen. Unter seiner Brille massierte er sich mit zwei Fingern seinen Nasenrücken, dabei ließ er sich müde in seinen Sitzsack fallen.

„Also gut, morgen ist Samstag, dann muss ich nicht in die Uni. Am besten ich besorge dir etwas zum anziehen, mir ist das zu gruselig wie uns die Leute anstarren. Als wäre ich ein Perverser der darauf steht wenn du meine Klamotten trägst.“

Ihm graute schon davor was seine Schwester wohl seinen Eltern erzählt hatte.

Im Schneidersitz ließ sie sich vor ihm auf dem Boden nieder und berührte geistesabwesend den Teppich auf dem sie saß, Menschen hatten schon merkwürdige Behausungen. „Was ist ein Perverser?“

„Nichts! Vergiss das bloß wieder!“ Stöhnend fuhr sich mit einer Hand über sein Gesicht. Am besten er achtete besser auf seine Wortwahl.

„Morgen finden wir hoffentlich deinen dämlichen Stab. Aber für diese Nacht musst du dich an ein paar Regeln halten, du hast mir heute schon genug Ärger gemacht!“

Langsam beugte er sich zu ihr vor und starrte sie mit aller Strenge an die er trotz seiner Müdigkeit noch aufbringen konnte.

„Punkt Eins: Ruhe! Keiner soll mitbekommen das du hier bist! Punkt Zwei: Unauffälligkeit! Ich weiß vieles hier ist neu und fremd für dich, aber merkwürdiges Verhalten zieht nur Aufmerksamkeit auf sich. Punkt Drei: Du machst das was ich dir sage, dann haben wir am wenigsten Probleme vermute ich.

Ich will dir helfen das du wieder in deine Welt kommst, und ich will meinen Frieden wieder haben. Also müssen wir uns entgegen kommen.

Hast du das verstanden?“

Als sie auf seine Frage mit einem eifrigen Nicken antwortete seufzte er zufrieden und ließ sich wieder in seinen Sitzsack sinken. Alles was er jetzt noch wollte war eine Dusche und dann ganz viele Stunden Schlaf. Blieb nur noch zu hoffen das diese Ellydren auch schliefen.

Plötzlich schrak er hoch als sich sein Gewissen und seine gute Erziehung bei ihm meldeten. „Du musst sicher Hunger haben! Was... esst ihr denn?“

Mit einem freundlichen Lächeln winkte die junge Frau ab. „Dieses Bedürfnis habe ich nicht. Nur für Wasser wäre ich sehr dankbar, und für Xii Früchte, Beeren, was du da hast“

Die Fuchsdame die bisher vergleichsweise friedlich neben ihr gesessen hatte knurrte Philipp an als wollte sie sich bei ihm beschweren das er erst auf den Gedanken kam dass sie Hunger oder Durst haben könnten.

Kurze Zeit später kam er wieder zurück und stellte Xii eine Schale mit ein paar klein geschnittenen Früchten hin und reichte Lilly eine Flasche Wasser. Als der kleine Fuchs die Schale skeptisch beschnupperte und erst nach langem zögern zu fressen begann fand er es schon etwas schade dem Essen nichts giftiges beigemischt zu haben.

„Dieses undankbare Biest...“

Beiläufig nahm Philipp die Fernbedienung in die Hand und warf sie spielerisch von einer Hand in die andere.

„Und du brauchst nichts außer Wasser?“

Ohne die Flasche auch nur einmal abgesetzt zu haben leerte Lilly diese in einem Zug und atmete erleichtert auf, kopfschüttelnd blickte sie zu dem Kerl der sie fassungslos anstarrte.

„Nein, nur Wasser und Sonnenlicht. Mehr benötigen Ellydren nicht, dafür diese beiden Dinge umso dringender.“

Müde rieb sich Philipp die Stirn und schaltete den Fernseher ein ohne sich etwas dabei zu denken, er wollte nur wie jeden Abend die Nachrichten schauen. Als auf dem Bildschirm eine adrett gekleidete Frau erschien um von den Geschehnissen in der Welt zu berichten, ertönte neben ihm ein schriller Aufschrei.

Lilly hechtete hinter ihn und krallte sich fest in seine Schultern, Xii gab etwas von sich das wie ein Fauchen klang, und bevor er realisieren konnte was hier vor sich ging, sprang die Ellydre schon wieder auf ihre Füße und rannte zu dem Fernseher.

„Wie bist du denn dort hinein gekommen?“

Doch die unhöfliche Frau wollte ihr einfach keine Antwort geben! Forsch warf sie einen Blick hinter den Bildschirm und weitete erschrocken ihre Augen. „Haaaa? Das ist ja ganz flach! Das ist Magie!“

Mit einem Sprung um die eigene Achse nahm sie Philipp ins Visier und starrte ihn eindringlich an.

Was hatte er eigentlich erwartet? Das es auch in ihrer merkwürdigen Welt etwas Vergleichbares gab und das hier für sie völlig normal war?

Rasch schaltete er den Fernseher wieder aus und rappelte sich müde auf die Beine, dabei hob er beschwichtigend eine Hand.

„Keine Magie. Lediglich Technik. Hör mal... ich kann mir vorstellen... nein, eigentlich kann ich es mir nicht vorstellen, aber hier gibt es ganz viele Dinge die es in deiner Welt nicht gibt. Aber das hat alles nichts mit Magie zu tun.

Wir könnten die ganze Nacht hier sitzen und ich erkläre dir alles, aber ich bin todmüde.

Außerdem gehen wir davon aus das wir morgen deinen Stab finden und wir alle wieder glücklich und stressfrei unserer Wege gehen.“

Philipp atmete einmal tief durch und drehte Lilly den Rücken zu. Ihm war als konnte er das Rattern hinter ihrer Stirn hören.

Irgendwie tat sie ihm sogar ein bisschen leid. Sie war hier in dieser fremden Welt, unwahrscheinlich viele Eindrücke prasselten auf sie ein, überforderten sie... ihr musste der Kopf sonst wo stehen. So wie ihm.

Mit einem Blick über die Schulter sortierte er schon gedanklich ein paar nette Worte, bis sein Bild von einer völlig überforderten Lilly zerplatzte.

Sie lag flach auf dem Boden, beachtete ihn gar nicht, und strich mit einer Hand immer wieder über seinen beigefarbenen Teppich als wollte sie ihn mit vollster Hingabe streicheln.

Wortlos ging er die schmale Holztreppe hinauf, die nur aus wenigen Stufen bestand, und auf eine kleine gemütliche Galerie führte die sich über seinem Schreibtisch befand. Dort oben war es nicht sehr geräumig, gerade mal sein Bett, bestehend aus einer Matratze und einigen Kissen, hatte Platz. Keine drei Meter vom Ende des Bettes führten die Stufen schon wieder hinunter.

Dennoch liebte er diesen Platz. Es war friedlich und ruhig, die meiste Zeit zumindest.

Hinter ihm polterte es schon als ihm Lilly mit Xii auf der Schulter hinauf folgte. Ihre Augen wurden groß und sie quetschte sich an ihm vorbei, eher er reagieren konnte robbte der ungebetene Gast auf SEINEN Schlafplatz und drückte mit beiden Händen auf den Kissen herum.

„Woah! Ich habe schon gehört wie Menschen schlafen, aber das es so gemütlich ist hätte ich mir nie vorstellen können.“

Sofort fiel ihr das große Dachfenster schräg über dem Bett auf und sie tatschte wieder mit beiden Händen auf dem Glas herum. „Huch? Was ist das? Ich dachte erst das sein ein Loch!“

Nun konnte man ihre Handabdrücke betrachten statt nur einen langweiligen Himmel voller funkelnder Sterne.

Wütend knirschte Philipp mit den Zähnen und packte sich grob drei größere Kissen und die flauschige Fleecedecke die er in kalten Nächten noch zusätzlich nahm.

„Erinnerst du dich noch an Punkt Drei? Runter da! Vergiss es, ich bin schon so barmherzig und helfe dir bei deiner Suche, aber mein Bett ist mir Heilig!“

Die Kissen und die Decke drapierte er vor seiner eigenen Matratze zu einem mehr oder weniger gemütlichen Schlafplatz und deutete mit dem Finger darauf. „Hier wirst du schlafen!“

Sichtlich enttäuschte musterte Lilly das kleine Lager das für sie errichtet wurde und krabbelte von seinem Bett herunter. Zu ihrer vollen Größe konnten die beiden sich nicht aufrichten, dafür war es unter der Dachschräge zu niedrig und sie mussten die Köpfe schief legen.

„Gut, mache ich.“

Als er auch wirklich sicher war das sie sich auf IHREM Platz niedergelassen hatte stieg er die Treppe wieder hinunter.

„Ich brauche jetzt dringlichst eine Dusche und dann werde ich schlafen. Leg du dich am besten schon einmal hin und versuch die Augen zu schließen...“

Lilly sah dem Griesgram nach und seufzte leise als er die Tür geschlossen hatte. Als Xii von ihrer Schulter gesprungen war und kurz an der Decke schnüffelte, flüsterte die Ellydre leise mit einem Schmunzeln auf den Zügen.

„Ich hätte nie gedacht im Leben noch auf ein schlecht gelaunteres Wesen als auf dich zu treffen Xii.“

Der kleine Fuchs drehte sich mit einem Ruck zu ihr um, und sprach zum ersten mal wieder seit sie dem Menschen begegnet waren.

„Findest du diese Situation hier etwa noch amüsant? Morgen müssen wir alles dran setzen um Morendras zu finden. Keinen Tag länger will ich in dieser Welt und vor allem in dieser Gestalt hier bleiben! Außerdem stinkt es überall entsetzlich!“

Bevor sie ihrem Unmut noch stärker Luft machen konnte tätschelte Lilly mit ihrem Fuß den kleinen Rotschopf und grinste.

„Sei nicht immer so empfindlich! Meckern macht die Situation auch nicht besser. Genieße doch einfach unseren kleinen Ausflug! Wir lernen Neues kennen! Endlich mal ein Abenteuer. Und was Morendras betrifft, den werden wir morgen schon finden. Der Wald ist nicht sehr groß, und er muss ja irgendwo in der Nähe von der Stelle sein wo wir... nun ja... gelandet sind.“
 

Der Mond schien hell am Firmament und strahlte auf die kleine Galerie hinab.

Es war nicht das Mondlicht das sie um die Ruhe beraubte, es war viel mehr das was sie schon den ganzen Tag in ihrem Inneren versperrt gehalten hatte. Alles um sie herum schlief. Xii zusammen gerollt in ihrer Achselhöhle, und einen halben Meter über ihr Philipp in diesem bequemen Bett.

Vorsichtig damit der kleine Fellball nicht wach wurde stützte sie sich auf ihren Unterarmen ab und erhob sich Stück für Stück ganz vorsichtig. Lautlos kroch sie auf allen Vieren auf die bequemen Laken ihres neuen Freundes bis sie sich auf seiner Höhe, und direkt unter dem Dachfenster befand.

Neugierig betrachtete sie sein schlafendes Gesicht, es wirkte ganz komisch ohne all die Zornesfalten.

Rasch fand sie gefallen daran wie weich sich die Menschen betteten, zuvor hätte sie sich nie vorstellen können es gäbe etwas bequemeres als das Moos das ihr in ihrer Heimat als Nachtlager diente, aber auf diese Matratze wurde sie schon ein wenig neidisch.

Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden ob Philipp sie nun hier dulden würde oder nicht, schlüpfte sie mit unter seine Decke. Ihr Blick lieb auf den Sternen und dem hellen Mond hängen. Bei dem fremden Anblick war ihr Herz so schwer und zum ersten Mal wurde sie sich der Ferne ihrer Heimat bewusst. Warum nur hatte Morendras sie zwar zu den Menschen gebracht, aber auf so einen fernen Planeten. Er musste fern sein, denn dieser Mond glich keinem der Drei die sie kannte.

Noch lange schaute sie hinauf zum Sternenzelt und kämpfte mit ihrem Heimweh.
 

Irgendwas kitzelte ihn unter seiner Nase und ließ sich einfach nicht durch ein Wedeln mit der Hand vertreiben.

Immer mehr reizte es seine Nerven, und er dämmerte unsanft dem Zustand des Wachseins entgegen.

Plötzlich wurde ihm bewusst das hier etwas ganz und gar nicht stimmte.

Blind tastete er nach seiner Brille und setzte sie auf bevor er träge seine Augen öffnete. Bei dem Anblick der sich ihm bot blähten sich seine Nasenflügel vor aufwallender Wut.

Da lag tatsächlich diese Verrückte, unter seiner Decke, kuschelte sich mit einem selbstzufriedenen Lächeln an ihn und machte ihm klar das der gestrige Tag kein Traum gewesen sein konnte, noch bevor er diese Hoffnung hätte haben können.

Einer ihrer Arme lag über seiner Brust und ihr Kopf schmiegte sich dreist an seine Schulter. Ihm entging nicht ihr angenehmer Duft nach Frühlingswiese und ihr weicher, menschenähnlicher Körper so dicht an seinem. Viel zu dicht.

Mit einem Satz fuhr er hoch und stieß sich fast den Kopf an der Dachschräge.

„Was soll das? Ich glaube ich hatte dir gesagt du sollst auf deinem Platz bleiben!“

Müde rieb sich Lilly ihre Augen und seufzte leise. „Hmmm? Was ist passiert?“

In geduckter Haltung marschierte Philipp auf den Rand der Galerie zu und kletterte die Leiter unter leisen Flüchen hinab.

Für solche Spielchen am Morgen war er definitiv zu lange Single...

Von draußen hörte er schon hektische Schritte, wohl jemand der durch sein lautes Rufen angelockt wurde.

Noch bevor er auf das knappe Klopfen an seiner Tür reagieren konnte, wurde sie von seinem Vater geöffnet.

„Ist alles in Ordnung Phil? Ich war gerade auf der Treppe und habe dich brüllen gehört.“

„Ja... ich habe nur... schlecht geträumt. Es wäre dennoch zu freundlich von dir wenn du nicht einfach in mein Zimmer platzen würdest.“

Mit einem Ruck wandte er seinen Blick ab und suchte mit seinen Augen hektisch das Zimmer ab, ganz nebenbei während er Stoßgebete gen Himmel sandte das hier nichts von Lilly herum lag das die Aufmerksamkeit seines Vaters erregen könnte.

Eigentlich war Metthew gekommen um seinen Sohn zu fragen ob er an diesem Wochenende nicht etwas mit ihm unternehmen wollte. Er machte sich nicht so viele Sorgen wie seine Frau, aber ihm wäre es auch lieber wenn sein Spross weniger Zeit vor diesen Videospielen verbringen würde. Etwas Abwechslung würde ihm sicher gut tun.

Seine Lippen öffneten sich bereits als er zum Sprechen ansetzten wollte, als er eine Bewegung aus dem Augenwinkel registrierte.

Sein Blick wanderte hinauf zu der Galerie, und gegen alle seine Erwartungen sah er ein Paar leuchtend, grüner Augen die über den Rand direkt auf ihn hinab blickten. Kurz weiteten sich diese Augen ehe sie wieder verschwanden.

Ihm klappte ja fast die Kinnlade runter als ihm bewusst wurde das er da tatsächlich gerade ein Mädchen gesehen hatte.

Moment, waren das türkisfarbene Haare gewesen?

Um sich selbst aus der Starre zu befreien schüttelte Metthew den Kopf und blickte wieder zu seinem Sohn der gerade dabei war sich eine Jeans über zu ziehen. Ganz langsam bildete sich ein breites Grinsen auf seinen Zügen.

Alle seine Befürchtungen waren mit einem Mal fortgeblasen. Mit seinem Sohn war alles in bester Ordnung.

Philipp zuckte kurz zusammen als er eine Hand auf seiner Schulter spürte die ihn anerkennend tätschelte.

Mit zwei Fingern richtete er seine Brille und blickte in das Gesicht seines Vaters. Warum er dort ein ausgiebiges Schmunzeln entdeckte und dieser ihm auch noch zunickte, verstand Philipp nicht und runzelte skeptisch die Stirn.

„Was... wolltest du von mir?“

„Ach nichts mein Junge, ach nichts. Genieße deinen Tag. Vielleicht werde ich deine Mutter noch schick zum Abendessen ausführen damit du deine Ruhe hast.“

Deutlich übertrieben zwinkerte er seinem Söhnchen noch zu und verschwand wieder aus dem chaotischen Zimmer.

Eine ganze Weile lang stand Philipp nur da und starrte auf die Tür wo sein Vater hinausgetreten war. Hatte diese Ellydre irgendwas angerichtet von dem er noch nichts wusste? Hatte sie seinen Eltern, gar ihm, etwas eingepflanzt das ganz langsam sein Gehirn verzehren würde.

Erst die Stimme der besagten Dame riss ihn aus seiner Paralyse.

„Kann ich jetzt runter kommen?“

„Ja... kannst du. Und deine Ohren kannst du direkt auch mal spitzen.“

Feste schlug er sich die Hand vor den Kopf als Lilly ihn fragend ansah und wissen wollte wieso sie denn ihre Ohren spitzen sollte, und vor allem mit was denn? Was um alles in der Welt hatte er eigentlich verbrochen?

„Hör einfach zu. Ich werde jetzt einkaufen gehen damit du etwas zum anziehen hast. Es liegt nicht in meinem Interesse noch mehr Aufsehen als nötig zu erregen. Falls das mit deiner Haarfarbe überhaupt möglich ist. Und wenn ich wieder da bin werden wir deinen Stab suchen. Du wirst solange hier in meinem Zimmer bleiben und es nicht verlassen! Verstanden? Fass am besten auch nichts an... atme einfach nur und sitz still.“

Nachdenklich kaute er auf seiner Unterlippe herum, hatte er auch keinen Befehl vergessen? Nach der Sache gestern mit seiner Schwester wollte er unbedingt vermeiden das sie für noch mehr Unruhe sorgt.

Nachdem er Lilly alles nochmals erklärt hatte, in der Hoffnung sie würde verstehen wie wichtig ihm seine Anweisungen waren, machte er sich samt Stein im Magen auf den Weg.
 

Wieso sollte sein Plan sich auch als derart einfach erweisen? Ein junger Mann der für eine junge Frau Kleidung einkaufen geht. Was kann daran schwer sein? Diese Frage würde er sich ab dem heutigen Tag nie wieder stellen.

Als er so dahinschlenderte, durch die Vielfalt der Damenbekleidungsabteilung, und sich die Auslagen genauer ansah, entging ihm natürlich nicht das etliche neugierige Augen auf ihm ruhten.

Zusehens machte ihn die Gewissheit beobachtet zu werden immer nervöser. Rasche Blicke huschten umher, die Handinnenflächen wurden feucht und verschwanden in seinen Hosentaschen weil das weniger auffällig wirken sollte, und dazu führte ihn noch seine unorthodoxe Laufrichtung in die Damenunterbekleidungsabteilung.

Hektisch wanderten seine Blicke von einem Spitzendessous zum anderen.

Eine der Verkäuferinnen wurde sichtlich entschlossener diesen Lustmolch auf frischer Tat zu ertappen und schlich sich immer näher an ihn heran, wie ein Raubtier das seine Beute umkreiste.
 

Ein paar wenige Stunden später rollte sein schwarzer Kleinwagen, den er sich mit einem Nebenjob im Altenheim finanzierte, die Einfahrt seines Elternhauses entlang und kam leise klappernd zum Stillstand.

Nachdem er seine Stirn fast blutig an dem Lenkrad geschlagen hatte, sackte er schlaff im Sitz zusammen. Für solche Aktionen fühlte er sich definitiv zu alt.

Als er versucht hatte ein paar der Damenschlüpfer unter einem Pullover zu verstecken den er sich über den Arm geworfen hatte, und endlich die peinliche Aktion an der Kasse hinter sich bringen wollte, hatte das Raubtier ihn erwischt.

Es hatte nicht gelangt ihn von hinten anzuspringen und auf die Knie zu zwingen, so laut zu rufen das auch der letzte Kunde des gesamten Einkaufscenters gehört hatte wie er Mädchen Slips versteckte, nein, man musste auch noch einen Security rufen lassen. Noch immer hatte er das Gefühl diese groben Hände überall zu spüren.

Vier verschiedene Geschäfte hatte er durchkämmen müssen, bis er den Dreh raus hatte, wie man sich als Mann unauffällig in der Damenbekleidungsabteilung bewegte.

Wütend schnappte er sich die Tüte mit der Ausbeute welche auf dem Beifahrersitz gelegen hatte und stieg seufzend aus dem Wagen aus. Bevor er sich sicher sein konnte das dieser Tag nicht noch schlimmer werden würde, riss ihn die Realität hart

auf den Boden zurück.

Links neben dem Haus, befand sich ein kleiner, aber mit Mutterliebe bepflanzter Garten, der durch eine dichte Hecke vom Bürgersteig getrennt wurde. Genau an dieser Hausecke, in passender Nähe zu dem erblühenden Garten war eine Regentonne angebracht. Alles in allem völlig normal, würde dort nicht eine junge Frau an besagter Tonne stehen, vornübergebeugt und dessen Inhalt trinkend.

In letzter Minute gelang es ihm nicht die Beherrschung zu verlieren und die ganze Nachbarschaft von seiner Fassungslosigkeit durch lautes Schreien zu informieren. Stattdessen rannte er die wenigen Meter zu ihr herüber und zischte wie eine Schlange als er in ihrer Hörreichweite angekommen war.

„Was um alles in der Welt machst du denn da??? Ich hatte dir doch gesagt du sollst im Haus bleiben! Kannst du nicht einmal machen was ich dir sage?! Du bringst mich noch in Teufelsküche! Hast du eine Ahnung was ich wegen dir heute schon wieder durchgemacht habe?“

Bevor er seinen Ärger weiter auf sie niederhageln lassen konnte, zerrte etwas unter wütendem Knurren an seiner Hose.

Xii, dieser kleine grantige Wolf im Schafspelz biss in sein Hosenbein und warf den Kopf nach Rechts und nach Links.

Die nette Begrüßung ließ Lilly die Stirn in Falten legen, und sie gar nicht daran denken Xii zurück zu rufen. Mit einer Hand wischte sie sich die letzten Wassertropfen von ihrem Kinn und verschränkte die Arme trotzig vor der Brust.

„Du hast auch nicht dein Versprechen gehalten! Bald wolltest du zurück sein, Stunde um Stunde habe ich gewartet, bedacht darauf keinen Laut von mir zu geben. Außerdem hattest du mir kein Wasser da gelassen, ich brauchte dringend welches. Meine Haut wurde schon ganz knittrig.“

Während er versuchte Xii los zu werden indem er sein Bein kräftig ausschüttelte, taxierte er Lilly mit tödlichen Blicken. „Knittrige Haut? Was... nein, ich will es gar nicht wissen. Zieh dich einfach um damit wir los können. Ich will diesen Morschdas so schnell wie möglich finden damit du wieder nach Hause kannst.“

Lilly freute sich sehr das er so darauf bedacht war ihr zu helfen, rasch waren ihre Zornesfalten beseitigt, und es brauchte auch nicht viel Aufwand Xii von seinem Bein zu pflücken. Feste presste sie den kleinen Fuchs an ihre Brust und begann scheinbar mühelos den alten Walnussbaum empor zu klettern um durch einen beherzten Sprung wieder in sein Zimmer zu gelangen. Noch während sie empor kletterte rief sie Philipp zu. „Morendras. Er heißt Morendras!“

Mit offenem Mund verfolgte er die gesamte Kletteraktion und betete im Stillen darum das dieser Tag nicht so lang werden würde wie der letzte. Immerhin hatte sie eine seiner Bitten befolgt und sich darum gekümmert das die Äste auf ihrem Kopf nicht mehr jedem ins Auge stechen würden. Sie hatte sich ganz simpel die Haare drum herum gewickelt, was zwar nicht weniger auffällig war, man aber viel eher auf einen Fabel für verrückte Frisuren schieben konnte.
 

Die untergehende Sonne färbte den Horizont schon in ein seichtes orange, als Philipp endlich aufhörte an seiner Hoffnung fest zu halten. Auch dieser Tag neigte sich dem Ende ohne das sie das magische Relikt gefunden hatten.

Unter einem verzweifelten Aufstöhnen musste er wohl oder übel akzeptieren das sie wieder eine Nacht bei ihm verbringen würde. Kurz machte sich die Angst in ihm breit sie würden diesen Stab vielleicht nie finden, und was dann? Würde er sie für immer am Hals haben?

„Philipp, du bist so blass. Ist alles in Ordnung?“

Die Stimme der Ellydre riss ihn aus seinen Gedanken, ihre Frage tat er mit einem Kopfschütteln ab und rückte sich mit dem Mittelfinger die Brille zurecht.

„Mein Magen knurrt und die Sonne wird bald unter gehen... Wir sollten uns auf den Weg machen, und beten das wir morgen deinen Stab finden. Ewig kann ich dich nicht bei mir verstecken.“

Mit einem schweren Herzen sammelte Lilly ihre treue Begleiterin Xii ein, und erntete gleich einen wütenden Blick von dieser. Vor dem Menschen wollte sie nicht sprechen, aber das brauchte sie auch nicht, ihr war bewusst welche Standpauke sie sonst über sich ergehen hätte ergehen lassen müssen.

Schweigend folgte sie Philipp und versuchte sich nicht anmerken zu lassen das auch in ihr die Sorge wuchs Morendras nie wieder zu finden. Im Gegensatz zu den beiden wusste sie das er sich beim Sturz vom Himmel in einen einfachen Stock verwandelt hatte. Was wenn er all seine magische Kraft ebenfalls verloren hatte und sie nun für immer hier fest saß?!

Energisch schüttelte sie ihren Kopf um die düsteren Gedanken zu vertreiben. Nein, an solch eine Gegebenheit wollte sie nicht einmal denken.

Als das ungleiche Trio wieder zu Hause ankam, nahm sie wie immer den Weg durch das Fenster hinein um nicht gesehen zu werden. Ihm stellten sich noch immer die Nackenhaare auf wenn sie zum Sprung ansetzte, aber er musste sich auch eine gewisse Bewunderung für ihre wachsende Zielsicherheit eingestehen.

Mit dem Fuß schob er ein paar Kleidungsstücke fort und ließ sich hart auf den Boden fallen. Müde rieb er sich das Gesicht, eigentlich müsste er dringend für eine Klausur in der nächsten Woche lernen, aber nach den letzten zwei Tagen stand ihm eher der Sinn nach ein wenig Abschalten.

Kaum hatte er den Fernseher angemacht, klebte Lilly auch schon wieder an seiner Seite und beäugte staunend die bunten Bilder in diesem merkwürdigen Fenster. Ihr Verstand war deutlich überfordert und er musste ihr immer und immer wieder erklären wie das funktionierte und wofür man das brauchte. Geschehnisse aus der ganzen Welt verfolgen, sehen was andere Menschen tun, nicht tun, besser tun sollten, Menschen die anderen zeigen wie man die köstlichsten Gerichte kocht, ja sogar Menschen die komische Fragen beantworteten und dafür bedrucktes Papier erhielten. Diese Freude darüber erschloss sich ihr auch nach einer eingehenden Erklärung von ihm nicht, wieso man sein Glück von ein wenig Papier abhängig machte. Oder wieso andere ihr Hab und Gut für dieses Papier hergaben. Besonders interessant fand sie diese sogenannte Werbung in der einem vermittelt wurde was man unbedingt benötigte.

Hier gab es so viele Dinge die einem das Leben erleichtern sollten, Dinge von denen sie nie etwas gehört hatte, und sie hatte viele Gerüchte über die Menschen gehört. Diese Welt hier schien viel weiter entwickelter zu sein als die ihre.

Xii hingegen interessierte sich für all diese Themen kein bisschen, es ärgerte sie dass Lilly immer mehr Gefallen an diesem Ort hier zu finden schien. Morendras ist das Allerheiligste was ihrem Volk noch geblieben war, und gerade sie sollte sich mehr bemühen ihn zu finden. Was sollte aus den Ellydren werden nachdem sie schon so viel verloren hatten.

Zornig kaute sie dieses ekelhafte Obst was der Mensch ihr hingestellt hatte, den Gedanken das er irgendeine giftige Substanz hinein gegeben hatte, verlor sie nicht ganz. Sie schmeckte etwas das sich falsch anfühlte, aber von irgendwas musste sie ja leben.

Philipp war schon bald ihre Fragen leid und nahm ein anderes, komisch aussehendes Gerät in die Hand. Nach ein paar Knopfdrücken veränderte sich der Bildschirm und merkwürdige Symbole erschienen überall. Aus dem Augenwinkel musterte er Lilly argwöhnisch und presste kurz die Lippen zusammen bevor er bemüht um Freundlichkeit seine Bitte an sie richtete.

„Du kannst mir gern zusehen, ist vielleicht ganz interessant für dich. Aber ich will jetzt auch mal etwas entspannen ja, also halte dich bitte mit deinen tausend Fragen zurück!“

Nach kurzem Zögern nickte sie ihm zu und verfolgte gespannt das weitere Geschehen auf dem Bildschirm.

Ein Krieger, gekleidet in eine beeindruckende Rüstung erschien. Sie glaubte zumindest das es ein Krieger sei, denn er trug ein breites Schwert auf dem Rücken.

Ihre Augen wurden immer größer als dieser kleine Mensch durch düstere Wälder streifte und sie beängstigende Laute aus allen Richtungen wahr nahm. Instinktiv versuchte sie die Umgebung zu erforschen und nach dem zu tasten was sie vernahm. In den Wäldern ihrer Heimat lauerten viele wilde Geschöpfe, friedlich gesinnt oder hungrig. Wenn eines ihr zu Nahe kam, besänftigte sie diese immer und vermittelte ihnen das von ihr keine Gefahr ausging.

Aber hier spürte sie gar nichts. Plötzlich kam eine Kreatur aus dem Unterholz gesprungen und attackierte den kleinen Krieger.

Unter einem leisen Aufschrei zuckte sie zusammen und beobachtete weiter wie die Kreatur im Nu blutend am Boden lag nachdem das breite Schwert es niedergestreckt hatte.

„Was... was ist das? Ich habe dieses Tier nicht gespürt! Wie konnte...“

Philipp hob knapp die Hand und rollte mit den Augen.

„Das ist ein Videospiel. Ich steuere den Kerl da hier mit dem Controller.“ Er fuchtelte kurz mit diesem kleinen, merkwürdigen Objekt vor ihrer Nase herum. „Nichts besonderes. Wenn ich hier drücke kann ich schlagen, damit ausweichen und hier habe ich ein paar Heiltränke wenn ich mal zu viel abbekomme. Ich bin gerade auf dem Weg zu einem Drachen den ich besiegen muss.“ Plötzlich stockte er als sein Gegenüber ihn mit weit aufgeklappten Mund anstarrte, und er fast schon Angst bekam sie hätte aufgehört zu atmen.

„Du... du bist das da?“ Ungläubig deutete sie auf den Bildschirm. „Dann bist du ja ein wahrer Held!!! Diese Kreatur hast du ohne Probleme besiegt!“

Bevor er ihr erklären konnte das er das gar nicht wirklich war, packte sie ihn fest an den Schultern und rüttelte ihn ordentlich durch.

„Ich bitte dich! Komm mit mir wenn wir Morendras gefunden haben! Vielleicht kannst du unser Volk von dem Joch der Menschen befreien! Wenn sich einer der Ihren ihnen in den Weg stellt, werden sie sich bestimmt nicht mehr trauen zu uns zu kommen!“

Als sie denn endlich aufhörte ihn durchzuschütteln, hatte er arge Probleme seine Brille wieder zu richten. Ihre Worte ergaben für ihn keinen Sinn, wovon redete diese Irre? Doch als er in ihr Gesicht blickte, erstarrte er förmlich vor all der aufrichtigen Hoffnung in ihren Augen. Ihre Hände waren wie zu einem Gebet gefaltet und sie rutschte ganz nah an ihn heran, sodass er ihren warmen, weichen Körper deutlich spüren konnte. Er hätte ihr einen dickeren Pullover kaufen sollen.

Hastig rutschte er ein Stück von ihr fort und hob abwehrend beide Hände.

„Moment! Du missverstehst das! Ich bin kein Held... das ist einfach nur ein Videospiel. Es ist nicht real! Ich kann mich nicht in diese Figur verwandeln oder sonst was in der Art.“

Irgendwie war ihm als könnte er sehen wie seine Worte in ihr Ohr eindrangen und aus dem anderen wieder heraus rieselten.

„Aber du besitzt große Fähigkeiten wenn du dazu in der Lage bist!“ Aufgeregt deutete sie auf den Bildschirm und robbte wieder nahe an ihn heran. Mit beiden Händen klammerte sie sich an sein T-Shirt und sah flehend zu ihm auf.

Gerade als er kurz davor war die Geduld zu verlieren und ihr womöglich noch den Hals herum gedreht hätte, klopfte es an seiner Tür. Noch bevor er auch nur einen Ton sagen konnte, war seine Mutter bereits mit beiden Füße über die Schwelle getreten.

Kyara traute ihren eigenen Augen nicht. Dort saß ihr Sohn, auf dem Boden seines furchtbar unordentlichen Zimmers und ein junges Mädchen mit sehr merkwürdig aussehenden Haaren, klammerte sich fest an ihn. Das Leuchten in ihrem Gesicht deutete auf einen leidenschaftlichen Augenblick hin, das sah sie ganz unmissverständlich.

„Ma! Verdammt kannst du nicht anklopfen und warten bis ich geantwortet habe?!“ Eilig zupfte er Lillys Hände von seinem T-Shirt und rutschte ein gutes Stück von ihr fort.

„Ich... wusste ja nicht das ich euch... störe. Mir war gar nicht bewusst das du Besuch hast. Hättest du sie, wie es sich gehört, vorgestellt, wäre ich nicht rein geplatzt.“ Kyara legte sich eine Hand auf die Wange und betrachtete verträumt ihren Jungen. Sie hatte sich schon Sorgen gemacht das er sich nach seiner letzten Freundin gar nicht mehr zusammen reißen würde, und ihn nun so innig mit diesem Mädchen zu sehen ließ ihr mütterliches Herz aufgehen.

Philipp sah aus dem Augenwinkel wie Lilly die Lippen öffnete um etwas zu sagen, eilig kam er ihr mit ein paar Worten zuvor. „Das ist Lilly. Sie ist eine Studienkollegin von mir. Wir arbeiten zusammen an einem Projekt. Hör auf so zu gucken, es ist sonst nichts weiter.“

Wütend runzelte Kyara die Stirn als ihr Sohn sie aus ihren romantischen Fantasien riss. Mit einem zauberhaften Lächeln blickte sie zu der jungen Dame mit dem türkisfarbenen Haar. „Lilly, freut mich dich kennen zu lernen! Mein Name ist Kyara. Darf ich dir etwas zu trinken anbieten!“

„Ma! Ich kümmere mich um sie. Du musst nicht...“

„Oh ja sehr gern! Wasser bitte, ich bin schon am verdursten.“ Glücklich lächelnd verfolgte Lilly wie Kyara das Zimmer wieder verließ. „Das ist deine Mutter? Sie hat eine so warme Ausstrahlung.“

Philipp knirschte noch eine ganze Weile lang mit seinen Zähnen. Die Schlinge um seinen Hals fühlte sich an als würde sie sich immer enger und enger ziehen.

Es dauerte noch eine ganze Weile bis seine Mutter nicht mehr alle paar Minuten angerannt kam um ihnen etwas neues anzubieten, und immer weiter an seinem Geduldsfaden sägte. Sein altes Leben war so viel langweiliger und besser gewesen, alles hatte seinen Rhythmus gehabt. Morgens ging er in die Uni, zweimal in der Woche arbeitete er nachmittags in einem Altenpflegeheim um sich etwas dazu zu verdienen und Abends, sowie das ganze Wochenende hatte er dann Zeit zum Zocken und sich in der virtuellen Welt mit seinen Freunden zu treffen.

Erst seit zwei Tagen war dieser Alltag gestört, und er wünschte sich nichts mehr als das alles wieder so war wie früher. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihm und er drückte Lilly die Fernbedienung in die Hand. „Hier und hier kannst du das Programm wechseln. Ich brauche eine Dusche um meinen Kopf zu kühlen.“

Flüchtig sah die Ellydre ihm nach, erst als er das Zimmer verlassen hatte krabbelte auch Xii wieder aus dem Versteck hervor das sie sich gesucht hatte.

Auf die vorwurfsvollen Blicke der Füchsin hatte sie so gar keine Lust und drückte ein paar Knöpfe auf diesem kleinen Gerät mit dem er dieses merkwürdige Fenster bediente. Sie kam aus dem Staunen nicht mehr heraus als sie durch nur einmal drücken etwas ganz anderes sah. Xii hatte kapituliert und war nach einem knappen anknurren hinauf auf die Galerie geklettert um die Augen vor dieser furchtbaren Welt zu verschließen.

Plötzlich geriet Lilly ins Stocken als merkwürdige Dinge in diesem Fenster erschienen. Ganz eindeutig schienen diese zwei Menschen sich um etwas zu Essen zu streiten. Immer wieder pressten sie ihre Lippen aufeinander und klammerten sich ganz fest an ihr Gegenüber, aber sie konnte absolut nichts essbares erkennen?! Ihr Kopf neigte sich leicht zur Seite als die beiden sich auch noch eilig ihrer Kleider entledigten, und mit ihr hatte man geschimpft als sie sich umziehen wollte, verstehe mal einer diese Menschen die selbst nicht zu wissen schienen was sie wollen.

Als die Frau erneut engen Körperkontakt zu diesem Mann zu suchen schien, senken sich ihre Augenlider und sie hauchte leise ein bittendes „Küss mich noch einmal“,Lilly musste sich diesen merkwürdigen Akt genauer ansehen. Den beiden schien zu gefallen was sie da taten. Unruhig wechselte Lilly die Sitzposition, ihr Herz klopfte viel stärker und wurde ganz warm in ihrer Brust, wenn das so viel Spaß machte, dann wollte sie das auch.

Noch etwas abgelenkt von ihren Gedanken und Wünschen zuckte sie zusammen als die Frau begann komische Geräusche von sich zu geben. Ihr Unterkiefer erschlaffte zusehend als sie mitansehen musste was der Mann plötzlich für merkwürdige Dinge mit der Frau anstellte. Ihre Wangen fühlten sich warm an, und ihr Herz begann noch etwas schneller zu klopfen. Gerade als sie begann diese Szenerie spannend zu finden, und sie sich fragte worauf das ganze hinaus laufen würde, hörte sie hinter sich ein erschrockenes Keuchen. Blitzschnell hechtete Philipp an ihr vorbei und riss die Fernbedienung an sich.

Als das Fenster wieder schwarz und leer wurde runzelte sie die Stirn und blickte vorwurfsvoll zu ihm auf.

„Das wollte ich sehen!“ Ihr Gegenüber gestikulierte sinnlos in der Luft herum bevor er seine Arme wieder unter Kontrolle zu haben schien. „Da gibt es aber nichts für dich zu sehen! Du kommst nur wieder auf dämliche Gedanken!“

Rasch stopfte er die Fernbedienung in irgendeine von den Schubladen seines Schreibtisches die er auch mal wieder aufräumen konnte. „Es reicht mir schon das meine Mutter dich jetzt gesehen hat und andauernd hier auftaucht!“

Träge kletterte er die schmale Leiter zu der Galerie hinauf und seufzte. „Ich gehe schlafen... Das solltest du auch tun, morgen früh gehen wir wieder los und ich gehe erst wieder ohne dich Heim!“

Er schlüpfte unter seine Decke und rieb sich erschöpft das Gesicht, noch einen Tag länger mit ihr würde er nicht überleben.

Als auch Lilly die Galerie hinauf geklettert kam fügte er noch schnell etwas hinzu. „Und du bleibst heute auf deinem Platz! Ich warne dich, schleiche dich bloß nicht wieder in mein Bett!“

Nur wenige Minuten der Harmonie und Stille waren verstrichen da hörte er ein leises Scharren auf dem Boden. Als er die Augen öffnete ging ihm der Schrecken durch Mark und Bein. Er sah irgendwas vor sich was da nicht hingehörte, panisch fischte er nach seiner Brille und setzte sie sich eilig auf.

„Sag mal! Hast du was an den Ohren oder was?“ Die Ellydre saß direkt vor ihm auf dem Boden und starrte ihn hochkonzentriert an. Verwundert über seine Frage betastete sie flüchtig ihre Ohren. „Hm? Nein, sie haben hier eine andere Form angenommen, aber ich habe eigentlich keine Probleme damit. Viel mehr stört mich mein mickriges Geäst.“

Sie deutete auf ihren Kopf und schüttelte eifrig den Kopf. Dann beugte sich sich vornüber und kam dem Menschen noch näher, ihr Blick bekam irgendwie etwas ganz verträumtes. „Aber das war nicht mein Anliegen. Die Frau eben wirkte so glücklich, ich will wissen wieso! Mach das mit mir Philipp. Bitte.“

In der nächsten Sekunde saß er wie eine Eins in seinem Bett und rutschte so weit es ihm möglich war von ihr fort, sein Herz drohte auszusetzen. „Was?! Du hast ja keine Ahnung was du da redest du... dumme Nuss! Ich werde das ganz sicher nicht mit dir machen!“ Nun wurde auch er etwas verlegen als er sich die Situation in nur einer Sekunde ausmalte und sie direkt wieder versuchte aus seinem Kopf zu verbannen. „Pflanze dich mit deinen eigenen Leuten fort!“

Das war sogar mal eine Erläuterung welche die junge Ellydre verstand. Schockiert weitete sie ihre Augen und beugte sich noch weiter vor. „Ihr pflanzt euch mit eurem Mund fort??? Wie interessant! Ich hatte da ganz andere Geschichten gehört!“

Harsch unterbrach er sie und schlug sich mit der flachen Hand vor seine Stirn. „Nein! Das mit dem Mund war nur ein Kuss, ein Zeichen von Zuneigung. Ich... ich will auch gar nicht wissen was du für Sachen gehört hast oder wie ihr das bei euch macht! Leg dich jetzt schlafen!“

Mit einem kleinen Sprung war sie auf seine Matratze gehüpft und faltete die Hände wie zu einem Gebet, er fragte sich wieso er sich überhaupt noch die Mühe machte ihr Befehle zu geben. Vielleicht sollte er ihr genau das Gegenteil von dem sagen was sie machen sollte damit sie gehorchte. Sein Ärger kühlte mit einem Mal ab als sie etwas sagte das er so gar nicht erwartet hätte.

„Aber wenn es eine Bekundung von Zuneigung ist, dann ist es doch in Ordnung. Schließlich mag ich dich sehr, du hilfst mir Morendras zu finden obwohl du das nicht tun müsstest. Zudem, auch wenn du immer schlecht gelaunt bist, kümmerst du dich um Xii und mich. Mit in dein Heim hättest du uns auch nicht nehmen müssen.“

Lilly schenkte ihm ein herzliches Lächeln, das ihn keine Sekunde lang an der Aufrichtigkeit ihrer Worte zweifeln ließ. Er merkte wie sein Groll über den ganzen Ärger den sie ihm bereitete verschwand und ein warmes Gefühl an dessen Stelle trat.

Nachdem er seine Brille wieder zurecht gerückt hatte räusperte er sich und brachte seine Worte nicht ganz so grob herüber wie sie wirken sollten. „Du hast dich mir doch aufgezwungen, da hatte ich ja wohl keine andere Wahl! Also schleim hier nicht so herum!“ Philipp packte sie bestimmt aber nicht zu feste an den Schultern und schob sie von seinem Bett herunter.

„Schlaf jetzt, sei still und bleib gefälligst auf deinem Platz!“ Schon mit dem letzten Wort zog er seine Decke so weit nach oben dass sie nur noch ein paar einzelne Strähnen von ihm ausmachen konnte.

Mit schwerem Herzen krabbelte sie unter ihre Decke und erntete von Xii einen wütenden Blick bevor diese ihr wieder den Rücken kehrte. Noch eine Weile betrachtete sie ihre Leibwache und beste Freundin, sie konnte ihre Wut und die Enttäuschung verstehen. Sie hatte sie unter einem falschen Plan mit in diese Sache hinein gezogen, sie waren auf einem fremden Planeten gelandet und saßen hier fest weil sie das wertvollste das ihr Volk noch besaß, verloren hatte.

Ein Lächeln lag auf ihren Zügen als sie die Augen langsam schloss. Sie würde sich schon wieder ein bekommen. Vor allem wenn sie diesen Menschen von seinen magischen Fähigkeiten überzeugt hatte, würde man ihr diesen kleinen Ausrutscher sicherlich verzeihen. Zuversichtlich hielt sie an ihrer Hoffnung fest das Philipp der sein könnte der ihrem Volk die Freiheit zurück schenkt.
 

Die Sonne stieg empor und kündigte einen neuen Tag an, ein weiterer Tag an dem eine kleine Gruppe die nahen Wälder durchkämmte, auf der Suche nach einem heiligen Relikt. Nur einer von ihnen wusste dass das wonach sie suchten in seiner eigentlichen Form nicht mehr zu finden war. Aber was würde nur geschehen wenn sie es den Beiden erzählte? Xii strafte sie jetzt schon die meiste Zeit mit strengen Blicken und beharrlichem Schweigen. Und Philipp, er würde ihr wohl wie versprochen den Hals herum drehen sodass sie rückwärts laufen müsste um den Weg vor sich zu sehen.

Eine Fliege schwirrte schon eine ganze Weile lang um sein Gesicht herum, und das ging ihm furchtbar auf die Nerven, Philipp hob den Blick und stand einem Tobsuchtsanfall nahe bevor sein Blick zufällig auf Lilly traf. Mit gesenktem Kopf stand sie da und starrte in die Leere. Ihre Trauer war selbst für ihn zum greifen nahe, und da erst begriff er das ihre heitere, unbeschwerte Art auch nur eine Maske sein könnte.

Sicherlich hatte sie Heimweh, und wünschte sich noch mehr als er diesen Stab endlich zu finden. Nach einer Weile des Zögerns fasste er sich ein Herz und ging auf den Trauerkloß zu, unbeholfen verschwanden seine Hände in den Taschen als er bei ihr angekommen war.

Mit großen, grünen Augen blickte sie fragend zu ihm auf und wartete, und wartete. „Ja...?“

„Wir scheinen auch heute keinen Erfolg zu haben, komm mit. Ich will dir etwas zeigen.“ Direkt nach seinen Worten wandte er sich ab und stapfte davon. Lilly zögerte nicht lange und wollte ihm gerade folgen als ein rötlicher Fellball direkt in ihren Weg sprang. „Wo wollt Ihr hin? Ihr wisst nicht was dieser Mensch im Schilde führt. Außerdem müssen wir Morendras finden! Das habt ihr doch wohl nicht bereits aufgegeben?!“ Die Wut in Xiis Stimme vernahm man deutlich. Noch deutlicher kam sie hervor als zwei Hände sie hoch hoben und an sich drückten. Ernsthaft spielte sie mit dem Gedanken Lilly in die Hand zu beißen.

„Jetzt bleib artig. Findest du es nicht auch komisch das Morendras uns erst hier her führt und dann unauffindbar ist? Vielleicht will er das wir hier irgendwas erleben das für uns wichtig sein könnte?“

Eigentlich hatte sie die Worte nur gesprochen um das Tosen des Zornes ihrer Freundin zu bändigen, aber wenn sie so genau darüber nachdachte, machte das ganze auch für die selbst einen Sinn. Das musste es sein! Sie musste diese Welt, diese Menschen hier vielleicht besser kennen lernen! Oder vielleicht war es auch ihre Bestimmung Philipp klar zu machen was er für ungeheuerliche Fähigkeiten hatte. Ein Breites Grinsen überzog ihr Gesicht, beflügelt von der Gewissheit das alles schon seinen Rechten Weg ging rannte sie dem Menschen hinterher und ignorierte das Fauchen und das Knurren in ihren Armen.
 

„Das... bringt uns zu einem anderen Platz? Aber wie soll das denn funktionieren?“ Genau nahm sie dieses deformierte Ding unter die Lupe. Es stand so steif da, rührte sich nicht und machte auch keinen Laut, also ein Tier konnte es schon einmal nicht sein beschloss sie.

Philipp machte sich gar nicht die Mühe genervt zu sein und stieg in sein Auto ein. Von Innen drückte er ihr die Tür auf und klopfte auf den Beifahrersitz. „Auch wenn ich es dir erkläre, du wirst es nicht verstehen. Setz dich einfach hin.“

Es brachte ihn sogar zum schmunzeln wie zaghaft sie sich nieder ließ und Xii in ihren Armen lauthals dagegen protestierte.

Ganz schnell war Ruhe eingekehrt als er den Schlüssel drehte und der Motor aufheulte.

„Gibt es denn bei euch keine Maschinen?“ Seine Sitznachbarin schüttelte energisch den Kopf und klammerte sich an alles was in greifbarer Nähe war. Die ganze Fahrt über hatte er damit zu tun, ihr zu erklären was eine Maschine war, und wie dieses aufregende Ding namens Auto funktionierte.

Den Mund voller Fusseln parkte er schließlich den Wagen ein, und musste jetzt Geduld beweisen bis seine Bekanntschaft aus einer anderen Welt wieder aussteigen wollte, sie war vollkommen fasziniert von diesem Ding was sich Auto nannte.

„Nur eines muss ich dir sagen, es atmet sehr schlechte Luft aus. Daran solltet ihr etwas ändern. Allgemein...“ Ihr Blick richtete sich in den Himmel und sie zog die Brauen zu der Mitte ihrer Stirn hin zusammen, „...habt ihr eine sehr komische Luft auf eurem Planeten finde ich. Die unsere ist viel... klarer.“

Philipp packte sie am Ärmel und zog sie energisch ein Stück weiter bevor er sie wieder los ließ. „Ja ja, da kümmern sich schon andere drum, komm jetzt. Ein kleiner Spaziergang wird dir vielleicht auch mit schlechter Luft gefallen.“

Um sie herum lag ein kleines Wäldchen in welches sie durch einen schmalen Pfad gelangten. Die Luft roch frisch und war erfüllt vom Gesang der Vögel. Kleine Gräser wiegten sich unter der Berührung eines lauen Windes. Die Geräusche der Dörfer wurden selbst für das gute Gehör der Ellydre immer weniger zu vernehmen.

Lilly ließ Xii hinab und betrachtete im vorbeigehen die ihr fremden Sträucher und Bäume. Obwohl die Fauna und die Flora hier deutliche Unterschiede aufwies, konnte sie auch viele Gemeinsamkeiten erkennen, ja sogar Pflanzen die denen in ihrer Heimat zum Verwechseln ähnlich waren fand sie hier.

Ihr Begleiter ging stumm an ihrer Seite entlang und warf ihr hin und wieder einen Blick aus dem Augenwinkel zu, er war zufrieden das sein Plan von Erfolg gekrönt schien.

Eine ganze Weile lang gingen sie schweigend nebeneinander her und lauschten dem Flüstern des Wäldchens bis der Weg sie schließlich an einen kleinen See brachte, dessen Oberfläche mit Seerosenblättern bedeckt waren. Die junge Ellydre rannte die letzten paar Schritte auf das Ufer zu und gab einen Jauchzer der Freunde von sich.

Bevor Philipps Zufriedenheit noch Übermaß nehmen konnte war es schon geschehen. Samt der neuen Kleidung verschwand Lilly mit lautem Platschen im Wasser und war nicht mehr gesehen.

Mit beiden Händen bedeckte er sein Gesicht. Nein, neue Klamotten würde er ihr sicherlich nicht kaufen, im Traum dachte er nicht mal daran! Soll sie doch rumlaufen wie sie will, sollen die Leute doch denken was sie wollen.

Träge sackte er auf einer Bank direkt am Ufer zusammen und spürte nicht einmal Erleichterung als er den Türkisfarbenen Schopf wieder auftauchen sah. Lilly winkte freudestrahlend und meinte er soll ihr doch Gesellschaft leisten. Trotz des verlockenden Angebotes lehnte er dankend ab.

Nach der kurzen Erfrischung stapfte sie wieder aus dem Wasser heraus, ihre Kleidung hing schwer an ihr herab.

„Eure Kleidung ist wirklich sehr unpraktisch. Sie lässt kaum Licht durch und zum schwimmen eignet sie sich ebenfalls nicht.“ Nass wie sie war ließ sie sich neben ihm auf der Bank nieder, doch er würdigte sie keinen Blickes und starrte hochkonzentriert in eine andere Richtung.

„Bist du nicht auch mit Kleidung her gekommen? Viel war es nicht, aber es war auch Stoff oder?“ Vorsichtig drehte er seinen Kopf in ihre Richtung, entschied sich dann aber doch lieber wieder den Blick ins Grüne schweifen zu lassen.

In dem Ton ihrer Antwort konnte er unmissverständlich eine Art von Kränkung hören.

„Das hat meine Mutter für mich hergestellt! Weil ich noch sehr jung bin und meinen Körper noch nicht so beherrsche wie es andere können!“

Xii, die am Ufer saß und grimmig ihr Spiegelbild in der Wasseroberfläche betrachtet hatte wandte ihr den Kopf zu und sah sie skeptisch an. Lilly drohte ihr mit dem Zeigefinger sich nicht diesen Momentes dazu zu entscheiden ihre Sprache in Gegenwart des Menschen wieder zu finden, und zu offenbaren das sie sich einfach zu blöd anstellte und keine Lust zu üben hatte.

Nun hatte sie doch seine Aufmerksamkeit, und er musste alle seine Konzentrationsfähigkeiten darauf verwenden nur ihr Gesicht zu fixieren. Nicht etwa den wohlgeformten Körper, der durch die nasse Kleidung die an ihr klebte, viel zu sehr betont wurde. Ganz langsam nahm er seine Brille ab und hing einen Bügel in den Kragen seines T-Shirts. Diesen Kampf konnte ein junger Mann einfach nicht gewinnen, gestand er sich ein.

„Wie meinst du das: Du kannst deinen Körper noch nicht beherrschen?“

„Wir Ellydren benötigen eigentlich keine Kleidung wie ich sie getragen hatte. Da unser Körper und unser Geist mit der Natur verbunden sind, können wir die Eigenschaften unseres Endosymbionten mit dem wir auf die Welt kommen, nutzen um unseren Körper zu formen.“

Lilly deutete auf ihre Haarknoten unter denen die Wucherungen ihrer Äste verborgen lagen, anschließend tippte sie auf den gelben, ovalen Stein der etwas unterhalb ihres Schlüsselbeines in die Haut eingewachsen war.

„Das ist was wir „Seele“ nennen. Mit ihr können wir die Gabe unseres Symbionten steuern. Meiner ist eine Sturmeiche, doch in eurer Welt kann ich seine Kraft kaum spüren und sie nicht verwenden.

Ellydren die ihre Seele beherrschen, können sich alle möglichen Eigenschaften ihres Inneren bemächtigen und ihren Körper mit Ästen, Blätter, Blüten, oder was auch immer ihnen gegeben wurde, schmücken.“

Sie stockte als Philipp die Hand hob und sie ungläubig anblinzelte.

„Endo...symbionten?“

Lilly zuckte nur fragend mit den Schultern. „Diese Bezeichnung habe ich in deinem Wortschatz entnommen als ich deinen Verstand berührte um eure Sprache zu lernen.“

Für diese Enthüllung stand er wieder in Versuchung ihren Hals herum zu drehen, und hoffte einfach das sie seinem Verstand nur die Sprache entnommen hatte.

„Ihr geht also mit einer Pflanze eine Symbiose ein? Verstehe ich das richtig?“, als sie nickte sprach er zögerlich weiter. „Könnt ihr euch diese Pflanze aussuchen oder muss sie euch erwählen? Wie soll das funktionieren?“

Lilly überlegte kurz und schüttelte den Kopf. „Nein, wir werden mit ihr geboren, ich weiß nicht ob sie uns erwählt. Wir können sie auf jeden Fall nicht aussuchen, oder sie im Laufe unseres Lebens ändern.“

„Aber wenn du dann sozusagen der Wirt bist, was bist du dann? Der Optik nach ein Mensch oder nicht?“

Seiner Frage folgte langes, schweres Schweigen, ihr Blick wich in die Ferne ab und sie wirkte unnatürlich ernst. Als er schon dachte keine Antwort mehr zu bekommen nahm sie das Wort wieder auf. „Diese Frage kann ich dir nicht ehrlich beantworteten denn ich weiß es selbst nicht. Es gibt eine Legende die erzählt wie wir Ellydren entstanden sind, doch sie wurde einst verboten, weil viele meines Volkes nicht hören möchten das in uns das gleiche Blut wie das des Menschen fließen könnte.“

Philipp brauchte sie nicht bitten diese Legende zu erzählen, sie konnte seinen neugierigen Blick auf ihrer Haut spüren. Ohne den Blick von der Ferne abschweifen zu lassen berichtete was sie einst gehört hatte.

„Artham, war ein Mensch, geboren vor vielen hundert Jahren. Sein Herz gehörte der Natur, er studierte sie und lernte von ihr auf eine ganz andere Art und Weise wie es sonst die Menschen taten um ihren Wissensdurst zu stillen. Er besaß die Gabe der Geduld und lauschte dem was der Wind ihm zuflüsterte, was die Pflanzen ihm erzählten wenn er nur gut genug zuhörte. Er nahm sich nie auch nur eine Frucht der Bäume und Sträucher ohne um Erlaubnis zu fragen, seine Ehrfurcht galt jeder Pflanze, jedem Tier, war es auch noch so klein.

Artham war der erste der Druiden, und lehrte viele seinem Pfad zu folgen.

Dennoch zog er die Einsamkeit der Wälder vor, und suchte immer mehr die Stille, bis er schließlich keine Lehrlinge mehr aufnahm und verschwand. Man sagte er folgte einem Flüstern, das immer lauter zu ihm sprach.

Es dauerte viele Jahre lang bis seine Suche ein Ende fand. Er gelangte an einen Ort wohin noch nie ein Mensch gegangen war. Dort im Herzen der Wälder fand er den Ursprung der Stimme die ihn angetrieben hatte. Tief bis in die Erde reichten die Wurzeln des ersten Baumes der je existiert hatte. Morendras.

Sie hatte zu ihm gesprochen, weil sie sah wie sehr er die Natur liebte und achtete. Morendras wollte ihm ein Geschenk machen und bot ihm an von ihrer Frucht zu kosten die ihm ewiges Leben schenken sollte. Doch Artham lehnte ab.

Er sagte ihr dass der Tod ein Teil des Lebens sei, oft wurde neues Leben erst durch den Niedergang eines anderen geboren. Obwohl sie beide so unterschiedlich waren wie das Leben selbst, verband sie eine tiefe Liebe. Artham wich nicht mehr von ihrer Seite, mehr und mehr wurde er ein Teil Morendras, bis beide für alle Zeit miteinander verbunden waren.

Im folgenden Frühjahr wuchsen neue Knospen an Morendras Ästen, sie trugen neues Leben in sich. Aus ihnen entstanden wir, die Ellydren.“

Lilly riss ihren Blick los und blickte in das staunende Gesicht neben sich.

„So lautet die Legende, ob sie nun wahr ist, oder nicht, darüber streiten wir noch heute. Niemand weiß es ganz genau.

Ich jedenfalls glaube das an jeder Legende etwas wahres dran sein muss. Wie du bereits erkannt hast, ist unsere Ähnlichkeit mit den Menschen nicht abzustreiten.“

Philipp runzelte die Stirn, etliche Videospiele hatte er in seinem Leben schon gespielt, immer wieder tauchten verschiedene Legen, Mythen und Sagen auf. All das hier wirkte so real wie auch surreal zugleich. „Morendras, so heißt doch auch der Stab den du finden sollst oder?“

Lilly presste ihre Lippen fest aufeinander und nickte. Fast schon verlegen kratzte sie sich an der Wange und druckste herum.

„Dieser Stab ist aus ihrem Holz gefertigt. Morendras selbst ist vergangen. Doch in diesem Relikt ruht ihre Kraft inne, daher ist sie für unser Volk von großem Wert.“

„Und du... hast dieses Relikt verloren.“

Deutlich war zu spüren wie sehr seine Worte sie getroffen hatten. Bevor er sich auch nur mit einer Silbe bei ihr entschuldigen konnte, war unter ihm ein Knurren zu vernehmen und Xii hatte sich in seinem Hosenbein verbissen. Ihren kleinen Kopf riss sie hin und her um dem robusten Stoff den Gar auszumachen und an sein Fleisch heran zu kommen.

„Xii! Lass gut sein, er hat ja Recht.“ Traurig ließ Lilly den Kopf sinken und seufzte leise, ihre Leibwache hatte derweil ein Stück Stoff herausgerissen und gab sich fürs Erste zufrieden. Teils zum Bedauern, teils zur Erleichterung des Besitzers der Hose.

Nachdenklich kratzte er sich an der Schläfe und versuchte die Flut an Fragen in seinem Kopf zu ordnen.

„Diese Welt aus der du kommst, wie heißt sie, und... ist sie weit weg von hier? Weißt du das?“

„Der Name unserer Welt lautet Dravasuum. Aber ob sie weit weg liegt...“ Sie richtete den Blick nach oben und betrachtete den blauen Frühlingshimmel. „...ich weiß es nicht. Euer Mond gleicht keinem der unseren Drei. Auch die Tage hier kommen mir kürzer vor.“

Langsam sank ihr Kopf nieder bis ihr Kinn fast ihre Brust berührte, doch bevor das Heimweh zu ihr zurück kehren konnte drang seine Stimme wieder zu ihr durch.

„Dravasuum? Habe ich noch nie gehört. Gibt es dort nur euch und die Menschen?“

Ihr Blick formulierte die unausgesprochene Frage ob er denn noch alle Tassen im Schrank hatte allein schon solch einen absurden Gedanken zu haben. „Nein! Es gibt so viel mehr Völker! Die Aktar, Schattenelfen, Lichtelfen, (Unterwelt), (Naturgeister), Drachen... um nur einen Bruchteil zu nennen. Die Menschen sind auf allen Kontinenten zu Hause und sind vielleicht das am meisten verbreitete Volk. Wie ist das denn auf diesem Planeten?“

Drachen... Elfen... Drei Monde... eine Welt mit dem Namen Dravasuum, und weiß der Henker noch alles, das klang immer mehr wie in einem völlig abgedrehten Film. Das konnte doch nicht real sein, aber dieses Mädchen neben ihm war sehr deutlich real. Mit beiden Händen massierte er seine Stirn und atmete die frische Luft tief ein.

Jemand zupfte ihn an seinem Ärmel und blickte ihn mit großen, erwartungsvollen Augen an. „Was? Ah, nein. Ich meine in dem Sinne gibt es nur uns Menschen, Tiere und Pflanzen. Elfen und Drachen kennen wir auch, aber nur aus Fantasie Geschichten, sie waren nie real.“

„Wer sagt das?“ Philipp hob ruckartig seinen Kopf und starrte Lilly völlig perplex an.

„Wie meinst du das wer sagt das?“ Sie zuckte belanglos mit den Schultern und machte eine ausdehnende Handbewegung. „Wer behauptet denn in eurer Welt gibt es nur euch? Was wenn ihr nicht richtig gesucht habt?“ Mit Gram in der Stimme erklärte er ihr das es völlig unmöglich sei, es gab kaum noch Plätze auf dieser Welt die unerforscht waren. Die Wissenschaft war so weit entwickelt, die Möglichkeiten gleich Null ein vollkommen anderes Volk könnte sich irgendwo auf dieser Welt verstecken. Sicher, man fand heute noch neue Tierarten, neue Pflanzen und Organismen, aber doch keine Fantasie Wesen wie Zwerge und Orks.

Noch einmal zuckte Lilly mit den Schultern und erhob sich schwungvoll von der Bank, das sanfte Lächeln auf ihren Zügen wirkte fast schon geheimnisvoll.

„Dann wollen sie vielleicht nicht gefunden werden. Wir Ellydren haben seit mehr als hundert Jahren keinen Kontakt zu anderen Wesen gehabt. Für jene mit einer kurzen Lebensdauer ist mehr als eine Generation vergangen, und wir sind für sie nicht mehr als ein Mythos den es nie gegeben hat.

Außerdem, denk einmal darüber nach. Auch ihr kennt Drachen und Elfen. Das kann doch kein Zufall sein! Vielleicht sind unsere Welten irgendwo miteinander verbunden, wie sonst konnte ich hier her gelangen?“

Euphorisch ballte sie die Hände zu Fäusten und wirbelte zu Philipp herum, ein Feuer der Leidenschaft brannte in ihren Augen das man fast knistern hören konnte.

„Zeig mir eure Welt! Ich will alles kennen lernen! Alles Wissen! Vielleicht will Morendras nicht gefunden werden weil sich mein Wunsch noch nicht erfüllt hatte! Ich wollte die Menschen kennen lernen, und bisher kenne ich ja nur dich.“

Nun war der Funke ihrer Euphorie auch auf ihn übergesprungen und er erhob sich schwungvoll von der Bank. Allerdings waren seine Wangen nicht Rot vor Erregung, sondern viel mehr blasser geworden. „Mooooooment mal! Ich bin doch kein Hotel, das geht nicht. Ich muss in die Uni, arbeiten und das machen was ich nun mal mache. Um dich in der Weltgeschichte herum zu führen habe ich gar keine Zeit, und ganz besonders auch keine Lust!“

Kaum hatte er das letzte Wort gesprochen, war er gefangen in einem festen Klammergriff und riesige, grüne Augen blickten voller Sehnsucht zu ihm auf. „Jetzt sei nicht wieder so ein Griesgram! Wir werden sicher viel Spaß haben, und vielleicht hebt das ja auch deine Laune wieder. Ich werde mich auch bemühen dir keinen Ärger mehr zu machen.“ Sie legte ihren Kopf auf seine Brust und schmiegte sich an ihn, er musste ihr einfach alles zeigen, und dann mit in ihre Welt kommen. Seine magischen Fähigkeiten würden ihr sicher helfen, das Exil ihres Volkes zu beenden. „Bitte Philipp.“

Doch seine Reaktion war alles andere als jene, die sie sich erhofft hatte. Grob packte er sie an den Schultern und drückte sie fort von sich, sein Blick war so zornig wie sie ihn zuvor noch nie gesehen hatte.

„Hör auf damit. So war das nicht abgemacht, ich sollte dir helfen deinen dämlichen Stab zu finden, und nicht deinen Babysitter zu spielen. Außerdem habe ich dir gesagt du sollst mich nicht ständig anfassen!“ Ohne ein Wort von ihr abzuwarten drehte er ihr den Rücken zu und stapfte den schmalen Weg zurück den sie zuvor gekommen waren. Vorhin noch hatten in seinem Kopf tausende von Fragen gekreist die er ihr über diese mysteriöse Welt hatte stellen wollen, doch nun waren es nur zwei Worte die alles andere in den Hintergrund stellten. Bitte Philipp. Das letzte Mal als er diese Worte in einem lieblichen Sopran vernommen hatte, wollte er jemanden überraschen. Sogar ein Geschenk hatte er ihr mitgebracht, ein Strauß rosafarbener Gerbera die sie so liebte.

Doch leider missglückte seine Überraschung und er tauchte etwas ungelegen in ihrer Wohnung auf, sie hatte bereits Besuch.
 

Die Blätter über ihr raschelten leise im sachten Wind, kleine Grashalme kitzelten ihre Knöchel und hinter ihr schnatterten zwei Enten die sich gemütlich auf der Wasseroberfläche des kleinen Sees niedergelassen hatten. All das nahm sie nicht wahr, ihr Blick folgte der kleiner werdenden Gestalt im Grün des idyllischen Wäldchens.

Nachdenklich kaute sie auf ihrer Unterlippe herum, warum er plötzlich so empfindlich reagiert hatte war ihr ein Rätsel. War sie ihm doch zu sehr mit ihren Bitten auf die Nerven gegangen? Aber er musste doch auch sehen das alles was in den letzten Tagen geschehen war, zusammen hängen konnte. Gerade als Lilly ihre Starre lösen wollte um ihm zu folgen sprang ihr Xii vor die Füße und mahnte sie in strengem Ton. „Ihr hättet ihm die Legende von Artham und Morendras nicht erzählen dürfen! Selbst unter eurem Volk ist sie streng verboten und ein Geheimnis das kaum einer kennt. Ihr seid zu nachlässig, auch wenn er Euch wohlgesonnen erscheint, Ihr wisst nicht was er im Schilde führen könnte.“

Das letzte Wort war noch nicht völlig verklungen als alle viel Pfoten des kleinen Fuchses in der Luft baumelten und sie lautstark gegen diesen Umgang mit ihr Protestierte. „So oft sage ich dir das du dich nicht über derlei Kleinigkeiten aufregen sollst. Wem soll er es denn erzählen? Meiner Mutter vielleicht?“ Lilly seufzte schwer und packte sich Xii unter den Arm, ihr gefiel die neue Gestalt ihrer Leibwache immer besser. Noch immer wurde sie von ihr bevormundet und bekam ständig Ratschläge, aber ihre kleine, niedliche Gestalt konnte ihr physisch nicht viel anhaben. Insgeheim wünschte sie sich sogar Xii würde auch nach ihrer Rückkehr nach Dravasuum diese Gestalt beibehalten.

Im Laufschritt holte sie Philipp gerade noch ein bevor er das Auto erreichen konnte, sie war sich nicht sicher ob er sie allein hier zurück gelassen hätte, aber in diesem Punkt wollte sie dieses mal kein unnötiges Risiko eingehen.

„Philipp, wenn ich etwas aufdringlich war, tut es mir leid. Ich wollte nur...“ Mit einer Handbewegung brachte er sie zum schweigen und schüttelte mit finsterer Miene den Kopf während er ihr die Beifahrertür öffnete. „Lass einfach gut sein, in den letzten Tagen hatte ich aus irgendwelchen dubiosen Gründen wenig Zeit zum schlafen und mich zu erholen. Meine Nerven liegen blank. Steig ein, wir fahren wieder nach Hause, schließlich muss ich noch für die Uni lernen.“

Wortlos stieg sie ein und traute sich auch während der ganzen Fahrt keinen Ton mehr von sich zu geben, sie spürte das irgendwas ihn aufgewühlt hatte, doch konnte sie ihn im Moment schlecht danach befragen ohne das er sie bei voller Fahrt aus dieser müffelnden Maschine warf.

Als die drei wieder zu Hause ankamen, und erfolgreich seinen neugierigen Eltern entgangen waren, drückte er ihr wieder dieses Ding mit der Bezeichnung „Fernbedienung“ in die Hand.

„Benutze das wenn du was von der Welt sehen willst, irgendwo läuft bestimmt eine Dokumentration. Dir wird alles erklärt und ich kann in Ruhe lernen.“ Der Schreibtischstuhl aus schwarzem Lederimitat knarzte leise als er sich auf ihm nieder ließ. Mit einer Handbewegung schob er sämtlichen Unrat beiseite der sich auf der Arbeitsplatte angesammelt hatte. Leere Getränkeflaschen, Bücher, Stifte, zerknüllte Papiere und noch etliche weitere Dinge. Irgendwas fiel polternd zu Boden doch er scherte sich nicht darum und schlug ein dickes Buch über Informatik auf. Noch bevor er sich seinen Notizblock bereit legte, stülpte er zwei große Hörmuscheln über seine Ohren. Leise konnte sie den Klang der Musik wahrnehmen der von den Kopfhörern ausging.

Im Schneidersitz ließ sie sich auf dem Boden nieder. Auch hier lagen Kleidungsstücke, Getränkeflaschen und allerlei Krimskrams verstreut. Nach nur wenigen Versuchen hatte sie nun sogar geschafft dieses schwarze Fenster in Gang zu bringen und betrachtete eine Frau die ihr Ratschläge gab wie sie ihre Figur für den nahenden Sommer in Form bringen konnte. Flüchtig warf sie einen Blick über die Schulter und musste zu ihrer Enttäuschung feststellen das Philipp sie nicht mehr beachtete und sich irgendwelche Notizen zu machen schien.

Der Fernseher zog ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich als eine dunkle Männerstimme die wichtigsten Ereignisse des Tages noch einmal zusammen fasste.

Wie paralysiert starrte sie auf vorbeihuschende Bilder die Krieg, Tod, Leid und Zerstörung zeigten. Menschen die Menschen aus Gier und Macht töteten, wie die perfekte Gurkenform auszusehen hatte und wieso man die missratenen selbstverständlich beseitigen musste. Im Anschluss ein paar wenige Bilder von hungernden Kindern und was die Mode der kommenden Saison zu bieten hatte. Alles scheinbar belanglos aneinander gereiht, im stetig gleichbleibenden Ton eines unsichtbaren Mannes vorgetragen. Ihr glitt die Fernbedienung aus der Hand und mit einem Ruck drehte sie sich zu Philipp herum. „Was hat das alles zu bedeuten? Ist das... wirklich passiert? Das können die Menschen doch nicht zulassen!“

Doch der junge Student hörte sie kaum durch seine Kopfhörer hindurch, winkte desinteressiert ab und murmelte er habe jetzt keine Zeit.

