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Gedankenwanderer

OP One-Shot Sammlung
von
Koautor:  Sternenschwester

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein OS zu meinem Projekt mit Sternenschwester

Dieser wirklich wunderbare OS stammt aus Sternenschwesters Feder zu dem Stichwort "Heimatlos"
Vielen lieben Dank für deinen Beitrag!


Weitere Informationen:

Verwendetes Schlagwort: Heimatlos

Ausschreibung von: Siebzehn Worte, mit denen du für mich logst
„Und der Knirps da?“
„Ist mein kleiner Bruder, können wir jetzt mitfahren, oder müssen wir rüber schwimmen?“
Aus: Zwanzig Worte zu Masken und Schrauben (Freundschaft; Killer, Eustass Kid)

Betagelesen von pbxa_539


Ganz viel Spaß beim Lesen! Ich bin immer noch total begeistert ^.^
GLG eure KankuroPuppet Komplett anzeigen

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Heimatlos (Marco, Killer/Kid)


 

Siebzehn Worte, mit denen du für mich logst
 

Der Wind peitschte Marco ungnädig seinen grausigen feuchten Atem ins Gesicht und nur mit Mühe konnte der Phönix durch die dichten Regenschlieren erkennen, wohin seine Füße ihn trugen. Es trug sich nicht mehr so häufig wie früher zu, dass ausgerechnet er für kleinere Aufträge vom Flaggschiff Whitebeards geschickt wurde, doch dank der steigenden Verwaltungsarbeiten, die sich exponentiell zum Wachstum ihrer Bande anhäuften, hatte der zweite Mann einer der mächtigsten Männer der Meere so kleine Abwechslungen im Laufe der Jahre immer mehr zu schätzen gelernt.

Nun gut, vorausgesetzt, seine Wege führten ihn nicht in den unwirtlichsten Teil des South Blue.
 

War der South Blue vor allem für sein wärmeres Klima bekannt und die Inseln nahe der Grand Line als erholsame Oasen beliebt, so wurden die südlicheren Inseln des Meeres wegen ihres wechselhaften Wetters gemieden, wenn nicht sogar vom Norden verleumdet.

Wo sich im Norden Erholungssuchende aller Welt tummelten und mit riesigen Kreuzschiffen in großer Zahl von Insel zu Insel gekarrt wurden, konnte der Süden nur mehrere Inselgruppen aufweisen, die neben dem fetten Vermerk bezüglich ihrer kargen Landschaft und ihres unwirtlichen Klimas, alleinig wegen ihrer Minen und der damit einhergehenden Schwerindustrie Erwähnung fanden.

Der einzige Verkehr, welcher in den Süden stattfand, war der Abtransport der gewonnen Mineralien und Erze, wie auch die Versorgung der Produktion, beziehungsweise Abbaustätten.

Korrupte Minengesellschaften und Eisenbarone regierten mit strenger Faust über die wenig bewohnten Flecken dieses Teils des South Blue, während die Weltregierung wenig Präsenz zeigte.

Selbst die Anwesenheit der Marine hielt sich in einem überschaubaren Rahmen und mischte sich aus gutem Grund in das Intrigenspiel der verschiedenen Inselketten kaum ein.

Es hätte auch sicher mehr Piraterie geben, waren doch die wenigen Handelswege in den Norden Richtung der anderen Meere bei weitem nicht unbedeutend oder ohne großen Wert, aber die unberechenbare See und das unangenehm feuchte-kalte Wetter trugen zu einer natürliche Auslese unter den Seeleuten bei.
 

Zusammenfassend war ein reisebedingter Aufenthalt im südlichen Teil des South Blue kein Vergnügen und Marco ärgerte sich im Nachhinein, diese lästig gewordene Mission nicht einst auf irgendein anderes Mitglied ihrer großen Familie abgewälzt zu haben.

Das einzig Gute an der Sache war, dass er sich nun wieder auf dem Rückweg befand und die kleine Aufgabe, welche sein Vater erfüllt sehen wollte, sich ohne weiteren größeren Aufwand hatte lösen lassen.
 

