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Reise nach Elayaden

Lehrjahre sind keine Herrenjahre
von

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Licht und Dunkelheit

Kyth war berauscht von der Kraft, die seinen Körper durchflutete und die ihn solch unglaubliche Dinge wirken ließ. Verblüfft sah er auf seine Hand, als versuchte er herauszufinden, wie er dies gemacht hatte. Zum ersten Mal seit sie in dieser Welt gestrandet waren, fühlte er diese fremdartige Energie in sich. Und doch kam es ihm so vor, als wäre sie schon immer mit ihm verankert gewesen. Zwar wusste er nicht wirklich, was er zu tun hatte um sie zu entfesseln, doch dieser Kampf wäre die ideale Gelegenheit es herauszufinden.
 

„Wie du willst, ich werde mich nicht zurückhalten!“, konterte Kyth und hoffte, dass er weitere Zauber wirken konnte und dies nicht bloß ein Zufall war.

Lelou nickte zufrieden und sein sonst so gelassenes und großspuriges Wesen, war einem Hochkonzentrierten und Vorsichtigen gewichen. Noch immer stand er in seiner Angriffsstellung und winkte seinen Gegner zu sich her.
 

Wie sehr Kyth sich über den Anderen aufregen konnte. Abermals spürte er die Woge seiner Macht aus seinem Inneren preschen. Diesmal wedelte er gelassen mit der Hand vor sich her und entfesselte eine Lichtwelle, die rasant auf Lelou zu rollte. Dieser warf sich mühelos zur Seite und rollte sich am Boden ab, dann stieß er sich mit voller Kraft ab und rauschte mit ausgestreckter Faust auf seinen Kontrahenten zu. Völlig überrascht von der Reaktion des Leibwächters, trat Kyth einen Schritt zurück und geriet dabei versehentlich ins Straucheln, was ihn dazu verleitete unsanft auf seinen Hintern zu stürzen.

Dieses Unglück jedoch verhinderte seine Niederlage, denn vor ihm war wieder, mit einem schallenden Krachen, eine gewaltige Staubwolke aufgewirbelt worden, als Lelou mit einem kraftvollen Schwung auf die Stelle eingeschlagen hatte, an der er sich vor wenigen Sekunden noch befunden hatte. Die schlechte Sicht ausnutzend, zog sich Kyth wieder etwas von seinem Gegner zurück, der sich wohl noch immer in der Aufwirbelung befand.

Das war knapp, gestand sich Kyth ein. Ich darf nicht vergessen, dass er wesentlich mehr Kampferfahrung als ich mitbringt, auch wenn er kein Held ist.
 

„Geht es dir gut?“, erkundigte sich die besorgte Mia, die den Kampf aufgeregt mitverfolgte, während ihr Bruder diesem Spektakel eher gelangweilt beiwohnte. Er gähnte erschöpft und rieb sich die Augen.

„Alles in Ordnung. Ich konnte ihm irgendwie ausweichen“, versuchte Kyth sie zu beruhigen und hoffte, dass niemand durch den Staub erkennen konnte, dass er in Wirklichkeit gestolpert war.

„Nicht schlecht“, ertönte die bebende Stimme Lelous. „Mal sehen ob du das nächste Mal auch so viel Glück hast.“

Der Staub begann sich allmählich zu legen, doch Kyth konnte sein Gegenüber trotzdem noch nicht ausmachen, weshalb er verunsichert in die Schwaden aus Dreck spähte.
 

„Niemals die Deckung vernachlässigen“, ertönte abermals Lelous Stimme, als dieser geradewegs aus der aufgewirbelten Wolke auf Kyth zu stürmte. Für einen Moment blieb dem Weißäugigen das Herz stehen, da er nicht fassen konnte, wie gewandt und kampfeslustig der andere war. Zweifel, dass er ihn treffen würde, keimten in ihm auf und doch wollte er diesen keinesfalls Gehör schenken. Er musste es schaffen. Für sich und für Smith.