Eine andere Stimme erschallte hinter ihr, und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf eine beginnende Dokumentration mit dem Titel „Der Mensch und sein Konsum“. Lilly rührte sich in der nächsten Stunde keinen Millimeter von ihrem Platz, viel zu sehr bannten sie die Bilder und die Eindrücke die ihr vermittelt wurden. Fassungslosigkeit breitete sich in ihr aus und ihre Hände begannen zu zittern als sie mitansehen musste wie Stück für Stück Regenwald weichen musste um Ackerland zu schaffen. Schließlich mussten alle Tiere die für den Verzehr gezüchtet wurden ja auch mal irgendwann etwas zum essen haben. Ihr Herzschlag beschleunigte sich mit jeder Minute die sie diese Sendung verfolgte, Tränen brannten in ihren Augen als das letzte Thema langsam ausklang und ihr gezeigt wurde wohin das Wasser der Großindustrien verschwand.

Ganz bewusst erst jetzt drückte eine kleine Pfote den roten Knopf auf der Fernbedienung und der Bildschirm wurde in eine bedrückende Schwärze getaucht.

„Seht Ihr warum wir die Menschen meiden? Es macht keinen Unterschied auf welchem Planeten sie leben, sie gehen immer über Leichen um mehr und mehr Macht zu bekommen. Habt Ihr jetzt endlich gesehen was Ihr herausfinden wolltet und wir Euch schon euer ganzes Leben lang beibringen zu versuchen?“ Bevor Xii ihr noch weiter zureden konnte, brachte Lilly sie mit einer Geste zum Schweigen. Jeder Muskel in ihrem Leib war angespannt und nur mit Mühe gelang es ihr die Tränen zurück zu halten. Sie musste raus hier, Morendras finden und dann diesen Planeten verlassen. Sie hatte zwar nicht das gefunden was sie sich erhofft hatte, aber zumindest die Gewissheit das sie im Unrecht, und die Hoffnung an die sie sich geklammert hatte, eine Lüge gewesen war.

Mit gesenktem Blick erhob sich die Ellydre und verließ das Zimmer durch die Tür. Sie war so durcheinander das sie die Treppe wie in Trance hinunter polterte und Xii Probleme hatte mit ihr Schritt zu halten. Gerade als diese rufen wollte das sie doch auf sie warten sollte, versperrten ihr zwei in Pantoffeln gekleidete Beine den Weg. Rasch huschte sie hinter die Kommode die im Flur stand und linste durch säuberlich aufgereihten Schuhe hindurch zu der Frau. Zum Glück war sie unbemerkt geblieben, aber Lilly eindeutig nicht.

„Oh! Ähm... Lilly richtig?“ Erschrocken fuhr sie herum als ihre Fingerspitzen gerade die Türklinke erreicht hatten. Hinter ihr betrachtete eine Frau mit welligen, blonden Haaren sie sorgenvoll und wischte ihre Hände an einem Küchenhandtuch trocken. Kyara hatte als Mutter wohl ausgeprägte Sinne wenn es darum ging Traurigkeit in der Umgebung zu wittern auch wenn die betroffene Person es noch so eilig hatte das Haus zu verlassen. Trotz des dämmrigen Lichtes im Hausflur entging ihr nicht das feuchte Echo einer Träne in dem Gesicht der jungen Frau. Unter einem leisen Seufzen trat sie wenige Schritte näher und schenkte ihrem Gegenüber ein warmes Lächeln. „Keine Ahnung was mein Sohn wieder angestellt hat, aber nimm dir seinen schroffen Ton nicht so zu Herzen Kind. In seinem Inneren ist er ein netter Junge, er war auch mal ganz anders.“

Lillys Füße waren wie angewurzelt, noch immer ruhten ihre Fingerkuppen auf der Türklinke, bereit dieses Haus und die Welt hinter sich zu lassen, auch wenn sie Tag und Nacht nach dem Stab suchen musste. Nach ein paar knappen Atemzügen schüttelte sie den Kopf und die breiten Strähnen die zu beiden Seiten ihres Gesichtes verliefen, baumelten einen Augenblick lang weiter.

„Entschuldigen Sie bitte, das ist es gar nicht. Ich...“ Eine warme Hand berührte ihren Unterarm und zog sie langsam und doch bestimmt von der Tür fort. „Na na na. Jetzt komm erst einmal mit mir und trink einen Schluck Tee, das wird dir sicher gut tun.“ Protest war zwecklos, die fürsorgliche Kyara hatte in ihrem ganzen Leben noch keinen Widerstand geduldet und schleppte Lilly in die anliegende, gemütliche Küche. Ein paar frisch gewaschene Teller wurden eilig verstaut bevor sie ihrem Gast eine Tasse duftenden Kräutertees eingoss. Nachdem sie ihr gegenüber an dem kleinen Esstisch Platz genommen hatte seufzte Kyara laut und streckte die Füße weit von sich aus. Erneut bogen sich ihre Mundwinkel zu einem leichten Lächeln. „Es freut mich wirklich sehr das du hier bist.“

Lilly blinzelte völlig perplex und starrte sie aus fragenden Augen an. „Was?“

„Schon eine ganze Weile ist es her das Philipp wieder Besuch mit her gebracht hat. Die meiste Zeit glotzt er nur blöd auf seinen Computer und möchte anscheinend nichts mehr mit dieser Welt hier zu tun haben. Immerhin scheint er sein Studium nicht zu vernachlässigen. Allerdings muss ich mich wohl bei dir für die Unordnung in seinem Zimmer entschuldigen, das ist eine furchtbare Angewohnheit die er sich da angelacht hat.“ Genervt verdrehte die Mutter ihre Augen und nippte an ihrem Tee.

„Oh, an seiner Art zu hausen habe ich mich nicht gestört. Sie müssen sich nicht entschuldigen, er ist immer nett zu mir. Auf seine Weise.“ Lilly wollte ihren Blick gerade senken um ihr Spiegelbild in der dampfenden Flüssigkeit zu betrachten als eine Hand vor ihrer Nase herum wedelte.

„Du musst dich nicht so förmlich ausdrücken! Es ist ein Saustall und das kann man auch nicht schön reden. Und wenn er nett zu dir wäre, hättest du wohl nicht geweint.“ Bevor Widerspruch eingelegt werden konnte plapperte Kyara einfach weiter. „Phili würde mich steinigen wenn er wüsste das wir hier über ihn reden, aber ich möchte das du weißt das er ein gutes Herz hat, auch wenn er das nicht so gerne zeigt. Habe etwas Geduld mit ihm, er hat eine sehr unschöne Erfahrung mit einem anderen Mädchen gemacht. Sie war alles für ihn und er hat stets das Beste für sie getan, doch sie war nicht sehr ehrlich mit ihm und hat sich hinter seinem Rücken mit einem anderen Kerl getroffen. Leider blieb es nicht bei: einfach nur getroffen. Das hat ihn sehr mitgenommen und seitdem ist seine Art etwas harsch und er vernachlässigt einiges.“ Mit den letzten Worten beugte sie sich über den Tisch und ergriff Lillys Hand um sie leicht zu drücken. „Manchmal tun Menschen grausame Dinge ohne über ihre Folgen nachzudenken, und wenn man verletzt wurde, möchte man nur noch das Schlechte in den Herzen Anderer sehen. Aber man darf deshalb noch lange nicht alle in eine Schublade stecken und denken sie wären gleich. Ich zumindest finde du machst einen guten Eindruck, auch wenn deine Haarfarbe echt abgefahren ist.“ Unter einem lauten Lachen lehnte Kyara sich wieder in ihrem Stuhl zurück und drehte die Tasse in ihren Händen.

Lilly dachte einen Moment lang über ihre Worte nach und probierte derweil einen Schluck des Kräutertees, die Wärme welche sich in ihrem Magen ausbreitete tat ihr gut und sie fühlte sich in der Gesellschaft von Philipps Mutter richtig wohl.

Sogar ihr Lächeln wirkte langsam nicht mehr so traurig. „Ja, auf die Farbe werde ich hier oft angesprochen. Aber sagen Sie... warum tun Menschen diese grausamen Dinge denn erst? Wie kommen sie auf so etwas?“

Auf die Frage folgte ein lautes Scharren als Kyara sich nachdenklich den Hinterkopf kratzte und den Kopf hin und her wog. „Och, aus den verschiedensten Beweggründen. Macht, Geld, einfach das Bedürfnis immer etwas Besseres haben zu wollen als alle anderen. Manchmal vergessen die Leute das in uns allen das gleiche Blut fließt, und das gleiche Herz schlägt.

Aber bei all dem Schlechten dürfen wir auch nie vergessen wie viel Gutes auch in uns steckt.“ Wieder machte sie diese wegwerfende Handbewegung und ihre Stimme wurde wieder sanfter. „Das Leben ist zu kurz um Trübsal zu blasen, nimm ihn an der Hand und geht raus. Unternehmt etwas schönes, habt Spaß!“

Eine dunkle Stimme räusperte sich hinter ihr und als sie über die Schulter blickte, sah sie Philipp im Türrahmen stehen, mit seinem typisch, grimmigen Gesichtsausdruck. „Über was quatscht ihr denn hier? Ich habe dir schon zwanzig Mal gesagt das sie nur eine Studienkollegin ist! Wir haben an einem... Projekt gearbeitet.“

Die Hände in die Hüften gestemmt erhob sich Kyara von ihrem Stuhl und funkelte ihren vorlauten Sohn wütend an. „An einem Projekt gearbeitet was? Und wieso ist dann dieses süße Ding unter Tränen zur Haustür gerannt um zu türmen?

Behandle sie gefälligst vernünftig sonst kannst du was erleben. Ist das klar? Sie macht mir nämlich einen sehr anständigen Eindruck und weinende Mädels dulde ich in meinem Haus nicht!“

Philipp entgleisten seine Züge, voller Überraschen wanderte sein Blick von der mutierten Furie weiter zu dem verblüfften Gesicht seiner Außerirdischen. „Geweint?“

Lilly hob beschwichtigend ihre Hände und gab sich Mühe lockerer zu sein als die Milchzähne einer Sechsjährigen. „Ach das! Es ist schon wieder gut, streitet euch bitte nicht!“ Bevor zwischen Mutter und Sohn noch tatsächlich Funken sprühten, eilte sie auf Philipp zu und bedankte sich herzlich bei Kyara. „Ich danke Ihnen für den Tee und die netten Worte! Diese werde ich mir gut merken und sicher niemals vergessen.“ Sie nahm den Griesgram an der Hand um wieder mit ihm nach oben zu gehen, zum Glück war dieser noch viel zu verwirrt um sich dagegen zu wehren.

Jene die allein in der Küche zurück geblieben war verschränkte die Arme vor der Brust und nickte stolz. Ja sie war sehr zufrieden mit sich selbst.

Das kleine, pelzige Etwas das aus dem Flur die ganze Unterhaltung mitbekommen hatte, war nicht so froh über den Ausgang des Abends. Vielmehr hatte sie darauf gehofft das ihr Schützling nun mit mehr Motivation an die Suche gehen würde damit sie so schnell wie möglich wieder nach Hause zurück kehren konnten.

Die Zimmertür zu dem Saustall schloss sich mit einem leisen Klicken bevor ein erdrückendes Schweigen einsetzte. Lilly setzte sich im Schneidersitz inmitten des Chaos hin und betrachtete Philipp neugierig, der sichtlich mit sich haderte. Schließlich war auch er es der endlich das Schweigen brach, während seine Augen einen Punkt an der Decke fixierten. „Du musst doch nicht gleich weinen... Sorry wenn ich etwas grob war. Im Moment habe ich einfach viel um die Ohren.“

Eigentlich hätte er jetzt ein angebrachtes „Ist schon ok“ oder „Ach wir haben alle mal schlechte Tage“ von ihr erwartet, aber in den letzten Tagen geschah vieles nicht so ganz nach seinem Plan.

„Das kannst du wieder gut machen indem du mir meinen Wunsch erfüllst.“ Das freche Grinsen in ihrem Gesicht wirkte völlig untypisch, dennoch ließ es keinen Zweifel offen das die Ellydre das Gesagte absolut ernst meinte. „Du sollst nicht mit mir um die ganze Welt reisen, aber ich möchte ein wenig die Gegend sehen, mir Eindrücke machen und vielleicht finden was ich suche. Im Gegenzug verspreche ich auch mir Mühe zu geben mit deinen Regeln, und das du Zeit genug haben wirst deine wichtigen Dinge zu regeln. Was sagst du?“

Im ersten Moment war er alles andere als einverstanden mit ihrem Vorschlag, doch ein Blick in ihr trauriges Gesicht mit einer zitternden Unterlippe genügte ihm schon vollkommen. Philipp gab sich geschlagen und willigte mit schwerem Herzen ein
 

Tag um Tag verlor der Kalender und nun waren bereits wenige Wochen vergangen das eine junge Frau und ein grantiger, kleiner Fuchs vom Himmel, mitten in das Leben des Nerds Philipp gefallen waren.

Während er anfangs noch mit bitterem Beigeschmack sein Schicksal eher als eine Last empfand, hatte er sich schon langsam an seine neue Gesellschaft gewöhnt. Mehr oder Weniger. Des öfteren bekam er Gelüste Lilly einfach in der Regentonne vor dem Haus zu ertränken wenn er am Morgen erwachte und sie mal wieder bei ihm in seinem Bett lag. Oder wenn er unachtsam gewesen war und sie wieder einen dieser schmuddeligen Filme geschaut hatte und danach Gelüste bekam das Gleiche mit ihm zu probieren. Natürlich blieb es auch nicht bei der Abmachung das wenn er zur Uni oder zu seinem Arbeitsplatz im Altenheim ging, sie diese Zeit nutzte um den Stab Morendras zu suchen von dem noch immer jegliche Spur fiel.

Viel lieber schlich sie ihm nach und stellte alles auf den Kopf, sodass er ernsthaft überlegte die Stadt oder gar das Land zu wechseln nachdem sie wieder in ihre Welt zurück gekehrt war. Wunderlich betrachtete er sich jeden Morgen im Spiegel und rechnete damit eines Tages weißes, statt dunkelbraunem Haar zu sehen.

Immerhin hielt er sich an seinen Teil der Abmachung und machte regelmäßig Ausflüge mit ihr. Eingestehen das es auch ihm wieder, nach so langer Zeit in seinem Zimmer, Spaß bereitete, würde er natürlich nicht.

Nur die Laune des kleinen Fuchses Xii wollte sich nicht bessern. Es könnte auch damit zusammen hängen das Lilly mittlerweile eine Handtasche organisiert hatte in der ihre Leibwache zu ihrem eigenen Schutz sitzen musste um neugierigen Blicken zu entgehen. Zudem waren Füchse leider in den meisten öffentlichen Gebäuden nicht geduldet.

Dieser Tag war einer von jenen an dem er etwas weiter fort mit ihr gefahren war, und erst am Abend wieder heim kehrte. Alles war wie immer, sie plauderte ihm schon die ganze Rückfahrt die Ohren zu, schwärmte von diesem und von jenem was sie gesehen hatte und er schaltete wie üblich auf Durchzug. Doch als er seinen Schlüssel in das Schloss der Haustür schob und es sich nach der ersten Umdrehung schon nicht öffnen wollte, merkte er das etwas komisch war. Erst bei der zweiten Umdrehung klickte es und die Tür ging auf. Es war abgeschlossen. Dabei war um diese Zeit immer jemand hier.

Nachdem sie eingetreten waren merkte er das die Schuhe seiner Eltern und seiner Schwester nicht im Flur standen, nun gut, waren die drei eben mal ausgegangen, warum auch nicht?

Müde zog Philipp seine Schuhe aus und endlich hörte auch seine Begleiterin auf ständig ihre Worte auf ihn niederprasseln zu lassen. Für einen kleinen Augenblick zumindest. „Phil, was ist das hier? Es blinkt ein rotes Licht, das war sonst nie so. Hat das was zu bedeuten?“ Verwirrt und leicht genervt bezüglich ihrer dummen Frage linste er über ihre Schulter und betrachtete das Telefon. „Das heißt nur das jemand hier angerufen hat als keiner zu Hause war. Vielleicht hat die Person ja eine Nachricht hinterlassen.“ Nachdem er die Taste zum abspielen der Nachricht betätigt hatte lenkten seine Füße ihn in Richtung Küche. Da Ellydren nicht aßen, gönnte sie ihm auch kaum Zeit dazu seine Gelüste zu stillen. Sein Hunger war schlagartig vergessen, seine Füße taten nicht einen Schritt mehr als er aus dem Lautsprecher des Telefons die panische Stimme seiner Mutter vernahm.

„Philipp! Wenn du nach Hause kommst mach dich sofort auf den Weg ins Krankenhaus! Louisa wurde von einem Betrunkenen angefahren... Sie... sie macht einfach nicht mehr ihre Augen auf...“ Kyaras Stimme brach und man hörte nur noch lautes Schluchzen, kurz danach gab ihm die ruhige Stimme seines Vaters durch in welchem Krankenhaus sie untergebracht waren und das er bitte vorsichtig fahren soll.

Der Schrecken fuhr ihm durch Mark und Bein, es gelang ihm nicht auch nur einen klaren Gedanken zu fassen bis Lilly ihn an den Schultern packte und kräftig durchschüttelte. „Hey! Hörst du mir zu! Lass uns sofort los! Deine Schwester braucht uns!“ Stotternd brachte er nur ein paar Wortfetzen heraus und hastete in der nächsten Sekunde los zu seinem Auto. Lilly und Xii konnten gerade noch die Tür schließen als er schon mit quietschenden Reifen den Rückwärtsgang einlegte. „Bitte mach langsam! Es hilft uns nicht, wenn dir nun auch noch etwas passiert.“ Besorgt legte sie ihm eine Hand auf seinen Oberschenkel und war deutlich beruhigter als er das Gaspedal nicht mehr all zu feste durchdrückte.

Die ganze Fahrt über brachte er keinen Ton heraus, in seinem Kopf ratterten so viele Gedanken wild durcheinander. Oft hatte er sich mit seiner Schwester in den Haaren und die meiste Zeit sahen sie sich mehr oder weniger nur noch im Vorbeigehen, aber wenn es drauf ankam waren sie immer füreinander da gewesen.

Das Krankenhaus war schnell erreicht und die zwei rannten die letzten Meter zum Empfang. Xiis Kopf wurde von Lilly immer wieder unsanft runter in die Tasche gedrückt, Ärger über den Schmuggel eines Tieres ins Innere war das letzte was sie gerade gebrauchen konnten. Während Philipp sich am Empfang noch kurz nach der Zimmernummer erkundigte ließ die Ellydre ihren Kopf schweifen, sie konnte es nicht erklären aber irgendwas an diesem Ort bereitete ihr tief im Inneren großes Unwohlsein. Eine unsichtbare, kalte Faust ballte sich in ihrem Magen schmerzhaft zusammen. Dieser Ort wirkte auf sie als wolle er sie erdrücken mit all seinem Kummer und Leid.

Die Beiden bahnten sich ihren Weg durch Korridore und Treppen und das komische Gefühl verschlimmerte sich mehr und mehr bis ihr richtig Elend zumute war und die Farbe ihrem Gesicht entwich. Sie wusste das hinter jeder dieser Türen Menschen mit Ängsten und Hoffnung kämpften. Ihr Volk konnte Krankheiten und Schmerzen „spüren“, und zu wissen das sie all diese an jenem Ort nicht nehmen konnte, entwickelte es sich schnell zu einer Last für sie.

Als sie die richtige Tür erreicht hatten ordnete sie ihre Gedanken wieder und atmete tief durch. Kaum das sie eingetreten waren schluchzte Kyara wieder auf. Die Eltern saßen am Bett ihres Kindes das unter all den Schläuchen und Verbänden kaum noch zu erkennen war. Die aufgelöste Mutter schloss ihren Sohn in die Arme und vergrub unter herzzerreißendem Weinen ihr Gesicht in seiner Schulter. Irgendwas wollte sie ihm sagen aber ihre Stimme zitterte so sehr das keines ihrer Worte zu verstehen war. Metthew fiel es schwer den Blick von Louisa fort zu reißen, auch wenn er ruhig und gelassen wirkte, sah man das Leid das er empfand deutlich in seinen Augen. „Sie war auf dem Heimweg und ein betrunkener Autofahrer hatte die Kontrolle über seinen Wagen verloren. Es geriet ins Schlingern und erwischte sie. Das geschah schon heute morgen und seitdem haben die Ärzte sie mehrfach operiert. Sie wacht aus dem Koma nicht mehr auf. Louisa hat mehrere Knochenbrüche und innere Verletzungen davon getragen aber über ihren genauen Zustand hat uns noch niemand informiert.“

Metthew legte seiner Frau beide Hände auf die Oberarme und zog sie an sich, seine müden Augen erwiderten den schockierten Blick seines Sohnes. „Deine Mutter brauch etwas frische Luft. Wir gehen kurz raus, du bist ja jetzt hier.“ Er drückte kurz die Schulter von Philipp und verließ das Zimmer. Eine gespenstige Stille hielt Einkehr, nur die Geräte die seine Schwester beatmeten piepsten leise vor sich hin. Vorsichtig ging er um das Bett herum und betrachtete den kleinen Teil des Gesichts, der durch die dicken Verbände überhaupt noch zu sehen war. Das Atmen fiel ihm schwer als er seine Hand an ihre Wange legte und sie keine Regung von sich gab. Philipp keuchte leise auf und lachte kurz. „Wenn sie später Fotos von sich sieht wird sie sicher ausflippen und herumschreien. Sie ist doch immer so sehr auf ihr Äußerstes bedacht, die Frisur muss immer sitzen, die Handtasche muss zu den Schuhen passen... eine richtige Tussi. Aber oberflächlich war sie nie. Sie hilft jedem Freund in der Not und wenn sie ihr letztes Hemd hergeben muss.“ Hastig wischte er sich ein Staubkorn aus dem Augenwinkel.

Lilly hatte ihn eine ganze Weile lang schweigend betrachtet, nun trat sie an seine Seite. Der Himmel verfärbte sich bereits und war von rosafarbenen Wolken durchzogen, der Raum wurde in ein angenehmes Licht getaucht das diesem Ort kaum Gemütlichkeit schenkte. Sie umschloss eine seiner zitternden Hände fest mit der ihren, ihr Blick ruhte auf Louisa. Eine junge Frau die sie kaum gesehen hatte durch das ganze Versteckspiel der letzten Wochen.

Philipp entzog ihr seine Hand und zog zwei Stühle heran, den einen bot der Lilly an und ließ sich dann selbst nieder.

Auch Xii traute sich vorsichtig aus der Tasche als ihre Trägerin sie auf dem Boden abstellte. Den Menschen hatte sie nie gemocht, aber ihn nun so leiden zu sehen machte selbst ihr Herz schwer.

Nur eine Geste trennte Lilly von der Gewissheit die in ihr anschwoll, eine kurze Berührung, und doch kostete es sie enorm viel Überwindung.

Das Piepsen der Geräte schien immer lauter zu werden so hoch war ihre Anspannung als sie die Hand nach dem Körper von Louisa ausstreckte. Nur eine winzige Distanz trennte sie noch, für die sie eine gefühlte Ewigkeit brauchte.

Ihre Handfläche legte sich sanft auf die Brust der Verletzten und das Gefühl das sie übermannte riss ihr fast den Boden unter den Füßen hinfort. Alles um sie herum explodierte, der Schmerz, ihre Lungen brannten wie Feuer. Nur mit Mühe konnte sie die Hand wieder zurück ziehen, die kalte Faust in ihrem Inneren ballte sich noch fester und erschwerte ihr das Atmen. Neben ihr fragte eine Stimme leise ob alles in Ordnung sei.

Philipp hatte von der Flut der Gefühle nichts mitbekommen, für ihn war nur ein kurzer Augenblick vergangen indem Lilly ihre Hand auf Louisa gelegt hatte und plötzlich ein Gesicht machte als ob sie einen Geist gesehen hatte.

Die Zunge schwer wie Blei, stand Lilly einfach nur da und konnte die Augen nicht mehr von der jungen Frau nehmen. Ihre Stimme erklang wie ein leises Flüstern das man kaum hätte wahr nehmen können wenn es in dem Raum nicht so still gewesen wäre.

„Sie liegt im Sterben.“

Jeder Tropfen Blut gefror in seinen Adern zu Eis, auch wenn seine Ohren die Worte der Ellydre gehört hatten, wollte sein Verstand sie nicht wahr haben. Das konnte, nein, das durfte nicht wahr sein. Philipp schoss so schnell von seinem Stuhl in die Höhe dass dieser ins Schwanken geriet und laut klappernd zu Boden fiel.

Sekunden fühlten sich an wie Minuten, Minuten wie Stunden. Niemand sprach auch nur ein Wort bis die Stille letztlich unerträglich wurde.

„Sag dass das nicht wahr ist!“, wütend packte er Lilly an den Schultern und riss sie so abrupt herum das sie keine andere Chance hatte als in sein Gesicht zu blicken, etwas das sie gerne vermieden hätte. „Du lügst doch! Woher willst du das wissen?!“

In ihren Augen spiegelte sich Trauer wieder, Trauer darüber zu sehen das ein junges Leben zu Ende ging, und wie sehr ihr Freund gegen die Wahrheit ankämpfte. Behutsam legte sie ihre Hände auf seine Oberarme. „Ich habe es gesehen, es in ihrem Blut gelesen. Sie ist dem Tod näher als dem Leben.“

Die Fingerkuppen auf ihren Schultern bereiteten ihr Schmerz, so fest drückten sie auf sie ein. Lilly wehrte sich nicht dagegen. Erneut verging ein ewig wirkender Augenblick bis Philipp seinen Griff lockerte und hinab auf Louisa sah.

Qualvoll zog sich sein Herz zusammen als würde eine Faust es fest umschließen. Seine ältere Schwester würde sterben, und das nur weil irgend ein betrunkener Mistkerl sie angefahren hatte. Was war noch gleich das letzte was er zu ihr gesagt hatte? Daran konnte er sich nicht mehr erinnern, so sehr er es auch versuchte. Ein Brennen kroch seine Kehle empor.

Neben ihm haderte Lilly im Stillen, es war ein riskanter Gedanke, aber sie wollte es versuchen. Beide Hände legte sie behutsam auf den bandagierten Körper der jungen Frau, dabei schloss sie ihre Augen.

Noch bevor sie das erste Wort hatte sprechen können biss sie jemand fest ins Bein. Unter einem leisen Schmerzenslaut zuckte sie zusammen und sah hinab zu dem kleinen Fuchs der sie zornig an bleckte.

„Was Ihr vor habt weiß ich genau! Lasst es sein! Diesen Menschen kennt ihr doch kaum!“

Niemals hätte Philipp erwartet das ihn noch etwas überraschen konnte, aber ein sprechender Fuchs war dann doch absurd genug. Er starrte das kleine Tier an und stotterte überfordert das geistreichste daher was ihm einfiel.

„Du... du kannst ja sprechen!“ Xii knurrte leise, „Ja, nur tue ich es für üblich nicht mit Menschen! Schon gar nicht mit solchen wie dir!“
 

Müde trat er mit einer Tasse heißem Kaffee hinaus auf den schmalen Balkon des Krankenhauses. An solchen Tagen brauchte er immer dringend viel frische Luft und etwas flüssiges das seine Lebensgeister wieder ermunterte. Selbstverständlich durfte er sich nichts von dem was hier geschah zu Herzen nehmen, das war sein Beruf. Dennoch fiel es ihm manches Mal schwer das Erlebte abperlen zu lassen, wie Wasser von einer Lotosblüte.

Doktor Lauenstein atmete die frische Luft des Abends ein und nahm einen großen Schluck Kaffee. Die Ruhe währte nicht lange, er vernahm Stimmen aus einem der nahen Patientenzimmern indem das Fenster auf Kipp stand.

Ganz offensichtlich gab es einen angeregten Streit, etwas das ihm sehr missfiel, besonders wenn er seine wohlverdiente Pause machte.

Schräg von seiner Position entdeckte er das Fenster welches der Ursprung des ganzen Lärms war. Leicht kniff er seine blauen Augen zusammen, er sah richtig. Da stand ein Mädchen in dem Zimmer mit langem, türkisfarbenen Haar. Die Jugend heutzutage wurde auch immer verrückter dachte er sich und schüttelte nur den Kopf.
 

„Ich weiß ganz genau was Ihr vorhabt! Wenn sie dem Tod so nahe ist, dann könnt Ihr nichts mehr für sie tun!“ Lilly ließ stumm all die Warnungen ihrer Leibwache über sich ergehen, den Blick nahm sie nicht von Louisas Gesicht.

Stille kehrte ein und sie merkte wie alle Augen auf ihr ruhten. Ganz langsam ging sie vor Xii in die Hocke und legte ihr eine Hand auf den Kopf. Sofort wurde sie abgeschüttelt und die nächste Welle von Warnungen würde sicher nicht lange auf sich warten lassen. Lieber ergriff sie davor selbst das Wort.

„Xii, ich weiß du meinst es gut, aber du kennst mich besser als jeder andere. Du weißt das ich sie nicht einfach sterben lassen kann, hier stehe und nichts tue. Vertrau mir, ich weiß wann ich aufhören muss, ich will es zumindest versuchen.“

Es brauchte keine Worte um zu wissen das ihr Gegenüber das in keinster Weise billigen würde, aber das war ihre alleinige Entscheidung, und die war gefallen.

Lilly erhob sich wieder und nickte Philipp zu. „Wenn du erlaubst, will ich versuchen sie zu heilen.“ Ihre Worte waren noch nicht fertig gesprochen, da packte er sie fest an ihren Schultern. „Was fragst du da noch?! Bitte heil sie!“

Traurig schüttelte sie den Kopf und betrachtete wieder die Sterbende. „So einfach ist das nicht.“

Eine ihrer Hände legte sie auf Louisas Brust und sie kniff dabei leicht die Augen zusammen. „Es sind diese Geräte vermute ich, die sie noch hier halten. Es fühlt sich unnatürlich an.“ Ihr sorgenvoller Blick fand wieder die verzweifelten Augen ihres Freundes. „Sie ist dem Tod näher denn dem Leben, normalerweise wäre ihre Seele schon nicht mehr hier. Ich kann nicht versprechen das ich sie noch erreichen kann. Aber was noch viel schlimmer wäre, würde ich nur einen Teil von ihr heilen, den anderen aber aus dem Totenreich zurück holen... sie wäre nicht mehr die, die du kanntest. Obendrein ist in dieser Welt nur noch ein Bruchteil meiner Macht vorhanden.“

Philipps Kopf fühlte sich an als wäre er in Watte gehüllt. Noch nie in seinem Leben hatte er so eine Angst, und so eine Verzweiflung empfunden, alles war ihm Recht. Hätte er auch einen Pakt mit dem Teufel eingehen müssen, er hätte es getan.

„Versuch es. Bitte!“

Xii versuchte sie ein letztes Mal zu bitten es nicht zu tun, doch Lilly ließ sich nicht mehr abbringen. „Keinen Ton mehr jetzt. Ich muss mich konzentrieren.“

Beide Hände legte sie auf Louisas Körper, die eine auf ihre Brust, direkt dort wo sie ihr schwaches Herz noch schlagen spürte, und die andere auf ihre Stirn. Ein paar Mal atmete sie tief durch dann verdrehten sich ihre Augen bis nur noch das Weiße zu sehen war, bevor sich ihre Lider darüber schlossen. Der Bernstein unterhalb ihres Schlüsselbeins begann in einem warmen Licht zu leuchten und schimmerte durch den Stoff hindurch. Um Lillys Hände begannen sich wieder wie damals im Wald, kleine grüne Ranken zu winden und unter ihren Haarknoten wuchsen die Äste mehr und mehr heran.

Zittriger Atem verließ ihre Kehle, die Ranken schlängelten sich bis hoch zu ihren Schultern, breiteten sich überall auf dem Körper des Menschen aus und verbanden beide Seelen miteinander. Ihr Geäst war beachtlich gewachsen und breitete sich so weit aus das Philipp einige Schritte von ihr weg gehen musste, deutlich konnte er erkenne wie Schweiß ihre Stirn hinab lief.

Leise stimmte sie den Singsang an und kleine Blätter wuchsen an jedem noch so mickrigen Ästchen.

„Ewiglich das Grün, klar und reich dein Atem.

Wohlbehütet im finsteren Grunde, ruht immerdar dein Garten.

Kehre ein, mein Geist ist frei.

Auf das es gibt keine Macht, die uns entzwei.

Borge mir, Leib und Seele nun.

Kenne den Preis, in deinen Armen werde ich ruhn.“

Als die letzte Silbe ihre Lippen verließ offenbarte eine Knospe eine weiße Blüte die so rein war das er glaubte sie leuchten zu sehen. In nur wenigen Wimpernschlägen zogen sich die grünen Ranken zurück und sie pflückte mit zwei Fingern die Blüte von ihrem Haupt. Augenblicklich färbte sie sich Schwarz und verschwand in ihrem Mund. Die Blätter verdorrten, rieselten zu Boden, verschwanden bevor sie ihn berührten, und die Äste zogen sich knackend wieder zurück.

Lilly stöhnte dunkel und schwankte, gerade rechtzeitig erwachte Philipp aus seiner Starre und fing sie auf. Behutsam setzte er sie auf den Stuhl und musterte ihr weißes Gesicht. „Lilly? Was ist los? Hat es geklappt?“

Sie antwortete ihm nicht, aber stattdessen vernahm er hinter sich ein leises Brummen und Keuchen. Würde er nicht sehen wie Louisa ihre Augen aufschlug und sich an den Kopf fasste, er hätte es nicht geglaubt. Seine Schwester regte sich und tastete ihr Gesicht ab. „Was?! Was ist denn... Philipp?“ Bei seinem Anblick setzte sie sich auf und bemerkte erst jetzt all die Schläuche die in ihren Armen steckten. „Mein Gott was ist denn das hier alles?“

Philipp beugte sich über sie und musterte ihr Gesicht, all die blauen Flecken waren verschwunden. „Unglaublich... Du... du bist wieder wach!“ Es war Jahre her das er sie das letzte Mal umarmt hatte ohne das es Weihnachten, Ostern, oder ihr Geburtstag gewesen war. Heute fiel alles zusammen und er drückte sie so fest an sich das ihr die Luft weg blieb. „Hey! Autsch, Moment mal! Könntest du mich bitte los lassen... ich fühle mich als hätte mich ein Bus angefahren.“

„Nein, es war nur ein Auto!“ Philipp drückte sie noch einmal und wirbelte dann herum zu Lilly die noch immer auf ihrem Stuhl saß, so wie er sie hingesetzt hatte, nur das sie ihre Augen wieder geöffnet hatte und ihn müde anlächelte.

„Du hast es geschafft! Ich weiß nicht wie ich dir das jemals danken kann!“ Noch völlig mitgerissen von seinen Gefühlen nahm er Lillys Gesicht in beide Hände und küsste sie ohne weiter darüber nachzudenken. Erst als der Geschmack ihrer süßen Lippen bis in sein Gehirn durchsickerte, riss er sich mit großen Augen von ihr los. Wie ein Auto starrte sie ihn an, er musste auch nicht viel besser aussehen. Hinter ihm räusperte sich jemand laut. „Könntet ihr euch dafür ein Zimmer nehmen wenn das noch weiter gehen soll? Den Anblick möchte ich mir schon gerne ersparen.“

Murmelnd entschuldigte er sich und flüchtete zur Tür hinaus um seine Eltern zu informieren. Mit einem Grinsen im Gesicht musterte Louisa die angebliche Studienkollegin ihres Bruders. „Ich habe es doch gewusst! Du...“ Mitten im Satz stockte sie als eine Erinnerung zu ihr durchdrang. „Dich habe ich gesehen. Alles um mich herum war Dunkel und so sehr ich auch versucht habe meine Augen zu öffnen, es funktionierte nicht! Und dann habe ich dein Gesicht gesehen.“ Verwirrt fasste sie sich an die Stirn und schüttelte den Kopf. „Was rede ich da bloß für einen Unsinn. Sorry, vergiss das am besten wieder. Ich bin irgendwie total durch den Wind.“
 

Klirrend zersplitterte der Becher auf dem harten Stein. Sein Kaffee breitete sich aus und versickerte langsam, während er sich nach allen Seiten umsah. Das musste doch noch jemand gesehen haben! Aber dort war niemand der ihm oder dem Fenster, wo gerade ein grünes Licht erloschen war, Beachtung schenkte. Verdammt, er wusste doch was er gesehen hatte!

Doktor Lauenstein rannte wieder in das Innere des Krankenhauses und hechtete die Flure entlang. Er wusste genau zu welchem Zimmer das Fenster gehörte, es war nur wenige Stunden her das er dort eine junge Frau hinein gebracht hatte, die kaum noch zu retten war.

Schon auf halber Strecke kam ihm eine Krankenschwester entgegen die über den ganzen Korridor rief er müsse sich da mal was umgehend ansehen.

Atemlos trat er in den Raum, wo schon allerlei Tumult herrschte. Die Eltern umgarnten ihre Tochter mit Tränen in den Augen und stellten tausend Fragen. Pflegepersonal checkte einen Wert nach dem anderen und machte einen mehr als ratlosen Anblick. Eine der Frauen kam zu ihm und flüsterte ungläubig, „Doktor! Alles stabil, das kann nicht sein! Aber wir haben sie komplett untersucht soweit es uns gerade möglich war!“ Bevor sie noch weiter sprechen konnte, hob er seine Hand und ging auf die junge Dame zu, die immer mehr darauf beharrte man möchte sie doch endlich von diesem blöden Gips befreien. Schließlich ging es ihr gut. Die Augen von Doktor Lauenstein fanden was sie gesucht hatten. In der Nähe des Bettes saß sie auf einem Stuhl und wirkte als würde sie gleich in einen tiefen Schlaf fallen weil sie ihre Augen kaum noch offen halten konnte.

Wie in Trance ging er ein paar Schritte auf sie zu, bis jemand an seinem Ärmel riss. „Doktor! Was ist denn jetzt mit unserer Tochter?“
 

Um sie herum waren viele Menschen in hektisches Treiben verwickelt, Stimmengewirr erfüllte den Raum, und sie fühlte sich als wäre sie meilenweit entfernt davon, dabei spielte sich alles nur wenige Meter weg ab. Einer der Menschen taxierte sie fast ununterbrochen mit seinem Blick, doch Lilly merkte nichts davon. Kraftlos saß sie noch immer in ihrem Stuhl. Das letzte was sie sah war der sorgenvolle Blick von Xii, welche neben ihr am Boden in ihrer Tasche saß. Dann fiel sie in einen traumlosen Schlaf.

Als Philipp sie wach rüttelte kam es ihr vor als hätte sie gerade erst die Augen geschlossen, doch um sie herum befand sich sonst niemand mehr in dem Krankenzimmer. „Komm wir fahren nach Hause. Sie wollen Louisa die Nacht noch hier behalten, aber sie konnte sogar schon allein wieder aufstehen. Die Ärzte können kaum glauben das sie wieder vollkommen genesen ist! Meine Eltern bleiben solange hier.“ Er half ihr aus dem Stuhl aufzustehen und stützte sie noch die ersten paar Schritte. „Ist alles in Ordnung mit dir?“

Lilly straffte ihren Rücken und klemmte sich die Tasche mit Xii in die Armbeuge. So gut sie konnte lächelte sie Philipp an und nickte ihm zu. „Ich bin nur müde, das ganze hat mich ziemlich erschöpft.“

Ganz recht wollte er ihr nicht glauben, ihm fiel auf das sie nicht einfach nur blass wirkte, sie war fast weiß. Ihre Haut wirkte immer gut gebräunt, sie erklärte ihm einmal dass das damit zu tun hatte wie viel Sonnenlicht sie am Tag aufnehmen konnte. Jetzt aber war ihre Haut so hell das er das Blau ihrer Venen überall durchschimmern sah.

Der Parkplatz wirkte schon sehr verlassen und die Sonne war bereits dabei vom Mond für ihre Nachtruhe abgelöst zu werden. Xii hatte genug von all dem Geschaukel und sprang aus der Tasche hinaus. Mit Lilly würde sie später noch ein erstes Wort wechseln! Stinksauer trottete sie weit vor. Ihre Lebensaufgabe war es die Ellydre vor allen Gefahren zu bewahren und sie bis zum letzten Atemzug zu beschützen. Nicht genug das sie in dieser lächerlichen Gestalt auf diesem verdammten Planeten fest saß, sie musste auch noch mitansehen wie ihre Freundin mit dem Leben spielte.

Die konnte vielleicht ein Donnerwetter über sich ergehen lassen!

Philipp kratzte sich am Hinterkopf und räusperte sich übertrieben bevor er das Wort ergriff. „Übrigens, wegen vorhin. Du weißt schon... Das war so nicht gemeint. Also, ich... war durcheinander. Außerdem war ich dir sehr dankbar das du meine Schwester gerettet hattest, verstehst du? Das war eine unüberlegte Reaktion. Ich wollte dich gar nicht küssen...“ Keine Antwort folgte und er runzelte langsam die Stirn. Hatte sie denn nichts dazu zu sagen?

Mit einem Schulterblick wollte er sich vergewissern, ob sie vielleicht zu verlegen war um darauf zu reagieren, doch das was er sah gefiel ihm gar nicht. Besser, das was er nicht sah. Lilly war fort.

Erst als der Mensch stehen blieb, drehte sich auch die wütende Xii um. All ihre feinen Härchen stellten sich auf als sie Lilly nirgendwo erblicken konnte. „Lilly?!“

Eiligen Schrittes ging Philipp ein Stück zurück und drehte sich ratlos im Kreis. Sie standen inmitten des Parkplatzes, nur hier und da standen ein paar Autos. „Lilly?! Wo bist du? Jetzt ist keine Zeit für blöde Versteckspiele.“ Nicht zum ersten Mal hätte er sie suchen müssen weil sie wieder an irgendwas interessantem hängengeblieben war. Aber hier stimmte doch was nicht. Xii hielt die Nase in die Luft und witterte noch schwach den ersehnten Geruch.

Plötzlich hören sie das Knallen einer Autotür, Motorengeheul, und dann fuhr nur wenige Meter von Philipp entfernt ein Wagen mit quietschenden Reifen davon. Ohne zu zögern sprintete er ihm hinterher, dreimal die Woche Fitnessstudio machten sich die ersten Meter bezahlt, aber die Pause die er eingelegt hatte seit Lilly ihm begegnet war forderte schnell ihren Tribut.

Über den Parkplatz und um die Ecke des Gebäudes schaffte er es noch, doch dann konnte er den roten Sportflitzer nur noch beobachten wie er immer kleiner und kleiner wurde. Völlig außer Atem stützte er sich mit beiden Händen auf seinen Oberschenkeln ab.

Während er noch nach Luft rang, hörte er wie unweit von ihm eine Frau zu schimpfen begann wie ein Rohrspatz.

Direkt neben ihm befand sich eine Feuertreppe die sich am östlichen Rand des Krankenhauses empor schlängelte, daneben war ein Seitenausgang der auf eine kleine Terrasse führte. Dieser kleine Platz war von hüfthohen Büschen umrandet und bot dem Personal somit ein wenig Abgeschiedenheit in den Pausen.

Zwei junge Krankenschwestern nutzten ihre Pause gerade um frische Luft zu schnappen. Auch sie hatten den roten Sportflitzer entdeckt der mit einem Affenzahn von dannen gerauscht war.

„Das war doch Doktor Lauenstein! Dabei hat er doch noch gar keinen Feierabend.“

„Ach komm, sind wir doch froh drum. Ich kann diesen eingebildeten Schnösel nicht leiden.“

Philipp kämpfte sich durch die Büsche, er japste noch immer und rang nach Luft. Die beiden Damen erschraken, doch ehe eine von ihnen ein Wort sagen konnte, sprudelte Philipp schon los. „Entschuldigen Sie! Kannten sie den Wagen? Wer ist dort weg gefahren?“

„Das war Doktor Lauenstein...“, antwortete die eine Schwester abrupt und bekam von ihrer Kollegin schon einen Boxer in sie Seite. Finster funkelte sie den Fremdling an. „Wieso willst du das wissen?“

„Danke, der Name reicht mir schon.“ Philipp drehte sich herum und rannte wieder los, die beiden Damen sahen ihm verwundert nach, hakten das Ganze rasch ab und gingen wieder an die Arbeit.

Nach nur wenigen Schritten kam ihm Xii entgegen gerannt, diese verfluchte ihre kurzen Beinchen und wie langsam sie damit voran kam. „Hast du ihn etwa verloren? Ich habe Lillys Geruch wahr genommen, sie war ganz sicher in diesem Ding drin!“ Ihm kam es immer noch sehr absurd vor sich mit einem Fuchs zu unterhalten, aber im Moment hatte er ganz andere Sorgen als das. „Macht nichts, ich habe dafür seinen Namen. Komm, wir fahren nach Hause, seine Adresse habe ich sicher im Nu raus bekommen.“ Xii verstand nicht wieso er von seinem Haus aus erfahren sollte wo dieser andere Mensch wohnt, aber sie hatte auch keine Zeit um Fragen zu stellen. Beide sprinteten zu seinem Auto und fuhren so schnell wie möglich nach Hause.

Endlich machte sich bezahlt das er so viel Zeit vor seinem Computer verbrachte, und das ein oder andere ausprobiert hatte das nicht ganz so legal war. Der Arzt stand natürlich nicht mit seiner Privaten Adresse irgendwo im Telefonbuch, aber das würde er schon heraus finden. Leider brauchte er länger als er gedacht hatte, und die Suche war nicht innerhalb weniger Minuten getan. Dann endlich hatte er Erfolg.

Der Nerd sprang so heftig auf das sein Stuhl rücklings zu Boden fiel, mit einem Zettel wedelte er vor Xiis Gesicht herum, die schon langsam ungehalten wurde und die ganze Zeit nörgelte wie lange er brauchte. Schweigend hatte sie ihm deutlich besser gefallen.

„Er wohnt vielleicht eine halbe Stunde weg von hier, fahren wir hin und hoffen wir das er auch nach Hause gefahren ist und nicht weiß der Henker wohin.“
 

Ganz leise nahm sie eine Stimme in der Ferne wahr. Seltsam fremde Gerüche lagen in der Luft, sie kannte diesen Ort nicht.

Schon die Augen zu öffnen kostete sie enorm viel Kraft, und erkennen konnte sie im ersten Moment noch nichts. Alles um sie herum war verschwommen, da war nur dieses leise Flüstern. Als sie versuchte sich zu bewegen brach in ihrem Kopf ein Gewitter aus Schmerzen aus. Ein leises Stöhnen verließ ihre Lippen und das Flüstern verstummte. Es gelang ihr nicht ihre Hand zu heben, irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht. Lilly versuchte sich zu erinnern was geschehen war. Nachdem sie Louisa geheilt hatte war sie mit ihren Freunden auf dem Weg zum Wagen gewesen, und dann? Nichts mehr.

„Endlich! Endlich bist du wach!“ Jemand kam auf sie zu gerannt und sie blinzelte einige Male die Benommenheit fort.

Grelles Licht blendete sie, schmerzhaft pochte es in ihrem Schädel. „Ah... Wo... wo bin ich.“

„Deine Pupillen reagieren also gleich auf Lichteinfall.“ Die kleine Taschenlampe legte er auf einen Beistelltisch und kritzelte eilig ein paar Notizen in ein kleines Buch. Anschließend verstaute er es griffbereit in der Brusttasche seines weißen Kittels.

Langsam klarte sich der Blick der Ellydre auf und sie konnte den Mann vor sich besser erkennen. Er trug das blonde Haar kurz, die Haut war von der Sonne verdunkelt, und sein großer schlanker Körper war in eine weiße Tracht gehüllt. Sie erkannte ihn wieder, er war in dem Zimmer bei Louisa gewesen und hatte sie untersucht. Philipp hatte ihr einmal erklärt was ein Arzt ist, jemand der kranken Menschen hilft, sie brauchte keine Menschenkenntnis um in seinen eisig blauen Augen zu lesen das er ihr nicht beabsichtigte zu helfen. Ein grausames Grinsen lag auf seinen Zügen und sie konnte freudige Erregung in seinem Blick lesen.

Der Fremde ging wieder zurück zu einem großen Tisch auf dem viele Papiere gestapelt waren und verschiedene Dinge herum lagen. Vieles konnte sie nicht zuordnen, längliche Gegenstände glänzten im fahlen Licht das Neonröhren dem fensterlosen Raum spendeten. An den Wänden erblickte sie Regale voll mit Büchern, gläsernen Kästen in denen verschiedene Insekten reglos zur Schau gestellt waren und Selbige mit Blättern von Pflanzen.

Weiter wirkte der Raum eher kühl und lieblos. Noch einmal versuchte sie sich an den Kopf zu fassen, aber dann wurde sie sich dem bewusst was nicht stimmte. Ihre Hände und auch die Füße waren an den Stuhl gebunden auf dem sie saß und schränkten ihre Bewegungen deutlich ein. „Warum haben sie mich hier her gebracht?“

Lauenstein kam mit großen Schritten auf sie zu und grinste beinah über das gesamte Gesicht. „Du hast mich neugierig gemacht, ich habe dich nämlich gesehen. Das Grüne Leuchten... diese Tentakeln an deinen Armen. Sehr unvorsichtig und dumm.“ Er zog einen Bürostuhl an sich heran und ließ sich ihr direkt gegenüber nieder. „Dazu noch eine Patientin für die ich keine fünfzig Cent mehr gewettet hätte und die plötzlich wieder kerngesund war.“ Bedächtig schüttelte er den Kopf als er sie mit seinen Augen zu verschlingen schien. „Was bist du?“

Lilly presste ihre Lippen zu einer dünnen Linie zusammen die rasch weiß wurde als das Blut entwich. Es fiel ihr schwer gerade sitzen zu bleiben, sie war bereits durch die Heilung sehr geschwächt. „Könnt ihr mir etwas Wasser geben bitte? Ich...“ Mitten im Satz riss sie eine schallende Ohrfeige aus dem Takt. Der Sturm aus Blitzen, welche sich schmerzhaft in ihren Kopf bohrten kehrte zurück. Bevor sie wusste wie ihr geschah schnarrte der Fremde leise, „Die Fragen stelle ich hier. Also, was oder wer bist du?“

Als sie ihre Augen wieder aufschlug rollte ihr Kopf langsam zur Seite, was sollte es ihr bringen zu schweigen, er würde keinen Nutzen durch ihre Informationen davon tragen. „Lillaraya ist mein Name und ich bin eine Ellydre.“

Schweigen trat ein und der Fremde schien sie durchschauen zu wollen, sprach sie die Wahrheit oder log sie ihn an? „Ellydre? Noch nie gehört.“ Lilly schluckte schwer, ihr Hals war so trocken dass das Sprechen selbst ihr Qualen bereitete. „Ich bin ein Naturgeist, wie eine Fee oder ein Kobold. Wir wohnen unter den Wurzeln alter Bäume und sind normal viel kleiner. Doch um unter euch Menschen zu wohnen habe ich diese Gestalt angenommen.“

Ihre Farce schien Erfolg zu haben, die Augen von Dr. Lauenstein weiteten sich und er machte wieder einige eilige Notizen in sein Buch. Als Philipp einmal ihre Fragen satt hatte, gingen sie in eine Bücherei und sie durfte sich alles ausleihen was sie lesen wollte, darunter auch ein Buch mit irischen Sagen und Legenden.

„Sag mir wie du es geschafft hast diese Frau zu heilen!“

„Ihr Bruder bat mich darum... wenn ein Mensch krank ist kann ich ihn heilen. Aber der Preis ist hoch, dafür gehört seine Seele dann mir. Wenn der Tod letztlich über den Menschen kommt, wird er keine Erlösung finden. Bis in alle Ewigkeit wird die Seele in Schwärze und Dunkelheit gefangen sein. Ihr Leid und ihre Qual ist die Kraft die ich beziehe wenn ich wieder jemanden anders heilen muss.“ Lauensteins blaue Augen verengten sich und er musterte sie skeptisch. „Wieso heilst du sie dann erst? Was für einen nutzen hast du dadurch?“ Die trockenen Lippen der Ellydre bildeten ein breites, boshaftes Grinsen. „Ewiges Leben. Durch jede Heilung bekomme ich mehr Lebenskraft. Man muss mich nur um die Heilung bitten. Wie einer Hexe der man Eintritt gewähren muss, sonst kann sie das Heim nicht betreten.“

Der Fremde packte sie grob an ihrer Bluse und zerrte sie dicht an sich heran. „Dann bist du doch mehr ein Dämon. Etwas boshaftes.“ Grüne Augen starrten geradewegs in die seinen und er hatte das Gefühl in einen dunklen Abgrund gezogen zu werden. „Nicht boshaft, nicht gütig. Alles hat einfach seinen Preis. Dafür gebe ich schließlich auch das wertvollste Gut der Menschen. Gesundheit.“ Nach kurzem Zögern ließ er sie wieder los und stand auf. Nachdenklich ging er in dem dunklen Zimmer auf und ab. Lilly betete still zu Morendras das er ihre Geschichte glaubte, so würden ihre Kräfte sicherlich nicht so verlockend klingen.

„Als ich dein Blut untersucht habe, war ich erst enttäuscht. Es war rot und gewöhnlich. Aber was ich in dieser Substanz gesehen habe, ist mir absolut unbekannt. Ich interessiere mich für Biologie, und forsche neben meiner Arbeit gerne an Insekten und Pflanzen.“ Er schien eher mit sich selbst zu reden als er so auf und ab ging, sich dabei das Kinn rieb und murmelte. „Aber da waren diese gewaltigen Äste auf deinem Kopf die ich gesehen habe. Also scheinst du wirklich so eine Art Naturgeist zu sein...“

Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken als er stehen blieb und sich langsam zu ihr herum drehte. Mit wenigen schnellen Schritten war er bei ihr angekommen und packte sie fest in ihrem Haar, riss ihren Kopf mit einem Ruck nach hinten. Lilly schrie vor Schreck auf und starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Doktor Lauenstein rupfte grob an ihren Haarknoten herum und staunte nicht schlecht als darunter tatsächlich kleine Ansätze von Ästen zum Vorschein kamen. „Interessant...“

Er betastete die Wucherungen und Lilly kniff fest ihre Augen zusammen. „Hören sie auf! Bitte! Ich habe ihnen doch alles gesagt!“

Ohne ein Wort wandte er sich wieder ab und ging zu dem Tisch mit den komischen Gerätschaften. Lillys Herz schlug ihr bis zum Hals, sie musste sich befreien, aber wie? Ihr Blick fiel auf etwas befremdliches in seiner Hand. An dem Griff war ein silberner Bogen befestigt und an einer Seite hatte dieser Bogen viele kleine Zacken. So etwas hatte sie bei Philipp noch nie gesehen.

„Du wirst entschuldigen kleiner Naturgeist, aber ich will alles über dich wissen! Alles erforschen! Mit dir kann ich reichlich Geld machen! Viele Patienten würden sicher ein Vermögen zahlen wenn ich ihnen etwas anbieten könnte das sie von all ihrem Leid heilt.“ Sein Mund verzerrte sich zu einem dunklen Grinsen. „Nun ja und ich bin einfach sehr neugierig.“

Ohne zu verstehen was er meinte oder was er beabsichtigte starrte Lilly ihn mit großen Augen an, bis er hinter sie trat und aus ihrem Blickfeld verschwand. Sie versuchte einen Blick über ihre Schulter zu werfen aber eine Hand packte sie fest in ihrem Haar. „Au! Bitte lassen Sie mich los ich...“ Bevor noch ein weiteres Wort fallen konnte blitzte etwas in ihrem Augenwinkel auf und in der nächsten Sekunde füllte der entsetzliche Schmerz alles in ihr aus.

Die Säge grub sich in das Holz von einem ihrer Äste, ein schriller Schrei ließ den Arzt kurz inne halten, dann zog seine Hand ihren Kopf weit in den Nacken und die Säge schnitt tiefer und tiefer eine Kerbe in die Wucherung auf ihrem Kopf. Lillys Körper verkrampfte sich, und sie versuchte verzweifelt sich von ihren Fesseln zu befreien, der Schmerz nahm kein Ende. Endlose Sekunden vergingen, kleine Späne rieselten von ihrem Kopf, bis es endlich vorbei war.

Ihr Atem ging stoßweise, feste gruben sich ihre Fingerkuppen in die Stuhllehne, die Agonie wollte kein Ende nehmen. Erst jetzt brannten Tränen heiß in ihren Augen, feste biss sie sich auf die Unterlippe aber sie konnte sie nicht zurück halten. Tropfen für Tropfen rann ihre Wangen hinab, fiel hinab von ihrem Kinn und versickerte in dem weichen Stoff ihrer Kleidung. Wimmernd wand sie sich auf ihrem Platz.

Staunend ging Lauenstein um sie herum und hielt die Scheibe Holz in seinen Händen. „So viel Harz habe ich ja noch nie gesehen, fast als würdest du richtig bluten.“ Ehrfürchtig betrachtet er das zitternde Geschöpf, an der Stelle wo er das Stück abgesägt hatte, floss zäher Harz hinab und tropfte in ihr Haar. „Sieh mich nicht so an, schau, ich habe doch nur ein kleines bisschen abgeschnitten. Einem Baum tut es ja auch nicht weh wenn man einen seiner Äste abbricht.“ Der blonde Mann ging weiter zu seinem Tisch und ließ sich dort auf einem Bürostuhl nieder. Ganz genau untersuchte er das Holz.

Blut sickerte ihren Mundwinkel hinab, so feste hatte sie sich auf die Lippe gebissen. Stöhnend rollte ihr Kopf zur Seite, nur ganz langsam ebbte der Schmerz den er ihr zugefügt hatte ab. „Doch... sie fühlen Schmerz...“, flüsterte ihre raue Stimme, doch der Fremde reagierte gar nicht darauf.
 

Was sollte er tun? Klingeln? Um das Haus herum schleichen wie ein Verbrecher? Grübelnd trommelte Philipp auf seinem Lenkrad herum und betrachtete das Gebäude seiner Begierde. Es war durchaus schick, man sah das der, der dort wohnte keine Geldsorgen haben musste. In zwei der großen Fenster brannte Licht, beschien den säuberlich gemähten Rasen vor der Tür und an dem massiven Tor, was Fremde von der Einfahrt fort hielt, hing ein Schild: „Achtung bissiger Hund.“

Eine krächzende, wütende Stimme störte seine Ruhe. „Worauf wartest du noch verdammt? Wir haben keine Zeit zu verlieren! Für Lilly zählt jede Sekunde.“

Verwirrt sah er zu dem kleinen zänkischen Fuchs der auf seinem Beifahrersitz hockte und aufgeregt den Schwanz zucken ließ. „Was meinst du damit, es zählt jede Sekunde?“ Xii bleckte ihre Zähnchen und knurrte leise. „Du hast ihre Dienste in Anspruch genommen ohne die Folgen zu kennen!“ Wunderlich blinzelte Philipp ein paar mal und echote fragend, „Was denn für Folgen?“ Gerade als Xii ihm antworten wollte zuckte sie zusammen und sprang in den dunklen Fußraum des Wagens. Keinen Atemzug später klopfte es an seiner Fensterscheibe.

Schockiert starrte er die Frau im Satinbademantel an, ihr blondes welliges Haar umrahmte ihre harten Züge. Er schätzte sie auf ungefähr sechzig Jahre.

Vorsichtig kurbelte er sein Fenster einen kleinen Spalt auf und räusperte sich. „Ja...?“

„Kann ich Ihnen helfen?“ Ihre Stimme und ihr Blick waren völlig gelassen, mit der richtigen Prise Strenge und einer Messerspitze von Gefahr. „Mir ist nicht entgangen das Sie schon eine Weile vor meinem Haus herum lungern.“

Philipp war kurz davor im Boden zu versinken, er erkundigte sich nach einem Doktor Lauenstein der hier wohnen sollte. Die Frau klärte ihn auf das dieser Doktor schon eine Weile nicht mehr hier wohnte, er war zutiefst enttäuscht von seiner miserablen Suche. Doch wie der Zufall es wollte, konnte die Dame im Seidenmantel sich noch erinnern wohin ihr Vormieter ziehen wollte. Erleichtert auf der einen Seite einen Hinweis bekommen zu haben, frustriert auf der anderen Seite das sie nun wieder in eine ganz andere Richtung mussten, fuhr er zu seinem neuen Ziel los.

Nachdem er sich eine Standpauke von Xii hatte anhören müssen wünschte er sich, er hätte etwas um ihr den Mund zu stopfen. Stumm hatte sie ihm eindeutig besser gefallen.

Als er eine Weile lang die Autobahn entlang fuhr fiel ihm wieder etwas ein und er warf seinem Fahrgast einen Blick aus dem Augenwinkel zu. „Was meintest du vorhin damit das ich ihre Dienste in Anspruch genommen hätte ohne die Folgen zu kennen? Welche Folgen?“ Beharrliches Schweigend setzte ein und er dachte schon sie würde ihm auf seine Frage nicht mehr antworten, doch sie schien ihre Meinung geändert zu haben. „Das Lied das Lilly verwendet hatte als sie deine Schwester heilte nennt sich Der Segen der Hüterin. Ellydren erbitten damit die Kraft von Morendras, was für uns so etwas ist wie für euch Mutter Natur. Morendras schenkt ihnen ihre Gabe, alles Leid zu nehmen und eine weiße Blüte erscheint.“

„Oh die habe ich gesehen! Diese die Lilly gegessen hatte? Sie wurde ganz...“

„Sei endlich ruhig Mensch und hör mir zu. Die Ellydren müssen die Blüte wieder in sich aufnehmen, sonst ist die Magie verwirkt. Sie wird Schwarz weil sie das Leid, die Krankheit und den Schmerz des Geheilten in sich trägt. All das wurde von Lilly aufgenommen, und da sie jemanden von der Schwelle des Todes zurück geholt hat, ist das Übel das sie aufnahm enorm. Eigentlich müsste sie jetzt unbedingt ruhen und Wasser sowie Sonnenlicht zu sich nehmen.“

Den Blick auf die drei breiten Spuren vor sich gerichtet dachte Philipp über ihre Worte nach, er hatte bemerkt das es Lilly nach der Heilung nicht gut gegangen war und sie erschöpft wirkte. Fragend schürzte er kurz die Lippen und zuckte mit den Schultern. „Aber was heißt denn sie hat das Leid in sich selbst aufgenommen? Verspürt sie dann den Schmerz des, sagen wir, Patienten?“ Wieder trat eine lange, unangenehme Stille ein bevor Xii ihm antwortete.

„Im Moment des Heilens ja. Aber der Preis den Ellydren zahlen müssen da sie sich die Kraft Morendras ausgeliehen haben, ist weit höher. Sie zahlen ihn mit ihrer eigenen Lebensenergie.“ Fast wäre Xii in den Fußraum gepoltert als Philipp mit einem Ruck des Lenkrades auf den Seitenstreifen fuhr und dort eine Vollbremsung hinlegte.Schrill erhob er seine Stimme. „Habe ich das richtig verstanden? Sie hätte sterben können? Aber warum hat sie denn davon nichts gesagt?“

Xii schüttelte sich und blickte zu dem Menschen auf der ihr dumme und nervige Fragen stellte. „Nein und Ja. An der Heilung selbst kann sie nicht sterben, nur wenn sie sich danach nicht erholen kann. Ihre verbrauchte Energie macht sich am Ende des Lebens bemerkbar, es wird sozusagen verkürzt.“

Kaum konnte er glauben was er da gerade zu hören bekam, das sollte heißen das Lilly früher sterben würde, nur weil sie seine Schwester geheilt hat? Ein schwerer Stein lag in seinem Magen und raubte ihm die Luft zum atmen. Dutzende von Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf, hätte er sie denn gebeten seine Schwester nicht zu heilen, hätte er all das früher gewusst? Eine Frage die er sich nicht stellen wollte, solch eine Entscheidung zu treffen war schrecklich, und er war froh das er es nicht tun musste.

„Können wir jetzt endlich weiter fahren? Lilly braucht Hilfe. Wir wissen schließlich nicht was dieser Mensch mit ihr vor hat, oder wieso er sie überhaupt mitgenommen hat.“

Auch wenn es Philipp denkbar schwer fiel, konzentrierte er sich wieder auf den Straßenverkehr und fuhr so schnell er konnte.
 

Immer mehr Last zog ihre Augenlider nach unten, sie wusste nicht wie lange sie schon in diesem dunklen Loch gefangen war. Immer wieder hatte dieser Arzt sie mit Fragen gelöchert und so langsam fielen ihr keine Lügen mehr ein die sie ihm noch erzählen konnte das er nicht auf die Idee kam ihre Kräfte sehen zu wollen.

Mit der Zunge fuhr sie sich über ihre spröden Lippen, so oft hatte sie ihn gebeten ihr Wasser zu geben aber er wollte sie nicht erhören. Sie fühlte wie die Erschöpfung sie immer mehr ins Dunkel ziehen wollte, jede Bewegung kostete sie eine Menge Überwindung.

Doktor Lauenstein saß an seinem Tisch und untersuchte noch immer ganz faszinierend das Blut und das Stück Holz dieses komischen Wesens. Er sah förmlich schon all die bittenden Menschen vor ihm, die ein Vermögen dafür zahlen würden wieder gesund zu werden. Die krächzende Stimme unterbrach seine freudigen Gedanken. „Wasser... bitte. Ich... sterbe sonst...“

Hellhörig richtete er sich auf und betrachtete die junge Frau. Langsam erhob er sich von seinem Stuhl und ging auf sie zu. Ihm entging nicht wie blass sie geworden war, jede kleine Ader unter ihrer Haut stach blau hervor. Als er sie mit seinen Fingern am Kinn fasste um ihren Kopf zu ihm zu drehen spürte er auch wie rau und trocken sie sich anfühlte.

Unter einem Seufzen wandte er sich wieder ab und zuckte mit den Schultern. „Na schön, ich brauche dich ja schließlich lebend.“

Kurze Zeit später kehrte er mit einem Glas Wasser zu ihr zurück und setzte es an ihren Lippen an. Gierig begann sie zu trinken, Tropfen rannten an ihrem Kinn hinab und benetzte den Stoff ihrer Bluse. Als das Glas geleert war bat sie ihn um mehr, doch er schüttelte lediglich lachend seinen Kopf. „Schau nur wie du gekleckert hast! Wenn du so verschwenderisch bist bekommst du sicher nichts mehr von mir.“ Gerade als er wieder zu seinem Tisch zurück gehen wollte fiel ihm etwas auf. Der feuchte Stoff hatte sich auf ihre Haut abgesenkt und darunter zeichnete sich etwas ab das goldgelb schimmerte.

Mit großen Augen trat er wieder näher an sie heran und fuhr über die kleine Wölbung, sie fühlte sich hart und glatt an. Erst hatte er nur gedacht es sei eine Kette, aber sie ließ sich nicht verschieben und blieb fest an ihrem Ort.

In Lilly stieg Panik auf, immer kürzer wurden ihre Atemzüge. Mit einer groben Handbewegung riss er ein kleines Stück weit ihre Bluse auf und staunte nicht schlecht als er sah das direkt unterhalb ihres Schlüsselbeins ein ovaler Stein in ihre Haut eingewachsen war. Er schimmerte klar wie ein Bernstein und um ihn herum war die Haut bräunlich gefärbt und wirkte sehr knorrig. Als er mit dem Finger darüber fuhr, fühlte es sich wie Rinde an. Dazu verspürte er ein prickeln in seinen Fingerspitzen und ein unsagbares Glücksgefühl kam über ihn. Völlig fasziniert von dem Anblick bildete sich wieder dieses grausame Grinsen auf seinen Zügen, dieses Wesen war weitaus interessanter als er angenommen hatte.

Doktor Lauenstein ging zurück zu dem Tisch mit all seinen Utensilien und suchte sich das passende heraus. Als sie den spitzen Gegenstand in seiner Hand sah versuchte sie mit aller Kraft die ihr noch geblieben war von diesem verdammten Stuhl los zu kommen. „Kommen sie mir damit nicht zu nahe! Sie dürfen meine Seele nicht beschädigen! Sonst bin ich für sie nicht von Nutzen!“ Ihre Worte schienen Wirkung zu zeigen, er blieb vor ihr stehen und überlegte während er sie musterte.

„Deine Seele? Das ist ja interessant. Und was machst du damit? Wofür ist sie gut?“

„Sie... beinhaltet meine Lebenskraft. Wenn Sie sie beschädigen werde ich sterben.“

Ganz genau taxierten seine Augen die Ellydre, log sie ihn an oder sprach sie die Wahrheit? Sollte er dieses Risiko eingehen? Er erinnerte sich an das intensive Gefühl das über ihn gekommen war als er diesen Stein berührt hatte, er wollte es haben. Um jeden Preis. Mit einer Hand drückte er sie fest in den Stuhl und setzte mit der anderen die Spitze des Messers an ihrer Seele an.

„Glaubst du mich zum Narren halten zu können? Wäre dieses Ding hier so wertvoll, wäre es doch nicht so leicht zugänglich oder?“

Lilly war als würde sie sich nicht mehr erinnern wie es war zu atmen, keuchend schüttelte sie wild den Kopf. Viele Lügen hatte sie diesem Menschen erzählt, aber dieses Mal entsprachen ihre Worte der Wahrheit.

Ein lautes Klacken war zu hören, langsam drehte sich Lauenstein herum und starrte auf die Tür, die aus dem Keller hinauf in sein Haus führte. Sie stand offen, aber er erinnerte sich sie nicht zugemacht zu haben als er das Glas Wasser geholt hatte.

Lauschend stand er einen Augenblick lang da, doch er hörte nichts mehr. Seine Anspannung spielte ihm wohl einen Streich. Schmunzelnd wandte er sich wieder der jungen Frau zu, die ihn ängstlich anstarrte. „Wo waren wir noch gleich?“

Die spitze Klinge des Messers kam wieder nahe an sie heran, blanke Panik wallte in der Ellydre auf, mit ihrem gesamten Körpergewicht warf sie sich hin und her, der Stuhl geriet ins Schaukeln und wäre fast zur Seite gekippt. Eine harte Ohrfeige traf sie und benebelte sie für einen kurzen Augenblick.

Ein entsetzlicher Schmerz fuhr durch ihren Körper als Lauenstein versuchte den Bernstein aus seiner Fassung zu hebeln.

Sie stieß einen lauten Schrei aus und wand sich vor Qual. „Bitte! Bitte aufhören!“

Der grausame Mensch dachte nicht daran, Blut quoll bereits hervor aber der Stein ließ sich nicht lockern. Wütend bleckte er die Zähne und stieß leise Flüche aus.

„Lilly!!!“

Vor Schreck zuckte der Arzt zusammen und fuhr blitzschnell herum, er traute seinen Augen kaum. Dort oben auf der Treppe stand ein Bursche mit einem Fuchswelpen.

„Hey! Wie bist du hier rein gekommen!“

Statt zu antworten polterte Philipp die wenigen Stufen hinunter und marschierte auf ihn zu, wütend blaffte er sein Gegenüber an.

„Was hast du mit ihr gemacht du Mistkerl?! Dafür wirst du bezahlen!“ Noch nie in seinem Leben war Philipp so außer sich vor Zorn gewesen. Nicht nur das dieser Kerl Lilly einfach entführt hatte, sondern das er ihr noch sehr schwer zugesetzt zu haben schien brachte sein Blut vollends zum kochen. Das Echo ihres Schreis hallte noch immer in seinen Ohren wieder.

Als Lauenstein seine Fassung wieder hatte stellte er sich aufrecht hin und packte mit der einen Hand Lillys Haar, mit der anderen hielt er ihr die Klinge seines Messers an die Kehle. Die Entwicklung dieses Abends gefiel ihm so gar nicht. Ein Mörder war er in keinem Fall, aber dieser junge Kerl hatte eindeutig zu viel gesehen, mit dem Wissen konnte er ihn nicht laufen lassen. Den Fang der ihn reich machen würde, ließ er sich ebenfalls um nichts in der Welt mehr weg nehmen.

„Bleib besser stehen Kleiner. Sonst geht’s deiner Freundin gleich sehr schlecht. Hier einfach in mein Haus einzubrechen war ein denkbar schlechter Plan von dir...“ Seine Augen huschten suchend umher, war da vorhin nicht noch ein Fuchswelpe gewesen? Ein Detail das ihn nur einen Augenblick später nicht mehr kümmerte.

Ohne zu zögern blieb Philipp ein gutes Stück weit von den beiden entfernt stehen, missmutig kaute er auf seiner Unterlippe herum. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen als er zum ersten Mal ganz genau seine Besucherin aus einer anderen Welt musterte. Kabelbinder fixierten ihre Arme und Beine an einem Stuhl, ihre Bluse war zerrissen und frisches Blut breitete sich auf dem weißen Stoff aus. Ihre Haut war fast weiß wie Schnee, irgendwas gelbes war auf ihre Schulter getropft und an ihrem Arm hinab gesickert. Als sein Blick die Spur nach oben verfolgte fiel ihm auf das ihr linker Ast ein Stück kürzer war als der andere und auch dort die gelbe Flüssigkeit überall klebte. Aus müden Augen sah sie ihn an, und dennoch lag auf ihren spröden Lippen ein warmes Lächeln. Ihre leise Stimme war wie ein raues Krächzen.

„Phil... ich bin so froh dich zu sehen...“

Weiß traten seine Knöchel hervor als er beide Hände zu zitternden Fäusten ballte.