Mit einem innerlichen Ruck zwang sich Marco seine Gedanken nicht länger auf seinen Missmut zu richten, sondern auf die baldige Erreichung des Schiffes, welches ihn zur nächsten Insel bringen sollte. Wäre besseres Wetter gewesen und würde seit nicht gut einer Woche ein grässlicher Sturm das Meer um die Inselkette derart aufpeitschen, der selbst jedem Unwetter auf der Grand Line Ehre und Konkurrenz gemacht hätte, hätte sich der Vize Whitebeards ernsthaft überlegt, die einzelnen Strecken zwischen den Inseln mit Hilfe seiner Teufelskraft zu überwinden, doch den Umständen nach, war es weiser, auf profanere Mittel des Transportes zurückzugreifen.
 

Das der Personentransport, wie schon erwähnt, nicht wirklich in dieser Gegend eine wirtschaftliche Rolle spielte, hatte seine Suche nach einer passenden Gelegenheit mehr erschwert als sein beachtliches Kopfgeld, welches sich in den letzten Jahren angesammelt hatte. Denn selbst in diesen abgelegenen Gefilden war sein Steckbrief auf den Anschlageplätzen der Märkte zu finden und gierige Jäger gab es auch hier.
 

Der Kapitän, welcher ihn nun mitnahm, hatte sich weniger durch die hohe Summe, die die Marine auf seine Ergreifung ausgesetzt hatte, beeindruckt lassen, als durch die großzügige Entlohnung, wenn er den Phönix eine Mitfahrt bot. Die Gier war zwar in den dunklen Augen des von den Gezeiten gezeichneten Mannes aufgeblitzt, aber selbst in diese abgeschiedene Provinz war der Ruf von Whitebeard und seiner Familie vorgedrungen.
 

Wenige Zeit später fand Marco die alte Schabracke, welche ihn wieder Richtung Norden bringen sollte und mit zusammengekniffenen Augen kontrollierte er den Namen des Gefährts, auf welchem er die nächsten Tage zwecks Überfahrt verbringen würde. Eine vom Wind gebeutelte Laterne hing an einem Posten bei der Planke und erleuchtete gespenstig die Umgebung mit seinem gelblichen Licht, während die vom Moder angefressenen Planken des Steges unter den aufbäumenden Gezeiten verzweifelt stöhnten.

Das Schiff selber war alt, sah jedoch trotz seiner eindeutigen Gebrauchsspuren vertrauenerweckender aus, als es sich Marco in seinen schlimmeren Versionen ausgemalt hatte, was aber die Angelegenheit nicht besser machte.

Typisch für die hiesigen Gewässer bestand es aus einem guten Teil aus Metall und glänzte weniger durch eine elegante Form, als durch Beständigkeit, wie auch Zweckmäßigkeit.

Das salzige Wasser peitschte unablässig gegen die „Wellenbraut“ und die Wellen ließen die altmodische Gallionsfigur eines halbnackten Seeweibes am Bug auf und nieder schaukeln.

Alles in allem fühlte sich der Phönix in eine Kulisse einer Geistergeschichte reinversetzt und die wartende Gestalt des Kapitäns, eingehüllt in einen schweren Mantel am Fuß der Planke komplettierte das Bild. Rasante Windböen durchpflügten den dichten, grauen Bart und ließen die Spitzen in der Luft tanzen.

Dankbar, sich gleich in trockene Räume zurückziehen zu können, schritt Marco zielstrebig auf den älteren Mann zu, während ihn der Wind wie als letzten Gruß einen besonders kräftigen Stoß durch seine völlig durchnässte Kleidung jagte.
 

„Ich dachte, der Regen hätte Euch wegschwemmt. Ihr seid spät dran“, lachte der andere ihm als Begrüßung zu, wobei das Heulen des Windes sich seiner Stimme beimischte. Marco knirschte mit den Zähnen und schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass dieser Wahnsinnige nicht vorhatte, in diesem Unwetter auszulaufen.

Nicht, dass Marco sich in einer solchen Wetterlage auf See befunden hatte, aber gegen die Moby Dick war diese Schabracke eine Nussschale und sein Unbehagen den Tiefen des Meeres gegenüber rumorte in seinem Innersten nur allzu spürbar.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, trat der Mann zu Seite, um den Phönix an sich vorbei zu lassen.