Wieder hieb der Leibwächter mit seiner Faust nach dem Anderen, doch dieser konnte gerade noch eine Lichtwelle von sich schleudern, die sein Gegenüber zum Zurückweichen zwang.
 

Da Lelou so abrupt abbremsen musste, schlitterte er einige Meter weiter von seinem Gegner weg.

Er ist gar nicht schlecht. Ich frage mich nur ob er mehr Glück als Verstand hat. Seine Aktionen sind viel zu unkontrolliert und abgehackt. Mit flüssigen aufeinanderfolgenden Zaubern würde er es mir viel schwerer machen. Ob diese Amnesie auch ihre gesamte Kampferfahrung gelöscht hat?

„Glaubst du wirklich, dass du mich so besiegen kannst?“, spottete der Hüne und warf seinen Kopf in den Nacken. „Ich glaube fast, dass Goldi viel sicherer bei mir wäre. Möchtest du uns diese Peinlichkeit nicht einfach ersparen und eingestehen, dass ich mich um in kümmern soll.“

Zwinkernd leckte er sich über die Lippen, während er erneut seufzend - „Ach ja Goldi.“ - von sich gab.

Mal sehen, ob ich ihn damit nicht noch ein wenig aus der Reserve locken kann.
 

Wie erwartet, zeigten Lelous Provokationen die gewünschte Wirkung. Bedrohlich funkelten ihn die Augen seines Gegenübers an, was zwar nicht wirklich Besorgnis in ihm erweckte, aber ein wenig ernst zu nehmend aussah.

Dann zeig doch mal, was du noch so drauf hast

Abermals hetzte der Hüne auf Kyth zu, seine Faust zum Schlag erhoben und durch seine Auramagie verhärtet.

Es war ein Glück, dass er diese Fähigkeit besaß, denn so konnte er ohne größere Verletzungen davonzutragen, wie ein Berserker alles kurz und klein schlagen und brauchte nicht einmal eine Waffe um immensen Schaden anzurichten. Dies bezeugte der Krater, den sein erster Angriff zurückgelassen hatte und den Mia und Grahl mit großen Augen anstarrten, als die Staubwolke sich endlich vollständig gelichtet hatte.

Lelou bediente sich mittels seiner Magie seiner Körpereigenen spirituellen Energie, bündelte sie beispielsweise um seine Hand, was diese schützte und gleichzeitig zu einer gefährlichen Waffe machte. Während er austeilen konnte, nahm er selbst an Stellen, die er mit seiner Aura schützte keinen Schaden.
 

Noch ehe der Leibwächter sich Kyth groß nähern konnte, streckte dieser beide Hände von sich und entlud unzählige Lichtkugeln auf seinen Gegner.

Das Herz des Weißäugigen schlug ihm bis in den Hals. Es war so laut, dass das Pochen in seinen Ohren widerhallte. Er war aufs äußerste konzentriert und wollte nun endlich seinen vorlauten Gegner auf die sprichwörtlichen Bretter schicken. Mehr und mehr Lichtbälle schossen aus seinen Handflächen und mit jedem weiteren Geschoss, ergriff eine anstrengende Müdigkeit von ihm Besitz. Seine magische Energie neigte sich wohl allmählich dem Ende zu, wie er vermutete.

„Verdammt“, flüsterte er in sich hinein, während ihm Schweißperlen von der Stirn rannen. Ich darf nicht verlieren. Ich muss ihn besiegen. Er soll Smith in Ruhe lassen! Er soll seine dreckigen Hände von ihm lassen!

Plötzlich ließ die Erschöpfung etwas nach und er fühlte, wie seine Kraftreserven sich wieder aufluden. Die Gedanken an seinen Geliebten ließen ihn neue Kraft schöpfen. Mit einem kehligen Aufschrei, riss er die Hände nach oben und ballte die gesamte Energie, die er auf die kleinen Lichtkugeln aufgeteilt hatte, zu einer einzigen Kolossalen, die er anschließend blitzschnell in das Zentrum des Lichtregens entließ.
 