„Ich mach dich fertig du Stück Dreck. Für alles was du ihr angetan hast!“

„Du? Das ich nicht lache! Hör mal Bursche, diese Kleine hier wird mich steinreich machen! Kranke Menschen zahlen ein Vermögen wenn sie von ihr geheilt werden wollen, da bin ich mir sicher.

Du hast selbst gesehen was sie mit deiner Freundin im Krankenhaus gemacht hat. Sie hätte die nächste Nacht niemals überlebt. Wenn du mir nicht in die Quere kommst, lasse ich mich gerne dazu überreden dir einen Teil des Geldes abzugeben. Wir zwei könnten uns eine goldene Nase verdienen!“

Seine strahlend weißen Zähne zeichneten sich deutlich von seiner gut gebräunten Haut ab, es wirkte fast sympathisch wie er über das ganze Gesicht grinste. Aber Philipp kam bei seinem morbiden Vorschlag fast die Galle rauf.

„Deine Nase wird zwar nicht golden werden, aber ich kann sie in eine peppige Mischung aus Rot, Blau und Lila tauchen wenn du Feigling das Messer weg legst und wir das unter uns klären!“

Es war keine Frage das er an einem Zweikampf noch nie Teil genommen hatte, und er wahrscheinlich keine Chance hatte, aber er war so wütend das sein Adrenalin sicherlich Wunder bewirken würde. So hatte er es zumindest oft schon gehört.

Doktor Lauenstein war recht wenig beeindruckt und brach sogar noch in höhnisches Gelächter aus als das halbe Hemd sich vor ihm aufplusterte und mit großen Tönen um sich spuckte.

Gerade als er ein paar spöttische Worte los lassen wollte, verspürte er einen Schmerz an seinem Unterschenkel, als würden sich viele kleine Nadeln in sein Fleisch bohren. Wütend stieß er einen Fluch aus uns blickte an sich hinab. Xii hatte die Gelegenheit genutzt und war unter dem Tisch an ihn heran geschlichen. Feste gruben sich ihre kleinen spitzen Zähne in seine Haut. Auch wenn sie diese schwächliche Gestalt verteufelte an die sie in dieser Welt gebunden war, sie würde alles tun um ihre Freundin zu beschützen.

„Ah! Das darf nicht wahr sein!“

Mit seinem freien Fuß trat Lauenstein nach dem kleinen Vieh und erwischte es mit einem harten Tritt, fiepend gab Xii nach und bevor sie sich von dem Schmerz erholen konnte, setzte der Mensch mit einem weiteren Tritt nach. Der kleine Fuchs flog in hohem Bogen an die Wand mit all den Regalen und blieb reglos am Boden liegen!

„Xii! Nein!“

Fassungslos starrte Lilly auf den leblosen Körper ihrer treuen Begleiterin, ihr Herz schien jeden weiteren Schlag zu verweigern. Neben ihr brach plötzlich Tumult aus als Philipp die Chance nutzte und sich auf den Arzt stürzte.

Im wilden Gerangel versuchte jeder die Oberhand zu gewinnen. Philipp bekam beide Handgelenke von Lauenstein zu fassen und drängte ihn an den Tisch wo er die entnommenen Proben von Lilly untersucht hatte. Mit einem schnellen Ruck krachte sein Handgelenk gegen die Tischkante und das Messer fiel ihm aus der Hand.

Nein, von diesem Halbwüchsigen würde er sich nicht überrumpeln lassen! Mit aller Kraft schleuderte er Philipp herum, sodass dieser mit seinem Rücken auf der Tischplatte lag, gerade so kam er noch mit seinen Zehenspitzen auf den Boden. Bevor er zur Gegenwehr ansetzen konnte, umfassten zwei Hände seine Kehle und drückten feste zu.

Keuchend versuchte Philipp erst den Griff um seinen Hals zu lockern, aber sein Feind gab nicht nach. Verzweifelt schlug er nach Lauenstein, und griff nach dessen Gesicht, doch auch dieser Versuch scheiterte.

So sehr er es versuchte, aber er konnte nicht nach Luft schnappen, seine Kräfte ließen langsam nach und schwarze Pünktchen tanzten in seinem Sichtfeld.

„Lassen sie ihn los! Aufhören! Ich mache alles was sie wollen, aber tun sie ihm nichts!“

Lillys Worte stießen auf taube Ohren, hilflos musste sie mitansehen wie Philipp um sein Leben kämpfte. Wieder riss sie so fest sie konnte an ihren Fesseln, doch der Kunststoff bohrte sich nur noch mehr in ihre Handgelenke. Ihr Blick fixierte Xii, sie regte sich noch immer nicht. Tränen brannten heiß in ihren Augen und rollten ihre Wangen hinab. Das durfte einfach nicht geschehen, das ihre zwei liebsten Freunde ihr Leben ließen weil sie ihr zu Hilfe gekommen waren.

Zum ersten Mal seit sehr sehr langer Zeit wuchs ein Gefühl in ihr heran das ihr so fremd war wie die Welt außerhalb des Hains in dem sie aufgewachsen war. Wut.

Ihre Finger krallten sich in die Armlehnen des Stuhls und ihre Zähne knirschten, so feste presste sie diese aufeinander. Philipps Körper zitterte und sie merkte das seine Kräfte am Ende waren.

Dieser Fremde hatte sie gequält und was für sie noch viel Schlimmer war, ihren Freunden Schaden zugefügt. Grundlos, und ohne Reue. Immer wieder hatte man sie vor der Grausamkeit der Menschen gewarnt aber sie wollte nicht hören, sie wollte sich ein eigenes Bild machen. Sie hasste diesen Mann dafür das er genau das war, was ihr Volk in jedem Menschen sehen wollte.

Ihre Konzentration fixierte sich auf Lauenstein, alles andere blendete sie Stück für Stück aus. Er sollte aufhören! Aufhören! Aufhören!

Die Luft um Lilly herum begann leicht zu flirren und zu verschwimmen. Für einen kurzen Augenblick erfüllte der Duft von Wäldern den düsteren Kellerraum, und ein leises Surren lag in der Luft. Die Ellydre riss ihre Augen auf und ein ganzer Schwarm Stechmücken, jede fast so groß wie eine Hand, stürzte sich auf Lauenstein.

Die ersten bohrten bereits ihre Mundwerkzeuge in seine Haut und um schwirrten seinen Kopf. Schreiend ließ Lauenstein von seinem Opfer ab und taumelte rücklings während er versuchte nach diesen verfluchten Mücken zu schlagen.

Keuchend rang Philipp nach Luft und brach in lautes Husten aus. Sein Hals Schmerzte und er machte taumelnd ein paar Schritte. Es dauerte einen Augenblick bis er sich wieder gefangen hatte, aber dann zögerte er nicht mehr länger.

Hastig schnappte er sich ein Skalpell von dem Tisch und stürzte auf Lilly zu.

Schockiert sah er zu wie Lauenstein unter Schreien durch das Zimmer stolperte und nach den riesigen Stechmücken schlug.

So schnell er konnte kappte er die Kabelbinder um Lillys Gelenke und musterte sie besorgt.

„Was hat er nur mit dir gemacht?!“

„Das spielt keine Rolle mehr. Lass uns einfach nach Hause gehen.“

Lilly schenkte ihm ein müdes Lächeln und schloss langsam die Augen. Das Surren verstummte, die Stechmücken taumelten tot zu Boden als hätte das Leben sie mit einem Streich verlassen. Lauenstein blickte die beiden hasserfüllt an, seine Haut war überall mit Golfball großen Schwellungen überseht.

„Dafür werdet ihr bezahlen...“

Philipp harkte Lilly bei sich ein, die große Mühe hatte auf den Beinen zu bleiben und richtete das Skalpell gegen den Arzt. Plötzlich bemerkte er eine Regung in den Schatten der Wand direkt hinter seinem Gegner. Eine Gestalt löste sich aus der Dunkelheit, es wirkte fast als würde sie aus dem Schatten hinaus kriechen. Lilly klammerte sich feste an seinen Arm und stieß einen schrillen Schrei aus. Sofort löste sie sich wieder von ihm und schnappte sich Xii, dann packte sie Philipp am Ärmel und zog in hastig zurück bis ihre Rücken die Wand berührten. Völlig perplex blickte er erst zu dem Angsterfüllten Gesicht neben sich, und dann wieder zu der Gestalt in der anderen Ecke des Raumes.

Fell bedeckte fast den gesamten Körper der Kreatur, nur ihr Kopf war grau und hob sich im fahlen Licht fast schon weiß ab. Rote Augen starrten ihn aus leeren, eingefallenen Höhlen an und grüner Geifer tropfte aus seinem Maul. Ein beißender Gestank nach Verwesung breitete sich aus und brachte ihn fast zum würgen.

Seine Gliedmaßen waren schlank und Muskulös, im Gegensatz zu dem buschigen Fell seines Körpers waren dort die Haare bedeutend kürzer. Fast wirkte es auf ihn wie ein Wolf, mit der Mähne eines Löwen, dazu die riesigen, ledrigen Ohren einer Fledermaus.

Ein bedrohliches Knurren erschütterte die eingekehrte Stille, die langen Klauen machten einen gläsernen Laut als es langsam einen Lauf vor den anderen stellte. Lauenstein war für das Wesen nur ein lästiger Störfaktor und stand dazu noch in seinem Weg. Mit einem Schwenker seines Kopfes stieß er ihn wie eine Puppe zur Seite, quer flog er durch den Raum und blieb reglos am Boden liegen.

Noch immer kämpfte Philipp gegen die Übelkeit an, der Geruch wurde immer intensiver und war schier unerträglich, er drückte sich noch fester an die Wand und keuchte leise.

„Lilly was um alles in der Welt ist das?“

„Ein Wesen der Unterwelt, man nennt sie Faulvaruls. Schreckliche Geschöpfe die den Sümpfen der Verbannten entspringen. Ich... ich weiß nicht was er hier zu suchen hat!“

Rote Augen fixierten die Ellydre und ein dunkles Knurren wirkte wie eine Bestätigung ihrer Worte. Grüner Geifer tropfte unablässig zu Boden und brannte sich an den Stellen wo er aufkam, zischend hinein.

In Lillys Armen zuckte der kleine Körper und Xii murrte leise als sie wieder zu sich kam. Ihre kleine Nase rümpfte sich.

Der Unterkiefer des Faulvaruls zitterte und ließ einen gespenstischen, klappernden Laut entstehen, schon in der nächsten Sekunde schoss das Biest, nach vorn und riss kreischend sein Maul auf.

Philipp stieß Lilly zur Seite und brachte sich in letzter Sekunde mit einem beherzten Sprung in die andere Richtung in Sicherheit. Wahrscheinlich war seine Rettung das die Kreatur mit dem glatten Unterboden zu kämpfen hatte und mehr auf sie zuschlidderte als das sie rennen konnte. Mit einem lauten Krachen donnerte der Varul gegen die Wand und heulte wütend auf.

Feste presste sich Philipp die Hand auf Mund und Nase, vor Schock riss er weit die Augen auf. Dieses Vieh war größer als er es eingeschätzt hatte. Ein langer Schwanz, der lediglich aus Knochen und langen Haaren, die an ihm herab hingen, bestand zuckte erregt umher. Mit diesem Ding musste er fast fünf Meter lang sein.

Noch weniger gefiel ihm das der Varul zu Lilly herum wirbelte und wieder diesen klapprigen Laut mit seinem Unterkiefer erzeugte.

Niemals in seinem Leben war Philipp tapfer gewesen, von den Unzähligen Abenteuern an seinem Bildschirm abgesehen, und es gab nie einen Augenblick an dem er so viel Furcht verspürt hatte wie jetzt, aber er würde nicht einfach weg laufen und Lilly hier ihrem Schicksal überlassen.

Der Verwesungsgeruch trieb ihm die Tränen in die Augen, aber er erkannte das die Kreatur zum Sprung ansetzte und seine Freundin starr vor Schreck auf dem Boden lag. Noch während er sich auf die Beine kämpfte machte er einen Satz nach vorn und stieß das Skalpell mit aller Kraft in die Flanke des Biestes.

Es stieß einen markerschütternden Schrei aus und sein Schwanz schnellte wie eine Peitsche durch die Luft. Sie verfehlte Philipp nur knapp der sich auf allen Vieren so schnell wie möglich von ihm weg kämpfte.

Rotes Blut floss aus der Wunde, aber Zeit zum Staunen blieb ihm nicht, denn nun stand er im Visier.

Diesmal zögerte der Varul nicht und sprintete auf ihn zu, wieder kamen seine Klauen auf dem glatten Untergrund ins Schliddern.

Philipp schaffte es gerade noch unter den Tisch als scharfe Reißzähne hinter ihm zuschnappten. Seine Gedanken überschlugen sich, er wusste nicht was er tun sollte. Der massive Holztisch auf dem Lichtenstein seine Experimente durchgeführt hatte, knackte an allen Enden als der Faulvarul beide Vorderläufe auf die Tischplatte stemmte.

Philipp kroch rückwärts bis er gegen eines der Stuhlbeine kam. Die vorderen Beiden brachen unter der Last der Bestie weg, so blieb für ihn nur ein schmales Stück Platz, und Zeit zum beten das der Rest der Tischplatte nicht auch nachgeben würde.

Es erleichterte ihn das diese Kreatur nicht verstand das sie ihn von der Seite ohne Probleme erwischen konnte, doch die Erleichterung hielt nicht lange an. Er hörte wie sich Zähne immer wieder in das Holz gruben und der ätzende Speichel kleine Mulden hinein brannte.

Wie ein Kaninchen saß er in der Falle, und der Wolf leckte sich schon die Zähne vor Freude über sein köstliches Mahl.

Xii erwachte wieder völlig als sie samt ihrer Freundin über den Boden gerollt war.

„Was ist denn los? Dieser Gestank ist ja...“

Der kleine Fuchs paralysierte als er das Wesen aus der Unterwelt, hier auf diesem fremden Planeten erblickte. Hastig befreite Xii sich aus Lillys Armen und machte einen Buckel. Wie sehr sie diese Gestalt verabscheute, wie sollte sie so kämpfen, oder die, die ihr wichtig war beschützen?

„Lasst uns verschwinden! Solange dieses Biest noch beschäftigt ist!“

Sie machte einen Satz nach vorn als sie bemerkte das keine Reaktion auf ihre Worte folgte. Wütend drehte sie sich herum.

„Kommt!“

„Nein!“

Geschockt starrte Xii in die zornigen Augen von Lilly, die sich mühsam aufrichtete und mit einem Finger in die Richtung des Kampfes deutete. Lange würde der Tisch nicht mehr stand halten.

„Ich lasse ihn doch hier nicht sterben! Und auch du bist nicht jemand der so etwas tun würde!“

Zitternd kämpfte Lilly gegen die Erschöpfung an und schloss die Augen. All ihre Willensstärke konzentrierte sie auf den Boden unter sich, auf das feuchte Erdreich, weit unter dem kalten Stein.

Xii knurrte wütend über den Dickkopf ihrer Freundin, wegen ihr würden sie noch alle hier unten sterben.

Philipp schrie auf als die Tischplatte unter hunderten von Splittern zerbarst und grüner Speichel dicht neben ihm zu Boden fiel. Nun hatte er ohnehin keine Wahl mehr und er rollte sich zur Seite, nur einen Wimpernschlag später war der Tisch hinüber und krachte zusammen.

Die Bestie fixierte ihre Beute und klapperte mit ihrem Unterkiefer, ein Laut der das Blut des Menschen gefrieren ließ. Sehnen und Muskeln spannten sich an als sich der Faulvarul mit einem Sprung auf seine Beute stürzte.

Die Zeit blieb für ihn stehen als rasiermesserscharfe Klauen auf ihn nieder gingen und er in den schwarzen Schlund blickte der ihn gleich zerreißen würde.

Plötzlich schossen um ihn herum dicke Wurzeln aus dem Stein empor und ließen kleine Erdklumpen auf ihn nieder regnen. Sie schlangen sich um den gesamten Leib der Bestie, die wieder voller Zorn aufbrüllte und versuchte sich zu befreien.

Aber die Wurzeln zogen ihren Griff immer fester, und Philipp kroch so schnell er nur konnte unter dem Faulvarul weg. Es sah so aus als wäre er mitten im Sprung eingefroren, würde sein langer Schwanz nicht durch die Luft peitschen.

Mit aller Kraft versuchte es sich zu befreien, aber es gelang dem Biest der Unterwelt nicht. Erste Knochen knackten und brachen, die Schreie wurden immer schriller, Blut mischte sich zu dem giftigen Speichel der immerzu aus seinem Mund sickerte.

Plötzlich erschlaffte der riesige Körper, und eine Ruhe senkte sich über diesen Ort die, nach all der Verwüstung und dem Kampf ums Überleben, fehl am Platz wirkte.

Philipp hatte das Gefühl das Herz würde ihm gleich in der Brust zerspringen, so heftig schlug es. Nur schwer schaffte er es auf zu stehen, seine Knie schlotterten wie kahle Äste im Sturm. Ein leises Stöhnen vernahm er hinter sich und als er sich herum drehte entdeckte er dort Lilly, deren Haut schon fast transparent geworden war.

Kraftlos sackte sie zusammen und rang nach Luft, Schweiß strömte an ihrem Gesicht hinab. Xii eilte zu ihr und zuckte aufgeregt mit ihrem Schwanz.

„Lilly! Steht auf! Wir müssen sofort raus hier! Du da! Hilf ihr!“

Philipp zögerte nicht länger und legte einen Arm stützend um die junge Frau.

„Warst du das etwa? Das war... unglaublich. Ich wusste gar nicht das du so was auch kannst!?“

Die Ellydre brachte nur leise ein Flüstern zustande und zeigte mit zittriger Hand auf den bewusstlosen Körper von Lauenstein.

„Er hat ein Notizbuch in seiner Brusttasche. Und auf seinem Tisch sind auch Notizen. Wir müssen alles mit uns nehmen was er über mich in Erfahrung gebracht hat.“

Sie schaute sich in dem vollkommen verwüsteten Zimmer um und fuhr sich durch ihr Haar, wie war das alles nur geschehen? Wie war der Faulvarul hier in diese Welt gelangt?

Philipp kam mit allem zurück was sie ihm aufgetragen hatte und stopfte alles in einen Beutel der neben den Trümmern des Tisches lag. Gerade als er ihr wieder aufhelfen wollte verdrehten sich Lillys Augen, plötzlich ging ein Ruck durch den Raum und alles was sie herbei gerufen hatte, war verschwunden. Die riesigen Stechmücken, die Ranken und auch die tote Bestie, sowie der unerträgliche Gestank in der Luft.

„Lilly!“ Er rüttelte an ihr, doch sie reagierte nicht. Jetzt erst als er sie berührte, merkte er wie trocken ihre Haut war, überall lösten sich feine Schuppen von ihr.

Xii fauchte ihn wütend an und sprang aufgeregt hin und her. „Sie braucht Wasser! So schnell wie möglich! Sonst stirbt sie!“

Er schob eine Hand unter ihren Kniekehlen durch, die andere schlang er um ihren Rücken, hob sie empor und rannte im nächsten Augenblick schon los.

Zwei Stufen der Kellertreppe nahm er auf einmal und wollte sich gerade auf die Suche nach dem Badezimmer machen, als er in der Ferne das Martinshorn vernahm. Natürlich, der Tumult und all die Schreie waren der Nachbarschaft mit Sicherheit nicht verborgen geblieben, er bleckte die Zähne und stürmte zu einer gläsernen Hintertür die er am anderen Ende des Erdgeschosses erblickt hatte.

Zumindest einmal war heute das Glück scheinbar wieder auf seiner Seite, die Tür war nicht abgeschlossen, und führte in einen dunklen Garten. Ungesehen quetschte er sich durch die dichte Hecke und rannte die wenigen Meter zu seinem Auto. Lilly platzierte er vorsichtig auf der Rückbank und startete den Motor.

So normal wie möglich fuhr er um die Kreuzung und kam am Haupteingang des schicken Einfamilienhauses vorbei. Etliche Nachbarn standen schon auf den Bürgersteigen und diskutierten miteinander. Ein Polizeiwagen parkte gerade am Straßenrand, er hörte wie einer von den beiden Polizisten die Anwohner fragte, wer denn wegen der Ruhestörung angerufen hatte.

Ein Stein viel ihm vom Herzen als er die Stadt endlich hinter sich lassen konnte, das Gaspedal drückte er nun ganz durch und der Motor des alten Kleinwagens rebellierte laut. Tief atmete er aus und drückte den Hinterkopf in die Stütze seines Sitzes.

„Als ich die Sachen zusammen gesucht habe, habe ich bei dem Kerl kurz geprüft ob er noch Puls hatte. Auf jeden Fall hat er noch gelebt, dann haben wir vielleicht nicht so viel Ärger am Hals. Auf der anderen Seite...“, nervös kaute er auf seiner Unterlippe herum, „...wird er mich doch meiner Schwester zuordnen können. Unsere Adresse hat er auf jeden Fall. Ich weiß nicht was ich deshalb machen soll!“

Schweigen breitete sich in dem Innenraum des Autos aus, kurz warf er einen Blick über seine Schulter und sah wie Xii sich an die Wange von Lilly gekuschelt hatte und ihr vorsichtig über das Gesicht leckte.

Wieder biss er sich auf die Unterlippe und sendete ein Stoßgebet nach dem anderen hinauf. Ihm wurde bewusst dass das erst einmal seine kleinste Sorge sein würde.

Nicht mal eine halbe Stunde war vergangen, dann bog er bereits in die Einfahrt seines Elternhauses ein, an diesem Tag hatte er genug von Autofahrten in der sich jede Minute wie eine Stunde zog.

Die Haustür trat er hinter sich so feste in das Schloss dass das ganze Haus erbebte, auf dem schnellsten Weg rannte er hinauf in das Badezimmer und legte Lilly in die Wanne.

Xii war erstaunlich ruhig geworden und verfolgte ohne Einwände sein Handeln. Das Rauschen des Wassers als er den Hahn aufdrehte war wie Musik in ihren Ohren, sie hoffte inständig das es noch nicht zu spät war. Besorgt wanderte ihr Blick zu dem Fenster, die Nacht war erst angebrochen und die Sonne würde viel zu lange auf sich warten lassen.

Philipp setzte sich auf den Rand der Wanne und schöpfte immer wieder Wasser über das Gesicht von Lilly.

Behutsam strich er über den kleinen Ast auf ihrem Kopf der deutlich kürzer war als der andere. An der von Harz verklebten Schnittstelle hoben sich kleine Splitter ab. Sein Herz schmerzte als er sich vorstellen musste was dieser Kerl ihr angetan hatte. Ihm wurde schlecht vor Wut als er daran dachte mit welcher Euphorie er gesprochen hatte, als er von seinen Plänen erzählte. Das sie in die Hände eines solchen Teufels gelangen konnte, hätte er sich nie ausmalen können. Er scholt sich einen Narren so unaufmerksam gewesen zu sein, das er nicht gemerkt hatte das jemand die Heilung von Lilly hätte sehen können. Viel zu sehr hatte er sich an die Hoffnung geklammert seine Schwester retten zu können.

Bis zum oberen Rand war die Wanne voll gelaufen und er drehte den Hahn wieder zu. Eine Hand hatte er die ganze Zeit in ihrem Nacken liegen um sie über Wasser zu halten. Nichts tat sich.

Verzweifelt sah er Xii an, die sich bereits auch auf den Rand gesetzt hatte und Lilly stumm betrachtete.

„Gibt es nichts was ich noch für sie tun kann?“

„Nein... nun hilft nur noch abwarten. Abwarten und hoffen.“

Minute um Minute vergingen ohne das die Ellydre sich regte. Heiße und kalte Schauer liefen über Philipps Rücken, zu allem Überfluss meldete sich auch jetzt noch sein schlechtes Gewissen. Von Anfang an wollte er sie einfach nur noch los werden, er wollte seinen langweiligen monotonen Alltag wieder haben. Auch in den letzten Wochen hatte sie ihn von früh bis spät genervt mit all ihren tausend Fragen, immerzu wollte sie irgendwas unternehmen.

Aber ein Teil von ihm hatte diese Abwechslung auch mit der Zeit gefallen, es hatte gut getan mal wieder unter Menschen zu kommen, was anderes zu sehen. Ihre heitere und unbeschwerte Art hatte alles so leicht gemacht.

Plötzlich bemerkte er wie sich etwas unter ihren geschlossenen Lidern bewegte, gespannt hielt er den Atem an bis sie endlich ihre grünen Augen wieder aufschlug.

Benebelt blinzelte Lilly einige Male und rollte mit dem Kopf zur Seite. Mit einem Lächeln nahm sie die vertrauten Gesichter um sich herum wahr.

„Ihr könnt euch gar nicht vorstellen was ich für einen schrecklichen Traum hatte.“

„Du bist wieder wach!“

Im nächsten Moment schlangen sich zwei Arme um ihren Hals und Philipp drückte sie fest an sich. Erst jetzt wurde sie sich all dem Wasser um sich herum bewusst, und auch das der Traum sich mehr nach einer realen Erinnerung anfühlte.

Ihre Stimme war so rau das es mehr wie das Krächzen eines Raben klang.

„Über deine Zuneigung freue ich mich sehr, aber ich habe einen unsagbaren Durst...“

Sofort sprang Philipp auf die Beine und eilte zur Tür hinaus, im Rennen rief er noch das er ihr etwas zu trinken holen würde.

Etwas perplex betrachtete sie die Badewanne voll mit Wasser, das war doch schon mehr als sie trinken konnte. Gierig schöpfte sie ein paar Hände voll und stürzte es hinunter. Kurz schloss sie ihre Augen und atmete tief durch. Obwohl das Wasser lebensnotwendig war, schmerzte ihre ganze Kehle so sehr das es kaum zum aushalten war wenn sie auch nur einen Schluck nahm.

Etwas flauschiges schmiegte sich vom Wannenrand an ihre Wange, lächelnd blickte sie hinüber zu ihrer besten Freundin.

„Xii. Geht es dir gut? Dieser Mann hat dir einen üblen Tritt verpasst, ich hatte solche Angst um dich.“

„Ihr hattet in eurer Situation auch noch Angst um mich? Ihr seid wirklich unmöglich.

Als ich euch angekettet an diesen Stuhl sah, haben sich mir alle Haare aufgestellt. Am liebsten hätte ich diesen Menschen in Stücke gerissen.“ Betroffen senkte sich leicht ihr Kopf und sie schmiegte sich wieder an Lillys Wange.

„Vergebt mir das ich euch nicht befreien konnte, als eure Leibwache habe ich kläglich versagt, obwohl ich einst einen Eid ablegte um Euch vor jedem Übel zu bewahren.

Diese Welt hat mir diese jämmerliche Statur gegeben und mich all meiner Kräfte beraubt.“

Eine nasse Hand streichelte ihr dankbar den Kopf und Lilly wollte gerade zu ein paar Worten ansetzten als Xii einen kleinen Sprung zurück machte.

„Ihr hättet auf mich hören sollen! Dieses Mädchen zu retten war eine Torheit, Ihr habt dadurch viel Zeit eures eigenen Lebens aufgebraucht, schlimmer noch, Ihr hättet es beinahe diese Nacht verloren.

Ihr solltet langsam genug Eindrücke dieser Welt gesammelt haben und Euch wieder auf die Suche nach Morendras Stab konzentrieren.“

„Xii... sei doch nicht immer so verärgert. Es ist meine Entscheidung wen ich heile, und wen nicht. Außerdem glaube ich noch immer das der Stab nicht gefunden werden will, und er es ist der zu mir kommt.“

Der kleine Fuchs plusterte sein Fell auf und fauchte leise.

„Das kann nicht Euer Ernst sein! Diese Menschen sind schlecht, Ihr habt es am eigenen Leib erfahren! Er hätte Euch getötet aus lauter Gier! Das könnt Ihr nicht einfach so abtun! Wo ist Euer Pflichtgefühl, Eure Verantwortung eines ganzen Volkes gegenüber? Ihr flüchtet Euch in Träumereien statt den Stab zu suchen, so langsam glaube ich Ihr wollt gar nicht mehr zurück, sondern amüsiert euch viel lieber mit diesem dreckigen Menschenabschaum.“

Mit einem Satz sprang sie über das Wasser hinfort und landete anmutig auf den Badezimmer Fliesen, wütend starrte sie hinauf zu Lilly die lieber müde den Kopf in den Nacken legte statt eine Antwort zu geben. Das Schweigen machte Xii noch zorniger und sie nutzte die Gelegenheit um weiter zu wettern.

„Na, wenn es Euch hier so gut gefällt dann bleibt! Bleibt in einer Welt die um euch herum stirbt und zugrunde gerichtet wird, das war nämlich das, was ich gesehen habe. Dieser Planet wird bis zum letzten Gut ausgeraubt, bis diese Menschen erkennen das sie all ihr Geld nicht essen können. Doch dann wird es zu spät sein!

Ich für meinen Teil werde den Stab Morendras suchen und dann dorthin zurück kehren wo ich hin gehöre.“

Kaum hatte der letzte Ton ihre Lippen verlassen, sprintete Xii los und warf keinen Blick mehr zurück. Da die Haustür nicht abgeschlossen war, war es für sie ein leichtes die Klinke mit einem Sprung zu erreichen und hinunter zu drücken. Ihre Kleine Gestalt verschwand in der Dunkelheit der Nacht.

Philipp, der sich oben im Flur an eine Wand gelehnt hatte, war stumm dem Streit gefolgt. Lauschen war normal nicht seine Art, aber er wollte die beiden auch nicht stören. Langsam ging er wieder hinunter um die Tür zu schließen, zurück im Bad fand er Lilly noch immer völlig schweigsam vor. Sie hatte den Kopf an den Badewannen Rand gelehnt und starrte an die Decke, man sah ihr die Erschöpfung der Nacht deutlich an.

Als er ihr die Wasserflasche hin hielt schenkte sie ihm ein dankbares Lächeln und seufzte bei seinem betroffenen Gesichtsausdruck.

„Xii ist nicht immer so. In ihrer Brust schlägt ein gutes Herz, und ich muss ihr Recht geben. In der letzten Zeit habe ich immer weniger an die Suche nach dem Stab Morendras gedacht. Eure Welt kennen zu lernen war so aufregend, das ich alles was wichtig war vergessen habe. Oder seien wir ehrlich, ich habe es verdrängt.“

Philipp kniete sich neben der Wanne nieder und legte seine Arme in einer ineinander verschränkten Position auf dem Rand ab. Nach einer Weile der Stille schüttelte er den Kopf.

„Ich weiß dass ihr viel an dir liegt, sie hatte sich auf der Suche nach dir große Sorgen macht. Sie erzählte mir das du für die Heilung meiner Schwester einen Teil deiner eigenen Lebensenergie hergegeben hast.

Warum hast du mir das nicht selbst vorher gesagt?“

„Hätte ich es dir gesagt, hättest du dich dann anders entschieden?“

Ihre Gegenfrage, und der gelassene Blick mit dem sie ihn betrachtete, warf ihn völlig aus der Bahn. Fast schon beschämt senkte er den Blick, eine Antwort wollte er ihr darauf nicht geben, denn wenn er ehrlich war, wäre diese ein Nein gewesen.

„Siehst du, es hätte deine Entscheidung nicht geändert, aber du hättest sie mit einem schlechten Gewissen fällen müssen, und dir unnötig Gedanken darüber gemacht. Das wollte ich eigentlich vermeiden.

Wen ich heile, und wofür ich meine Lebensenergie hergebe ist allein meine Entscheidung.“

Unbeholfen schob er seine Hände in die Taschen seiner Sweatjacke, wieder verging eine ganze Weile in der sie einfach nur still dasaßen. Philipp erhob sich langsam, und kratzte sich flüchtig an der Brust während er zu dem kleinen Fenster blickte, er war einfach niemand der sich gern mit langen Reden aufhielt, und schon gar nicht wenn sie so emotional waren wie diese.

„Besser ich gehe Xii mal suchen...“

Bevor er sich weg drehen konnte umfasste Lilly sein Handgelenk, Wasser platschte auf die weißen Fliesen, in ihren Augen lag etwas flehendes.

„Bitte bleib. Sie wird schon zurück kommen wenn sich ihr Gemüt abgekühlt hat.“, müde senkten sich ihre Lider und ein tiefer Atemzug erschütterte ihren Körper, „Heute möchte ich nicht mehr allein sein.“

Ohne ein weiteres Wort nickte er ihr zu und setzte sich wieder auf den Rand der Wanne, als er sicher war das sie einen tiefen Schlaf gefunden hatte, zog er sich den Sitzsack aus seinem Zimmer heran und ließ sich hinein fallen.

Für seinen Geschmack war das eindeutig wieder einer dieser Tage an denen viel zu viel geschehen war, und den man einfach nur vergessen wollte. Dennoch dauerte es eine ganze Weile bis auch seine Gedanken sich beruhigt hatten, und er nicht mehr alle paar Minuten nachsah ob Lillys Kopf noch oberhalb des Wassers war.
 

Sein Schlaf sollte alles andere als erholsam sein, Bilder von seiner mit Bandagen bedeckten Schwester, und Reißzähnen von denen giftiger Speichel troff, verfolgten ihn die nächsten Stunden.

Ganz langsam dämmerte Philipp dem Wachsein wieder entgegen, einige Zeit war vergangen, das Licht des Morgens erhellte den Raum bereits vollkommen, dennoch kam es ihm vor als wären nur Minuten vergangen.

Herzhaft gähnend schob er seine Brille nach oben und rieb sich den Schlaf aus den Augen, als er versuchte sich zu strecken schmerzte sein Körper ungemein. Für solche Schlafpositionen war er einfach zu alt, Schlaf war ihm heilig, und den vollzog er für gewöhnlich in seinem Heiligtum. Seinem Bett.

Träge rollte sein Kopf zur Seite, er wollte sehen wie es Lilly mittlerweile erging. Mit einem Schlag war er hellwach, denn ihr fast schon vertrautes Gesicht war fort. Ruckartig versuchte er aufzuspringen, was nicht so elegant aussah wenn man die ganze Nacht lang in einen Sitzsatz hinein gesogen wurde und nun versuchte aus einem Loch heraus zu krabbeln.

Wie eine Schildkröte auf dem Rücken ruderte er mit seinen Armen, gab es schließlich auf und rollte sich seitlich von seinem Gesäßgefängnis weg.

„Lilly!?“ Auf Knien robbte er die wenigen Zentimeter auf die Badewanne zu und zog sich an deren Rand etwas in die Höhe, aber bis auf ein wenig Wasser war darin nichts zu sehen.

„Guten Morgen! Was bist du denn so aufgeregt?“

Ihre Stimme zu hören versetzte seinem Herzen einen Stromstoß, und es traute sich wieder zu schlagen. Sein Kopf schwenkte zur Seite und kaum hatte er sie erblickt, erschlaffte seine Kinnlade.

Lilly kniete auf den blanken Fliesen des Badezimmers, direkt vor dem Fenster, dort wo die wärmende Sonne des Morgens hinein fiel und hatte den Kopf über ihre Schulter zu ihm gedreht. Ihre Arme waren zu beiden Seiten hin ausgebreitet als würde sie etwas anbeten. Das alles wäre noch kein Grund gewesen gleich die Fassung zu verlieren, wäre da nicht die Tatsache das er sehen konnte das ihre Haut sich wieder regeneriert hatte. Sie gewann an Farbe und wirkte straffer, nicht so knittrig am gestrigen Tag. Zu übersehen war das nicht, denn sie kniete dort wie Morendras sie nach ihrem Glauben hin geschaffen hatte. Splitterfasernackt.

„Uah! Was machst du denn da schon wieder verdammt!!!“

Eilig drehte er ihr den Rücken zu und schlug sich die Hände vor das Gesicht. Lilly hingegen verstand seine Aufregung nicht, sie fühlte sich wie neu geboren.

„Das Wasser hat schon gut getan, aber ich brauche auch dringend Sonnenlicht. Mit eurer komischen Kleidung, die fast die ganze Haut bedeckt, kann ich es doch nicht aufnehmen.“ Ihre nackten Füße platschten leise auf dem Boden und kamen ihm bedrohlich nahe. „Jetzt bin ich wieder völlig bei Kräften! Ist das herrlich!“

Noch immer hielt Philipp sich die Hände vor sein Gesicht und stöhnte genervt auf. In gewohnter Manier pöbelte er ihr entgegen das sie sich sofort anziehen soll, der schreckliche Anblick wäre ja nicht zum aushalten.
 

Als er sein Frühstück zu sich genommen hatte, beschlossen die beiden sich auf die Suche nach Xii zu machen. Lilly hätte nie gedacht das ihre Freundin so lange schmollen und die ganze Nacht draußen verbringen würde. Ihre Füße trieben sie an die gewohnte Stelle, dort wo sie damals vom Himmel gefallen waren.

Weit ab des kleinen Weges wo sich um diese Zeit viele Spaziergänger aufhielten riefen sie immer wieder den Namen des kleinen Fuchses, eine Antwort aber blieb aus. Mehr und mehr wuchs große Sorge in Lilly heran, denn auf dem erblühenden Waldboden konnte sie nicht eine Spur ausmachen. Immer tiefer gingen sie hinein in die friedliche Idylle des Waldes, Vögel zwitscherten überall und ein herrlicher Duft von erwachendem Leben erfüllte ihre Nasen, nichts davon nahm die Ellydre wahr, alles was sie wollte war Xii zu finden.

Plötzlich rief Philipp ihren Namen und deutet auf ein kleine Anhöhe, nur wenige Meter entfernt von ihnen. Mehr als nur ein Stein fiel ab von Lillys Herzen, denn dort oben saß ihre Freundin mit dem Rücken zu ihnen.

„Xii!!!“ Sofort stürmte sie den kleinen Hang hinauf und blieb dicht hinter dem Fuchs stehen.

„Wieso antwortest du mir denn nicht? Weißt du was ich mir für Sorgen gemacht habe?!“

Beleidigt schaute Xii weiterhin in die Ferne ohne auch nur einen Blick zurück geworfen zu haben. Vor ihnen erstreckte sich eine herrliche Aussicht auf ein Tal aus Laub- und Nadelbäumen, alles wirkte so friedlich in der Frühlingssonne. Die Bewohner des Waldes sangen ihre Lieder und der Wind säuselte über ihnen durch die grünen Blätter. Irgendwo schnatterte ein Eichhörnchen und Vögel huschten von Ast zu Ast. Philipp hätte das ganze sicherlich auch sehr entspannend gefunden, würden die beiden nicht gut einen Meter vor einem steilen Abhang stehen und ihr zorniges Schweigen austragen.

„Wollen wir nicht nach Hause gehen und ihr...“ ,aber seinen Worten wurde einfach keine Beachtung geschenkt, stattdessen flötete Xii vollkommen unbeeindruckt los.

„Ich habe nur das getan was Ihr hättet schon lange tun sollen. Das Relikt Eures Volkes suchen, statt Euch bei diesem Mensch zu vergnügen. Dabei dachte ich in der letzten Nacht hättet Ihr eine Lektion gelernt.“

Gerade als Xii Luft holte um ihren Vortrag auszuweiten gellte neben ihr ein Schrei auf dessen Echo mehrere Male in dem Tal nachhallte. Vögel kreischten empört auf und flatterten davon. Mit weit aufgerissenen Augen starrten Xii und Philipp zu der Verursacherin des Schreis. Zu Lilly.

Zum ersten Mal in ihrem Leben riss ihr der Geduldsfaden und ihre Ohren waren das ewige Nörgeln leid. Sie ballte ihre zierlichen Hände zu Fäusten und stemmte sie sich in die Hüften. Philipp hätte nie gedacht das dieses stets heitere Gesicht zu so einer wütenden Grimasse fähig war, im Stillen machte er sich eine Notiz das er sich geirrt hatte.

„Mir reicht es langsam mit deinen ständigen Bevormundungen was ich zu tun und zu lassen habe! Seit wir in dieser Welt sind, lässt du an nichts und niemandem ein gutes Haar! Glaubst du wirklich ich habe kein Heimweh? Glaubst du wirklich ich möchte nicht auch nach Hause zurück kehren?

Tagelang sind wir durch diesen Wald geirrt ohne auch nur eine Spur von Morendras zu finden! Ich habe die Suche auch nie aufgegeben obwohl es fast unmöglich scheint ihn unter all den Stöcken und Ästen die hier liegen, zu finden.“

Von der knisternden Stimmung angesteckt sprang Xii auf und grub ihre kleinen Krallen in das weiche Erdreich.

„Morendras sieht ja wohl ganz anders aus! Wisst Ihr was ich glaube? Inzwischen hat ihn irgendein Mensch in seine dreckigen Finger bekommen, nur weil wir nicht genug gesucht haben!“

„Da irrst du dich aber! Ich sag dir mal was, als wir vom Himmel gefallen sind, und er mir aus den Fingern glitt, hat Morendras seine Form geändert. Er wurde zu einem ganz normalen Stock wie sie hier zuhauf vorkommen.

Und bevor du dich jetzt wieder aufregst, kann ich dir sagen wieso ich das die ganze Zeit für mich behalten habe! Weil ich wirklich glaube das Morendras will das ich hier irgendwas finde, und er sich wieder offenbaren wird wenn die Zeit reif ist.“

Der kleine Fuchskörper begann zu zittern und ein leises Zischen erklang als würde Luft durch ein undichtes Ventil entweichen. Scheinbar sah Xii die ganze Sache nicht so gelassen, es wirkte vielmehr als würde es gleich eine folgenschwere Explosion geben. Philipp stand relativ gelassen neben den beiden, begeistert war er von Lillys Geständnis absolut nicht, aber wenn er eines in seinem jungen Leben gelernt hatte, dann das man sich in Streitereien von Damen nicht einmischte.

„Das glaube ich jetzt nicht! Wie kann man nur so naiv sein!? Was wenn Morendras seine Kraft verloren hat und wir für immer und ewig in diesem Höllenloch hier festsitzen! Und das alles wegen deinem dummen Egoismus!“

Xii verlor die Beherrschung, der Gedanke für immer hier fest zu sitzen war eindeutig zu viel des guten. Mit einem kraftvollen Sprung attackierte sie Lilly und schlug ihre kleinen Krallen in den dünnen Stoff ihrer Bluse.

Mit einem beherzten Schritt zur Seite wollte die Attackierte noch ausweichen, aber der pelzige Dämon hing bereits an ihr. Leider forderte die Unachtsamkeit der Beiden rasch ihren Tribut, denn sie hatten vergessen das direkt neben ihnen ein steiler Hang in die Tiefe führte.

Lillys Fuß rutschte ab und jeder Versuch noch Halt zu finden war vergebens, die losen Blätter waren ihr keine Hilfe. Philipp erwachte sofort aus seiner Starre und versuchte noch einen rudernden Arm zu erwischen, aber er war zu langsam.

„Lilly! Nein!“

Wieder echote ein Schrei durch das idyllische Tal, doch dieses Mal lag Angst darin. In letzter Sekunde bekam die Ellydre eine Wurzel zu packen und klammerte sich mit aller Kraft an sie. Keuchend hob sie ihren Kopf, keine zwei Meter waren sie abgerutscht, aber sie fand inmitten all der Blätter, Mose und Farne keine Möglichkeit sich an irgendwas hoch zu ziehen.

Ihre Füße suchten ebenfalls ohne Erfolg eine Möglichkeit um sich abzustützen.

Xii kletterte auf Lillys Schulter und warf einen Blick hinunter, Bäume hatten ihre Wurzeln über Jahre tief ins Erdreich gegraben und trotzten rings um sie herum den Widrigkeiten, allerdings war keiner von ihnen in Reichweite. Unter ihnen wartete der sichere Genickbruch.

„Lilly es tut mir leid... Soweit sollte es nicht kommen.“

Die Ellydre schnaubte und klammerte sich verzweifelt an die kleine Wurzel, ihre Arme begannen schon jetzt vor Anstrengung zu zittern. Dennoch formten ihre Mundwinkel ein Grinsen.

„Wir sind beide Idioten, und das haben wir nun davon.“

Philipp kniete dicht am Rand des Abgrundes, sein Herz klopfte panisch in seiner Brust. Als er sich flach auf den Boden legte streckte er die Hand so weit es ihm möglich war nach den beiden aus, aber es reichte nicht.

Hektisch suchte er die Umgebung ab, irgendwas musste sich doch als nützlich erweisen. Aus lauter Verzweiflung griff er nach einem Ast der auf jeden Fall bis zu Xii und Lilly reichen würde und einen robusten Eindruck machte. Aber würde er ihn auch halten können?

Ohne weitere kostbare Minuten zu verschwenden ging er vor der Absturzstelle auf ein Knie nieder und klemmte sich das eine Ende des Astes in seine Achselhöhle, es musste einfach klappen, er würde sie nicht schon wieder fast verlieren.

„Halt dich an dem anderen Ende fest! Ich werde euch dann hochziehen!“

Zittrig löste Lilly eine Hand von der lebensrettenden Wurzel und versuchte nach dem Holz zu greifen, vor Schreck, als sie merkte das die Wurzel ein kleines Stück nachgab, keuchte sie auf und zog die Hand wieder zurück.

„Xii! Klettere du als erstes an dem Ast hinauf. Dann kann ich mich besser konzentrieren.“

„Rede keinen Unsinn, ich kann dir keine große Hilfe sein, aber ich werde dich mit Sicherheit nicht allein lassen!“

Lilly stöhnte aufgrund der Sturheit ihrer Freundin auf. Feste biss sie sich auf die Unterlippe, über ihnen rief Philipp immer wieder sie soll endlich zugreifen.

Ein letztes Mal atmete sie tief durch und setzte alles auf die eine Karte die sie noch hatte. Sie griff nach dem Ast und kaum das ihre Hand sich festklammerte, ging ein schwaches Licht von dem toten Stück Holz aus.

Von oben kämpfte Philipp gegen das Gewicht an und versuchte die beiden nach oben zu ziehen, dann bemerkte auch er das schwache Licht und dass das Holz des Astes begann sich zu verformen.

„Was zum?!“

Er erschrak so sehr das er das Gleichgewicht verlor und seine Füße den Hang hinunter schlitterten. Blätter taumelten wild durcheinander, Schreie erklangen und schreckten die letzten Vögel auf. Ein gleißender Lichtblitz blendete ihn und er stürzte mit Lilly und Xii in die Tiefe.

Der erwartete Schmerz blieb aus, stattdessen hatte er das Gefühl immer weiter zu fallen. Plötzlich jauchzte eine Frauenstimme vor Freude auf und er traute sich wieder die Augen zu öffnen. Noch immer hielt er das eine Ende des Astes in Händen, und Lilly das andere, aber etwas ganz entscheidendes hatte sich verändert. Knorrig zwirbelte sich das Holz um kleine und große Bernsteine die leuchteten als wären sie aus Gold. Feine grüne Ranken schlängelten sich empor wo eine Gabelung zwei große Bögen beschrieb die sich zur Mitte hin wieder vereinten. Genau dort ruhte der größte aller Bernsteine und spiegelte sein verblüfftes Gesicht wieder.

„Das ist Morendras! Wir haben ihn gefunden! Oder er uns! Xii, Philipp, ist das nicht unglaublich?“

Um sie herum herrschte vollkommene Finsternis und sie schienen in ein endloses Nichts zu stürzen, Lillys Freude konnte Philipp nicht wirklich teilen, er machte sich vor Angst fast in die Hosen.

Xii krallte sich so fest sie nur konnte an den Stoff der Lillys Schulter bedeckte, auch sie jubelte auf als sie erkannte welch glorreichen Fund sie gemacht hatten.

Eine starke Böe riss an ihnen und plötzlich blitzten überall Lichter in allen möglichen Farben auf und rasten an ihnen vorbei. Philipp verlor den Halt und rutschte von Morendras ab, vor lauter Furcht gelang es ihm nicht einmal mehr zu schreien als er sah wie weit er sich von Sekunde zu Sekunde von ihnen entfernte.

Grelles Licht blendete ihn und er bedeckte seine Augen, ihm war als würde sein Fall gebremst, ein Gefühl als ob sich ein riesiges, weiches Polster unter ihm auftat. Leider schien das Polster nicht sehr robust zu sein, denn im nächsten Augenblick prallte sein Rücken auf etwas hartem auf. Ein fauliger Geruch stieg ihm in die Nase, ließ ihn sogar fast würgen, und es dauerte auch nicht lange bis er sich erinnerte woher er diesen Geruch kannte.

Ein klappernder Laut ließ das Blut in seinen Adern gefrieren.

Kleine Äste und heruntergefallene Blätter knackten leise unter seinen Stiefeln als er den breiten Pfad entlang ging. Sein herzhaftes Gähnen mischte sich unter die Geräusche des Waldes der ihn umgab. Alles wirkte so friedlich, Vögel zwitscherten, der Wind flüsterte leise durch die Blätter der Bäume und vor seinem Blickfeld jagten sich zwei Schmetterlinge. Schon lange hatte er sich nicht mehr so gelangweilt.

Unter einem tiefen Seufzen kramte er aus seiner Tasche die zerfledderte Landkarte ohne die er in diesen fremden Ländereien sicherlich aufgeschmissen wäre. Seine Stimmung hob sich nicht als ihm klar wurde das sein Ziel noch mindestens zwei Tagesreisen entfernt lag.

Lieblos faltete er die Karte wieder zusammen und schob sie zurück in die Ledertasche welche er an seinem Gürtel befestigt hatte. Zu allem Überfluss knurrte schon wieder sein Magen, dabei hatte er erst vor einer Stunde gerastet, dieses verdammte Trockenfleisch und Knusperbrot machte ihn einfach nicht satt. Viel mehr würde er lieber wieder einen herzhaften Eintopf zu sich nehmen oder einen Gänsebraten, oder ...nein, er zerstreute rasch seine Gedanken denn der Wasserspiegel in seinem Mund nahm erheblich an.

Bevor er seinem knurrenden Magen noch mehr Beachtung schenken konnte, nahm sein empfindliches Gehör etwas in der Ferne wahr. Still verharrte er an Ort und Stelle, sein Blick schweifte vorbei an den knorrigen Stämmen der Bäume, jetzt wurde ihm bewusst war er dort hörte.

Schreie.

Ganz langsam bewegte er seine Hand zu dem Knauf der hinter seiner rechten Schulter hervor ragte. Ein leises Surren wirkte wie ein Lied, das seine Klinge vor Freude sang als sie ihrer bevorstehenden Aufgabe gegenübersah.
 

Niemals in seinem Leben hätte er sich vorstellen können das er so schnell laufen konnte, aber in diesem Moment fiel ihm das Denken allgemein hin sehr schwer, denn der Sauerstoff den seine Blutkörperchen gerade transportierten, wurde so ziemlich überall in seinem Körper gebraucht.

Nicht einmal warf er einen Blick zurück, das brauchte er auch gar nicht, er hörte das Hecheln, das Klappern von Knochen und die langen Krallen die durch den Waldboden pflügten, dicht hinter sich. Dieses Vieh hatte so lange Beine, eigentlich müsste es doch schneller sein als er, oder etwa nicht? Spielte es vielleicht mit ihm?

Gedanken die an ihm vorbei rauschten als er über Wurzeln und umgefallene Baumstämme sprang um den gewaltigen Kiefern hinter sich zu entgehen. Neben ihm tauchte plötzlich ein Schatten auf, als Philipp einen Blick darauf warf, blickte er in die blutroten Augen eines zweiten Faulvaruls.

„Nein! Verdammt!“ Seine Lunge brannte vor Anstrengung, er pfiff jetzt schon aus dem letzten Loch, doch dann wurde es noch viel Schlimmer. Auch zu seiner linken Seite nahm er zwei herannahende Schatten war, nun waren es schon vier Faulvaruls die an seinen Fersen klebten.

Wenn seine Überlebenschancen schon vorher bei Null gewesen waren, wo waren sie dann nun?

Vor ihm gaben die Bäume einen Weg frei der nicht mehr war, als ein breiter Trampelpfad. Inmitten dieses hellen Ortes, der so friedlich sein könnte, stand etwas auf diesem Pfad das genauso wenig hier her passte wie die Kreaturen hinter ihm.

Überall wuchs saftig grünes Gras, die Stämme der Bäume wuchsen so knorrig in die Höhe das es etwas romantisches hatte, dazu noch die gelben Blätter welche aussahen aus wie kleine Herzen. Farne züngelten sich verspielt empor. Hier, mitten auf dem idyllischen Pfad der sich durch die Landschaft schlängelte stand ein Mann.

Mit Sicherheit war er über zwei Meter groß. Seine Schultern könnten fast genau so breit sein, denn sein Körper war in eine massive Rüstung aus schwarzem Stahl gehüllt. Erst hatte Philipp den Eindruck der Koloss würde eine Maske tragen, aber je näher er dem Kerl kam, desto klarer wurde die Gewissheit dass das was er sah tatsächlich Haut war. Sie hatte die Farbe von dunklem Grau, und stand in einem starken Kontrast zu seinem weißen Haar.

So genau wollte Philipp diesen Fremden auch gar nicht kennen lernen, denn als er auf ihn zu rannte hob der Koloss sein Schwert das er bis dahin locker in der rechten Hand gehalten hatte.

Welcher Tod wohl angenehmer wäre? In Zwei geschlagen, oder von fletschenden Bestien zerrissen zu werden?

Philipp versuchte einen Haken zu schlagen um dem Kerl nicht in die Hände zu laufen, aber trotz der massiven Rüstung wich er überraschend schnell in seine Richtung aus und stieß den jungen Mann zur Seite weg. Unter einem leisen Aufschrei landete er unsanft im Dreck und rollte auf den Rücken.

Nur einen Augenblick später war ein Surren zu hören, wie von Stahl der aufeinander rieb, und an dem linken Unterarm des Kriegers bildete sich ein Schild. Keine Sekunde zu spät, denn schon prallte der erste Faulvarul bereits dagegen.

Das zweite Biest beachtete den Riesen gar nicht und zog einen Bogen, seine leeren Augenhöhlen hatten sich auf Philipp fixiert. Noch nie in seinem kurzen Leben hatte er solch eine Angst verspürt.

Allerdings erreichte die Kreatur ihr Ziel nicht, denn mit einem heftigen Hieb drang die Klinge des Schwertes tief in seine Seite hinein.

Ein fürchterliches Brüllen des Zornes ließ die Luft ringsherum erbeben, der Körper des Faulvaruls taumelte und stürzte, Beine und Schwanz zuckten im Todeskampf, blind versuchte es mit seinem gewaltigen Kiefer noch nach etwas zu schnappen bevor das Leben aus ihm wich.

Nun hatten hatte der Krieger die volle Aufmerksamkeit der anderen drei Bestien, sie fletschten ihre Zähne, unablässig triefte grüner Speichel zu Boden und hinterließ dunkle Flecken. Die Kochen die wie eine zweite Wirbelsäule an ihren Kehlen hinab wuchsen begannen zu zittern, erzeugten somit wieder dieses klappernde Geräusch das Philipps Blut zu Eis gefrieren ließ.

Die dunkle Stimme des Kriegers riss ihn aus seiner Starre, er konnte die Worte nicht verstehen, die Sprache war ihm gänzlich unbekannt. Kleine Steinchen und Staub wurden aufgewirbelt als der Fremde mit einem Aufschrei nach vorne stürmte und auf die drei restlichen Varuls los ging.

Klauen und Zähne kreischten über den Stahl des Schildes und an Stellen seiner Rüstung, die bis auf seinen Kopf, fast den gesamten Körper einhüllte. Schritt für Schritt wurde er zurück gedrängt als seine Gegner immer unerbittlicher gegen ihn vor gingen.

Philipp entschied sich dafür das seine Neugier nicht so gewaltig war, das er unbedingt den Ausgang dieses Kampfes sehen musste.

So schnell er konnte sprang er auf seine Beine und rannte davon, einige Meter blieb er auf dem Weg bevor er sich wieder in das Unterholz schlug. Nur einmal blickte er über seine Schulter, aber niemand folgte ihm.

Als seine Lungen wieder begannen vor Anstrengung zu brennen und der Kampfeslärm verstummte, wurde er langsamer und blieb schließlich stehen. Mit beiden Händen stützte er sich auf seinen Knien ab, japsend rang er nach Luft. Ihm war speiübel und die Welt um ihn herum drehte sich.

Bevor sich sein Körper wieder beruhigen konnte vernahm Philipp ein Rascheln der Blätter in den Baumkronen über sich. Panik griff sofort wieder Besitz von ihm und er versuchte die Flucht nach Vorn anzutreten, aber seine Beine waren schwer wie Blei.

Fast schon unbeholfen schleppte er sich weiter und suchte mit seinem Blick hektisch die Baumkronen ab, er konnte nichts erkennen, doch kam es ihm vor als würde er einen Schatten wahr nehmen, der blitzschnell von Ast zu Ast sprang.

Ein dumpfes Geräusch erklang und irgendwas landete direkt vor ihm. Beinah wäre er ihr in die Arme gelaufen, nur in letzter Sekunde konnte er abbremsen und versuchte in die entgegengesetzte Richtung zu fliehen. Er wollte nicht mehr. Nicht einmal wissend wo er sich befand, schien er von einer Bedrohung in die nächste zu rennen.

Weit kam er nicht da packte ihn etwas grob von hinten an seinem Sweatshirt. Ein knapper Aufschrei entfuhr ihm bevor eine Hand seinen Mund bedeckte.

Seine Nasenlöcher blähten sich weit, sein ängstlicher Blick richtete sich auf das schwarze Etwas auf seinen Lippen. War das ein Handschuh? Ein Stoßgebet sandte er nach Oben dass es ein Handschuh sein musste. Die fremde Hand war warm und weich, schwarzes Fell bedeckte sie und alle fünf Finger endeten eher mit Krallen, statt mit Fingernägeln.

Eine zischende Stimme drang wütend an sein Ohr, er konnte ihren Atem in seinem Nacken spüren.

„Halt gefälligst deinen Mund du Narr! Sonst finden sie uns noch.“

Diese Stimme kannte er! Nur woher? Seine Augen weiteten sich plötzlich als ihn die Erkenntnis wie ein Schlag traf.

„Wenn ich jetzt meine Hand fort nehme, wirst du die Klappe halten. Ist das klar? Wir können keine Faulvaruls auf den Fersen mehr gebrauchen und schon gar nicht einen Schattenelfen! Der könnte uns sogar bis hier her hören.“

Philipp nickte und war dankbar dass die pelzige Hand von seinen Lippen verschwand.

Mit großen Augen wirbelte er herum und traute seinen Augen kaum. „Xii?!“

Mit gebleckten Zähnen fauchte sie ihn leise an und er konnte erkennen das ihre Eckzähne feine Spitzen aufwiesen. Sie hielt sich den Zeigefinger an die Lippen und signalisierte diesem begriffsstutzigen Menschen er sollte doch leise sein.

Vor ihm stand nicht mehr der kleine niedliche Wolf im Fuchswelpen Pelz, sie war eine erwachsene Frau die so groß war wie er selbst. Wenn auch ihre Statur menschlich war, wies sie deutlich heraus stechende Merkmale auf die sonderbar wirkten. Das Fell das ihre Hände und die Unterarme bedeckte, fand sich auch an ihren Füßen wieder und endete an ihren Knien. Ihr restlicher Körper war von Haut überzogen wie bei einem normalen Menschen, dessen konnte er sich sicher sein denn wenig Stoff schien eine Vorliebe von ihr zu sein. Ihre fransige Kleidung war mit vielen verschiedenen Federn verziert die sich auch in ihrem langen, schwarzen Haar wieder fanden.

Dies trug sie zu einem Zopf am Hinterkopf gebunden, die Spitzen verliefen in ein rot-orange über. Mitten auf ihrem Kopf fiel ihm noch etwas anderes auf. Zwischen ihren Haarsträhnen luchsten zwei große pelzige Fuchsohren hervor die nervös mal nach vorn, mal zur Seite ausgerichtet wurden.

Toll, Pocahontas mit Ohren stand vor ihm.

Mit ihren großen, eisblauen Augen schaute sie ihn eindringlich an, er merkte gar nicht das ihr Zorn immer mehr anschwoll, je ausgiebiger er sie taxierte. Ihr musste nicht entgehen das sein Blick immer wieder auf ihrem ausladenden Dekolletee haften blieb.

„Wenn du mich noch eine Sekunde länger anstarrst Menschen Balg, kratze ich dir die Augen aus!“

Ihre Worte presste sie leise zwischen ihren Zähnen hervor. Xii´s empfindliches Gehör schien etwas wahr zu nehmen, ihre Ohren zuckten und drehten sich wieder nach außen.

„Ich... äh... entschuldige. Du siehst nur so... anders aus!“ Auch er flüsterte und nahm aufgrund der bedrohlich wirkenden Situation eine geduckte Haltung ein.

Als hätte er gerade eine selten dämliche Bemerkung gemacht, verengte sie ihre Augen und starrte ihn hasserfüllt an.

„Das ist eine von meinen wahren Gestalten. Bevor du mir noch eine dumme Frage stellst, es sind Zwei. Endlich habe ich sie samt meiner Kräfte wieder. Mir ist es ein Rätsel wie Lilly oder Morendras das geschafft haben, aber wir sind wieder zu Hause. In Dravasuum.“

Dravasuum. Das Wort hallte dumpf in seinem Schädel. Eine Befürchtung hatte ihn schon geplagt, aber nun hatte er seine Gewissheit gefunden. Er war tatsächlich in dieser merkwürdigen Welt, fernab der Erde gestrandet.

Träge schluckte er bittere Galle hinunter die in seiner Kehle hinauf kroch.

Xii gab ihm ungeduldig einen Wink und schlich in leicht geduckter Haltung weiter durch das Unterholz, dorthin wo der Wald immer dichter wurde. Philipp musste sich beeilen um mit der geschmeidigen Frau Schritt zu halten. Erst jetzt wo sie ihm den Rücken zugewandt hatte fiel ihm noch ein weiteres Merkmal auf. Dort wo ihr Steißbein sein musste, zuckte ein langer buschiger Schwanz umher. Der eines Fuchses.

Sein Fell schimmerte verlockend und er musste gegen den Drang ankämpfen ihn streicheln zu wollen, er war sicher unglaublich flauschig.

Wild schüttelte er mit dem Kopf um die wirren Gedanken zu vertreiben, er war gerade erst vielleicht eine halbe Stunde in dieser Welt und lief schon Gefahr dem Wahnsinn anheim zu fallen.

An Xiis Handgelenken waren goldene Armreifen befestigt und spannten hinter ihrem Rücken ein transparentes Tuch das nach unten hin in ein helles Blau verlief. Ihre Gestalt hatte etwas anmutiges das ihn faszinierte. Allerdings wollte er sie gerade nicht mit persönlichen Fragen provozieren und hob es sich für einen günstigeren Augenblick auf. Sie gab ihm immer noch deutlich zu verstehen das er sich bei ihr auf sehr dünnem Eis bewegte.

„Du hast was von einem Schattenelfen gesagt. Was ist das? Etwa der Kerl dem ich eben über den Weg gelaufen bin? Hast du mich beobachtet?“

Es war zu hören wie sie einen tiefen Atemzug nahm.

„Ja, ich habe dich beobachtet, du bist nur wenige Meter von mir entfernt mit einem Rudel Faulvaruls an mir vorbei gerannt. Viel mehr war es ihr Gestank der mich aufmerksam werden ließ. Aus sicherer Entfernung bin ich dir gefolgt und habe gesehen wie du dem Schattenelf in die Arme gerannt bist. Eigentlich hatte ich auch nichts intelligenteres von dir erwartet.“

Bevor er sich gegen ihre Nettigkeiten verteidigen konnte, sprach Xii unbeirrt weiter.

„Scheinbar war es aber deine Rettung, das er mehr Vorfreude dafür empfand die Faulvaruls zu töten statt dich.“

„Tja, ich bin eben ein Glückspilz.“

„Schattenelfen sind gefährlich, sie sind eines der kriegerischsten Völker die unser Planet besiedelt. Mit ihren Feinden zeigen sie keine Gnade. Schon als Kinder treten sie ein hartes Training an das sie keinen Tag auslassen.

Ehre, errungen durch einen Sieg in einem Kampf bedeutet für sie alles. Kurz gesagt man geht ihnen einfach besser aus dem Weg.“

Nervös sah Philipp zurück über seine Schulter, er erinnerte sich an die gold- gelben Augen des Elfen, sie waren so stechend das er das Gefühl gehabt hatte, der Kerl könnte direkt in seine Seele blicken. Unweigerlich musste er darüber nachdenken wer wohl diesen Kampf gewonnen hatte. Der Elf, oder die Faulvaruls. Ihm war als hätte er ihren fauligen Geruch noch immer in der Nase. Es wirkte so real das er würgen musste.

Xii blieb so ruckartig stehen das Philipp sie fast über den Haufen gerannt hätte und hart gegen ihren Rücken prallte.

Fluchend gab sie ihm eine Klatsche auf den Hinterkopf und herrschte ihn immer noch im Flüsterton an, ob er denn nicht aufpassen könne.

Mit einer ihrer Krallen deutete sie nach vorn und bedeckte mit der anderen Hand ihre Nase. Einige Meter vor ihnen war ein toter Faulvarul in einem Gefängnis aus dornenbesetzten Ranken zerquetscht worden. Die Tat musste noch gar nicht all zu lange her sein, aus dem Maul der Bestie troff neben dem ätzenden Speichel auch Blut.

„Das muss Lilly gewesen sein. Dornenranken können nur Ellydren heraufbeschwören.“

Peinlich berührt musste Philipp feststellen das seine Sinne von all den neuen Eindrücken so überschwemmt gewesen waren, das ihm noch gar nicht aufgefallen war das Lilly fehlte. Xii würde ihn sicher in der Luft zerreißen wenn er wieder eine „dumme“ Frage stellte, das Risiko war er allerdings bereit einzugehen.

„Was ist mit Lilly? Bist du nicht mit ihr zusammen hier... nun, gelandet?“

Xii schüttelte den Kopf, ihr Schwanzende zuckte wie bei einer Katze die auf der Lauer lag.

„Ein heftiger Windstoß entriss sie mir, nur einen Augenblick später bin ich hier gelandet. Von ihr habe ich weit und breit nichts gesehen. Bevor ich mit meiner Suche beginnen konnte, bist du an mir vorbei gerannt.

Allerdings glaube ich das sie hier auch irgendwo in der Nähe runter gekommen sein muss.“

Wieder deutete sie auf den toten Faulvarul.

„Zumindest sind wir auf der richtigen Spur. Komm. Wir müssen sie finden!“

Zusammen schlichen die beiden weiter durch das Unterholz, in der Nähe waren schon nach wenigen Metern Stimmen zu vernehmen. Anscheinend waren es einige Männer die miteinander eine hitzige Diskussion führten.

Vorsichtig näherten sich Xii und Philipp der Böschung und gingen hinter den dichten Farnen in Deckung. Sie reckten ihre Köpfe und er konnte hören wie die Fuchsdame neben ihm einen Fluch zischte.

Gute drei Meter unter ihnen befand sich ein breiter Pfad auf dem sich acht Männer in imposanten Rüstungen versammelt hatten. Sie waren nicht so imposant wie die des Schattenelfen aber auch ihr Anblick konnte durchaus einschüchternd sein.

Zwei der Männer hatten ihre Helme abgenommen und sie sich unter den Arm geklemmt, alle redeten durcheinander und stritten sich scheinbar um irgendwas.

Eilig kam ein neunter Mann angerannt und wedelte mit einem massiven Goldring, welcher locker zwei Finger breit war.

Einige der Männer lachten und er erkannte nun auch was Xii bereits längst entdeckt hatte, als sie einige Schritte zurück wichen. Auf dem Boden zwischen ihnen lag jemand.

Ohne Zweifel erkannte er die Kleidung der jungen Frau, die regungslos da lag. Auf Lillys Kopf waren die kleinen Fortsätze wieder zu einem vollständigen Geäst herangewachsen, nur ein Detail stimmte nicht und passte so gar nicht zu dem Bild in seinem Gedächtnis. Sie war blond.

„Das ist doch Lilly oder spinne ich? Ihre Haare...“

Xii brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen und flüsterte ihm zu während ihre Augen auf das Geschehen unter ihr gerichtet waren.

„Es ist Sommer in diesem Gebiet. Ellydren wechseln ihre Haarfarbe mit der Jahreszeit. In eurer Welt hielt noch der Frühling an, dann sind ihre Haare türkis.“

Xii ballte ihre pelzigen Hände zu Fäusten und schüttelte sie voller Zorn.

„Verdammt! Wir müssen Lilly da raus holen! Das sind Soldaten von den Blauen Falken. Sie gehören zu einem Königreich das vielleicht zwei Tagesreisen entfernt von hier liegt. Ich kann es nicht mit neun Kampferprobten Soldaten auf einmal aufnehmen. Aber wenn die Menschen sehen das es doch noch Ellydren gibt, werden sie wieder Jagt auf sie machen.“

Philipps Herz zog sich schmerzhaft zusammen, Lilly hatte ihm von dem Gräuel erzählt das die Menschen ihrem Volk einst angetan hatten. Fast bis zur kompletten Ausrottung wurden sie gejagt weil man von ihren Heilkräften Gebrauch machen wollte, und wenn sie nicht fügsam waren, hat man Medizin aus ihren Knochen hergestellt weil die Menschen fälschlicher Weise dachten es würde ihnen ewiges Leben bescheren.

Der neunte Soldat war ziemlich außer Atem, dennoch verlor er keine Sekunde, fiel neben Lilly sofort auf die Knie und werkelte an einen Verschluss herum der den goldenen Ring zusammen hielt. Bis hoch oben konnte Philipp die freudige Erregung in seinen Augen sehen.

„Was hat er da!?“

Als Xii ihm nicht sofort antwortete blickte er zu ihr, er erschrak bei ihren weit aufgerissenen Augen. Die Panik die darin lag ging sofort auf ihn über und er boxte sie wütend in die Seite, er wollte eine Antwort auf seine Frage haben.

Durch Xiis Körper ging ein Ruck und sie sprang ein Stück weit auf, blieb aber in geduckter Haltung.

„Bei Morendras! Das ist ein Bindungsring! Ein magischer Gegenstand der nur von mächtigen Zauberern oder Magiern hergestellt werden kann. Bindungsringe wurden erfunden um die Kraft von Wesen mit Magie zu unterdrücken. Wenn er ihn ihr umlegt, wird sie all ihrer Kräfte beraubt bis man ihn wieder entfernt. Wir müssen etwas unternehmen. Sofort!“

Ihre eisblauen Augen fixierten Philipp und sie packte ihn grob an seinem Kragen.

„Wenn dir wirklich was an ihr liegt, dann musst du dich nun für sie opfern. Rasch! Geh dort runter und lenke sie ab! Sie dürfen ihr den Bindungsring nicht umlegen. Wenn ich sie von hinten überrumpeln kann, kann ich einige ausschalten und dann Lilly in Sicherheit bringen.“

Philipp spürte wie der Boden unter seinen Füßen zu verschwinden schien, ihm stockte der Atem denn an ihrem Blick konnte er erkennen wie ernst sie es meinte. Ohne zu überlegen nickte er und stemmte sich auf seine zittrigen Beine. Sterben wollte er nicht, vielleicht war er schnell genug um vor ihnen fort zu laufen, darin hatte er mittlerweile doch schon Übung. Wie schnell konnten sie sich wohl in diesen klobigen Rüstungen bewegen!?

Bevor er all seinen Mut zusammen nehmen konnte machte Xii einen Satz fort von ihm und stieß ein lautes Fauchen aus.

„Was haben wir denn hier? Das scheint ja ein ganz besonderer Tag zu sein an dem uns viele interessante Gestalten einen Besuch abstatten möchten.“

Philipp wirbelte herum und blickte geradewegs in ein dunkles, hämisches Grinsen mit einigen Lücken. Die restlichen Zähne des Soldaten waren gelb und wurden von einem buschigen roten Bart umrahmt. Sein Haar hatte er scheinbar mit irgendeinem Öl versucht zu bändigen, zumindest glänzte es so sehr wie seine polierte Rüstung.

Auf seinem Harnisch war das Symbol von einem blauen Falken auf weißem Grund zu sehen.

„Kommandant Brockler! Seid vorsichtig, wer weiß welch dunkle Magie diese beiden Kreaturen besitzen!“

Ein weiterer Soldat näherte sich mit erhobener Lanze und hielt sie eindeutig zu dicht vor Philipps Nase, der sofort einige Schritte zurück taumelte.

Hastig blickte er sich zu Xii herum und musste feststellen das sie mit Sicherheit von fast zehn Mann umzingelt waren.

Um Xiis Hände ballte sich ein blaues Feuer das keine Hitze auszustrahlen schien.Mit einem wütenden Aufschrei schleuderte sie die Feuerbälle zu Füßen zweier Soldaten wo sie den Boden sofort in Brand steckten.

Sie wichen zurück, zögerten jedoch nicht lange und gingen sofort mit ihren Kurzschwertern auf sie los. Xii duckte sich unter den Klingen weg und rollte sich ein Stück zur Seite. Ihr Körper wurde in einen bläulichen Nebel gehüllt und im nächsten Augenblick war die Frau verschwunden. Stattdessen sprang ein Fuchs, groß wie ein Wolf, nur schlanker und einem länglicheren Körper, hervor und rannte in einem unsagbaren Tempo davon.