„Wir müssen den Zeitpunkt jetzt ausnützen, sonst kommen wir in den nächsten Tagen nicht aus der Bucht heraus. Es naht aus Westen ein heftiger Seesturm heran und dann kommt kein Schiff mehr aus dem Hafen.“

Fassungslos starrte Marco den alten Seebären an, welcher ihn verschmitzt hinter dichtem Bart und breiter Hutkrempe unverhohlen angrinste.

„Ihr stammt doch von der Grandline, Ihr müsstet doch, streng genommen, schlimmere Wetterphänomene gewohnt sein, oder nicht?“

Mit schmalen Lippen nickte Marco, ohne weiter auf den Spott in den Worten des Alten einzugehen und setzte einen Fuß auf die Planke, während die See die klamme Gischt unter ihm hoch peitschte. Er hatte einfach keine Lust, aufgrund spitz gemeinter Worte bei diesem Wetter einen Streit anzufangen, zudem er sich seiner Stellung innerhalb der Piraterie als rechte Hand des mächtigsten lebenden Piraten sehr wohl bewusst war, als dass er es nötig hatte auf solche Spöttereien zu reagieren.

„Dann hoffe ich für Euch, dass wir rechtzeitig ankommen werden, yoi“, brummte er nun dem Inhaber des Schiffes entgegen und wollte sich schon auf Deck begeben, als er im Rauschen des Windes Stimmen vernahm.

„Warten Sie! Halt! Bitte, warten Sie!“

Die junge Stimme wäre beinahe im Tumult des Unwetters untergegangen, doch als Marco sich umdrehte, sah er hinter den dichten Regenfäden zwei Schemen in Schnelligkeit auf sie zukommen.

Ein wenig zögernd verharrte der Phönix auf der Planke, während ihm der Regen Tropfen für Tropfen ins Gesicht schleuderte. Die vorhin spöttische Miene des Kapitäns neben ihm verfinsterte sich zunehmend und ein leiser Fluch ging ihm über die Lippen.

„Gehen Sie schon mal rauf. Ich kümmere mich um das Pack“, murmelte er, doch Marco blieb an Ort und Stelle. Wenig später konnte er den Umriss von zwei Jungen erkennen, die in größter Hast auf sie zu hechteten. Der größere von ihnen, ein schlanker Kerl, nach Statur und Größe beinahe ausgewachsen zu sein schien, zog an der Hand ein Kind von wahrscheinlich zehn bis zwölf Jahren hinter sich her und gestikulierte wild mit seinem freiem Arm.

„Warten Sie noch kurz! Bitte!“

Aus den Augenwinkeln konnte Marco erhaschen, wie sich die Haltung seiner Mitfahrgelegenheit zunehmend versteifte, je näher die Burschen kamen. Unter Keuchen blieben beide vor ihnen stehen. Mit seiner Einschätzung, dass der eindeutig Ältere der beiden so um die sechzehn Jahre alt sein müsste, schien Marco nicht so weit daneben zu liegen. Der junge Mann war von hochgewachsener Gestalt, mit langen Beinen und schmalen Schultern. Lange, blonde Haare fielen klatschnass offen den Rücken runter und ein dichter Pony verdeckte gekonnt große Teile der oberen Partie des feingezogenen Gesichts. Das graue, triefende Hemd klebte an einem genauso nassen Shirt, welches mit ein wenig Fantasie einzelne Rippen erkennen ließ. Ein sorgsam gepackter Rucksack baumelte über den Rücken, wobei diverse weitere Gegenstände am Gürtel des Jungen hingen. Dabei blieb Marcos Blick vor allem an der breiten Scheide eines größeren Messers hängen. Die dunkle Hose wies selbst im Regen helle Gebrauchsspuren auf, während das Nass die Abwetzungen am Leder der Schuhe gekonnt verschwinden hatte lassen.
 

„Haben Sie noch Platz für uns beide, Herr?“

Der alte Kapitän spitzte scharf die Lippen und machte eine wegscheuchende Handbewegung.