Donnernd schlug sie an der gewünschten Stelle ein und entfesselte eine gewaltigen Druckwelle, die das komplette Areal in eine dichte Dreckwolke hüllte, die Bäume schmerzhaft knarzen ließ und auch Mia und Grahl unsanft von ihren Sitzplätzen riss. Sofort gingen die beiden hinter dem Baumstamm im Deckung, da noch immer Steine, Äste und Blätter durch die Luft gewirbelt wurden. Der Blick auf den Kampfplatz war gänzlich verwehrt. Weder Lelou noch Kyth waren auszumachen. Man konnte nicht einmal seine eigene Hand vor Augen sehen.

„War das wirklich Kyth?“, brummelte Grahl verwirrt und war auf einmal gar nicht mehr so müde und gelangweilt.

Die Weißhaarige konnte nur verdutzt nicken.

„Ob es ihm gut geht?“

Noch immer schwoll der Lärm des Aufschlags nicht ab und Mia begann sich Sorgen zu machen. Gegen die Druckwelle ankämpfend blickte sie über den Stamm, wobei sie sich, mit voller Kraft, daran festhielt. Ihr Haar peitschte ungehalten herum und sie rief aus vollem Halse: „Kyth! Geht es dir gut! Kyth!“

Das Grollen verschlang ihre Rufe und da sie durch all den Staub und Dreck nichts erkennen konnte kehrte sie zu ihrem, am Boden kauernden Bruder zurück.

„Er hört mich nicht“, jammerte sie und ihre Augen wurden feucht. Ihm darf nichts passiert sein. Bitte.

Als hätte Grahl ihre Gedanken gelesen, streichelte er über ihren Rücken und entgegnete beruhigend: „Ich bin sicher, dass es ihm gut geht. Wir müssen einfach warten, bis das Chaos sich wieder auflöst.“

Abermals nickte das Mädchen knapp und faltete die Hände wie zum Gebet. Es wäre schrecklich für sie, wenn ihm etwas zugestoßen wäre, da sie ihn sehr ins Herz geschlossen hatte und weil – auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte – es sie zerreißen würde, sollte Smith darunter zu leiden haben, wenn Kyth etwas zugestoßen war.
 

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
 

Smith hatte sich nicht entscheiden können, was er nun als erstes lesen sollte und sich deshalb mit einem riesigen Stapel Bücher zu einem der vielen freien Tische begeben. Es war seltsam. Zwar war er nicht der Einzige hier, aber die Bibliothekare strahlten eine fremdartige Präsenz aus. Fast so als wären sie nicht wie er oder die anderen. Irgendwas an ihnen war anders und das fühlte er mit einer tief in ihm verankerten Gewissheit.

Erst hatte er es nicht wirklich wahrgenommen, doch seit ihrer Zeit im Herrenhaus, war ihm, als könne er die Energien jener fühlen, die in seiner Nähe waren.

Diese befremdliche Wahrnehmung verleitete ihn auch dazu, zu glauben, dass diese Leute in der Bibliothek anders waren, wenngleich er nicht sagen konnte wie. Sie sahen aus wie gewöhnliche Menschen, bewegten sich wie solche und verhielten sich auch nicht anders. Na gut sie waren sehr beschäftigt und würdigten ihn keines Blickes, aber dies begründete er damit, dass sie sicher sehr konzentriert sein mussten. Seine Wahrnehmung bestärkte sich abermals, als der Wachmann, der ihm unterstellt worden war, zu ihm trat. Seine Energie war viel wärmer und lebendiger, als die der anderen im Raum. Sich nicht weiter auf sein Gefühl versteifend, griff er zufällig in den Bücherstapel und zog einen dicken Wälzer heraus.