Das musste dann wohl die andere Gestalt sein von der sie gesprochen hatte.

Einen Kampfschrei ausstoßend rannten die meisten der Soldaten hinter ihr her, Philipp hatte keinen Zweifel daran dass ihr Unterfangen sinnlos sein würde. Jemand packte ihn grob von hinten und Philipp warf seinen Kopf ruckartig zur Seite, hinunter zu dem Pfad wo Lilly lag. Dort standen acht grinsende Gesichter die zu ihm hoch blickten, ein neunter kniete neben seiner Freundin und schloss den Schnappverschluss des Ringes um ihren Hals.

Philipp spürte noch wie eine Woge des Schmerzes in seinem Kopf explodierte, in der nächsten Sekunde empfing ihn eine dunkle Leere und zog in tief hinab.
 

Mit einer Hand auf Mund und Nase ging er einige Schritte zurück und wischte das Blut im Gras von seinem Schwert.

Das Ergebnis stimmte ihn nicht zufrieden, er atmete tief ein und hielt die Luft an während er zu dem Kadaver ging um sein Schwert an dem Fell abzuwischen. Schon besser.

Er fragte sich beiläufig was anstrengender gewesen war, gegen vier dieser Bestien zu kämpfen die einiges an Geschick und Stärke mit sich führten, oder gegen den Brechreiz der fast unerträglich bei diesem Verwesungsgeruch in ihm die Oberhand gewinnen wollte.

Rasch entfernte er sich einige Meter von den vier toten Faulvaruls die in ihren Einzelteilen quer über den Weg verstreut lagen. Fest schloss der Schattenelf seine Augen und schluckte hart, zumindest hatte sein knurrender Magen nun Ruhe gegeben.

„Bei Horaks Schwertarm, wie kann man nur so stinken bevor man tot ist? Und das ganze dann im Tod noch um ein weites übertreffen?“

Aus sicherer Entfernung betrachtete er die Kreaturen und zog seine weißen Brauen zur Mitte der Stirn hin zusammen. Grimmig kratzte er sein Kinn und schob das Schwert wieder in den Gurt zurück der auf seinem Rücken befestigt war.

Faulvaruls waren ihm nicht fremd, er hatte schon über sie gelesen und Zeichnungen gesehen, getroffen war er zuvor aber noch nie auf einen. Wunderlich war nur sie HIER zu treffen. Der Sage nach waren dies Geschöpfe der Unterwelt die aus den modrigen Tümpeln in den Sümpfen der Verbannten empor krochen. Diese Sümpfe waren ein verwunschener Ort der dunklen Magie, kaum jemand der einen Fuß hinein setzte kehrte wieder zurück, nur hier und da blieb jemand lang genug am Leben um mit seinen letzten Atemzügen von den Kreaturen die dort hausten zu erzählen.

Daher waren die Bewohner der Sümpfe der Verbannten mehr Mythen als Realität.

Des Schattenelfs Nasenflügel zuckten, diese Faulvaruls waren zumindest ziemlich real, dessen war er sich nun sicher. Vortrefflicher hätten die Erzählungen in den Büchern diese Wesen auch nicht beschreiben können.

Vielleicht kam er auf der Reise zu seinem Ziel ja dahinter was sie hier zu suchen gehabt hatten und wer der kleine Mensch mit der merkwürdigen Kleidung gewesen war. Von seiner Mission durfte er sich davon nicht abbringen lassen, dafür stand zu viel auf dem Spiel, zu viel hatte er bereits riskiert.

Gerade als er seinen Weg fortsetzen wollte nahm sein unverschämt gutes Gehör in weiter Ferne erneut Schreie war. Dieses Mal waren es nur deutlich mehr und sie schienen weniger ängstlich, sondern viel mehr wütend zu sein.

Frustriert stieß er einen lauten Seufzer aus und stemmte seine Hände an der Hüfte ab. Ein kleiner Windstoß wehte ihm einzelne Strähnen seines weißen Haares ins Gesicht das gerade so lang war das es auf seinen Schultern liegen bleiben konnte und bis knapp unter das Schlüsselbein reichte. Das meiste davon hatte er an seinem Hinterkopf zu einem Zopf gebändigt, lediglich den breiten Strähnen die links und Rechts von seinem markanten Gesicht hinab hingen, ließ er die Freiheit.

Eine ganze Weile lang ruhte sein Blick auf dem Weg. Genau jener der ihn in die Stadt Algarafiell führen sollte. Sein Ziel, das nach monatelanger Reise nur noch zwei Tagesmärsche entfernt lag.

Nach einem neuerlichen Seufzen zuckte er mit den Schultern, die Ketten die über seine Brust verliefen und den schwarzen Umhang an seinem Rücken befestigten, klimperten leise.

„Ach, was soll es.“

Dem Weg wandte er den Rücken zu und ging in die Richtung aus der die Schreie kamen. Noch ein wenig mehr Unterhaltung auf diesem langweiligen Fußmarsch konnte nicht schaden. Außerdem würde ihn sein Gewissen noch wochenlang plagen, wenn dort wirklich jemand Hilfe benötigte.
 

Der Inhalt eines ganzen Eimer Wassers ergoss sich über Philipp und riss ihn unsanft aus seinem Dämmerschlaf. Nach Luft schnappend versuchte er die Orientierung zu gewinnen. Ein ganzer Männerchor grölte und lachte höchst amüsiert wie der magere Kerl seinen Kopf schüttelte und wie ein Fisch nach Atem rang und sich in den Seilen wand die ihn an einen breiten Holzpfahl in sitzender Position hielten. Den Pfahl hatten sie nur für ihn tief in den Boden eingelassen.

„Guten Morgen Weib! Hast du gut geschlafen?“

Wieder grölte die ganze Meute und Kommandant Brockler drehte sich mit einem breiten Grinsen zu ihnen um. Nur zu gerne badete er, in der durch ihn entstandenen, Begeisterung seiner Soldaten.

Philipp blinzelte die letzten Wassertropfen weg die über sein Gesicht liefen und starrte den Kommandanten wütend an.

Auch wenn man ihm seine Brille weg genommen hatte, konnte er ihn gut erkennen. Nur Lesen war so unmöglich.

„Was fällt euch eigentlich ein einen Reisenden einfach so nieder zu schlagen und ihn gefangen zu nehmen? Da wo ich her komme nennt man das Freiheitsberaubung!“

Seinen Worten folgte abermals Gelächter. Nur Brockler lachte nicht. Er ging bis auf zwei Schritte zu Philipp heran und ging schwerfällig vor ihm in die Hocke. Das knirschen seiner Knie war deutlich zu hören und der schlechte Atem machte dem Geruch der Faulvaruls Konkurrenz. Auf diese Distanz konnte Philipp zumindest nicht mehr die schlechten Zähne erkennen.

Er packte in bei seiner dunkelblauen Kapuzensweatjacke und rieb den Stoff zwischen Daumen und Zeigefinger. Argwöhnisch betrachtete der Kommandant den Fremdling und setzte ihm einen Finger mitten auf die Brust. Den Druck den er ausübte bereitete Philipp schon Schmerzen.

„Da wo du her kommst, Weib? Dann sag uns mal wo du her kommst. Das ist nämlich etwas dass uns brennend interessieren würde. Diese komische Kleidung die du da trägst habe ich noch nie gesehen. Ganz zu schweigen von dem Ding auf deiner Nase.“

Als der Kommandant sich wieder erhob trat einer der anderen Soldaten an ihn heran und reichte ihm die Brille.

Brockler faltete die Bügel auseinander und hielt sie sich vor die Augen.

„Vermutlich sind das Lesegläser, aber die kann sich nur der Adel leisten, oder die Schreiber des Königs. Zudem sehen sie ganz anders aus. Also? Wo kommst du her Weib?“

Kurz überlegte Philipp wie er diese Situation erklären könnte, aber wie sollte er diesen schlechten Alptraum einem Menschen aus einer anderen Welt, und offensichtlich von einem ganz anderen Entwicklungsstatus erklären.

„Ich komme aus Köln. Und das, was du da in Händen hältst, ist meine Brille. Oder meinetwegen auch Lesegläser. Meine Augen sind so schlecht das ich sie zum Lesen brauche.“

Alle Soldaten nahmen einen tiefen Atemzug der Empörung und wichen unweigerlich einen Schritt zurück. Ihr Kommandant reichte die Brille zurück ohne den Fremden aus den Augen zu lassen. Leider konnte Philipp nicht erkennen wie ihm die Zornesröte in sein Gesicht stieg. In einer fließenden Bewegung streifte er sich den Handschuh ab und gab Philipp mit dem Handrücken eine schallende Ohrfeige.

Im ersten Moment dachte Philipp er müsste einige seiner Zähne eingebüßt haben und tastete instinktiv mit seiner Zunge danach. Es schien noch alles vorhanden zu sein.

Direkt im Anschluss kam er. Der Schmerz. Sein gesamtes Gesicht schien in Flammen zu stehen.

Brockler betrachtete ihn hasserfüllt von oben herab und blaffte ihn an sodass feine Speicheltropfen auf ihn nieder regneten.

„Wenn du noch einmal so respektlos mit mir redest, du erbärmliche Made, dann schlage ich dir erst dein Gesicht zu Brei und reiße dir deinen Kopf anschließend mit meinen eigenen Händen von den Schultern.“

Philipp wusste erst gar nicht wie ihm geschah und was dieser Wutausbruch zu bedeuten hatte. Dann aber wurde es ihm klar. Er hatte den Kommandanten mit „Du“ angeredet. Ihm kam in den Sinn welche Herabwürdigung das gewesen sein musste. In den Filmen die das Mittelalter als Thematik auffassten, redeten ja manchmal sogar die Eheleute noch in dritter Person.

Bevor er irgendwas darauf erwidern konnte ergriff Kommandant Brockler wieder das Wort. Sein Zorn schien schon etwas abgekühlt zu sein.

„Einmal werde ich Gnade vor Recht walten lassen, du hast Glück das ich so ein neugieriger Mann bin. Also, von diesem Köln habe ich noch nie gehört. Liegt das hier auf Odaris?“

Wie sollte er darauf antworten? Er wusste ja nicht einmal was dieses Odaris war! Vorsichtig benetzte er mit seiner Zunge seine Lippen, seine linke Gesichtshälfte fühlte sich taub an.

„Nein, nicht in Odaris. Weiter im Westen auf … Buxtehude.“

So locker wie nur möglich versuchte Philipp seine Worte hinüber zu bringen, im Stillen betete er zu Gott das er diese Gorillas zum Narren halten konnte. Scheinbar schien sein Plan auf zu gehen, die Männer begannen angeregt zu diskutieren.

„Buxtehude? Im Westen? Kenne ich nicht. Ist das eine Insel?“

Eifrig nickte Philipp, Kommandant Brockler kratzte sich das Kinn und sah den Jüngling skeptisch an. Dann ging er wieder vor ihm in die Hocke.

„Wenn du mich zum Narren hältst Weib, dann wirst du Bekanntschaft mit Neil machen.“

Mit seiner Hand deutete er zu einem Mann hinüber der keine Rüstung trug, nur ein paar feine Kleidungsstücke aus Stoff. Seine dunklen Augen jagten ihm einen Schauer über den Rücken. Neil stand an einem Kohlebecken und zog sich einen dickem Handschuh über bevor er ein paar Eisenstangen aus dem Feuer zog um sie prüfend anzusehen. Philipp konnte das leuchtende Weiß der Spitze deutlich erkennen, die Drohung war unmissverständlich.

„Ich habe Euch die Wahrheit erzählt. Ich komme wirklich aus Köln.“

Da seine Aussage tatsächlich der Wahrheit entsprach schien er so überzeugend gewesen zu sein das Brockler seinen Worten Glauben schenkte.

„Gut. Und dann sag mir was du in der Begleitung von einer Janama machst?“

„Einer Janama? Was meint ihr?“

Brockler schien schon wieder am Rande seiner Geduld zu sein, und leckte sich die Lippen.

„Die Hexe mit dem Schwanz und den Ohren du Idiot. Eine Janama! Weißt du überhaupt auf was du dich da eingelassen hast? Sag mir sofort was ihr hier zu suchen hattet und was ihr vor habt. Wenn ihr euch mit den Blauen Falken anlegt, kann ich dir nur sagen, das du wünschen wirst nie geboren worden zu sein.“

Philipp drehte sich der Kopf, ihm war nun klar das er Xii meinte, aber all das hier war zu viel Informationsinput auf einmal. Schattenelfen, Janama, Faulvaruls, Ellydren, darin war er doch kein Experte. Seine Videospiele hatten ihn darauf nicht vorbereitet.

„Ich hatte ihr versprochen nach ihrer Freundin zu suchen.“

Philipp atmete tief durch und sah den Kommandanten möglichst hasserfüllt an.

„Der, der ihr den Bindungsring umgelegt habt, und sie genau wie mich gefangen nahmt. Ist das so eure Masche? Unschuldige Leute gefangen zu nehmen? Sie zu schlagen und zu fesseln? Obendrein sie noch zu beleidigen? Falls es euch entgangen sein sollte, ich bin kein Weib!“

Er wollte einfach nur nach Hause. Am liebsten auf der Stelle, mit all dem hier wollte er nichts zu tun haben.

Die Augen den Kommandanten weiteten sich und er trat wieder einen Schritt an ihn heran.

„Du hast also mit dieser Ellydre was zu schaffen. Mit dir könnte es interessanter werden als Gedacht. Selbstverständlich nachdem ich dich für deinen niederen Tonfall zurecht gewiesen habe.“

Mit einem diabolischen Grinsen auf den Zügen winkte er Neil heran, dieser zögerte nicht lange und nahm einen der glühenden Stäbe aus den Kohlen. Die Rufe eines Soldaten rissen ihn aus seiner Vorfreude.

„Kommandant Brockler! Kommandant Brockler! Wir haben... Besuch.“

Genervt verdrehte Brockler seine Augen und wandte sich zu dem Störenfried herum. Konnte er nicht einmal in Ruhe seines Amtes walten?

„Bei den Göttern, was ist denn jetzt schon wieder?“

„Kommandant! Ein Schattenelf ist gerade in unser Lager marschiert. Er hat sich nicht einmal von unseren Wachen aufhalten lassen! Der Kerl kennt sogar unseren Ehrenkodex und beharrt darauf weil er angeblich auf dem Weg zu König Karl von Nawenn ist!“

Neil legte den glühenden Stab, offensichtlich enttäuscht, zurück in die Kohlen. Kommandant Brockler benetzte den Soldaten der ihm die Neuigkeiten gebracht hatte mit einem Regen aus kleinen Spucke Tropfen als er ihn voller Zorn anbrüllte.

„Ein Schattenelf? Welcher Teufel geht hier heute einher? Das darf doch alles nicht wahr sein! Er soll zusehen das er das Weite sucht!“

Der Kopf des Kommandanten wurde so rot vor Zorn wie sein Bart, Philipp befürchtete er könnte jeden Augenblick explodieren. Vielleicht wäre das aber auch gar nicht so schlecht.

„Keine Sorge Lord Kommandant Gustav Brockler, der Blauen Falken. Ich befinde mich lediglich auf der Durchreise und werde eurer Kompanie sicherlich nicht zur Last fallen. Lediglich erbitte ich eine warme Mahlzeit und einen Schlafplatz. Morgen in der Früh werde ich schon wieder weg sein, rasch wie der Wind.“

Strahlend weiße Zähne blitzten auf, als der Schattenelf ein amüsiertes Grinsen auflegte. Er sah dass das Gesicht des Kommandanten zusehends erbleichte nachdem er ihn gesehen hatte. Er war so frei gewesen die Rufe der Wachen zu ignorieren und sich direkt dem Kommandanten vorzustellen. Schließlich war er gut erzogen und Brockler war mit seinem Geschrei so zuvorkommend gewesen das er ihn in dem Lager rasch ausgemacht hatte.

Eine erdrückende Stille breitete sich in dem Lager aus die Philipp frösteln ließ. Schwer zu erkennen war die Bedrohung nicht, die in der Luft waberte. Sofort erkannte er den Elfen wieder der ihm das Leben gerettet hatte, damit war auch die Frage um den Ausgang des Kampfes geklärt.

Kommandant Brockler schien sich seiner Sprache wieder zu erinnern und schnalzte genervt mit der Zunge.

„Dann geht doch weiter wenn ihr zum König wollt, und lasst uns in Frieden. Wir haben hier selbst unser Nachtlager errichtet weil wir auf der Rückkehr von einem Einsatz sind. Unsere Vorräte sind demnach knapp, wir haben nicht genug noch ein weiteres Maul durchzufüttern. Woher kennt ihr überhaupt meinen Namen? Wer zum Teufel seid ihr?“

Der Schattenelf ließ einmal seine Schultern kreisen und trug noch immer ein recht amüsiertes Schmunzeln auf seinen Lippen. All die menschlichen Soldaten in ihren stolzen Rüstungen sahen fast mickrig gegen ihn aus. Selbst den größten Menschen schien er um gute drei Köpfe zu überragen. Dieser Riese wirkte wie eine lebendig gewordene Waffe.

Genau das schienen auch die Soldaten zu empfinden und trauten sich nicht mal näher als zwei Meter an ihn heran. Nervös hatten alle die Hände auf den Griffen ihrer Schwerter liegen und prüften das sie auch locker in der Scheide saßen.

„Nein was bin ich aber auch unhöflich. Verzeiht.“

Leicht senkte der Elf seinen Kopf als wolle er eine Verbeugung andeuten, dabei ließ er den Kommandanten keinen Moment aus den Augen.

„Mein Name ist Mervan Yarveal. Hand des Königs Melchakor von Tummalys. Welcher mich im Übrigen auf die Reise sandte um mit eurem König zu sprechen. Euren Namen kenne ich, weil ich ihn aus einem Plausch eurer Soldaten heraus hörte. Was hattet ihr mich noch gefragt?“

Eine Hand stemmte Mervan in die Hüfte und hob den Blick gen Himmel, seine Unterlippe schob sich vor und er rieb sich der Länge nach mit dem Zeigefinger sein Kinn.

„Oh, ich erinnere mich! Wegen der Sache und dem kurzen Aufenthalt in eurem Lager. Ihr müsst wissen...“, aus seiner ledernen Umhängetasche zog er ein zusammen gerolltes Dokument mit einem Sigel aus rotem Wachs. „ ...dieses Schreiben hier gab mir mein König mit. Es ist ein Friedenspakt. Seht ihr hier das Siegel? Ich bin mir sicher ihr habt es gehen.“

In aller Seelenruhe steckte er das Dokument wieder in seine Tasche und blickte dem Kommandanten erneut direkt in die Augen. „Schließlich sind die Fünfzig Jahre seiner Gültigkeit vorüber und König Albrecht, der damals den Pakt mit uns schloss, nun leider tot. Wir wollten nur sicher gehen das König Karl unsere Interessen teilt, schließlich würde sonst für das Land Nawenn der Großteil seiner Handelsruten zusammen brechen.

Sicherlich liegt das auch in eurem Interesse Lord Kommandant. Oder? Die Suche nach neuen Handelspartnern könnte, Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern. Da wäre ein Gespräch doch sicher angenehmer für euch.“

Für einen Moment huschte über Mervans Raubtierzüge ein bedauerlicher Ausdruck den ihm Philipp sofort abgekauft hätte, hätte er nicht das Spiel dahinter erkannt.

„Heißt also ich bin das was man unter Eurem Ehrenkodex, Lord Kommandant, einen Friedensbewahrer nennt. Einem Friedensbewahrer steht es zu das man ihm überall, wenn er es benötigt, eine warme Mahlzeit und einen Schlafplatz zur Verfügung stellt.

Seit Monaten bin ich für das Wohl eures Volkes unterwegs, mit Verlaub, für uns sind die Handelsrouten nicht all zu wichtig, langsam habe ich Hunger und bin von all dem marschieren müde geworden. Ihr wollt bestimmt nicht versehentlich gegen euren Kodex verstoßen, nicht wahr?“

Auch wenn der Elf sich alle Mühe gegeben hatte, er konnte das Grinsen das seine weißen Zähne nun entblößte, nicht länger zurück halten.

„Es ist euer Kodex, nicht ich habe ihn mir erdacht.“

Kommandant Brocklers Gesichtsfarbe war kaum noch von der seiner Haare zu unterscheiden, seine zu Fäusten geballten Hände zitterten vor unbändigem Zorn. Philipp erwartete das es gleich einen lauten Knall geben würde und kleine Brockler Brocken um seine Ohren sausen.

Dieser unwillkommene Elf hatte ihn ohne Punkt und Komma in den Boden geredet und ihm nicht einmal die kleinste Lücke gelassen, das er sich aus der Sache doch noch heraus winden könnte. Scheinbar hatte er nicht damit gerechnet dass sich dieser Schattenelf so gut mit dem Ehrenkodex der Blauen Falken auskannte.

Brocklers Wut entlud sich an seine eigenen Männer als er sie zusammen brüllte sie sollten sofort mit dem Kochen des Eintopfes beginnen, er hätte seit heute Morgen nichts mehr gegessen und habe Hunger. Weiter gab er den Befehl eines der Lager der Fußsoldaten räumen zu lassen.

Mervan sah zufrieden mit sich und der Welt aus. Langsam verstreuten sich die Soldaten in alle Richtungen des Lagers, jeder suchte eine Ecke um beschäftigt zu wirken und dennoch mit genug Kumpanen zusammen zu stehen damit man in eine zufällige Unterhaltung Anschluss finden konnte. Scheinbar sah man nicht alle Tage einen Schattenelfen der dazu noch ihren Kommandanten wie einen dummen Burschen da stehen lassen konnte.

Philipp sah den Männern nach und verharrte mit seinem Blick auf einem Zelt das ihm vorhin schon nebenbei aufgefallen war. Im Gegensatz zu den anderen Zelten sah es deutlich weniger mitgenommen aus, und ein ganz wichtiges Detail war ihm sofort aufgefallen. Vier bewaffnete Männer standen davor Spalier und hatten sich keinen Meter fort bewegt, vielleicht wurde darin Lilly gefangen gehalten.

Grimmig zog er seine Brauen zusammen und seufzte genervt. Als er seine Hände bewegte, spürte er wie die Fesseln bereits seine Haut aufgeschürft hatten. War es nicht erst vorgestern gewesen das Lilly entführt wurde und er sie gerettet hatte? Nun war sie schon wieder in Gefangenschaft, er obendrein dazu.

Plötzlich überkam ihn ein Schauer der seine Schultern erzittern ließ, ein beunruhigendes Gefühl als würde er beobachtet werden machte sich breit.

Mit einem kurzen Seitenblick fand er die Ursache und erstarrte.

Goldgelbe Augen schienen direkt in seine Seele zu sehen, so eindringlich war der Blick des Schattenelfen. Mervan hatte sich nicht bewegt seit Kommandant Brockler sich von ihm abgewandt hatte und einige Meter weiter mit Neil ein angeregtes Gespräch begonnen hatten.

Philipp schluckte und versuchte Mervans kalten Blick grimmig zu erwidern, so machte man das doch bei Raubtieren, bloß keine Angst zeigen. Nun zeigte sich der Vorteil seiner sitzenden Position, sein Gegenüber konnte nicht sehen wie seine Knie sonst zittern würden.

Plötzlich begann Mervan wieder zu schmunzeln und trat langsam auf ihn zu. Wie in Zeitlupe ging sein Retter vor ihm in die Hocke und legte den Kopf schief während er Philipp eingehend taxierte. Einen seiner Handschuhe streifte er sich ab, und nahm den Zipper des Reißverschlusses von Philipps Sweatjacke zwischen zwei Finger.

Langsam zog Mervan den Reißverschluss bis zum Bauch auf, und wieder zu. Seine Brauen schossen in die Höhe und ein spitzbübisches Grinsen überzog seine Miene.

„Interessant.“

Noch drei Mal zog der Elf den Reißverschluss wieder auf und zu bevor er ein leises glucksendes Lachen von sich gab.

„Ihr Menschen seid wirklich immer für Überraschungen gut. Daher besuche ich euer Volk so gern, es wird niemals langweilig.“

Kommandant Brockler bemerkte das sein Gefangener Besuch bekommen hatte und kam mit großen Schritten auf die beiden zu.

„Hey! Das ist unser Gefangener! Keine Gespräche mit ihm.“

Die Hände in die Hüften gestemmt reckte Brockler seine Brust heraus herrschte den Schattenelf an, für einen Moment sah er sogar bedrohlich aus.

Bis zu dem Augenblick zumindest da Mervan sich langsam wieder erhob und auf den Kommandant hinab blickte der neben ihm wie ein gedrungener Zwerg wirkte.

„Der Eintopf sollte bald fertig sein, setzt euch doch dort drüben an die Feuerstelle. Wir werden Euch gleich etwas bringen.“

Mervan klatschte in die Hände und rieb sie sich in freudiger Erwartung.

„Wunderbar!“

Als wäre nichts passiert ging er zu der Stelle die ihm angewiesen wurde und nahm vor dem Feuer seinen Platz ein.
 

Tropfen für Tropfen plätscherte von dem krummen Holzlöffel in die kleine Schale die Mervan in Händen hielt. Diese Flüssigkeit war mehr Wasser als Suppe, aber noch immer besser als zu hungern. Dezent angewidert betrachtete Mervan den Löffel als er seinen Lippen näher kam. Wenn er sich etwas leckeres vorstellte, würde der zweite Löffel vielleicht schon besser schmecken.

Während er seelenruhig weiter aß beobachtete er wie der Kommandant und zwei weitere Soldaten immer wieder dem Jungen Fragen stellten. Diese Menschen wussten sich in sicherem Abstand, blickten immer wieder fast schon nervös in seine Richtung, sie konnten nicht ahnen das er sich nicht einmal anstrengen musste um auf diese Entfernung jedes einzelne Wort von ihnen zu verstehen.

Es belustigte Mervan dass der Junge schon lange nicht mehr auf ihre Fragen antwortete, und wie der Kommandant immer wütender wurde weil er genau wusste das es eine dumme Idee war in der Anwesenheit eines bewaffneten Schattenelfen diesen wehrlosen Menschen zu foltern um an Antworten heran zu kommen. Etwas das auch der Junge wusste, sonst würde er nicht immer zu ihm hinüber sehen wenn Brockler kurz davor war seine Beherrschung zu verlieren.

Seit ungefähr einer Stunde hatte der letzte Soldat aufgegeben zu ihm zu kommen um ihn zu seiner Schlafstätte zu führen. Die Sonne war untergegangen und die Nacht würde nicht mehr lange auf sich warten lassen, aber müde war er noch nicht. Viel lieber blieb er hier noch eine Weile sitzen und vertrieb sich seine Langeweile.

Gelohnt hatte es sich alle Male, in diesem Zelt, das besser bewacht war als das des Kommandanten, befand sich eine Ellydre. Dessen war er sich sicher, es wurde ständig im Lager darüber getuschelt.

Mervan war von Natur aus schon immer neugierig gewesen, die Gelegenheit sich mit dieser Ellydre zu unterhalten wollte er sich keines Falls entgehen lassen.

Sein gutes Gehör hatte noch etwas anderes aufgefasst, während er auf dem Boden vor dem Feuer in Einsamkeit saß und seine Suppe löffelte. Kommandant Brockler hatte mit einer Hand voll Soldaten geflüstert, er wollte die Ellydre nicht zu seinem König bringen.

Sein Begehr richtete sich auf ihren Knochenstaub der, wenn man ihn einnahm, ewiges Leben und Gesundheit bringen sollte.

Diese Wünsche konnte er den Menschen nicht verübeln. Mehrmals hatte er sich Gedanken darüber gemacht wie es war wenn das eigene Leben schon nach Fünfzig, wenn man Glück hatte sogar mit Sechzig oder Siebzig Jahren, verwirkt war. Insgeheim bewunderte er die Menschen für die Schnelligkeit mit der sie lebten, welche Fähigkeiten sie sich in so kurzer Zeit aneignen konnten, mit welchem Ehrgeiz sie dabei waren ihre Spuren in der Welt zu hinterlassen.

Mervan war vierhundertfünfundzwanzig Jahre alt. Fast jung in den Kreisen seines Volkes.

Langsam legte er den Löffel in die leere Schale und stellte sie vor sich auf dem Boden ab.

Als er die Knöchel seiner Rechten Hand gegen die Handfläche seiner Linken Hand drückte, kackten sie laut. Finster fraß sich sein Blick in den Nacken des Lord Kommandanten.

Es gab etwas das Mervans Pfade noch mehr lenkte als seine Neugier. Alles auszurotten was gegen die Ideale seiner guten Erziehung sprach. Wenn er etwas nicht leiden konnte, war es die Gier nach Etwas das man nur erreichen konnte, wenn man auf einen Berg aus Leichen stieg und sich das Blut Unschuldiger anschließend von den Fingern leckte.
 

Brocklers Geduld hatte sein Ende erreicht. Bald würde die Nacht herein brechen und dieser merkwürdige Kerl aus dem unbekannten Buxtehude verweigerte ihm jedes Wort. Mit dem kleinen Finger hätte er ihm alles entlocken können, wenn er gewollt hätte, doch der Grund wieso er es nicht konnte saß einige Meter hinter ihm. Wann immer Brockler zu ihm hinüber sah, winkte dieser dreckige Elf ihm grinsend zu. Zähneknirschend stellte er sich vor wie er ihm den Kopf von den Schultern schlug. Ihm war bewusst das dieser Elf mit ihm spielte, ihn zum Narren hielt, und er konnte wegen diesem verfluchten Kodex nichts dagegen ausrichten. Viele seiner Männer lebten jeden Tag nach diesem Kodex, vor ihnen würde er sein Gesicht verlieren und die Strafe für diese Verletzung war der Tod.

„Gut, Weib. Für heute lassen wir es gut sein. Morgen bist du reif, dann kannst du dich nicht mehr wie eine feige Ratte hinter dem Rücken dieses grauen Abschaums verstecken. Wenn du brav Antworten lieferst werde ich deiner kleinen Freundin, nicht weh tun.“

Brockler wandte sich ab um die Nacht in seinem Zelt zu verbringen. Für heute hatte er eindeutig die Schnauze voll. Morgen würde er sich um alles weitere kümmern, der Gedanke eine Ellydren geschnappt zu haben, hob seine Stimmung enorm.

Ein dünnes Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus, das rasch verschwand als ein dunkler Schatten seinen Weg versperrte.

Mervan senkte leicht seinen Kopf und betrachtete wie rot das Gesicht von dem Kommandanten wurde, so hatte er große Ähnlichkeit mit einem Schweinchen, dachte er sich.

„Ich danke euch für eure Gastfreundschaft Kommandant Brockler, aber ich habe mich doch dazu entschlossen heute aufzubrechen. Bitte denkt nicht das ich unhöflich bin, es ist nur so das meine Beine ledig bis zur Hälfte auf meinem Schlafplatz zum Liegen kommen. Meine Größe übersteigt eure Kapazität.“

Sein Gegenüber schien aufrichtig überrascht, jedoch keines Wegs traurig über die Pläne des Fremden.

„Aber die Sonne wird jeden Moment unter gehen. Wir haben nicht genug Lampen das wir euch...“ Bevor Brockler seinen Satz beenden konnte hob Mervan lächelnd die Hand um ihn zum Schweigen zu bringen. Dann deutete er auf seine Augen.

„Keine Sorge. Wir Schattenelfen sehen bei Nacht besser als am Tage. Damit habe ich keine Probleme. Zudem könnt ihr euch nicht vorstellen wie heiß es in der Sonne in meiner Rüstung ist, da tut ein Marsch in der kühlen Nacht besonders gut.“

Argwöhnisch musterte der Kommandant den Elfen und zuckte lediglich mit den Schultern.

„Dann gehabt Euch wohl.“

Mervan verabschiedete sich mit einem Wink und trottete gemütlich an den tuschelnden Soldaten vorbei in die eintretende Dunkelheit.

Philipp war nicht wohl bei dem Gedanken diesem Trupp nun, sozusagen schutzlos, ausgeliefert zu sein. Die Anwesenheit des Elfen hatte ihm Sicherheit vermittelt.

Die Nacht brach rasch herein, im Lager wurde es ruhiger, und dazu bedeutend kälter. Philipp zog seine Beine dicht an den Körper heran und blickte zu den Wachen die Lillys Zelt nicht aus den Augen ließen. Zumindest war er sich sicher das darin Lilly gefangen sein musste, er fragte sich wieso er noch keinen Muckser von ihr gehört hatte.

Nachdenklich kaute er auf seiner Unterlippe herum und fragte sich wie er sich aus dieser Situation befreien könnte. Mehrfach hatte er bereits versucht sich des Seils zu entledigen mit dem man ihn an den Pfahl gebunden hatte, aber all das Reiben und Rubbeln hatte seine Wirkung verfehlt.
 

Ohne Unterlass hatte Philipp in den letzten Stunden versucht sich zu befreien, doch der lange Tag und die vielen Ereignisse forderten ihren Tribut. Er fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf, der allerdings nicht lange andauerte.

Etwas kitzelte ihn an seinen Unterarmen und Philipp blinzelte die Benommenheit fort.

Irgendwas war direkt hinter ihm, dort wo er es nicht sehen konnte. „Hey!“

Erschrocken zuckte er zusammen und versuchte instinktiv aufzustehen, vollkommen unvorbereitet kippte er nach vorn und landete mit seinem Gesicht im Staub.

„Hör auf so einen Lärm zu machen du Narr! Es ist schon schlimm genug das du dich in diese Situation gebracht hast.“

Diese Stimme kannte er, doch was ihn beunruhigte war die Tatsache das er sie nicht mit seinen Ohren vernahm, sie schien viel mehr in seinem Kopf widerzuhallen.

Verwirrt drehte er sich herum und blinzelte ein paar mal. Die Gestalt vor sich konnte er nicht im Detail erkennen, aber ihm war klar das es sich um den Fuchs handelte in welchen sich Xii verwandelt hatte.

„Xii?! Was machst du denn hier?“

Der große Fuchs setzte sich auf seine Hinterläufe und verdrehte genervt die eisblauen Augen, kein Zweifel blieb bestehen das es sich wirklich um Xii handelte.

„Vielleicht einen Fehler als ich beschloss dich zu befreien. Wir haben keine Zeit zum plaudern. Wir müssen Lilly finden.“

Es war kein Irrtum gewesen, ihre Stimme hallte wirklich in seinem Kopf wieder, ihr Mund bewegte sich kein bisschen. Wie das möglich war, war ihm ein Rätsel, für dessen Lösung er keine Zeit hatte.

Nach kurzem Zögern deutete er zu dem Zelt indem er Lilly vermutete.

„Dort drinnen müsste sie sein! Das Zelt wird so stark bewacht wie das des Kommandanten.“

Xii zog erkennbar ihre Brauen zusammen als sie seinem Fingerdeut folgte, ihr Kopfschütteln war begleitet von einem mürrischen Brummen.

„Wachen? Dort sind keine Wachen.“

Überrascht musste Philipp feststellen das sie Recht hatte. Dort stand nicht mal mehr ein Mann postiert. Das alle zur selben Zeit eine Nachtruhe einlegten, wunderte ihn sehr.

Bevor er aber genauer darüber nachdenken konnte schlich sich Xii langsam voran in Richtung des Zeltes das er für wichtig erachtet hatte.

Kurz rieb Philipp sich seine schmerzenden Handgelenke, erst jetzt wurde er sich bewusst das Xii seine Seile durchgeknabbert haben musste. Eilig wollte er aufspringen um ihr zu folgen, doch seine Beine waren so träge das sie sein Körpergewicht kaum halten konnten.

Nur mit Mühe gelangen ihm die ersten Schritte, in geduckter Haltung huschte er hinter Xii her. Von der Seite schlichten sie sich an das Zelt heran und die Fuchsdame begann zu schnuppern. Augenblicklich stellten sich ihre Ohren auf.

„Ihr Duft ist hier überall. Da warst du ausnahmsweise mal aufmerksam. Bleib hier, ich gehe rein und befreie sie.“

„Danke für dein nettes Lob... aber ich werde mit Sicherheit nicht hier draußen warten. Was ist wenn das eine Falle ist? Wenn sie damit gerechnet haben dass du zurück kommst?“

Ganz langsam drehte sich ihr Kopf zu dem Menschen herum, irgendwie erwartete dieser, dass sie gleich ihre Zähne in seiner Kehle zu versenken würde.

„Keine Sorge. In diesem Lager sind lediglich Artgenossen von dir. Einfältige, dumme Menschen.

Wir haben keine Zeit für sinnlose Diskussionen. Komm eben mit, aber sei mir nicht im Weg!“

Xii schob ihre Schnauze unter die Zeltplane hindurch und nach kurzem Zögern auch ihren Kopf. Nur einen Augenblick später war sie vollkommen verschwunden.

Philipp, dem das ganze noch immer nicht geheuer war, blickte sich noch einmal um. Niemand war in Sicht, also folgte er ihr unter der Plane hindurch.

Im Inneren des Zeltes war es stockdunkel, er konnte nicht einmal die Hand vor Augen erkennen.

Plötzlich begann vor ihm ein blaues Licht zu flimmern und wurde rasch heller. Als es die Leuchtkraft einer Kerze erreicht hatte, konnte er erkennen das Xii wieder die menschenähnliche Gestalt angenommen hatte. Um eine ihrer Hände hatte sich das blaue Licht gebildet und loderte wie eine Flamme die keine Hitze auszusenden schien.

„Verflucht, was hat das zu bedeuten?“

Philipp suchte hektisch das Zelt ab, doch von Lilly war weit und breit nichts zu sehen. Es war verlassen. Nur eine kleine Pritsche stand in einer Ecke, unter der ihn etwas anfunkelte.

Der Nerd ging in die Hocke und zog eine stämmige Kette hervor, die ganz offensichtlich dafür gedient hatte jemanden an diesem Ort gefangen zu halten, denn das zweite Ende war tief im Boden verankert.

Hinter ihm stieß Xii einen leisen Fluch aus, sie hätte ahnen können das auf die Aussagen dieses Menschen kein Verlass war.

Ihre Ohren zuckten ehe sie zu dem Zelteingang herumwirbelte, im nächsten Augenblick wurde die Plane zur Seite gestoßen und eine handvoll Schwertspitzen deuteten auf ihr Gesicht.

„Wisst ihr nun wieso ich euch die Köpfe hätte abschlagen sollen, als ihr diese verfluchte Janama habt entkommen lassen? Ich wusste sie würde wieder kommen!“

Kommandant Brocklers Stimme donnerte hinter den bewaffneten Soldaten durch die Luft bevor er mit einer Fackel in der einen Hand, und einem Kurzschwert in der anderen das Zelt betrat und sich in die erste Reihe durch schob.

„Eine falsche Bewegung und ich schwöre dir, diese Schwerter werden dich durchbohren bevor du auch nur einen Finger rühren kannst! Du Hexe!“

Brocklers Blick huschte hektisch durch das Innere des Zeltes, seine Zähne blitzen auf als er die Oberlippe hoch zog und wütend knurrte.

„Wo ist sie?! Verdammt noch eins!“

Xii wich einen Schritt zurück als der Kommandant seine Schwertspitze hob und direkt zwischen ihre Augen zielte. Kleine Speicheltropfen regneten umher als er vor Wut die Eindringlinge anbrüllte.

„Und was zum Henker habt ihr mit meinen Soldaten gemacht!?“

Auf Xiis Gesicht spiegelte sich für einen kurzen Augenblick Überraschung wieder, schnell aber wich es einem dunklen Grinsen, noch immer glimmte ein schwaches blaues Licht um ihre erhobene Hand.

„Das werde ich euch mit Sicherheit nicht verraten.“

Kaum hatte die letzte Silbe ihre Lippen verlassen duckte sie sich blitzschnell unter seinem Schwert hindurch und stieß ihre Hand mit dem magischen Licht nach vorn, sie war Brockler so nah das ihre Finger fast seinen Brustpanzer berührten.

Eine Druckwelle aus blauem Feuer breitete sich aus, fegte den Kommandanten nach hinten, und riss einige seiner Männer mit zu Boden. Die Wände des Zeltes schwankten so sehr das Philipp befürchtete es würde gleich über ihnen einstürzen.

Die Benommenheit der Soldaten dauerte nur wenige Sekunden, genug das Xii ihre beiden Hände in das blaue Feuer hüllen konnte.

„Kommt her und ich brenne euch das Fleisch von den Knochen!“

Unsicher kamen die Männer ins stocken, es war ihnen anzusehen welche Angst ihnen die Magie bereitete, viele wichen ein Stück zurück doch Brockler, der sich endlich wieder aufgerappelt hatte schob sie energisch nach vorn und brüllte über ihre Köpfe hinweg.

„Tötet diese Hexe oder ich schwöre euch, ich werde euch schlimmeres antun als sie!“

Unter einem Kampfschrei, der ihnen Mut verleihen sollte, stoben die Männer nach vorn und attackierten Xii.

Leise fluchend wich sie den Schwertern aus, Philipp spürte das sie irgendwas zu hemmen schien, das sie ihre Drohung gerne in die Tat umsetzen wollte, es aber nicht konnte.

Der geringe Platz in dem Zelt trieb sie schnell in die Enge, doch noch war es niemandem gelungen ihr bedrohlich nahe zu kommen. Als Xii die Plane an ihrer Schwanzspitze spürte stieß sie einen Schrei aus und zeigte ihre spitzen Eckzähne. Die Soldaten hielten inne vor Schreck, sie rechneten jeden Moment damit das die Magie der Hexe sie traf. Lange mussten die Männer nicht warten.

Xii nutzte die Gelegenheit aus und machte eine schnelle Bewegung nach vorn, ihre Fingerspitzen berührten nur für Sekunden die Klingen ihrer Gegner. Bevor sie wussten wie ihnen geschah, glühten ihre Waffen auf und sie ließen sie unter Schmerzensschreien fallen. Noch einen weiteren Soldaten konnte sie so außer Gefecht setzen bevor die Restlichen ihre Absicht durchschauten. Einer der Krieger, der sich seine schmerzende Hand hielt, trat mit seinem Stiefel nach ihr und erwischte sie beim Ausweichen noch an ihrem Knie. Xii knickte ein und konnte einer herannahenden Attacke nicht mehr ausweichen. Blut floss an ihrem Arm hinab und tropfte zäh zu Boden. Zischend wich sie zurück bis die Zeltwand hinter ihr sie ausbremste. Die Klinge hatte ihren Arm nur gestreift, aber einen tiefen Schnitt im Fleisch hinterlassen.

Feste biss sie sich auf die Unterlippe, sie wusste, wenn sie überleben wollte, musste sie ihr Versprechen brechen. Zwischen den Männern hindurch sah sie das breite und gehässige Grinsen des Kommandanten, der noch keinen Finger gerührt hatte. Ihr war klar wieso, er fürchtete sich vor ihrer Magie.

Niemand hatte auch nur einen Augenblick auf Philipp geachtet der wie eine Salzsäule erstarrt noch immer am Boden kauerte. Seine Gedanken überschlugen sich, in den Computerspielen mit denen er seinen Alltag vertrödelte, hatte er unzählige Helden gespielt, Krieger, Magier, welche die schrecklichsten Kreaturen erschlagen hatten. Nun kroch er wie eine feige Made hier im Dreck herum während jemand anders in Not war.

Sein Blick richtete sich auf das Schwert das vor ihm auf dem Boden lag. Er zählte durch, neben dem Kommandanten befanden sich sieben Soldaten in dem kleinen Zelt, alle fixierten sich auf Xii.

Philipp nahm all seinen Mut zusammen und schnappte sich den Griff des Schwertes, es war weitaus schwerer als er es vermutet hatte.

Versagen stand außer Frage, Xii war in Gefahr, und wer wusste schon was mit Lilly geschehen war, vielleicht brauchte sie Hilfe. All seine Kraft zusammen nehmend machte er zwei große Schritte und befand sich hinter dem stämmigen Rücken von Brockler.

„Halt! Oder euer Kommandant braucht einen neuen Kopf!“

Nicht nur Brockler riss erschrocken die Augen auf, auch die Soldaten wandten sich erstaunt herum, selbst Xii suchte den Blickkontakt und konnte kaum glauben was sie sah.

Philipp hielt das Schwert vor Brockler mit beiden Händen hoch, nur wenige Millimeter von seiner Kehle entfernt. Der Erdenbewohner war einen halben Kopf größer, war jedoch kaum hinter dem breiten Kreuz des Kommandanten zu erkennen.

Mit aller Mühe verhinderte er das seine Arme vor Anstrengung zitterten.

„Geht weg von ihr! Sofort!“

Keiner rührte sich, bis Brockler seine Fassung wieder fand und vor Wut rot anlief, wegen diesem schmächtigen Kerl mit der Statur eines Weibes verlor er vor seinen Männer das Gesicht. Nein, nicht ein Kommandant Gustav Brockler.

Mit Wucht rammte er dem Jungen seinen Ellenbogen in die Magengrube, sofort fiel das Schwert vor ihm zu Boden.

Würgend und keuchend vor Schmerzen stolperte Philipp einen großen Schritt zurück, er schmeckte bittere Galle, sein Verstand war ganz benebelt.

„Du kleine Made! Ich werde dich...“,hinter ihm brach plötzlich die Hölle los.

Soldaten brüllten durcheinander und als Brockler sich zu ihnen herum drehte, lagen bereits zwei seiner Männer am Boden.

Xii saß regungslos da und blickte starr geradeaus, er konnte nicht sagen ob ihre Augen die Farbe von Weiß angenommen hatten, oder ob sie so weit nach hinten gedreht waren das von ihrer Iris nichts mehr zu sehen war.

Ein anderes Detail aber verstörte ihn am meisten, einer seiner Soldaten schlug einen weiteren nieder, zögerte nicht lange und griff direkt den nächsten an. Einer nach dem anderen ging ohnmächtig zu Boden, so hart und präzise waren seine Faustschläge.

Seine Kumpanen wussten gar nicht wie ihnen geschah, da lag auch der letzte am Boden. Nun war Brockler an der Reihe.

In den Augen seines Untergeordneten sah er nicht die gewohnte Farbe, sondern das helle Eisblau wie er es zuvor in den Augen der Hexe gesehen hatte.

„Du Bestie! Ich werde deinem Treiben ein Ende machen!“

Der Kommandant machte einen Satz nach vorn und hob eines, der am Boden liegenden, Schwerter auf. Doch noch bevor er es gegen seinen eigenen Soldaten schwingen konnte, bekam er einen kräftigen Stoß in den Rücken.

Philipp hatte seine letzten Kräfte mobilisiert und Brockler aus dem Gleichgewicht gebracht. Bevor er sich zur Rache einen Faustschlag einfangen konnte, hatte der Soldat ihn erreicht und schlug ihn nieder.

Das letzte was Brockler wahr nahm, war der Geschmack des Staubes als es sich seine rechte Gesichtshälfte auf dem Boden bequem machte und die Ohnmacht ihn in einen tiefen Schlaf zog.

Die Farbe von Eisblau wich aus den Augen des letzten, noch stehenden Soldaten und auch seine weichen Knie gaben nach.

Philipp hatte das Gefühl sein Herz würde vor Aufregung jeden Moment in seiner Brust zerspringen, er wischte sich über den Mundwinkel und hielt sich noch immer die schmerzende Stelle an seinem Bauch.

Xiis Körper erzitterte und sie blinzelte einige Male bevor sie wieder auf die Beine kam.

„Los! Wir müssen hier weg! Vielleicht hat Lilly sich alleine befreien können. Wir müssen sie finden!“

Vor dem Zelt wurde Gemurmel laut und sie konnten hören das ein Mann durch das Lager brüllte dass das Zelt des Kommandanten leer war. Die Fuchsdame winkte Philipp zu sich heran und zog eine der Verankerungen aus dem Boden damit sie darunter hindurch ins Freie gelangen konnten.

Eine gute Entscheidung wie sich rasch heraus stellte.

Hinter dem Zelt stolperten sie über vier Soldaten die schnarchend am Boden lagen, jemand musste sie ausgeschaltet haben, aber lange würden sie wohl nicht mehr brauchen um wieder zu sich zu kommen. Hinter ihnen wurde das Lager immer lebendiger, Fackeln wurden entzündet und überall wurden Befehle gerufen.

So schnell sie konnten huschten die beiden durch die Dunkelheit der Wälder, wobei es bei Philipp mehr ein Stolpern war. Das Mondlicht beschien gerade so den Weg vor ihm, aber etliche Wurzeln und Steine machten ihm das Leben noch schwerer als es sowieso schon war.

Die Gedanken in Xiis Kopf überschlugen sich, wo konnte Lilly sein? Was hatte man ihr angetan? Am liebsten hätte sie das ganze Lager zu Asche verbrannt, aber sie war an ihren Eid gebunden den sie Lilly vor vielen, vielen Jahren gegeben hatte.

Keinen Menschen mehr zu töten, hatte er es aus ihrer Sicht auch noch so sehr verdient.

Zu aller erst mussten sie genug Distanz zu dem Lager aufbauen, dass wieder jemand gefangen genommen wurde konnten sie sich nicht leisten. Egal wohin Lilly gegangen war, oder wohin man sie gebracht hatte, Xii würde sie finden.

Sie rannten lange. Viel zu lange für Philipps Geschmack.

In der Dunkelheit vor ihr nahm Xii eine Bewegung wahr, fast vollständig verborgen in der Silhouette eines Baumes, irgendetwas hatte für nur einen Wimpernschlag das Licht des Mondes reflektiert und sich verraten.

Xii rollte sich seitlich über den Boden und ließ das blaue Feuer um ihre Hand noch in der selben Sekunde entflammen, ein Ruf donnerte durch die Nacht, dunkel und unbekannt war die Stimme.

Sie hatte den blauen Feuerball auf den Angreifer geworfen bevor sie seine Gestalt erkennen konnte, dass Xii ihren Eid nun brechen könnte, kam ihr nicht in den Sinn, Zeit zum nachdenken hatte sie nicht.

Philipp, der nicht mit Xii hatte Schritt halten können, kam mit den Ereignissen die einige Meter vor ihm geschahen, kaum mit.

Die Finsternis wurde von einem blauen Licht zerrissen und er erkannte Xii die über den Boden rollte, und eine schwarze Gestalt die irgendwas brüllte. Bevor sein Gehirn auch nur den Befehl an seine Füße geben konnte, stehen zu bleiben, flog der Feuerball und das Surren von Stahl auf Stahl hallte durch den dichten Wald.

Hatte er das Geräusch nicht schon einmal irgendwo gehört?

In tausend Funken stob das Feuer auseinander und ließ den Stahl rot aufglühen, Xii entfachte in ihrer Hand bereits erneut Flammen und machte sich auf einen Angriff gefasst, doch soweit sollte es nicht mehr kommen.

Bevor Xii noch irgendetwas tun konnte traf sie ein Schlag ins Gesicht und ließ Sterne vor ihrem Blickfeld tanzen. Taumelnd fiel sie rücklings zu Boden und stöhnte vor Schmerz auf.

„Vergebt mir, aber ich bevorzuge irgendwann einen schnellen Tod zu sterben, statt mir die Qualen eines Zauberfeuers aufzuerlegen, das wie ich hörte einem langsam das Fleisch von den Knochen brennt.

Haltet mich bitte nicht für einen Rüpel, für gewöhnlich schlage ich keine Frauen, außer sie lassen mir keine andere Wahl und hören mir einfach nicht zu. Und das wo man selbiges für gewöhnlich uns Männern vorwirft.“

Lichtfunken vernebelten Xii noch immer das Blickfeld, sie konnte den Fremden nicht erkennen, das amüsierte in seinen Worten entging ihr allerdings nicht, was ihren Zorn nur noch weiter aufbrodeln ließ.

„Ich werde dich...“ Bevor Xii ihre Drohung aussprechen konnte, rief jemand Vertrautes ihren Namen. Laub raschelte leise, neben ihr ging jemand auf die Knie und legte eine warme Hand auf ihre Stirn. Xii schloss die Augen vor Erleichterung.

„Lilly...“

Die Ellydre lächelte glücklich über das ganze Gesicht.

„Schon so oft habe ich dir gesagt das du zu aufbrausend bist! Du musst zuhören!“

Mit einem Ruck drehte sie sich zu dem Fremden um und nickte ihm zu.

„Mervan, könntet Ihr nun bitte die Laterne entzünden? Ohne meine Kräfte kann ich im dunkeln nichts sehen.“

Ohne zu zögern kramte der Schattenelf eine kleine Laterne aus seinem Rucksack hervor und entzündete sie mit Feuerstein und Zunder. Als das kleine Licht entfacht war, gewann auch Philipp endlich seine Orientierung wieder und schlurfte auf das Trio zu, mittlerweile bekam er wieder Luft, war aber nichtsdestotrotz nach einem Tag ohne Essen und Trinken völlig am Ende seiner Kraft. Dennoch lag auf seinen Lippen ein erleichtertes Lächeln als er Lilly wohlauf neben dem Schattenelfen erblickte.

„Philipp! Dir geht es gut! In dem Lager habe ich deine Stimme gehört!“

Nachdem Xii Lilly von sich geschoben hatte und mehrmals unterstreichen musste das es ihr gut ging, sprang Lilly auf und begrüßte ihren Freund mit einer überschwänglichen Umarmung.

„Kannst du mir einen Gefallen tun? Dich in nächster Zeit vielleicht etwas weniger gefangen nehmen lassen?“

Das Gesicht hatte Lilly in Philipps Halsbeuge vergraben und kicherte leise bei seiner Bitte.

„Versprochen. Zumindest gebe ich mir Mühe.“

Mit einem Grinsen, das über sein gesamtes Gesicht ging, betrachtete Mervan wie der dürre Kerl, für Schattenelfenverhältnisse, unbeholfen die Umarmung erwiderte. Langsam ging er in die Hocke, die Hand ausstreckend um Xii beim Aufstehen behilflich zu sein. Statt die Hilfe anzunehmen schlug Xii die Hand fort und warf dem Fremden einen Blick zu der töten könnte. Mühsam kam sie allein wieder auf die Beine und zeigte nicht das ihr Gesicht vor Schmerz brannte wo er sie geschlagen hatte.

Mervan seufzte laut, legte den Kopf leicht schief und stemmte die freie Hand in die Hüfte.

„Ganz ehrlich, es tut mir leid. Aber vor Magie habe ich Respekt. In unserem Volk... ist sie ein zweischneidiges Schwert.“

Xii ignorierte den Elfen und blickte Lilly entgegen die Philipp an einer Hand hinter sich her zog.

„Seid nett zueinander. Mervan hat mich gerettet! Diese Menschen waren nicht sehr freundlich zu mir.“

„Ja, und ich wüsste gerne wieso ein Dunkler Schlächter sich da eingemischt hat und Euch rettete.“

Xiis eisblaue Augen bohrten sich misstrauisch in Mervan, als wollte sie die Gedanken hinter seiner Stirn lesen. Diesem verging sein Lächeln und er verdrehte genervt die Augen.

„Dunkle Schlächter. So vieles verliert sich mit den Jahrhunderten, aber dieser nette Titel für unser Volk scheint sich bis in alle Ewigkeit etabliert zu haben.“

Nach einem tiefen Atemzug fand er wieder zu völliger Entspanntheit zurück und schmunzelte Xii amüsiert an.

„Eure Skepsis kann ich nachvollziehen, aber seid beruhigt, es geschah ohne Hintergedanken. Lilly befand sich meiner Meinung nach grundlos in Gefangenschaft. Gegen solche Maßnahmen hege ich großen Groll.“

„Woher wusstet Ihr das sie in dem Lager gefangen war?“ Xii verengte misstrauisch die Augen.

„Nachdem ich die Faulvaruls beseitigt hatte die den Kleinen hier verfolgten, hörte ich wütende Schreie und ging dem auf den Grund. Ich sah aus der Ferne wie Ihr vor den Soldaten floht und sie den Menschen gefangen nahmen.

Neugierig wie ich bin stattete ich dem Lager einen Besuch ab und entnahm dem Getuschel der Soldaten das sie eine Ellydre gefangen hatten, und wie der Kleine hier immer wieder besorgt zu ihrem Zelt sah.“

„Mein Name ist Philipp.“ Murrte dieser gekränkt.

„Entschuldige. Also habe ich Eins und Eins zusammen gezählt und dachte mir das ihr drei zusammen gehört und ihr sie befreien wolltet. In der Nacht verließ ich das Lager als ich merkte das Ihr es auskundschaftet.“ Er deutete auf Xii. Sie schien nicht erfreut darüber das er sie gesehen hatte.

„Ich wollte nicht dazwischen stehen wenn ihr angreift, ich muss noch wichtige Gespräche mit dem König führen. Es wäre eine schlechte Grundlage gewesen wenn ich seine Soldaten verprügle.“

„Moment mal, aber du bist zurück gekommen um Lilly zu retten, aber mich nicht? Was hätte das für einen Sinn?“ Nun funkelte auch Philipp ihn wütend an. Mervan seufzte aufgrund von so viel Begriffsstutzigkeit.

„Nun gut. Denkt mal nach. So war ich aus dem Schneider. Hätte ich dich auch befreit, wüssten Brockler und seine Männer auf jeden Fall das ich da mit drin hänge. Da aber Xii Stunden nachdem ich fort war, dich rettete und versuchte auch Lilly zu retten, fällt kein Verdacht auf mich.

Lilly habe ich einfach schon zuvor befreit und die vier Wachen an ihrem Zelt ausgeschaltet weil ich neugierig war.

Da die meisten in dem Lager schon schliefen dachte ich mir, ihr Fehlen fällt keinem so schnell auf.“

„Neugierig?“ Philipp starrte zu Lilly und wieder zurück zu Mervan der wieder über das ganze Gesicht grinste und die Schultern hoch zog.

„Hey! Ellydren gelten seit Jahrzehnten als ausgestorben! Wer lässt sich da entgehen eine Überlebende dieses wunderbaren Volkes kennen zu lernen. Ich habe viel über sie in meiner Jugend gelesen und war fasziniert.“

Seine Worte nahmen Xii nicht wirklich das Misstrauen, aber so wie Lilly ihn mit ihren Blicken anhimmelte musste sie das erst einmal so akzeptieren. Außerdem musste sie eingestehen das seine Worte einen gewissen Sinn ergaben, so wie er sie erzählte, und sein Plan war auch noch aufgegangen. Feste packte sie ihre Freundin am Oberarm und zog sie an sich heran.

Grimmig betrachtete sie den Bindungsring um den Hals der Ellydre.

„Wir müssen noch Morendras holen, in dem Zelt wo sie Euch gefangen hielten habe ich ihn nicht gesehen. Wisst ihr wo sie ihn versteckt halten? Ich gehe allein zurück und werde ihn unbemerkt holen.“

Xii gefiel ganz und gar nicht wie die Farbe aus Lillys Gesicht wich und sie nicht mehr in der Lage war ihr in die Augen zu sehen. So fest, das sie Blut schmeckte, biss sich Xii auf die Unterlippe und Flüsterte leise. Das tat sie immer wenn ihre Wut den höchsten Punkt erreicht hatte, denn Schreien mochte sie nicht gern, aber ihr war nun mehr als je zuvor danach.

„Lilly. Wo ist Morendras?“

„Das war ganz komisch weißt du...“

„Lillaraya. Wo ist Morendras?“

„Faulvaruls haben mich angegriffen, ich konnte einen von ihnen ausschalten, aber dann umzingelten sie mich. Ein anderer schnappte sich Morendras und erwischte mich mit seinem Schwanz. Mir wurde von dem Hieb schwarz vor Augen.“

Lilly traute sich ganz vorsichtig den Blick wieder zu heben und schluckte laut als sie sah das Xiis rechtes Augenlid nervös zuckte. Fast kamen ihr die Tränen so fest bohrten sich die Finger ihrer Leibwache und Freundin in ihren Oberarm.

„Die Faulvaruls haben ihn mitgenommen? Unmöglich. Das entspricht keinerlei Logik. Faulvaruls sind Geschöpfe der Unterwelt, sie sind von dem primitiven Bedürfnis getrieben zu töten. Sie verfolgen keine Pläne! Sie hätten gar keinen Nutzen davon Morendras mit sich zu nehmen!“

Ein dunkles Brummen folgte ihren Worten und Mervan kratzte sich nachdenklich am Kinn.

„Vielleicht hat sie jemand dazu beauftragt?! Wie ihr schon sagtet, sie sind Kreaturen der Unterwelt, was wenn jemand sie gerufen hat, und sie kontrolliert? Ein Hexenmeister könnte vielleicht dazu in der Lage sein.“

„Redet keinen Unsinn! Warum sollte ein Hexenmeister Interesse an Morendras haben? Nur Ellydren können seine Magie beschwören, für jeden Anderen ist er nutzlos. Außerdem war unsere Ankunft hier sehr spontan, davon konnte niemand etwas wissen.“

Mervan hob abwehrend eine Hand als Xii ihn anfauchte und seine Mutmaßungen in den Wind jagte, er beschloss sich da besser heraus zu halten. Bei der Gelegenheit fiel ihm auf das der Menschen Jüngling sich kaum noch auf den Beinen halten konnte und reichte ihm einen Wasserschlauch den er an seinem Reiserucksack befestigt hatte.

Dankbar riss Philipp ihm den Schlauch aus den Händen und leerte ihn mit einem Zug, anerkennend nickte der Elf langsam mit dem Kopf, wenn der Kleine einen Krug Met ebenso schnell leeren konnte, würde es sicher belustigend sein mit ihm einen heben zu gehen. Das laute Fluchen von Xii riss ihn aus seinen Gedanken.

„Wir müssen diese Faulvaruls finden, schnell, bevor ich ihre Spur nicht mehr wahr nehmen kann. Gehen wir zurück zu der Stelle wo sie dich überfallen haben. Erst aber müssen wir diesen Bindungsring los werden, wenn wir auf ein ganzes Rudel von ihnen stoßen kann ich es nicht mit allen auf einmal aufnehmen und noch auf euch beide aufpassen.“

Lilly verzog bitter den Mund und fuhr mit den Fingerspitzen über den goldenen Ring um ihren Hals, schon mehrmals hatte sie versucht den Schnappverschluss zu öffnen, es war hoffnungslos. Ein Bindungsring ließ sich immer nur von dem passenden Schlüssel öffnen, es gab keinen anderen Weg.

Unter einem geknickten Senken ihres Kopfes seufzte sie leise.

„Die Männer haben über den Schlüssel gesprochen, er befindet sich in der Stadt Algarafiell, zwei Tagesmärsche fort von hier. Dazu noch im Süden, die Faulvaruls aber sind gen Norden gelaufen.“

„Nach Algarafiell bin ich unterwegs, Friedensverträge erneuern. Ich könnte sicher genug in Erfahrung bringen um den Schlüssel für euch zu finden.“ Alle sahen überrascht zu dem Schattenelfen auf, hinter jeder Stirn konnte man förmlich das Rattern vernehmen. Xii fuhr sich mit beiden Händen in ihr schwarzes Haar und schloss die Augen, was sollte sie tun?

„Nein! Wir haben keine Zeit, wir verfolgen die Varuls. Dann müssen wir eben später den Schlüssel holen. Wer weiß in wessen Hände Morendras sonst gelangen könnte.“

Xii biss sich auf die Unterlippe schloss für einen Moment die Augen, ehe sie zu dem Elfen aufblickte.

„Mervan. Ich traue euch nach wie vor nicht, ihr tragt keinen Nutzen aus der Hilfe die ihr bisher geleistet habt. Dennoch möchte ich Euch inständigst bitten... begleitet uns. Wir brauchen Eure Hilfe.“

Philipp klappte die Kinnlade hinunter, das Xii einmal einen anderen um Hilfe beten würde war so abwegig für ihn gewesen wie auf einem anderen Planeten zu landen. Dies schien eine Zeit der Wunder, in der absolut nichts mehr unmöglich war.

Mervan nickte ohne zu zögern und wollte sich zu Wort melden als Lilly ihm ihre Hand auf den kalten Stahl seines Brustpanzers legte.

„Nein.“ Ihre Worte sorgten für die nächste Welle der Überraschung, erneut begann das untere Augenlid von Xii zu zucken, ein Hauch von Mordlust lag in der lauwarmen Sommernacht.

„Ihr habt eine Mission von größter Wichtigkeit vor Euch! Das dürfen wir nicht behindern. Jeder der den Frieden bewahren möchte, sollte auf seinem Weg nicht aufgehalten werden. Bitte erfüllt Euren Auftrag!“

Mervan riss die Brauen in die Höhe, ihm war, nach dem was im Lager geschehen war, und nach dem Disput mit Kommandant Brockler, klar das er am besten noch vor dem Trupp in Algarafiell ankam. Wer weiß was die Soldaten bis dahin gegen sein Ankommen ausrichten könnten, aber diese kleine Gruppe schien in ernster Not zu sein den verlorenen Gegenstand wiederzufinden. Zudem erwarteten sie ein Rudel Faulvaruls, und wer wusste was sonst noch.

Für ihn war es gar keine Frage welche Mission größeres Gewicht hatte. Lilly schien seine Gedanken zu erahnen.

„Keine Widerrede. Ihr scheint mir ein Mann von Ehre, die Bitte einer Dame könnt ihr doch nicht ablehnen!

Wenn ihr uns helfen wollt, hätte ich eine andere Bitte an Euch!“ Sie legte beide Handinnenflächen aneinander.

„Die da wäre?“

„Entfernt mir diesen Halsring. Diese Rüstung verbirgt unverkennbar einen muskulösen Körper! Die Stärke von euch Schattenelfen ist legendär und überall bekannt. Wenn es einer schaffen könnte dann ihr! Bitte versucht es zumindest!“

Irgendwie missfiel Philipp ihre Bitte und er musterte den großgewachsenen Elfen neben sich finster, ja es war keine Frage das er ziemlich muskulös zu sein schien, aber was fanden Frauen daran einmal so toll? Der Sympathiewert gegenüber Mervan landete abrupt im Keller.

Diesem schien ihre Bitte ebenso merkwürdig zu erscheinen, schließlich musste er aber doch leise lachen und zwinkerte Lilly sogar zu.

„Zuerst sollte ich Euch wohl für das Kompliment danken. Dennoch kann ich Euch versichern das nichts einen Bindungsring öffnen kann, außer der entsprechende Schlüssel, dagegen hilft auch keine Muskelkraft. Ein Versuch kann allerdings nicht schaden. Vielleicht gelingt es mir ja doch, und ich kann vor meinem König gewaltig angeben.“

Lilly kicherte amüsiert, außer ihr schien niemand gerade genug Humor zu besitzen um sich dem Lachen anzuschließen.

„Hier, halte das mal Kleiner.“ Murrend nahm Philipp die Laterne entgegen die ihm der Elf in die Hand drückte.

Mit Daumen und Zeigefinger fuhr Mervan den Rand des Ringes entlang und versuchte seine Hand darum zu schließen.

Seine Finger passten nicht in den schmalen Spalt zwischen Metall und dem Hals von Lilly, also streifte er sich seine Handschuhe ab und warf sie in das weiche Moos zu seinen Füßen. Philipp konnte die leichte Erschütterung spüren und betrachtete die Handschuhe skeptisch. Mit seinem Fuß versuchte er einen davon zu verschieben, aber er hatte mehr das Gefühl seine Fußspitze gegen einen Felsen zu drücken als gegen einen Handschuh.

Mit großen Augen ging er in die Hocke und versuchte den Handschuh anzuheben, doch das Gewicht war so enorm das er ihn nicht einmal einen Zentimeter hoch bekam. Mervan begann zu lachen.

„Das ist Schwarzstahl, Kleiner. Er entstammt einem Erz das nur in meiner Heimat vorkommt, und unserem Volk vorenthalten ist. Aus gutem Grund wie mir scheint.“

Philipp starrte den Handschuh ehrfürchtig an, er verstand immer besser wieso die Menschen und Xii diesem Elfen mit Vorsicht entgegen getreten waren. Er wollte sich nicht vorstellen was dieser Kerl mit seinen Händen anrichten könnte.

Mervan ließ seine Finger laut knacken und umfasste den massiven Goldring mit beiden Händen und drehte den Schnappverschluss mittig dazwischen. „Dann wollen wir mal.“

Lilly lächelte ihn an und war voller Zuversicht dass dieses Unterfangen sicher die Früchte des Erfolges tragen würde.

Der Schattenelf atmete tief durch und spannte seine Muskeln an, dann begann er kräftig an den Enden des Ringes zu ziehen.

Schnaufend kapituliere er als der Ring nicht einmal die kleinsten Anzeichen machte sich zu verformen.

Er wollte seine Finger heraus ziehen um sie vor einem zweiten Versuch zu strecken, doch er bekam sie nicht mehr frei, irgendwas stimmte nicht.

Lilly umfasste seine beiden Handgelenke und riss ihre Augen weit auf, er konnte die aufkommende Panik darin erkennen bevor auch er es spürte. Der Bindungsring zog sich zusammen.

Sofort versuchte er erneut den Ring auseinander zu ziehen, doch auch dieses Mal geschah nichts.

Aus Lillys Kehle drang ein Röcheln und ihre Knie begannen zu zittern, hätte Mervan versucht seine Finger zurück zu ziehen, es wäre ihm nicht gelungen, sie waren eingeklemmt zwischen Metall und dem Hals der Ellydre. Doch Mervan dachte nicht einmal daran, er versuchte noch immer den Ring auseinander zu drücken.

„Was ist los? Nimm deine Hände von ihr!“ Xii hob ihre Arme in die Luft und um ihre Klauen entflammte wieder Feuer.

„Xii nein! Irgendwas stimmt nicht.“

Philipp hob eine Hand und stellte sich Xii in den Weg bevor sie die Feuerbälle auf den Elfen schleudern konnte.

Auf Mervans Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen und er presste die Worte angestrengt zwischen seinen Zähnen hervor.

„Der Ring! Er zieht sich zusammen! Es scheint ein Schutzmechanismus zu sein! Ich kann ihn nicht aufhalten.“

Lillys Knie zitterten kraftlos, ihr Gesicht nahm bereits eine bläuliche Farbe an.

„Nein! Nein! Nein!“ Xii versuchte ebenfalls ihre Finger um den Ring zu legen, aber er hatte sich schon zu fest zusammen gezogen, Tränen schossen ihr in die Augen. Sie konnte doch nicht mitansehen wie ihre Freundin starb!

Auch Philipp umrundete die drei panisch, er wusste nicht wie er helfen sollte.

Das Knirschen von Mervans Zähnen war deutlich zu hören und eine Ader pulsierte auf seiner Stirn. Die Muskeln seines gesamten Körpers begannen vor Anstrengung zu zittern, das Gefühl in seinen Fingern hatte er längst verloren.

Ein dunkler Schrei durchdrang die Nacht als er all seine Kraft in einen letzten Versuch mobilisierte.

Als hätten alle Götter die in den letzten Augenblicken angerufen wurden, die Hände von den Ohren genommen, geschah das erhoffte Wunder keine Sekunde zu spät. Grelle Blitze stoben auseinander als der massive Bindungsring zerbarst.

Lilly fiel in die Arme ihrer Leibwache und ging hustend und japsend zu Boden, Philipp stürzte neben ihr auf die Knie und sah erleichtert zu wie die Farbe in ihr Gesicht zurück kehrte.

Auch Mervan sank erschöpft hinab und versuchte seine Finger vergebens zu strecken, eine Schweißperle tropfte von seinem Kinn. Er hob den Blick als vor ihm ein grünes Licht erschien. Der Körper der jungen Frau glühte auf und merkwürdige Wucherungen bildeten sich auf ihrer Stirn. Dort wo die ersten Haare sprossen. Erstaunt sah er zu wie sie zu Ästen heranwuchsen an denen sich kleine Blätter bildeten.

„Du dämliche Närrin! Die Borkenkäfer sollen dich holen! Hör doch einmal im Leben auf das was ich sage!“

Noch immer japste Lilly nach Luft, aber bei den Worten von Xii musste sie kurz Lachen, das rasch von einem Husten erstickt wurde. Ihre Stimme war nicht mehr als ein raues Krächzen.

„Ist doch alles gut gegangen...“

Es fiel Lilly nicht leicht sich aus dem Klammergriff von Xii zu befreien, aber ihr Dickkopf gewann abermals. Sie lächelte Mervan dankbar an und nahm seine beiden Hände in die ihren.

„Der Segen unserer Mutter Morendras soll ewiglich über euch liegen Mervan Yarveal. Ihr habt mein Leben gerettet. Wusste ich doch das ich Euch und euren Muskeln vertrauen konnte.“

Ihr herzliches Lächeln schien sein Herz zu erwärmen, zumindest fühlte es sich wirklich so an. Plötzlich spürte er wie das Gefühl in seine Hände zurück kehrte und seine Finger sich ohne Probleme wieder bewegen ließen. Ein breites Grinsen überzog seine Züge. „Dabei dachte ich heute Mittag noch das würde wieder einer dieser langweiligen Tage werden.“
 

Es bedurfte noch vieler Worte die mit Nachdruck gesprochen wurden um Mervan schließlich davon zu überzeugen sie nicht auf ihrem Weg zu begleiten. Philipp war der einzige der diesen Entschluss zu bedauern schien, auch wenn es ihm nicht gefallen hatte dass er ihn immer „Kleiner“ nannte, war er ihm für alles was er getan hatte äußerst dankbar. Wer weiß was diese Soldaten sonst mit ihm gemacht hätten.