„Vergesst es, Straßengören wie euch nehme ich nicht mit und jetzt verzieht euch in die Gosse, wo ihr herausgekrochen seid.“

„Wir können auch für die Überfahrt zahlen.“

Nachdem das magische Wort zahlen gefallen war, huschte unbeirrbar ein gieriger Ausdruck über das bärtige Gesicht des älteren Mannes und mit größerem Interesse musterte er die beiden Jungen. Auch Marco schweifte mit seiner Aufmerksamkeit zu dem jüngeren der beiden. Aufgrund des ausgemergelten Zustands des Kleinen fiel es dem Phönix noch schwerer vernünftig das Alter des Kindes aus der Nähe zu schätzen. Eine alte Regenweste, ein paar Nummern zu groß, hing wie ein Sack über die spitzen Schultern und ging beinahe bis über die knubbligen Knie. Erstaunlicherweise schien das wirre, strubblige Haar der Macht des Regens standzuhalten, stand der rote Schopf in allen Richtungen wirr ab und wurde nur mit größter Mühe vom Bund einer blechernen Brille, wie ihn die Schweißarbeiter aus dieser Gegend zu tragen pflegten, zusammengehalten. Eine feine, spitze Nase teilte das kindliche Gesicht, während. auffällig fiebrig, die gelben Augen versuchten müde den Blicken der Erwachsenen auszuweichen. Beide Hände im gräulichen Stoff des Hemdes seiner älteren Begleitung gekrallt, schwankte der Junge bei jedem Aufheulen des Windes bedenklich und Marco wurde das Gefühl nicht los, dass der rötliche Schimmer auf den Wangen und Ohren des Kindes nicht von der Kälte dieser Nacht herrührten. In der Zwischenzeit verstrickte der Blondschopf den Kapitän der „Wellenbraut“ in Verhandlungen, schaffte es jedoch nicht, das Gespräch zu seinen Gunsten zu wenden.

„Mit dem Betrag würde ich euch nicht einmal bis zur nächsten Insel mitnehmen“, grollte der alte Seebär hörbar gegen den Sturm, bevor er misstrauisch nachhakte. „Warum bist du eigentlich so scharf darauf Port Sulfid zu verlassen, Junge?“

Marco, dem langsam aber sicher vom Wind jegliche Wärme aus dem Leib geprügelt wurde, legte genervt eine Hand auf die Schulter des älteren Mannes.

„Ich bezahle die Fahrt der beiden Burschen“, grummelte er schlecht gelaunt und nickte zu den beiden Betroffenen.

Kurz schien der Kapitän Einspruch erheben zu wollen und für einen Moment glaubte der Phönix etwas wie Unbehagen hinter den dunklen Augen blitzen zu sehen, doch wenige Sekunden später zuckte er einfach mit den Schultern, bevor er dann auf die kleinere Gestalt der beiden hinwies.

„Und der Knirps da?“

Mit einem Ruck drehte sich der Blondschopf ein wenig zu Seite, während der Kleine versuchte auf seinen dünnen Beinen stehen zu bleiben. Ein sorgenvoller Zug umgab die Mundwinkel des älteren Jungen und reflexartig legte er beschützend eine Hand auf das rote Haar.

„Ist mein kleiner Bruder, können wir jetzt mitfahren, oder müssen wir rüber schwimmen?“, zischte er dann angespannt gegen den Wind, wobei Marco meinte einen unsicheren Unterton aus der aggressiven Antwort deutlich herauszuhören.

Auch in den Gesichtszügen des Kapitäns spiegelte sich eine Spur von Unglauben und abermals schien er Einwände erheben zu wollen, doch die nächste Windböe brachte ihn davon ab.

„Wehe, der Kleine steckt mit seinem Fieber meine Mannschaft an. Und wenn ich höre, dass ihr mir Ärger mit den Eisenbaronen bereitet habt, werfe ich euch beide über Bord“, schnauzte er schlussendlich den Blonden an, dessen Aufmerksamkeit jedoch seiner jungen Begleitung galt.