Er war in einen grün gegerbten Ledereinschlag gebunden und sehr schwer. Behutsam schlug er den alten Schinken auf und las den Titel, der auf der ersten Seite stand.

'Die Großreiche Elayadens'

Volltreffer. Gleich ein Buch, dass mir wirklich weiterhelfen kann.

Elayaden. So heißt also die Welt, in der wir uns jetzt befinden. Sehr interessant.

Völlig gebannt las er das Inhaltsverzeichnis durch und er stellte fest, dass Xändyr und Kataar auch darunter waren. Sie zählten also zu den zehn Großreichen.

Neugierig schlug er das Kapitel über Kataar auf, da Kogar und die anderen sehr erpicht darauf waren, zu erfahren, ob sie etwas darüber wussten. Daraus schloss er, dass Xändyr und Kataar einen schweren Konflikt miteinander austrugen.

Zwar wäre es leichter gewesen seinen Aufpasser zu befragen, doch wollte er sich mit seinem Unwissen nicht blamieren und außerdem befürchtete er, dass die Bibliothekare ihn womöglich herauswerfen könnten, wenn sie Lärm veranstalteten.
 

Als er gerade seine Studien über ihre neue Heimat beginnen wollte, durchdrang ihn eine starke energetische Kraft, die aus einiger Entfernung herrührte. Sie durchfuhr seinen gesamten Körper, der wie elektrisch aufgeladen, zu kribbeln anfing.

Was ist das für eine unbeschreibliche Energie?, fragte er sich verwundert, als plötzlich der Raum erschüttert wurde. Smith als auch sein Aufseher, schraken zusammen und hielten sich am Tisch fest, bis das Beben schwächer wurde. Überall wurden Bücher aus den Regalen geworfen und die Kronleuchter klirrten, fast kreischend, aneinander. Unterbewusst lokalisierte Smith den Ausgangspunkt der Erschütterung, die ganz offensichtlich von dieser Energie ausgelöst worden war. Neben dieser unsäglichen Kraft, empfing er eine Weitere, die zwar etwas weniger ausgeprägt, aber nicht minder beachtlich war. Diese war punktuell ausgerichtet und wirkte der Anderen entgegen.

Was geht da nur vor sich?], wollte er wissen.
 

Das Rütteln verebbte allmählich und vorsichtshalber blickte sich das Goldauge nach potenziellen Verletzten um, doch die Bibliothekare gingen ihrer Arbeit, gewohnt unberührt, nach. Es hatte den Anschein, als hätten sie von der Erschütterung kaum etwas mitbekommen, auch wenn sie die heruntergefallenen Bücher sorgsam zurück an ihren Ursprungsort stellten. Einzig der Wachmann wirkte ein wenig erschrocken und überfragt, doch raffte sich schnell wieder, da er vor Smith keine erbärmliche Figur abgeben wollte.

Nach wie vor flimmerte Smith, wie aufgeladen, da die Energien nicht zu verschwinden neigten. Im Gegenteil, die Mächtigere schwoll erneut an und da fühlte er plötzlich, von wem sie ausging.

„Kyth!“, keuchte er und stürmte, ohne auf seinen Aufpasser zu warten, in jene Richtung davon, aus der er seinen Partner wahrnahm.
 

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
 

Keuchend stand Kyth in dem Chaos, das er selbst herbeigeführt hatte. Er war kaum noch im Stande sich auf seinen Beinen zu halten. Sein Blick schwirrte. Der Schweiß rann seinen Körper hinab und ihm war übel. Angespannt starrte er durch den dichten Staub und hoffte, Lelou getroffen zu haben. Es musste einfach so sein. Er hatte schließlich, alles aufgeboten, was er konnte. Vermutlich sogar mehr, als gut für ihn war.