Lilly empfand noch immer das er sich von seiner wichtige Mission nicht abbringen lassen sollte, wenn auch Mervan immer wieder erklärte das diese freundschaftliche Beziehung zu dem Königreich Nawenn für die Schattenelfen nicht von solch enormer Wichtigkeit war. Man wollte einfach nur die bequemen Handelsrouten pflegen. Die Ellydre aber sah mehr dahinter, ohne zu ahnen das sie Recht hatte, und Xii wäre am liebsten sowieso anscheinend allein weiter gereist, nachdem Lilly außer Lebensgefahr war, verfiel sie wieder in ihre notorisch schlechte Laune.

Mutig reichte Philipp dem Elfen zum Abschied die Hand, er bereute es zugleich, ertrug es dennoch wie ein heranwachsender Mann. Der Händedruck war so fest das er noch am nächsten Tag etwas davon haben würde.

„Pass gut auf deine Freundin auf Kleiner. Eine Frage hätte ich allerdings noch.“

Mervan beugte sich hinab und nahm den Zipper von Philipps Sweatjacke zwischen zwei Finger und grinste ihn breit an. Der Blick seiner goldgelben Augen jagte ihm noch immer einen kalten Schauer über den Rücken.

„Du kommst nicht wirklich aus diesem Buxtehude oder?“

„Nein. Aber du... ich meine Ihr würdet mir niemals die Wahrheit glauben.“

Der Elf schmunzelte amüsiert und ließ anschließend die herzliche Verabschiedung von Lilly über sich ergehen. Ihre Begegnung war von kurzer Dauer gewesen, in seinem Leben war er schon auf einige Personen gestoßen die ihm lange im Gedächtnis blieben, aber er würde diese kleine merkwürdige Gruppe niemals vergessen.

Er blickte ihnen nach bis sie selbst für ihn im dunklen Dickicht der Wälder nicht mehr zu sehen waren. Mervan schüttelte langsam den Kopf und machte sich selbst auf den Weg.
 

Als Lilly endlich aufgehört hatte sich ständig umzudrehen und energisch zu Winken, blieb Xii stehen und blickte über ihre Schulter hinweg zu Philipp.

„Ehe ich es vergesse. Für einen Menschen hast du dich heute in dem Zelt gar nicht so nutzlos angestellt.“

Alles hätte Philipp erwartet, aber wahrlich kein Lob von ihr. Zumindest hielt er es für eines.

„Danke für deine äußerst herzlichen Worte. Mir geht das Herz auf.“

Eigentlich war er ganz froh das Xii ihre folgenden Worte so leise murmelte das er es nicht verstand. Plötzlich wurde ihr Körper in einen bläulichen Dunst gehüllt und ihre Statur verformte sich. Nur einen Augenblick später stand sie in der Gestalt eines viel zu großen Fuchses vor ihnen und schüttelte ihr rostrotes Fell.

„Lilly, du hast deine Kräfte wieder, und wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich werde an dem Ort wo die Faulvaruls dich angegriffen haben ihre Spur aufnehmen und dort wieder zu euch stoßen wenn ihr dort ankommt.“

Nachdem Lilly ihr zugenickt hatte, sprintete die Füchsin schnell wie der Wind davon und war im Nu verschwunden. Neben Philipp war ein lauter Seufzer zu hören.

„Xii ist stinksauer auf mich. Sonst würde sie mich nicht mit dir allein lassen. Kaum wenige Minuten weicht sie mir sonst von der Seite.“

„Vielleicht liegt es daran das du es geschafft hast in nicht mal einem Tag deinen Stab wiederzufinden und gleich wieder zu verlieren. Dazu hätte dich anschließend irgendein magischer Halsring beinah erdrosselt.“

Sogleich spürte er ihren grimmigen Blick auf sich ruhen. Unbeholfen kratzte er sich am Kopf und sprach rasch weiter. „Im Übrigen wäre ich auch ganz froh wenn du dich zur Abwechslung mal nicht gefangen nehmen lassen würdest. Langsam wird es lästig. Außerdem bin ich nicht nur des Rennens müde, und wo wir beim Thema sind, ich könnte ein wenig Schlaf vertragen.“

Verwundert sah er hinunter zu seiner Hand, denn Lillys Finger schlossen sich sanft darum. Es gefiel ihm nicht wie sie ihn anlächelte, und das er sich alles andere als unwohl dabei fühlte. Mit grimmiger Entschlossenheit blickte er wieder nach vorn, doch ein Zerren an seiner Hand brachte ihn abrupt zum stehen. Bevor er auf irgendwas reagieren konnte, stellte sich Lilly auf die Zehenspitzen und küsste seine Wange.

„Wa- Was soll das denn?“

„Ein Dankeschön das du dich in Gefahr gebracht hast um mich zu retten. Du musst großes vollbracht haben wenn Xii dir gegenüber ein Lob ausspricht. Das weiß ich wirklich zu schätzen.

Ich verspreche dir auch das wir so schnell wie möglich einen Weg finden werden dich nach Hause zu schicken, sobald wir Morendras wiedergefunden haben.“

Das er sie aus weit aufgerissenen Augen anstarrte brachte sie zum Grübeln, nachdenklich legte sie einen Finger an ihre Lippen. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.

„Oh! Das war nicht höflich genug, richtig?“ Eilig stellte sie sich wieder auf die Zehenspitzen und spitzte die Lippen als sie seinen näher kam. In letzter Sekunde erwachte Philipp aus seiner Starre und bedeckte ihren Mund mit seiner Hand und drückte sie energisch fort. „Hey! Hör auf damit. Was ist denn los mit dir?“

Verwundert blinzelte sie ihn an und legte den Kopf leicht schief.

„Ich wollte mich bedanken und meine Zuneigung dir gegenüber ausdrücken. Das war doch richtig oder etwa nicht? Im Krankenhaus hast du dich doch schließlich auf selbe Weise bei mir bedankt.“

Grob zerrte er sie hinter sich her als er mit großen Schritten wieder los marschierte, er senkte die kleine Laterne die er in der anderen Hand hielt ein Stück damit sie nicht erkennen konnte wie rot sein Gesicht wurde.

„Das war ein Versehen! Aus dem Affekt heraus! Das hatte gar nichts zu bedeuten. Vergiss das am besten wieder, und hör endlich auf so zu kichern!“

„Aber es ist witzig wie du versuchst wütend zu sein, es aber eigentlich gar nicht bist. Das merke ich daran das deine Stimme etwas schwankt.“

Grob blaffte Philipp sie noch eine Weile lang an während er sie hinter sich her zog, sie dachte nicht einmal daran das Kichern einzustellen. Mit ihrer Hand betastete sie ihren Hals, der ihr noch immer starke Schmerzen bereitete, dennoch war sie einfach nur glücklich in diesem Moment neben ihm her gehen zu können. Fast hätte sie diesen Augenblick nicht mehr erleben können.

5.Kapitel
 

Minuten verstrichen so zäh wie Stunden, seine Beine schmerzten schier unerträglich und mit wachsender Gewissheit würde er bald den Kampf gegen die Müdigkeit verlieren.

Lilly warf einen Seitenblick auf Philipp als sich die kleine Laterne, die Mervan ihm überlassen hatte, immer weiter senkte und kaum mehr den Sinn erfüllte, ihm den Weg zu leuchten.

Für die Ellydre war das sehen in der Dunkelheit erschwert, aber nicht unmöglich wie bei einem Menschen.

Vorsichtig griff sie nach seiner Hand, er war zu erschöpft und müde um sich davon zu befreien.

„Philipp, halte noch ein wenig durch ja? Wenn wir die Spur der Faulvaruls gefunden haben, dann legen wir eine Rast ein und du kannst schlafen. Wir müssen nur einen sicheren Platz finden.“

Mehr als ein Brummen bekam sie nicht als Antwort.

Nur wenige Augenblicke später huschte eine vertraute Gestalt durch die Schatten der Bäume auf sie zu. Das rötliche Fell von Xii schimmerte im sanften Mondlicht das durch die Baumkronen der kleinen gelben Blätter fiel.

Sie sprach zu den Beiden ohne das sich ihr Mund bewegte. Ihre Stimme hallte in ihren Köpfen wieder.

„Ich habe die Stelle gefunden, und sogar eine deutliche Spur. Was auch nicht ganz schwierig war bei dem Gestank den diese Bestien hinterlassen haben.

Wir sollten uns beeilen, sie haben schon einen großen Vorsprung.“

Ihre eisblauen Augen richteten sich auf Philipp gerade als Lilly das Wort ergriff.

„Nein, wir sollten erst eine Pause einlegen. Philipp und ich sind erschöpft. Lass uns nur ein paar Stunden schlafen Xii.“

Der weiche Fuchsschwanz peitschte wild von links nach rechts und ein leises Knurren war aus ihrer Kehle zu vernehmen, ganz offenbar gefiel Xii der Vorschlag nicht mal ansatzweise.

„Du meinst wohl der Mensch ist erschöpft. Ich sehe nicht ein, wegen ihm Zeit zu verschwenden! Er kann hier irgendwo in einem Versteck bleiben und warten bis wir Morendras zurück bekommen haben.“

Nun war es Lilly die ihre Brauen zornig zur Mitte ihrer Stirn hin zusammen zog und einen Schritt nach vorn machte.

„Auch ich bin erschöpft. Ich habe kaum noch Kraftreserven ohne das Sonnenlicht, nicht einmal Glühwürmchen könnte ich so im Moment herbei rufen. Außerdem hast du schon vergessen was Mervan sagte? Was wenn seine Vermutung stimmt und wir auf einen Hexenmeister oder schlimmeres treffen. Kein Faulvarul würde grundlos ernstes Interesse an Morendras haben. Wenn es zu einem Kampf kommt, haben wir kaum Chancen.“

Dann nahm sie wieder Philipp an die Hand und funkelte ihre Leibwache noch wütender an.

„Außerdem lasse ich ihn hier nicht einfach schutzlos zurück.“

Die Beine von Philipp waren seinem Geiste schon einen Schritt voraus, sie gaben nach, und der junge Mann ließ sich auf den Hosenboden fallen. Der Waldboden war nicht so angenehm weich wie er vermutet hatte. Es spielte keine Rolle mehr. Neben sich machte er einen umgefallenen Baumstamm aus und ließ sich dagegen sinken. Sollten die beiden doch diskutieren bis sie schwarz wurden, derweil würde er einfach schlafen, und morgen früh ganz sicher wieder Zuhause in seinem weichen Bett aufwachen.

Das letzte was er hörte war das laute Fauchen von Xii die sich noch eine Weile eine angeregte Diskussion mit Lilly lieferte.
 

Wilde Träume hatten ihm einen unruhigen Schlaf beschert, und noch bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, nahm er die unwillkommenen Eindrücke seiner Umgebung wahr. Zwitschernde Vögel, das Rauschen von Blättern im Wind und der unverwechselbare Geruch von Wald. Seine Augen wollte er gar nicht öffnen, denn sie würden ihm nur bestätigen dass seine Gebete nicht erhört worden waren, er befand sich nicht in seinem Bett. Er war nicht Zuhause, nein, er war irgendwo in einer gottverlassenen Welt in einem gottverlassenen Wald, und er hatte keine Ahnung wie er wieder zurück auf die Erde gelangen sollte.

Ein leises, beruhigendes Summen drang an sein Ohr, noch immer machte er keine Anstalten seine Augen zu öffnen. Lieber tat er das, was er in seinem heimischen Bett in solchen Dämmerphasen immer tat. Sich noch einmal herum zu drehen.

Eine Schmerzenswelle jagte die nächste, er wusste gar nicht welcher Knochen und welcher Muskel in seinem Leib nicht weh tat.

Unbewusst musste er vor Leid seines geplagten Körpers gestöhnt haben, denn das Summen verstummte.

Ganz zögerlich öffnete er doch die Augen, nahm dafür all seinen Mut zusammen, und bereute es zugleich.

Seine Brille war etwas verschoben, aber nicht so viel, dass er das Bild das sich ihm bot, nicht deutlich erkannt hätte.

Lilly kniete nur wenige Meter von ihm entfernt auf dem Waldboden, inmitten eines Kreises aus Sonnenlichts welches durch das Blätterdach brach. Ihre Arme waren zu beiden Seiten ausgebreitet. Nichts was schlimm gewesen wäre, wenn doch nur die Tatsache nicht bestünde, dass sie vollkommen nackt war. Als wäre das ganze nicht schon schrecklich genug, bemerkte sie das er wach wurde und sprang freudig auf die Beine. Hastig lief sie die wenigen Schritte zu ihm hinüber. Noch bevor sie ihn erreichte, stützte er sich mit seinen Armen auf dem umgefallenen Baumstamm ab und drückte sich in die Höhe.

„Halt du Verrückte! Bleib mir ja vom Leib! Gott, wie oft soll ich dir noch sagen du sollst nicht ständig nackt vor mit herum tänzeln! Das ist ja grässlich.“

Panisch versuchte er noch mehr Distanz zwischen sie und sich zu bringen, und purzelte somit rücklings von dem Baumstamm herunter. Stöhnend vor Schmerzen hielt er sich den Kopf und wünschte sich nichts mehr als dass dieser Alptraum endlich endete. Die Ellydre umfasste seine Unterschenkel die noch auf dem Stamm lagen und reckte das Kinn hervor um nach dem Rechten zu sehen.

„Phil?! Was machst du denn da? Geht es dir wieder besser?“

Als der arme Bursche es wagte nach oben zu sehen, schlug er sich sogleich beide Hände vor das Gesicht und brüllte ihr wütend entgegen.

„Lilly! Zum letzten Mal, pack deine Brüste ein! Das hält man ja nicht aus!“

Was der Mensch nur immer für Probleme hatte verstand sie einfach nicht. Die Frauen in seiner Welt sahen doch nicht anders aus. So hässlich konnte sie auch nicht sein das er den Anblick nicht ertragen konnte.

Wie immer ließ sie sich von ihm nicht die gute Laune verderben und sprang zurück in die Wärme der Sonnenstrahlen, mit einem Lächeln auf den Lippen schloss sie die Augen und trällerte fröhlich.

„Schon passiert! Aber nochmal werde ich eure menschliche Kleidung nicht anziehen! Jetzt wo ich meine Kräfte wieder habe.“

Philipp rappelte sich langsam auf und wagte einen Blick über den kleinen Sichtschutz hinter den er gefallen war. Lillys Körper war hier und da mit Ranken umschlungen, überall verdeckten die verschiedensten Blätter gekonnt die Stellen, wo er um Verschleierung gebeten hatte. Auf ihrer linken Hüfte erblühte sogar eine gelbe Blume, noch nie hatte er auf den Zügen der Ellydre ein solch glückliches Lächeln gesehen.

„Seid ihr beiden jetzt endlich fertig? Wir müssen los!“

Xii stand mit verschränkten Armen an einem nahe gelegenen Baum und funkelte die Nervensägen zornig an. Ihr buschiger Schwanz zuckte nervös umher.

Philipp räusperte sich laut und richtete seine Brille während er sich auf die Beine quälte. Noch wusste er nicht wie er diesen Tag überstehen sollte, aber was hatte er schon für eine Wahl, hier bleiben und auf die beiden warten kam überhaupt nicht infrage.

Das Trio marschierte weiter durch das immer dichter werdende Unterholz, Philipp ließ den Blick schweifen, in dieser Welt gab es so vieles zu sehen. Merkwürdige Pflanzen wuchsen neben den seltsamsten Pilzen, und noch mehr bestaunte er die Insekten die sich hier und da zu erkennen gaben. Diese Welt Dravasuum schien viele Wunder bereit zu halten, dennoch wünschte er sich nichts mehr als sie niemals kennen zu lernen weil er schon bald wieder auf seiner guten, alten Erde stehen würde.

„Lilly, diese Ranken und Blätter die an dir... wachsen, gehört das zu dem Symbiont in deinem Körper von dem du mir einmal erzählt hast? Kannst du sie steuern?`“

Das er solches Interesse zeigte, ließ sie sofort in Hochstimmung geraten, sie hob eine Hand und die feinen Ranken um ihre Finger begannen sich zu schlängeln und zu winden.

„Ja! Das hast du gut erkannt. Hier in unserer Welt habe ich meine Verbindung zu ihm wieder, das hier ist sozusagen meine wahre Gestalt.“

Stolz deutete sie auf die Äste die auf ihrem Kopf wuchsen.

„Bis zu einem bestimmten Grad kann ich die Eigenschaften die er mir verleiht beeinflussen.“

Eigentlich hatte Philipp beabsichtigt sie zu fragen ob sie ihn dann nicht dazu bringen könnte ihren Körper noch mehr zu verhüllen, aber er merkte wie froh sie war und auch das sie einen gewissen Stolz ausstrahlte das er es dabei beließ.

Wie viele halbnackte Frauen konnte ein junger Mann, in der Blüte seines Lebens, um sich herum eigentlich ertragen? Zwei sollten noch im Grünen Bereich liegen.

„Sag mal, der Kommandant der Soldaten nannte Xii eine Janama. Was ist das?“

Mit einem Finger deutete er auf Lillys Leibwache die mit großen Schritten einige Meter voraus ging. Ihre Ohren zuckten und sie blickte über die Schulter hinweg zu Philipp.

„Hör auf ständig Fragen zu stellen über Dinge die dich nichts angehen. Wenn wir uns heute Morendras wieder beschaffen, wirst du wieder in deine Welt gehen und wirst sowieso nichts von all dem Wissen haben was du hier erfragst. Du verschwendest nur deinen Atem.“

Ohne auf die Nettigkeiten von Xii einzugehen, tippte sich Lilly auf die Unterlippe und runzelte nachdenklich die Stirn.

„Um es für dich am verständlichsten zu erklären, könnte man sie als eine Art Tiergeist bezeichnen. Janama sind Seelen die in unsere Welt gelangen weil sie eine Aufgabe zu erfüllen haben, sie tauchen in den verschiedensten Tiergestalten auf, keiner ist wie der andere. Welche Aufgabe sie zu erfüllen haben, wissen sie nicht, sie müssen suchen bis sie denken sie gefunden zu haben.“

Eine scharfe Stimme schnitt durch ihren Verstand.

„Meine Aufgabe ist es Euren Verstand einst zum denken anzuregen. Gut möglich das mein Dasein ewig währt.“

„Wenn sie die richtige Wahl getroffen haben, und ihre Pflicht erfüllt ist, verlassen sie diese Welt wieder.

Bei der falschen Wahl, müssen sie weiter suchen, bis sie ihre richtige Aufgabe gefunden haben.“

Philipp sah seine Freundin aus dieser fremden Welt skeptisch an und breitete seine Hände zu einer fragenden Geste aus.

„Wer schickt sie denn auf diese Missionen?“

Die Ellydre hob ahnungslos ihre Schultern. „Was geschieht mit eurem Bewusstsein wenn ihr sterbt? Gibt es einen Gott, ein Paradies und die Hölle? Genauso wenig wie ihr Antworten auf diese Fragen habt, haben wir keine auf die unseren.“

„Verstehe. Was mir aber nicht ganz schlüssig erscheint, wieso werden sie auf diese Welt gesandt, um eine ihnen völlig unbekannte Aufgabe zu erfüllen, nur damit sie sterben dürfen. So ist es doch, oder habe ich das falsch verstanden?

Sie vollbringen quasi etwas gutes, und werden bestraft.“

Lillys Blick wurde ausdruckslos und huschte sofort zu Xii. Sie war zu langsam.

Eine Hand, bedeckt mit schwarzem Fell, schnellte aus bläulichem Dunst nach vorn, und schloss sich um Philipps Kehle. Dieser wusste gar nicht wie ihm geschah, bevor er reagieren konnte baumelten seine Füße bereits in der Luft. Er starrte hinab in Augen aus kaltem Eis.

„Du stellst zu viele von den falschen Fragen. Mensch. Gerade ziehe ich es in Betracht meinen Schwur für dich zu brechen.“

Eine Hand legte sich behutsam auf Xiis Oberarm, mit dem sie Philipp in die Höhe hob.

„Hör auf damit, er konnte es doch nicht wissen. Bitte, habe etwas Nachsicht.“

Nach einem kurzen Augenblick des Zögerns öffnete sie ihre Klaue wieder und Philipp landete hustend auf dem Boden.

Erschrocken hielt er sich den Hals und stolperte ein paar Schritte zurück.Unter abflauendem Husten blaffte er Xii an.

„Du bist doch irre! Was stimmt eigentlich nicht mit dir?“

Lilly trat einen Schritt an ihn heran und hob beschwichtigend die Hände. Auf ihrem Gesicht lag ein bedauerndes Lächeln.

„Es ist ein empfindliches Thema. Wir sollten es dabei belassen. Als Mensch, der ohne die Berührung von Magie lebt, kannst du das nicht verstehen. Vielleicht hat Xii Recht, und du musst das alles auch gar nicht verstehen. Mit etwas Glück finden wir heute noch Morendras und kannst auf die Erde zurück kehren.

Konzentrieren wir uns auf die Suche nach den Faulvaruls.“

Philipp rappelte sich wieder auf, wütend blinzelte er die beiden Frauen an und marschierte mit langen Schritten an ihnen vorbei. Lillys Vorschlag kam ihm gelegen, nichts lieber als das.
 

Den ganzen Tag marschierte das Trio durch die malerischen Wälder des Königreiches Nawenn gen Norden.

Nur selten nahmen sie eine kurze Rast ein, wenn sie einen Flusslauf fanden oder einige Früchte mit denen sie sich stärken konnten. Je weiter sie in die Tiefen der Wälder vordrangen, desto dichter wurde das Unterholz.

Anfangs mussten sie Umwege in Kauf nehmen um den Siedlungen der Gegend auszuweichen. Nun aber stießen sie auf keine anderen Menschen mehr, denn sie näherten sich immer weiter den Sümpfen der Verbannten. Einem Ort, den jeder Mensch mied.

Auch Xii und Lilly wurden immer angespannter und schweigsamer, sie hatten gehofft die Faulvaruls einzuholen, noch bevor sie diesen verfluchten Ort erreichten.

Philipps Rücken jagten kalte Schauer hinunter, immerzu hielt er Ausschau nach Augen die ihn zu beobachten schienen.

Die Blätter der Bäume hatten ihre goldene Farbe verloren und ein dunkles Grün angenommen. Ihre Stämme hatten die romantisch wirkenden Windungen hinter sich gelassen mit denen sie sich in den Himmel schraubten. Alles hier wirkte viel düsterer und unheilvoller je weiter sie ihre Füße trugen.

Immer seltener begegneten sie Tieren, sogar das Zwitschern der Vögel war zu einem Echo in der Ferne geworden.

Das Blätterdach über ihnen ließ kaum noch Tageslicht hindurch, und die einsetzende Dämmerung machten es fast augenblicklich stockdunkel.

Philipp entzündete seine Öllampe und betete im Stillen das sie noch viele, viele Stunden halten möge.

Bald darauf wurden sie sich einig das alle zu müde waren um noch weiter laufen zu können. Sie beschlossen zu rasten und abwechselnd Wache zu halten.
 

Es kam ihm so vor als hätte er gerade erst die Augen geschlossen, als Xii ihn für die Ablösung weckte. Müde streifte er sich Lillys Arme ab, die sich im Schlaf wieder heimlich zu ihm gelegt hatte und setzte sich auf einen moosbewachsenen Stein.

Unter einem herzhaften Gähnen rieb er sich die Augen und stützte seine Ellenbogen auf den Knien ab.

Innerlich fragte er sich wie er eigentlich in einem Ernstfall helfen sollte, sicherlich hätten ihn diese Faulvaruls in Stücke gerissen bevor er auch nur einen Ton von sich geben konnte.

Grimmig straffte er seinen Rücken und starrte in die Finsternis. Er sollte sich mal nicht so schlecht machen, schließlich hatte er jahrelange Erfahrung darin Monster und allerlei Kreaturen zu töten, auch wenn sich das nur auf Videospiele bezog. Wie schwer sollte es schon sein eine Waffe zu schwingen?! Hochmotiviert stellte er sich hin und krempelte die Ärmel hoch. So gut es eben in der Dunkelheit mit spärlichem Mondlicht ging, suchte er den Waldboden nach etwas geeignetem ab mit dem er sich notfalls zur Wehr setzen könnte. Ein dicker Ast würde für den Anfang sicher ausreichen.

Bevor er etwas geeignetes gefunden hatte, fröstelte es ihn und er krempelte seine Ärmel wieder hinunter, man wollte sich ja keine Erkältung holen.

Plötzlich drang etwas an sein Ohr, er hatte es erst für das Flüstern des Windes gehalten, doch dann erkannte er die Melodie einer wunderschönen Frauenstimme.

Er verstand die Worte des Gesanges nicht, aber das Lied musste von so trauriger Natur sein, dass es sein Herz sich automatisch schwer fühlte.

Ohne Gedanken an sein Tun zu verschwenden ging er in die Richtung aus welcher der Gesang kam.

Zwei stämmige Bäume versperrten den Weg, doch dahinter nahm er ein schwaches blaues Leuchten war, und definitiv die Quelle der wunderschönen Stimme.

Er quetschte sich zwischen den Stämmen hindurch und stolperte auf eine kleine Lichtung. Überall wuchsen Pilze und Farne beugten sich in dem kühlen Hauch der Nacht.

Inmitten dieses friedvollen Platzes ruhte ein kleiner See, von dem auch das bläuliche Licht ausging. Das Licht des Mondes beschien seine Oberfläche und zauberte ein magisches Antlitz.

Philipp war so von dem Anblick gefesselt das er sie erst sah, als ihr Gesang für einen kleinen Augenblick aussetzte.

Auf einem glatten Stein, der zur Hälfte in das Wasser hinein ragte, saß eine Frau mit langem, dunklen Haar.

Ihre Augen waren groß und leuchtend förmlich. Ihre vollen Lippen bildeten ein warmes Lächeln als sie ihn betrachtete.

Wie von allein schoben sich seine Füße weiter langsam an sie heran, bis an das Ufer.

Kichernd sprang die Frau in das funkelnde Wasser und war für einen Augenblick völlig verschwunden. Erschrocken ging Philipp auf die Knie und beugte sich soweit vor, dass er in die Dunkelheit des Sees hinein blicken konnte. Sein Herz schlug schnell in seiner Brust, sie konnte doch wohl nicht ertrunken sein, diese wunderschöne Frau.

Plötzlich erkannte er etwas unter der Wasseroberfläche, in der nächsten Sekunde schoss ihr Oberkörper direkt vor ihm aus dem Wasser.

Schreiend ruderte Philipp zurück und starrte die fremde aus weit aufgerissenen Augen an. Nie in seinem ganzen Leben zuvor hatte er so eine schöne Frau gesehen. Ihre Haare schienen dunkel grün zu schimmern, sie fielen in verlockenden Wellen ihren Körper hinab, Wasser perlte von den Spitzen und benetzte den Stein auf dem er kniete.

Philipp schluckte laut, unter den vereinzelnden Strähnen konnte er ihre nackten Brüste ausmachen.

Sein Herz schlug noch ein wenig schneller. Ehe er es sich versah kroch er nah an die Fremde heran die sich mit beiden Händen auf dem Stein, auf dem er saß, abstützte.

Ihre vollen Lippen bildeten ein warmes Lächeln, sie kicherte und schaukelte mit ihren Schultern hin und her. Philipp wusste gar nicht wohin er schauen sollte, alles an ihr war so einladend und verlockend.

Ein Plätschern hinter ihr erweckte seine Aufmerksamkeit. Was er dort sah, ließ ihn kurzzeitig die Luft anhalten. Ab ihrem Nabel abwärts war ihr Körper nicht mehr der einer Frau, sondern der eines Fisches. Eine Nixe?

Eine sanfte Berührung riss ihn aus seiner Starre, ihre Hand fühlte sich kalt und unwirklich auf seiner Wange an, und doch gab es für ihn in diesem Augenblick nichts schöneres als von ihr berührt zu werden.

Ihre liebliche Stimme war ein leises, verführerisches Flüstern. Sie beugte sich noch weiter vor und war kaum einen Hauch von seinen Lippen entfernt.

„Dein Herz ist so voller Leid, es ist kaum zu ertragen. Wie kann ein junger Mann nur voll von so viel Kummer sein.

Du bist deiner Heimat so fern, habe ich Recht?“

Atemlos brachte er lediglich ein Nicken zustande, er hatte das Gefühl sich in ihren großen, runden Augen zu verlieren. Ihre kühle Hand fuhr zärtlich durch sein Haar und blieb in seinem Nacken ruhen.

„Komm mit mir, ich werde dein trauriges Herz trösten. Vor langer Zeit hat man es dir gebrochen, und du hast es niemals heilen können. Komm, und lasse all das hinter dir. Ich bringe dich nach Hause.“

Ihre weichen Lippen legten sich auf die Seinen, der Griff in seinem Nacken wurde fester. Er konnte spüren wie sie an ihm zog und er das Gleichgewicht verlor.

Das Wasser empfing ihn warm und angenehm, mit beiden Armen umschlang er ihren Leib und drückte sich feste an sie. Ihr inniger Kuss raubte ihm den Atem, aber das schien ihm nicht mehr wichtig zu sein. Alles was er wollte war in ihren Armen zu liegen, das Verlangen nach ihr brannte in jeder Faser seines Körpers.

Diese Sehnsucht wurde so stark das eine Woge von Schmerz über ihn hinweg rollte, doch er wusste, es würde bald vorbei sein. Dann gab es nur noch Ruhe, Frieden und kein Leid mehr.

Ein Ruck ging durch seinen Körper, jemand hatte ihn an seinem Knöchel gepackt und versuchte ihn fort von der schönen Frau zu zerren. Philipp kämpfte dagegen an. Mit Tritten versuchte er die Hand fort zu scheuchen, aber sie ergriff immer wieder sein Hosenbein.

Eine melodische Stimme flötete in seinen Gedanken er solle sie nicht los lassen, nur noch ein wenig, und er wäre wieder zu Hause. Doch die Hartnäckigkeit an seinem Bein machte ihn langsam wütend, er riss seine Lippen los und drehte sich um, damit er mehr Kraft in seine Tritte legen konnte. Mit einem Mal veränderte sich alles schlagartig. Es war nicht die Leidenschaft die in ihm brannte, sondern seine Lungen die nach Sauerstoff schrien. Panisch begann er unter Wasser mit seinen Armen zu rudern um wieder an die Oberfläche zu gelangen. Unter sich in dem Düster des Sees erblickte er das hämische Grinsen der schönen Frau, bevor eine weitere Hand nach ihm griff und ihn mit einem Ruck aus dem Wasser zerrte.

Philipp wollte Luft schnappen, aber es misslang. Aus seinem Mund quoll ein Schwall Wasser und jemand drehte ihn auf den Rücken. Zeitgleich versuchte er seine Lunge frei zu husten um nach Luft zu schnappen, mit beiden Händen krallte er sich in das nasse Gras und würgte immer weiter Wasser hervor.

Nach einer ganzen Weile kam er wieder zu Atem und rollte erschöpft auf den Rücken.

Nun verstand er auch endlich die Stimmen die immer wieder seinen Namen riefen.

Xii und Lilly beugten sich über ihn, die eine blickte besorgt auf ihn nieder, die andere gab ihm wütend eine Ohrfeige.

„Xii! Ich glaube all das Wasser ist draußen! Hör jetzt auf.“

„Schaut Euch doch nur diesen Narren an. Nicht mal Wache kann er halten ohne sich oder andere in Gefahr zu bringen.“

Erschöpft stützte sich Philipp auf seinen Unterarmen ab und röchelte leise.

„Was ist passiert?

Lilly schüttelte ratlos ihren Kopf und blickte sich suchend um. „Xii wurde wach und bemerkte das du fort warst, sie weckte mich und wir suchten nach dir. Plötzlich hörten wir ein lautes Plätschern und entdeckten diese Lichtung. Luftblasen stiegen in dem See auf, und dann sahen wir dich. Du musst wahrscheinlich hinein gefallen sein und...“

Philipp schreckte hoch und warf einen Blick auf den kleinen, stillen See indem sich das funkelnde Mondlicht spiegelte.

„Nein! Da war eine Frau, mit Fischschwanz. Sie hat so wunderschön gesungen und ich bin zu ihr gegangen. Ich weiß gar nicht wie mir geschah, sie versprach mir mich wieder nach Hause zu bringen.“

Zögerlich berührte er seine Lippen und schluckte, er fühlte ihren süßen Kuss noch immer als Echo in seinen Gedanken und sofort quälte ihn eine bittere Sehnsucht.

Xii kniff nachdenklich ihre Augen zusammen und trat an das Ufer des Sees. Nachdem sie einen Blick hinein geworfen hatte schüttelte sie den Kopf.

„Das macht keinen Sinn. Deine Beschreibung passt auf eine Nixe, sie ziehen Menschen in den Tod, aber ich kann keinerlei Präsenz wahr nehmen.“

Xii atmete tief durch und warf einen Blick in den Himmel. „Bald dämmert es, wir sollten weiter gehen, wir sind so dicht an der Grenze zu den Sümpfen der Verbannten, vielleicht sind hier Kräfte zu Gange die selbst ich nicht verstehen oder wahrnehmen kann.“

Diesmal erhob niemand einen Einwand.
 

Die Sonne ging auf, was das Trio nur daran ausmachen konnte, das Philipp die Öllampe nicht mehr benötigte um den Weg vor sich zu erkennen. Kaum noch Sonnenstrahlen drangen durch die dichten Bäume und all die Kletterpflanzen die sich an ihren Stämmen in die Höhe schraubten und ein undurchdringliches Dickicht bildeten.

Lilly klammerte sich an Philipps Ärmel, bevor er sie wie üblich verscheuchen konnte, warf er einen Blick in ihr Gesicht und entschloss sich es diesmal zu erlauben.

Sie suchte die Baumkronen ab, immer wieder huschte ihr Blick hin und her, von so viel Furcht ergriffen hatte er sie noch nie gesehen.

„Ist alles in Ordnung?“

Die Ellydre bemühte sich um ein zuversichtliches Lächeln und nickte ihm zu. „Mir ist etwas mulmig, ich habe das Gefühl der Geruch der Faulvaruls wird stärker, es kann aber auch daran liegen das wir uns schon am Rand der Sümpfe befinden. Ich... gehöre zu den Ellydren die ihre Kraft aus dem Sonnenlicht schöpfen, verstehst du?

Umso weniger Licht, desto schwächer meine Fähigkeiten. Ich hoffe einfach wir treffen nur auf ein paar wenige Faulvaruls.“

Philipp, der noch immer nicht völlig getrocknet war, presste die Lippen zusammen und starrte nach vorn.

Gerne hätte er ihr ein paar aufmunternde Worte gesagt, aber er wollte nichts sagen, an dass er selbst nicht einmal glauben konnte.

Er versuchte sich zusammen zu reißen, schließlich war er ein Mann, wenn auch ein junger. Lilly würde er schon beschützen können. Grimmig biss er sich auf die Zunge, das hatte nichts zu bedeuten, Männer beschützten Frauen, das lag einfach in seiner Natur. Wieso konnte er dann den süßen Kuss dieser Nixe nicht vergessen, und nicht aufhören sich deshalb schlecht zu fühlen?

In Gedanken versunken achtete er nicht auf den Boden unter sich, nur ein falscher Schritt war nötig und sein Fuß blieb im Morast stecken.

„Das auch noch...“

Mit Lilly zusammen versuchte er seinen Fuß wieder zu befreien, doch es wollte einfach nicht gelingen. Xii sagte schon gar nichts mehr zu ihrem Begleiter, der das Pech gepachtet zu haben schien, und zog mit den beiden zusammen so fest sie nur konnte. Unter einem lauten, schmatzenden Geräusch bekam er den Fuß, sogar samt Schuh wieder frei und purzelte nach hinten.

Gerade wollte Xii zu einer Schimpftirade ansetzen als sie eine Bewegung am Rande ihres Blickfeldes ausmachte.

Ohne das sie es merkten, hatte sich ein dichter Nebel um die Gruppe gelegt, sie konnte Schatten in der Dichte des Dunstes ausmachen. Sie musste die Schemen nicht einmal erkennen um zu wissen das es sich um Faulvaruls handelte. Der Gestank verriet sie.

Sofort entzündete sie in beiden Händen ihr magisches Feuer und machte sich kampfbereit.

„Verdammt! Sie haben uns umzingelt!“

Kaum waren die Worte ausgesprochen lösten sich zwei Gestalten aus dem Nebel und kamen auf die Gruppe zu.

Ein dunkles Klappern von Knochen durchdrang die Stille und ein hohles Knurren drang aus ihren Kehlen. Rotleuchtende Augen fixierten ihre Beute, doch statt anzugreifen, verharrten sie einige Meter von ihnen entfernt.

Zu allen Seiten lösten sich weitere Faulvaruls aus dem Nebel und erfüllten die Luft mit ihrem fauligen, schier unerträglichen Gestank.

Lilly keuchte leise während auch sie eine geduckte Haltung annahm. „Es sind viel zu viele.“

Philipp bückte sich zu einem nahegelegenem Ast und hielt ihn mit beiden Händen vor sich, etwas besseres konnte er auf die Schnelle nicht ausmachen, geschickter als unbewaffnet war er damit sicherlich alle Mal.

Ein anderer Laut drang ihnen durch Mark und Bein, es war ein dunkles, hämisches Lachen das durch die Sümpfe hallte.

Die Bestien schlugen peitschend und ungeduldig mit ihren Schwänzen, aus knochigen Gliedern, durch die Luft.

„Ruhig, ihr könnt euch noch früh genug an ihrem Fleisch laben.“

Die verführerische Langsamkeit mit der sie die Worte sprach, erkannte Philipp augenblicklich wieder, das war die Stimme der Nixe, oder des Wesens was ihn in die Tiefen des Sees hatte ziehen wollen.

Die Silhouette einer Frau schälte sich aus dem Nebel und trat zwischen zwei der Kreaturen hinaus. Langes, pechschwarzes Haar verlor sich hinter ihr, und verdeckte zum Teil ihr Gesicht.

Um ihre Schultern hatte sie einen dunkelgrauen Umhang gewickelt der an seinen Enden zu einem mit goldenen Ringen und Ketten versehen war, zum anderen mit seinen abgerissenen Fetzen einen schäbigen Eindruck machte.

Weitere goldene Ketten und Schnüre hielten den Schlitz ihres bordeauxfarbenen Kleides zusammen der bis unter ihren Nabel reichte.

Ein absurder Gedanke schoss Philipp völlig unpassend durch den Kopf, hatten die Damen in dieser Welt eigentlich nichts gescheites zum anziehen? Oder zeigte hier jeder einfach nur gerne seine Reize? Eine weitere Variante könnte noch sein das die Schreiberin dieser Geschichte, Philipp lediglich gerne quälte. Das jedoch waren alles reine Spekulationen.

Ihre Arme und Beine waren mit schmutzigen Verbänden verhüllt, doch es gab eine Kleinigkeit die allen dreien den Mund offen stehen ließ. Die Fremde hielt in ihrer rechten Hand den Stab Morendras.

Lilly machte einen Satz nach vorn und eilte einige Schritte auf die Frau zu, die Faulvaruls stießen zugleich ohrenbetäubende Warnrufe aus. Sie blieb stehen, Xii und Philipp rückten ihr nach.

„Der Stab Morendras gehört meinem Volk! Händige ihn mir bitte wieder aus!“

Philipp schaute kurz zu seiner Freundin hinüber, hatte sie tatsächlich gerade Bitte gesagt?

Ein schallendes Gelächter war die Antwort auf ihre Bitte und die Bestien leckten sich voller Vorfreude ihren giftgrünen Speichel über das gesamtes Maul.

„Du dummes kleines Kind amüsierst mich. Glaubst du ich jage über Neumonde hinfort deiner Spur nach, nur um ihn dir jetzt zurück zu geben? Nein, dafür brauche ich noch viel, viel mehr von dir.“

Lilly schüttelte zweifelnd den Kopf, sie hatte keine Ahnung was diese Fremde von ihr wollte, oder was sie mit Morendras anfangen sollte. „Wer seid ihr, und was könnte ich euch schon geben? Morendras ist für euch nicht zu gebrauchen, nur eine Ellydre kann seine magischen Kräfte beschwören.“

Ein grausames Grinsen umspielte die Lippen der Frau, die ein paar wenige Schritte aus dem Nebel heraustrat.

„Wie unfreundlich ich doch bin. Mein Name ist Shorana.

Gewiss! Ich bedarf deiner Aufklärung nicht du dummes Kind. Vorweg habe ich mich gut erkundet, mir ist klar das ich den Stab nicht ohne die Seele eine Ellydre beherrschen kann. An dieser Stelle kommst du in das Spiel.

Ihr seid artig meiner Spur gefolgt und befindet euch in meinem Reich. Ganz wie ich es wollte.“

Xii bleckte die Zähne und verfluchte sich aufgrund ihrer Dummheit, sie hätte es einfach wissen müssen. Faulvaruls waren viel zu schnell als das sie so lange ihrer Spur hätten folgen können.

„Ihr seid eine Hexe!“

Shorana schnalzte mit der Zunge und drehte den Stab in ihrer Hand, ihre langen, schwarzen Nägel kratzten über das Holz.

„Eine Hexenmeisterin wenn ich bitten darf. Sonst wäre ich wohl kaum dazu in der Lage gewesen meine kleinen Haustiere hier zu beschwören damit sie euch zu mir bringen.“

Ihr Kopf rollte langsam zur Seite sodass sie Philipp direkt in die Augen blickte. Ihm fiel auf das um ihre Augen herum schwarze Farbe auf ihr Gesicht gemalt war. Zumindest hoffte er das es Farbe war.

„Oder mich in eine andere Gestalt zu verwandeln um eure kleinen faulen Ärsche in Bewegung zu bringen. Kleiner Mann, dir schien mein Kuss so gut gefallen zu haben, das du dich gar nicht mehr von mir lösen wolltest.

Deine Leidenschaft war imposant, vielleicht vergnüge ich mich noch mit dir bevor ich dich meinen Kleinen hier zum Fraß vorwerfe, was sagst du? Ich würde dich sogar einen schnellen Tod sterben lassen wenn du deine Sache gut machst.“

Lilly und Xii sahen zwischen den beiden verwirrt hin und her.

Nach ihren Worten brach Shorana wieder in schallendes Gelächter aus und leckte sich mit ihrer schwarzen Zunge über die vollen Lippen. Lilly trat einen Schritt zurück und starrte Xii über ihre Schulter hinweg düster an.

„Ihre Zunge ist schwarz! Sie hat einen Pakt mit der Unterwelt... sie hat ihre Seele verkauft!“

Ihre Leibwache nickte und presste ihre Lippen fest aufeinander, sie wussten beide was das bedeutete, die hatten es mit einer sehr mächtigen Gegnerin zu tun. Eine die in der Lage war die Mächte der Unterwelt herauf zu beschwören.

Shoranas Stimme donnerte über den modrigen Morast hinweg und die Faulvaruls wetzten ihre Krallen.

„Genug der Plauderei! Nun hole ich mir deine Seele, und meine Kleinen hier dürfen sich die Mägen vollschlagen.“

Die Hexe deutete mit ihrem Zeigefinger auf Lilly und grinste diabolisch über das gesamte Gesicht.

„Fresst aber nicht die Ellydre! Zumindest nicht das was sie zum leben braucht, kostet ruhig von Armen und Beinen!“

Auf ihr Kommando hin stürzte das Rudel bis auf eine Ausnahme mit fletschenden Zähnen auf die Gruppe.

Xii zögerte nicht und schleuderte einen blauen Feuerball auf die Bestie direkt vor sich. Blitzschnell wich der Varul aus, rechnete aber nicht mit dem zweiten Feuerball der ihn frontal traf.

Heulend ging er in Flammen auf, Haare und Fleisch rutschten von seinen Knochen, verzehrten seine Seele bis nur noch Asche von ihm übrig war.

Ein weiterer Angreifer blieb plötzlich mit allen Vieren im Moor stecken. Was normal seine Heimat war, wurde ihm nun zum Verhängnis. Lilly hatte beide Hände flach auf dem Boden abgelegt und bohrte ihre Finger in den schleimigen Untergrund.

Unter wütenden Schreien wurde der Faulvarul in die Tiefe gezogen bis seine Stimme im Schlamm erstickte.

Shorana grinste müde und gab dem zurück gebliebenen Biest den Stab in das Maul, auch wenn dessen grüner Speichel ätzend war, konnte er dem Holz scheinbar nichts anhaben.

Als hätte er einen stummen Befehl bekommen rannte er davon und verschwand im Nebel. Die Hexenmeisterin verschränkte die Arme vor der Brust und sah dem Kampf zu, ohne einzugreifen.

Zwei weitere blaue Feuerbälle verbrannten einen Faulvarul nachdem Xii ihm mit einem beherzten Sprung ausgewichen war.

Philipp wusste gar nicht wo er zuerst hinschauen sollte, jedes Mal wenn ihnen eine der Bestien zu nahe kam, wurde sie von seinen zwei Begleiterinnen ausgelöscht, doch das Blatt schien sich binnen von Sekunden zu wenden.

Lilly erhob sich schwankend und wischte sich den Schweiß von der Stirn, zwei weitere Angreifer hatte sie nur für einen Moment in dem Moor feststecken lassen können, jetzt schon kämpften sie sich unablässig wieder frei.

Er erinnerte sich an ihre Worte, das sie ohne das Sonnenlicht kaum Kraftreserven hatte, doch das sie so schnell am Ende sein würde, hatte er nicht gehofft. Der Griff um den Ast den er sich geschnappt hatte wurde fester, nun lag es an ihm sich auch einmal nützlich zu machen.

Eine Gelegenheit bot sich ihm umgehend, einer der Faulvaruls war Xiis Angriff ausgewichen und öffnete seinen Schlund. Schlamm und kleine Brocken flogen durch die Luft als er auf Lilly los preschte. Die Ellydre grub ihre Finger in den Morast, doch ihre Bitte um Hilfe wurde nicht erhört.

Nur einen Steinwurf weit entfernt waren die Fänge die sich in ihren Leib schlagen wollten, als Philipp der Bestie mit einem harten Schlag auf den Schädel drosch.

Er hatte alles in diesen Angriff gelegt, seine Arme schmerzten und der Ast war zersplittert, dennoch hatte er Erfolg gehabt. Der Knochenschädel des Faulvaruls war an einer Stelle vollkommen zertrümmert, eine grünliche Flüssigkeit trat heraus und tropfte zäh zu Boden. Philipp hielt sich eine Hand vor den Mund, der bestialische Gestank schien noch schlimmer zu werden, er fürchtete das Essen nicht länger in seinem Magen halten zu können.

Taumelnd und schwankend wandte sich der verletzte Varul zu Philipp um und hieb mit seinen Klauen nach ihm. Zum Glück machte die Verletzung ihn so träge das sogar der Mensch in der Lage war ihm auszuweichen. Dann brach er tot zusammen.

Das nächste Unheil ließ nicht lange auf sich warten, drei weitere Faulvaruls durchbrachen Xiis Verteidigung und rannten auf sie zu.

Philipp pochte das Herz bis zum Hals, er stellte sich vor Lilly und drückte sie hinter seinen Rücken. Es war aussichtslos, er hatte keine Waffe, und selbst wenn, wäre er nie gegen drei dieser Kreaturen angekommen. Ihr Verwesungsgeruch nahm ihm schon fast die Besinnung.

Mit einem Sprung setzte einer der Faulvaruls zu seinem vernichtendem Schlag an, Klauen waren bereit zu zerreißen, Zähne waren bereit zu zerfleischen.

Soweit sollte es nicht mehr kommen, eine Druckwelle aus Geröll und Wurzeln erfasste das Biest im Sprung und schleuderte es zurück bis an einen Baum wo jeglicher Knochen in dessen Leib unter lautem Krachen zerbarst.

Ein unheilvolles Surren erfüllte die Luft bevor die letzten Staubkörner zu Boden gingen, und ein Schwarm faustgroßer Insekten mit riesigen Stacheln stürzte sich auf die beiden verbliebenen Faulvaruls. Alle Gegenwehr nutzte nichts, sie zerstachen sie binnen Sekunden, überall bildeten sich Beulen. Die Faulvaruls gingen zu Boden, zuckten, und blieben nach verlorenem Kampf leblos liegen.

Philipp erkannte diese Insekten, die von ihrer Form her Hornissen ähnelten, doch mit ihrer rot schwarzen Maserung noch viel bedrohlicher wirkten. Sein Blick irrte suchend umher als er schließlich den Retter in der Not sichtete.

Ein Ellydre mit dunkel blondem Haar, und zwei Ästen die seitlich seiner Schläfen wuchsen, hob seine beiden Arme und sogleich schossen Wurzeln aus dem Morast heraus die sich um die Gliedmaßen der übrigen Faulvaruls schlängelten und sie so für einen Augenblick an diesen Ort fesselten.

Der Ellydre trug um seine Hüften eine Art Gürtel aus Geflechten und Ranken, an deren Enden große Blätter befestigt waren und bis hinab zu seinen Knien reichten. Überall an seinem Körper schlängelte sich Efeu von seinen Ästen, bis zu seinem Gürtel hinab. Was Philipp aber zum Staunen brachte war die Rinde die seinen kompletten linken Arm bedeckte, seine Schulter, einen Teil seiner Brust, über die Seite seines Halses hinauf, über den Rand des Gesichts bis hin zu dem Ast an seiner linken Schläfe.

Lilly schob sich an ihm vorbei und schlug sich erleichtert die Hände vor die Brust. „Ooku! Du bist hier!?“

Der Fremde warf Lilly einen eindringlichen Blick zu, dann sah er zu Xii, die ebenfalls verwundert wie erleichtert wirkte.

„Xii! Bring sie fort von hier! Gen Osten! Schnell!“

Die Fuchsdame zögerte nicht lange und sprintete zu Lilly, feste packte sie diese am Handgelenk und zerrte sie mit sich.

Stolpernd leistete sie Gegenwehr und versuchte sich von dem Halt zu befreien.

„Lass mich los! Ooku! Du kannst es nicht mit allen alleine aufnehmen, die Hexe hat eine schwarze Zunge! Sie hat ihre Seele verkauft!“

Auf den Lippen Ookus bildete sich der Anflug eines Lächelns, in seinen Augen lag ein wilder Ausdruck.

„Mach dir keine Sorge. Wir sehen uns später, ich kann besser wüten wenn niemand im Weg ist.“

Shorana löste die entspannte Verschränkung ihrer Arme und schnarrte leise während sie den Kopf langsam von einer Schulter auf die andere rollen ließ.

„Das sich noch jemand einmischt, mag ich nicht. Meine Kleinen hätten schon lange ihre Bäuche vollschlagen sollen.“

Wütend stampfte sie mit einem Fuß auf und eine Druckwelle rauschte über den Boden, die das gesamte Moor zum schwanken brachte. Die Ranken um die Beine der Faulvaruls zogen sich zurück. Wieder in Freiheit kreischten die Bestien wütend auf und stürzten sich auf den Ellydren.

Die Hexenmeisterin machte ein paar schnelle Fingerbewegungen als würde sie Zeichen in die Luft malen, dann beugte sie sich hinab und tippte auf die Oberfläche des braunen Wassers. Unter ihrem Finger entfachte sich ein schwarzes Feuer das sich rasend schnell davon schlängelte und das gesamte Wasser um sie herum in Flammen hüllte.

Langsam durchschritt sie das Feuer ohne das es ihr etwas anhaben konnte.

„Hier wird niemand entkommen.“

Philipp rannte hinter Xii und Lilly her, letztere warf immer wieder verzweifelte Blicke nach hinten.

Auch er traute sich über seine Schulter zu blicken, doch das was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Zwei der Faulvaruls waren ihnen dicht auf den Fersen, noch schneller aber folgten ihnen die schwarzen Flammen die Shorana entsandt hatte. Ooku drehte sich nach ihnen um, er machte eine ausladende Bewegung mit beiden Armen und schlug seine Hände vor der Brust mit voller Kraft zusammen. Keine Sekunde zu früh, neigten die Bäume ihre Kronen zu Seite, Äste und allerlei Gestrüpp vereinten sich mit ihnen und bildeten binnen eines Wimpernschlages eine undurchdringliche Mauer. Philipp hörte ein lautes Krachen als die Faulvaruls dagegen donnerten. Lange hörte er noch ihre wütenden Schreie und das Scharren als sie versuchten die Blockade mit ihren Klauen zu durchbrechen. Es gelang ihnen nicht.

Sie rannten so schnell ihre Füße sie tragen konnten, gen Osten, wie er es gesagt hatte. Der Wald um sie herum wurde wieder etwas lichter, alle drei keuchten schon vor Erschöpfung als ein leises Summen die Luft erfüllte. Xii und Lilly blieben augenblicklich stehen und reckten die Köpfe in die Luft.

„Xii! Das hört sich an wie...“, sie hatte den Satz noch nicht beendet als ein Schatten über die Gruppe hinweg segelte. Es drehte eine Runde hoch oben in der Luft und kam im Sturzflug auf sie zu.

Kurz vor dem Boden flatterten zwei paar Flügel wild als es seinen Flug abbremste und aufsetzte.

Philipp musste sich eine Hand vor die Augen halten, so viel Staub wurde aufgewirbelt.

Als die Umgebung wieder zur Ruhe kam, blinzelte er heftig und traute seinen Augen kaum was da gerade vor ihm gelandet war. Ein überdimensionales Insekt mit zwei langen Fühlern die einen Bogen von seinem schwarzen Kopf nach hinten machten, dazu war sein Maul mit zwei riesigen Zangen bewehrt. Erschrocken wich Philipp zurück, Lilly keuchte noch vor Anstrengung als sie auf das Insekt zu rannte.

„Keine Angst! Das ist Uri, ein Freund von uns. Er ist ein Scarsaluc, ein Bewohner meiner Heimat. Ooku muss auf ihm her geflogen sein.“ Das Insekt hob seinen Kopf und klapperte gefährlich mit seinen Zangen, die langen Fühler vibrierten und brachten die Luft zum Schwingen. Philipp sah Lilly schon in zwei Teilen am Boden liegen, aber gegen all seine Erwartungen tat er der Ellydre nichts als sie beide Arme um ihn legte.

Aufgeregt klappte Uri die beiden Chitin Platten auf seinem Rücken hoch und flatterte wieder mit seinen vier Flügeln, es wirkte sogar als würde er vor Wonne schnattern als er die herzliche Umarmung bekam.

Ungläubig rannte Philipp um den Neuankömmling herum und taxierte es genau. Er erkannte, das Insekt war nicht schwarz, sondern dunkelgrün, und die Platten welche seine Flügel schützten, waren von grasgrünen Mustern durchzogen. Drei Beine stützten es von jeder Seite, und als er an dessen Rückseite angekommen war, traute er seinen Augen kaum. Der längliche Körper endete in einer Art Schwanzfortsatz an dessen beiden Seiten feine Lamellen wuchsen, wie ein feiner Kamm. An jeder Lamelle befanden sich unzählige kleine Härchen die schimmerten und funkelten als hingen feine Wassertröpfchen daran.

Nach seiner Umrundung boxte Xii ihn hart in die Seite.

„Willst du mit deinem Mund Fliegen fangen? Wir haben keine Zeit für Gaffereien. “ Philipp war zu fasziniert um auf ihre Bemerkung einzugehen. Ungläubig schüttelte er den Kopf und musterte immer noch den Scarsaluc.

„Dieses Insekt ist riesig! Er sieht aus wie eine Mischung aus einem Heldbock und Hirschkäfer, das ist einfach unglaublich.

Ihr nutzt diese Dinger zum fliegen?“

Lilly tätschelte eine der beiden massiven Kieferzangen und trat an Philipp heran.

„Diese Dinger sind lebendige Wesen, sie tragen uns auf ihrem Rücken wenn sie es möchten. Wir halten sie nicht wie ihr eure Pferde zum Beispiel. Ooku und ich sind mit Uri seit vielen Jahren befreundet.“

Plötzlich wirbelte sie herum als der Scarsaluc mit den Flügeln zu schlagen begann und in die Luft stieg. Er schoss von dannen und war sofort über den dichten Baumkronen verschwunden.

„Uri! Nein! Ich wollte ihn bitten mich zurück zu fliegen.“ Lilly atmete tief durch und legte beide Hände an ihre Stirn, ungeduldig ging sie auf und ab.

„All das kann ich noch gar nicht glauben. Gestern dachte ich noch die Faulvaruls wären unser schlimmstes Problem, jetzt haben wir es noch mit einer Hexenmeisterin zu tun. Was will sie nur mit Morendras und mir?“

Nervös starrte sie in den Himmel und faltete die Hände vor der Brust als sie unablässig auf und ab marschierte.

„Wir hätten Ooku nicht allein lassen dürfen! Mit so etwas wird selbst er nicht fertig!“

Zum ersten Mal sah Philipp so etwas wie einen zornigen Ausdruck in Lillys Gesicht als diese zu Xii herum wirbelte.

Diese zeigte sich reichlich unbeeindruckt und stemmte die Hände in die Hüften, herausfordernd reckte sie das Kinn hervor.

„Habt Ihr seine Worte nicht gehört? Er wird schon zurecht kommen, er ist erfahren und hätte uns nicht fort geschickt wenn er nicht glauben würde die Situation unter Kontrolle bringen zu können.“

„Zurecht kommen? Die Situation unter Kontrolle bringen? Was ist los mit dir Xii?! Wir standen einer Hexenmeisterin gegenüber die ihre Seele verkauft hat, dazu noch ein Rudel Faulvaruls. Er kam aus dem Nichts und soll die Situation richtig eingeschätzt haben wenn er denkt er schafft das allein? Bist du auf den Kopf gefallen?“

„Wenn wir nicht in der Nähe sind kann er seinen Kräften freien Lauf lassen, wir wären nur hinderlich gewesen.“

Lillys zierliche Hände ballten sich zu Fäusten, vor Wut und Verzweiflung begannen sie zu zittern, Tränen bildeten sich in ihren Augenwinkeln. Sie war so aufgebracht das sie sich auf die Unterlippe beißen musste um die Ruhe zu bewahren.

Philipp hatte sie noch nie so gesehen, dieser Ooku musste ihr viel bedeuten. Unruhig leckte er sich über die Unterlippe und trat zwischen die beiden, für ihm hatte es in den letzten Tagen schon genug Streitereien gegeben.

„Beruhigt euch, wir sollten einen kühlen Kopf bewahren und zusehen das wir hier weg kommen.“

Wie auf Kommando drehten beide ihren Kopf zu ihm und zeterten aus einem Mund: NEIN!

Ohne ein weiteres Wort ging er lieber auf Sicherheitsabstand. Bei erhitzten Frauengemütern zog man sich besser direkt zurück, vor allem wenn es durchgeknallte Wesen aus einer anderen Welt waren die Freundschaften mit riesigen Insekten schlossen.

Zu seiner Rettung durchdrang die Luft ein summender Laut und über ihnen zog ein Schatten über den Himmel.

Uri setzte zur Landung an. Doch dieses Mal trug er einen Passagier auf seinem Rücken der sich an den beiden Fühlern festhielt und sie wie eine Art Lenkung nutzte.

„Ooku!“ Der Ellydre rutschte von Uris Rücken, kaum das dieser auf dem Boden aufgesetzt hatte. Seine Hand drückte auf eine Wunde an seinem Unterbauch, an seinen Fingern klebte frisches Blut, und auch sonst hatte er einige Schrammen und Schnittwunden davon getragen.

Lilly stürzte ihm entgegen, legte ihre Hände an seinen Oberarm und auf seine Brust. Besorgt musterte sie seine Verletzungen. „Ooku! Lass mich dich heilen.“

„Es geht schon. Spare dir deine Kräfte.“ Auf seinen Lippen bildete sich ein schwaches Lächeln, er legte seine Hand, die von Rinde überwachsen war, auf ihre Wange. Viel zu liebevoll strich er mit seinem Daumen über ihre Haut und blickte ihr entscheidend zu tief in die Augen.

„Lilly, ich habe dich so lange schon gesucht. Endlich habe ich dich wieder gefunden.“

Mit bebender Unterlippe schlang sie ihre Arme um seinen durchtrainierten Oberkörper und wurde von ihm in eine feste Umarmung geschlossen. Von irgendwo her erklang ein genervtes Brummen.

Xii trat einen Schritt vor und suchte mit ihrem Blick in den Schatten der Bäume nach etwas. So als würde sie darauf warten das mögliche Verfolger sie bereits eingeholt hatten.

„Ooku, was ist mit der Hexe Shorana und den Faulvaruls. Nichts würde ich mir mehr wünschen als das Ihr mir berichten könntest das Ihr sie dorthin gesandt habt, wohin sie gehören. Jedoch denke ich diesen Wunsch werdet Ihr mir nicht erfüllen können.“

„Leider nein... ich konnte die meisten Bestien noch erledigen, doch diese Hexe wusste ihre dunkle Magie sehr gut einzusetzen. An diesem dunklen Ort konnte ich einfach nicht mehr bewirken.

Ich denke eine Weile lang wird sie brauchen um uns aufzuspüren, ich bat das Moor eure Spuren zu verschleiern, diese Bitte wurde erhört. Dennoch sollten wir so schnell wie möglich von hier verschwinden.“

Lilly löste sich von ihm und trat einen Schritt zurück, langsam strich sie sich eine Strähne hinter ihr Ohr und verschränkte nervös ihre Finger ineinander. Mit großen, leuchtend grünen Augen sah sie zu ihm auf.

„Das wird nicht gehen fürchte ich. Sie hat den Stab Morendras.“

Mehr und mehr wich die Farbe aus Ookus Gesicht, sein Verstand arbeitete gegen ihre Worte an. Philipp kannte dieses Gefühl nur zu gut wenn man darauf hoffte aus einem bösen Traum zu erwachen, man tat es aber einfach nicht, so sehr man es auch versuchte oder sich es wünschte.

Atemlos stieß er ungläubig hervor, „Was sagst du da? Sie hat Morendras? Wie ist das möglich?“

Lilly atmete tief durch, straffte den Rücken und faltete ihre Hände langsam vor ihrem Schoss.

„Eigentlich wollte ich mir Morendras nur kurz ausleihen, ich bat ihn mich zu den Menschen zu bringen, und er hat mich erhört. Ooku, ich wollte doch nur dass unser Volk wieder weiß was Freiheit bedeutet. Ihnen wollte ich zeigen das nicht alle Menschen gleich sind.“

Sie deutete auf Philipp der seine Hände in den Hosentaschen versenkt hatte und den Ellydren möglichst grimmig an funkelte.

Die beiden kannten sich noch nicht, und wahrscheinlich hatte Ooku den Menschen bis zu diesem Augenblick noch gar nicht wahr genommen, aber sie verstanden sich auf Anhieb. Eine Antipathie schwang von beiden Seiten auf der gleichen Welle.

„Das ist Philipp. Morendras hat mich auf seinen Planeten gebracht, die Erde. Bitte glaub mir wenn ich dir sage das er ein gutes Herz hat. Nicht jeder Mensch ist automatisch unser Feind.“

„Ja, und seine Artgenossen vergiften das Wasser das sie trinken, zerstören den Grund auf dem sie Leben und töten die, die nicht ihrem Glauben entsprechen. Sie beuten ihre Welt noch schlimmer aus als die Menschen von Dravasuum. Wenn Ihr ihm etwas erzählt, dann solltet Ihr auch die ganze Wahrheit hervor bringen.“

Das Xii sich einmischte und ihr auch noch in den Rücken fiel ließ Lillys Mut sinken, enttäuscht sah sie zu ihrer Leibwache und Freundin hinüber. „Danke.“

„Lilly, ich will Euch nichts Übles, aber Ihr könnt nicht immer alles Schlechte einfach ignorieren.“

Ooku schien mit einem Mal aus seiner Starre zu erwachen, mehr noch, er verwandelte sich in einen Magma speiendem Vulkan. Brennendes Geröll und Feuerfontänen ergossen sich über Lilly.

„Du hast das heiligste was unser Volk hatte einfach an eine Hexe verloren? Das letzte Symbol der Hoffnung?

Um den Menschen einen Besuch abzustatten? Den Menschen? Hast du vergessen was diese dreckigen Bastarde getan haben? Du warst doch dabei, schon vergessen?“

Stumm ließ sie seine Wut über sich ergehen, sie wusste auf eine Weise war sie gerechtfertigt und es gab nichts womit sie ihre Hände in diesem Augenblick rein waschen konnte.

„Unser ganzes Volk macht sich seit Monaten Sorgen um dein Verschwinden, und du machst einen Spaziergang zu unseren schlimmsten Feinden? Für so dämlich hätte ich dich niemals gehalten. Hast du eine Vorstellung davon wie schwer es für die Hüterin und mich war das Verschwinden von dem Stab geheim zu halten? Kannst du dir vorstellen was das los getreten hätte?“

„Ooku, es tut mir leid, ich wollte doch nur...“

„Mir ist egal ob es dir leid tut. Wie kann man nur so dumm sein? Hast du auch nur einmal nachgedacht bevor du gehandelt hast?“ Ooku trat zwei Schritte auf Lilly zu, Philipp hatte restlos genug von dem Geschrei. Bevor Ooku sie erreichen konnte hatte Philipp sie schon hinter seinen Rücken gezogen, und auch wenn sein Gegenüber etwas mehr Muskelmasse zu bieten hatte, würde er es sich nicht nehmen lassen ihm eine Tracht Prügel zu verpassen, damit er mal wieder runter kam.

„Lilly weiß das sie einen Fehler gemacht hat, du musst es für sie nicht ständig wiederholen. Außerdem hat sie alles versucht den Stab wieder zu bekommen. Das ist es doch worauf wir uns nun konzentrieren sollten oder? Wenn wir nur hier herum stehen und uns sinnlos anschreien lockt es wahrscheinlich nur noch mehr dieser Biester an.“

Das untere, linke Augenlid des Ellydren begann zu zucken, er traute seinen Ohren nicht, das es ein kleiner, nichtiger Mensch es tatsächlich wagte sich mit ihm anzulegen.

„Du elendiger Scheißkerl, ich werde dir zeigen wo dein Platz ist!“ Der Boden begann zu beben und Philipp bemerkte das sich im Erdreich unter ihm irgendwas zu regen schien.

„Genug jetzt!“ Xiis Befehl ließ das Beben verebben, sie trat dicht an Ookus Seite und ergriff fest seinen mit Rinde bewachsenen Arm, noch immer bohrte dessen wütender Blick sich in die Augen von Philipp.

„Nur ungern gebe ich es zu, aber der Mensch hat Recht. Wir sollten zusehen das wir Morendras wieder bekommen. Shorana hat selbst durchscheinen lassen das sie nicht in der Lage ist seine Macht zu nutzen. Dafür wollte sie die Seele von Lilly haben.“

Unter tiefen Atemzügen beruhigte sich das zornige Gemüt des Waldbewohners wieder, er schaffte es sogar seinen Blick von Philipp los zu reißen.

„Sie wollte ihre Seele haben? Bedeutet das sie kennt einen Weg wie sie die Kraft Morendras nutzen könnte? Mir wäre nicht bekannt das jemand anders als ein Ellydre überhaupt in der Lage ist das zu tun. Lilly würde ihr wohl kaum all ihre Wünsche erfüllen.“

Xii zuckte mit den Schultern und zog nachdenklich ihre Stirn in Falten.

„Morendras Kraft bezieht sich nur auf die Natur, er kann gar nichts böses vollbringen. Dafür war er nie gedacht. Shorana könnte Bäume und Pflanzen wachsen lassen, ich schätze allerdings nicht das sie die Absicht hat einen Garten anzulegen.“

„Was wenn sie das wirklich will?“

Alle Köpfe drehten sich zu Philipp, seine Bemerkung war so trocken gewesen das niemand einen Zweifel hatte das er sie nicht aus vollster Überzeugung auch so gemeint hatte. Bevor sie an seinem klaren Verstand zweifeln konnten sprach er unbeirrt weiter.

„Ihr sagtet Morendras Kraft bezieht sich auf die Natur, und wenn ich es Recht verstanden habe, kann sie damit alles wachsen lassen was sie möchte, vorausgesetzt sie hat die Seele einer Ellydre.

Sie hat doch diese Faulvaruls aus den Sümpfen beschworen, ihr sagtet mir diese Sümpfe der Verbannten seien ein verwunschener Ort dunkler Magie. Ich habe keine Ahnung was in dieser Welt möglich ist, oder was ihr damit gemeint habt das ihre schwarze Zunge ein Hinweis darauf wäre das sie ihre Seele an irgendwas... Dunkles verkauft hat.

Was wenn sie vor hat den Sumpf wachsen zu lassen? Diese Welt hier, unter ihre Kontrolle zu bringen?“

Stumm dachte jeder über seine Worte nach, sie klangen vielleicht nicht mehr ganz so absurd wie sie es anfangs angenommen hatten, oder sich es nun wünschten. Lilly trat an seine Seite und legte eine Hand auf ihre Seele.

„Philipp könnte sogar Recht haben! Sie machte den Eindruck auf mich, als würde sie die Macht die sie über die Varuls hatte genießen, vielleicht giert sie wirklich nach so viel Macht.

Menschen haben uns Ellydren schon viele Eigenschaften angeheftet, was wenn sie glaubt oder gar Recht hat und wirklich nur unsere Seelen braucht um ihren Plan in die Tat umzusetzen.“

Ooku streifte sich das wilde Haar zurück und seufzte tief. Er schüttelte den Kopf und blickte in jedes einzelne Gesicht.

„Wir müssen zurück in den ewigen Hain. Die Hüterin wird wissen was zu tun ist, wir können nicht riskieren das diese Hexe einen von uns durch einen dummen Fehler in die Finger bekommt, und vielleicht an mehr Macht gelangt als uns gut tut.“

Sein Blick richtete sich auf Uri, der sogleich mit den Fühlern vibrierte.

„Alle können wir nicht auf seinem Rücken reisen. Höchstens zwei. Mein Vorschlag ist das Lilly und ich zur Hüterin fliegen, dann schicke ich Uri los um dich zu holen Xii.“

„Auf gar keinen Fall!“ Lilly trat vor und machte eine abwehrende Handbewegung. „Wir lassen niemanden zurück! Dieser Ort hier ist viel zu gefährlich. Lasst uns eine andere Lösung finden. Verlassen wir erst einmal diese Wälder nahe der Sümpfe, schlafen eine Nacht darüber und überlegen wie es weiter gehen soll.“

Ooku öffnete seine Lippen, holte tief Luft für seinen Protest, doch Xii nahm ihm den Wind aus den Segeln indem sie ihm auf die Schulter Klopfte und gemütlich an ihm vorbei ging um den naheliegenden Pfad einzuschlagen.

„Hört auf Eure Zeit damit zu verschwenden, sie von einer sinnvolleren Lösung zu überzeugen, gegen ihren Dickschädel habt Ihr keine Chance. Ich finde auch wir sollten besser eine Nacht darüber schlafen als den weiten Weg zur Hüterin einzuschlagen, und das Risiko eingehen das Shorana derweil schon irgendwas dummes mit dem Stab anfängt. Außerdem seid Ihr schlimmer zugerichtet als Ihr zugeben wollt. Ihr solltet Euch ausruhen.“

Außer Ooku marschierten bereits alle drauf los, sogar Uri folgte ihnen ohne zu zögern. Wütend knirschte er mit den Zähnen, er war es nicht gewohnt sich nach anderen zu richten, normal hatte er nach der Hüterin am meisten zu sagen.

Sich seinem Schicksal ergebend folgte er schließlich auch dem ungleichen Trupp.

Plötzlich blieb Xii stehen und drehte sich wieder zu ihm herum.

„Moment, was meintet Ihr eigentlich damit als Ihr sagtet, Ihr sucht schon seit Monaten nach Lilly? Wir befanden uns auf diesem fremden Planeten etwas mehr als zwei Wochen.“

Ookus Stirn überzogen tiefe Furchen.

„Nein. Seit dem Tag eures Verschwindens sind Vier Neumonde gekommen und gegangen.“

Alle wurden kreidebleich. Niemand konnte glauben das sie so lange fort gewesen waren. Philipp ergriff das Wort.

„Das Zwillingsparadoxon! Aufgrund einer Zeitdilatation zwischen unseren Welten. Ich kann es kaum glauben! Bisher konnte man die Zeitdilatation im Bezug auf Reisen zwischen zwei Sternen nicht direkt greifen weil kein Antrieb realisierbar ist, der über lange Zeit eine so hohe Beschleunigung erreicht. Man weiß nur das es sie wirklich gibt.“

Philipp starrte in drei offene Münder die ihn ratlos anblickten und wahrscheinlich kein Wort von ihm verstanden hatten.

„Vergessen wir es einfach. Oder habt ihr hier irgendeine Macht welche die Zeit auch wieder zurück drehen kann?“

Xii schüttelte fassungslos den Kopf. „Wie soll denn so etwas möglich sein?“

Riesige Insekten, Bestien aus der Unterwelt, Hexen, Geister in Tierform, Wesen mit Ästen auf dem Kopf, Philipp fragte sich was er für ein Narr war, wenn er glaubte es gäbe etwas das die Zeit zurück drehen konnte. Genervt verdrehte er die Augen. Ihm war egal was die anderen mit seiner Information anfingen, er war froh zu wissen das wenn er wieder nach Hause kam, deutlich weniger Zeit verstrichen war als er hier erlebte.