„Und wenn Ihr für die beiden zahlt, dann werden die beiden auch bei Euch in der Kajüte untergebracht.“

Nachdem er sich mit diesen Worten an Marco gewandt hatte, ging der Kapitän die Planke, ohne ein weiteres Wort fallen zu lassen, hoch. Marco folgte ihm nur wenige Augenblicke später, nachdem er einen Blick hinter sich zurückgeworfen hatte. Der Blondschopf hatte die Hand des Kindes ergriffen und führte ihn behutsam an sich gepresst, das schmale Holzbrett hinauf.
 

Nachdem das Schiff sich trotz der unguten Wetterlage aus dem Hafen navigiert hatte, befand sich Marco endlich an dem Ort, nach dem er sich gesehnt hatte, seitdem er die alte, aber warme Hafentaverne verlassen hatte. Mit wenigen Handgriffen löste er bei seinem Mantel die Knöpfe und schälte sich aus den durchnässen Kleidungsstück.

„Du und der Kleine könnt das Bett haben, yoi“ teilte er dem Blonden mit, welcher mit dem kleinen Rotschopf zögerlich den warmen und vor allem trockenen Raum nach ihm betreten hatte.

Der Bursche nickte ihm dankbar zu und zog den Kleinen Richtung des einfachen Bettes, auf welchen er mit sanften Worten das Kind sich setzen ließ, bevor er sich dran tat es von den nassen Kleidungsschichten zu befreien, um diese über einen der zwei vorhandenen Stühle zu hängen, welche vor einem alten, speckigen Tisch standen.

„Hier.“

Ohne eine weitere Erklärung reichte Marco dem Jugendlichen ein trockenes Handtuch aus seinem Rucksack, kaum war dieser wieder beim Bett zurück.
 

Wenige Augenblicke später lag der Kleine, trocken aber immer noch fiebernd, unter der Decke des Bettes und war schnell in einen unruhigen Schlaf entglitten. Der Blonde fuhr sich müde mit einer Hand durch den dicken Pony und für ein kurzes Weilchen erhaschte Marco einen Blick auf sein gesamtes Gesicht. Müde und sichtbar abgehetzt ruhten die braunen Augen auf dem kranken Kind. Vorsichtig löste der ältere Junge das dunkle Band, welches die Blechbrille am roten Haaransatz hielt, bevor er das Objekt neben den Kissen ablegte.
 

„Ich kam noch nicht dazu mich zu bedanken“

Die plötzlichen Worte rissen Marco aus seiner Lethargie und überrascht blickte er noch leicht verwirrt zum Blondschopf.

„Der Kleine ist nicht dein Bruder, oder?“, harkte er Phönix nach, ohne auf die vorigen Worte einzugehen. Der Blonde schüttelte seine dichte Haarmähne und viele winzige Wassertropfen benetzten den hölzernen Boden.

„Mag sein, aber seid ehrlich, Herr Phönix, ist es für Sie bedeutend, dass Whitebeard nicht Ihr leiblicher Vater ist?“

„Du…“, wollte Marco anfangen, doch der Jugendliche ließ ihn nicht zu Wort kommen.

„Ich kenne Euer Gesicht von den Anschlagetafeln der Marine und Gerüchte von Eurer Bande sind sogar bis zu uns gedrungen.“

Der Vize der Whitebeard-Bande zuckte daraufhin mit den Schultern und stellte sich neben den Jungen.

„Du hast Recht, es macht keinen Unterschied, solange man für einander da ist.“
 

Für eine Weile schwiegen sie beide, während der Blondschopf mit einem Taschentuch den Schweiß von der schmalen Stirn wischte. Das Schiff schaukelte für Marco in einem gewohnten Rhythmus, während die Wellen des Sturmes hörbar gegen die metallene Bordaußenwand klatschten. Schwach konnte man das Gebell des Kapitäns an Deck vernehmen und angesichts der meteorologischen Bedingungen war Whitebeards Vize froh, die Seefahrt ausnahmsweise mal als Gast zu genießen, wenn er sich auch nach seinem Platz auf der Moby Dick sehnte.
 

„Wie heißt ihr beide überhaupt?“

Überrascht sah ihn der Jüngere an, ebenso wie Marco wenige Augenblicke davor erstaunt festgestellt hatte, dass er bis jetzt nicht mal die Namen seiner beiden Zimmergenossen erfahren hatte.
 