Er wusste nicht ob die Erde bebte oder seine Beine einfach nicht mehr wollten. Das Rauschen der Druckwelle verklang nach und nach und auch die Staubschwaden lösten sich auf. Mit noch immer flirrendem Blickfeld, offenbarte sich Kyth allmählich, die Silhouette Lelous, der ungerührt, noch immer da stand, wo er angegriffen worden war und begann unerwartet zu klatschen.
 

„Gut gemacht. Um ein Haar hättest du mich wirklich erwischt. Hätte ich nicht schnell genug reagiert, hätte dein Angriff mich wohl auch umbringen können. Vielleicht hätte ich dir nicht erlauben sollen mit voller Kraft zu kämpfen“, gestand der Hüne, ebenfalls etwas außer Puste.

Kyth konnte es nicht fassen. Der Staub war gänzlich verzogen. Lelou stand ungerührt in dem gewaltigen Krater und schüttelte sich den Dreck vom Leib. Abgesehen von diesem hatte er weder eine Schramme noch einen Kratzer davongetragen.

„Wie ist das möglich“, keuchte Kyth schwankend. „Der gesamte Platz ist zerstört, aber du benimmst dich, als hätte ich dich überhaupt nicht erwischt. Wie? Wie? SAG MIR WIE!“

Der Hüne lachte und besah sich selbst demonstrativ auffällig, nach Verletzungen.

„Du hast recht. Nicht ein Kratzer. Vielleicht solltest du dir nächstes Mal etwas mehr Mühe geben.“

Wieder lachte er herzlich über Kyth und dankte der Vorsehung, dass er ein Meister des Auraschildes war. Schon als der Lichtregen auf ihn niederging, hatte er seinen Schild auf seinen gesamten Körper ausgebreitet und als die gigantische Lichtattacke folgte, musste er nur noch seine spirituelle Energie aufrecht erhalten.

Ein wenig länger und mir wären die Kraftreserven ausgegangen. Noch so einer Attacke werde nicht nicht standhalten können. Am Besten ich bringe es jetzt zu Ende.
 

Mia und Grahl standen ungläubig am Rande des Kampfplatzes, der nun eher einem riesigen Loch im Boden gleichkam und darin stand der unverletzte Leibwächter. Wenn sie die Umgebung betrachteten, konnte es einfach nicht sein, dass ihm nichts fehlte. Die Bäume waren schwer in Mitleidenschaft gezogen, die Hecke zerrupft, kein Stein war auf dem anderen geblieben und sie hatten Glück, dass sie hinter den Baumstämmen Schutz gefunden hatten, obwohl diese auch massiv geschwankt hatten.

„Ich verstehe das nicht“, hauchte Mia, kaum hörbar, aus. „Ist er unverwundbar?“

Grahl, der den Kontrahenten seines Freundes genau musterte, schüttelte schlicht den Kopf.

„Das muss seine Magie sein. Wenn du genau hinschaust, siehst du, dass er leicht schimmert. Er muss sich schützen oder so. Frag mich aber nicht wie“, erklärte er.

Als das Mädchen nun genauer hinsah erkannte sie es auch. Es war, wie ihr Bruder sagte, Lelous Körper schimmerte in einem, kaum wahrnehmbaren, Blau.

Was ist das?

Noch ehe sie weiter darüber nachdenken konnte, bemerkte sie, dass der Hüne sich anspannte und zum Angriff ansetzte.
 

Das kann nicht sein. Das kann einfach nicht sein. Ich bin am Ende und er ist noch frisch wie der Morgentau. Was ist nur mit diesem Kerl los? Allmählich glaube ich nicht mehr, dass man ihn besiegen kann. Er ist selbst ein Held. Anders kann es gar nicht sein.