Die Standpauke und die Sorge seiner Eltern würden dadurch abgemindert.

Eine Frage aber schwirrte ihm durch den Kopf, er flüsterte Lilly leise zu. „Wer ist eigentlich diese Hüterin?“

„Sie ist die älteste Ellydren. In unserer Heimat, dem ewigen Hain, wacht sie über uns alle.

Die Hüterin weiß einfach alles. Und sie besitzt große Kraft.“

„Vielleicht ist es dann doch ratsam zu ihr zu gehen und um Hilfe zu bitten.“

Ihre Antwort auf seine Worte war ein grimmiger Blick. Er sagte besser gar nichts mehr.
 

Nach einigen Stunden in denen sie den Sumpf in östlicher Richtung weitläufig umgangen hatten, und sich immer weiter davon entfernten, setzte bereits die Dämmerung ein. In einer kleinen Senke unter einem Steinhang fanden sie nahe eines Bachlaufes genug Früchte und Wasser damit sie sich für den nächsten Tag rüsten konnten.

Ooku ließ sich auf dem weichen Waldboden wieder und legte sich einige Kräuter die er an dem Ufer des Flusses gesammelt hatte auf seine Bauchverletzung. Nachdem er noch ein paar Blätter darauf gelegt hatte, strich er über eine der Efeuranken die seinen Körper umgarnten. Sogleich bildete sich eine neue kleine Ranke die sich über seine Verletzte Stelle schlängelte und sie fixierte.

Philipp hatte ihm bereits den gesamten Marsch über finstere Blicke zugeworfen. Das dieser eingebildete Kerl ihn mit Ignoranz strafte, machte ihn noch fuchsiger.

Lilly ließ sich lächelnd neben ihm nieder, sie tätschelte sein Knie und streckte die Beine von sich.

„Lade dir seinen Zorn nicht so auf dein Herz. Ooku hat ein gutes Herz und er hat jedes Recht wütend auf mich zu sein.“

„Dir scheint ja viel an ihm zu liegen.“

Etwas verwundert über seinen schroffen Tonfall hob sie fragend eine Braue in die Höhe und musterte sein finsteres Gesicht.

„Liegt dir denn nicht auch viel an deiner Schwester?“

„Was hat das mit meiner... Moment. Soll das heißen der Kerl ist dein... Bruder?“

Vorsichtig beugte sich Lilly etwas weiter vor um besser in Philipps erstauntes Gesicht zu sehen, ein breites, schelmisches Grinsen überzog ihre Züge.

„Du bist doch nicht eifersüchtig gewesen? Auf meinen Bruder!“

Im schallenden Gelächter ausbrechend, purzelte Lilly fast rücklings von dem Baumstamm auf dem sie sich niedergelassen hatten. Verwirrte Blicke die den beiden zugeworfen wurden ließen Philipp den Kopf einziehen.

„Rede keinen Unsinn du Nuss! Es war doch nur eine ganz normale Frage!“

Aus ihrem Augenwinkel strich sie sich eine Träne fort und kämpfte mit einem hoch amüsiertem Schmunzeln. Ganz leise das nur er es hören konnte, flüsterte sie ihm etwas zu.

„Hast du dich etwa in mich verliebt?“

„Bist du noch bei Sinnen? Nie im Leben! Hör jetzt auf mit dem Mist!“

Kichernd erhob sich Lilly, und wuschelte durch sein Haar. „Du bist süß. Dabei warst du es der sich von einer anderen hat küssen lassen.“

Genervt fuhr Philipp sich mit beiden Händen über sein Gesicht, unter einem Stöhnen schüttelte er den Kopf und fragte sich einmal was er denn verbrochen hatte das man ihn so sehr strafte. In so eine Irre würde er sich mit Sicherheit niemals verlieben. Da konnte sie auch noch so oft im Evakostüm vor seiner Nase herum springen.
 

Als die Nacht herein brach teilten sie sich wieder für das Wache halten ein, bis auf Philipp, man beschloss einstimmig das er dies besser nicht noch einmal tun sollte.

Die Erschöpfung seines Körpers schrie förmlich nach den Ereignissen des Tages nach Schlaf, aber sein Geist fand einfach keine Ruhe. Statt sich stundenlang auf dem ungemütlichen Waldboden herum zu wälzen, entschloss er sich dazu sich ein wenig die Beine zu vertreten.

Leider hatte Ooku die erste Wache und seufzte schon genervt als Philipp sich ihm näherte.

„Ich will nur ein wenig reden.“

„Mir ist nicht klar wieso ich meinen Sauerstoff für einen Menschen verschwenden sollte.“

Langsam schob Philipp seine Hände in die Taschen seiner Sweatjacke und folgte seinem Blick in das Dunkel der Wälder.

„Darum geht es ja. Bei Xii bin ich von Anfang an auf Ablehnung gestoßen, genau wie für sie zählt für dich als Begründung mich zu hassen allein die Tatsache das ich ein Mensch bin.

Mir geht das langsam so auf die Nerven. Immer muss ich mir anhören wie schlecht wir seien und das wir, oder eben die Menschen dieser Welt, schlimme Dinge getan haben.

Solltet ihr nicht langsam mal beginnen die Vergangenheit hinter euch zu lassen?“

Ooku drehte sich langsam zu ihm und zog seine Stirn in tiefe Furchen, ein Rauschen ging durch die Baumkronen, Äste zitterten, Laub raschelte, ohne das es einen Windzug gab.

Die Stimme des Ellydren war kalt wie Eis, nicht mehr als ein Flüstern.

„Die Vergangenheit hinter uns lassen? Ihr hab uns abgeschlachtet, wie all die anderen Geschöpfe die ihr dem Leben entreißt um euch an ihrem Fleisch zu laben!

Ihr denkt die Welt würde euch gehören, nehmt euch einfach was ihr denkt gebrauchen zu können.“

Ooku umrundete Philipp einmal und drückte ihm seinen Zeigefinger auf die Brust.

„Wir Ellydren lieben jede Facette des Lebens. Jede Form, jedes Dasein. Auch wenn es nicht meinem Naturell entspricht, ich werde eurem Volk niemals vergeben!“

Wütend schlug Philipp seine Hand zur Seite und ging bis auf wenige Millimeter an ihn heran. Ihre Nasenspitzen berührten sich fast.

„Ich bin nicht mal von eurem dämlichen Planeten! Mit all dem habe ich nichts am Hut. Zugegeben, auf unserem Planeten läuft auch nicht alles gut, und es gibt viel zu viel schlechtes das man uns Menschen anhaften kann. Xii hatte Recht als sie sagte das wir unseren Planeten aus der Gier nach Ressourcen ausbeuten.

Aber wir sind nicht alle Gleich! Es gibt auch viele Menschen die dieses Treiben nicht tolerieren und sich dagegen stellen.“

Ookus Augen taxierten sein Gegenüber ganz genau, minutenlang starrten die beiden sich schweigend in die Augen bis der Ellydre das Schweigen brach.

„Ich liebe meine Schwester, und du hast das Glück das ihr etwas an dir zu liegen scheint, sonst hätte ich dir schon längst dein dummes Maul gestopft.

Ihre Augen haben gesehen was meine sahen, auch wenn sie ihre Erinnerungen hinter einer Fassade aus Heiterkeit versteckt, weiß ich das auch sie diese Nacht nie vergessen wird. Die Nacht in der ihr den Tod über uns gebracht habt.

Aber wenn es dich so sehr interessiert was geschehen ist, frag Lilly. Frag sie ob sie dir ihre Seele öffnet, dann wirst du es sehen. Besser noch, am eigenen Leib erfahren.“

Ohne eine Reaktion von Philipp abzuwarten hob Ooku seine Hand, kleine grüne Pollen schwirrten um seine Finger herum.

Rasch, wie von einem Windzug getragen, drangen sie in die Nasenlöcher seines Gegenübers ein.

Philipp taumelte zurück, versuchte mit der Hand wedelnd die Pollen daran zu hindern, doch es war zu spät. Mit einem Schlag fühlte er sich unendlich schläfrig und ging unsanft auf die Knie.

Ooku blickte von oben auf ihn hinab, sein Kopf legte sich etwas schief, dann wandte er sich ab.

„Genug geplaudert. Gib nun Ruhe und schlafe.“

Philipp wusste gar nicht wie ihm geschah, er spürte seinen Körper nicht mehr, und der Schlaf hatte ihn schneller in die Dunkelheit gezogen bevor er Lillys Bruder für sein Handeln verfluchen konnte.
 

Ihm kam es vor als hätte er noch keine Stunde geschlummert, da öffneten sich Philipps Augen erneut.

Träge stützte er sich auf seinen Ellenbogen ab und ließ den Blick schweifen. Mit diesem Mistkerl hatte er noch ein Hühnchen zu rupfen.

Rasch hatte er ihn gefunden, schlafend, direkt neben Xii und Lilly. Auch Uri schlief tief und fest in der Nähe.

„Hält denn niemand Wache?“

Als Philipp sich aufrappelte warf er einen Blick in den Himmel. Sterne waren keine zu sehen, auch der Mond schien sich hinter den Wolken versteckt zu haben. Es war mitten in der Nacht, und doch konnte er alles um sich herum erkennen.

Irgendwas war komisch, er hörte weder das rascheln der Blätter über ihm, noch die Laute er ansässigen Tiere.

Er ging zu der schlafenden Truppe rüber.

„Hey! Liegt ihr auf euren Ohren?“ Niemand rührte sich, ein Geräusch drang durch das Gestrüpp am Rand ihres kleinen Lagerplatzes. Ein Knurren das ihm durch Mark und Bein ging.

Philipp schreckte hoch und sah wie sich aus den Schatten der Umriss einer Gestalt löste die ihm nur zu bekannt vorkam.

Ein Faulvarul.

„Leute! Aufwachen! Ihr müsst...“, er kam nicht dazu seinen Satz zu beenden. „Vergebene Mühe. Sie können dich nicht hören.“ Ein zweiter Schatten nahm festere Konturen an und trat an der Seite des Faulvaruls auf ihn zu.

Es war die Hexenmeisterin Shorana, sie trug auf ihren Lippen ein kaltes Lächeln.

Zwei kleine Schritte wich Philipp zurück, doch seine Beine gehorchten ihm plötzlich nicht mehr, sie blieben stehen als wären sie mit dem Erdreich verwurzelt.

„Kleines Hühnchen, willst du fortlaufen? Lass dir gesagt sein, es hätte keinen Sinn.“

„Was willst du?“ Ihm fiel schlagartig ein Detail auf, das ebenfalls nicht passte, er roch den Faulvarul nicht. Er roch gar nichts, nicht einmal den Wald.

Langsam, aber stetig kam Shorana näher bis sie nicht einmal eine Armeslänge von ihm entfernt stehen blieb. Nun konnte er die Bemalung um ihre roten Augen herum noch besser sehen, als bei ihrer ersten Begegnung. Schwarz und Matt umschlang die Farbe ihre Augen, es sah aus als wäre sie im feuchten Zustand ihre Wangen hinab gelaufen, oder man hätte sie in drei Strichen nach unten gezogen. Fein säuberlich endeten sie in filigranen Spitzen auf der Hälfte des Weges von ihren Augen zu ihrem Mund.

An ihrer Unterlippe befand sich ein goldener Ring der durch das Fleisch gestochen war. Von ihm aus führten zwei feine Ketten zu beiden Seiten unter ihr wallendes Haar. Vielleicht bis zu ihren Ohren, aber das blieb im Verborgenen.

Shorana kam ihm so vertraut von, er fühlte sich hingezogen zu ihren vollen Lippen, ihren großen Augen, und dem üppigen Busen der sich unter ihrem dunkel rotem Kleid abzeichnete.

Er schluckte schwer und sie grinste, ihre schwarze Zunge glitt langsam über ihre Unterlippe. „Was ist mein Hühnchen? Platzt dir gleich die Hose, so wie du mich an gierst?“ Sie lachte gehässig. „Mein Kuss scheint bei dir ja gehörigen Eindruck hinterlassen zu haben.“

Mit dem spitzen Fingernagel ihres Zeigefingers strich sie ihm über die Wange, bis hin zu seiner Brust. „Deine Seele ist so schwach, dich quält ein alter Schmerz, der dich einfach nicht loslassen kann. Und nun bist du in einer dir fremden Welt, die dir Angst bereitet. Es war ein Leichtes mich in deine Gedanken zu schleichen.“

Ihm gefiel nicht, was sie über ihn zu wissen schien. Über seine Vergangenheit, und den Schmerz eines gebrochenen Herzens der einfach nicht heilen wollte.

„Das macht doch alles gar keinen Sinn! Was willst du ausgerechnet von mir?“

Shorana packte ihn grob am Kragen und zog ihn dicht an sich heran. Er konnte die Wärme ihres Atems auf seiner Haut spüren.

„Mir hat nicht gefallen das deine Freunde hier heute so viele meiner Kleinen getötet haben. Und dann rennt ihr auch einfach so fort. Dabei brauche ich doch die Seele der Ellydre. Nun bieten sich mir gleich Zwei an. Dein Geist ist der einzige der Schwach genug ist ihn zu erreichen.“

„Du musst verrückt sein wenn du glaubst ich überlasse dir Lilly! Du wirst sie niemals bekommen.“

Shorana riss ihre Brauen in die Höhe und brach in schallendes Gelächter aus. „Wie niedlich! Glaubst du, du könntest sie beschützen? Bist du so naiv?“

Seine Fäuste zitterten vor Wut, er wollte sie von sich stoßen, konnte aber keinen Muskel seines Körpers benutzen.

„Was soll all der ganze Mist, du brauchst ihre Seelen? Was hast du vor?“

Ihre Lippen wurden von einem breiten Grinsen überzogen, sie leckte sich mit ihrer schwarzen Zunge über die Lippen und lachte leise. „Du weißt es doch schon. Oder erinnerst du dich nicht mehr an deine Worte von heute? Als ihr darüber sinniert habt was ich wohl im Schilde führen könnte? Bevor du mich wieder mit deinen dummen Fragen löcherst, ich habe dir bei unserer kleinen Begegnung an dem See einen Zauber angeheftet. Ich kann alles was ihr sagt durch deine Ohren hören.“

Philipp gefror vor Schreck das Blut in den Adern.

„Oh, und doch, ich kann sehr wohl was mit ihren Seelen anfangen, das ist kein Irrglaube. Mit ihnen kann ich Morendras meinem Willen unterwerfen. Wenn ich etwas plane, dann informiere ich mich sehr gut darüber.

Nun haben wir aber genug geplaudert, kommen wir zu meinem Anliegen. Selbstverständlich ist mir klar das du deine kleinen Freunde hier nicht freiwillig zu mir bringen wirst, aber ich habe da schon so eine Idee.“

Philipp holte Luft um ihr eine passende Antwort zu geben, da legte sich ihr Zeigefinger schon auf seine Lippen.

„Hier in der Nähe gibt es ein kleines, beschauliches Dorf. Ein belebter Marktplatz auf dem um Waren gefeilscht wird, auf dem Kinder spielen, und die Weiber ihren Tratsch austauschen. Es ist so friedlich dort.

Morgen, wenn der Tag graut werdet ihr euch auf den Weg machen. Sonst werden meine Kleinen hier...“, sie deutete auf den Faulvarul aus dessen Maul grüner Geifer troff, und aus dessen Kehle ein dunkles Knurren drang. „... all die netten Dorfbewohner zum Frühstück verspeisen. Das liegt ganz bei euch. Holt ihr eure Hüterin, werde ich an jedem Tag den ihr braucht, ein weiteres Dorf auslöschen. Das sollte doch Argument genug sein nicht wahr?“

Philipp biss sich auf die Unterlippe, er versuchte seinen Kopf zu bewegen um ihr den verdammten Finger abzubeißen, keiner seiner Muskeln wollte ihm gehorchen, nur seine Lippen gewährten ihm das Sprechen.

„Du bist abscheulich!“

„Ich weiß, mein kleines Hühnchen.“ Shorana trat von ihm zurück und stemmte ihre Hände in die Hüften.

„Tion heißt die nächste Stadt. Kommt dorthin, noch bevor die Stunde zu Mittag schlägt, oder all diese Menschen werden sterben.“ Shorana schnippte mit ihren Fingern und der Faulvarul riss sein gewaltiges Maul auf. Mit einem Satz stürzte er sich auf Philipp und grub seine Zähne in dessen Bein. Er erwachte aus seiner Starre und spürte den Schmerz, er fühlte wie der ätzende Speichel sein Fleisch verbrannte. Durch die Wucht mit der das Biest auf ihn los ging, fiel er zu Boden, verzweifelt versuchte er noch die Kreatur von sich fort zu drücken, doch es war sinnlos.

Die scharfen Klauen schlug es in seinen Brustkorb, schlitzte ihn bis zum Magen auf und trieb seine Fangzähne erneut in sein Bein. Philipp schrie auf vor Schmerzen, er hörte Knochen brechen, er hörte und spürte wie ein Stück Fleisch aus ihm heraus gerissen wurde und er hörte das Gelächter von Shorana.

Das Echo ihres Lachens verfolgte ihn noch als sein Geist sich von seinem schmerzenden Körper loszureißen schien.
 

Unter einem Schrei setzte Philipp sich auf, Schweiß floss an seiner Stirn hinab, sein Atem kam in hektischen Zügen.

Hände wollten nach ihm greifen, panisch schlug er sie fort und kroch rückwärts. Es dauerte einen Moment bis er das besorgte Gesicht vor sich und die Stimmen um ihn herum einordnen konnte.

„Philipp! Beruhige dich. Du hast schlecht geträumt, alles ist gut.“

Lilly lächelte ihm aufmunternd zu und legte ihm eine Hand auf sein wild pochendes Herz. Er fühlte wie es sich langsam wieder beruhigte. Xii und Ooku blickten finster auf ihn herab, letzterer schüttelte den Kopf und wandte sich zum Gehen ab.

„Lasst uns jetzt endlich aufbrechen.“

Lilly seufzte leise und nickte, sie erhob sich in einer geschmeidigen Bewegung. „Philipp, ich habe heute Nacht mit Ooku geredet. Ich werde mit ihm zusammen zur Hüterin fliegen. Xii wird zu Fuß mit dir weiter reisen.

Glaub mir bitte, ich will dich nicht hier zurück lassen, aber mein Bruder hat Recht. Allein schaffen wir das alles nicht, und ich darf nicht so egoistisch sein. Das Wohl unseres ganzen Volkes liegt in unseren Händen.“

Ihr trauriger Blick war gen Boden gerichtet, sie schien nicht glücklich zu sein mit ihrer Entscheidung, hatte aber eingesehen das es das beste war Hilfe zu holen.

Philipp sprang auf die Füße und ergriff ihre Hand, er zog sie fest an sich und packte sie bei den Schultern.

„Nein! Ich... ich hatte einen Traum. Nein, eigentlich war es kein Traum. Lilly hör mir zu. Ihr alle.

Die Hexe Shorana hat mich in meinen Gedanken aufgesucht. Sie sagte zu mir sie wird jeden Tag ein Dorf der Menschen hier in der Gegend auslöschen wenn wir nicht bis heute Mittag nach Tion gegangen sind.

Sie wird damit anfangen alle Menschen dort zu töten wenn wir bis zur Mittagszeit nicht da sind.“

Alle schauten ihn völlig perplex an, Ooku schmunzelte höhnisch und schüttelte den Kopf.

„Nur weil du schlecht geschlafen hast, werden wir sicherlich nicht...“

Xii hob eine Hand und brachte den Ellydren zum schweigen, sie trat ein paar Schritte vor und ein grimmiger Ausdruck überzog ihre sonst auch nicht viel freundlichere Züge.

„Das war kein Traum Ooku, ich spüre eine dunkle Berührung an ihm haften. Sagtest du Tion? Es gibt hier wirklich ganz in der Nähe diese Menschensiedlung.“

Lilly wandte ihren Kopf mit einem Ruck zu Xii und weitete erschrocken die Augen.

„Das konnte Philipp nicht wissen.“ Langsam schaute sie wieder zu Philipp, bevor sie all ihre Fragen gedanklich ordnen konnte, sprudelte er weiter.

„Sie sagte sie hätte mich mit einem Zauber belegt, in der Nacht am See als sie die Gestalt der Nixe angenommen hatte. Nun kann sie alles hören was wir sagen. Sie wusste um unsere Spekulationen und meinte, sie brauch eure Seelen um Morendras zu beherrschen. Scheinbar will sie wirklich... diesen verwunschenen Ort über das ganze Land ausweiten.“

Ooku schlug Philipps Arme fort mit denen er noch immer Lilly an den Schultern gepackt hatte.

„Wenn sie tatsächlich alles hört was wir sagen, dann soll sie ruhig hören das sie uns nicht in ihre plumpe Falle locken kann.“

Lilly wirbelte zu ihm herum und gestikulierte aufgeregt. „Ooku! Diese Menschen sind in Gefahr. Das können wir nicht einfach zulassen. Wir müssen dieses Dorf retten.“

Ihr Bruder schlug sich die Hände vor das Gesicht und biss sich auf die Unterlippe, er konnte nicht glauben was sie da von sich gab. „Bist du noch bei Sinnen? Auf deine Gutmütigkeit hat sie es abgesehen. Lilly, wenn wir keine Hilfe holen und bei der Sache versagen, was glaubst du wird dann all den Menschen die hier wohnen passieren? Wohl genau das Gleiche. Wir können sie nicht retten. Das kostet zu viel Zeit.“

Mit festem Blick trat sie auf ihren Bruder zu und ballte eine Hand zur Faust.

„Nein Ooku. Heute Nacht habe ich mich von dir überreden lassen, weil ich in der letzten Zeit oft genug meinen Kopf durchsetzen wollte, und genau das meist noch mehr Probleme bereitet hatte.

Aber ich lasse all diese unschuldigen Menschen nicht sterben. Wenn wir uns Shorana heute stellen müssen...“

Mit einem Finger deutete sie auf den blauen Himmel über sich, Shorana musste es nicht hören, er würde auch so verstehen was sie meinte. Das Sonnenlicht würde ihnen dieses Mal die nötige Kraft geben.

Xii stellte sich an Ookus Seite und fixierte Lilly mit festem Blick.

„Lilly, Euer Bruder hat Recht! Wir laufen ihr doch geradewegs in die Arme. Das schreit doch nach einer Falle.“

„Dann dürfen wir uns nicht in diese Falle locken lassen, wir sind nicht schutzlos. Dennoch dürfen wir diese Menschen nicht sterben lassen. Bis in den ewigen Hain sind wir fast einen Tag unterwegs wenn wir auf Uri fliegen.

Wenn wir die anderen Ellydren um Hilfe bitten, und angenommen wir ziehen alle zusammen los... bräuchten wir gute drei Tage bis hier her.

Shorana will jeden Tag ein Dorf vernichten, das können wir einfach nicht zulassen. Bitte vertraut mir, ich habe eine Idee.“
 

Mit schwerem Herzen und vieler Worte später, hatten Xii und Ooku nachgegeben, sie stimmten ein sich zum Dorf Tion zu begeben. Ooku hatte Uri eine Nachricht mitgegeben und den Scarsaluc in den ewigen Hain gesandt. Wenn sie versagten, dann war zumindest Hilfe im Anmarsch, und auch wenn nicht mehr viele Ellydren am Leben waren, so hatte Shorana keine Chance gegen sie alle. Hofften sie.

Lange vor Ablaufen der zeitlichen Frist die Shorana ihnen gesetzt hatte, erreichten sie die Hügel, hinter denen das Dorf Tion in einem friedlichen Tal lag. Die Stimmung unter der Gruppe war angespannt, und Xii hatte wieder ihre Fuchsgestalt angenommen.

Bevor sie die Hügel hinauf gingen, pflückte Lilly von einer nahestehenden Kiefer einen Zapfen und nickte Ooku zu. Er tat es ihr gleich, und beide gingen vor ihren gewählten Bäumen auf die Knie. Sie küssten die Wurzeln der Bäume und flüsterten etwas das Philipp nicht verstand.

Fragend blickte er zu Xii, die lediglich den Kopf schüttelte. Sei kratzte sich mit ihrer Pfote am Ohr, und er hatte verstanden.

Die Ellydren bereiteten irgendetwas vor, das Shorana nicht wissen sollte. Ihm war die ganze Zeit mulmig das die Hexenmeisterin durch seine Ohren hören konnte. Hoffentlich las sie nicht auch noch seine Gedanken.

Als die beiden mit ihrem Ritual fertig waren, ging die Gruppe den Hügel hinauf.

Vor ihnen eröffnete sich ein grünes Tal mit Ackern, saftigen Weidegründen und einem Dorf das vielleicht dreißig Häuser zählte. Alle Dächer waren mit Stroh gedeckt, machten auf die Ferne jedoch einen stabilen Eindruck. Für Philipp war es das erste Mal das er ein Dorf dieser Welt aus der Nähe sah, genau so hatte er sich das Mittelalter immer vorgestellt, und auch wenn die Situation vielleicht nicht ganz angemessen war, so staunte er doch nicht schlecht.

Hier und da stieg Rauch auf, als würden schon die Feuerstellen entfacht werden auf denen man das Mittagessen zubereiten wollte.

Xii stellte ihre Ohren auf und ging ein kleines Stück auf dem breiten Trampelpfad voraus. Ihre Stimme erklang in den Köpfen der anderen.

„Mir gefällt das nicht. Menschen sind für gewöhnlich sehr laut, man müsste Bauern bei der Arbeit sehen, das sinnlose plappern und das blöken der Kinder hören. Aber ich vernehme gar nichts.“

Lilly hielt den Zapfen des Baumes fest in ihrer Hand und schluckte, es war ihre Entscheidung gewesen, nun musste sie Rückgrat beweisen. „Dann lasst uns nachsehen was der Grund für diese Stille ist.“

Der breite Pfad führte sie in das kleine Tal, tiefe Rillen hatte der rege Verkehr von Kutschen in den Grund gegraben.

Je weiter sie den ersten Häusern kamen, desto unheimlicher wurde die Stille, ein starker Wind fegte durch das Tal und brachte den Duft der nahen Kornfelder mit sich. Vielleicht trug er auch einen anderen Geruch hinfort.

Die ersten Hütten schienen vollkommen verlassen zu sein, nichts und niemand war auf den Straßen zu sehen. Ihr Weg führte sie eine breite Gasse entlang, hier hatte man sogar Pflastersteine ausgelegt, die alten Scharniere eines Holzschildes des ansässigen Gasthauses quietschten als es vom Wind hin und her geschaukelt wurde.

Um die nächste Häuserecke erwartete sie der Marktplatz.

Der belebte Platz war nicht verlassen.

Der Anblick raubte Philipp die Luft zum Atmen, er hörte neben sich wie Lilly schluchzte und sich die Hände vor das Gesicht schlug, doch ihre Augen bedeckte sie nicht. Niemand konnte seinen Blick von dem was sie auf dem Marktplatz erwartet hatte abwenden.

Kein Videospiel, kein Film den Philipp schon in seinem Leben gesehen hatte kam dem Schrecken nahe der sich ihm hier bot. Hier konnte man nicht einfach den letzten Speicherstand laden und alles wieder rückgängig machen.

Es war ein Bild das sich bis in alle Ewigkeit in sein Gedächtnis brannte.

Ein warmer Sommerwind streichelte das saftig grüne Gras. Es bog sich wiegend hin und her unter der sanften Liebkosung. In dem fruchtbaren Tal lag ruhig und still das Dorf Tion.

Eine Stille die nicht zu dem sonst so lebhaften Ort passte, wo um diese Zeit für üblich reger Handel auf dem Marktplatz getrieben wurde.

Genau dieser Marktplatz lag nun vor den fremden Besuchern, einer Janama, zwei Ellydren und einem Menschen aus einer anderen Welt. Ihre Gesichter waren starr vor Grauen.

Alle Pfade des kleinen Dorfes die sie bestritten hatten, waren menschenleer. Keine Geräusche erfüllten die Luft außer dem Rauschen des Windes. Nun wussten sie wo all die Bewohner geblieben waren.

Auf dem gesamten Platz war kein einziger Pflasterstein mehr zu erkennen, er wurde überall von zerrissenen Körpern verdeckt. Arme und Beine lagen wild verstreut, Dinge die niemand der Besucher erkennen wollte lagen auf den Waren der verschiedenen Verkaufsstände. Blut war in den Rinnsalen zwischen den Steinen getrocknet, und leblose Augen starrten Philipp an.

Ihm drehte sich der Magen herum, doch er konnte den Blick nicht abwenden. Noch nie hatte er solch eine grausame Tat gesehen. Es wirkte als hätte man alle Bewohner hier versammelt, sie in Stücke zerfetzt und auf einen blutigen Haufen geworfen.

Lilly schluchzte laut neben ihm, sie war die erste die aus ihrer Starre erwachte und einige Schritte nach vorn taumelte.

Ihr Bruder Ooku hielt sie an der Schulter fest und ließ seinen Blick über die mit Blut bespritzten Häuserwände gleiten.

„Wir sollten von hier verschwinden.“

Lilly schüttelte den Kopf, Tränen sickerten ihre Wangen hinab. Sie streifte die Hand ihres Bruders ab und ging noch zwei kleine Schritte.

„Shorana hat uns doch gewarnt sie würde die Menschen bis zur Mittagsstunde verschonen. Es ist noch Morgen! Wieso hat sie diese grausige Tat nur begangen?“

Xiis Fuchsschwanz peitschte hin und her, leise fauchte sie vor Wut.

„Shorana ist eine Hexe! Was glaubt Ihr, können wir auf ihre Versprechen geben Lilly? Jedem hier war klar das wir in eine Falle laufen, und wir sollten schnell von hier verschwinden! Seht Ihr nicht wie diese Menschen zugerichtet sind? Die verätzten Stellen an ihren Leibern sprechen Bände. Also lasst uns...“

Xii konnte ihren Satz nicht zu ende bringen, da drang ein gequältes Stöhnen aus der Menge.

Lilly zögerte keinen Augenblick und stürmte nach vorn, leise Flüche verfolgten sie als Ooku und Xii sich darauf vorbereiteten jeden Moment angegriffen zu werden.

Philipp rannte ihnen nur nach, weil er nicht allein und schutzlos sein wollte. Das Grauen wurde noch schlimmer, je näher er ihm kam.

Er erkannte unter den Toten Frauen und Kinder, niemand war verschont geblieben.

Nochmal erklang das gequälte Stöhnen und Lilly entdeckte einen Mann der sich regte. Ihre Füße färbten sich rot als sie durch all das Blut rannte, und sich neben dem Verletzten auf die Knie sinken lies. Behutsam legte sie ihm eine Hand auf den Kopf, er öffnete seine Augen und blinzelte zu der Ellydre auf.

Eines seiner Beine war knapp über dem Knie abgerissen worden, er presste beide Hände auf eine Bauchverletzung aus der noch immer Blut hervor quoll. Er war den Toten schon näher als den Lebenden, dennoch schenkte Lilly ihm ein warmes Lächeln und sprach ihm in sanften Ton zu.

„Bewegt Euch nicht. Ich werde Eure Wunden heilen, und dann bringen wir Euch an einen sicheren Ort.“

Bevor ihre Begleiter Einspruch erheben konnte, sprach der Mann mit kaum vernehmbarer Stimme zu ihr. Seine Hände zitterten und es kostete ihn viel Kraft seine Gedanken in Worten zu formen.

„Sie... sie kamen... und trieben uns wie... Vieh vor... sich her. Alle. Hier her. Dann... stürzten sie sich auf uns.“ Seine Augen weiteten sich vor Schreck und ein heftiger Ruck ging durch seinen Leib bevor er weiter sprach. „Faulvaruls! Aus... der Hölle. Töteten alle... zeigten... keine Gnade.

Die ganze Zeit... hörte man ein Lachen... das einer... Frau. Die ganze Zeit...“

Unter großer Anstrengung gelang es ihm einen Finger zu heben, er deutete eine breite Straße entlang die sich in einer Biegung hinter den Häusern verlor.

„Zogen nach Norden... dort... liegt Larn. Bitte... helft ihnen... bevor... sie... wie... uns...“

Seine Worte brachen ab und der Mann erschlaffte in Lillys Armen. Sie schloss seine Augen und atmete tief durch, doch erneut suchten sich Tränen den Weg an ihren Wangen hinab.

Mit bebenden Schultern erhob sie sich langsam und ließ den Blick über all jene schweifen die an diesem Morgen so sinnlos ihr Leben gelassen hatten. Sie wischte sich die Tränen mit dem Unterarm vom Gesicht und ballte die Hände zu Fäusten, sie sah zu der Straße auf die der sterbende Mann gezeigt hatte.

„Gehen wir.“

Während Ooku noch der Mund offen stehen blieb, so hatte sich Xii bereits an die dummen Aktionen ihrer Freundin gewöhnt, was noch lange nicht heißen würde das sie mit ihnen auch einverstanden war.

„Ooku! Xii! Wir können diese Menschen nicht ihrem Schicksal überlassen! Sie brauchen Hilfe wenn Shorana mit ihren Bestien auf dem Weg dorthin ist. Noch ist es vielleicht nicht zu spät.“

Ihr Bruder machte einen Schritt vor und schüttelte den Kopf während sein Blick über den Marktplatz wanderte. Jeder Muskel an ihm zeugte von großer Anspannung, dann sagte er etwas mit dem wohl niemand gerechnet hatte.

„Mir ist egal was das Schicksal für die Menschen bereit hält, aber ich kann nicht tolerieren das sie ihr Leben so sinnlos verwirken. Shorana will etwas von uns, und tötet nur zum Spaß.

Wenn ich etwas noch weniger leiden kann als die Menschen, ist es das Morden am Vergnügen.

Lasst uns gehen, und ihr zeigen mit wem sie sich angelegt hat.“

Bevor sie den Schauplatz des Grauens verließen verharrte Philipp vor einem Schwert das auf dem Boden lag. Kein Tropfen Blut klebte daran. Es lag weit abseits des Kampfgeschehens. Entweder es wurde von einem fliehenden Feigling fallen gelassen, oder der Besitzer war gar nicht erst dazu gekommen es zu benutzen.

Zögernd hob er das Schwert von den kalten Pflastersteinen auf, hier war sowieso niemand mehr dem es dienen konnte, und so würde er Shorana nicht wieder unbewaffnet entgegen treten. Es war schwer, und er konnte sich nicht vorstellen das er in der Lage war es im Kampf zielsicher zu schwingen. Aber einen Versuch war es wert.
 

Die Gruppe ließ den Ort Tion hinter sich, ihn und sein grausiges Geheimnis. Philipp war der einzige der immer wieder einen Blick zurück warf. Was er dort gesehen hatte, würde er wohl niemals wieder vergessen.

Er fühlte Trauer für all die Menschen und Wut das Shorana ihnen das angetan hatte nur um sie zu sich zu locken. Die Erinnerung an seinen Traum der letzten Nacht wurde plötzlich wieder greifbar nahe, er wusste was diese Leute in ihren letzten Minuten durchlebt hatten. Wie es war wenn sich die Klauen dieser Bestien in das Fleisch gruben und ihr ätzender Speichel die Haut zerfraß.

Ein eisiger Schauer ließ ihn frösteln, er beschloss wieder seinen Blick nach vorn zu richten.

Es dauerte nicht lang da ließen sie die fruchtbaren Täler hinter sich zurück und blickten den steilen Klippen einer engen Klamm entgegen.

Nach Rechts und Links war kein weiterer Weg durch das Bergmassiv zu sehen, die Faulvaruls mussten also durch diese Klamm weiter gegangen sein.

Niemandem wahr wohl dabei diesen Weg zu beschreiten, aber wenn sie den Tod aufhalten wollten, den die Hexe Shorana den Menschen sandte, so mussten sie es wagen.

Mit klopfenden Herzen ließen sie sich von den steilen Hängen umarmen und betraten den schmalen Pfad, der nur einen Meter breiter war als die Fahrrinne der Handelskarren die sich in den Boden gegraben hatte.

Links von ihnen befand sich die glatte Felswand an der kleine Rinnsale aus Wasser hinab liefen. Zu ihrer Rechten fiel der Pfad steil ab und einige Meter unter ihnen führte ein Bach hindurch, dessen Rauschen fast jedes andere Geräusch das sie von sich gaben, übertönte.

Philipp dachte daran dass das Tal ein idyllischer Platz zum Leben gewesen sein musste. Der kleine Bach verließ das Bergmassiv und bildete viele kleine Bachläufe die sich durch die Wiesen schlängelten. Er schluckte und versuchte das Echo des Bildes von Tions Marktplatz aus seinen Gedanken zu verbannen.

„Dieser Weg sieht mir nicht so sicher aus. Ich kann mir kaum vorstellen, würde ich die Radspuren nicht sehen, das dies hier eine Handelsroute ist.“

Xii zuckte mit den Schultern und warf einen Blick hinab in den kleinen Bach der immer mehr an Fliesgeschwindigkeit zu zunehmen schien.

„Die Menschen hier haben vielleicht keine andere Wahl. Man nimmt den ein oder anderen Unfall in Kauf wenn das Gold lockt.“

Als er die fauligen Bretter auf einem Stein unten an dem Lauf des Baches erkannte, verstand er was sie meinte. Hier war sicherlich schon die ein oder andere Kutsche samt Hab und Gut in die Tiefe gestürzt.

Nachdem sie einige Minuten den schmalen Pfad entlang gegangen waren wurde er auch schon ein wenig breiter und sie konnten in einigen Metern Entfernung eine stabile Holzbrücke erkennen. Es war nicht das einzige was sie sahen.

Der Pfad schlängelte sich aufwärts durch das Gestein und sie konnten in der Ferne die bekannten Silouetten deutlich erkennen. Faulvaruls.

Wie erstarrt blieb die Gruppe stehen und Xii legte ihren pelzigen Finger an die Lippen. Jetzt musste ein Plan her, und zwar rasch. So schnell sie konnten huschten sie den Pfad entlang und gingen hinter einer Biegung in Deckung, sie hatten Glück denn die Faulvaruls entdeckten sie nicht.

Philipp drückte sich flach an die feuchte Wand und kaltes Wasser tropfte in seinen Nacken. Tiefe Falten überzogen seine Stirn.

„Ist euch aufgefallen wie langsam sie gehen? Sie scheinen es nicht eilig zu haben.“

Ooku warf ihm einen finsteren Blick zu, er machte eine wegwerfende Handbewegung und stieß genervt seinen Atem durch die Nasenlöcher aus. „Was tut das zur Sache du Narr? Sie haben ein ganzes Dorf ausgerottet, da liegt es vielleicht nahe das sie erschöpft sind. Viel mehr sollten wir überlegen wie wir die Gelegenheit nutzen um ihnen in den Rücken zu fallen.“

Lilly rieb sich nachdenklich das Kinn und blickte an den steilen Felswänden hinauf. Es gab kein Efeu oder eine andere Pflanze deren Hilf sie erbitten könnte um sie vielleicht in die Höhe zu ziehen. Dazu war sie viel zu feucht und rutschig um daran hinauf zu klettern.

„Wir können sie nicht überrumpeln. Alles was wir machen können ist, uns zügig anzupirschen und hoffen das sie sich nicht all zu früh umdrehen. Wobei ich nicht weiß wie gut der Geruchssinn von Faulvaruls ist, und ob sie uns nicht vorher wahr nehmen.“

Philipp warf vorsichtig einen Blick um die Kurve und sah das die Kreaturen aus den Sümpfen der Verbannten langsam voran trotteten. Sein Augenmerk richtete sich auf die stabile Holzbrücke.

„Die Brücke! Wenn ihr doch Pflanzen befehligen könnt, lasst sie... ich weiß nicht. Einzustürzen? Sie ist doch aus Holz“

Lilly senkte den Blick und schüttelte den Kopf.

„Wir können sie nicht befehligen, wir können ihre Hilfe erbitten. Aber das können wir nur von etwas das noch lebt. Den Bäumen die für diese Brücke genutzt wurden, wurde ihr Leben genommen.“

Xii rümpfte ihre Nase und ballte eine Hand zur Faust.

„Schluss mit dem Geschwätz. Wir haben keine Wahl. Nach oben können wir nicht, und unten lauert eine reißende Strömung. Wir müssen ihnen so schnell es geht in den Rücken fallen, wenn wir warten bis sie außer Sichtweite sind, dauert es ewig bis wir sie eingeholt haben.

Habt ihr gesehen wie weit geradeaus der Pfad führt? Mein Vorschlag ist, da ich die Schnellste von allen bin, das ich vor renne. Dann falle ich ihnen in den Rücken, und ihr lauft mir einfach so schnell und leise ihr könnt hinterher.“

Ooku knirschte nachdenklich mit den Zähnen, der Plan gefiel ihm ganz und gar nicht, aber hatte er einen besseren? Wütend musste er sich eingestehen das er keinen hatte.

Da Xii keine Einwände vernahm, und jeder versuchte einen besseren Vorschlag zu finden, von dem sie wusste das es keinen gab, hüllte sie ihren Körper in bläulichen Nebel und nahm wieder ihre Gestalt als Fuchs an.

Ihre Stimme ertönte in den Köpfen der anderen.

„Genug gewartet! Wir müssen handeln!“ Ohne auf eine Antwort zu warten sprintete sie um die Kurve, sie musste sich beeilen, bevor die Kreaturen sie wahr nehmen konnten.

Der Rest der Gruppe fluchte leise, nun gab es kein Zurück mehr, sie mussten ebenfalls los rennen um Xii beistehen zu können. So schnell sie konnten rannten sie zusammen los und kamen schon nach wenigen Schritten abrupt zum Stillstand. Fast währen sie in Xii hinein gerannt. Bevor jemand fragen konnte wieso sie mitten auf dem Pfad wie angewurzelt stehen blieb, erkannten sie es selbst.

Die Faulvaruls waren verschwunden. Einfach vom Erdboden verschluckt.

Philipp suchte hektisch die Umgebung ab, sie konnten doch nicht einfach fort sein! Die Steilwände hinauf würden sie selbst mit ihren langen Klauen nicht klettern können. Auch wenn sie in den reißenden Fluss gesprungen wären, und es überlebten, so gab es keine Möglichkeit für sie wieder von dort unten hinauf zu kommen.

„Wie ist das möglich?“

Ooku knirschte mit den Zähnen und ließ seinen Blick ebenfalls hin und her schweifen, aber die Kreaturen blieben verschollen. „Sie müssen uns gesehen haben!“

Xii zog ihre Stirn in Falten und ging mit langsamen Schritten vorwärts. „Selbst wenn du Recht hast, wo sind sie geblieben? Es sind Wesen der Unterwelt, aber soweit ich weiß, niedere Diener ohne magische Eigenschaften.“

„Vielleicht wissen wir weniger über sie als uns lieb ist Xii, was wenn sie sich tarnen können?“ Lilly knabberte sich nervös auf der Unterlippe herum und ging ebenfalls ein paar vorsichtige Schritte weiter.

Ooku drängte sich an ihnen vorbei und übernahm die Spitze der kleinen Gruppe. „Gehen wir weiter. Wenn wir umkehren können sie uns in den Rücken fallen. Es gibt keinen anderen Weg hier raus. Seid wachsam das wir nicht in ihre plumpe Falle hinein laufen. Selbst wenn sie getarnt irgendwo auf uns lauern, ihr Geruch wird sie verraten. Und dann haben wir noch immer ein Ass im Ärmel.“

Feste legte sich seine Hand um den Kiefernzapfen. Den Zapfen den er von einem Baum direkt vor dem Ort Tion gepflückt hatte. Auch wenn er ihn nicht gerne verwendete, würden es die Umstände verlangen, kam ein Hadern nicht infrage.

Mit bedachten Schritten gingen sie den Pfad entlang, Philipp bildete das Schlusslicht, und warf immer wieder einen Blick zurück falls sich doch noch etwas hinter ihnen nähern sollte.

Als sie die breite, massive Holzbrücke erreichten, warf Lilly einen prüfenden Blick in die Tiefe. Spitze Felsen ragten aus dem Fluss empor und man musste schon Glück haben, wenn man es denn in Erwägung zog hinein zu springen, nicht von ihnen aufgespießt zu werden oder zumindest beim davon treiben an ihnen zu zerschellen. Hier hatten sie die Faulvaruls zuletzt gesehen, aber es war wohl eher unwahrscheinlich das sie hinab gesprungen waren.

Xii reckte die Nase in die Luft und begann leise zu knurren, es war ganz schwach zu vernehmen, aber ihre Nase hatte sie nur selten belogen. „Ihr Gestank liegt in der Luft. Er ist nicht stark, aber ich habe keinen Zweifel.“

„Wir haben sie auch vorhin hier gesehen, du weißt doch wie intensiv der Verwesungsgeruch von ihnen ist. Er wird vielleicht noch immer in der Luft liegen...“ Ooku bereute seinen Irrtum nachdem er ein paar wenige Schritte weiter gegangen war. Nun konnte auch er den unverwechselbaren Gestank deutlich wahr nehmen.

Ein grausiges Scharben übertöne das Rauschen des Flusses. Krallen die über die Bretter der Brücke kratzten.

Bevor auch nur einer unserer Truppe verstehen konnte was gerade geschah, schlug direkt rechts von Lillys Fuß eine Klaue in das Holz der Brücke. Unter einem erstickten Aufschrei hüpfte sie zur Seite und starrte in zwei leuchtend rote Augenhöhlen.

Von allen Seiten her zogen sich Faulvaruls unter der Brücke hervor und leckten sich erwartungsvoll den giftigen Speichel über ihre Mäuler.

„Verdammt! Sie müssen sich mit ihren Krallen unter der Brücke festgehalten, und auf uns gewartet haben!“

Ooku fackelte nicht lange bis sich alle Faulvaruls an den Brückenrändern hinauf gezogen hatten. Er streckte die Hand aus und rief einen knappen Befehl. Ein heftiger Windstoß wirbelte von seiner Hand aus auf zwei der Kreaturen zu und stieß sie zurück. Sie fanden keine Zeit mehr sich fest zu halten, schon hatte die Böe sie hinab in die Tiefe befördert. Ein greller Aufschrei ertönte bevor das Wasser sie mit sich von dannen riss.

Xii verwandelte sich in ihre menschliche Form und brannte einem weiteren Angreifer mit ihrem blauen, magischen Feuer das Fleisch von den Knochen.

Jeder von ihnen kämpfte gegen den Brechreiz an den der faulige Gestank dieser Kreaturen mit sich brachte, Philipp versuchte durch den Mund zu atmen, aber selbst dabei wurde ihm speiübel. Mit aller Kraft hob er sein geborgtes Schwert an, jetzt musste es nur noch den Faulvarul treffen der sich hinter ihm bereit machte und den Knochenkamm an seiner Kehle zum klackern brachte. Ein Geräusch das immer wieder sein Blut gefrieren ließ.

Das Wesen stieß einen keckernden Laut aus, so als ob es ihn auslachen würde. Es leckte sich über die grünen Fänge und preschte voran. Philipp schlug sein Herz bis zum Hals, er versuchte einen festen Stand zu finden und schwang das Schwert über seine Schulter.

Doch noch bevor der Faulvarul ihn erreicht hatte, schossen an dem Gesichtsfeld des Menschen dünne Ranken vorbei. An ihren Enden spalteten sie sich auf und umfassten den gesamten Kopf des Varuls. Wütend kreischte er auf und versuchte durch Schläge seiner Fänge die Ranken zu durchtrennen.

Philipp warf einen Blick über seine Schulter und erblickte Lilly die mit ausgestrecktem Arm auf den Faulvarul deutete. Nun erkannte er die Ranken wieder, es waren jene, die sich immerzu um ihre Hände, Arme und Beine geschlängelt hatten. Der Mensch hatte sie lediglich als Dekoration angesehen, bis er eines besseren belehrt wurde.

Die sonst so feinen Ranken waren viel dicker geworden und bildeten einen dichten Strang mit der sie den Faulvarul in ihrer Gewalt hielt. Mit ihrer Freien Hand stabilisierte sie ihren überwucherten Arm und schleuderte ihn zur Seite.

Der Faulvarul schrie wütend auf als seine Füße den Boden verloren, erst als sich unter ihm nur noch das tosende Wasser befand lösten sich die Schlingen um sein Gesicht und er fiel hinab.

Sein Schrei erstickte als man das Brechen seiner Knochen an einem der spitzen Steine hören konnte.

„Philipp! Ist alles in Ordnung?“ Lillys Brust hob und senkte sich unter tiefen Atemzügen als sie ihn besorgt betrachtete.

Von einer Frau gerettet... Der junge Mann ließ die Schwertspitze sinken als er erkannte das keine Faulvaruls mehr übrig waren. Seine Begleiter hatten sie alle unschädlich gemacht, ohne das er seinen Beitrag hatte leisten können. Er kam sich so nutzlos vor. Sonst war doch er immer der große Held in den unzähligen Videospielen gewesen. Er war es, der unter seinen Freunden immer auf Platz Eins war, ungeschlagen.

Doch in der Realität zeigte sich wohl das all die Zeit die er vor dem Computer verbracht hatte nutzlos gewesen war.

„Philipp?!“

„Ja, schon gut. Mit mir ist alles in Ordnung.“

Xii und Ooku lauerten noch immer in Angriffsposition, sie trauten der Stille um sich herum nicht. Ooku ging an den Rand der Brücke, der widerwärtige Gestank war verschwunden. Dennoch wollte er nichts dem Zufall überlassen und hangelte sich an dem Geländer hinunter.

„Hier ist niemand mehr, wir haben sie wirklich alle besiegt!“

Xii ging ein paar Schritte die Brücke entlang und starrte in den schmalen Streifen des Himmels hinauf, der durch die engen Felswände zu sehen war. Wie angespannt sie wirklich war, konnte man daran erkennen wie ihr flauschiger Schwanz immer hin und her zuckte.

„Das war zu einfach. Die Falle zu plump. Ich kann mir nicht helfen aber ich traue dem ganzen irgendwie nicht.“

Als hätte jemand nur auf ihre skeptischen Worte gewartet, erfüllte ein dunkles Gelächter die Klamm, dazu wurde es von spöttischem Applaus begleitet. Alle Köpfe reckten sich in die Höhe, eine Frau trat dicht an den Rand der Klippe und blickte auf die Truppe hinab. Noch immer lachte sie höhnisch.

„Shorana!“

„Einem schönen Schauspiel durfte ich da beiwohnen. Wirklich unterhaltsam. Schade nur das ich dafür ein paar meiner kleinen süßen Babys opfern musste. Nun gut, so sei es. Jeder Zeit kann ich neue kleine Schätzchen zu mir rufen.“

In Shoranas rechter Hand verweilte der Stab Morendras, spielerisch drehte sie ihn in ihrer Handfläche immer wieder im Kreis. Ookus Augen verengten sich vor Zorn, das Heiligste seines Volkes in ihren Fingern zu sehen machte ihn rasend. Noch viel schlimmer war der Gedanke daran das sie ihn für ihre dunklen Machenschaften ausnutzen wollte.

„Du verdammte Hexe! Wer gibt dir das Recht das älteste Relikt unseres Volkes zu stehlen? Gib ihn uns sofort zurück. Du kannst seine Macht sowieso nicht heraufbeschwören.“

„Um eines direkt klar zu stellen kleines Waldwesen, ich bin keine Hexe, sondern eine Hexenmeisterin. Zudem muss ich dich weiter belehren das ich sehr wohl etwas mit eurem kleinen Stöckchen hier anfangen kann.“

Ihre Lippen verzogen sich zu einem grausamen Grinsen.

„Alles was ich dafür brauche ist die Seele einer Ellydren. Je mehr, desto besser. Eigentlich sollte ich mich wohl bei dir bedanken das du freiwillig zu mir gekommen bist, das erspart mir die Mühe noch mehr von euch aus dem ewigen Hain zu locken.

Euch brauche ich auch nur im ersten Moment lebend, bis Morendras hier eure Seele absorbiert hat. Dann seid ihr nichts mehr als eine Hülle und euer Körper stirbt. Hat mir mein Freund hier verraten.“

Sie klopfte auf einen Lederbeutel den sie sich über die Schulter gehangen hatte. Was sich dort drin befinden könnte war aufgrund der Entfernung nicht auszumachen.

Lilly wich ein paar Schritte zurück, ihr Gesicht wurde weiß wie frischer Schnee. Für das Volk der Ellydren gab es unter natürlichen Umständen keinen endgültigen Tod, wenn die eigene Lebenszeit zu ende war, übergab man seinen Leib dem Symbionten, man starb nicht, sondern wechselte in eine andere Art des Daseins. Wenn dann irgendwann auch die Kraft des Symbionten verbraucht war und die Pflanze oder der Baum zu Grunde ging, entstand aus dessen Samen wieder neues Leben. Es war ein ewiger Kreislauf der niemals endete. Wenn aber ein Ellydre gewaltsam ums Leben kam, oder man ihn seiner Seele beraubte, war er für immer verloren. Man verschwand einfach, ohne Möglichkeit der Rückkehr.

Das war die schlimmste Vorstellung für einen Ellydren, das man von dieser Welt ging, allein, ohne den Zauber des neuen Lebens schenken zu können.

Lilly ballte ihre kleinen Hände zu Fäusten und trat wieder einen Schritt nach vorn.

„Shorana hör doch auf mit diesem Wahnsinn! Du willst die Sümpfe der Verbannten über das ganze Land ausbreiten? Willst du das wirklich? An diesem dunklen Ort können die Menschen nicht überleben. Irgendwann wärst du ganz allein.

Niemand mit dem du Reden könntest würde noch existieren.

Alles Leben, was sich den Sümpfen nicht anpassen kann, stirbt. Das gesamte Gleichgewicht der Welt würde auseinander brechen.“

Die Antwort auf ihre kleine Predigt bestand lediglich aus einem höhnischen Gelächter. Shorana hob einen Arm und warf einen Blick über ihre Schulter. „Flammenwächter! Holt sie euch!“

In dem Augenblick als sich ihr Arm nieder senkte, prasselten kleine Geröllbrocken hinab in die Tiefe. Ein lautes Donnern übertönte das Rauschen des Flusses und der Himmel verdunkelte sich.

Ein riesiger Fels stürzte hinab in die Tiefe und prallte abwechselnd rechts und links an den rutschigen Steilwänden ab.

Xii stürzte nach vorn, sie musste Lilly beschützen! Eine Hand packte in letzter Sekunde ihren Oberarm und riss Xii grob nach hinten.

„Ooku! Lasst mich los verdammt!“ Doch der Ellydren dachte nicht daran und zerrte sie ein gutes Stück zurück. Es ertönte ein gewaltiger Knall als der Felsbrocken auf die Brücke stürzte und die massiven Bretter ohne Mühe zerschlug.

Holzsplitter stoben in alle Richtungen und regneten einen Augenblick später auf alle Anwesenden nieder. Eine Wasserfontäne schoss in die Höhe, wo vor wenigen Sekunden noch die Brücke als Übergang durch die schmale Klamm gedient hatte.

Xii ließ den Arm langsam sinken den sie als Schutz über ihre Augen gelegt hatte. Sie blinzelte einige Male, ihr Herz schlug wie verrückt als sie versuchte etwas durch den feinen Sprühnebel zu erkennen. Das entstandene Loch war enorm und ihr wurde bewusst das Ooku ihr wahrscheinlich gerade das Leben gerettet hatte, diese Distanz hätte sie nicht überwinden können. Zum Glück waren die Stützstreben des Brückenteiles unbeschädigt geblieben auf dem sie standen, sonst wären sie mit in die Tiefe gerissen worden. Dennoch verfluchte sie ihn, ihre Aufgabe war Lilly zu beschützen, und dabei war sie gescheitert.

Der feine Wasserdunst legte sich und etwas regte sich auf der anderen Seite. Xii stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus als sie sah das Lilly und Philipp sich hinter der Brücke auf festem Boden, in Sicherheit hatten bringen können.

Die Ellydre erhob sich mit wackeligen Knien, neben ihr kam auch langsam der Mensch auf die Beine.

Zeit zum durchatmen blieb ihnen keine, schon verdeckten weitere Schatten den Himmel. Unter Shoranas Gelächter stürzten sich Wesen von den Steilhängen in die Tiefe die Lilly noch nie gesehen hatte.

Ihre Körper waren von langer, schmaler Gestalt, ähnlich der einer Schlange, nur das sie auf jeder Seite drei Beine besaßen. Den Sprung, den sie in die Tiefe vollführten, bremsten sie in letzter Sekunde ab, indem sie ihre vorderen Beine zur Seite streckten und lederne Segel zum Vorschein kamen. Philipp hatte den absurden Gedanken das sie wie chinesische Drachen aussahen deren Vorfahren ein Verhältnis mit Flughörnchen gehabt haben mussten. Als zwei dieser Kreaturen vor ihnen landeten und ihn aus ihren grünen Reptilienaugen anstarrten, fand er das ganz nicht mehr so amüsant.

Erst jetzt, wo er sie aus der Nähe sah, fiel ihm auf das die leuchtend rote Musterung ihrer Haut, keine Musterung war. Venen pulsierten unter der bräunlichen Haut und schienen kein Blut zu transportieren, sondern kochend heiße Lava. Zäh floss die rote Flüssigkeit deutlich sichtbar durch ihren langen Körper der mit Sicherheit gute Sechs Meter maß.

Obwohl sie noch sehr weit von ihnen fort standen, konnte er die Hitze spüren die von ihnen ausging.

Er bemerkte das auch auf der anderen Seite bei Xii und Ooku ebenfalls Kreaturen landeten. Ganze Sechs an der Zahl.

Lilly umschloss mit ihren Fingern noch fester den Kiefernzapfen in ihrer Hand, sie hob den Kopf zu Shorana die noch immer am oberen Rand des Felshanges stand und amüsiert zu ihnen hinab blickte.

„Shorana! Lass bitte meine Freunde gehen. Du kannst meine Seele haben. Aber dafür musst du mir versprechen die anderen gehen zu lassen.“ Die Ellydre erntete viele ungläubige Blicke, Shorana aber konnte nur müde lächeln.

Die Hexenmeisterin sprang in die Tiefe und sprach einen raschen Zauber. Ihr Körper schien transparent und dunkel zu werden, ganz als ob sie zu einem Schatten ihrer selbst wurde.

Direkt hinter den beiden Kreaturen kam sie auf dem Boden auf. Indem sie tief in die Knie ging, federte sie den Sprung ab. Kleine Splitter und Staub wurden aufgewirbelt, die Erschütterung war immens, und doch schien Shorana sich nicht verletzt zu haben.

Mit einem breiten Grinsen auf den Zügen erhob sie sich in einer geschmeidigen Bewegung. Ihre Gestalt wurde wieder fester und kehrte in ihre Ursprüngliche Form zurück.

„Naives kleines Wesen. Hast du in deinen hübschen Wäldern etwa zu viel der falschen Pilze gegessen? Dein dummer Vorschlag macht doch keinen Sinn.“

Die Hexenmeisterin leckte sich mit ihrer schwarzen Zunge über die Lippen, die kleinen Goldketten die an einem feinen Ring in ihrer Unterlippe befestigt waren, klimperten bei der Bewegung.

Philipp jagte ihr Blick einen kalten Schauer über den Rücken, sehr genau konnte er sich noch an die eisige Berührung der letzten Nacht erinnern.

„Ich werde alle die ich nicht benötige töten, und mir dann von dir und deinem Bruder einfach holen was ich brauche. Verhandlungen habe ich nicht nötig.“

Lilly schloss ihre Augen, ihr war selbst bewusst gewesen wie dumm ihr Versuch gewesen war, und das Shorana niemals auf ihren Vorschlag eingehen würde, aber es hatte ihr genug Zeit eingebracht ihre Magie zu bündeln.

Ihre Knie gaben nach und die ging vor der Hexenmeisterin auf die Knie. Beide Hände legte sie auf den Boden, wölbte sie über den Zapfen in ihrer Hand und legte die Stirn darauf ab.

„Shorana. Bitte. Ich flehe euch an... tut das dieser Welt nicht an. Denkt doch einmal an die vielen unschuldigen Seelen die durch euch den Tod finden würden.“

Philipp machte es wütend sie in solch unterwürfiger Pose zu sehen, was dachte sie sich bloß dabei? Shoranas Stimme schnarrte dunkel als würde sie den Anblick der verzweifelten Ellydre genießen.

„Oh, daran denke ich fast ununterbrochen. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie sehr ich es genießen werde in ihrem Blut zu baden! Ihre Schreie werden Musik in meinen Ohren sein. Mit solchen Worten erreichst du gar nichts.“

Shorana hielt inne, sie bemerkte das Lilly ganz leise flüsterte und plötzlich begann etwas unter ihren Händen zu glimmen.

Sie bleckte ihre Zähne und durchschaute die Farce viel zu spät, mit dem Stab Morendras deutete sie auf die am Boden kniende Ellydre und brüllte den Kreaturen zu, sie sollten sie in Stücke reißen, aber noch genug an ihr dran lassen das sie überlebte.

Fest packte Philipp den Griff seines Schwertes mit beiden Händen als ihre Gegner zum Angriff über gingen, noch einmal würde er nicht versagen. Auch wenn er keine Ahnung hatte von dem was Lilly da tat, er wollte ihr genug Zeit verschaffen es zu Ende zu bringen.

Die zwei schlangenähnlichen Wesen bewegten sich auf ihren kurzen Beinen rasch vorwärts und hatten die Ellydre fest als Ziel anvisiert. Mit einem langen Ausfallschritt nach vorn ließ Philipp das Schwert nieder gehen, die eine Kreatur bemerkte ihn noch gerade rechtzeitig und brachte sich mit einem Sprung zur Seite in Sicherheit, dabei rempelte es gegen die zweite Kreatur.

Sie öffneten ihre Mäuler und stießen ein drohendes Fauchen aus, ihre Köpfe zogen sie weit ein und ihre Kehlen blähten sich wie bei einem Frosch binnen Sekunden auf. Eine rote Flüssigkeit stieg in der Blase an und begann zu leuchten. Philipp konnte die Hitze spüren die ihm entgegen schlug.

Noch bevor sie ihren Angriff zu Ende führen konnten, begann der Boden unter ihren Füßen zu beben, das schwache Leuchten unter Lillys Händen entlud sich in einem grünen Lichtstrom der in die Höhe schoss und sich immer weiter ausbreitete bis er die Ellydre komplett eingehüllt hatte. Sie sprang auf und trat einige Schritte zurück.

Aus dem Zapfen den sie mit sich getragen hatte brachen von allen Seiten Äste hervor die sich windend und drehend immer schneller verformten.

Die beiden Wesen der Unterwelt wirbelten mit ihren Köpfen zu dem Lichtstrahl herum und blähten die mit Magma gefüllte Blase noch weiter auf.

„Na los! Macht schon ihr dämlichen Biester!“ Shorana wurde zum ersten Mal wirklich wütend, der Zorn entstellte ihr Gesicht zu einer hässlichen Fratze. Ihre Diener zögerten nicht länger und warfen ihre eingezogenen Köpfe nach vorn. Aus ihrem Maul schoss ein kochend heißer Ball aus Lava der mit tausend Funken an der grünen Lichtsäule zerbarst.

Shorana konnte nicht glauben was sie sah, die Bälle verpufften wie nichts und aus dem Zapfen wuchs ein riesiger Baum empor. Die Magie der Ellydren war ihr gänzlich unbekannt, dennoch wollte sie kein Risiko eingehen. Sie hob ihre Hand und streckte sie in Richtung des neu gewachsenen Baumes aus. Ein violettes Feuer bildete sich um ihre Finger und züngelte um ihre Hand, doch auch Lilly war nicht bereit ihren Gegner noch einmal zu unterschätzen.

Mit beiden Händen entfachte sie einen mächtigen Windstoß der Shorana und ihre beiden Kreaturen nach hinten taumeln ließ. Keine Sekunde zu früh vollzog sich ihr Zauber und der Baum begann zu schwanken.

Philipp hätte fast sein Schwert fallen lassen als er sah das aus dem dicken Stamm zu beiden Seiten Arme und Beine heraus brachen. Ein dunkles Stöhnen war zu hören und etliche Blätter fielen auf das feuchte Holz der Brücke nieder.

Die Rinde platzte an einer Stelle auf und enthüllte ein Gesicht.

„Lilly! Was ist das? Ein Treant?“

Mit einem Lächeln der Zuversicht auf den Lippen schüttelte sie den Kopf und betrachtete das schwindende grüne Licht um den Baumriesen.

„Nein, das ist die Seele des Baumes von dem ich den Zapfen lieh. Er hat mein Gebet erhört und will uns helfen.“

Ihr Helfer schien auch nicht lange zögern zu wollen und schlug mit einem seiner massiven Arme auf den Flammenwächter ein der ihm am nächsten stand. Bei dem Aufschlag auf den felsigen Boden begann alles zu beben.

Seine Angriffe waren kraftvoll und zerstörerisch, doch leider etwas zu langsam für die flinken Wesen der Unterwelt. Geschickt wichen sie seinen Armen aus und versuchten seine Verteidigung zu durchbrechen.

Philipp konnte auf der anderen Seite der Brücke, wo Xii und Ooku sich befanden ebenfalls eine Säule aus grünem Licht erkennen, hier und da blitzten blaue Feuerbälle auf wenn die Janama zum Angriff über ging. Ihm blieb nur zu hoffen das sie mit sechs der Flammenwächter fertig werden würden.

Ein weiterer Schlag auf den Erdboden brachte alle zum Schwanken, einer der Flammenwächter schoss an dem Arm der Baumseele vorüber und schlängelte sich um sein Bein. In windeseile hatte er es geschafft an der Rinde hinauf zu klettern und krallte sich nun mit aller Macht an dessen Rücken fest. Wieder warf der Flammenwächter seinen Kopf in den Nacken und blähte seine Kehle auf wo sich sogleich heißes Magma bildete.

Das riesige Ungetüm war schneller als gedacht und schnappte sich die Echse auf seinem Rücken. Eine Pranke aus Wurzeln schloss sich um den schlanken Körper, mit einem festen Ruck riss er ihn fort, unkontrolliert quoll Magma aus seinem Mund und ergoss sich über den Rücken der Baumseele.

In den Geruch von brennendem Holz mischte sich ein gequälter Aufschrei, voller Zorn schleuderte er den Flammenwächter vor sich auf den Boden und zermalmte dessen Körper mit seiner gewaltigen Hand.

Shorana hob ihre beiden Hände, violette Flammen züngelten um sie herum. Mit einem Finger deutete sie auf Lilly und Flammenball schoss auf die Ellydren zu. Nur knapp wich sie dem Angriff aus, das Feuer streifte ihre Schulter und verbrannte ihre Haut.

Auf den Zügen der Hexenmeisterin bildete sich ein Grinsen, sie zeigte mit ihrer zweiten Hand auf die Baumseele und schleuderte auch auf ihn einen violetten Flammenball.

Dieser kämpfte noch immer mit dem zweiten Flammenwächter, die heiße Lava die auf seinen Rücken getropft war brannte sich immer mehr in seine Rinde ein und entzündete die mit Blättern bewährten Äste. Shoranas Feuer konnte er nicht mehr ausweichen und wurde von seiner gesamten Kraft getroffen. Taumelnd ging ein einige Schritte zurück, Funken stoben in alle Richtungen und sein gesamter Körper ging in Flammen auf.

Seine dunklen Schreie bohrten sich Philipp durch Mark und Bein, denn auch wenn sein Untergang bereits besiegelt war, gab die Baumseele nicht auf und stolperte so schnell er konnte nach vorn.

„Nein! Hör auf! Ich gebe dich wieder frei. Kehre zurück zu deinem Platz, vor dem Dorf Tion!“

Lilly lief ihm nach, verzweifelt versuchte sie die Baumseele zu befehligen, sie wollte nicht das er sein Leben her gab. Aber es war, wie sie es Philipp erklärt hatte, sie befahl nicht, sie bat, und ihre Bitte wurde nicht erhört.

Der letzte Flammenwächter spie eine weitere Kugel aus Lava auf den brennenden Giganten. Eines seiner Beine pulverisierte bei dem Angriff und heiße Funken flogen in alle Richtungen.

Er stürzte, konnte seinen Fall aber noch so weit kontrollieren das sein Körper den Flammenwächter unter sich begrub. Das Wesen war zu langsam um ihm ausweichen zu können, es gab einen letzten Aufschrei von sich bevor jeder Knochen in seinem Leib zerbrach.
 

Auf der Seite wo Xii und Ooku mit einer Überzahl an Flammenwächtern zu kämpfen hatten, sah es bisher gut für unsere Freunde aus. Zwei Gegner waren bereits ausgeschaltet, nun aber schwanden langsam die Kräfte der Baumseele weil er so weit fort seines Körpers war.

Ooku beschwor einen Schwarm faustgroßer Stechmücken herauf die über einen Flammenwächter her fielen und ihn lange genug ablenkten das er ihm einen heftigen Windstoß entgegen werfen konnte. Das Wesen fiel kreischend in die Tiefe.

Neben ihm explodierte ein Feuerball und ein Schrei gellte durch die Klamm.

Xii hatte die kommende Attacke mit einem ihrer magischen Flammenbälle kontern wollen, doch der Aufprall ließ nun einen Glutregen auf sie nieder gehen. Mit ein paar schnellen Schritten zurück wich sie dem Regen aus, ihr Angreifer nutzte die Gelegenheit und stürmte auf sie zu.

Mit seinem Schädel voran rammte er die Janama in die Magengrube und stieß sie zu Boden. Tausend Lichter tanzten vor ihren Augen, ihr ganzer Körper war gelähmt von einer Agonie der Schmerzen.

Der Flammenwächter sprang auf sie, grub seine Klauen in ihr Fleisch. Weit riss er sein Maul auf, warf ihr seinen glühend heißen Atem entgegen, bereit sie im ganzen zu verschlingen.

Xii hatte das Gefühl bei lebendigem Leib zu verbrennen.

Gerade als der Flammenwächter seinen Kopf niedergehen ließ, umfasste eine mächtige Pranke die Kreatur und riss sie von Xii runter. Als sie Krallen aus ihr heraus gerissen wurden, schrie sie vor Schmerz auf. Für einen Moment sehnte sie sich nach der erlösenden Dunkelheit, aber ihr Trost blieb aus.

Die Baumseele schleuderte das Wesen an eine der Felswände, sein erschlaffter Körper taumelte in die Tiefe.

Ooku sah Rot vor Zorn. Er rannte zu Xii hinüber und stellte sich schützend vor sie. Mit einem Blick über seine Schulter sah er das sie noch atmete, aber das es ihr auch sehr schwer fiel und sie wahrscheinlich nicht mehr lange durchhalten würde wenn er nichts unternahm.

Einen kleinen Spalt öffnete sie ihre Augen und sah zu ihm auf. „Ooku...“

„Ruhig Xii, ich erledige das. Und dann flicke ich dich wieder zusammen. Du musst mir nur versprechen ein wenig Geduld zu haben. Bekommst du das hin?“

Xii versuchte ihre Augen offen zu halten, aber sie schlossen sich langsam wie von allein. Ihre Mundwinkel deuteten den Hauch eines Lächelns an und sie brachte ein Nicken zustande.

Ooku richtete seinen Blick nach vorn, das Blut wich aus seinen Lippen als er sie fest zusammen presste. Dafür sollte Shorana büßen.
 

Lilly hielt sich ihre verletzte Schulter, das brennen der Wunde war fast unerträglich, doch sie wusste das sie keine Schwäche zulassen durfte. Wenn sie hier scheiterte würde das nicht nur ihren persönlichen Untergang bedeuten, sondern auch den ihres gesamten Volkes. Vielleicht sogar des gesamten Kontinents. Sie wusste nicht wem die Hexe ihre Seele verkauft hatte, aber wenn sie Kreaturen der Unterwelt befehligen konnte, würde es jemand mit viel Macht sein. Jemand der ebenfalls in der Unterwelt zu Hause war, und vielleicht durch Shoranas Hilfe in diese Welt gelangen könnte.

Fest biss sie sich auf die Unterlippe und starrte wütend zu Shorana die in aller Gemütlichkeit den brennenden Körper der Baumseele umrundete, er lag im sterben und konnte ihr nicht mehr gefährlich werden.

„Nun zu dir kleines Mädchen. Hast du nun begriffen das deine kleinen Tricks dich nicht retten können?“

Schnelle Schritte drangen an ihr Ohr, etwas in ihrem Augenwinkel blitzte auf und eine ziemlich rüde Beleidigung flog ihr entgegen bevor die Schwertklinge ihren Hals entgegen sauste.

In einer schnellen Bewegung hob Shorana ihre Hand und stoppte damit den Schwerthieb von Philipp. Ihre Finger schlossen sich feste um den Stahl, ein dünnes Rinnsal aus Blut floss daran hinab. Philipp weitete seine Augen und starrte auf ihre bandagierte Hand. Auch wenn er kein Krieger war, diese Attacke konnte man doch nicht einfach stoppen.

„Elfenzwirn mein Kleiner. Dünn wie normaler Stoff, nur viel robuster.“

Fester schlossen sich ihre Finger um die Klinge des Schwertes, kleine schwarze Tentakeln, transparent wie ein Schatten, bildeten sich um ihre Hand und wanderten an der Waffe entlang auf Philipp zu.