„Kilyan“, antwortete der Blonde dann kurz angebunden und nickte dann zu seiner fiebernden Begleitung. „Eustass, aber er mag den Namen nicht sonderlich. Meinen übrigens auch nicht wirklich“, setzte er dann noch mit einem schwachen Lächeln nach.
 

Die beiden musternd, zog Marco einen Stuhl vom Tisch zu sich und setzte sich breitbeinig drauf, um die Arme auf die Lehne zu betten.

„Ich will nicht allzu neugierig wirken, Kilyan“, begann der Phönix dann, wobei er hoffte seine Wortwahl möge nicht zu falsch klingen. „Und mir ist sehr wohl bewusst, dass es leider nichts ungewöhnliches ist, wenn Kinder und Jugendliche in eigener Regie über die Meere reisen. Aber wie kommt es, dass ihr unterwegs seit?“
 

Kilyan stand auf und setzte sich auf die Kante des Bettes. Die Finger anschließend ineinander verschränkt, schien er Marco lange schweigsam durch seinen dichten Pony zu mustern, bevor er sich wieder zu Wort meldete.

„Ich glaub, man könnte es als ungünstige Umstände beschreiben“, meinte der Jugendliche dann kurz angebunden, machte jedoch mit dem verwendeten Unterton klar, dass er keine weiteren Details preisgeben wollte.

Marco legte den Kopf auf seine Unterarme.

„Der Kapitän hat irgendwelche Eisenbarone erwähnt“, murmelte er dann schlussendlich, während die aufgestaute Müdigkeit des Tages langsam von seinem Körper Besitz nahm. Der Junge kniff die schmalen Lippen zusammen und wich wie ertappt dem Blick des Älteren aus. Doch schwieg er nicht, wie Marco anfänglich befürchtet hatte.
 

„Die Eisenbarone sind die heimlichen Herrscher des Südens. Ihnen gehören nicht nur offiziell die Minen und Industriestädte, sie kontrollieren die Handelswege und auch das gesellschaftliche Leben hier. Sie haben die Macht den Leuten ihre Regeln aufzuzwingen.“

Der Blonde strich sich den dichten Pony aus dem Gesicht, welcher jedoch sogleich wieder zurück fiel.

„Wir haben zwar durch die Fabriken und die Minen genug Arbeit, aber zu Bedingungen, welche sehr schlecht sind. Hier zählt ein einzelnes Leben nicht viel, schon gar nicht, wenn man noch nicht erwachsen ist und viele haben in den letzten Jahren versucht, entweder gegen die Barone anzukommen oder auszuwandern, um dem Elend zu entkommen. Erstere Option endet immer blutig, während die hohen Herren seit Jahren versuchen die Abwanderung zu unterbinden. Deswegen sorgt sich der alte Sack da oben um sich selbst. Es wird nicht gerne gesehen, wenn man der heimischen Bevölkerung eine Möglichkeit bietet, die südlicheren Gefilde zu verlassen. Gerade wenn es um jene geht, für die sich niemand mehr verantwortlich fühlt“
 

Den Worten des Jüngeren lauschend nickte Marco, erklärte dies die düstere Stimmung, welche ihm seit seiner Ankunft in diesen Gefilden aufgefallen war.
 

„Ihr beide stammt von einer dieser Mineninseln?“

Kilyan schüttelte den Kopf.

„Nein, ich bin im Geburtsregister einer der nördlichen Inseln des South Blue eingetragen. Kid hingegen…“

Verwundert hob Marco die Brauen, verstand aber sogleich, als der Junge zu dem Knirps nickte, welcher sich weiterhin leicht in tiefen Fieberträumen leicht hin und her wälzte. Kylian zupfte ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und tupfte mit dem feuchten Stoff die glühende Stirn ab.

„Ich sagte ja schon, er mag seinen Namen nicht sonderlich“, warf er beiläufig ein und rückte ein kleines Stück weiter aufs Bett, so dass er gegen die angezogenen Beine des Kleinen stieß, welcher sich ein wenig durch den Körperkontakt im Schlaf beruhigte.
 