Kyths Verstand arbeitete auf Hochtouren, während er sich abmühte nicht zusammenzubrechen. Er wollte verstehen wie Lelou seinen Angriffen entging. Er wollte hinter sein Geheimnis kommen, doch ihm kam keine logische Erklärung in den Sinn. Wenn er ehrlich war, setzte sich alles, was hier geschah, sich über jegliche Logik hinweg. Zumindest über die in ihrer Welt. Er musste einsehen und lernen, dass die Logik dieser Welt eine ganz andere war und viel größere Dimensionen einnahm. Es gab zu vieles, dass sie nicht kannten oder verstanden. Lelou hingegen war mit all dem aufgewachsen. Für ihn war es die natürlichste Sache der Welt, dass alles so war wie es nun eben war.
 

Plötzlich riss ihn ein greller Aufschrei Mias aus seiner Verzweiflung.

„Achtung Kyth. Er greift an!“

Der Freund ihres Bruders konnte es nicht glauben. Er selbst konnte sich kaum auf den Beinen halten, doch sein Kontrahent stürmte mit dem selben Eifer auf ihn zu, wie zuvor. Zu schwach um noch etwas entgegenzusetzen, wartete er auf den Schlag, der allem ein Ende setzen würde.

„Du kannst gewinnen. Er schützt sich nur“, drang abermals die Stimme der Weißhaarigen an sein Ohr. Er konnte bereits spüren, wie Lelou seine Faust auf ihn niedergehen ließ, als ihn die Erkenntnis traf.

Er schützt sich nur?

Zorn kochte in ihm auf. Er hat sich also geschützt. Und ich habe mich zur vollkommenen Erschöpfung getrieben. Er stand nur da und hat gewartet und jetzt will er mich einfach schnell weg hauen. Nein! Das lasse ich nicht ZU!

Kyths Augen trafen auf Lelous.

Nur noch wenige Millimeter trennten die Faust des Hünen vom Gesicht des Anderen, als sich dessen Augenfarbe erneut änderte. Das Weiß, das sie den gesamten Kampf über gehabt hatten, wichen einem tiefen Schwarz und mit einem mal, erwachte ein gänzlich andere Kraft in Kyth. Sie war bedrückender und düsterer. Im Gegensatz zu ihr war die Andere leicht und schenkte in gewisser weise Hoffnung. Diese neue Kraft hingegen war das komplette Gegenteil und doch, so wusste er, würde er nur mit ihr siegen können.
 

Lelou erschauderte innerlich, als er diese leeren und bedrohlichen Augen sah. Das erste mal in diesem Kampf fühlte er sich, als müsste er sich fürchten, doch dazu war es zu spät. Er würde Kyth niederschlagen, dieser würde keine Kraft mehr aufbringen können und der Kampf wäre vorbei. Doch die Faust des Leibwächters, traf ihr Ziel nicht. Sie verharrte vor dem Gesicht des Anderen. Etwas hielt sie fest. Nein nicht nur seine Hand, sondern seinen gesamten Körper. Der Hüne spürte, wie etwa ihn umklammerte. Verwirrte blickte er sich um, als er geschockt feststellte, dass sein eigener Schatten ihn an Ort und Stelle hielt.

„Was?“, bellte er überrascht. „Du beherrscht nicht nur das Licht, sondern auch die Dunkelheit?“

Kyth nickte apathisch.

„Ganz recht und mit der Kraft der Dunkelheit werde ich dich jetzt besiegen. Ich habe die Nase voll von deinen großspurigen Ansprachen und schlechten Witzen. Du wirst verlieren und mich und Smith in Ruhe lassen.“

Der nun Schwarzäugige erhob eine offene Hand über seinen Kopf und schloss diese, woraufhin sämtliche Schatten sich über seiner Faust sammelten und zu einer enormen Säule heranwuchsen. Eine bedrohliche Aura ging in diesem Moment von Kyth und noch mehr von diesem Schattengebilde aus.

Lelou wollte entkommen, doch sein eigener Schatten war zurückgeblieben und verweigerte ihm die Kontrolle über seinen Körper.