Bevor er den Griff hätte los lassen können, erreichten sie ihn und schlangen sich um seine Arme. Mit einem Schlag wurde ihm eisig kalt, er merkte wie die Welt um ihn herum dunkel wurde und etwas versuchte ihn in diese Dunkelheit zu ziehen.

Für den Menschen brauchte sie nichts mehr als billige Tricks, daher war es für Shorana ein leichtes das Hexenfeuer in ihrer anderen Hand erneut zu entfachen und den Flammenball Lilly entgegen zu werfen die gerade dabei war ihrem kleinen Freund zu Hilfe zu kommen.

Die Ellydre warf Shorana mit beiden Händen einen heftigen Windstoß entgegen, sie legte alle Kraft hinein und all ihre Entschlossenheit.

Shorana riss verwundert ihre Augen auf als es Lilly wirklich gelang den Flammenball zurück zu schleudern, dennoch kam er so weit von seinem Kurs ab das die Hexenmeisterin nicht einmal ausweichen musste.

„Das war wohl nichts, jetzt werde ich deinen kleinen Freund hier...“ Sie stockte als sie das freudige Grinsen auf Lillys Zügen sah, und warf einen Blick über ihre Schulter. Der Feuerball hatte gar nicht ihr gegolten, er schoss hinüber auf die andere Seite der Brücke und traf einen der Flammenwächter. Schreiend und sich windend taumelte er zur Seite und stieß mit einem seiner Mitstreiter zusammen. Sie gruben sich verzweifelt gegenseitig ihre scharfen Krallen in die Haut und Blut aus Lava quoll aus ihren Wunden.

Die Baumseele, die Ooku herbei gerufen hatte, holte weit aus und schleuderte die beiden Flammenwächter gegen die glatte Felswand. Zusammen rutschten sie ab und fielen in die tosenden Fluten. Ein Geysir aus heißem Wasserdampf stieg in die Höhe und die Kreaturen waren nicht mehr gesehen.

Ooku leckte sich über die Unterlippe, nun sollte der letzte Flammenwächter ein Spiel sein, dann stand nur noch Shorana auf der Liste. Xii und die Baumseele waren schon sehr angeschlagen, aber er würde nicht zulassen das die Hexe noch einen Tag länger Morendras in ihren Händen halten konnte.

Lilly würde auch ihre Lektion gelernt haben und endlich einsehen das sie und Morendras in der Sicherheit des ewigen Haines am besten aufgehoben waren. Da war er sich sicher.

Shoranas Augen brannten vor Zorn als sie sah das nur noch einer ihrer kleinen Spielzeuge am Leben war. So hatte sie all das nicht geplant. Es sollte ein amüsantes Spiel werden, doch ihre Würfel waren schlecht gefallen.

An ihrem Sieg zweifeln würde Shorana dennoch niemals.

Ihre Finger öffneten sich und Philipp, der die ganze Zeit versucht hatte sich von ihrem Zauber zu befreien, taumelte nach hinten. Wie eine Peitsche ließ sie die schwarzen Tentakeln seitlich gegen seinen Körper schnellen bevor er wieder einen klaren Gedanken hatte fassen können.

Der Schwertgriff entglitt ihm, die Welt um ihn herum drehte sich und ein heftiger Schmerz lähmte seinen Körper als er gegen die Felswand schlug.

Jemand rief seinen Namen, er verstand es kaum da ein lautes Tosen alles andere überschattete.

Lilly betrachtete wie Philipp reglos am Rand der zersplitterten Brücke liegen blieb, nur eine Armeslänge von dem tiefen Abgrund entfernt. Ihr Blick wanderte zu der anderen Seite wo sie entdeckte das auch ihre beste Freundin schwerverletzt am Boden lag. Ihre Hände zitterten vor Wut, ein Gefühl das für sie vollkommen neu war.

Es berauschte sie, und erfüllte sie zeitgleich mit Angst.

Lillys Füße handelten ganz wie von allein als sie einen Satz nach vorn machte und auf Shorana zu stürmte. Beide Hände streckte sie nach der Hexe aus und die Ranken, welche sich um ihre Arme schlängelten, schnellten nach vorn um ihre Gegnerin packen. Doch so leicht ließ Shorana sich nicht noch einmal überrumpeln.

Sie duckte sich unter dem Angriff hinfort und rollte zur Seite, mit den schwarzen Tentakeln schlug sie nach der Ellydre.

Die Ranken von Lilly schlangen sich um die Tentakeln, doch Shorana nutzte es zu ihrem Vorteil und zog so ihre Gegnerin, mit einem festen Ruck, dicht an sich heran.

In ihrer zweiten Hand hielt sie noch immer den Stab Morendras und hob ihn hoch in die Luft. Bevor sie ihn auf die Ellydre niedersausen lassen konnte, stockte ihre Bewegung, ganz so, als hielte den Stab irgendetwas fest. Zu Shoranas Überraschung war es eine dicke Wurzel die aus dem Boden geschossen war und sich um den Griff Morendras gewickelt hatte.

„Was zum...“ Die Worte blieben ihr im Hals stecken als weitere Wurzeln aus dem Erdreich brachen und sich um die Beine der Hexenmeisterin wickelten. Um die Finger ihrer linken Hand begann sich magisches Feuer zu bilden, es wurde jedoch im Keim erstickt als die Ranken von Lillys Händen sie vollkommen einhüllten.

Voller Zorn bleckte Shorana die Zähne und krallte ihre noch freie Hand feste um Morendras.

„Ich werde den Stab in Flammen aufgehen lassen wenn du mich nicht sofort los lässt! Mein Ziel werde ich auch anders erreichen wenn es notwendig ist!“

Auf Lillys Stirn bildeten sich feine Schweißtropfen, ihre Schultern begannen zu zittern, und dennoch hatte sie für ihr Gegenüber ein Lächeln übrig.

„Wenn du mich fragst, hast du uns ziemlich unterschätzt. Morendras wird dir niemals gehören.“

Kaum hatte das letzte Wort Lillys Lippen verlassen, entriss jemand Shoranas Händen den magischen Stab. Die Hexenmeisterin sah ihn aus dem Augenwinkel an sich vorbei huschen, wollte ihre schwarzen Tentakeln nach ihm aussenden, doch Lillys Ranken hüllten auch ihre freie Hand im Nu ein.

Philipp hielt Morendras fest in beiden Händen, an der Seite seiner Stirn klebte frisches Blut und lief an seinem Gesicht hinab.

Ooku hatten gerade den letzten Flammenwächter dort hin geschickt wo er hin gehörte, und atmete erleichtert auf als er sah wie Shorana der Stab entrissen wurde.

„Ihr glaubt ich lasse mich von solch mickrigen Wesen wie euch besiegen? Nichts als kleine Würmer seid ihr die ich zerquetschen werde.“

Unter einem lauten Lachen ballte Shorana ihre Kraft in beiden Händen, mit ihrem Feuer würde sie die lästigen Ranken einfach verbrennen. Rasch wurde aus ihrem Lachen ein entsetzlicher Schrei. Lillys Ranken hatten sich noch fester um ihre Arme geschraubt, kleine Dornen schossen hervor und bohrten sich in ihre Haut. Ein Nervengift betäubte die Hexe blitzschnell.

„Du verdammte kleine Made! Ich werde dir die Haut in kleinen Streifen vom Fleisch ziehen!“

„Shorana, es spielt für mich keine Rolle wer dir in deinem Leben so viel Leid zugefügt hat, das du solch einen Hass gegen die Menschheit hegst. Aber ich werde dir nicht durchgehen lassen dass du all die unschuldigen Menschen in Tion dem Leben entrissen hast. Auf so sinnlose Weise, nur um uns hier in deine Falle zu locken, und das du meine Freunde verletzt hast.“

Von ihrem Kinn tropfte der Schweiß und ihr ganzer Leib bebte vor Anstrengung, sie würde der Hexe nicht mehr lange stand halten können, doch genau dies beabsichtigte sie auch gar nicht.

„Menschen können grausam sein. Doch keiner ist wie der andere. Es gibt so viele schöne Eigenschaften an ihnen. Erinnere dich, das du selbst einer von ihnen warst.“

Die Qual in ihren Zügen ebbte ab, sie lächelte voller Zuversicht und Güte.

„Was du getan hast, kann ich dir nicht verzeihen Shorana, niemals. Nichts kann ungeschehen gemacht werden, aber ich möchte das du Gutes über diese Welt bringst, mehr Gutes als du Schlechtes getan hast.“

Langsam schlossen sich ihre Augen und sie setzte zu einem Singsang an, der jedem der es hörte, das Herz schwer werden ließ.

„Bin kein Henker, bin kein Richter,

bin kein Schenker, kein Vernichter.

Kann es nicht nehmen, ohne zu geben,

alles worum ich bitte, ist dein Segen.

Leih mir Gabe und Verstand,

zeige was uns einst verband.

Verblasse Erinnerung und Wissen,

tiefe Leere hinterlässt kein Vermissen.

Schuld ist es die bleibt,

nun und für alle Zeit.

Drum verschließe sicher und fest,

das Herz für des Lebens Rest.“

Philipp hielt noch immer mit beiden Händen Morendras fest und war bereit ihn jeder Zeit zu nutzen um dieser verfluchten Hexe den Schädel einzuschlagen. Sein Kopf dröhnte und ihm war noch immer als würde jemand versuchen ihn in die Benommenheit zu zerren, aber er würde Lilly diesen Kampf nicht alleine austragen lassen.

Plötzlich drangen panische Rufe an sein Ohr und er sah zu dem erschrockenen Gesicht von Ooku hinüber. Er rief Lilly zu, sie solle sofort aufhören. Auf und ab laufend versuchten sie eine Möglichkeit zu finden den riesigen Spalt zu überbrücken, aber für einen Sprung war es viel zu weit.

Ooku überlegte ob die Baumseele ihn nicht rüber werfen könnte, auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering war das er es schaffte, am liebsten würde er das Risiko eingehen um seine Schwester von der Dummheit die sie gerade begann, abzuhalten.

Er könnte sie mit einem Windstoß oder einem Schwarm Insekten aufhalten, aber er wollte auch nicht riskieren das Shorana diese Situation für einen Gegenangriff nutzte.

Lilly sang immer weiter die traurige Melodie von vorn, ihre Ranken leuchteten in einem grünen Licht und überall bildeten sich kleine weiße Blüten. Shoranas wütende Schreie waren verstummt, ihre Augen waren weit aufgerissen und ihr Körper zuckte unkontrolliert.

Ooku nagte auf seiner Unterlippe herum und verfluchte seine Schwester. Er schrie über das tosende Wasser hinweg.

„Philipp! Töte Shorana! Egal wie, aber beeile dich. Lilly wendet einen Zauber an der Shorana die Lebenszeit die sie bereits gelebt hat, entzieht. Für jedes Jahr das sie ihr nimmt, gibt sie eines ihres eigenen Lebens her.“

Philipp verstand erst nicht was Ooku damit meinte, aber als er in das Gesicht von Shorana sah, traf es ihn wie einen Schlag. Es war viel jünger geworden und schien es auch noch immer zu werden. Lilly würde sie wieder zu einem Kind machen und all die Jahre die sie Shorana wieder neu schenkte, verbrauchte sie von ihrer eigenen Lebenszeit.

Er ließ Morendras fallen und lief zu dem Schwert das nur wenige Meter entfernt lag.

Klirrend zog er die Spitze über den Boden als er Anlauf nahm, er dachte nur darüber nach das er Lilly retten wollte, und dafür würde er alles tun.

Die Ellydre riss die Augen auf als Philipp zu seinem Schlag ausholte. „Nein! Hör auf damit!“

Lilly löste die Ranken die Shorana gefangen hielten und machte blitzschnell einige Gestiken mit ihren Händen. Philipp konzentrierte sich auf den Nacken der Hexe und biss die Zähne fest zusammen, doch nur einen Augenblick bevor die Klinge sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, traf sie auf einen festen Wall aus Ranken die vor ihm in die Höhe schossen.

Einige Zentimeter grub sich sein Schwert hinein und blieb stecken. So sehr er sich auch bemühte, er bekam es nicht mehr frei.

Shorana nutzte ihre Gelegenheit und riss sich von den letzten paar Ranken los die sie noch an Ort und Stelle hielten, der Riemen des Bündels das sie trug blieb verheddert. Sie zerrte so fest daran das die Naht riss und der Inhalt zu Boden ging.

Ein in Leder gebundenes Buch fiel heraus, an vielen Stellen war es sichtlich abgegriffen, an den Ecken waren kleine Winkel aus Silber angebracht. Ein triumphierendes Grinsen lag auf ihren Zügen, während sie sich nach dem Buch bückte.

„Danke für die kleine Verjüngungskur! Auch wenn du auf mich nicht den hellsten Eindruck gemacht hast, hätte ich nie gedacht das du so dumm sein kannst!“

Lilly weitete vor Schreck die Augen und keuchte auf, ihre Knie waren weich wie Butter in der Sonne, doch sie hielt sich mit letzter Kraft weiter auf den Beinen.

„Philipp. Was hast du getan!? Ich wollte ihr die Unschuld eines Kindes wieder geben, damit sie noch einmal von vorne anfangen kann. Ich wollte ihr die Gelegenheit geben alles wieder gut zu machen...“

„Bist du von allen guten Geistern verlassen? Du kannst doch nicht deine Lebenszeit für jemanden her gebend er ein ganzes Dorf ausgelöscht hat! Sie hat ein schlechtes Herz, das kannst du auch nicht ändern wenn du sie wieder jung machst.“

Shorana leckte sich über die Lippen vor freudiger Erregung, sie hätte fast alles verloren, aber dank dieser Ellydre fühlte sie sich wie neu geboren.

Einen Schritt trat sie nach vorn und schlug das Buch auf, eilig blätterte sie ein paar Seiten weiter. Sie wusste, diese Welt würde schon bald ihr gehören. Dann könnte sie ihren Meister herbei rufen und er würde ihr endlose Macht und ein unsterbliches Leben schenken, ganz so wie er es ihr versprochen hatte.

Shorana setzte mit ihrem zweiten Fuß auf und ein violettes Hexenfeuer tanzte um ihre Finger, ein groteskes Grinsen überzog ihr gesamtes Gesicht. Diese Maden waren mit ihren Kräften am Ende, es würde für sie ein Hochgenuss sein ihre Schreie über Stunden zu hören. Sie senkte ihren Blick und las etwas in einer fremden Sprache vor.

Noch bevor sie noch einen weiteren Schritt machen konnte geriet sie ins Stocken. Irgendetwas hatte sich um ihr Bein gewickelt und hielt sie fest an ihrem Knöchel. Es war eine Wurzel, so dick wie ihr Oberarm, ganz anders als das Rankengeflecht von vorhin.

Mit einem Ruck hob sie den Kopf, Lilly starrte ebenfalls auf die Wurzel und weitete die Augen als sie die Magie erkannte.

Shorana hatte den zweiten Ellydren vergessen und sah auf die andere Seite der Brücke. Statt die verwundete Janama zu heilen, war er den Rest der Brücke weiter gelaufen bis er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Dort kniete er nieder und drückte beide Handflächen fest auf den felsigen Untergrund.

Jeder Muskel seines Körpers war angespannt, sein hasserfüllter Blick hatte sich auf die Hexenmeisterin gerichtet. Er stieß einen Schrei aus und presste seine Hände noch fester auf den Boden, plötzlich zerbarst der Grund unter dem Shorana stand und noch mehr Wurzeln schossen hervor. Sie umschlangen ihren Körper bis zur Hüfte in nur einer Sekunde.

Gerade als sie das Hexenfeuer auf eine der Wurzeln schleudern wollte, hatte eine von ihnen ihren Arm gepackt. Ein lautes Knacken und ein entsetzlicher Schrei verkündeten den Bruch ihres Knochens. Das Buch glitt aus ihrer Hand, und kam mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden auf. Bis hinauf zu ihrem Kinn wickelten sich die Wurzeln. „Nein! Nein! Du verdammter Wurm! Ich werde dich...“

Ookus Stimme donnerte über das tosende Wasser und Shoranas wütende Schreie. „Du wirst gar nichts mehr! Ich bin nicht so gnädig wie meine kleine, naive Schwester! Du wirst jetzt dahin geschickt wo du hin gehörst.“

Die Wurzeln schienen zu pulsieren, der Fels um sie herum bekam Risse und Gesteinsbrocken schoben sich in die Höhe. Die Wurzeln begannen sich ins Erdreich zurück zu ziehen und zogen Shorana mit sich.

Lilly machte einen Satz nach vorn und rannte auf Shorana zu. „Hör auf damit!“

Ihr Freund aus einer anderen Welt bekam ihr Handgelenk zu fassen und zerrte sie zurück. So sehr sie es auch mit ihrer verbliebenen Kraft versuchte, sie konnte sich nicht losreißen und musste hilflos mitansehen wie die vor Zorn schreiende Hexenmeisterin in das Erdreich gezogen wurde. Ihre grausamen Augen bohrten sich voller Hass in Lillys Herz. Ein Blick den sie nie vergessen würde.

Wo sie noch einen Augenblick zuvor gestanden hatte klaffte nun ein tiefes Loch im Fels. Überall war der Grund von Rissen durchzogen.

Tränen sammelten sich in Lillys Augen. An diesem frühen Tag hatten schon so viele Menschen sterben müssen, sie hatte genug vom Tod gehabt und wollte Leben schenken.

Ihr Kopf war wie in Watte gehüllt, nur leise drang die Stimme nahe ihres Ohres, zu ihr durch. „Sieh dich doch nur mal um! Denk darüber nach was sie getan hat, und noch tun wollte. Du kannst nicht jeden retten. Was wenn sie ihr Leben neu begonnen hätte, aber wieder nur Unheil brächte?“

Lilly blinzelte und sah hoch in Philipps Gesicht, ihre Knie hatten nachgegeben ohne das sie es merkte. Stumme Tränen rollten an ihren Wangen hinab.

Ihr Blick folgte seinem Fingerdeut. Dort wo die Baumseele verbrannt war, zeugte nur noch ein kleiner Haufen Asche von der grässlichen Tat. Der Boden hatte sich schwarz gefärbt und überall sah man verhärtete Lavabrocken, die letzten Zeugen dass vor wenigen Minuten noch Flammwächter hier getobt hatten.

Auf der anderen Seite der Brücke war das Chaos noch viel schlimmer. Ihre beste Freundin und Leibwache Xii lag regungslos da. Hinter ihnen in dem ruhigen Tal lag eine Stadt der Toten. All das war das Werk von Shorana gewesen.

Ooku hatte Mühe wieder auf die Beine zu kommen und schleppte sich zu der Janama hinüber. Eine Hand legte er Behutsam auf ihre Schulter. Erleichterung machte sich breit als sie sich rührte und kraftlos einen Spalt die Augen öffnete.

„Shorana...“

„Es ist vorbei Xii. Sie wird niemandem mehr ein Haar krümmen. Lilly geht es auch gut. Jetzt entspann dich.“

Ooku legte beide Hände auf die schwere Wunde an ihrer Seite und schloss die Augen.

„Ewiglich das Grün,

klar und reich dein Atem,

wohlbehütet im finsteren Grunde,

ruht immerdar dein Garten.

Kehre ein, mein Geist ist frei,

auf das es gibt keine Macht, die uns entzwei.

Borge mir Leib und Seele nun.

Kenne den Preis,

in deinen Armen werde ich ruhn.“

Um seine Hände bildete sich ein grünliches Licht, feine Ranken schlängelten sich um seine Arme und bildeten ein Netz über Xiis Wunde. Ein zarter Windhauch ging durch die Klamm und brachte den Duft von frisch erblühendem Grün des Frühlings mit sich. An einem Ast seines Kopfes erblühte eine strahlend weiße Blume. Als er sie pflückte und an seine Lippen führte wurde sie schwarz. Ohne eine Miene zu verziehen schluckte er die Blüte hinunter und nahm somit das Leid von Xii in sich auf.

Ooku schwankte leicht und das grüne Licht erlosch. Kleine, leuchtende Funken stiegen auf und verschwanden. Die Ranken zogen sich zurück, offenbarten sein Werk.

Die Wunde hatte aufgehört zu bluten und sah deutlich besser aus, wenn sie auch noch nicht gänzlich verheilt war.

Der Ellydre schluckte träge und flüsterte leise. „Entschuldige, mehr kann ich im Moment nicht für dich tun.“

Xii regte sich unter einem dumpfen Stöhnen und setzte sich auf. Zischend kniff sie ein Auge zusammen und betrachtete das getrocknete Blut an ihrer Seite.

„Ihr seid ein Narr. So eure letzten Kräfte zu vergeuden.“

Über Ookus erschöpfte Züge huschte ein Grinsen, er gab einen Laut von sich als müsste er ein Lachen unterbinden.

„Ein einfaches Danke hätte mir auch schon gereicht du garstiger Fuchs.“

Lilly lief auf den Rand der Brücke zu und schloss vor Erleichterung einen Moment lang die Augen. Mit beiden Händen fuhr sie sich über das Gesicht und wischte die Tränen fort.

„Xii! Ich hatte solche Angst um dich!“

Ihr Bruder kam wieder auf die Beine und funkelte sie zornig an. „Sei bloß still und tu nicht so scheinheilig. Hättest du sie direkt erledigt als du die Zeit dafür hattest, hätte Xii gar nicht erst verletzt werden können. Nicht zu vergessen dass du wertvolle Lebensjahre an Shorana verschwenden wolltest. Hast du es denn jetzt endlich begriffen? Menschen sind schlecht Lilly! Ihre Herzen lassen sich leicht verderben. Willst du etwa jeden wieder zu einem Kind machen, nur um zu hoffen das er in seinem Leben etwas besseres tut? Dein Leben ist nicht unbegrenzt, oder ist es deine Absicht es sinnlos weg zu werfen?“

Stille legte sich für eine Weile lang über den Ort des Gefechtes, dann ballten sich langsam Lillys Hände zu Fäusten.

Xii schwankte ebenfalls noch ziemlich, schaffe es aber sich wieder auf den Beinen zu halten. Ihre mit Fell überzogene Hand legte sie auf Ookus Schulter.

„Keine Streitereien jetzt. Wir sollten alle froh sein noch zu leben und Morendras dieser Hexe entrissen zu haben. Bringen wir ihn zurück in den ewigen Hain. Zu den Ellydren, denen er gehört.“

„Morendras gehört niemandem.“

Ungläubige Augen starrten auf Lilly. Bevor jemand etwas auf ihre merkwürdige Äußerung antworten konnte, erhob sie selbst wieder das Wort. „Ooku, du predigst mir immer das Beste für unser Volk zu wollen, das ich es bin die verblendet irgendwelchen Phantasien nachrennt. Aber mittlerweile glaube ich das du den Geist unserer Vorfahren vergessen hast.“

Mit fester Hand zeigte sie auf das Loch im Fels, indem Shorana verschwunden war.

„Du hast sie getötet. Werden damit all die Menschen in Tion wieder lebendig? Macht was irgendwas wieder ungeschehen, was sie getan hat? Auch in hundert Leben hätte Shorana das nie wieder gut machen können, glaubst du das weiß ich nicht?

Aber wieso soll sie denn keine zweite Chance bekommen? Ich wollte auf sie acht geben und mit in unseren Hain nehmen. Wir hätten sie so viel lehren können, und zeitgleich sähe unser Volk das ein Zusammenleben mit Menschen nicht unmöglich ist, das nicht alle schlecht sind, und das wir uns nicht länger vor ihnen verstecken müssen.“

Fassungslos schüttelte Ooku den Kopf und fuhr sich mit einer Hand durch sein blondes Haar.

„Ich kann nicht glauben was du da sagst. Bist du noch bei sinnen? Lilly du kannst diese Welt nicht verbessern, indem du einfach nur ganz fest dran glaubst? Hast du etwa vergessen was sie uns angetan haben? Was sie unserem Vater angetan haben? Das kannst du nicht. Du hast es mit eigenen Augen gesehen!“

Philipp ging dicht an Lilly heran und rammte seine Schwertspitze in den Boden.

„Du scherst uns schon wieder alle über einen Kamm! Ja, es gibt schlechte Menschen, da scheint es keinen Unterschied zu geben ob sie auf der Erde oder auf Davasuum leben, aber es gibt auch Menschen die nicht aufgehört haben, an das gute zu glauben das in uns ist.

Lilly und du, ihr seid beides Ellydren, und doch verschieden wie Tag und Nacht. Ihr seid auch nicht alle gleich.“

Wütend machte Ooku einige Schritte zurück ohne den Menschen aus den Augen zu lassen, er würde der nächste sein der in dem Erdloch verschwand, doch jemand packte sein Handgelenk.

Er sah in die hellblauen Augen der Janama, die nur langsam den Kopf schüttelte.

„Er ist es nicht wert. Du hast nicht genug Kraft dazu. Außerdem würde dir das deine Schwester nicht verzeihen. Lass uns zurück in den Hain gehen und mit der Hüterin sprechen. Sie wird entscheiden was zu tun ist.“

Lilly wirbelte herum und ging mit langen Schritten auf den Stab Morendras zu. Langsam beugte sie sich zu ihm hinab und umfasste ihn mit beiden Händen. Ehrfürchtig strichen ihre Finger über das knorrige Holz.

Ein warmes Gefühl durchströmte ihr Herz, bis in die letzte Faser. So langsam, als wäre die Welt um sie eingefroren, erhob sie sich und betrachtete die klaren Bernsteine.

„Morendras hat damals Artham zu sich gerufen. Einen Menschen. Sein Herz war voller Respekt für die Natur und jedes Leben. Sie wollte ihm das Geschenk ewigen Lebens machen, aber Artham lehnte ab.

Durch ihre Vereinigung enstanden wir Ellydren.“

Mit einem Ruck drehte sie sich herum, dabei fiel ihr Blick auf das Buch das Shorana hatte fallen lassen. Ohne zu zögern hob sie es auf und drückte es an sich, dann ging sie wieder an den Rand der Brücke und sah zu Ooku und Xii hinüber.

„Niemand will an diese Legende glauben, weil sie vielleicht wahr sein könnte. Denn es bedeutet das wir alle zur Hälfte Menschen sind. In unseren Adern fließt nicht nur die Essenz Morendras, sondern auch das Blut Arthams.

Wie viel von den alten Legenden wahr ist oder nicht, es spielt keine Rolle.

Welche Form das Leben annimmt, spielt keine Rolle. Menschen, Ellydren, Janama, Schattenelfen und so viele mehr, wir sind alle gleich. Nur weil wir anders aussehen oder eine andere Kultur haben, an etwas anderes glauben, macht uns noch lange nicht zu etwas besserem.

Wir alle sind ein Teil dieses Lebens. Lieben, weinen, lachen und hoffen auf die gleiche Weise.

Genau das wollte Morendras mir zeigen als sie mich in diese fremde Welt geschickt hat. Das weiß ich einfach. Ooku, mir geht es nicht darum das Leben unseres Volkes dafür zu riskieren, damit sie ihr stures Denken ablegen.

Ich will das wir unseren Pfad wieder finden. Das wir das Leben bewahren, egal in welcher Form. Das wir wieder lernen wie facettenreich das Leben sein kann.“

Sie streckte ihren Arm, mit dem sie Morendras hielt, zur Seite aus ohne den Blick von ihrem Bruder zu nehmen. Philipp, der direkt neben ihr stand, sah verwundert auf den Stab.

Xii spürte wie Ookus Arm vor Zorn begann zu zittern, sie konnte selbst nicht glauben was sie da hörte. Das Lillys Fanatismus in ihren Glauben in das Gute so weit ausgeprägt war.

„Lilly! Macht keine Dummheiten! Wir haben die ganze Zeit zu euch gehalten, nun wird es Zeit euren Dickkopf abzulegen. Wir suchen einen Weg euch hier herüber zu bekommen und dann gehen wir zu der Hüterin. Niemand außer ihr kennt Morendras am besten, sie wird jedem von uns zuhören und wissen was richtig und was falsch ist.“

Lilly stieß das Ende des Stabes fest auf den Boden und stemmte die andere Hand in die Hüfte.

„Philipp, halt dich an Morendras fest.“ Nach kurzem Zögern tat er, was sie ihm geraten hatte und umfasste mit einer Hand den Stab. Xii und Ooku zogen beide scharf die Luft ein und riefen ihr immer wieder zu sie soll den Stab weglegen.

Lilly wusste genau was sie tat, dennoch brach es ihr das Herz sich gegen ihre beste Freundin zu stellen und ihren Bruder. Sie wusste, die beiden wollten ihr nur gutes, aber das war nicht der Weg den sie gehen wollte.

„Vergebt mir. Aber ich kann nicht zulassen das wir immer weiter in einer Illusion von einer heilen Welt leben und den Rest sich selbst überlassen. Dafür habe ich schon zu vieles riskiert und mitgemacht.

Ich werde wieder kommen wenn ihr eure Meinung geändert habt.“

Lilly schloss ihre Augen und wünschte sich im Stillen von Morendras sie wieder zurück in Philipps Heimat zu schicken, und hoffte das ihr Wunsch erneut, erhört werden würde.

Die Bernsteine begannen zu leuchten und ein heftiger Wind zerrte an ihr, ein Lächeln umspielte ihre Züge. Sie war erhört worden. Der Wind übertönte die wütenden Schreie von Xii und Ooku, trug sie von dannen bis sie ganz verstummten.

Der Boden unter ihren Füßen verschwand und Philipp krallte sich bereits mit beiden Händen an dem Stab fest.

Schwärze hüllte sie ein, da Gefühl in die Unendlichkeit zu fallen war unerträglich. Blitze ohne Donner in allen Farben tanzten um sie herum und verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren.

7. Kapitel
 

Ein Wind zerrte so stark an Philipps Armen und Beinen, dass er das Gefühl hatte auseinander gerissen zu werden. So feste er nur konnte presste er die Augen zusammen aber die hellen Blitze, in allen erdenklichen Farben, nahm er noch immer deutlich war.

Mit aller höchster Konzentration gelang es ihm endlich das los zu lassen, was er die ganze Zeit so schmerzlich in seiner linken Hand gehalten hatte, was war es noch gleich gewesen? Er wusste es nicht mehr, aber es zerrte ihn fort von dem was wichtig war. Alles was zählte, war sich an dem anderen Ding in seiner Rechten festzuhalten, dem Stab Morendras.

Unter einem Schrei, den er selbst nicht hören konnte, gelang es ihm sich nun mit beiden Händen an dem heiligen Relikt der Ellydren fest zu klammern.

Plötzlich wurde alles um ihn herum dunkel, und er befürchtete schon das sein Ende gekommen war, bis er ein Geräusch wahr nahm das er sehr gut kannte, aber schon einige Tage nicht mehr gehört hatte.

Das Hupen eines Autos und eine Folge an üblen Flüchen die sich zwei verärgerte Fahrer entgegen warfen. Wörter fielen nach deren Bedeutung ihn Lilly einst gefragt hatte, und er ihr antwortete das sie das besser nicht wissen sollte.

Ruckartig öffnete er die Augen und ließ den Blick umher schwirren. Es war dunkel, eher später Abend als mitten in der Nacht, ein Eichhörnchen schnatterte von dem großen Walnussbaum hinunter, und als er den Blick senkte, registrierte er, dass er mit beiden Füßen in den frisch gepflanzten Blümchen seiner Mutter stand. Direkt neben ihrem Heiligtum, dem Gemüsegarten.

Sie war Floristin, niemand außer ihr durfte ihren Beeten nahe kommen, schon gar nicht beide Füße hinein setzen und alles verwüsten. Nun gut, etwas um das sich der junge Bursche im Moment keine Sorgen machte.

Ihm gegenüber stand Lilly. Ihre Knöchel waren weiß, so feste klammerte sie sich an den Stab Morendras. Ihre Gesichtsfarbe war auch schon mal gesünder gewesen.

Die Äste auf ihrem Kopf bildeten sich langsam zurück, genau wie die Blätter und die Ranken die ihren Körper verdeckten.

Eilig zog sich Philipp die Sweatjacke aus und legte sie noch gerade rechtzeitig um ihre Schultern, bevor die Blätter gänzlich verschwanden.

„Wir... ich bin wieder zu Hause!“ Philipp keuchte vor Erleichterung auf und schloss für einen Moment die Augen. „Danke!“ Lilly antwortete nichts, und schlüpfte durch die Ärmel um den Reißverschluss zuzuziehen.

Ein Surren erklang, brachte die kühle Nachtluft um ihn herum zum Schwingen. Dazu, sich Gedanken zu machen was es wohl bedeuten könnte, kam er nicht, schon in der nächsten Sekunde rauschte etwas direkt neben ihm vorbei und bohrte sich tief in das Blumenbeet seiner Mutter.

Scharf zog Philipp die Luft ein als er registrierte was da gerade vielleicht zehn Zentimeter neben ihm nieder gegangen war. Er starrte auf das Schwert das er im Flug durch Raum und Zeit los gelassen hatte, und das ihm auf Dravasuum sehr hilfreich gewesen war.

Wie benommen taumelte er einige Schritte zurück und trampelte bei der Gelegenheit gleich noch ein paar mehr Blümchen nieder.

„Philipp pass doch auf!“ Lilly belegte ihn mit einem finsteren Blick.

In seinem Kopf drehte sich alles im Kreis, gerade eben hatte er noch in einer fremden Welt gegen eine Hexenmeisterin gekämpft und nun stand er wieder zu Hause in seinem Garten. Er war nur wenige Tage fort gewesen, aber seine Eltern mussten doch umgekommen sein vor Sorge!

Wie von der Tarantel gestochen sauste er um das Haus herum und drückte mehrmals auf die Klingel. Im Ganzen Haus war nicht an einem Fenster Licht zu sehen, niemand kam um ihm die Tür zu öffnen. Endlich fiel ihm ein, das er doch den Schlüssel immer praktischerweise mit einem Schlüsselbändchen an seiner Jeans befestigt hatte.

Eilig griff er in seine Tasche, voller Panik ihn in der anderen Welt verloren zu haben, und zog erleichtert den Türschlüssel hervor.

Als er in den Flur hinein gestolpert kam sah er schon das rote Licht des Anrufbeantworters blinken.

Ohne zu zögern brachte er das kleine Gerät zum Sprechen. Es ertönte die genervte Stimme seiner Mutter.

„Hallo Phili! Hör mal, dein Vater und ich bleiben heute noch im Krankenhaus.

Louisa geht es blendend, aber die Ärzte wollen noch ein paar Untersuchungen machen um sicher zu gehen.

Wir können es selbst kaum glauben das sie nach dem Unfall keinen einzigen Kratzer mehr hat.

Dabei sagten sie uns gestern noch...“

Die Stimme seiner Mutter begann zu beben und er erinnerte sich mit einem Schlag wieder was als letztes passiert war. Seine Schwester war bei einem Autounfall angefahren worden und lag im Sterben. Lilly hatte sie geheilt, somit ihr Leben gerettet.

Die Stimme seines Vaters erklang, ruhig wie immer, und er sagte nochmal das sie sich morgen sehen werden, und das alles in Ordnung sei.

Philipp runzelte die Stirn und rannte weiter die Treppe hinauf, das musste heißen das seit seinem Verschwinden nicht mal ein Tag vergangen war. In seinem Zimmer angekommen, stürzte er direkt auf sein Smartphone das auf dem Schreibtisch lag.

Tatsächlich, es war der Abend des Tages an dem er mit Lilly und Xii in den Wald gegangen war um den Stab zu suchen. Der Tag an dem er in die andere Welt gepurzelt war.

Ein tiefer Seufzer der Erleichterung entrann seiner Kehle, vorsichtig legte er sein Smartphone wieder zurück auf den Tisch und zog sich die Brille von der Nase. Mit geschlossenen Augen massierte er seine Schläfen. Scharf zog er die Luft ein als er die kleine Beule berührte.

Shorana hatte ihn nicht gerade sanft gegen die Steinwand geschleudert, es war ein Wunder für ihn das er sich nichts gebrochen hatte. An seiner Stirn klebte noch immer getrocknetes Blut.

Feste presste er die Lippen zusammen und setzte sich die Brille wieder auf, er schollt sich ein Weichei, er selbst war wohl von allen zusammen am wenigsten bei dem Kampf verletzt worden.

Lilly! Sie hatte er einfach wortlos im Garten stehen lassen. Philipp wirbelte herum und wäre fast mit ihr zusammen gestoßen.

Ihre großen, grünen Augen blickten fragend zu ihm auf. „Ist alles in Ordnung?“

„Ja! Hier ist nicht mal ein Tag vergangen! Was ein Glück. Außer ein wenig Kopfschmerzen geht es mir gut. Und wie sieht es bei dir aus?“

Das Lächeln auf ihren Zügen wirkte müde, aber kein wenig aufgesetzt. Vorsichtig hob sie ihre Hand und berührte seine Schläfe, in ihren Augen spiegelte sich leichte Besorgnis wieder.

„Die Wunde sollte ich heilen Philipp, sie schaut nicht gut aus.“

Grob schob er ihre Hand fort und machte eine wegwerfende Bewegung.

„Niemals. Du hast heute schon genug Lebenszeit vergeudet! Hätte ich gewusst was du vor hast, hätte ich eher dir den Kopf abgeschlagen anstatt Shorana.“

Sein finsterer Blick ließ Lilly einen langsamen Schritt zurück gehen. Ihre Augen richteten sich auf eine Ecke an der kleinen Treppe, die zu der Galerie hinauf führte, wo sein Bett stand. Dort lehnte sie Morendras an und strich beim Loslassen über das dunkle Holz.

„Das war mein Vorhaben. Meine Lebenszeit zu verschenken, nicht sie zu vergeuden. Aber um deinen Zorn vielleicht zu mildern, es kam nicht dazu. Mein Zauber wurde abgebrochen.“

„Aber Shorana war deutlich jünger.“

Lilly nickte und blickte ihn wieder an. „Mein Ziel war sie wieder zu einem Baby zu machen, darauf konzentrierte ich mich. Erst wenn dieses eingetreten wäre, hätte ich meinen Preis bezahlt.

Shorana wäre, hätten wir es noch erlebt, in wenigen Minuten wieder gealtert.“

Philipp wirkte sichtlich erleichtert, doch nicht lange, da überzog sein Gesicht erneut ein wütender Schatten. „Deinen Bruder kann ich zwar nicht ausstehen, aber ich muss ihm in dem Punkt zustimmen, dass dein Vorhaben riesiger Mist gewesen wäre.

Von eurem Leben in den Wäldern, oder eurer Vergangenheit verstehe ich nichts, aber ich fühle wie groß dein Herzenswunsch ist euer Volk aus dem Exil zu bringen.

Das erreichst du aber nicht wenn du Lebensjahre um dich wirfst wie Bonbons an Karneval.“

Lilly antwortete auf seine Worte mit einem Nicken und ließ den Kopf sinken. Mit zitternden Händen fixierte sie irgendeinen Punkt auf dem Teppich seines Zimmers.

Kleine Tropfen perlten von ihrem Kinn und fielen zu Boden. Ein lautes Schluchzen brachte ihren Körper zum beben.

Seufzend ließ Philipp die Schultern Kreisen und verzog das Gesicht, sein Rücken schmerzte. Er ging auf sie zu und legte eine Hand auf ihre Schulter. Gefühlte Minuten starrte er einfach nur auf ihren gesenkten Kopf. In seinem Verstand schwirrten tausende von Wörtern umher, das sie besser auf sich achten sollte, weil sie wichtig war, er hatte es ja nicht böse gemeint. Nein Moment, eigentlich hatte er es ganz genau so gemeint. Ihr musste mal der Kopf gewaschen werden.

Aber so schluchzend wie sie vor ihm stand, tat sie ihm einfach nur leid.

Seine Lippen wurden blass, so feste presste er sie aufeinander, ein Freund der Worte war er noch nie gewesen, eigentlich hätte er sie sogar recht gern in den Arm genommen, aber auch damit hatte er es nicht so.

„Du siehst schrecklich aus. Nimm am besten ein Bad, danach fühlst du dich wieder besser.“

Lilly schluchzte noch lauter und fiel ihm um den Hals. Sie schlang die Arme so fest um ihn, das er fast das Gleichgewicht verloren hätte.

„Alles was ich mir gewünscht habe war Frieden. Dass dieses Leben in Abgeschiedenheit und Furcht wieder endet. Das unsere Völker wieder voneinander lernen, und begreifen das es nicht immer gut ist an der Vergangenheit festzuhalten.“

Ihre Gesicht vergrub sich in dem Stoff seines Pullovers, die sonst so heitere Ellydre nun so aufgelöst zu sehen, brachte sogar sein Eis zum schmelzen und er begann vorsichtig ihren Rücken zu tätscheln.

„Nun wird alles wieder besser. Shorana kann niemandem mehr gefährlich werden, und du hast Morendras wieder.“ In seinen Gedanken tauchten die Bilder des Morgens wieder auf. Die starren Augen der Dorfbewohner wie sie zu ihm auf Blickten, der Marktplatz der zu einem Schlachtfeld geworden war.

Philipp schloss die Augen und legte seine Arme fester um Lilly, ganz langsam schmiegte er sogar seine Wange in ihr Haar. Nichts was er hätte sagen können, würde das Ende dieses Tages besser machen. Es war ein Tag voller Tod und Zerstörung gewesen. Ein Tag an dem sie viel gewonnen und viel verloren hatte.

Minutenlang standen sie so inmitten seines Zimmers, schweigend und sich tröstend, bis Lillys Tränen schließlich versiegt waren. Zögerlich löste sie sich wieder von ihm und wischte sich die letzten Tropfen aus den Augenwinkeln.

„Ein Bad würde mir jetzt wirklich gut tun. Bei all der Flüssigkeit die ich verloren habe.“

Philipp sah auf den nassen Fleck seiner Brust und schmunzelte.

„Sieht so aus. Ich lasse dir Wasser ein.“
 

Nachdem beide ihre Kräfte bei einem heißen Bad wieder aufgefrischt, und Philipp eine Kanne Tee für sie gekocht hatte, stockte er kurz als er sein Zimmer wieder betrat.

Lilly saß auf dem Boden, gehüllt in bequeme Wäsche die er ihr einmal für die Nacht gekauft hatte, und blätterte angeregt in dem Buch das Shorana gehörte, zumindest bis zu diesem Tag. Stumm ließ er sich neben ihr im Schneidersitz nieder und schenkte ihnen beiden eine Tasse voll ein.

„Was steht drin?“

Lilly runzelte tief ihre Stirn und drehte das Buch einmal komplett herum. „Ich weiß es nicht. Wir Ellydren können nicht lesen. Nur eure Schrift kann ich, weil ich sie lernte als ich mir die Eigenschaften deines Gehirns angeeignet habe.“

Zu gut erinnerte er sich an die Kopfnuss die er damals von ihr bekommen hatte. Wenn er an ihre erste Begegnung zurück dachte, bekam er heute noch Kopfschmerzen.

„Ihr könnt nicht lesen und schreiben?“

„Nein, wofür denn?“, fragte Lilly ihn mit schief gelegtem Kopf. „Wir kommunizieren mit Wörtern und Pflanzen. Oder mit Tieren, wie Ooku es tat als er Uri in den Hain sandte.“

„Wie reicht dann Uri die Botschaft weiter?“

„Na durch das Bewusstsein. Ähnlich wie wir Xii verstehen können, wenn sie in ihrer Tiergestalt mit uns redet. Nur das wir nicht ihre Stimmen direkt hören. Sie sagen es uns... einfach so.“

Nachdenklich kratzte Philipp sich am Hinterkopf und zog scharf den Atem ein, die Verletzung hatte er fast vergessen. Dann streckte er die Hand nach dem Buch aus und bat Lilly es ihm einmal zu reichen.

Es war in schwarzes Leder gehüllt, alle Ecken waren mit filigranen Winkeln aus Silber versehen, an manchen Stellen war es stark abgegriffen. In der Mitte des Buchdeckels ruhte ein schwarzer Edelstein, welcher in das Leder eingefasst war. Zögerlich fuhr er mit dem Finger drüber. Er war kalt und unbedeutend.

Irgendwie hatte er etwas anderes erwartet von dem Buch einer Hexe, das es sich von allein aufschlug, Blitze hinaus schossen oder es zumindest eine unheilverkündende Aura aussenden würde. Nichts von all dem traf zu. Es fühlte sich an wie ein ganz normales Buch. Enttäuschend.

Dennoch behandelte er es wie ein rohes Ei, als er es aufschlug, irgendwo mittendrin.

Es geschah... Nichts.

Mit dem Mittelfinger seiner rechten Hand rückte er seine Brille zurecht und betrachtete den Text vor sich. Die Seiten waren gelblich und verschlissen, jemand hatte fein säuberlich Verschiedenes in schwarzer Tinte hinein geschrieben.

„Kannst du es denn lesen?“ Lilly luchste neugierig über seine Schulter. Philipp brauchte einen Moment bis er antworten konnte da er ihre Brust durch den dünnen Stoff viel zu gut an seinem Arm spüren konnte. Er räusperte sich und beugte sich noch weiter vor, blätterte einige Seiten weiter.

„Leider nein. Diese Schrift existiert bei uns nicht. Mir ist auch keine bekannt die ähnlich ist. Die Schriftzeichen ähneln weder Runen, noch irgendwas anderem was ich schon mal gesehen habe.“

Beim durchblättern stieß er hier und da auf merkwürdige Zeichen die vielleicht doch Runen darstellen könnten. Auch Zeichnungen von grotesken Gestalten oder Pflanzen tauchten auf.

Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper als er eines der Wesen erkannte.

Auf einer Seite befand sich eine detaillierte Zeichnung eines Faulvaruls.

„Dieses Buch wird wahrscheinlich nichts gutes verheißen.“

Lilly nahm es ihm vorsichtig aus den Händen und betrachtete die Zeichnung. Sie war wirklich identisch mit dem Aussehen eines echten Faulvaruls.

„Mein Freund hier hat mir davon erzählt sagte Shorana. Sie klopfte dabei auf den Beutel mit diesem Buch. Hier drin hat sie irgendwas von uns Ellydren gelesen und das sie Morendras mit der Hilfe unserer Seelen befehligen könnte.

Ich denke niemand hat etwas dagegen wenn ich es behalte. Vielleicht finde ich ja jemanden der es lesen kann.“

Philipp nickte gedankenverloren vor sich hin als er Lilly dabei betrachtete wie sie das Buch direkt neben Morendras ablegte.

„Im besten Fall können dir Xii oder Ooku helfen.“

„Ooku wird rasen vor Zorn und mich gerade einen Kopf kürzer machen wollen.“ Lilly musste sogar leicht lächeln während sie sprach. „Ein Gutes hat die Zeitverschiebung, bis ich mir überlegt habe was ich nach meiner Rückkehr mache, wird seine Wut schon etwas verflogen sein.

Dennoch sollte ich mich morgen wieder auf den Rückweg machen, damit nicht zu viel Zeit vergeht.“

Philipp betrachtete den Inhalt seiner Tasse und schmunzelte.

„Ich will dich nicht in deinem Enthusiasmus bremsen, aber mir erschien er, als würde er nicht ganz so schnell vergessen können.“

„Er ist ein Stinkstiefel, wie ihr Menschen sagt, aber er meint es eigentlich immer nur gut. Als unser Vater umkam hat er viel Verantwortung für unser Volk übernehmen müssen.“

Wieder trat eine Weile des Schweigens ein, bis jeder seinen Tee ausgetrunken hatte. Philipp dachte über Ookus Worte nach, das Lilly ihm mit ihrer Seele alles zeigen könnte, und er dann verstünde wieso er die Menschen so hasste.

Nach langem Hadern blickte er sie aus dem Augenwinkel an.

„Kannst du mir zeigen was damals passiert ist? Mit den Menschen. Ich möchte verstehen wieso diese Kluft zwischen euch entstanden ist.“

Ihr Kopf schnellte zu ihm herum, verwundert weitete sie ihre Augen und berührte automatisch ihre Seele. Ein heller Bernstein der direkt unter ihrem Schlüsselbein in die Haut eingebettet und von einen dünnen Kranz Rinde umschlossen war.

„Woher weißt du... Ooku?“

Philipp nickte und Lilly blinzelte einige Male. Rasch blickte sie zu Boden, ihre Wangen verdunkelten sich sichtlich in Windeseile. „Was hat er dir darüber gesagt?“

„Eigentlich nur, dass wenn ich es verstehen will, dich fragen soll ob du es mir mit deiner Seele zeigen kannst.“

Fast schon schüchtern blickte sie zu ihm auf und fuhr mit ihren Fingern über den Bernstein.

„Der Blick in eine Seele ist etwas sehr intimes. Du tauchst in sie ein, fühlst alles was ich fühle.

Da ich dein gesamtes Wesen in mich aufnehme, werde ich auch ebenso einen Blick in deine Seele werfen können. Es ist als würden wir unsere bisherigen Leben vollkommen vor dem anderen darlegen. Du wirst alles über mich wissen und ich alles über dich. Eine Verbindung die nie im Leben wieder getrennt werden kann.“

Philipp entglitt der Henkel seiner leeren Teetasse die er noch in Händen gehalten hatte. Das plumpe Geräusch wirkte viel zu laut in der entstandenen Stille während er sie aus weit aufgerissenen Augen einfach nur anstarrte.

„Philipp...?“

Er schüttelte seinen Kopf und rückte die Brille zurecht während er sich laut räusperte.

„Das wusste ich nicht. Geht das denn... mit irgendeinem Ritual oder so was einher?“ Auch wenn er um einen festen Ton bemüht war, seine Stimme geriet ins Stocken. Um so nüchterner wirkte ihre Antwort. „Nein, du legst einfach deine Hand darauf.“ Sie tippte beim Sprechen auf ihre Seele.

Philipps Herz begann sich plötzlich schmerzhaft in seiner Brust zu verziehen. Gefühle zu zeigen war noch nie sein Fall gewesen, jemandem nun einfach sein gesamtes Leben und seine Empfindungen frei zu legen war da nochmal was ganz anderes.

„Kannst du es mir nicht einfach erzählen?“

Gedankenverloren betastete er seine Schläfe und warf dabei einen Seitenblick aus dem Fenster. Die Nacht war klar und überall strahlten erloschene Sterne um die Wette.

Jemand umfasste seine Hand, instinktiv zuckte er zusammen und entzog sie ihr ruckartig.

Seine Freundin aus einer anderen Welt sah ihn verwundert an. Nach einem kurzen Augenblick streckte sie die Hand wieder aus und ergriff die seine ganz behutsam.

Ihre Augen leuchteten nach so langer Zeit, wieder völlig unbesonnen und glücklich, als sich ein warmes Lächeln auf ihre Züge schlich.

„Nein. Ich möchte es dir gerne zeigen. Zuerst war ich etwas überrascht über deine Frage. Noch nie habe ich jemandem etwas mit meiner Seele gezeigt.

Aber wenn ich es mir genau überlege, würde ich sie vor niemandem lieber offen legen als vor dir.“

Philipps fühlte sich als würde sein Herz gleich kollabieren, so feste donnerte es in seiner Brust. Die ganze Situation überrollte ihn schutzlos, wollte sie ihm damit etwa was ganz bestimmtes sagen?

Aber er wusste auch ganz genau das sie oft Dinge sehr merkwürdig ausdrückte, weil sie es einfach nicht besser konnte.

Da ihr Menschenfreund nicht antwortete, und sie stattdessen wie ein Reh anstarrte das gerade in zwei grelle Scheinwerfer blickte, nahm Lilly seine Hand und zog sie an sich heran.

Philipp erwachte aus seiner Starre als seine Finger schon fast ihre Seele berührten.

„Mo... Moment mal! Ganz langsam! Ich weiß nicht ob das jetzt so eine gute Idee ist. Und ob ich das überhaupt will.“

Lilly beugte sich vor und stützte sich mit ihren Händen auf den Knien ab, nachdenklich begutachtete sie den Boden.

„In der Tat. Vielleicht sollten wir es nicht hier machen. Wir werden eine Weile lang erstarren, das könnte bei der Rückkehr unbequem sein. Komm, lass uns in dein Bett gehen!“

Ohne auf eine Reaktion zu warten, tänzelte sie zu der kleinen Treppe, welche zu der Galerie hinauf führte.

Philipp sprang schon fast panisch auf und versuchte noch nach ihr zu greifen. „Was? Mein Bett? Reden wir hier noch von diesem in die Seele blicken, oder was? Außerdem, was soll das mit der Rückkehr? Sag nicht wir reisen schon wieder durch irgendwelche Welten!“

Ihr Kopf ragte über das Brett das zum Schutz angebracht worden war, damit er beim schlafen nicht versehentlich in die Tiefe purzelte. Ungeduldig winkte sie ihn zu sich hinauf.

„So ein Quatsch! Wir bleiben hier, wieso sollten wir denn irgendwo hin reisen?“

Wenn sie glaubte, mit ihm irgendwelche Spielchen zu spielen, hatte sie sich gewaltig geirrt. Fluchend kletterte er in Windeseile die kleine Treppe hinauf, und deutete oben angekommen mit dem Zeigefinger auf sie, während er in geduckter Haltung auf sie zu rauschte.

„Jetzt hör mir mal zu! Ich weiß das du meine Fragen mit Absicht ignorierst und so tust als ob du nicht verstehen würdest was ich dir sage, aber so läuft das hier nicht Fräulein!“

Lilly griff nach seinem Zeigefinger und zerrte ihn grinsend auf die weiche Matratze. „Du musst keine Angst haben Philipp. Ich werde dir nicht weh tun. Und wenn es irgendwas gibt was dir peinlich ist, verspreche ich es nicht weiter zu erzählen.“

Direkt vor ihr ließ er sich auf den Knien nieder und versuchte heimlich sie mit seinem Blick zu töten, was leider nicht funktionierte. Grob entriss er ihr seinen Zeigefinger.

„Darum geht es doch gar nicht. Du hast selbst gesagt es ist etwas sehr intimes! Schön für dich wenn du bereit bist mir alles von dir offen zu legen, aber wer sagt denn das ich das selbe will?“

Die Klarheit in ihren freundlichen Augen und ihren direkten Worten zogen ihm den Boden unter den Füßen fort.

„Du hast zu mir gesagt das es nichts zu bedeuten habe, als du mich im Krankenhaus geküsst hast. Aber du hättest das sicher nicht getan wenn du mich nicht zumindest ein wenig mögen würdest, richtig?“ Ihr Lächeln wurde breiter als sie keine Antwort bekam.

„Außerdem hast du heute viel für mich riskiert und dich auf unserer Reise immer für mich eingesetzt.

Sogar als wir uns kaum kannten und ich mich als dein Gast eingeladen habe, hast du alles für mich getan und immer dafür gesorgt das ich mich wohl fühle.

Wie ich dir für alles jemals danken soll, weiß ich noch nicht. Aber es ist das mindeste dir mein volles Vertrauen entgegen zu bringen und dir alles was ich habe offen zu legen.

Du hast dabei nichts zu verlieren.“

Wieder griff sie nach seiner Hand ohne den Blick von seinen starren Augen zu nehmen. Er taxierte sie ganz genau während sein Verstand gerade ihr Gesagtes verarbeitete. Ihre Worte berührten etwas in ihm, das er sicher verschlossen geglaubt hatte, etwas dem niemand mehr zu nahe kommen sollte. Seinem Herz. Das gefiel ihm ganz und gar nicht, und doch wirkte nichts in diesem Moment falsch. Was diese Verbindung zu bedeuten hatte, wusste er nicht, nur das es nicht unangenehm sein könnte, diese Verbindung zu ihr zu haben.

Philipp ließ schweigend zu das sie seine Hand an ihre Seele führte und eine ihrer Hände darüber legte. „Fürchte dich nicht vor dem was du siehst, dir kann kein Leid geschehen.“

Das letzte was er sah, war wie sich ihre Augen schlossen.

Ein angenehmes Prickeln kitzelte seine Handinnenfläche die auf dem Bernstein unter ihrem Schlüsselbein auflag. Sanftes, grünes Licht hüllte ihn ein, schien ihn an einen anderen Ort zu tragen.

Der Geruch von Rauch stieg ihm in die Nase, wurde immer stärker, bis er schließlich ein helles Leuchten inmitten des Grün wahrnahm.

Philipp blinzelte einige Male und plötzlich befand er sich in einem dichten Wald wieder. Die Bäume waren riesig, es war nicht auszumachen wie weit sie in den Himmel hinauf ragten. Violette Pilze wuchsen an den Stämmen der Bäume und strahlten ein sanftes Leuchten aus. Von den Baumkronen hingen lange Lianen in die Tiefe die einige Meter über ihm endeten. Obwohl es Nacht war, konnte er alles um sich herum deutlich erkennen. Als sein Blick einen schmalen Pfad vor sich verfolgte, wusste er auch weshalb.

Hungrig fraß sich ein Feuer durch den dichten Wald und schlug seine Flammen hoch hinaus. Schreie drangen an sein Ohr und wütende Rufe gellten durch die Idylle.

Ohne zu wissen wieso, rannte er in die Richtung aus der das Feuer kam, irgendwas schien ihn dort zu sich zu rufen. Der Geruch von Rauch wurde immer drängender und brannte in seinen Lungen.

Die Hitze schlug ihm entgegen als er einem brennenden Baum auswich und auf eine kleine Lichtung stolperte.

Wenn man ihn gefragt hätte, ob er noch mehr Grauen an diesem Tag ertragen konnte, hätte er mit Nein geantwortet. Aber da war niemand der ihn gefragt hatte, es bot sich ihm einfach.

An ihm rannten Männer und Frauen in schweren Stahlrüstungen vorbei, an ihren Schwertern klebte frisches Blut, und auf ihren Gesichtern spiegelte sich wilde Entschlossenheit wieder.

Manche von ihnen zischten so dicht an ihm vorbei, das sie ihn um ein Haar über den Haufen gerannt hätten, aber sie schienen ihn nicht mal zu beachten.

Die Menschen stoben durch das Unterholz und schlugen mit ihren Waffen auf alles ein was sich bewegte. Überall hörte er das Schreien von Siegern und das der Sterbenden.

Ein blaues Licht erhellte den Wald rings herum und die Soldaten brüllten wild Befehle durcheinander. Jemand schrie Lillys Namen, jemand, dessen Stimme er kannte.

So schnell Philipps Beine ihn trugen, rannte er in die Richtung aus der er die Rufe vernommen hatte. Wieder brach ein blauer Feuerball durch das Unterholz und erwischte zwei Männer unweit von ihm.

Ihre Schreie bohrten sich in seinen Verstand als sie zu Boden gingen und ihre Körper immer mehr in sich zusammen fielen. Seine Augen weiteten sich, als Xii hinter einem großen Baum auftauchte und einem weiteren Angreifer mit den Klauen das Gesicht zerfetzte.

Die Janama atmete schwer, an ihrem Körper klebte überall Blut. Nicht nur ihr eigenes.

„Xii!“ Er rief ihren Namen, aber sie hörte ihn nicht. Stattdessen schrie sie immer wieder Lillys Namen und blickte sich panisch um.

Fluchend kehrte sie um als ein riesiger Ansturm Menschen auf sie zu kam.

Philipp versuchte ihr zu folgen, doch plötzlich begann die Welt um ihn herum sich zu verändern. Alles schwankte und deformierte sich.

Der Boden begann zu beben, das Weinen eines Kindes drang an sein Ohr und als er wieder etwas vor sich erkennen konnte, entdeckte er sie sofort.

Lilly hockte in einer kleinen Senke, direkt unter den massiven Wurzeln eines riesigen Baumes. Sie konnte nicht älter als sechs oder sieben Jahre alt sein. Bitterlich weinend hatte sie ihre Arme um beide Beine geschlungen und nah an ihren Körper heran gezogen.

Zwei Männer in Rüstung eilten mit erhobenen Schwertern heran und stockten als sie das Kind sahen. Auf ihren Gesichtern bildeten sich ein grausames Grinsen, sie flüsterten irgendwas das Philipp nicht verstehen konnte.

Mit langen Schritten gingen sie auf Lilly zu, einer von ihnen ließ das Schwert in seiner Hand kreisen.

Wut kochte in Philipp hoch, er rannte auf die beiden zu. „Hey! Wagt es nicht ihr etwas zu tun! Sie ist doch noch ein Kind verdammt!“

Doch die Männer schienen stumm für seine Worte zu sein.

Philipp erreichte Lilly vor ihnen, er schrie sie an, sie solle doch weglaufen, er versuchte nach ihrem Arm zu greifen, aber seine Hand fasste ins Leere.

Natürlich, dies war eine Erinnerung, er war eigentlich gar nicht hier.

Einer der Soldaten hob sein Schwert und holte für einen Schwung aus mit dem er das Kind erschlagen wollte, Philipp schlug das Herz bis zum Hals.

Plötzlich tauchte ein Schatten vor ihm auf, er musste von der kleinen Erhebung über ihm hinunter gesprungen sein. Schützend ging der Fremde vor Lilly in die Hocke und hob einen Arm zum Schutz über sein Gesicht.

Die Klinge des Schwertes grub sich tief in seinen Arm und die beiden Soldaten rissen überrascht ihre Augen auf.

Lilly sprang auf die Beine und rief laut. „Papa!“

Der Fremde streckte seine freie Hand nach ihr aus und blickte über die Schulter. „Bleib.“ Das Kind gehorchte.

Als er sich mit einem Ruck erhob, holte er mit seinem Arm aus, in dem das Schwert steckte, und schleuderte den Menschen, der es nicht los lassen wollte, somit zur Seite.

Philipp trat aus dem Schatten um ihn besser betrachten zu können.

Sein Atem stockte. Die Arme von Lillys Vater bestanden, wie einer von Ooku, aus Holz. Auf seinem Kopf thronte ein riesiges Geäst, geschmückt mit vielen grünen Blättern.

Fast sein ganzer Körper war mit Rinde überzogen, nur ein Stück seiner Brust war noch frei, und die Hälfte seines Gesichts.

Überall an seinem Körper wuchsen Blätter, groß und klein, dazu Moos und sogar einen Pilz meinte er an seinem Arm wachsen zu sehen.

Er riss an dem Schwert das sich tief in seine Borke gegraben hatte und zog es heraus. Zähes Harz floss aus der Wunde und tropfte zu Boden.

Der zweite Soldat ging mit erhobenem Schwert einige Schritte zurück und spie auf den Boden.

Lautes Gebrüll kündigte eine ganze Truppe von vielleicht zwölf weiteren Soldaten an die durch das Unterholz gelaufen kamen.

Kleine Erdbrocken rieselten an der Böschung hinunter, Ooku sprang das kurze Stück hinab, hielt sich an einer Wurzel fest und stellte sich neben seine Schwester. Mit Furcht in den Augen schaute er auf den Rücken seines Vaters.

Philipp schätzte ihn vielleicht auf ungefähr vierzehn Jahre, sein Körper war noch nicht mit Rinde bewachsen und die Äste auf seinem Kopf waren kaum mehr als kleine Stängel.

Der Vater der beiden bäumte sich vor den Soldaten auf und ballte die Hände zu Fäusten.

„Ihr seid in unseren Hain eingedrungen um zu töten.

Aber an dieser Stelle endet euer Weg. Weiter werdet ihr nicht kommen. Daher sage ich es euch ein letztes Mal im Frieden. Kehrt um, und betretet nie wieder diese Wälder.“

Er erntete als Antwort ein lautes Lachen, und Verhöhnung. Einer der Soldaten gab einen Befehl woraufhin alle anderen ihre Schwerter blank zogen.

Langsam drehte der Ellydren seinen Kopf nach hinten und lächelte seine Kinder an.

„Ooku, nimm Lilly und geh nach Norden, du findest dort eure Mutter. Dreh dich nicht um, und hör nicht eher auf zu laufen, ehe du dort angekommen bist. Versprich es mir.“

„Aber...“

„Ooku. Versprich es mir.“

Der junge Ellydren nickte und nahm seine Schwester hoch, sie fing sofort wieder an bitterlich zu weinen und streckte ihre kleinen Hände nach ihrem Vater aus.

Er schenkte ihr noch ein Lächeln, dann rannten die Soldaten auf sie zu.

Ooku riss sich aus seiner Starre und rannte so schnell er konnte die Böschung hinauf. Oben angekommen begann der Boden zu beben und er brach das Versprechen das er eben noch gegeben hatte.

Er drehte sich um.

Auf eine Armbewegung des Vaters hin, schossen dicke Wurzeln aus dem Boden und pfählten drei der Soldaten augenblicklich. Sie gingen durch die Rüstungen hindurch, als seien sie aus Butter.

Einige der Angreifer wichen aus und rannten weiter.

Zwei weitere fielen den Wurzeln zum Opfer bis die ersten ihr Ziel erreichten. Der Ellydren duckte sich unter einem Schwerthieb hindurch, und holte ohne zu zögern zu einem Faustschlag aus.

Er traf seinen Angreifer mitten ins Gesicht, Philipp konnte genau das Knirschen der berstenden Knochen hören bevor der Soldat mit zerschmettertem Gesicht zu Boden ging.

Ooku und Lilly starrten auf das Gemetzel hinab, unfähig einen Ton sich zu geben oder sich zu bewegen.

Ihr Vater kämpfte mit allen Mitteln, aber die Übermacht der Menschen wurde ihm zum Verhängnis. Einer von ihnen schaffte es unbemerkt einen Bogen zu laufen und sich hinter ihn zu schleichen.

Während der Ellydren den Schwerthieben vor sich auswich, bohrte sich eine Klinge durch seinen Rücken. Ihre Spitze ragte, mit klebrigem Harz versehen, aus seiner Brust wieder heraus.

Unter einem Ächzen ging er zu Boden. Ein Soldat der direkt vor ihm stand, zögerte nicht lange und schlug ihm mit einem mächtigen Hieb den Kopf von den Schultern.

Triumphierend brachen sie in Jubel aus und frönten schon welche Macht wohl seine Knochen haben würden.

Philipp erinnerte sich an die Geschichte die Lilly ihm einst erzählt hatte. Das die Menschen ihr Volk jagten weil sie glaubten der Knochenstaub von Ellydren könnte alle Krankheiten heilen, manche glaubten sogar an das Geschenk des ewigen Lebens.

Die Freude der Soldaten wurde jäh im Keim erstickt als plötzlich zwei blaue Feuerbälle auf sie zu rasten und ihrem Leben ein Ende setzten.

Ooku stand noch immer an Ort und Stelle, den starren Blick auf den leblosen Körper seines Vaters gerichtet. Jemand packte ihn, und er schrie vor Schreck auf.

Xii war schwer verletzt, Blut lief an ihrer Seite hinunter und Philipp konnte eine Stichwunde an ihrem Rippenbogen erkennen. Sie drückte die beiden Kinder an sich und rannte sofort los. Ooku schrie das er bei seinem Vater bleiben wollte und sie ihn wieder los lassen sollte.

Beide Kinder sahen über die Schulter der Janama, auf den Kampfplatz wo ihr Vater gefallen war, bis er langsam aus ihrem Blickfeld verschwand. Philipp schloss sich ihnen an.

Das Gebrüll in den Wäldern nahm zu, von überall hörte man die Rufe der Menschen und immer mehr Ellydren schlossen sich der Flucht vor der Übermacht an.

Sie kamen an einen kleinen Fluss, den man mit einem beherzten Sprung mühelos überwinden konnte. Am anderen Ende des Ufers, in einigen Metern Entfernung, stand eine ganze Schar Ellydren, die Arme ausgebreitet, und jeder summte eine Melodie im gleichen Rhythmus.

Eine der Ellydren stach aus der Mitte hervor.

Ihr ganzer Körper war vollkommen mit Rinde bedeckt, nicht ein Flecken Haut war mehr zu erkennen. Erst beim zweiten Blick fiel Philipp auf, dass ihr langes Haar aus Gras bestand, welches sich im Wind raschelnd bewegte.

Von ihren Schultern fort wachsend, schlängelten sich kleine Äste ineinander. An diesem Geäst fielen dutzende Stränge ab, bis hin auf den Boden. Durch die vielen kleinen Blätter die daran wuchsen wirkte es als würde sie einen Umhang aus Efeu tragen.

Ihre gesamte Gestalt hatte etwas erhabenes, unterstrichen wurde es von etwas das sie in ihrer rechten Hand trug. Dem Stab Morendras.

Mit einem Ruck öffnete sie die Augen, sie erstrahlen in einem hellen gelb, wie Bernsteine. Plötzlich ging eine Art Druckwelle von ihr aus. Kleine Äste und Blätter wurden rings um sie herum aufgewirbelt.

Xii rannte hinter die Reihe Ellydren und setzte die Kinder ab. Sie wollte sich umdrehen und dafür sorgen das noch genug Ellydren die Flucht gelang, und einige Menschen heute für ihre Taten büßen sollten.

Sie stockte als jemand ihren buschigen Schwanz mit beiden Armen fest umklammerte. Xii blickte an sich hinab und starrte in die Augen von Lilly, sie waren rot von all den Tränen.

„Geh nicht...“

Noch jemand klammerte sich an ihr Bein, als wäre es der letzte Halt in seinem Leben. Xiis Schultern sanken. Ooku drückte sein Gesicht in ihren Schoß und fing bitterlich an zu weinen. Vorsichtig ging sie in die Hocke und wieder drückte Lilly feste ihren Schwanz.

„Geh bitte nicht.“ Xii streichelte ihr sanft über den Kopf und zog beide Kinder in eine feste Umarmung, als sie sich auf den Waldboden kniete. Ihre Stimme war weich und voller Fürsorge.

„Habt keine Angst. Ich bleibe.“ Die beiden kleinen Ellydren drückten sich an sie und schluchzten bitterlich. Lilly flehte immer wieder das ihr Papa doch wieder aufstehen, und zu ihnen zurück kommen soll.

Xii biss sich so feste auf die Unterlippe das sie Blut schmecken konnte, sie hob langsam den Blick zu der Horde Menschen die gerade auf den Fluss zu rannten.

Philipp erkannte ihren Blick, mit diesen Augen aus kaltem Eis und purem Hass, hatte sie ihn anfangs auch angesehen.

Zu den Füßen der erhabenen Ellydre mit dem Stab Morendras in ihren Händen, bildete sich ein dichter Nebel am Flussufer.

Die Menschen sprangen über das Gewässer und rannten mit erhobenen Schwertern in den Nebel hinein. Ihr Ziel, die Ellydren, fest im Blick. Doch statt durch den Nebel hindurch zu gehen, drehten sie sich herum und rannten den Weg wieder zurück den sie gekommen waren.

Verwundert sahen sie sich an, versuchten es noch einmal. Das Ergebnis blieb gleich.

„Meine Kinder...“, die Ellydre drehte sich um, sah von Gesicht zu Gesicht. „Wir haben heute viel verloren durch die Gier der Menschen. Unsere heilenden Hände waren ihnen nicht Geschenk genug.

Doch dies ist unser Heim. Niemals wird auch nur einer von ihnen wieder einen Fuß hinein setzen.

Das ist ein Versprechen an euch alle.“

Niemand brach in Jubel aus. Viele sahen einander an, oder weinten um die, die sie verloren hatten.

Der Blick der Ellydre traf Xii, sie wirkte sichtlich erleichtert. Stumm blickten sie eine Weile lang an, dann schüttelte Xii den Kopf.

Feste klammerte sich die Hand der Ellydre an den Stab Morendras, sie wandte den Blick ab und starrte zurück zu den Menschen die noch immer versuchten einen Weg durch den Nebel zu finden.

Sie bat einige von jenen, die mit ihr den Kreis gebildet hatten die überlebenden von hier fort zu bringen.

Langsam ging sie zu Xii. Die Kinder blickten zu ihr auf. „Mama!“ Sofort pressten die Beiden sich an sie und weinten noch bitterlicher. „Ihr seid nun in Sicherheit.“ Die Ellydre beugte sich hinunter und küsste sie sanft. Dabei ließ sie eine Hand über ihren Köpfen schweben, violettes Puder rieselte hinab. „Alles wird gut meine Kleinen.“

Nur wenige Sekunden später fielen die Kinder in einen tiefen Schlaf.

„Xii bitte passe auf sie auf.“

„Hüterin?“ Xii sah verwundert zu dem Oberhaupt des Waldvolkes auf, doch sie bekam keine Antwort.

Als nur noch sie beide mit den schlafenden Kindern zurück geblieben waren, hob die Hüterin eine Hand zu den Baumkronen empor.

Leise sprach sie ein paar Worte und plötzlich brach Chaos in den Reihen der Menschen aus. Hunderte von Vögeln taumelten in die Tiefe und stürzten sich auf ihre Beute.

Krallen und scharfe Schnäbel fügten tiefe Wunden zu, unter panischen Schreien versuchten die Menschen den Vögeln mit Schwerthieben den Gar auszumachen.

„Hüterin! Was habt ihr vor?“

Xii drückte die beiden Kinder an sich und ging einige Schritte vor.

In den Augen der Ellydre lag tiefer Schmerz und unendliche Trauer als sie ihr über die Schulter hinweg einen Blick zuwarf.

„Ich hole meinen Mann nach Hause. Auch wenn ich nichts mehr für ihn tun kann, ihren Händen will ich ihn nicht überlassen. Und auch keinen anderen den ich noch zu finden vermag.“

Mit diesen Worten rannte sie den kleinen Hügel hinab, auf das Ufer und den Nebel zu. Als sie in die Reihen der Menschen eintauchte, versuchten einige von ihnen sie aufzuhalten, während sie sich noch immer gegen die Attacken der Vögel wehrten.