Marco legte den Kopf leicht schief und verlor sich für eine Weile in Gedanken. Er selber war in der Gosse groß geworden, in einer Stadt, wo die durchschnittliche Lebenserwartung niedrig angesetzt wurde, und hatte dabei früh lernen müssen, wie wenig die Meinung von Kindern wert war. War man noch nicht erwachsenen galt man wenig, wenn man keinen Schutz eines Volljährigen genoss. Es waren schmerzhafte Erfahrungen für Marco gewesen, sich schnell auf eigene Beinen zu stellen, um überhaupt den nächsten Tag zu erleben.

Seine Mutter war früh gestorben und seinen Vater hatte er ebenfalls kaum gekannt. Auch sein Bruder war eines Tages nicht mehr zu ihm zurückgekehrt und erst Jahre später, als er schon als Whitebeards Sohn über die Grand Line segelte, hatte er erfahren, dass dieser seit geraumer Ewigkeit, wegen eines blutigen Streit über Spielschulden, unter der Erde vermoderte.
 

Für ein paar Gedankengänge überlegte Marco, was aus ihm geworden wäre, hätte er einst nicht in einem Akt der Verzweiflung und Hunger versucht, einen leicht angeheiterten Piraten mit Sichelbart nach dessen Kneipenbesuch zu überfallen. Wahrscheinlich wäre er dann weiterhin heimatlos durch die düsteren Viertel seiner Heimatinsel geirrt. Er konnte nicht mal sagen, ob er seinen siebzehnten Geburtstag erlebt hätte, wenn er diesem Riesen nicht begegnet wäre. Wahrscheinlich nicht, denn es gab genug Menschen auf dieser Welt, welche sich nicht scheuten ihre Waffen gegen Kinder und Jugendliche zu richten. Zudem niemand nach dieser vergessenen Jugend fragte, verschwand sie durch die ungnädigen Umstände von der Weltenbühne.
 

Träge richtete der Phönix seine Gedanken wieder auf seine derzeitigen Zimmergenossen.

Der kleine Rotschopf hatte im Unterbewusstsein nach der Hand seines Freundes gegriffen und hielt sie fest zwischen den seinen, während Kylian scheinbar selber ein wenig seinen Überlegungen nachhing. Auf jeden Fall vermutete Marco dies, konnte er schwerlich ausmachen, was sich hinter dem blonden Pony zusammenbraute.
 

„Und was wollt ihr jetzt machen?“

Die Frage schreckte den Jüngeren auf, und es dauerte eine Weile, bis er zu einer Antwort ansetzte.

„Versuchen, bis in den Norden zu kommen und dann weiter schauen. Ich habe dort noch ein paar Verwandte, die uns vielleicht ein wenig aushelfen könnten.“ Ein bitterer Zug legte sich um die Mundwinkel des Jugendlichen. „Wenn sie nicht wiedermal in ihrem üblichen Egoismus handeln.“
 

„Scheinst ja viel von deiner Familie zu halten, yoi.“

Der Blonde zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß nicht, was ich von ihr halten soll. Seitdem ich klein bin, werde ich immer weitergereicht, bis ich eben im Süden gelandet bin. Muss man die Menschen, welche sich seit je her einen feuchten Dreck um einen scheren, Familie nennen, nur weil man miteinander blutsverwandt ist?“
 

Mit ernster Miene schaute Marco auf und betrachtete lange sein Gegenüber. Ein verbitterter Ernst lag in der Frage und er dachte abermals an seine eigene Sippschaft zurück. An einen Vater, der nie für ihn da gewesen war, obwohl er doch Teilverantwortung für seine Existenz hatte. An einen Bruder, welcher lieber das hart ergaunerte Geld verspielte, anstatt dafür zu sorgen, dass er nicht mit leeren Magen ins Bett gehen musste und ihn selten vor den Prügeln der Straße zu schützen gewusst hatte. Er hatte soweit Blutsverwandte gehabt, doch wirklich verbunden mit ihnen hatte er sich nie gefühlt. Erst als Whitebeard in sein Leben getreten war und ihm etwas geboten hatte, was er viel später erst in seinem vollen Ausmaß verstanden hatte, war ihm gedämmert, was Familie bedeuten konnte.