Verdammt. Das ist nicht gut
 

Kyth hielt dem Leibwächter die geschlossene Faust entgegen und drehte sie so, dass sie einen Daumen nach unten signalisierte.

Mit dieser Geste, stürzte die Säule allmählich, wie ein Wasserfall, über Lelou ein und drohte ihn zu erdrücken.

Da er jedoch seinen Auraschild, nach wie vor, aufrecht erhalten hatte, blieb er vorerst vor Schaden bewahrt. Vorerst, denn diese Attacke griff nicht nur seinen Körper an, sondern schadete auch seinem Gemüt. Bleierne Schwere drückte auf sein Wesen ein und versuchte seine Selbstbeherrschung zu unterjochen. Angst, Zweifel, Schmerz füllten seinen Verstand und brachten ihn um den Verstand und dann war da noch die Attacke an sich. Sein Schild wurde schwächer. Er wurde schwächer.

Ich muss mich befreien

Sprach er in seinem Inneren zu sich, um sich Mut zuzusprechen und zu entkommen.
 

Der Schwarzäugige stand ungerührt da, während sein Gegenüber verschlungen wurde. Es kümmerte ihn nicht. Er fühlte sich leer, so als würde er neben sich stehen. Er war außerstande etwas zu tun. Zorn und Verzweiflung hatten sich mit seiner Dunkelheitsmagie verbunden und befielen ihn und seinen Gegner. Der Fluch des Spruchs würde erst abflauen, wenn Lelou besiegt war. Besiegt bedeutete in diesem Fall tot.

Unentwegt stürzte die Dunkelheit auf Lelou hernieder. Er war nicht mehr auszumachen und niemand konnte sagen, ob er noch immer standhielt.

Mia schrie wie verrückt. Auch Grahl versuchte irgendwie zu seinem Kumpel durchzudringen, doch Worte erreichten ihn im Moment scheinbar nicht.

Die beiden Zuschauer fühlten die Bedrohung, die von der Attacke ausgingen und beide waren sich bewusst, dass Kyth die Kontrolle verloren hatte. Wie Mia damals und es gab niemanden, der ihn nun stoppen könnte.

„Wir müssen etwas tun!“, schluchzte das Mädchen voll Kummer und Sorge. „Er wird ihn töten. Man kann es spüren.“

„Wir können ihn aber nicht aufhalten. Wir wissen doch gar nicht wie wir unsere Kräfte freisetzen können. Außerdem würden wir vielleicht alles viel schlimmer machen“, setzte Grahl, ausnahmsweise einmal besorgt, dagegen. Er hielt Mia fest an sich gedrückt, damit sie nicht wieder Hals über Kopf in Gefahr geriet.

„Lass mich los. Wir müssen~“

„Kyth stopp!“, erklang plötzlich die warme und durchdringende Stimme Smiths an die Ohren seiner Kameraden. „Du musst aufhören. Du wirst ihn umbringen!“
 

Smith hatte sich von der energetischen Ausstrahlung Kyths führen lassen, die sich akut verfinstert hatte. Als er den Kampfplatz erreichte, traute er seinen Augen nicht. Mia und Grahl waren gezwungen mitanzusehen, wie Kyth Lelou umzubringen schien. Noch, das konnte Smith spüren, erhielt dieser seinen Zauber aufrecht, der den Leibwächter irgendwie schützte. Aber er geriet an seine Grenzen und es war an dem Goldäugigen, zu verhindern, dass sein Geliebter etwas tat, dass er bereuen würde.

„Hör auf!“, drang er wieder auf seinen Freund ein, was zur Folge hatte, dass die Attacke tatsächlich ein wenig abschwächte. Ein wenig, aber nicht genug.

„Du kannst ihn doch nicht töten wollen“, fuhr Smith milde fort. „Das ist bestimmt nicht was du willst.“

„Nein. Aber ich kann es nicht aufhalten. Es hält mich fest.“, erklärte der Andere.