Im Rennen breitete die Hüterin ihre Hände aus, er Efeu ihres Umhanges begann zu blühen und feine Pollen verloren sich hinter ihr.

Jeder der sie einatmete ging röchelnd zu Boden und wand sich unter Qualen, in dem verzweifelten Versuch wieder atmen zu können.
 

Plötzlich waberte die Welt um Philipp herum und schien sich wieder zu deformieren. Bilder rauschten an ihm vorbei, viel zu viele als das er sie sich alle merken konnte. Eine tiefe Wärme hüllte ihn ein, berührte sein Herz und jede Faser seines Bewusstseins. Tiefe Zuneigung durchflutete ihn, löste in ihm den Wunsch aus, nie wieder diesen Ort zu verlassen.

Er konnte es nicht erklären, er wusste einfach das diese Zuneigung ihm galt, und von wem sie kam.

Es schien wie eine Ewigkeit zu sein, das er in dieser Wärme ruhen durfte, zeitgleich auch wie ein viel zu kurzer Augenblick.

Sein Körper schwankte und träge drang die Erinnerung zu ihm durch wie er seine Augen wieder öffnen konnte. Er lag mit dem Rücken in den weichen Kissen seines Bettes und sah Lillys lächelndes Gesicht über sich. Sie hielt seine Hand noch immer auf ihre Seele gedrückt.

Wie benommen stützte er sich auf einem Ellenbogen ab, nun gab sie seine Hand frei.

Keuchend fasste er sich an die Stirn, es kam ihm alles wie ein langer, unwirklicher Traum vor.

„Einst lebten wir dicht an den Siedlungen der Menschen. Seite an Seite. Sie respektierten uns, und immer wenn jemand von ihnen schwer krank war, kamen sie in unsere Wälder, um unseren Segen zu empfangen.

Niemals verweigerten wir ihnen ihre Bitten. Doch dann bekamen immer mehr Menschen Kenntnis von uns, kamen scharenweise in unsere Wälder. Rodeten, um neues Land für sich und ihre Familien zu schaffen.

Einmal kam ein Mann zu uns, seine Frau lag nach einer Fehlgeburt im sterben. Eine Ellydre versuchte sie zu heilen, doch die Frau war dem Tod schon zu nahe. Sie starb, und die Ellydre mit ihr.

Der Mann war so wütend das er durch die Dörfer zog und überall erzählte er hätte von uns Medizin aus unserem Knochenstaub bekommen, das ihm ewiges Leben verlieh.

Natürlich war es eine Lüge, er wusste nicht mit seiner Trauer umzugehen und sie verwandelte sich in Rachsucht.“

Lilly lächelte Philipp an, doch es erreichte ihre traurigen Augen nicht.

„So fing alles an. Über die Zeit machte das Gerücht seine Runde und die Gier wuchs in den Herzen der Menschen. Sie fingen an, uns zu töten als wir ihnen sagten das wir kein ewiges Leben schenken können. Uns glaubten sie nicht.

Dann kam der Tag als der König des Landes alle seine Heere zusammen trommelte und die Jagt auf uns eröffnete.

Was du gesehen hast, ist nur meine Erinnerung. Nur ein kleiner Teil der Schlacht die in unserer Heimat, dem ewigen Hain tobte. Hunderte meines Volkes fanden in dieser Nacht den Tod. Nicht einmal sechzig von uns überlebten.

Wir wollten nicht kämpfen, nicht töten, wir suchten eine friedliche Lösung. Bis es zu spät war.

Der Bann der Hüterin, meiner Mutter, besteht noch heute. Niemand kann unseren Hain betreten, wenn wir es nicht wollen. Und wir können nicht hinaus. Außer die Hüterin lässt uns. Was sie nie getan hat, außer als Ooku sich auf die Suche nach mir machte.

In all den Jahren haben wir uns nicht erholt, unsere Zahl schrumpft langsam, immer dann wenn jemand seinen Körper an den Symbionten in uns abtreten muss. Ich bin die jüngste unseres Volkes, nach mir gab es keine Kinder mehr. Der Schrecken sitzt zu tief, niemand kann vergessen. Auch wenn es schon über hundert Jahre her ist.“

Ihre Brust hob und senkte sich als sie tief durchatmete, die Augen gesenkt strich sie über eines von Philipps Kissen.

„Die Einstellung meines Bruders und Xii teilen viele. Hass hat sich tief in ihnen verwurzelt.

Ein Gefühl das unserem Volk früher fremd war, bei den Meisten ist es aber die Angst die sie lähmt.

Sie wollen das es so bleibt, aus Furcht alles könnte sich wiederholen.“

Philipp hatte ihr schweigend zugehört. Etwas in seiner Brust war wie zugeschnürt, nun verstand er endlich was Ooku damals gemeint hatte, als er sagte, er würde alles verstehen wenn er in Lillys Seele blickte.

Für ihn war es, als wäre er damals, in dieser Nacht, wirklich da gewesen. Er sah den Schrecken in den Gesichtern der Ellydren und die Gier in den Augen der Menschen.

„Lilly...“, er setzte sich noch weiter auf und umfasste einen ihrer Oberarme. „Warum um alles in der Welt, wolltest du die Menschen kennen lernen. Ihnen eine zweite Chance geben?

Nachdem was sie euch angetan haben! Was sie deinem Vater angetan haben!“

Lilly hob ihren Blick und lächelte ihn wieder an.

„Mein Vater lehrte mich das alle Geschöpfe auf der Welt gleich seien. Das niemand von uns unfehlbar sei, und Fehler macht. Er sagte immer, auch als die Menschen begannen uns zu jagen, dass das größte Geschenk sei, was du jemandem machen kannst, die Vergebung seiner Fehler sei.

Die Menschen die in unsere Wälder kamen, waren nicht alle grausam, es war nur ein kleiner Teil.

Jeden Tag sprach er von dem Glück in ihren Augen, ihrer Freude und ihrem Dank, wenn wir ihnen helfen konnten.

Ihm war das immer wichtiger als der Hass und der Gier die sie uns entgegen brachten.

Ich liebte meinen Vater sehr, er war mein Vorbild, und seine Worte leiteten mich. Heute noch. Manchmal ist mir, als würde ich seine Stimme hören, das er mir sagt das ich richtig daran tue den Glauben in die Menschen nicht zu verlieren.“

Lilly hob ihren Blick zu dem Fenster in der Dachschräge direkt über ihnen. Der Mond schien so hell das sie kein Licht brauchten um klar zu sehen.

„Die Zeit in deiner Welt hat mich die Vielfältigkeit von euch Menschen gelehrt. Morendras hat mich aus gutem Grund hier her gesandt.

Auch auf eurem Planeten bekriegen sich die Menschen aus der Gier nach Macht. Aber noch viel mehr kämpfen für den Frieden. Ihr liebt einander wie ich es bei unserem Volk noch nie gesehen habe.

Ich will genau Das unserem Volk zeigen.“

Ihre Unterlippe begann zu beben, Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln. Philipp blickte sie schweigend an. Als er nach kurzem Zögern versuchte sie in den Arm zu nehmen, drückte sie ihm eine Hand auf die Brust, um ihn daran zu hindern.

Sie sah ihn an, schaffte es die Tränen zu unterdrücken und den Kloß in ihrem Hals hinunter zu schlucken.

„Alles habe ich versucht. Mit jedem unseres Volkes habe ich gesprochen aber da ist niemand der so denkt wie ich. Manchmal stehe ich kurz davor aufzugeben, weil ich das Gefühl habe einen Kampf gegen Windmühlen auszutragen.

Nachdem was Shorana getan hat, nachdem was ich tat als ich Morendras einfach gestohlen habe, wird es nicht einfacher. Ooku und Xii werden jedem erzählen was geschehen ist, und die Angst und der Zorn werden noch tiefere Wurzeln schlagen.

Ich habe Angst zurück zu kehren, weil ich fürchte alles noch schlimmer gemacht zu haben. Das unser Volk mit der Zeit verschwindet und wir nicht einmal mehr als Erinnerung in unserer Welt existieren werden.“

Philipp sah einen Moment mit an wie sie wieder gegen die Tränen kämpfte.

Seit der ersten Minute in der er sie damals im Park getroffen hatte, musste sie diese Angst mit sich getragen haben. Die Verzweiflung ihrer Tat wurde ihm mit einem Schlag bewusst.

Sie hatte ihn genervt, er wollte sie anfangs immer nur los werden. Irgendwann dachte er sich, er hätte sich an die Nervensäge gewöhnt, doch in seinem Inneren wusste er, da ist noch etwas.

Ihre Heiterkeit, ihr warmes Lächeln, ihre unbeschwerte Art hatten ihn aus seinem Schneckenhaus gelockt. Die Zeit die sie verbracht hatten, war ganz angenehm gewesen, auch wenn er das ganze bis heute nicht recht wahr haben wollte.

Die ganze Zeit über hatte sie hinter ihrem heiteren Äußeren, all ihre Sorgen versteckt gehalten.

Trotz ihrer Gegenwehr, schloss er sie in eine feste Umarmung ein. Lilly gab sich geschlagen, klammerte sich augenblicklich an ihn, und vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter.

Seine Lippen näherten sich ihrem Ohr, und er begann leise zu flüstern.

„Meinst du, du kannst mir etwas versprechen?“

Sie traute sich nicht ihre Stimme zu benutzen, daher nickte sie stumm an seiner Schulter.

„So aussichtslos es auch erscheinen mag, ich will das du niemals aufgibst. Verstanden?“ Als sie ihm keine Antwort gab kniff er sie in sie Seite. Lilly zuckte zusammen und klammerte sich noch fester an ihn. Unter einem leisen Glucksen nickte sie wieder.

Philipp strich eine ihrer Haarsträhnen zur Seite, er kam ihrem Ohr so nahe, das seine Lippen es fast berührten. Er flüsterte kaum hörbar.

„Du solltest gut zuhören, denn ich sage es nur einmal, und das auch nur weil ich dich gar nicht mehr so furchtbar schrecklich finde wie zu Beginn.

Ich bewundere dich für deine Stärke, und ich denke wenn du nicht aufhörst an dich zu glauben, wirst du deinen Traum erfüllen können. Ich für meinen Teil glaube fest an dich.“

Lilly lockerte den Griff in dem Stoff seines Pullovers etwas und schluckte laut. Vorsichtig löste sie ihr Gesicht aus der Versenkung an seiner Schulter und sah zu ihm auf.

In ihren Augenwinkeln glitzerte es noch immer leicht verräterisch, aber das Lächeln auf ihren Lippen war deutlich zuversichtlicher, endlich erreichte es auch wieder ihre Augen.

„Danke.“, hauchte sie ihm leise entgegen während sie ihre Hand auf seine Wange legte.

Langsam griff Philipp nach dem Rahmen seiner Brille, zog sie sich von der Nase, und legte sie vorsichtig zur Seite.

Lillys Finger strichen an seiner Schläfe entlang. „Ich habe es dich schon einmal gefragt, soll ich das wirklich nicht mal heilen?“

Er grinste und schüttelte nur den Kopf. „Nicht nötig. Alles was mir nahe ist, kann ich klar und deutlich sehen.“

Die Ellydre verstand einfach nicht wieso er sich dagegen sträubte. Für ihn würde es doch eine Erleichterung sein, und für sie wären es höchstens ein paar Minuten die sie dafür von ihrer Lebenszeit hergeben musste.

Gedankenverloren grübelte sie noch darüber nach, als eine warme Hand ihre Wange berührte.

Bevor sie wusste wie ihr geschah, spürte sie seinen Kuss.

Ihr Herz machte einen Sprung, es klopfte wie wild. Sie schloss die Augen und legte beide Arme um seinen Hals. Es war so anders als damals im Krankenhaus, als er sich vor lauter überschwänglicher Freude ganz vergaß, und sie geküsst hatte. Bedeutend sanfter.

Viel zu früh lösten sich seine Lippen wieder, den Augenblick wollte sie lieber noch ein wenig auskosten. Nur ein klein wenig.

Bevor er sich auch nur einen Hauch von ihr entfernen konnte, reckte sie das Kinn vor und erhaschte wieder eine Lippen. Mit einem Mal war sein Kuss weniger zurückhaltend, ihr Kopf begann sich zu drehen, sie merkte gar nicht wie er seine Arme um ihren Rücken legte und sie langsam auf die weiche Matratze bettete.

Nur noch ein klein wenig sagte sie sich, wollte sie den Geschmack seiner Lippen bewahren, die tröstende Wärme seines Körpers dicht bei sich wissen und nur noch einen Augenblick lang all die Bilder des Tages vergessen.

Ganz kurz wollte sie noch sein weiches Haar zwischen ihren Fingern spüren, ganz kurz das Gefühl erfahren wie seine Hände über ihre Haut fuhren, verstehen woher dieses Kribbeln kam, und versuchen ihr pochendes Herz wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Ganz kurz, sich noch in der Woge verlieren die sein inniger werdender Kuss mit sich brachte. Nur einen kleinen Augenblick noch...
 

Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch das Dachfenster auf die kleine Galerie und begannen ihn durch die geschlossenen Lider zu wecken.

Philipp murrte und rieb sich müde die Augen ohne sie auch nur ein klein wenig zu öffnen. Er legte sich den Unterarm über die Stirn und rollte sich auf den Rücken. Das Gefühl seiner weichen Matratze war herrlich, genau das hatte er so vermisst.

Wieso hatte er das noch gleich vermisst? Lange musste er nicht überlegen, da fiel ihm ein wo er gestern noch gewesen war, und was er in der fremden Welt alles erlebt hatte.

Die Erinnerung des Abends verscheuchte die düsteren Bilder und ersetzten sie mit etwas viel schönerem, sogar ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Züge.

Träge rollte er auf die Seite und ließ die Hand über das zerwühlte Laken gleiten. Die Seite neben ihm war kalt und leer.

Als hätte man ihn mit einem Eimer Wasser übergossen, schreckte er hoch und war mit einem mal hell wach. Suchend schwenkte er den Kopf hin und her, beugte sich über die Bretter der Galerie und warf einen Blick nach unten, doch Lilly war nirgendwo zu sehen.

Unter einem genervten Stöhnen robbte er auf die Treppe zu und polterte hinunter, ihm fiel auf das der Stab Morendras und das Buch von Shorana fort waren.

„Ernsthaft jetzt?“ Wütend fuhr er sich durch sein Haar, ihm fiel auf dass das Fenster seines Zimmers offen stand. Skeptisch trat er vor und reckte den Kopf um einen Blick nach draußen zu werfen.

„Guten Morgen!“

Philipp kniff die Augen zusammen und beugte den Oberkörper weit aus dem Fenster, die Stimme hatte er schon mal erkannt, jetzt musste er das Fräulein nur noch finden um ihr die Ohren lang zu ziehen. Ein Kichern ließ seinen Blick höher wandern, irgendwas saß da im Walnussbaum vor seinem Fenster, das sie vielleicht von den Umrissen her hätte sein können.

„Was machst du denn da?“

„Ich konnte nicht mehr schlafen, da bin ich raus gegangen um dich nicht zu wecken. Erst habe ich dich eine ganze Weile lang beobachtet, aber ich dachte du könntest deshalb wütend werden.“

Lilly saß auf einem der breiten Äste und hatte sich den Stab Morendras über die Beine gelegt. Sie hielt das Buch von Shorana in die Höhe und winkte damit hin und her.

„Ich wollte gerade in dem Buch blättern. Da bist du schon aufgewacht.“

Philipp kratzte sich am Hinterkopf und fuhr sich mit der Hand durch sein Gesicht. „Warte da, ich komme raus.“ Wieder hörte er ein Kichern und Lilly trällerte ihm heiter entgegen.

„Vielleicht ziehst du dir zuvor aber eine Hose an. Ich meine, seit du an das Fenster getreten bist, kann ich nur noch deinen Nabel sehen, aber vorher...“

„Halt bloß den Mund! Du Früchtchen!“ Er knallte das Fenster zu und zog die Vorhänge zusammen. Erst dann musste er selbst ein wenig schmunzeln und schüttelte den Kopf.

Kleidung und Brille waren schnell zusammen gesucht, auf dem Weg nach unten kratzte er sich den Hinterkopf und geriet plötzlich ins stocken. Gestern hatte er dort noch eine dicke Beule gehabt, auch seine Kopfschmerzen waren fort.

Eilig hastete er an einen Spiegel der im Flur hing und betrachtete den Bereich seines Haaransatzes, die Wunde war ebenfalls verschwunden. Selbst die blauen Flecken die er davon getragen hatten, ließen sich nicht mehr finden. „Na warte...“

Wütend stapfte er hinaus in den Garten wo Lilly gerade von dem Baum hinunter geklettert kam und den Stab wie auch das Buch in weichen Gras ablegte.

„Erst schleichst du dich davon und dann ignorierst du auch noch was ich dir sage! Was denkst du dir eigentlich?“ Verwundert über seinen Zorn blieb die Ellydre wie angewurzelt stehen und legte nachdenklich den Kopf schief.

Ihre Lippen hatten noch keinen Ton von sich gegeben als Philipp seinen Zeigefinger auf ihre Nasenspitze drückte. „Tu nicht so! Du hast mich heimlich heute Nacht geheilt.“

Lillys Mundwinkel zuckten amüsiert. „Tut mir leid, ich war die ganze Nacht beschäftigt. Dazu wäre ich gar nicht gekommen.“

Philipp presste die Lippen feste zusammen als er sah wie sie mit einem Grinsen kämpfte. Er stellte sich wieder gerade hin und betastete seinen Kopf. „Aber alle meine Verletzungen sind weg.“

Lilly hob fragend die Schultern und verschränkte die Hände vor ihrem Schoß, ihre Augen richteten sich auf einen Grashalm vor seinen Füßen.

„Was ich dir nicht erzählt habe, wenn wir Ellydren älter werden, wird das Blut, welches in unseren Adern fließt, zu Harz. Dieses Harz wirkt wie ein Antibiotikum. Wir müssen also nicht immer Magie benutzen wenn wir heilen wollen.“

Genervt breitete Philipp die Arme aus und versuchte einen Blick in ihre Augen zu erhaschen, aber sie wich ihm immer wieder aus. „Und? Was soll mir das jetzt sagen? Ich erinnere mich nicht dein Blut getrunken zu haben.“

Lilly senkte den Kopf noch mehr, mit einem ihrer Füße zog sie einen Kreis auf dem Boden und schürzte die Lippen als sie wieder gegen ein Grinsen ankämpfte.

„Nein. Aber scheinbar, sind noch andere Dinge dazu in der Lage, zu heilen.“ Philipp zog die Stirn in tiefe Falten und hatte langsam genug von ihrem rumgedruckse, dann machte es auch bei ihm Klick.

Schweigen legte sich gefühlte Stunden zwischen sie während Philipp, eine durchaus gesunde, Gesichtsfarbe annahm.

Lilly lächelte ihn fast schüchtern an und zwickte ihn äußerst feste in den Bauch. „Fast hätte ich vergessen mich bei dir zu bedanken. Für deine Worte meine ich.“

Sie stellte sich wieder gerade hin und strahlte förmlich über das ganze Gesicht.

„Das du an mich glaubst, bedeutet mir mehr als du dir vorstellen kannst. Vorhin kam mir ein Gedanke, und ich wusste das ist der Weg den ich gehen möchte.“ Einen großen Schritt ging sie auf ihn zu und ballte beide Hände entschlossen zu Fäusten.

„Der Wunsch nach Frieden überall wird vielleicht auf ewig ein Traum bleiben. Aber nichts kann und wird mich davon abhalten einen friedlichen Platz zu schaffen für jeden der die selben Sehnsüchte hat wie ich. Woher man kommt, oder was man ist, soll dort keine Rolle spielen.“

Philipp riss die Brauen in die Höhe und schob seine Hände in die Hosentaschen.

„Du willst quasi, eine Art Zuflucht bauen? Habe ich das recht verstanden?“

Das Leuchten in ihren Augen nahm zu, sie nickte eifrig und ging aufgeregt einige Schritte auf und ab. „Noch weiß ich nicht wo, und wie ich das ganze bewerkstelligen soll, aber ich werde es tun.

Jeder der einen friedlichen Platz zum leben sucht, soll dort willkommen sein.

Vielleicht werde ich die Welt nicht für alle ändern können, auch wenn ich es gern möchte, dann aber für jeden der auf der Suche nach Frieden ist.“

„Ich will dich nicht bremsen, aber was ist mit den anderen. Du hast gesagt viele Ellydren wollen nicht das sich etwas ändert.“

Mit ihrem Zeigefinger deutete Lilly auf Morendras und grinste ihn frech an. „Ihn werde ich behalten. Morendras hat meine Bitten erhört, das können sie nicht ignorieren.

Der Legende nach soll Morendras jeden Herzenswunsch erfüllen, also wird er mir auch dabei helfen. Ganz sicher. Irgendwie werde ich damit fertig.“

Ihr Enthusiasmus brachte Philipp zum lächeln, sie schien sich wirklich an ihr Versprechen zu halten. Sie würde nicht aufgeben, das wusste er. „Du bist echt ein Sturkopf, und mittlerweile finde ich das auch gar nicht mehr so schlimm.“

Wie bei einem kleinen Hündchen tätschelte er ihren Kopf und lächelte schief.

„Jetzt muss ich erst einmal was richtiges zum Essen haben, und dann machen wir uns Gedanken wie wir dein Vorhaben in die Tat umsetzen.“ Seine Hand steckte er wieder zurück in die Hosentasche, dabei wandte er sich zum gehen ab und fügte noch ein paar Überlegungen an.

„Morgen ist Sonntag, ich werde meinen Eltern einfach sagen das wir einen Ausflug machen. Das sollte uns „Drüben“ ein paar Tage Zeit bringen, und dann müssen wir schauen... Bis zu meinen Semesterferien ist es noch etwas hin. Aber so lange können wir nicht warten, in deiner Welt würde zu viel Zeit vergehen.“

„Du wirst mich nicht wieder begleiten können Philipp.“

Ihre ruhigen, fast trockenen Worte trafen ihn wie einen Blitz. Seine Füße verharrten still, nur langsam gelang es ihm sich zu ihr herum zu drehen. „Was?“

Lilly stand nur einen Steinwurf weit entfernt, vollkommen ruhig, die Hände noch immer vor ihrem Schoß gefaltet, auf ihren Lippen lag der Hauch eines sanften Lächelns.

„Wenn ich gehe, dann allein.“

Ihr Herz krampfte sich zusammen als Philipp, sichtlich wütend wieder auf sie zu kam und direkt vor ihr stehen blieb.

„Das ist jetzt deine Art zu sagen das war´s?! Ist es das?“

Lillys Finger wurden weiß, so feste verschränkte sie diese ineinander. Leicht schüttelte sie den Kopf. „Philipp du hast hier deine Familie, Freunde, deine Vergangenheit, deine Pläne, deine Zukunft. Du kannst das nicht einfach alles wegwerfen.“

In einer herausfordernden Geste breitete er die Arme aus und legte den Kopf etwas schief. „Gar nichts wird hier weggeworfen. Immer wenn ich frei habe kann ich dich doch begleiten, wo soll das Problem liegen?“

Lilly warf einen Blick zurück auf den Stab Morendras, ihre Augen schlossen sich für einen kurzen Augenblick während sie tief Luft holte.

„Nur weil die Reise zwischen unseren Welten jetzt dreimal funktioniert hat, heißt das nicht, das ich Morendras beliebig oft darum bitten kann. Zumindest liegt das außerhalb meiner Vorstellungskraft.

Philipp, ich weiß ja nicht einmal mit Gewissheit ob ich wieder nach Hause zurück komme...“

Er fluchte innerlich, damals hatte er es besser gewusst. Die Mauer, welche er um sein Herz gebaut hatte, müsste noch viel stärker sein. So stark, das selbst er nicht mehr in der Lage gewesen wäre sie einzureißen. Seine eigene Dummheit schürte seinen Zorn, er fühlte sich wie der letzte Narr.

Lilly trat dicht an ihn heran und nahm vorsichtig seine Hand, eigentlich wollte er das sie ihm gar nicht mehr zu nahe kam, aber ein Blick in ihre Augen verriet ihm das auch sie nicht weniger litt als er in diesem Moment. Sie presste kurz die Lippen zusammen, es schien als müsste sie für ihre Worte, all ihren Mut mobilisieren.

„Vielleicht war es dumm, was gestern passiert ist. Aber ich bereue es nicht. Nicht einen Augenblick.

Ich will das du weißt, das ich nichts lieber erbitten würde als dass du mich auf meiner Reise begleitest. Das der Gedanke mich zerreißt dich nie wieder zu sehen.“

Sie schluckte hart und drückte seine Hand so fest das es fast schmerzte, aber sie wollte um nichts in der Welt wieder vor ihm Schwäche zeigen.

„Aber dein Platz ist hier. Ich kann dich dem nicht entreißen.

Denk doch nur an deine Eltern, wenn sie dich nie wieder sehen könnten, würde es ihnen das Herz brechen. Hier, in dieser Welt gibt es so Viele die dich lieben. Auf Dravasuum nur eine.“

Sie konnte in seinen Augen lesen, was er ihr sagen wollte, und klatschte ihm schnell die Hand auf den Mund um seine Lippen zu verschließen.

„Ich... habe meine Gefühle die ganze Zeit so gut verbergen können, und ich weiß, es gibt wahrscheinlich nichts dümmeres als dich jetzt um etwas zu bitten, aber... kann ich diesen einen Tag noch bei dir bleiben?“

Ganz kurz begann ihre Unterlippe zu beben, aber sie schaffte es, das ihr Lächeln die Oberhand gewann.

„Wenn ich gehe... möchte ich das... mich noch viel mehr schöne Erinnerungen begleiten. Bitte.“

Philipp atmete schwer durch seine Nasenlöcher aus, er fand auch dass es das Dümmste war, um das sie jetzt hätte bitten können. Aber noch einen Tag mehr mit ihr zu verbringen, war das Schönste was er sich in diesem Moment vorstellen konnte. Die Gefühle waren da, schon eine ganze Weile, an ihnen würde sich sowieso nichts mehr ändern können.

Gerade wollte er ihre Hand zur Seite schieben, als sie wild den Kopf schüttelte. „Nichts sagen! Nicken oder Kopf schütteln!“

Er musste ein Lachen unterdrücken, und zuckte unschlüssig mit den Schultern. Lilly boxte ihn kaum merklich in die Magengrube, schließlich entschied er sich zu Nicken.

Erst jetzt ließ sie die Hand von seinem Mund sinken und schlang beide Arme um ihn. „Danke.“

Behutsam streichelte er über ihr Haar und schmunzelte. „Du bist echt bescheuert.“

„Ich weiß. Du auch.“

Stumm verharrten sie noch einen langen Augenblick an Ort und Stelle, alles was die Stille störte war das Rauschen des Windes in den Blättern des Walnussbaumes und ein leises Klackern das plötzlich auftrat.

Als Philipp den Kopf hob, sah er dass der Stab Morendras, noch an dem Stamm des Baumes lehnend, begonnen hatte zu zittern als würde der Boden unter ihm beben.

„Lilly! Der Stab!“

Verwundert drehte sich die Ellydre nach ihm um und fragte sich was das Zittern von Morendras zu bedeuten hatte. Plötzlich fingen die kleinen und großen Bernsteine die in den knorrigen Stab eingewachsen waren, abwechselnd an zu leuchten.

Ein paar Schritte eilte sie auf ihn zu, bis plötzlich der Boden unter ihnen einmal heftig bebte.

Die Luft, nur wenige Meter neben Morendras, begann zu flirren als wäre sie glühend heiß.

„Lilly, was hat das zu bedeuten?“ Verunsichert wich sie einige Schritte zurück und schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht! So etwas habe ich noch nie gesehen!“

Die flirrende Luft änderte ihre Farben und es schienen sich Formen aus undeutlichen Schatten zu bilden. Ein starker Wind rauschte über sie hinweg und brachte einen vertrauten Geruch mit sich. Es roch nach Wald, Moos und frischen Blumen, unverwechselbar, wie sie ihn nur aus ihrer Heimat her kannte, dem ewigen Hain.

Das Bild der merkwürdigen Konturen wurde immer deutlicher und bildete ein Oval. Feste Formen bildeten sich, die Philipps Kinnlade runter klappen ließen. Er starrte geradewegs in eine Art Portal in dem er die Frau aus Lillys Erinnerungen klar erkennen konnte. Ihre Mutter.

Und sie war nicht allein. Hinter ihr konnte er schwammig viele Personen ausmachen. Jede sah anders aus, aber keine glich dem menschlichen Äußeren so sehr wie Lilly es tat. Manche hatten eine grünliche Haut, andere hatten keine Haare, nur irgendwelche merkwürdigen Gewächse auf dem Kopf. Bei einer Frau, die eine riesige Rosenblüte auf ihrem Kopf trug, konnte Philipp Dornen überall an ihrem Körper erkennen.

Lilly schnappte nach Luft und ging zögerlich einen Schritt zurück. „Hüterin!“

Die Frau lächelte und neigte den Kopf zum Gruß. Ihr Haar aus feinem Gras wog sich raschelnd in der Brise. Zu ihren beiden Seiten traten sehr bekannte Gestalten heran. Eine zuckte nervös mit ihrem buschigen Fuchsschwanz, der andere verschränkte die Arme vor der Brust und zog ein verächtliches Gesicht. Xii und Ooku teilten nicht das sanfte Lächeln der Hüterin. Ganz im Gegenteil.

„Mein Kind, endlich habe ich dich gefunden. Oder viel besser, ihn gefunden.“, der Blick der Hüterin richtete sich auf Morendras, der prompt aufhörte zu zittern.

Lilly machte einen Satz nach vorn und schnappte sich den Stab, samt des Hexenbuches das sie zu seinen Füßen in das weiche Gras gelegt hatte. Rückwärts ging sie so schnell wie möglich, bis sie dicht an Philipps Seite, einige wenige Meter von dem Portal entfernt, stehen blieb.

Ooku bleckte die Zähne und warf einen Arm wütend in die Luft.

„Seht ihr, Hüterin? Ich habe euch doch gesagt wie starrsinnig sie ist, und das sie sich mit allen Mitteln wehren wird. Sie ist nicht einsichtig, was man auch sagt.“

Ruhig signalisierte das Oberhaupt der Ellydren ihm, wieder runter zu kommen und schenkte ihm einen kurzen, aber ausdrucksstarken Blick. Er verstummte sofort.

Langsam blickte die Hüterin wieder nach vorn zu ihrer Tochter, welche Morendras feste an sich klammerte und sie forschend betrachtete.

„Lillaraya, es hat mich viel Kraft gekostet diesen Weg zu öffnen, und ich weiß nicht, wie lange ich es noch kann. Daher bitte ich dich zu mir zu kommen.

Xii und Ooku haben mir alles erzählt. Wieso du den Stab genommen hast, und was seitdem geschehen ist.

Es ist an der Zeit, den Stab wieder an seinen Platz zu bringen, und deinem Volk zu erklären was du dir dabei gedacht hast.“

Autorität und Macht lagen in jeder ihrer Silben, das sanfte Lächeln war verschwunden und machte einem Ausdruck platz, der keine Widerrede duldete.

„Nein. Ich werde Morendras nicht wieder dahin bringen wo ich ihn geholt habe.“

Ein Raunen ging durch die Reihen der Ellydren, einige verfielen sogar kurzzeitig in eine Schnappatmung.

Lilly trat einen Schritt vor, nur Philipp konnte erkennen wie leicht ihre Hände zitterten.

„Ihr alle werdet wohl schon wissen wieso ich die Menschen aufsuchen wollte, und welche Bitte ich an euch habe. Mir ist auch bewusst das der Großteil von euch denkt ich wäre dem Wahnsinn anheim gefallen und das ihr die Sicherheit des ewigen Hains nicht verlassen wollt.

Ich kann euch versprechen, dass das für mich keine Rolle spielt.“

Irrte sich Philipp oder hatte er gerade die Mundwinkel der Hüterin zucken sehen?! Gerade so als müsste sie ein amüsiertes Schmunzeln zurück halten.

Hinter ihr wurde Getuschel laut, und viele konnten nur den Kopf schütteln aufgrund von Lillys Starrsinn.

„Heute habe ich einen Entschluss gefasst, und ich werde mit allen Mitteln dafür kämpfen das er wahr wird. Mit oder ohne eure Hilfe.“

Sie klemmte sich das Buch von Shorana unter den den Arm und umfasste Morendras mit beiden Händen. Die Hüterin stand starr und ohne Regung da, lauschte stumm den Worten.

„Dein Entschluss lautet?“

„Ich werde einen Ort schaffen wo jeder frei sein kann. Wo er das sein kann was er ist.

Einen Ort des Friedens. Wo niemand mehr fürchten muss gejagt zu werden, nur weil er ist was er ist.“

Eine der Ellydren trat aus den hinteren Reihen vor, es war jene, der kleine Dornen auf der Haut wuchsen.

„Was soll das bringen? Unser Hain ist ein friedlicher Ort für uns. Willst du etwa das wir den Bann brechen? Das wieder Menschen, oder noch viel schlimmeres in unser Heim eindringen?“

Die Ellydre deutete auf Ooku. „Wir wissen von der Hexe, und was sie mit Morendras tun wollte. Du hast ihr den Stab förmlich in die Hände gespielt, Närrin!

Glaubst du wirklich wir lassen zu das du aus deinen wahnwitzigen Entschlüssen heraus bestimmst was aus uns wird? Das wir uns auch abschlachten lassen?“

Philipp trat an Lilly Seite und schob langsam seine Hände in die Hosentaschen.

„Achte mal ein bisschen auf deine Wortwahl. Lilly hat viel für euch alle riskiert. Sie sagt, dass, seit ihr in eurem Exil lebt, keine Kinder mehr geboren wurden.

Also heißt das doch, ihr werdet irgendwann sowieso sterben und verschwinden.“

„Was fällt dir ein!? Du unverschämter Mensch!“

„Mir fällt sogar sehr viel ein.

Lilly hat mir gezeigt was in der Nacht damals geschah, deshalb weiß ich ganz gut wie euch zumute ist.

Natürlich geht ihr ein Risiko ein, wenn ihr euch der Welt wieder öffnet, und wahrscheinlich könnt ihr neunzig Prozent der Menschen kein Stück trauen.“

Lilly warf ihm über die Schulter einen entrüsteten Blick zu, doch er sah weiter in das hasserfüllte Gesicht der anderen Ellydre.

„Als sie mir sagte, sie hat die Hoffnung auf vollkommenen Frieden in eurer Welt, fand ich dass es das Dümmste war, was ich je gehört habe.

Es gibt Menschen, die werden ewig an ihrer Meinung festhalten, Menschen die sich niemals ändern werden. Aber ihr doch auch nicht, wenn ich euch so reden höre, oder?“

Sein Blick streifte die Gesichter von Xii und Ooku.

„Genau deshalb bewundere ich Lilly.

Das es ihr egal ist was ihr denkt, das sie ihren Weg gehen will, selbst wenn sie sich ganz allein gegen euch alle stellen muss.“

Lilly strahlte ihn über das ganze Gesicht an, am liebsten hätte sie ihm für das ein oder andere Wort gegen das Schienbein getreten, aber dass er für sie einstand bedeutete ihr mehr als er sich wahrscheinlich vorstellen konnte.

Die Ellydre trat ein paar Schritte vor, ihre Augen brannten vor Zorn, der augenblicklich erlosch, als sie gegen den ausgestreckten Arm der Hüterin lief.

Auf ihren Zügen machte sich ein breites und durchaus zufriedenes Lächeln breit.

„Dein Vater wäre stolz auf dich Lillaraya. Du kommst ganz nach ihm.“

Totenstille folgte ihren Worten, viele ungläubige Gesichter starrten die Hüterin an, darunter auch Ooku, dessen gesamte Züge entglitten waren.

Xii war die einzige deren Augen auf Lilly ruhen blieben, vollkommen ausdruckslos.

Die Hüterin sprach weiter als sie sich der ungeteilten Aufmerksamkeit aller sicher sein konnte. „Wenn es das ist was du wirklich willst, dann werde ich dir keine Steine in deinen Weg legen. Du kannst Morendras verwahren und dich von ihm leiten lassen. Ich will sehen was hinter deinen Worten steckt.“, ihr Gesicht wurde Ernst. „Solltest du scheitern, werde ich Morendras wieder an mich nehmen, den Bann um unseren Hain wieder errichten, und niemals wieder aufheben. Egal was kommt. Also liegt es nun bei dir.“

Niemand traute sich auch nur ein Wort zu sagen, aber Philipp konnte das blanke Entsetzen in den Gesichtern vieler Ellydren sehen.

Lilly glaubte kaum was sie da hörte, ihr Herz machte einen Sprung vor Glück, sie verbeugte sich vor ihrer Mutter und schloss die Augen. „Danke Hüterin.“

Die Hüterin blickte nun zu Philipp, ein wenig mulmig wurde ihm schon wenn er in ihre klaren Augen aus Bernstein sah.

„Was dich betrifft Mensch, hat mir Xii erzählt das du auf meine Tochter acht gegeben hast, und sogar dein Leben für sie riskiert hast. In eurer, und in unserer Welt. Dafür spreche ich dir meinen tiefsten Dank aus.“

Philipp zog beide Brauen in die Höhe und starrte ungläubig zu der Janama hinüber. Diese verzog ihren Mund zu einem überheblichen Lächeln und stemmte beide Hände in ihre Hüften.

„Bilde dir darauf bloß nichts ein, leiden kann ich dich dennoch nicht.“

„Das beruhigt mich.“

Philipp musste schmunzeln und sah wieder zu der Hüterin als sie die Hand ausstreckte.

Ein seichtes, grünliches Glimmen bildete sich in ihrer Handinnenfläche. Sie führte die Hand an ihre Lippen und pustete sachte das kleine Licht fort, welches sich langsam und träge durch das Portal bewegte. Als es die unsichtbare Barriere hinter sich gelassen hatte, flog es zügig auf Philipp zu.

Ooku riss seinen Kopf herum und zischte der Hüterin zu. „Das kann nicht dein Ernst sein! Ihr gebt diesem Menschen...“, sie hob eine Hand und brachte ihren Sohn sogleich zum schweigen.

„Stellst du mein Urteilsvermögen in Frage Ooku?“

„Nein... Natürlich nicht...“

„Gut.“

Das Glimmen hielt direkt vor Philipps Brust an, er hob zögerlich die Hand, und das Licht senkte sich auf seine Handinnenfläche nieder. Langsam erlosch das Leuchten und enthüllte ein kleines Samenkorn.

Lilly riss überrascht die Augen auf und sprach mit ehrfürchtigem Ton zu ihm, ohne den Samen aus den Augen zu lassen.

„Das ist ein Samenkorn von Morendras! Wir haben nur wenige von ihnen in unserem Besitz. Philipp... noch nie hat jemand solch ein Samenkorn von der Hüterin bekommen.“

Philipp blinzelte erst seine Freundin an, dann die Hüterin. Sie erkannte die Frage in seinem Blick und sprach. „Wenn du ihn in fruchtbare Erde bettest, ihn hegst und pflegst, wird ein Baum daraus wachsen. Die Früchte die er tragen wird, können jede Krankheit, jedes Leid heilen.

Das ist mein Geschenk an dich. Doch wenn du dich nicht um ihn kümmerst, wird der Baum vergehen. Er kann keine weiteren Samen tragen, also vergiss meine Worte besser nicht.

Außerdem wird er bei niemandem Wirkung haben, der nicht von deinem Blut ist. Es ist ein Geschenk an dich, nicht an die gesamte Menschheit.“

Philipp stockte der Atem, dieses Geschenk war das kostbarste was man auf dieser Welt besitzen konnte, dessen war er sich bewusst.

„Ich weiß nicht was ich sagen soll. Danke, kann nicht einmal ansatzweise ausdrücken was ich fühle.“ Die Hüterin nickte und schenkte ihm wieder ein Lächeln.

„Manchmal bedarf es keiner großen Worte. Du hast auf etwas Acht gegeben was mir mehr bedeutet als mein Leben. Ich kann sehr gut verstehen was du mir sagen möchtest.“ Langsam sah sie weiter zu ihrer Tochter und nickte ihr zu.

„Es ist Zeit Lillaraya. Lange kann ich die Verbindung zu Morendras nicht mehr aufrecht halten. Komm.“

Lilly umfasste mit beiden Händen fest den Stab. Seine Bernsteine leuchteten noch immer, aber deutlich schwächer. Eine warme Hand legte sich auf ihren Oberarm. Sie hob den Blick zu Philipps Gesicht.

„Darüber hatten wir ja schon gesprochen. Dann sieh zu das dir die Tür nach Hause nicht vor der Nase zugeschlagen wird.“

In Lillys Augenwinkeln bildeten sich Tränen und rollten stumm an ihren Wangen hinab, sie schluckte einige Male bevor sie ihre Stimme wieder fand.

„Ich weiß nicht, was Zufall war, oder was Morendras dazu bewegt hat mich an diesen Ort zu entsenden, aber ich bin froh, das ich dich kennenlernen durfte Philipp.

Auch wenn ich finde das die Zeit viel zu kurz war, bin ich für jede Minute dankbar die ich mit dir verbracht habe.

Versprichst du mir... das du... mich nicht vergisst?“ Sie blinzelte eilig ein paar Tränen fort, die es wagten ihren Blick zu verschleiern. Die es wagten den Blick auf sein Lächeln zu trüben.

„Wie könnte ich denn so etwas durchgeknalltes wie dich jemals vergessen. Eigentlich ist es das, was mir Sorgen bereitet.“

Lilly biss sich auf die Unterlippe um ein Schluchzen zu unterdrücken, sie legte Morendras und das Buch vorsichtig auf dem Boden ab. Schwungvoll fiel sie ihm um den Hals und vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter. So fest sie konnte klammerte sie sich an ihn, atmete seinen Duft ein, aus Angst dass das Erinnern an ihn irgendwann verblassen könnte.

Ihr schien, das es ihm nicht anders gehen musste, so fest wie er sie an sich drückte. Sie spürte die Berührung seiner Lippen an ihrem Ohr, jedes seiner Worte das er ihr zuflüsterte, brannte sich unwiderruflich in ihre Gedanken ein.

Keuchend stieß sie einen tiefen Atemzug aus und hauchte leise zurück. „Ich dich auch.“

Hätte er sie nicht behutsam von sich gedrückt, hätte sie den Schritt wohl niemals allein getan. Sie sah zu ihm auf und wehrte sich nicht dagegen als er ihre letzten Tränen mit den Daumen fort wischte. Hinter ihr drängte ihre Leibwache. „Lilly! Beeilt Euch! Das Portal!“

Mit pochendem Herzen stellte Lilly sich auf die Zehenspitzen und küsste Philipp ein letztes Mal.

Rasch hob sie Morendras und das Buch auf, und ging einige Schritte rückwärts.

Philipp schob beide Hände in seine Hosentaschen, sie sollte nicht merken wie sehr sie zitterten.

„Mach deine Sache gut, du Früchtchen, sonst suche ich einen Weg zu dir, nur um dir den Hintern zu versohlen. Versprochen.“

Lillys Lachen erstickte in einem Schluchzen, sie ging rückwärts so schnell sie konnte und schüttelte den Kopf. „Bring mich nicht in Versuchung!“

Sie wirbelte herum und rannte auf das kleiner werdende Portal zu. Mit einem beherzten Sprung schaffte sie es hindurch und wurde von den Armen ihrer Leibwache aufgefangen.

Xiis Gesicht begann zu flimmern als sie den Blick auf Philipp richtete.

„Wenn es dich beruhigt. Sie wird nicht allein sein. Ich bin zwar nicht begeistert, aber ich werde sie immer unterstützen. Nicht weil ich muss, sondern weil ich will.“

Ooku seufzte erleichtert und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. Genervt verdrehte er die Augen. „Kleine Schwester, du machst echt immer nur Ärger. Da habe ich sowieso keine andere Wahl als auf dich aufzupassen.“

Lilly lächelte den beiden dankbar zu, sie wusste das vor ihr ein steiniger Weg lag. Hinter ihr flüsterten alle Ellydren durcheinander und taten ihre Befürchtungen und ihre Zweifel Kund.

Aber sie trug die Zuversicht in ihrem Herzen diese Herausforderung meistern zu können. Sie war nicht allein, da waren ein paar in ihrer Welt die an sie glaubten, und einer, Unzählige Galaxien entfernt, der ebenfalls an sie glauben würde. Mehr brauchte sie nicht.

Lillys lächelndes Gesicht, und ihr Arm, mit dem sie ihm so wild zuwinkte, das er befürchtete er würde ihr gleich abfallen, war das letzte was Philipp sah, als das Portal verschwand.

Kurz flimmerte die Luft noch an der Stelle wo es aufgetaucht war, dann blieb nichts mehr, nur eine endlos scheinende Leere.

Sie war so schnell aus seinem Leben verschwunden, wie sie hinein gepurzelt war. Anfangs hatte er sich nichts mehr gewünscht, als das sie wieder abhauen sollte, nun wollte er nichts mehr, als das sie wieder zurück kam.

Er schloss die Augen und atmete einige Male tief durch. Ein Lächeln fand den Weg auf seine Züge.

Auch wenn er sich fühlte als hätte sie einen Teil von ihm mit sich genommen, wusste er das sie noch viel mehr zurück gelassen hatte.

Er wusste wieder wie wertvoll jede einzige Minute seines Lebens war, und das es zu kurz war, um es weiter mit Videospielen zu vergeuden. Sie hatte ihm wieder gezeigt wie schön es sein konnte die Welt zu erkunden und neues kennen zu lernen.

Als er die Hand in seiner Tasche zur Faust ballte, spürte er das Samenkorn darin, er würde etwas aus seinem Leben machen, ein Versprechen das er sich selbst gab.

Lilly würde auch nicht aufgeben, genauso wenig wie er.

Wenn er doch nur diesen einen Tag noch mit ihr hätte genießen dürfen...

Philipps Kehle brannte, fester presste er die Augen zusammen und dann hörte er das Knirschen von Kies. Ein leises Tuckern, gefolgt von dem Geräusch wenn der Motor abgestellt wurde.

Er riss die Augen auf und drehte sich langsam herum.

Das Auto seiner Eltern parkte gerade in der Einfahrt, als seine Schwester unter ihrem üblichen Gezeter ausstieg. Seine Mutter verdrehte die Augen und schlug die Autotür zu, dann erblickte sie ihren Sohn, der wie angewurzelt mitten im Garten stand. „Phili? Was machst du denn da?“

Sein Vater drückte den Knopf der Zentralverrieglung und das Auto schloss sich unter einem Klacken. Er winkte seinen Sohn heran und grinste. Eine Tüte mit Brötchen klemmte er sich unter den Arm.

„Hey! Ich kann ein wenig männliche Unterstützung gebrauchen. Die Mädels machen mich noch fertig. Jetzt soll ich plötzlich Schuld sein das wir die ganze Nacht im Krankenhaus verbringen mussten, ich hätte mich mehr einsetzen müssen. Sagen zumindest die Weiber“

Seine Schwester Louisa und seine Mutter zeterten im Chor. „Diese Betten sind ein Alptraum! Mir tut der ganze Rücken weh.“

Philipp schmunzelte und zuckte mit den Schultern.

„Ich vermisse jetzt schon die Ruhe im Haus, ohne euch.“

Das Lachen seines Vaters hallte in der Einfahrt wieder als die beiden Damen wieder das Schimpfen eröffneten.

Die drei gingen langsam ins Haus, auch Philipp setzte sich nach kurzem Zögern in Bewegung. Sein Herz würde noch eine Weile wie Blei in seiner Brust liegen, aber er teilte Lillys Worte. Er war froh um jede Erinnerung die er an sie behalten würde. Und diese waren es, die ihm am meisten bedeuteten. Außerdem blieb ihm noch etwas, das Gefühl einer tiefen, tröstenden Verbindung in seinem Herzen. Das musste es sein, wovon sie gesprochen hatte, bevor er in ihre Seele getaucht war.

Im Vorbeigehen fiel sein Blick auf das Schwert, das noch immer im Blumenbeet seiner Mutter steckte. Dafür würde er noch ein schönes Plätzchen finden, und ganz nebenbei vielleicht noch eine gute Ausrede was in ihrem geliebten Beet gewütet hatte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Seid gegrüßt meine Leser,

es ist vollbracht. Das letzte Kapitel von Fachidiot ist geschrieben.
Ihr dürft euch allerdings noch auf einen Bonus freuen den sich meine beste Freundin gewünscht hat!
Bald wird es eine Kurzgeschichte geben die ein Kapitel lang sein wird, in der ich euch erzähle wie Xii und Lilly sich kennengelernt haben.

Ich hoffe euch hat die erste Geschichte aus meiner Welt "Dravasuum" gefallen, auch wenn dort nur ein kurzer Besuch stattgefunden hat. In Zukunft werde ich euch noch auf ganz viele weitere Reisen dorthin mitnehmen, sofern ihr möchtet.

Zum Ende hin habe ich noch eine Bitte. Wenn ihr Fachidiot gelesen habt, beantwortet mir doch gerne folgende Fragen ganz unbefangen. Warum? Damit ich weiß was euch gefällt und damit ich weiß wie ich mich verbessern kann.
Wenn ihr meine Fragen beantworten möchtet, würde mich das wirklich sehr freuen.

Gehabt euch wohl,
RoQu

1. Ist meine Geschichte spannend geschrieben?
2. Gibt es unlogische/ verwirrende Stellen?
3. Sind die Personen in der Geschichte interessant/ sympathisch/ vielseitig?
4. Wir hat dir mein Schreibstil gefallen?
5. Hat dich etwas an der Geschichte/ dem Verlauf gestört? Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von:  Veboshi
2016-01-11T18:34:54+00:00 11.01.2016 19:34
Da mir dieser Kommafehler bei dir oft auffällt, möchte ich dir hier gerne mal anhand eines Beispiels erklären, wie das funktionert.

> Die Schatten welche die Bäume warfen wurden von Augenblick länger und länger.

Hier ist ein eingeschobener Satz. Korrekt müssten also nach "Schatten" und "warfen" jeweils ein Komma hin:
-> Die Schatten, welche die Bäume warfen, wurden von Augenblick länger und länger.

Die Schatten wurden von Augenblick länger und länger. <- Das kann als eigener Satz da stehen. "welche die Bäume warfen" ist also noch ein Zusatz, der mit Kommas in den Satz eingefügt wird. Du kannst das an dem Wort "welche" erkennen... Leider weiss ich den Fachbegriff dafür nicht, aber das ist so ein Wort, mit dem man einen Nebensatz einleitet. x)

Ich hoffe, ich konnte es verständlich genug erklären... Sonst einfach nochmal fragen. :3

----

> Zu ihrer Rechten fluchte der Fremde den sie heute getroffen hatte, als er scheinbar in eine unschöne Hinterlassenschaft getreten war und dann versuchte seinen Schuh am Laub, so gut es eben ging, zu reinigen.

Haha, sehr genialer Bezug zum vorherigen Kapitel xD

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> Nach einem herzhaften Gähnen bemerkte er das bald die letzten Strahlen der Sonne verloschen sein würden...
Richtig: ...bemerkte er, dass...
"das" mit einem S ist ein Artikel vor einem oder für ein Nomen steht. Also wie z. B. bei "das Schaf". Hier ist es aber eine "Konjunktion" (hab gegoogelt! XD) welche den Nebensatz einleitet. Darum kommt auch ein Komma davor. :)
Schau mal, hier wird es super erklärt -> http://www.das-dass.de/ ;)

Und: Es gibt zwar keine Regel, die besagt, dass nach einem Komma immer "dass" steht... Aber vor einem "dass" steht immer ein Komma! ;D

> Was sollte aus den Ellydren werden nachdem sie schon so viel verloren hatten.
Der Satz beginnt mit einem W-Wort, darum ist es eine Frage und deshalb sollte am Schluss ein Fragezeichen stehen ;)

---

> Für solche Spielchen am Morgen war er definitiv zu lange Single...
hehehehehe <3

Sein Vater ist so süss xDDD Hahaha omg xD

Und wie er versucht für sie Klamotten einzukaufen... :,D Haaahhh er tut mir so leid... nicht! XD

> ihr war bewusst welche Standpauke sie sonst über sich ergehen hätte ergehen lassen müssen.
richtig: über sich hätte ergehen lassen müssen.

>„Aber wenn es eine Bekundung von Zuneigung ist, dann ist es doch in Ordnung. Schließlich mag ich dich sehr, du hilfst mir Morendras zu finden obwohl du das nicht tun müsstest. Zudem, auch wenn du immer schlecht gelaunt bist, kümmerst du dich um Xii und mich. Mit in dein Heim hättest du uns auch nicht nehmen müssen.“

Ich glaube, ihr ist nicht bewusst, wie sehr sie sich ihm aufgedrängt hat :,D Dieses Dummerchen x))

> Ja ja, da kümmern sich schon andere drum, komm jetzt.
Hahahaha was für ein Ignorant! XDD

> „Was? Ah, nein. Ich meine in dem Sinne gibt es nur uns Menschen, Tiere und Pflanzen. Elfen und Drachen kennen wir auch, aber nur aus Fantasie Geschichten, sie waren nie real.“

*schauder* Ich war ganz versunken und hab schon ganz vergessen zu kommentieren... Ich mag die Geschichte immer mehr :3

> Doch leider missglückte seine Überraschung und er tauchte etwas ungelegen in ihrer Wohnung auf, sie hatte bereits Besuch.
Nawwwww ;w; Ich glaube der hat kein Vertrauen mehr in Frauen...

@ zusammenhanglos aneinander gereihte Nachrichten:
Die arme... Das ist bestimmt zu viel. Ich guck ja nicht mal mehr Nachrichten, weil ich damit nicht umgehen kann ^^'

> und wir Euch schon euer ganzes Leben lang beibringen zu versuchen
Richtig: beizubringen versuchen

> „Manchmal tun Menschen grausame Dinge ohne über ihre Folgen nachzudenken, und wenn man verletzt wurde, möchte man nur noch das Schlechte in den Herzen Anderer sehen. Aber man darf deshalb noch lange nicht alle in eine Schublade stecken und denken sie wären gleich.

Ich heule ;____; Gawd <3 Du bist toll <3 Wie konnte ich diese Geschichte bloss so lange ignorieren, also wirklich...

> Jene die allein in der Küche zurück geblieben war verschränkte die Arme vor der Brust und nickte stolz. Ja sie war sehr zufrieden mit sich selbst.

XDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDD Ich kann nicht mehr!!!

Ok das ist wirklich genial! Du bist spitze! Bitte schreib weiter Geschichten! Das letzte mal, dass ich Tränen in den Augen hatte weil ich so ergriffen war und danach lauthals lachen musste, war, als ich MCS von Yaa gelesen habe! Und davor ist mir das noch nie passiert! (zumindest kann ich mich nicht mehr daran erinnern) Also bitte, du bist echt talentiert, bleib beim Geschichten schreiben! >______< Ich unterstütze dich gerne weiter in jeglicher Art und Weise dabei! <3

> sie diese Zeit nutzte um den Stab Morendras zu suchen von dem noch immer jegliche Spur fiel
Richtig: fehlte ;)

---

Phuuu...
Das ganze Kapitel war wirklich schwere Kost. Ich bin sehr ergriffen und hab sofort auf "nächste Seite" gedrückt, aber nun holt mich der Alltag wieder ein. Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht. :)

Kommen wir nun zum Beantworten der Fragen:

1. Ist meine Geschichte spannend geschrieben?
Jap, immer noch sehr spannend <3

2. Gibt es unlogische/ verwirrende Stellen?
Nein überhaupt nicht. ;)

3. Sind die Personen in der Geschichte interessant/ sympathisch/ vielseitig?
Sehr! :D Zu Anfang mochte ich seine Mutter nicht, weil sie ihn so... bemuttert x) Aber als sie das zu Lilly gesagt hat... Ich war sooo ergriffen!

4. Wie hat dir mein Schreibstil gefallen?
Der ist immernoch suuuuuuper!!! ;D

5. Hat dich etwas an der Geschichte/ dem Verlauf gestört?
Überhaupt nicht, es ist alles supergut nachvollziehbar. :)
Ausserdem will ich hier noch anmerken, dass ich es toll finde, dass das letzte Kapitel sehr heiter war und dieses sehr tiefgründig und traurig!
Von:  Veboshi
2016-01-11T15:16:31+00:00 11.01.2016 16:16
> „Metthew! Schau mich an wenn ich dich wütend anstarre.“
XD Das ist echt süss xD

> „Mitten in der Woche und so früh am Morgen.... Cosplayer werden auch immer verrückter.“
Ich hätte an seiner Stelle auch gedacht, das wäre ne Cosplayerin xD Echt toll wie du das ganze in die heutige Zeit versetzt ^_^

> „Jetzt verstehe ich deine Sprache! Das war also das Problem.“
AAAHAHAHAHAHAHA!!! Sie muss ihm eine Kopfnuss geben, um ihn zu verstehen? XD Hach, wenn es doch nur so einfach wäre.. x,DD

> Feine Schweißperlen rannten ihr Gesicht hinab..
Das heisst "rannen" nicht rannten. Ersteres kommt von "rinnen" letzteres von "rennen" ^^

> Mit jedem ihrer Worte klappte seine Kinnlade ein Stückchen mehr herunter.
xDDD Hach was für ne geniale Vorstellung xDD

>Lilly war aber von ihren Eltern gut erzogen worden und würde ihn nicht so einfach entkommen lassen ohne sich richtig bedankt zu haben.
Naja, so gut aber auch wieder nicht, dass sie ihrer besten Freundin verschweigt, dass sie den Stab Morendras klauen und damit in die Menschenwelt abhauen möchte. ;P

>Außerdem trug sie die Hoffnung in sich das...
Richtig: Außerdem trug sie die Hoffnung in sich, dass...

> ... er ihr helfen könnte den Stab Morendras wiederzufinden, schließlich hatte er auch Xii gefunden!
Was für eine ausgeklügelte Logik! XD Man merkt, dass sie ziemlich naiv ist ;)

> Das er vor einer Verrückten mit magischen Kräften verfolgt wurde...
Richtig: Dass er von einer...

> Die Zeit wo Poster von Kerlen mit offenen Hemden und lüsternen Blicken an ihrer Wand gehangen hatten, waren längst vorbei.
"Mit lüsternen Blicken" XD Hach ich liebe deine Umschreibungen! <3 So eine Zeit hatte ich zum Glück nie (ausser Johnny Depp, aber das sei mir verziehen), ich bin im Tier-Zeitalter stehen geblieben und dann dirket in die Sammelwut von Originalzeichnungen übergesprungen, die nun meine Wände bepflastern. :,D


Das Ende ist perfekt! Schön abgerundet und trotzdem lässt es einen nach mehr lechzen!

1. Ist meine Geschichte spannend geschrieben?
Jap, immer noch sehr spannend, ich liebe seine Gedanken und wie er sich alles versucht logisch zu erklären! :D Man kann sich sehr gut in ihn hineinversetzen! ^_^

2. Gibt es unlogische/ verwirrende Stellen?
Nein überhaupt nicht. Im Gegenteil, gerade diese schwierige Stelle, wo man zu erst denkt, sie sei vom Baum gefallen und er sich dem Fenster nähert, sie sich dann aber am Fenstersims festhält und sich hinaufzieht, kann ich mir regelrecht wie ne Filmszene vorstellen... Mit malerisch-dramatischer Musik unterlegt x,DD

3. Sind die Personen in der Geschichte interessant/ sympathisch/ vielseitig?
Sehr! :D Wie schon gesagt, man kann sich sehr gut in Philipp hineinversetzen und Lilly wirkt auf symphatische Weise sehr eigen, tollpatschig und naiv x) Die Kombination solcher zweier Charaktere mag ich sehr. :3

4. Wie hat dir mein Schreibstil gefallen?
Dein Schreibstil ist suuuuuuper!!! Ich finde deinen Humor sehr unterhaltsam! :DD
Hier sind mir etwas mehr Grammatikfehler aufgefallen, aber das sind Kleinigkeiten, die tun deiner Geschichte keinen Abbruch ;3

5. Hat dich etwas an der Geschichte/ dem Verlauf gestört?
Überhaupt nicht, es ist alles supergut nachvollziehbar. :)
Von:  Veboshi
2016-01-11T12:35:25+00:00 11.01.2016 13:35
Wow.
Ich bin einfach nur begeistert! Wie konnte ich nur so lange warten, deine Geschichte endlich zu lesen! Dabei ist sie so fantastisch!
Ich liebe es, wenn Realität und Fantasy so gekonnt ineinander verwoben werden! <3
Ausserdem mag ich den Hauptcharakter mit den Zweigen auf dem Kopf! Mit so einem hatte ich es bisher noch nie zu tun :D (Gut, ich hab auch schon lange nicht mehr gelesen ^^')

Ich denke, ich beantworte dir nun zu jedem Kapitel deine Fragen, dadurch kann ich auch gleich auf jedes davon gezielt eingehen ;)

1. Ist meine Geschichte spannend geschrieben?
Ja extrem! Es ist wie wenn man ein normales Fantasy-Buch lesen würde, super! Und der Schluss macht extrem neugierig, ich bin sehr versucht weiter zu lesen! >w<

2. Gibt es unlogische/ verwirrende Stellen?
Nein, es liest sich alles sehr flüssig. Du machst sehr blumige und trotzdem treffende Umschreibungen. :)

3. Sind die Personen in der Geschichte interessant/ sympathisch/ vielseitig?
Bis jetzt schon! Ich bin gespannt was passiert, wenn die drei aufeinander treffen ^_^

4. Wie hat dir mein Schreibstil gefallen?
Extrem gut, abgesehen von einigen Kommafehlern ist mir auch an der Rechtschreibung nichts aufgefallen ;)

5. Hat dich etwas an der Geschichte/ dem Verlauf gestört?
Überhaupt nicht, es ist alles gut nachvollziehbar. :)

Im Grossen und ganzen hat mich an dem Prolog wirklich nur einzig und allein die Kommastellung gestört ^^ Dein Schreibstil ist fabelhaft, ich wurde sofort in die Geschichte hineingesogen! <3
(Bei der nächsten KomMission schlage ich diese Geschichte gerne vor! :D)

PS: Evt. werde ich einige der Antworten von hier im nächsten Kapitel kopieren, sollte sich an meiner Meinung nichts geändert haben.
Von:  Elerra
2016-01-10T23:25:40+00:00 11.01.2016 00:25
Nun habe ich auch das letzte Kapitel gelesen. Es ist, wie auch die anderen, wieder wundervoll geschrieben! Unerwarteterweise erfährt man sogar ein bisschen was über ihre Eltern *-* damit hatte ich gar nicht gerechnet!
Hach.... nun wo die Geschichte zu Ende ist, bin ich ja schon ein bisschen Wehmütig.

und damit ich deine Fragen nicht vergessen :)
1. Jein. "Spannend" verbinde ich persönlich immer mit viel Action, dramatische Auf und Ab´s. Deine Geschichte ist eher fesselt! Man möchte natürlich immer wieder wissen wie es weitergeht. Du hast spannende Höhepunkte eingebaut, aber auch viele Emotion. Das Ende eines Kapitels macht Lust auf auf die Fortsetzung. Ich finde du hast genau die richtige Mischung getroffen.
2. soweit ich mich erinnern kann, war nichts dabei was mich verwirrt hat XD.... und das obwohl es bei mir sehr schnell passiert.... noch war etwas unlogisch^^ darauf hätte ich dich dann auch angesprochen.
3. Absolut! Jeder Charakter entwickelt sich, man erfährt mehr von ihm und sie wachsen einem ans Herz :) nur zu gerne hätte ich von jedem einzelnen noch etwas mehr erfahren. Ok, ich bin aber auch ein HG Info Junkie :3
4. sehr sogar! Auch wenn man die Orte oder Personen nicht sieht, beschreibst du sie so gut das man sie sich problemlos vorstellen kann. In den Szenen schaffst du es mir als Leser die jeweilige Atmosphäre gut zu vermitteln und man fühlt richtig mit (>_< Gerade wenn Lilly leidet...)Nichts wirkt überladen. Ich mag deinen Schreibstil sehr :3
5. Das Ende, weil es ein Ende ist ;3 hehe. Ne Spaß bei Seite. Ich habe nur einen kleinen Punkt. Zum Schluss hätte ich mir schon etwas mehr Lilly und Phil Zeit gewünscht :) es war so abrupt vorbei...

Ich möchte dir für dieses kleine Kunstwerk danken :D alle Kapitel habe ich sehr gerne verschlungen und auch auf dem Bonus freue ich mich schon sehr! Die Charaktere werden mir noch lange in Erinnerung bleiben.

Von:  Elerra
2015-12-28T19:03:51+00:00 28.12.2015 20:03
So :D auch dieses Kapitel habe ich erfolgreich verschlungen.

Dieses Kapitel ist so ganz anders wie die davor, was aber nichts negatives ist! Es ist voller Action und hat auch mehr als nur einen Höhepunkt. Am Ende entwickelt sich plötzlich alles anders wie man es sich vielleicht vorher schon dachte :) wenn das gut begründet ist ( wie in diesem Fall) mag ich so etwas sehr! Es ist einfach erfrischend, wenn Charaktere sich im Laufe von Ereignissen verändern, bzw weiterentwickeln.

ohooo~ Ooku und Xii ;3 da kommt so ein bisschen was durch... aber mehr schreib ich dazu nicht ^_^ hihi

wie immer kann ich nur sagen, das es wunderbar geschrieben ist und es Spaß macht das kleine Kunstwerk zu lesen *3*
dem Finale fiebere ich schon regelrecht entgegen, wobei es mich auch traurig stimmt, da es gleichzeitig das Ende der Geschichte bedeutet. Man schließt die Charaktere, besonders Lilly, einfach ins Herz.
Aber auch wenn ich von dir schon was anderes gehört habe, so hoffe ich noch immer auf eine klitzekleine Bonusgeschichte >_< hihi

mach weiter so :D *Fähnchen schwenk*
ein ganz treuer Fan
Von:  Elerra
2015-11-17T00:47:31+00:00 17.11.2015 01:47
Kapitel 5 wurde so eben erfolgreich verschlungen :3

Lilly ist auch in diesem Kapitel einfach nur goldig, wie auch die anderen bleibt sie ihren Charakter treu und verhält sich immer ihrer angemessen. Danke dafür!
Leider kommt es in Geschichten so oft vor, dass Charaktare sich plötzlich und grundlos vollkommen ihrer Ideale gegensätzliche reagieren nur damit der Schreiber einen scheinbar spontanen Einfall einbringen kann ( anders kann ich mir das einfach nicht erklären >_<) das ist in deiner Geschichte absolut nicht der Fall!

Holla! Gleich zwei neue Gesichter und eines davon gefällt mir richtig gut. Das es der Herr mit gestählter Brust und wildem Haar ist, muss ich glaube ich nicht extra erwähnen, oder? *pfeif* ....*3*~
Der Auftritt von der Hexenmeisterin Shorans hast du sehr gut in die Geschichte einfließen lassen. Da tappt selbst der misstrauische Philipp in die Falle... Mehr oder weniger freiwillig :P
Ihre Gestalt mit all den kleinen aber wichtigen Details haben einen enormen Wiedererkennungseffekt und man kann sie sich sehr gut vorstellen. auch ihr bisher gezeigten Charakterzüge passen genau dazu wie auch ich mir eine Hexenmeisterin vorstelle.

Zu Ooku, mmmmh... Wie drücke ich mich am besten aus? Vielleicht so...
"Rrrrrrrrrrr" :3
Ja ich denke das trifft es sehr gut.

Das Kapitel ist wie auch das letzte richtig schön spannend! Alles ist sehr liebevoll und durchdacht geschrieben. Jeder Ort jedes handeln kann man sich genau vorstellen und Du vermittelst mir als Leserin, eine tolle Atmosphäre die einen fesselt und zum Weiterlesen bewegt.
Oh wie gemein das Kapitel endet! Aaaah >\\\\< schreibe ganz schnell weiter! Ich muss wissen was sie sehen... Auch wenn es wohl nichts schönes ist.

Wie immer, mach weiter so und stresse dich nicht :D
es ist mir immer wieder eine Freude ein neues Kapitel zu lesen.
Von:  Elerra
2015-10-16T20:36:23+00:00 16.10.2015 22:36
Das Kapitel ist dir wieder richtig gut gelungen!! großes Lob :D es hat so einen Spaß gemacht es zu lesen. Die einzelnen Personen bleiben im gesamten Verlauf des Kapitels ihrer Persönlichkeit treu und kein Handel warf Fragen nach einem "Wieso?!" auf. An den neu aufgetretenen Figuren erkennt man schnell, wie viel Mühe und Gedanken du dir bei der Erstellung der Charaktere gemacht hast. Man kann sie sich gut vorstellen auch ohne nur ein Bild von ihnen gesehen zu haben ^^

Yeah~ ganz viel Xii Action bei voller Größe! :3 wobei sie machen kann was sie möchte, ich werde immer in ihr die kleine grantige Füchsin sehen, hihi.
und ENDLICH, rückt für einen kleinen Moment ein von mir lang ersehnter Schattenelf ins Rampenlicht. Mervan. Irgendwie habe ich ihn mir genau so vorgestellt. Ein richtiger Schelm mit einem großem Herzen <3 Hach.... Nur schade das du seinen Körperbau nicht noch ein bisschen mehr beschrieben hast, also ich... hätte da zumindest nichts gegen gehabt und Lilly wohl auch nicht *pfeif*
Wo wir gerade bei gut aussehenden Elfen sind die Lilly anhimmelt, es war sehr interessant zu lesen, das Phil Eifersüchtig wird, was mich darauf schließen lässt, dass sich dort still und heimlich etwas entwickelt in ihm :3
doch warum hat er das Belohnungsküsschen abgelehnt!? aaaah~ Kean würde die Hände über den Kopf zusammenschlagen wenn er das gelesen hätte.

Ich freue mich schon sehr auf das nächste Kapitel und werde es wieder ganz schnell verschlingen :D
Mach bitte weiter so und bleibe deinem Stil treu ^-^b

ein ganz treuer Fan :D
Von:  Elerra
2015-08-15T08:03:56+00:00 15.08.2015 10:03
bevor ich irgendwas genaues schreibe, hier erst einmal eine Reaktion, die ich dir schon angekündigt hatte.......:3

*Xii Fähnchen schwingt*

Ja, ich mag sie weiterhin, deine Bedenken waren also vollkommen unbegründet ^_^
Ich finde ihre Reaktion war absolut ihrem Charakter gemäß gewesen, etwas andere hätte meiner Meinung nach überhaupt nicht gepasst.
Ihre Aufgabe ist es Lilly zu beschützen, das hat die höchste Priorität für sie! Es wäre merkwürdig gewesen, wenn in Xii plötzlich ein Sinneswandel vorgehen würde und sie, Lilly und sich selbst in Gefahr bringt um Phils Leben zu retten, statt die sichere Flucht zu ergreifen zu wollen. Sie mag Menschen seit der ersten Stunde nicht und dieses Exemplar hatte zuvor ihrem Schützling auch noch indirekt in Gefahr gebracht.
:) für Liebenswürdigkeit ist Lilly da! Sie ist wie immer einfach goldig. Denkt selbst in für sie schlimmen Situationen noch an andere.

Alles im allem ist das Kapitel wieder sehr schön geschrieben. Die Atmosphäre in den jeweiligen Szenen hast du seht gut rübergebracht und es macht Spaß weiter zu lesen :D
Wie gemein das Kapitel endet!! So spannend!!aaaaaaaah XD ich ahne etwas ich ahne etwas. Ein von mir lang ersehnter erster Auftritt!!

Mach weiter so *3*
Von:  Elerra
2015-07-24T06:08:03+00:00 24.07.2015 08:08
Nachdem ich nun auch das zweite Kapitel gelesen habe, kann ich nur sagen das es eine liebevoll gestaltete Geschichte ist.
Du bringst die Charaktere den Lesern nahe und durch die kleinen Eigenwilligkeiten werden sie lebendig und sympathisch :)
Im passenden Situationen/Gesprächen lässt du wichtige Informationen aus der Vergangenheit einfließen die ein Handeln in der Gegenwart erklären, ohne einen "wtf warum das jetzt"Moment wie zB in diversen Filmen, wenn ein Darsteller plötzlich von einem Drama erzählt wo doch gerade von Äpfelen und Birnen gesprochen wurde.

Aber ja, auch weiterhin bleibt auf Platz eins meiner Lieblinge, Xii ^_^ aber dicht gefolgt von Lilly Und Philip.

Das die Chars aus deinen Douji. dabei sind finde ich toll, das lässt es wie eine Fortsetzung wirken die aber zugleich ein völlig anderes Genre ist.
Da du mir klitzekleine Einblicke in die Zukunft bewehrt hast, bin ich natürlich schon ganz gespannt wie es weitergehen wir und natürlich Fieber dem Auftritt einer gewissen Person entgegen!! <3

Mach auf jeden Fall weiter so :D
Lasse dich nicht beirren, setzte dir keine Zeiten, setzte dich nicht selbst unter Druck, den die jetzige Freude an der Geschichte ließt man mit jedem Satz mit!
Ich bleibe dir eine treue Leserin und werde jedes kommende Kapitel gerne verschlingen *3*



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