„Und der Kleine hat auch niemanden mehr, yoi?“, hakte der Phönix nach, auch wenn er die Antwort erahnte. Ein Kopfschütteln bestätigte seinen Verdacht.

„Er war schon allein, als wir uns kennen gelernt haben. Das Dorf, wo wir beide einst gewohnt haben, hat gerade mal dafür gesorgt, dass er nicht verhungert oder erfriert“

Eine kurze Schweigepause trat ein, bevor Kylian fortfuhr.

„Vielleicht hat das einfach gepasst. Ich war den meinigen egal und er hatte niemanden. Ich habe mich nirgends wirklich verbunden gefühlt und wir können auch nicht zurück von dort, wo wir her kommen. Aber vielleicht ist das ein Wink des Schicksals, dass wir uns gemeinsam vorwärts bewegen sollen.“

Ein leises Lachen erfüllte den Raum. „Auch wenn ich glaube, dass Kid mehr Vorstellungen davon hat, wohin es uns wehen soll, als ich. Wenn er wieder auf den Beinen sein wird, kann er einem ziemlich in den Ohren liegen, mit seinem Traum, mal selber Herr über ein eigenes Schiff zu sein“
 

Auch Marco konnte sich ein müdes Lächeln nicht verkneifen, ebenso wenig ein Gähnen.

„Scheint ein zäher kleiner Bursche zu sein, nicht wahr?“

Das Lächeln wurde erwidert, während Kilyan einfühlsam versuchte seine Hand aus dem schraubstockartigen Griff des Kindes zu bekommen, um sich anschließend selber mal die Schuhe auszuziehen.

„Kann man so sagen“

Mit einem Fuß schob der Junge sein Schuhwerk mit den nassen Socken unter das Bett, neben die seines jüngeren Freundes und hängte kurze Zeit später das graue Hemd, wie auch das Shirt über den einen Bettpfosten. Auch Marco machte sich daran, mithilfe der zusätzlichen Decken, die ihnen der Inhaber des Schiffes zu Verfügung gestellt hatte, eine Schlafstätte zu errichten. Als er sich wieder umdrehte, hatte sich der Blondschopf seiner Hose entledigt und war neben seinen Freund, der nun zunehmend ruhiger schlief, unter die Decke gehuscht.
 

Sich auf den kommenden Schlaf freuend, fischte Marco nach der Lampe, welche immer noch leuchtend in ihrer Verankerung stand und löschte die kleine Flamme. Als er sich endgültig in dem erbauten Nest in die Decken wickeln wollte, vernahm er Kilyans verschlafene Stimme.

„Vielleicht könnt Ihr das gerade verstehen, aber seitdem ich unterwegs bin, habe ich mich keinen Augenblick heimatlos gefühlt, solange Kid bei mir ist.“

Ein wissendes Lächeln schlich sich über die Lippen des Phönixes. Familienbande konnte nicht nur ein sicherer Hafen sein, sondern noch viel wichtiger: Eine nicht statische Heimat.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lala1314
2015-09-04T22:35:00+00:00 05.09.2015 00:35
Guten Abend.
Fleißig fleißig muss man ja mal sagen und loben.
Vielleicht wird dieses Kapitel nicht jeden gefallen was auch nicht schlimm ist. Es ist schön geschrieben und beweist eine unheimliche tiefe.etwas was man auch im realen Leben übernehmen kann, gerade zur heutigen Zeit und Situation. Immer mehr verlassen die Heimat (Syrien zum Beispiel) und suchen einen neu Anfang und bessere Überlebens Chancen...viele verlieren ihre Familie oder verkaufen sich, lernen aber leidensgenossen kennen und schätzen so das sich neue ' Familien Bande' knüpfen.irgendwie finde ich deine Geschichte, bzw Kapitel passend.und für mich muss in einer Geschichte nicht in jedem Kapitel etwas spannendes passieren oder viel Action sein.Ich finde solche Kapitel genauso wenn nicht sogaar spannender weil die Charaktere besser zu Geltung kommen.
Mach weiter so,
LG
Deine treu ergebene lala ;-)


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