„Versuch es. Du musst es einfach schaffen. Oder willst du, dass man dich für einen Mörder hält? Du kannst es beenden. Ich weiß es. Tu es für uns.“

Die liebevollen Worte durchdrangen den Wall der Finsternis, der Kyths Herz fest im Griff hielt und plötzlich keuchte er ermüdet auf. Er kämpfte gegen diese negativen Gefühle an. Füllte sein Herz wieder mit positiven Emotionen und verdrängte das Dunkel. Seine schwarzen Augen fanden zu ihrem gewöhnlichen Violett zurück und der Strom des Angriffs schwächte merklich ab.
 

„Gut gemacht“, meldete sich ein kühle Stimme hinter Smith zu Wort. „Überlasse den Rest jetzt einfach mir. Er wird die Attacke nicht alleine stoppen können. Ich werde ihm helfen.“

Es war Ryu. Er musste ebenfalls bemerkt haben, dass etwas vor sich ging und war zu ihnen geeilt. Schnellen Fußes rannte er auf Kyth zu und presste ihm eine Hand in den Rücken.

Es dauerte nur einen Wimpernschlag und der Zauber war gebannt. Erschöpft fiel Kyth zu Boden, während Ryu sich auf den Weg zu Lelou machte. Dieser war ebenfalls niedergerungen worden, jedoch unverletzt.

Der Arkane Berater kniete sich neben den Leibwächter und erkundigte sich:

„Wie geht es dir?“

Dieser grinste ihn breit an und antwortete mit gespielter Lässigkeit:

„Ausgezeichnet. Mir geht es prima und ich habe keinen Kratzer abbekommen.“

„Du Idiot“, seufzte sein Gesprächspartner genervt und half dem anderen auf.
 

Smith, der wie Mia und Grahl zu Kyth geeilt war, spürte deutlich, dass Lelou nicht viel länger durchgehalten hätte und er war froh, dass er und Ryu noch rechtzeitig eingetroffen waren, um das Schlimmste zu verhindern.
 

„Macht euch keine Sorgen. Er ist nur völlig entkräftet, aber ihm fehlt nichts weiter. Ich habe seine Spiritakreisläufe blockiert, wodurch ich seinen Zauber brechen konnte. Dies wäre mir jedoch nicht möglich gewesen, wenn du ihn nicht vorher beruhigt hättest. Danke dir, Smith.“, erklärte Ryu, der nun neben sie getreten war und sie tröstend ins Auge fasste. „Lelou, du solltest dich entschuldigen. Ich weiß zwar nicht, wie du ihn derart zur Weißglut gebracht hast, aber es ist definitiv deine Schuld.“

Empört gestikulierte der Hüne vor dem Berater herum und versuchte sich zu verteidigen. Da seine Ausreden jedoch nicht fruchteten, entschuldigte er sich kurz angebunden bei den Anwesenden und sprach seinen Dank gegenüber Smith aus, bevor er sichtlich erschöpft in das Herrenhaus zurückkehrte.

Über seine Schulter meinte er noch lachend aber etwas schwankend: „Ich freue mich jedenfalls darauf, mich weiter mit deiner Gegenwart begnügen zu dürfen, Goldi.“
 

Die Augen des Arkanen Beraters funkelten argwöhnisch auf.

„Das er es nie gut sein lassen kann. Kommt, ich führe euch in eure Gemächer. Morgen solltet ihr alle ausgeruht sein, denn es wurde ein Beschluss, euch betreffend, gefasst.“

Ryu führte Smith und Grahl, die Kyth zwischen sich genommen hatten, sowie Mia, in ihre Gemächer. Auf ihrem Weg schwiegen sie andächtig und kamen nicht umhin, sich zu fragen, was aus ihnen wurde und ob die heutigen Ereignisse irgendwelche Auswirkungen auf die Entscheidung hatten.



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